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Full text of "Zentralblatt für Chirurgie 33.1906, Hefte 27-52"

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/entralblatt 


für 


CHIRURGIE 


herausgegeben 


VOR 


E. von Bermann, F. Konig, E. Richter, — 


in Berlin, in Jona, in Breslau. 


Dreiunddreißigster Jahrgang. 
Nr. 27—52. 


Leipzig, 
Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel. 
1906. 


+ 


Maja 


Zentralblatt 
CHIRURGIE 


herausgegeben | 
E. vu Boman, F, Kinie E Rite 





Dreiunddreißigster Jahrgang. 





"Wöchentlich eine Nummer. Preis des 20 Mark, bei halbjähriger 
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten. 


Nr. 27. Sonnabend, den 7. Juli. 1906. 





Inhalt: 1) Brentano, Bauchschußwunden. — 2) Sprengel, 3) Höhne, 4) Krehl, Appen- 
dicitis. — 5) Maccoulard, Wurmfortsatzhernie. — 6) Cannon und Murphy, Die Bewegungen 
des Magen-Darmkanals. — 7) Matthes, Darminfarkte. — 8) Werellus, Darmanastomosierung. 
— 9) Curl, Kolostomie und Appendicostomie. — 10) Murray, Die Morgagni’schen Krypten 
als Ausgangspunkt von Mastdarmleiden. — 11) Nötzel, Milzverletzang. — 12) Kehr, Gallen- 
steinkrankheiten. — 13) Nötzel, Leberverletzungen. : 

Tomaschewski, Zar Behandlung mit Bier'scher Stauungshyperämie. (Original-Mitteilung.) 

14) Rubritius, 15) Ranzi, 16) Frommer, Stauangshyperämie. — 17) Zahn, Speiseröhren- 
kniekung. — 18) Macartney, Bauchfelltuberkalose. — 19) Roll, 20) Carson, Appendicitis. 
— 21) Rolleston und Jones, Bisartige Geschwulst des Wurmfortsatzes. — 22) Campbell, 
23) Reichborn, 24) Litthauer, Leistenbrüche. — 25) Flaherty, Schenkelbrach. — 26) Nicoll, 
Eierstocksbruch. — 27) Brüning, Cardiospasmus. — 28) Michaelis, Autointoxikation bei 
Pylorusstenose. — 29) Martin, Duodenalgeschwür. — 30) Burke, 31) De Beule, Gastroentero- 
stomie. — 32) Longard, Traumatische Darmstenose. — 33) Zondek, Meckel’sches Darm- 
divertikel. — 34) Waring, Aktinomykose der Ileoceecalgegend. — 35) Maunsell, Volvulus 
des Blinddarmes. — 36) Lanphear, Gangrän des Dickdarmes. — 37) Läwen, Äußere Fisteln 
bei Atresia ani s. recti. — 38) Muscatelio, Mastdarmexstirpation. — 39) Reinecke, 40) Stein, 
41) Qu&au, Echinokokken. — 42) Frank, Talmaoperationen. 





1) Brentano. Erfahrungen über Bauchschußwunden. 
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 14.) 


Ein nicht unerheblicher Teil — 35% — der durch den Bauch 
Geschossenen, welche nicht der primären Blutung oder einer akuten 
Bauchfellentzündung erliegen, stirbt noch in rückwärtigen Lazaretten. 
Die Todesursache ist hauptsächlich Spätperitonitis, Pyämie, Nach- 
blutung. Erstere geht von abgekapselten intraperitonealen Eiter- 
ansammlungen aus. Die Pyämie hat ihren Ursprung gewöbnlich in 
intra- oder retroperitonealen Abszessen. Die intraperitonealen Ab- 
szesse bilden sich oft weit entfernt vom Orte der Verletzung, und 
zwar vorzugsweise im kleinen Becken; ihre Eröffnung geschieht am 
besten vom Mastdarm aus. Die Abszesse, die zur Pyämie führen, 
sind gewöhnlich klein und bilden sich gern in der Umgebung stecken- 
gebliebener Fremdkörper. Da alle Bauchschußverletzten, welche bereits 

| 27 


746 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 


operiert waren, als sie in das rückwärtige Lazarett gebracht wurden, 
starben, so ist ein Transport derselben zu vermeiden. Zweckmäßig 
ist es, wenn die Kranken einen Evakuationsschein mit kurzer Angabe 
der Krankengeschichte mitbekommen. Borchard (Posen). 





2) O. Sprengel. Appendicitis. 
(Deutsche Chirurgie. Lfg. XLVId. 682 S. mit 4 farb. Taf. u. 82 Abb. im Text.) 
Stuttgart, Ferdinand Enke, 1906. 

S. hat in der vorliegenden Monographie nicht nur das umfang- 
reiche Material verwertet, welches die Literatur von den ersten patho- 
logisch-klinischen Untersuchungen über die entzündliche Erkrankung 
des Wurmfortsatzes zu Beginn der 20er Jahre des vor. Jahrh. bis in 
die neue Ara der Appendicitisforschung aufweist, sondern auch®eine 
Fülle neuer Beiträge aus seinen von zahlreichen Operationen gewon- 
nenen Beobachtungen und Erfahrungen gegeben. Wenn damit auch 
noch nicht alle strittigen Fragen völlig aufgeklärt werden, so wird 
dennoch das Werk, das viele derselben zur Lösung, bzw. einer solchen 
näher bringt, von dauernder Bedeutung, ein sehr wertvoller Besitz 
der medizinischen Literatur, eine Zierde der »Deutschen Chirurgie« 
bleiben. 

Nach einem Verzeichnis der Titel der bis zum 1. Juli 1905 ge- 
sammelten Arbeiten über die Appendicitis stellt S. im ersten Teile die 
Anatomie und Physiologie des Wurmfortsatzes ausführlich dar, gibt 
einen sehr interessanten Überblick über die Geschichte der Krankheit, 
die ihr beigelegten Namen und ihre Einteilung und bespricht weiter- 
hin ihre pathologische Anatomie: 

I. Die Veränderungen am Wurmfortsatze selbst, 

a. bei der akuten Appendicitis simplex und destructiva, 

b. bei der chronischen Appendicitis, 

c. den Folgeerscheinungen abgelaufener A'ppendicitis (Striktur 
und Stenose, Obliteration, Hydrops, Empyem). 

Auf Grund seiner anatomischen Befunde und histologischen Unter- 
suchungen kommt er bezüglich der Pathogenese der Appendicitis zu 
folgenden Schlüssen: Das anatomische Bild der akuten Appendicitis 
im frühesten Stadium ist das einer akuten Infektion der Schleimhaut. 
Die weitere Entwicklung der anatomischen Veränderungen ist ab- 
hängig von der Intensität der Entzündung, von der akuten Verschwel- 
lung der Wurmfortsatzschleimhaut und dadurch bedingten Retention. 
Die umschriebene Verschwellung findet sich mit ganz auffallender 
Häufigkeit bei Gegenwart von Kotsteinen im Wurmfortsatz und ver- 
schwindet nicht, wenn solche vorhanden sind, sondern bleibt bestehen 
und gibt zu dem Vorgange der Retention mit ihren destruktiven Folgen 
für die Wandung des Organes Anlaß. Die Perforation entsteht in 
solchen Fällen durch Berstung der einen Kotstein enthaltenden Wurm- 
fortsatzspitze nach dauernd gewordener Schleimhautverschwellung proxi- 
malwärts. S. hat Kotsteine in 73 von 150 Fällen, und zwar in 62 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 747 


von Appendicitis destructiva und in 11 von Appendicitis simplex ge- 
funden, während von den 77 Fällen ohne Kotsteine 36 Fälle von 
Appendicitis destructiva und 41 von Appendicitis¥ simplex betrafen. 
Er hält es deshalb für wahrscheinlich, daß die Kotsteine für die 
schlimmeren Formen oder für die Verschlimmerung der Form von 
Bedeutung sind oder für die Entwicklung der Krankheit mehr Be- 
deutung haben, als für die Entstehung derselben. Nach einer sehr 
eingehenden kritischen Besprechung der prädisponierenden und Ge- 
legenheitsursachen sucht S. sodann die Frage nach dem eigentlichen, 
im letzten Grunde entscheidenden und veranlassenden Moment der 
Erkrankung zu beantworten. Auch nach seiner Ansicht handelt es 
sich um eine bakterielle Infektion nicht spezifischer Natur, in den 
ersten Anfängen der Appendicitis um ein rein lokales Leiden. Bezüg- 
lich des Mechanismus der Infektion lehnt Verf. die Aschoff’sche 
Theorie nicht unbedingt ab. 

Im zweiten Teile des die pathologische Anatomie behandelnden 
Abschnittes werden 


II. die Veränderungen in der Umgebung des Wurmfortsatzes und 
die Komplikationen der Appendicitis (Miterkrankung der Lymphapparate, 
der Blutgefäße und der weiblichen Geschlechtsorgane) geschildert. Die 
ersteren teilt S. in folgender Weise ein: 

A. Freie (diffuse) Peritonitis 

a. seröse oder toxische Peritonitis (Peritonismus, chemische 
Peritonitis), 
b. eitrige oder bakterielle Peritonitis. 

B. Begrenzte Peritonitis. 

Den schützenden Wert der nach früheren Anfällen zurückbleiben- 
den Verwachsungen schlägt Verf. nicht hoch an; er gibt aber zu, daß 
diese die Lage des Wurmfortsatzes für zukünftige Entzündungen 
günstig beeinflussen können. Neben der Lagerung des Wurmfort- 
satzes ist die verschiedene Virulenz der Entzündungserreger dafür 
verantwortlich zu machen, wenn es in einem Falle zu diffuser, in dem 
anderen zu begrenzter Entzündung im Bauchraume kommt — freilich, 
wie S. hinzufügt, ein ungemein variabler, schwer zu beurteilender 
Faktor! Hinsichtlich der pathologischen Vorgänge am Wurmfortsatz 
ergaben Verf.s Untersuchungen folgendes Resultat: Bei der Peritonitis 
libera purulenta befand sich der Wurmfortsatz in der überwiegenden 
Zahl (ca. 90%) im Zustande der Appendicitis destructiva, und zwar 
nicht bloß destruiert, sondern meist auch perforiert; die Appendicitis 
simplex kam als Grundlage der Peritonitis libera purulenta in etwa 
1/,g der Fälle vor. — Sehr interessant ist die durch die zahlreiche 
Abbildungen illustrierte Schilderung der intraperitonealen Abszesse 
— parietaler (Tleo-inguinal-, Lumbal- oder Postero-parietal-, Antero- 
parietal-, Rektal- oder Pelvicaltypus) und meso-coecaler Typus —, 
welcher die der retroperitonealen und retrofascialen Lokalisation der 
Periappendicitis purulenta folgt, überall mit eigenen Beobachtungen 

27° 


148 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 


und Untersuchungen S.’s und daraus gewonnenen Lehren in wert- 
vollster Weise bereichert. 

An den über 200 Seiten umfassenden pathologisch-anatomischen 
Teil schließt sich von gleicher Reichhaltigkeit und Bedeutung der 
klinische an. Auch dieser hat wie jener dadurch, daß S. immer an 
der Hand seiner eigenen großen Erfahrungen den Standpunkt anderer 
Autoren kritisch betrachtet, um den seinigen um so schärfer hervor- 
treten zu lassen, ein ziemlich starkes, subjektives Gepräge, wie es aber 
gegenüber dem andauernd so lebhaft diskutierten Thema und einem 
von inneren Medizinern und Chirurgen so heiß umstrittenen Gebiet 
nicht unberechtigt erscheinen darf. Wer dem Verf. in seinen bis in 
die feinsten Einzelheiten eingehenden Schilderungen der Krankheits- 
bilder, insbesondere ihrer sog. Kardinalsymptome, der klaren Darstel- 
lung der Diagnose und Differentialdiagnose folgt, wird schließlich nicht 
anders können, als die Folgerungen anzunehmen, die S. seit Jahren 
für die Therapie der Appendicitis gezogen hat und die am Ende jedes 
Abschnittes in eindringlichen Schlußsätzen wiedergegeben sind. Scharf 
werden die Indikationen der von 8. als einem der ersten empfohlenen 
Frühoperation, der Operation im intermediären und im Spätstadium 
der Krankheit gestellt, die Berechtigung zu ihnen durch die von Verf. 
und anderen Chirurgen erreichten Resultate nachgewiesen und schließ- 
lich mit großer Sorgfalt die Technik des intraperitonealen Vorgehens 
in jenen Stadien, wie im freien Intervall ausführlich beschrieben. 

Möchte das schöne Werk, namentlich auch von inneren Medizinern 
und praktischen Arzten, ernsten Studium gewürdigt werden! 

Kramer (Glogau). 





3) E. Höhne. Über den gegenwärtigen Stand der Frage 
der Blinddarmentzündung. 
(Med. Klinik 1906. Nr. 19.) 

Übersicht über die heutige Anzeigenstellung für die Operation 
mit besonderer Berücksichtigung der pathologischen Anatomie. Warme 
Empfehlung der Behandlung jedes Falles von Blinddarmentzündung 
von Anfang an durch den chirurgisch geschulten Arzt sowie der Früh- 
operation. Abwägung der Aussichten der Früh- und Spätoperation 
und der inneren Behandlung bei Heeresangehörigen, bei denen unter 
Umständen ein mehr abwartendes Verhalten am Platz ist. 

Georg Schmidt (Berlin). 





4) Krebl. Einige Bemerkungen über die Behandlung der 
Blinddarmerkrankungen. 
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 17.) 

K. ist kein unbedingter Anhänger der Frühoperation, sondern 
empfiehlt sie nur bei Fällen mit schweren Erscheinungen (heftigste 
Schmerzen, stürmisches Erbrechen, Einwirkungen auf den Puls, Bauch- 
deckenspannungen, ernstere Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens). 
Ebenso empfiehlt er auch nicht die Intervalloperation in allen Fällen. 

Borchard (Posen). 





Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 149 


5) Maccoulard. Etranglement herniaire de lappendice et 


appendicite herniaire. 
(Arch. prov. de chir T. XV. 1906. Nr. 4. April.) 

Die entzündlichen Erscheinungen, die bei Anwesenheit des Wurm- 
fortsatzes in einer Hernie beobachtet sind, sind von den Autoren 
bald als Brucheinklemmung des Fortsatzes, bald als Appendicitis im 
Bruchsacke gedeutet worden. Klinisch ist es unmöglich, aus den 
Symptomen eine sichere Diagnose zu stellen, ja selbst bei der Opera- 
tion ist es nicht selten unmöglich, zu bestimmen, welcher von beiden 
Zufällen vorliegt. Nach Ansicht des Verf. handelt es sich in der- 
artigen Fällen der Mehrzahl nach um eine Einklemmung des herniösen 
Wurmfortsatzes, nicht um eine Appendicitis im Bruchsack. Denn 
während die entzündlichen Anfälle des in der Bauchhöhle gelegenen 
Fortsatzes überwiegend im jugendlichen Alter vorkommen, werden die 
Entzündungen des in einem Bruchsacke gelegenen Wurmfortsatzes im 
reiferen und im Greisenalter beobachtet, in den Altersperioden, in 
denen auch die Brucheinklemmungen am häufigsten auftreten. Wenn 
ein deutlicher Schnürring vorhanden und der proximale Teil des 
Wurmfortsatzes nicht oder nur gering verändert ist, kann an dem 
Bestehen einer Einklemmung ein Zweifel nicht bestehen. Sehr oft 
sind aber die Verhältnisse bei der Operation bereits vollständig ver- 
wischt. M. gibt die genaue Krankengeschichte eines selbst beobachteten 
Falles von Einklemmung des Wurmfortsatzes in einem Schenkelbruch 
bei einer 78jährigen Frau und fügt fünf weitere Fälle aus der fran- 
zösischen Literatur an. Müller (Dresden). 





6) Cannon and Murphy. The movements of the stomach 
and intestines in some surgical conditions. 
(Annals of surgery 1906. April.) 

Verff. beobachteten im Röntgenbilde die Bewegungen des ge- 
sunden und des durch Operationen angegriffenen Magen-Darmkanales. 
Zu diesem Zwecke fütterten sie Katzen mit einem Wismut-Nahrungs- 
gemisch, und zwar die operierten Katzen nach dem Erwachen aus der 
Narkose, legten die Tiere auf den Röntgenschirm und pausten die 
Bewegungen auf Papier durch. Die Resultate der interessanten Ver- 
suche sind kurz folgende: Im normalen Magen und bei normaler Kost 
beginnen die Magenbewegungen 10 Minuten nach der Nahrungsauf- 
nahme, und ist der Magen in etwa 3 Stunden wieder leer. 2) Nach 
Darmresektionen von etwa 8 Zoll Länge begannen die Magenbewegun- 
gen ebenfalls sehr bald nach der Nahrungsaufnahme, doch blieb der 
Pylorus krampfhaft geschlossen und erst nach Ablauf von 5—6 Stun- 
den trat Mageninhalt in den Darm. Verff. glauben, es sei dieser 
reflektorische Schluß des Pförtners eine Art Selbstregulierung des 
Körpers, damit nicht eher etwas in den Darm trete, bevor eine peri- 
toneale, etwa in 6 Stunden eintretende Verklebung eingetreten ist. 
3) Bei End-zu-Endvereinigung der resezierten Darmenden ging der 


750 Zentralblatt fiir Chirurgie. Nr. 27. 


Darminhalt ohne StockenTdurch die Stelle der Vereinigung hindurch, 
während bei seitlicher Anastomosenbildung stets an der Stelle der 
Anastomose eine Aufstauung der Speisen — wahrscheinlich infolge 
der einseitigen Durchschneidung der zirkulären Muskelfasern — ein- 
tritt. 4) Nach Abbindung des Darmes, 25 cm unterhalb des Pylorus, 
wurde die Nahrung zunächst gegen den verlegenden Ring geschleudert, 
dann trat ein Zerfallen derselben in einzelne Teile ein, und schließ- 
lich strömte sie !nach} dem Pylorus zurück. 5) Nach künstlicher 
Thrombosierung der Gefäße eines Dünndarmabschnittes lagen Magen 
und Darm völlig ruhig. 6) Die Äthernarkose, die Berührung der 
Därme mit der Luft übten keinen, langdauerndes Betasten der Därme 
aber einen deutlichen verlangsamenden Einfluß auf die Beweglichkeit 
der Därme aus. Verff. glauben, daß sich die geschilderten Einflüsse 


bei asthenischen Personen in erhöhtem Maße zeigen werden. 
Herhold (Altona). 





7) M. Matthes. Über anämische und hämorrhagische Darm- 
infarkte. 
(Med. Klinik 1906. Nr. 16.) 

Auf Grund dreier beobachteter, operierter und ausführlich mit- 
geteilter Fälle von Darminfarkt hebt M. aus dem Krankheitsbilde 
einige für die richtige Erkennung und damit für die einzig aussichts- 
volle Behandlung — Resektion — wichtige Fingerzeige hervor: 1) eine 
auffallend hohe, sonst nicht zu; erklärende, akut einsetzende Pulszahl 
bei einer akuten Verdauungserkrankung bei Ausschluß von örtlicher 
oder allgemeiner Bauchfellentzündung oder Darmverschluß;; 2) Schmerz, 
Gefühl von Schwere und Völle an örtlich begrenzter Stelle; 3) doch 
kann der Schmerz auch völlig fehlen; ist er vorhanden, so ist er an- 
fänglich sicher durch die Infarzierung bedingt; 4) Unwichtigkeit schein- 
barer Besserung der Magen-Darmerscheinungen bei fortdauernder 
Pulssteigerung; 5) genaue Nachforschung nach, wenn auch nur ein- 
maliger, Blutbeimengung im Stuhle; später kann Blut im Stuhle völlig 


fehlen; 6) frühzeitiges Auftreten umschriebener Muskelspannung. 
Georg Schmidt (Berlin). 





9) Werelius. A new method of lateral anastomosis. 
(Surgery, gynaecology and obstetrics Vol. II. Nr. 3.) 

1) Die Serosaflächen werden durch durchgreifende Nähte einander 
genähert (Fig. 1). 

2) Ein starker Faden (Seide, Fischleine, Draht) wird zu beiden 
Seiten der Naht in einiger Entfernung von und parallel zu ihr so 
durchgezogen, daß er innerhalb der Darmlichtung verläuft (Fig. 2). 

3) Die zweite Serosanaht legt beide Serosaflächen fest aneinander, 
am unteren Ende hängt der starke Faden, der unter 2) gelegt wurde, 
heraus. 

4) Während ein Assistent die Nahtstelle des Darmes gespannt 
hält, zieht man an beiden Enden des Fadens und schneidet so mit 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 751 


sägenden Zügen die Darmwand durch. Der Faden zieht sich dann 
von selbst unter der Serosanaht hervor, und der letzte Stich wird nun 
geschlossen (Fig. 3). 





W. hat nach Erprobung des ‚Nahtverfahrens an Hunden, bei 
welchen es sich bewährte, es auch mit Erfolg beim Menschen ange- 
wandt. Er rühmt seine Einfachheit und Schnelligkeit. Dem Einwande, 
der Sägefaden könnte einen falschen Weg nehmen, begegnet er: die 
Durchstichpunkte sind für ihn festgelegt, und bei richtiger Handhabung 
schneidet er das Gewebe genau zwischen diesen Punkten durch. Er- 
hebliche Blutung hat er nicht beobachtet. 


752 Zentralblatt fiir Chirurgie. Nr. 27. 


Das Verfahren scheint einfach und einleuchtend. Eine Nach- 
prüfung wäre erwünscht. Trapp (Bückeburg). 





9) Curl. The relative value of cecostomy and appendostomy 
in the treatment of amebic dysenterie by irrigation of the 
colon. 

(Annals of surgery 1906. April.) 

In jenen Fällen von Amöbenruhr, in welchen die gewöhnliche 
innere Behandlung versagt und in denen die Pat. nicht zu sehr 
heruntergekommen sind, kann man Durchspülungen des Dickdarmes 
entweder von einer am Blinddarm angelegten Darmfistel oder von 
dem in die Bauchwand eingenähten und eröffneten Wurmfortsatz aus 
vornehmen. OC. zieht die Blinddarmfistel vor, da sich die des Wurm- 
fortsatzes nachher schwer wieder schließt und zu langdauernden Kot- 
fisteln Veranlassung gibt. Die Offnung in dem an das Bauchfell an- 
genähten Blinddarm soll nur so groß sein, daß ein nicht zu dicker 
weicher Katheter durchgeht. Zum Durchspülen wird eine Chininlösung 
benutzt. Von elf behandelten Fällen zeigten acht ein günstiges Re- 
sultat. Herhold (Altona). 





10) Murray. Some minor rectal lesions. 
(Buffalo med. journ. 1906. April.) 

M. weist auf die oft übersehene chirurgische Bedeutung der 
Morgagni’schen Krypten an der Vereinigungsstelle der beiden Anal- 
sphinkteren hin. Erkrankungen dieser Krypten machen ähnliche Er- 
scheinungen wie Fissuren und können zum Ausgangspunkt von Ab- 
szessen und Fisteln werden. Infolge der Schmerzhaftigkeit ist oft 
Sphinkterkrampf und erschwerte Kotentleerung vorhanden. Am Ein- 
gange der erkrankten Krypten findet man gelegentlich hypertrophische 
Papeln, oft von beträchtlicher Größe. Die einfache Sphinkterdehnung 
ist gewöhnlich erfolglos, die Behandlung muß in breiter Aufschlitzung 
und teilweiser Abtragung der erkrankten Krypten bestehen; ist kein 
stärkerer Sphinkterkrampf vorhanden und sind nur 1—2 erkrankte 
Krypten vorhanden, so genügt örtliche Betäubung, andernfalls Allgemein- 
narkose und Sphinkterdehnung vor der Inzision. Hypertrophische 


Papillen an den Morgagni’schen Säulen müssen exzidiert werden. 
Mohr (Bielefeld). 





11) W. Nötzel. Über Milzexstirpation wegen Milzverletzung. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVIII. Hft. 2.) 

Auf Grund von sechs eigenen Fällen, die ausführlich mitgeteilt 
werden, kommt Verf. zu dem Schluß, daß die Diagnose einer Milz- 
verletzung sich so schwer stellen läßt, wie die der Mitverletzung anderer 
Organe. Die lokalen Symptome sind nie eindeutig. Die Merkmale 
des Blutverlustes kommen für die Frühdiagnose nicht in Betracht. 
Die Blutung selbst macht eben die Symptome der peritonealen Reizung, 
welche ebensogut andere Ursachen haben kann. 


Zentralblatt für Chirargie. Nr. 27. 153 


Die Indikation zur Laparotomie ist auch bei zweifelhafter Dia- 
gnose stets gegeben, wenn diffuse peritoneale Reizung vorliegt. Ist 
diese umschrieben, so ist. die Operation davon abhängig zu machen, 
ob die lokalen und allgemeinen Symptome in Zu- oder Abnahme be- 
griffen sind. Eine starke spontane Schmerzhaftigkeit der Verletzungs- 
stelle spricht stets für eine schwere intraperitoneale Verletzung. In 
zweifelhaften Fällen muß eine sorgfältige Überwachung den Eintritt 
bedrohlicher Symptome und damit die Indikation zu sofortigem Ein- 
griff feststellen. | 

Für die Operation der Milzverletzung ist der Schnitt in der Mittel- 
linie der einzig gerechtfertigte, schon deshalb, weil der Beginn der 
Operation stets einer Probelaparotomie gleichkommt. Hat man die 
Milzverletzung gefunden, so muß man zwar noch einen senkrechten, 
mitunter den Rectus vollständig durchtrennenden Schnitt anfügen, der 
aber stets eine freie Übersicht und eine resistentere Narbe als jeder 
Lateralschnitt gibt. Mitunter ist auch der Lennander’sche Schnitt 
zweckmäßig. Zur Milzexstirpation ist die Kontrolle des Auges und 
breiter Zugang unbedingt erforderlich, da ein Vorziehen der Milz zu 
gefährlich ist. Der Massenligatur des Milzstieles ist die Unterbindung 
in drei Partien entschieden vorzuziehen, da sie sicherer und exakter 
ist. Man legt einen Tampon auf das Milzbett, entfernt den Blut- 
erguß durch Spülung, führt ein Drain in die Bauchhöhle ein und 
schließt die Wunde durch exakte Naht. Etwaige Mitverletzungen 
anderer Organe, besonders der Leber und des Darmes, sind sicher 
auszuschließen oder müssen event. für sich versorgt werden. Die 
Prognose der Milzverletzung als solcher hängt im wesentlichen von 
der Beherrschung der Blutung ab. Die Mitverletzung von Niere, 
Darm und Leber oder gar von Lunge und Zwerchfell (wie in einem 
der mitgeteilten Fälle) bedeutet natürlich eine schwere Komplika- 
tion. Von den sechs operierten Pat. starb einer infolge Nachblutung 
unaufgeklärten Ursprunges, einer an einer tibersehenen Darmruptur, 
emer an Leber- und Herzverletzung. 

Die Entfernung der Milz an sich wird anstandslos ertragen und 
selbst die Widerstandskraft des Bauchfelles nicht merklich geschwächt. 
Nur die Vermehrung der Lymphocyten bei normalem Verhältnis der 
weißen zu den roten Blutkörperchen für die erste, die relative Ver- 
mehrung der eosinophilen Zellen für die spätere Zeit war ein kon- 
stanter Befund. Daraus folgt, daß die Exstirpation der Milz die ge- 
gebene Behandlung der Milzverletzungen sein muß, weil Tamponade 
und Milznaht, auch wenn sie 'halten sollte, die Blutung nicht mit 
Sicherheit stillen. Reich (Tübingen). 





12) Kehr. Die interne und chirurgische Behandlung der 
Gallensteinkrankheit. 176 S. 
München, Lehmann, 1906. 
K. erörtert im vorliegenden hauptsächlich die für den Praktiker 
wichtige Frage der Indikationen zur chirurgischen Behandlung der 
97** 


154 Zentralblatt fir Chirurgie. Nr. 27. 


Gallensteinkrankheit, nachdem er vorher kurz die Symptomatologie 
und die spezielle Diagnostik der einzelnen Krankheitsformen besprochen 
hat. Hervorzuheben ist, daB er, entgegen seinen friiheren Anschauungen 
jetzt beim chronischen CholedochusverschluB in allen Fallen zu operieren 
rät, da es oft nicht möglich sei, das Karzinom des Pankreaskopfes 
von der Pancreatitis chronica zu unterscheiden. 

Er bespricht sodann die innere Therapie, als deren Hauptfaktoren 
er Ruhe, warme Umschläge und Trinken von heißem Wasser ansieht, 
Faktoren, die zwar die Krankheit nicht heilen, sie aber in das Stadium 
der Latenz überzuführen vermögen. 

Glaser’s Chologen, Stroschein’s Cholelysin und die Schir- 
mayer-Kur werden scharf kritisiert und als durchaus unwissen- 
schaftlich verworfen. 

Aus der Statistik über 1111 Fälle von Gallensteinlaparotomien 
ist hervorzuheben, daß die Ektomie in Verbindung mit der Oysticus- 
und Choledochusspaltung und Hepaticusdrainage die besten Erfolge 
geliefert hat. 

Das Werk wird dem Praktiker ein zuverlässiger Wegweiser zur 
Stellung der Indikation und Prognose bei Gallensteinerkrankungen sein. 

Georgi (Dresden). 





13) W. Nötzel. Uber die Operation der Leberverletzungen. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVIII. Hft. 2.) 

Der Bericht bezieht sich auf acht Fälle von Leberverletzungen, 
welche zweimal durch Schuß, einmal durch Stich und fünfmal durch 
subkutane Ruptur erfolgt und in sieben Fällen 2—4 Stunden, in einem 
Falle 10 Stunden nach der Verletzung zur Operation gekommen waren. 
Die Rupturen hatten viermal eine direkte, einmal eine indirekte Ge- 
walteinwirkung zur Ursache. Die Mortalität der Rupturen ist größer, 
nicht nur weil die Verletzung meist ausgedehnter, sondern auch die 
Indikationsstellung zur Operation schwieriger ist; die der Schuß- und 
Stichverletzungen kleiner, weil bei jeder penetrierenden Bauchdecken- 
wunde ohne weiteres die Laparotomie ausgeführt werden muß. Im 
übrigen ist die Prognose der Leberverletzungen wesentlich abhängig 
von dem Vorhandensein resp. Fehlen von Nebenverletzungen, welche 
bei Schüssen viel häufiger zu erwarten sind als bei Stich- und Schnitt- 
verletzungen. 

Ist erst die Diagnose einer intraperitonealen Verletzung sicher 
gestellt, so ergibt sich die Spezialdiagnose meist aus den Lokalsympto- 
men. Selbst das Vorhandensein einer rechtsseitigen Nierenverletzung 
wird nur selten die Diagnose einer gleichzeitigen Leberverletzung er- 
schweren, weil "erstere nach dem ganzen Entstehungsmechanismus selten 
isoliert”erfolgt und die Leberverletzung meist recht prägnante Erschei- 
nungen’macht. Die größten differentialdiagnostischen”Schwierigkeiten 
bieten intrathorakale Verletzungen und Rippenbrüche deshalb, weil sie 
reflektorische Bauchdeckenspannung und abdominellen Druckschmerz 
erzeugen, %somit die Diagnose: der peritonealen Reizung in Frage 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 155 


stellen. Dieselbe diagnostische Schwierigkeit können Hirnverletzungen 
bereiten, wie aus zwei mitgeteilten Fällen hervorgeht. Wenn nach 
selbstmöderischen Brustschüssen das Geschoß auch bis in die Leber- 
gegend vorgedrungen zu sein scheint, so ist zu bedenken, daß diese 
Verletzungen bei maximaler Inspiration erfolgen. 

Besteht aber auch nur begründeter Verdacht einer intraabdomi- 
nellen Verletzung, speziell der Leber, so ist die Probelaparotomie in 
jedem Falle angezeigt, da sie nie schadet, häufig das Leben rettet. 
Auch den Chok läßt Verf. nicht als Kontraindikation für sofortige 
Operation gelten, umsoweniger, als der durch die intraabdominelle 
Verletzung unterhaltene Kollaps erst schwindet, wenn dessen Ursache 
beseitigt wird. 

In operativ-technischer Hinsicht ist der Pararektal- resp. bei der 
Probelaparotomie der Medianschnitt mit eventuellem senkrechtem Seiten- 
schnitt dem Schnitte parallel dem Rippenbogen vorzuziehen, da er 
guten Zugang und Überblick, leichte Bauchdeckennaht und bessere 
Narbenverhältnisse schafft. 

Der Forderung Giordano’s, die Schnittwunden zu nähen, die 
Schußwunden und Rupturen zu tamponieren, ist nicht berechtigt. 
Individualisierend soll man nähen, wenn die Naht technisch und nach 
dem Allgemeinbefinden des Verletzten überhaupt ausführbar ist, in 
allen anderen Fällen tamponieren. Allerdings treffen die Vorausset- 
zungen für die Naht bei Stich- und Schnittverletzungen häufiger zu 
als bei Schüssen und Rupturen. Die Naht ist stets durch Tamponade : 
zu sichern; aber auch alleinige Tamponade lieferte vorzügliche Resul- 
tate bei Fällen, in denen die Ruptur nicht zu Gesicht zu bringen war. 
Die Tamponade muß nur fest und unter Leitung des Auges aus- 
geführt werden. Die Tränkung des Tampons mit Eisenchloridlösung 
hat Verf. versucht, aber nicht für praktisch befunden. 

Ausspülung des Blutergusses, Drainage und exakte Bauchdecken- 
naht beschließen wie üblich die Operation. Spezielle Vorschriften für 
die Nachbehandlung gibt es nicht. Die von Röser geforderte Nah- 
rungsabstinenz (durch den Mund) und Beckenhochlagerung ist minde- 
stens unzweckmiBig. 

Bei dieser Behandlung ist die Prognose der Leberverletzungen 
eine recht gute. Gefahr droht meist nur von Mitverletzungen, beson- 
ders der Lunge und Pleura (2 Fälle). Bestehen solche, so sind sie 
zuerst anzugreifen: ein Hämothorax soll durch Punktion entleert und 

ein Pneumothorax durch Anheftung der Lunge beseitigt werden. 
Reich (Tübingen). 


756 Zentralblatt fir Chirurgie. Nr. 27. 


Kleinere Mitteilungen. 


(Aus der akademischen chirurgischen Klinik der kaiserlichen militär-medizinischen 
Akademie in St. Petersburg. Direktor: Prof. Welliaminow.) 


Zur Behandlung mit Bier’scher Stauungshyperämie. 
Von Í 


Dr. Tomaschewski, 
L Assistent der Klinik. 


Die therapeutische Bedeutung der Stauungshyperämie wird von Tag zu Tag 
durch neue und überzeugende Beobachtungen erhärtet, wobei das Hauptinteresse 
sich auf die Therapie akuter eitriger chirurgischer Erkrankungen konzentriert. Auf 
Grund gegenwärtiger Erfahrung kann wohl die Behauptung aufgestellt werden, 
daß die Stauungshyperämie das am schnellsten wirkende, das schmerzloseste und 
die besten funktionellen Resultate liefernde Heilmittel genannter Erkrankungen ist. 
Mit nicht geringerer Bestimmtheit kann ferner behauptet werden, das Mißerfolge, 
die manchmal bei Anwendung der Stauungshyperämie beobachtet werden, Folgen 
mangelhafter Technik sind. Während nun die Anwendung von Sauggläsern keine 
nennenswerte Schwierigkeiten bietet, so ist die Anlegung der elastischen Binde, 
das bekennen einmütig alle Autoren, äußerst schwierig. Es ist daher natürlich, 
daß ein jeder Gedanke oder Vorschlag, die den Zweck verfolgen, auf die eine oder 
andere Art diese Technik zu erleichtern oder zu vereinfachen, Beachtung verdienen 
und geprüft werden müssen. Soviel mir bekannt, existieren in dieser Beziehung 
zwei Vorschläge: der eine gehört Prof. Henle! an, der andere Dr. Kozlowski?®. 





Der Apparat von Prof.. Henle hat, obwohl seit der Bekanntmachung 2 Jahre 
vergangen sind, keine größere Anwendung in der Praxis gefunden, und Dr. Ru- 
britius? weist in seiner letzten Arbeit mit Recht auf einige praktische Mängel 
des genannten Apparates hin. Was nun den Apparat von Dr. Kozlowski be- 
trifft, so ist der Zeitraum zu gering, um ein Urteil über ihn zu fällen. Auf Grund 
persönlicher Erfahrung (der Apparat nach Dr. Kozlowski wurde von mir sofort 


1 Zentralblatt fiir Chirurgie 1904. p. 381. 
2 Ibid. 1906. p. 83. 
3 Bruns’ Beiträge 1906. Bd. XLVIII. p. 282. 


Zentralblatt für Chirurgie... Nr. 27. 157 


nach der Bekanntmachung von der Firma Georgeon & Trepczynski in Lem- 
berg verschrieben und an einer Reihe von Fällen erprobt) kann ich sagen, daß der 
Apparst von Dr. Kozlowski neben Vorteilen auch Mängel aufweist. Der Wert 
des Apparates ist bedingt durch eine äußerst bequeme Vorrichtung zur Regulierung 
der elastischen Binde*; die übrigen Details sind unpraktisch. Die unteren Walzen 
sind zu massiv und üben einen bedeutenden Druck auf die Haut aus; ferner be- 
findet sich zwischen. den unteren Walzen des Apparates ein Spalt, in welchen bei 
Anspannung der Binde die Haut mit hineingezogen und oft auch geklemmt wird. 
Um diese Mängel zu beseitigen, konstruierte ich einen Apparat, in welchem die 
genannten guten Seiten des Apparates nach Dr. Kozlowski beibehalten sind, an 
Stelle der massiven unteren. Walzen aber befindet sich eine leicht konkave Metall- 
platte, die sich der runden Form der Extremitäten gut anpaßt. Auf beifolgender 
Zeichnung sieht man die Einzelheiten der Konstruktion des Apparates: die Binde 
wird an spitzen Haken der Walze befestigt, zieht dann durch einen Spalt in der 
konkaven Metallplatte und endigt mit einem freien Ende, an welchem 5-6 cm 
vom Band entfernt ein schmales Plättchen mit drei Osen angenäht wird; letztere 
werden beim Anlegen der Binde auf drei Häkchen gehakt, die, wie auf der Zeich- 
nung zu sehen ist, ganz am Rande der Platte angelötet sind. Infolge feinerer 
Zahnung des Zahnrades. kann die Spannung der Binde mit großer Genauigkeit 
reguliert werden, während durch die Art des Anhakens der Binde letztere die ganze 
Peripherie der Extremität umfängt, wodurch der Druck, den die Binde ausübt, 
ein völlig gleichmäßiger wird. Bei Anfertigung dieses Apparates wurde seinem 
Gewichte große Aufmerksamkeit geschenkt: denn Apparate, die: zur Regulierung 
der elastischen Binde dienen sollen, ‘dürfen nicht massiv sein. Das Gewicht meines 
Apparates beträgt 50—55 g (das Gewicht des Apparates nach Dr. Kozlowski 
130 g). Mein Apparat ist zu wiederholten Malen sowohl an mir selbst als auch 
an Kranken geprüft worden, wobei bis jetzt in keinem einzigen Falle unangenehme 
Nebenwirkungen beobachtet worden sind. 

Bis zur Gegenwart ist die Stauungshyperämie in unserer Klinik am ambula- 
torischen und stationären klinischen Material in 86 Fällen angewendet worden; 
darunter befinden sich 27.Furunkel, 3 Karbunkel, 15 Abszesse und Lymphadenitiden 
(darunter 4 vereiterte tuberkulöse Drüsen), 16 Phlegmonen, 5 Mastitiden, 10 Pana- 
ritien, 1 Ulcus (?) der Oberlippe, 1 Fistel nach Schußverletzung des Daumens. 
Es wurde ferner Stauungshyperämie angewendet in 3 Fällen von mangelhafter 
Konsolidation nach Resektion des Kniegelenkes und in 5 Fällen postoperativer 
Eiterung. 

Die glänzenden Erfolge, die wir in allen Fällen erreichten, berechtigen uns zu 
der Behauptung, daß wir in der Stauungshyperämie ein äußerst wirksames Heil- 
mittel und eine der wertvollsten Errungenschaften der Medizin der Gegenwart 
besitzen. | 

Zur Beantwortung einer Umfrage des Herrn Prof. Lexer5 aus Königsberg, 
erlaube ich mir, folgende Krankengeschichte mitzuteilen: 

L., 23 Jahre (Krankenjournal Nr. 1675), Phlegmone erysipelat. extremit. sup. 
1. Februar 1906 stach sich L. die Handfläche mit einer Nadel, worauf sich am 
selben Abend starke reißende Schmerzen in der Hand und eine Rötung nebst 
Schwellung der Stichgegend einstellten, die sich bald über die ganze Hand ver- 
breiteten. Starke Schmerzen raubten L. die Nachtruhe, während die entzündlichen 
Erscheinungen am folgenden Tage sich auf den ganzen Unterarm verbreitet hatten. 
Am zweiten Abend starker Schüttelfrost. Am 3. Tage kam die Kranke ins Am- 
bulatorium: rechte Hand und Unterarm stark geschwollen, Haut sehr gespannt, 
intensiv gerötet, wobei die Rötung bis zum mittleren Drittel des Oberarmes reicht, 
wo sie mit gezacktem und geschwelltem Rand aufhört. Auf dem Handrücken 
Fiuktusation. Temperatur 39,2; in die Klinik aufgenommen. 


% Diese Regulierungsvorrichtung ist, soviel mir bekannt, zuerst von Dr. Spie- 
gel, allerdings zu anderen AU ScKen, angewendet worden (Zentralblatt für Chirurgie 
1903. p. 1425). 

5 Zentralblatt für Chirurgie 1906. Nr. 18. p. 497. 


198 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27 


4. Februar 1906. Einstich auf dem Handrücken, wobei eine mäßige Menge 
dickflüssigen Eiters mit Gewebsfetzen gemischt auf Druck entleert wird. Bakterio- 
logische und bakterioskopische Untersuchung — Reinkultur von Streptokokken. 
Stauungshyperämie eingeleitet, elastische Binde auf 20 Stunden; aseptischer Trocken- 
verband. In der Nacht schlief die Kranke, Schmerzen geringer; Temperatur am 
folgenden Tage morgens 38,7, abends 39,6. 

6. Februar 1906. Schwellung bedeutend, keine Schmerzen. Im unteren Teile 
des Oberarmes zwei mit seröser Flüssigkeit gefüllte Blasen, während die ganze 
Ellbogengegend mit hirsekorngroßen Bläschen bedeckt ist. Temperatur 37,2—38,2. 

7. Februar 1906. Keine Schmerzen; in der Ellbogengegend Fluktuation; Bin- 
stich, viel Eiter mit großen Gewebsfetzen. Bei Hochlagerung der Extremität 
starke Schmerzen, bei Tieflagerung, insbesondere nach Anlegen der elastischen 
Binde, prompte Schmerzlinderung. Temperatur 36,9—37,9. 

8. Februar 1906. Nacht gut verbracht, keine Schmerzen. Hand nicht wieder 
zu erkennen: Unterarm völlig normal, Rötung in der Ellbogengegend und im 
unteren Teile des Oberarmes. Handrücken Öödematös, nicht schmerzhaft. Beide 
Stichöffnungen werden mit der Sonde etwas erweitert, worauf aus der oberen 
Öffnung etwas Eiter mit Blut ausgedrückt wird, während aus der unteren Öffnung 
etwa 2—3 EBlöffel dünnflüssigen, fast wäßrigen Eiters ausfließt. Der Eiter aus 
beiden Stichöffnungen erwies sich steril. Temperatur normal. 

9. Februar 1906. Am 5. Tage wurde zu energischer passiver Gymnastik ge- 
schritten, die bedeutenden Schwierigkeiten begegnete, da Bewegungsfähigkeit des 
Hand- und Ellbogengelenkes stark begrenzt ist. Am 10. Tage fühlte sich L. voll- 
ständig gesund und wurde zur Behandlung der versteiften Gelenke mit aktiver 
Hyperämie (Heißluft) in eine andere Abteilung unserer Klinik übergeführt. 


14) H. Rubritius. Die Behandlung akuter Entzündungen mit Stau- 
ungshyperämie. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVIII. Hft. 2.) 


In der Wölfler’schen Klinik wird genau die von Bier und Klapp ange- 
gebene Technik und deren Instrumentarium angewandt. Versuche mit Anwendung 
der Esmarch’schen Binde und des Henle’schen Gummischlauches erwiesen den 
Vorzug der dünnen Bier’schen Gummibinde. 

Die Originalsaugapparate wurden teils für sich, teils in Kombination mit der 
Bindenstauung angewandt. Die mitgeteilten Erfahrungen lauten im allgemeinen 
recht günstig. Bei Panaritien jeder Art, bei Paronychien, Furunkeln und ausge- 
dehnteren Zellgewebsphlegmonen wurde unter der Hyperämisierung Rückbildung 
oder rasche Einschmelzung von Infiltraten, Beschränkung oder Vermeidung von 
Nekrosen resp. Beschleunigung von deren Abstoßung, kurzweg eine günstige Be- 
einflussung und Abkürzung des Heilungsverlaufes gesehen. Selbst bei Sehnen- 
scheidenphlegmonen war eine heilsame Wirkung nicht zu verkennen: von den sechs 
beobachteten Fällen heilten vier ohne Sehnennekrose. Dagegen blieb bei einer 
allerdings sehr schweren und veralteten Sehnenscheidenphlegmone auch nach Ab- 
stoßung der Sehne ein bretthartes, renitentes Ödem und starke Gelenkversteifung . 
zurück. Einen Hauptvorzug der Stauungsbehandlung bildet deren analgetische 
Wirkung und die entschieden leichtere Behandlung der Verstei 

Dem absoluten Gebot der Eiterentleerung genügen relativ kleine Inrisionen; 
die schmerzhafte Tamponade wird ganz überflüssig. Dagegen ist bei starker Eite- 
rung auf die Anwendung von Drains nicht zu verzichten. 

Beachtenswert erscheint ferner, daß auch eine im Anschluß an eine diabetische 
Zehengangrän entstandene Phlegmone erfolgreich gestaut wurde. 

Prophylaktisch wurde die Stauung, meist mit gutem Resultate, bei infizierten, 
frischen Wunden angewandt, wenn auch in einem Falle ein tödlicher Ausgang sich 
nicht vermeiden ließ. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 759 


Von drei ohne überzeugenden Erfolg gestauten komplizierten Frakturen inter- 
essiert eine besonders deswegen, weil es zu einer fortschreitenden Vereiterung 
des ganzen Stauungsödems mit Hautgangrän kam. 

Auch bei akuter Lymphadenitis und Lymphangitis ergaben sich gute Resultate, 
selbst wenn die Binde nicht im Gesunden angelegt werden konnte. 

Zu großer Vorsicht mahnen die Erfahrungen mit der Stauung bei akuten Ge- 
lenkvereiterungen: während sie in einem Falle nach Spaltung paraartikulärer Ab- 
szesse und Punktion des Kniegelenkes zu rascher Ausheilung mit voller Beweg- 
lichkeit führte, verschuldete sie bei technisch korrekter Anwendung bei zwei 
anderen, allerdings septischen Fällen eine rapide Ausbreitung der Eiterung auf die 
umgebenden Weichteile. Verf. zieht hieraus im Gegensatz zu Bier den Schluß, 
daß bei bestehender septischer Allgemeininfektion die Stauung kontraindiziert sei. 

Bei nicht eitrigen Gelenkentzündungen verschiedener Art bewährte sich die 
Methode vorzüglich. 

Bei zwei Fällen von frischer Osteomyelitis war unter der Stauung wohl ein 
rascher Rückgang der akuten Entzündungserscheinungen zu vermerken, die Nekrosen- 
bildung aber nicht zu verhindern. 

Die Saugbehandlung findet ihre glänzendste Anwendung bei akuten Masti- 
tiden; nicht nur erleichtert sie die Eiterentleerung aus kleinen Stichinzisionen, 
sondern sie verhindert häufig die weitere eitrige Einschmelzung des Drüsenkörpers 
und zeitigt so funktionell wie kosmetisch überraschend gute Resultate. 

Reich (Tübingen). 


15) E. Ranzi. Über die Behandlung akuter Eiterungen mit Stauungs- 
hyperämie. 
(Wiener klin. Wochenschrift 1906. Nr. 4.) 

Enthält den Bericht über die in der v. Eiselsberg’schen Klinik bis zum 
Oktober 1905 mit Bier’scher Stauung behandelten 110 Fälle, die ausschließlich 
aus der Ambulanz der Klinik stammen. 

Verf. rühmt vor allen Dingen die vorzüglichen funktionellen Resultate, auch 
in schweren Fällen von Phlegmonen. Er hat den Eindruck gewonnen, daß es 
mittels der bisher üblichen langen Inzisionen und Tamponade wohl niemals ge- 
lungen wäre, in ähnlichen Fällen die Sebnennekrose zu verhindern. Dies und die 
schmerzlindernde Wirkung scheinen ihm die Hauptvorzüge der neuen Methode zu 
sein. Auch eine Abkürzung der Behandlung war bei Stauung, weniger bei der 
Saugung zu beobachten. 

Als Nachteil ist zu betrachten, daß die Therapie viel Zeit von seiten des 
behandelnden Arztes erfordert und die ambulatorische Behandlung mit der Stau- 
ungsbinde einer mehrmaligen Kontrolle am Tage bedarf. 

Hitbener (Liegnitz). 


16) A. Frommer. Über die Bier’sche Stauung mit besonderer Be- 
rücksichtigung der postoperativen Behandlung und der Altersgangrän 
(Wiener klin. Wochenschrift 1906. Nr. 8.) 


Bericht über die Anwendung des Bier’schen Verfahrens aus der chirurgischen 
Abteilung des Krakauer Lazarusspitals (Bogdanik), die bei Tuberkulose, Osteo- 
myelitis, Mastoiditis. Phlegmonen usw. mehrfach und fast stets mit gutem Erfolg 
ausgeübt war. Besonderen Wert legt Verf. auf die Stauung nach ausgeführten 
operativen Eingriffen bei den oben genannten Erkrankungen, die unter dieser Art 
der Nachbehandlung weit schneller und besser ausheilten wie früher. 

Bei einigen Fällen von Gangraena praecox und Gangraena senilis hatte Verf. 
»ausgezeichnete« Resultate zu verzeichnen. Große Schmerzen wichen fast sofort, Schlaf 
trat ein, lokal kam es zur Abgrenzung der gangränösen Teile, die Extremität wurde 
wärmer, und nach Abstoßung der gangränösen Partien trat Vernarbung der Wunde 
ein. Hier wurde die Stauungsbinde nur für geringe Zeit am Tage angelegt. 
‘\,—-2—3 Minuten. Hühbemer (Liegnitz). 


‘760 Zentralblatt fir Chirurgie. Nr. 27. 


17) H. Zahn. Ein zweiter Fall von Abknickung der Speiseröhre 
durch vertebrale Ekchondrose (Aus dem pathologisch-anatomischen 
Institut zu Halle a. S.) 

(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 19.) 

Es handelt sich in diesem zweiten Falle (Ref. über den ersten s. d. Zentral- 
blatt 1905 p. 1434) um einen 46jährigen, schwer kachektischen und verblödeten, 
mit einer Skoliose nach links behafteten Mann, bei dem zufällig bei einer Sonden- 
fütterung ein die Speiseröhre leicht knickendes Hindernis nahe der Durchtritts- 
stelle der Speiseröhre durch das Zwerchfell festgestellt wurde; klinische Symptome 
(Erbrechen, Schluckbeschwerden usw.) fehlten. Die Speiseröhre fand sich bei der 
Sektion oberhalb der Ekchondrosen, die zwischen 9., 10. und 11. Brustwirbel rechts 
von der Mittellinie saßen und von der Zwischenwirbelscheibe ausgegangen waren, 
mit ihnen durch lockeres Bindegewebe verbunden, leicht diffus erweitert, ihre 
Muskulatur nicht hypertrophisch. Kramer (Glogau). 


18) Macartney. Laparotomy in tubercular peritonitis. 
(Glasgow med. journ. 1906. Mai. p. 321.) 

Verf. hat mit der Laparotomie bei tuberkulöser Peritonitis gute Erfahrungen 
gehabt; vier früher publizierten Fällen fügt er jetzt noch drei weitere hinzu. 

Ein 12jähriger Knabe, der seit einiger Zeit an hartnäckiger Verstopfung und 
heftigen Schmerzen im Leibe gelitten hatte, bekam eine Anschwellung in der 
Oberbauchgegend; bei der Operation fand sich ein großer tuberkulöser Gekrös- 
abszeß, der wohl von abszedierten Lymphdrüsen abzuleiten sein dürfte. Entleerung 
und Entfernung der Abszeßmembran führte zur dauernden Heilung. 

Ein unter gleichen Symptomen erkranktes 10jähriges Mädchen, bei dessen 
Operation große, nicht zu entfernende I,ymphdrüsenpakete gefunden wurden, genas 
auch schnell, erkrankte jedoch 4 Monate später an Meningitis und starb. 

Eine an seröser Peritonitis mit Miliartuberkulose des ganzen Bauchfells er- 


krankte Frau wurde durch die Operation ganz geheilt. 
W. v. Brann (Rostock). 


19) J. Roll. Supplement til »Erferinger om appendicit«. 

| (Norsk Magazin for Laegevidenskaben 1906. Nr. 5.) 

Mitteilung eines Falles von Appendicitis mit umschriebener Peritonitis, bei 
welchem der Bauchfellüberzug nach R.'s Ansicht auf dem Lymphwege infiziert 
wurde. In einem zweiten Falle fand sich ein subseröser Abszeß. Der Wurmfort- 
satz hatte nur ein unbedeutendes eigenes Mesenteriolum. R. pflichtet dem Aus- 
spruche Lennander's bei, daß Infektionen auf dem Lymphwege häufig sind bei 
kurzem Mesenteriolum. Revenstorf (Hamburg). 


20) H. W. Carson. Two cases of appendicitis due to oxyuris vermi- 


cularis. 
(Medical press 1906. Marz 21.) 

C. berichtet ausführlich über zwei Krankengeschichten: 

1) Ein 19jähriges, bisher stets gesundes Mädchen erkrankte 1 Monat vor 
Aufnahme mit heftigen Leibschmerzen, die besonders nach dem Essen auftraten, 
und erbrach seit 1 Woche. Bei der Aufnahme fanden sich Pulsbeschleunigung (116), 
Temperaturerhöhung (39,9:, Schüttelfrost und Schmerzen in der Blinddarmgegend. 
Der letzte Stuhlgang war am Tage vorher erfolgt. Der Leib war weich, nicht 
gespannt und nur in Höhe des Nabels unter dem rechten Musculus rectus in etwa 
handtellergroßem Bereiche druckempfindlich. Rektaluntersuchung negativ. 

Bei der Laparotomie zeigte sich die Spitze des Wurmfortsatzes kolbig auf- 
getrieben, seine proximale Hälfte durch frische, leicht lösliche Verklebungen am 
Blinddarm fixiert. Er wurde exstirpiert. Seine Spitze, deren Schleimhaut tief 
gerötet, aber nicht ulzeriert war, enthielt einen weiblichen Oxyuris vermicularis. 
Die Heilung erfolgte glatt, Würmer gingen im Stuhl nicht mehr ab. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 761 


2) Eine 24jährige Frau hatte vor 1 Jahr einen 3 Wochen anbaltenden heftigen 
Anfall von Leibschmerzen erlitten, war sonst stets gesund gewesen. Bei der Auf- 
nahme klagte sie über heftige Schmerzen in der Unterbauchgegend und über 
Brechen. Es bestand Temperatursteigerung (38,1) und Pulsbeschleunigung (118). 
Der Leib war weich, bewegte sich mit der Atmung, gab tympanitischen Schall; 
eine Geschwulst war nicht fühlbar. 

Bei der Laparotomie zeigten sich Genitalorgane und Wurmfortsatz anscheinend 
normal. Letzterer wurde trotzdem exstirpiert. Er enthielt in der Spitze, deren 
Schleimhaut frei von Rötung und Ulzeration war, drei Oxyuren. Mit dem Stuhl 
gingen keine Würmer mehr ab. 

C. berichtet im Anschluß noch kurz über 13 Fälle aus der Literatur; darunter 
waren 6 fast nur jugendliche weibliche und 4 männliche Individuen, meist Knaben. 

In der Regel bestehen heftige Schmerzen und Druckempfindlichkeit ohne be- 
stimmte lokale Veränderungen; nur in einem Falle fanden sich Ulzerationen im 
Wurmfortsatz. Obgleich Oxyuren in diesem gefunden werden, die keinerlei Krank- 
heitserscheinungen verursacht haben, so ist C. doch der Ansicht, daß Oxyuren als 
Erreger von Appendicitis angesehen werden müssen, da in diesen Fällen die Sym- 
ptome schwerer seien, als durch die geringen sichtbaren Veränderungen gerecht- 
fertigt erscheine. 

O. schließt seine Ausführungen mit einem kurzen Literaturverzeichnis. 

Erhard Schmidt (Leipzig). 


21) A. D. Rolleston and L. Jones. Primary malignant disease of the 
vermiform appendix. . 
(Lancet 1906. Juni 2.) 


Verff. berichten über 62 Fälle von bösartigen Geschwulstbildungen im Wurm- 
fortsatz, bei denen in 42 Fällen die Diagnose mikroskopisch bestätigt wurde: 37mal 
bestand Karzinom, 3mal Endotheliom und 2mal Sarkom. 9mal wurde die Affek- 
tion bei Sektionen gefunden. Das Alter der Pat. schwankte zwischen 12 und 
81 Jahren; für alle bösartigen Geschwulstformen zusammen genommen war 
30,8 Jahre das Durchschnittsalter.. Konkremente wurden bei den bösartigen Ge- 
schwülsten im ganzen nur 3mal gefunden; es besteht hier ein entschiedener Gegen- 
satz zu den Verhältnissen an der Gallenblase. In 48% der Fälle war die Ge- 
schwulst im distalen Drittel des Wurmfortsatzes gelegen. In 5 von den 42 Fällen 
fanden sich sonstige sekundäre metastatische Geschwulstbildungen im Körper. 

Die Symptome der appendikalen Geschwülste waren in den meisten Fällen die 
der akuten oder rezidivierenden Appendicitisanfalle. Die Resultate der Exstirpa- 
tion des Wurmfortsatzes waren überraschend gute, so daß die Prognose des Lei- 
dens nicht als schlecht angesehen werden kann. 

H. Ebbinghaus (Dortmund). 


22) R. Campbell. Inguinal hernia in children. 
(Medical press 1906. Mai 9.) 


C. ist Gegner der Behandlung kindlicher Leistenbriiche mit Bruchbandern als 
unsicher im Erfolg und lästig für den Pat. Er hat 305 Radikaloperationen bei 
Kindern jeden Alters ausgeführt, wenn ihr Allgemeinzustand befriedigend war. 
34% seiner Pat. war noch nicht 6 Monate alt. Die Infektionsgefahr ist bei 
Kindern außerordentlich gering; in nur zwei Fällen fand eine Eiterung statt. Die 
Mehrzahl der Hernien bestand in einem offenen Processus vaginalis ohne Kom- 
munikation mit der Tunica vaginalis, die nur in 5% nachweisbar war. Auffallend 
häufig finden sich als Bruchinhalt Blinddarm tnd Wurmfortsatz. In zwei Fallen 
war letzterer und in einem ein Meckel’sches Divertikel fest mit der Wand des 
Bruchsackes verwachsen. Einklemmung des Bruchinhaltes kommt nicht häufig vor. 
C. operierte 16 Fälle; die meisten Kinder waren noch nicht 1 Jahr, zwei erst 
21 bzw. 24 Tage alt. Bei einem Mädchen fanden sich Ovarium und Tube ein- 
geklemmt und brandig. 


162 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 


Meist wird bereits am 5. Tage die Naht entfernt und die Wunde mit Kol- 
lodium bestrichen. Die Sterblichkeit beträgt nicht ganz 3%. 
Erhard Schmidt (Leipzig). 


23) I. Reichborn. Selvtilheling af lyskebrok. 
(Tidskrift for den norske Laegeforening 1906. Nr. 8.) 

R. berichtet über zwei Fälle von Spontanbeilung von Leistenbrüchen, in denen 
die kurze Heilungsdauer durch den Verlauf und den Operationsbefund nachgewiesen 
werden konnte. 

1) A., Schlächtergeselle, 19 Jahre alt, hatte einen walnußgroßen Leistenbruch 
rechts, der seit dem 4. bis 5. Lebensjahre bestand und 3 Wochen vor der Auf- 
nahme ins Krankenhaus zum letzten Mal ausgetreten war. Bei der Operation 
wurde ein ca. 8cm langer Bruchsack freigelegt, der im Leistenkanal fest ver- 
schlossen war. Der Bruchsack wurde unterbunden und abgetragen. 

2) J., 22 Jahr alt, Kontorbote, klagte seit seinem 10. Lebensjahr über 
Schmerzen in der rechten Leistengegend, die von einem knapp walnußgroßen, 
leicht reponiblen Leistenbruche herrührten. Der Leistenkanal war für den Zeige- 
finger durchgängig. Die angeratene Operation konnte erst 3 Wochen später vor- 
genommen werden, während welcher Zeit der Pat. sich schonte, ohne ein Bruch- 
band zu tragen. Am Operationstage konnte ein Bruch nicht mehr nachgewiesen 
werden. Es war auch kein Anschlag beim Husten zu fühlen. Beim Einschneiden 
fand man einen 6cm langen Bruchsack. Die Lichtung des Bruchsackhalses war 
verschlossen. Unterbindung und Abtragung des Bruchsackes. Verengerung des 
Leistenkanals. 

R. betont die Bedeutung seiner Beobachtungen fiir die Ausstellung von At- 
testen und führt einige Beispiele aus der Literatur an, in denen Militärpflichtige 
für dienstuntauglich erklärt wurden, ohne daß bei der Nachuntersuchung ein Bruch 
aufzufinden war. Im Jahre 1883 wurde ein Arzt wegen Ausstellung eines angeb- 
lich falschen Attestes zu 5 Jahren Gefängnis verurteilt, auf Grund des Gutachtens 
zweier Sachverständigen später aber freigesprochen. Es ist bemerkenswert, daß 
der Heilungsprozeß der R.’schen Fälle in so kurzer Zeit sich vollzog. 

Bevenstorf (Hamburg). 


24) Litthauer. Uber abdominale Netztorsion und retrograde In- 
karzeration bei vorhandenem Leistenbruch. 
(Berliner klin. Wochenschrift 1906. Nr. 15.) 

In dem beschriebenen Falle lag eine Komplikation von Netzvolvulus und rück- 
läufiger Einklemmung vor, wie sie bisher nur einmal von Bayer beobachtet wurde: 

b3jährige Pat., die seit Jahren einen Leistenbruch ohne Beschwerden getragen, 
erkrankt plötzlich unter heftigen Schmerzen im Bruch und im Leibe. Temperatur 
bei der Aufnahme 39,3°. Als Inhalt des Labialbruches findet man Netz in Form 
einer bogenförmigen Schlinge ohne Zipfel, die von stark erweiterten Venen durch- 
zogen ist und einen bräunlichen Farbenton darbietet. Kein Bruchwasser. Der 
Bruch ist zum Teil in den Bauchdecken, und zwar zwischen Bauchfell und Mus- 
kulatur gelegen; deshalb Laparotomie. Es entleert sich dabei eine reichliche 
Menge blutig gefärbter Flüssigkeit. Das Netz ist nicht weit vom Colon trans- 
versum 3mal von rechts nach links um 180° gedreht. Neben dem Netze bemerkt 
man den freien Netzzipfel, der kugelig geschwollen und dunkelbraunrot, fast schwarz 
gefärbt ist. Am Stiel deutliche Schnürfurche. Abtragung des Netzes im Gesunden 
und des Bruchsackes. Bauchdecken- und Bruchnaht. Heilung. 

Haben auch die bisherigen Beobachtungen über die Ursachen der Netzdrehung 
keine Aufklärung gebracht, so haben sie doch unsere Kenntnis in klinischer Be- 
ziehung gefördert, und es beweist auch der mitgeteilte interessante Fall, daß man 
sich bei der Operation des eingeklemmten Bruches des Verkennens einer Netz- 
drehung und einer retrograden Inkarzeration erinnern soll, um nicht durch Uber- 
sehen solcher Ereignisse das Leben des Pat. zu gefährden. 

Langemak (Erfurt). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 763 


25) Flaherty. Report of an operation for strangulated femoral hernia 
on a patient ninety-five years old. 
(Buffalo med. journ. 1906. April.) 
F.’s Operation bei einer 9bjährigen Greisin zeigt, daß man eingeklemmte 
Brüche selbst bei sehr alten und schwachen Pat., wenn man lokal anästhesiert 
noch mit gutem Erfolge operieren kann. Mohr (Bielefeld). 


26) Nicoll, Cases of hernia of the ovary in infants. 
(Glasgow med. journ. 1906. Mai. p. 367.) 


N. hat seit seinem letzten Berichte (vgl. d. Zentralblatt 1905 Nr. 50 p. 1361) 
wiederum eine |Reihe von Ovarialhernien bei Kindern zu operieren gehabt; die 
Gesamtzahl seiner Fälle beträgt jetzt 35. Zweimal bestand ein doppelseitiger 
Bruch des Eierstocks. Die Kinder waren in der Regel 2—3 Monat alt. 

N. ist jetzt konservativer als früher und entschließt sich nur schwer zur Ent- 
fernung des Eierstocks. Seine Erfolge sind hervorragend: sämtliche Kinder sind 
unter einfachem Kollodiumverband genesen, davon über die Hälfte bei ausschließ- 
lich ambulanter Behandlung. W. v. Brunn (Rostock). 


27) F. Brüning. Ein Beitrag zur Lehre vom Cardiospasmus. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVIII. Hft. 2.) 

Bei einem 20jährigen Pat. bestand ein hochgradiger Cardiospasmus, dessen 
Entstehung bis ins 15. Lebensjahr zurückreichte.e Es hatten sich sehr lästige 
Druckbeschwerden und Stauung der Speisen in der Speiseröhre eingestellt. Die 
radioskopische und Ösophagoskopische Untersuchung bestätigte die Diagnose und 
zeigte zugleich das Bestehen einer sekundären, hochgradigen Speiseröhrenerweite- 
rung. Da langjährige Behandlung mit dem Magenschlauch (nach Fleiner) und 
diätetische Maßnahmen zu keiner dauerhaften Besserung führten, entschloß sich 
Pat. zur Operation. Von dem eröffneten Magen aus wurde eine mit dem längs- 
gespaltenen Ende des eingeführten Magenschlauches verbundene Mikulicz’sche 
Zange in die Cardia eingeführt und diese unter Kontrolle des Fingers nach den 
verschiedenen [Richtungen auf 6 cm Branchenöffnung gedehnt. Verschluß der 
Magen- und Bauchwunde. Glatte Heilung. 

Der Erfolg der Operation war ein prompter, und nach 1/3 Jahre zeigte die 
Endoskopie eine klaffende Cardia und deutliche Verringerung der Dilatation der 
Speiseröhre. 

Von den Ausführungen über die normale Physiologie der Cardia, welche Verf. 
folgen läßt, ist hervorzuheben, daß der Verschluß der Cardia in der Ruhe ein loser 
ist und bedingt wird durch die schräge Insertion der Speiseröhre am Magen und 
den Tonus der Ringmuskulatur. Die funktionelle Erkrankung des Cardiospasmus 
liegt dann vor, wenn die physiologischen Reize die Offnung der Cardia nicht mehr 
auslösen können, vielmehr einen Zustand spastischer Kontraktion verursachen. Je 
nachdem der Verschluß ohne Vorboten plötzlich und vollständig oder schleichend 
und allmählich zunehmend sich entwickelt, ist eine akute und chronische Form zu 
unterscheiden, welch letztere in seltenen Fällen aus der akuten hevorgeht. 

Für die Atiologie haben zahlreiche Sektionen kein ausreichendes pathologisches 
Substrat beibringen können; häufig wurden dagegen als sekundäre Veränderungen 
Hypertrophie des Sphinkter und teils spindel-, teils sackförmige Dilatation der 
Speiseröhre festgestellt. Nur in einem Falle konnte eine Veränderung des ner- 
vösen Apparates (Vagys) nachgewiesen werden. 

Während die Lehre vom primären Cardiospasmus (v. Mikulicz) in den meisten 
Fällen zutreffend zu sein scheint, dürfte die sekundäre Natur des Cardiospasmus 
nach primärer Atonie der Muskulatur (Rosenheim) oder die Koinzidenz von 
Spasmus und Atonie (Krauss) nur für die selteneren Fälle in Betracht kommen. 

Für die Diagnose ist außer dem wechselnden Sondierungsbefund und der 
Röntgendurchleuchtung vor allem die Ösophagoskopie bedeutungsvoll, welche einen 
Verschluß ohne anatomische Stenose nachweist. Auch für die Diagnose der Dila- 


764 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 


tation der Speiseröhre, insbesondere gegenüber der Divertikelbildung, leistet die 
endoskopische Untersuchung neben der Anwendung der Leube’schen Divertikel- 
sonde, dem Rumpel’schen Zweisondenversuch und der Röntgendurchleuchtung 
wertvolle Dienste. 

In der Behandlung des Cardiospasmus erzielt besonders in akuten Fällen die 
Pinselung mit Kokain mitunter gute Erfolge. Die Sondenernährung nach Fleiner 
ist zwar gefahrlos, aber langwierig und für den Pat. lästig und führt nicht immer 
zu definitiver Beseitigung der Beschwerden. 

Die Sondierung zur Dilatation der Cardia hat große Gefahren bel unsicheren 
Resultaten. Dagegen scheint die gewaltsame Dehnung durch einen in den Magen 
eingeführten Gummiballon auf retrogradem Wege ein relativ ungefährliches und 
zweckmäßiges Verfahren zu sein. Von den blutigen Methoden kommt die bloße 
Gastrostomie nur als Notoperation in Betracht, ist dagegen von Bedeutung als Vor- 
operation zur retrograden Bougierung. Die sichersten Resultate liefert die gewalt- 
same Dilatation von dem eröffneten Magen aus nach dem v. Mikulicz’schen 
Verfahren, das von der mitgeteilten Operationsweise nur insofern abweicht, als 
v. Mikulicz die unter Leitung des Fingers in die Cardia einzuführende Zange 
mit Kautschukröhren armiert. Sieben derartige Operationen erzielten volle Hei- 
lung; der mitgeteilte Fall reiht sich der Kasuistik als achter an. 

Reieh (Tübingen). 


28) R. Michaelis. Autointoxikation bei Pylorusstenose. (Aus der 
chirurgischen Universitätsklinik in Leipzig.) 
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 18.) 


Es handelt sich um eine Kranke, bei der Krampfanfälle und ein etwa 8tägiges 
Koma bei vorhandener hochgradiger Stauungsinsuffizienz des Magens infolge von 
krebsiger Pylorusstenose aufgetreten waren und die abnormen nervösen und psychi- 
schen Erscheinungen nach Anlegung einer Gastroenterostomie sofort verschwanden. 
Später wurde nach Erholung der Kranken die Pylorusresektion mit Entfernung 
einer kirschkerngroßen Metastase am Leberrande mit Erfolg ausgeführt. 

Kramer (Glogau). 


29) Martin. Perforation of duodenal ulcer. 
(Journ. of amer. med. assoc. 1906. Mai 5.) 


Bei einem 39jährigen Manne, der schon lange an Hyperazidität gelitten hatte, 
trat plötzlich ein schwerer Schmerzanfall mit Kollaps und reichlichem Erbrechen 
auf, nachdem er einige Tage vorher schon vermehrte Beschwerden durch Säure 
gehabt hatte. Bei der Krankenhausaufnahme, 3/4 Stunden nach Entstehen des An- 
falles, bestand noch sehr heftiger Schmerz unter dem rechten Rippenbogen in Höhe 
des rechten Schulterblattes, Atemnot, straffe Spannung der Bauchdecken, welche 
völlige Einziehung bedingte. Bei allgemeisor Druckempfindlichkeit bestand ein 
Punkt höchstgradiger Empfindlichkeit direkt am rechten Rippenbogen, Peristaltik 
gelähmt. Unter Morphium-Atropinmedikation schwanden die heftigen Schmerzen 
die Spannung und Einziehung des Leibes blieb bestehen, Puls und Temperatur 
stiegen. Die Diagnose des Duodenalgeschwüres wurde gestellt, weil trotz jahre- 
langer Hyperazidität keine Schmerzen unmittelbar nach dem Essen auftraten, und 
aus dem Sitze der hochgradigen Schmerzhaftigkeit. Bei der Operation fand sich 
die nagelkopfgroße Durchbruchstelle an der Rückwand dicht unterhalb des Pylorus; 
in der Umgebung und nach abwärts bis zu einer durch alte Verwachsung des 
Blinddarmes mit der Bauchwand gebildeten Tasche fanden sich bedeutende Mengen 
von Speisebrei, frische lebhafte Bauchfellentzündung in der Umgebung. Die Ein- 
stülpung der wallartige Ränder zeigenden Öffnung gelang leicht, es wurde zur 
Sicherung noch Netz darüber genäht, die obenerwähnte Tasche drainiert. Glatte 
Heilung. Trapp {Bückeburg!‘. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 165 


30) Burke. Posterior gastroenterostomy: an unusual postoperative 
complication. 
(Buffalo med. journ. 1906. April.) 

Die 24jährige Pat. wurde zunächst wegen Erscheinungen von akuter Perfora- 
tion eines Magengeschwüres operiert; man fand an der Hinterwand des Magens 
eine breite Verwachsung mit dem Mesokolon, welche der Stelle eines früher per- 
forierten Magengeschwüres entsprach. Hintere Gastroenterostomie mit gleich- 
zeitiger Enteroanastomose der zu- und abführenden Darmschlinge mit dem Knopfe. 
Zunächst 4 Monate lang völlige Heilung der Magenbeschwerden, dann akut ein- 
setzendes Erbrechen, welches allmählich sofort nach der Aufnahme von Speisen, 
selbst von Flüssigkeiten eintrat. 

Demnach mußte eine Verengerung der Magendarmöffnung oder ein Circulus 
vitiosus angenommen werden. Die zweite Operation ergab, daß die beiden Anasto- 
mosen äußerlich unversehrt waren. Doch war die abführende Schlinge durch eine 
vom Mesokolon transversum ausgehende bandartige Verwachsung dicht unterhalb 
des Magens stark verengert. Die Gastroenteroanastomosenöffnung war kaum noch 
für die Spitze des kleinen Fingers durchgängig. Die vordere Vereinigungslinie 
der Magen-Darmanastomose wurde inzidiert, einige eingekapselte Zelluloidmassen 
wurden entfernt, und, die Öffnung wurde weiter angelegt. Zurzeit, 1 Jahr nach 
dieser Operation, ist die Kranke völlig gesund. Mohr (Bielefeld). 


31) De Beule. Une série de 22 gastro-entérostomies avec wou bouton 
& canal coudé. 
(Bull. de lacad. roy. de méd. de Belg. 1906. Februar.) 

Zu obiger Arbeit sind zu vergleichen die Publikationen desselben Autors in 
obigem Bull. Dezember 1904 und im Zentralblatt fir Chirurgie Nr. 52 1905. Verf. 
ist in der Lage, jetzt schon 22 mit seinem Knopf ausgeführte Operationen aus 
der Literatur zusammenzustellen. Er bringt kurze Krankengeschichten derselben. 
Die Resultate sind sehr günstige. Mortalität 20%.. Das Genauere muß im Original 
eingesehen werden. E. Fischer (Straßburg i. E.). 


32) Longard. Traumatische Darmstenose. 
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 13.) 

Einem 1öjährigen Knaben war vor einem Jahre beim Spielen ein schwerer 
Stein auf den Leib gefallen. Es bestand einige Tage ein etwas aufgetriebener 
Leib. 3 Monate später traten Stenosenerscheinungen auf. Bei der Operation 
fand sich eine Dünndarmstenose, mit welcher Netz verwachsen war. Die Strik- 
tur war so hochgradig, daß ohne Druck keine Flüssigkeit durchging. Resektion. 

Borchard (Posen). 


33) Zondek. Beitrag zur Lehre vom Meckel’schen Divertikel. 
(Berliner klin. Wochenschrift 19056. Nr. 35.) 

Einem 4 Wochen alten Kinde wurde das Meckel’sche Divertikel erfolgreich 
amputiert, das Präparat genau mikroskopisch untersucht und dadurch ein wertvoller 
Beitrag geliefert, weil die Zahl der histologisch untersuchten Fälle eine sehr geringe 
ist. Einzelheiten müssen im Original nachgelesen werden. 

Langemak (Erfurt). 


34) Waring. Actinomycosis of the caecum, vermiform appendix and 
right iliac fossa. 
(St. Bartholomew’s hospital reporte Bd. XLI. 1906.) 

W.’s Arbeit über die Aktinomykose des Blinddarmes, Wurmfortsatzes und der 
rechten Darmbeingrube basiert auf sieben Fällen, deren Krankengeschichten mit- 
geteilt werden. Im Gegensatz zu der gewöhnlichen Ansicht, daß der Wurmfort- 
satz fast immer primär erkrankt, sprechen W.'s Fälle dafür, daß der Blinddarm 


766 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 


ebenso oft der Sitz des Primärherdes ist. Der gewöhnliche Verlauf des Leidens 
ist chronisch, doch kommen akute Verschlimmerungen mit Abszeßbildung infolge 
von Mischinfektion vor. Die Diagnose muß sich hauptsächlich auf die langsame 
Entwicklung, die Härte der Geschwulst und die Infiltration der Bauchwand, event. 
mit Abszeßbildung und Durchbruch nach außen stützen. Hat ein offener Abszeß 
sich bereits längere Zeit hindurch nach außen entleert, so ist es oft schwierig und 
selbst unmöglich im Eiter Aktinomyces nachzuweisen. Alles Erkrankte operativ 
zu entfernen ist infolge der diffusen Infiltration gewöhnlich unmöglich. W. emp- 
fiehlt Inzision, Entleerung der Abszesse, Ausschabung, Drainage und wiederholte 
Spülungen mit Wasserstoffsuperoxydlösungen, gleichzeitig Jodkali innerlich. Er 
glaubt, daß bei dauernder Überwachung des Kranken, rechtzeitiger Entleerung 
auftretender Abszesse und sehr lange fortgesetzter Jodkalibehandlung die Prognose 
nicht so schlecht sei, wie man gewöhnlich annimmt. Vier seiner Kranken genasen, 
drei starben. Spätere Nachuntersuchungen ergaben, daß die Genesenen gesund ge- 
blieben waren. Die Todesfälle betrafen Pat., bei welchen sich im Laufe der Er- 
krankung pyämische Abszesse in der Leber, den Nieren, im Herzbeutel, subphre- 
nischen Raum usw. entwickelten. Bei dem ersten der Gestorbenen enthielten 
diese Abszesse massenhaft Aktinomycespilze, während in dem verdickten und ver- 
wachsenen Wurmformsatz und im ulzerierten Blinddarme keine nachgewiesen 
werden konnten. Der zweite wurde mit der Diagnose akute eitrige Appendicitis 
sofort operiert. Pat. starb 3 Monate später, nachdem die Erkrankung sich weiter 
im Becken ausgedehnt hatte und auf die Mastdarmwand übergegangen war. Bei 
dem dritten Pat. bildete sich nach Entleerung eines aktinomykotischen Abszesses 
der Dleocoecalgegend eine Kotfistel. Tod 15 Tage später. Der Abszeß setzte sich 
nach dem Autopsiebefunde perinephritisch und subphrenisch fort; in der Leber 
multiple Abszesse, an der Hinterwand des Blinddarmes ein perforiertes Geschwür. 
Mohr (Bielefeld). 


35) R. C. B. Maunsell. Volvulus of the coecum treated by reduction 
and appendicostomy. 
(Lancet 1906. April 28.) 


Verf. erweitert die neuerdings von Keetley (Brit. med. journ. 1905 Okt. 7) 
und von Bennett (Lancet 1906 Febr. 17) aufgestellten Indikationen fiir Appen- 
dikostomie um eine weitere: Bei coecaler Intussuszeption benutzte er nach Repo- 
sition des Invaginatum den Wurmfortsatz als Anheftungsstelle des Blinddarmes, 
und drainierte gleichzeitig den Meteorismus durch eine Appendikostomie. Der 
Fall, der eine 77jährige Pat. betraf, verlief vorzüglich. Zum Zwecke des späteren 
Schließens der Appendikostomie exzidierte Verf. einfach die Schleimhaut und stülpte 
die Wand des Wurmfortsatzes ein. Die Methode erwies sich als einfach und ebenso 
erfolgreich, wie die bislang anderwärts geübte sekundäre Exstirpation des Fort- 
satzes. 

Auffallend war die sehr schnell einsetzende Gasentleerung durch den in die 
Appendikostomose eingeführten Katheter, welch letzterer insgesamt ca. 4 Tage, 
d. h. bis die Kranke außer Gefahr war, liegen blieb. 

H. Ebbinghaus (Dortmund). 


36) E. Lanphear. Another case of gangrene of the entire colon. 
(Amer. journ. of surg. 1906. Mai.) 


' Bei einem 7jähr. Knaben fand sich 8 Monate nach der erfolgreichen Operation 
einer akuten Appendicitis mit großem, in das Becken durchgebrochenem Abszeß 
eine Gangrän des ganzen Kolon durch Verwachsungen, die sowohl das Colon as- 
cendens als descendens eingeschnürt hatten. Tod 6 Stunden nach der Operation, 
die in Abklemmung des Ileum, der Flexur und des Mesokolon und Exzision des 
gangränösen Darmes bestanden hatte. Goebel (Breslau). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 167 


37) H. Läwen. Über die äußeren Fisteln bei angeborener Atresia 
ani s. recti und über die Darstellung des kongenital verschlossenen 
Rektums im Réntgenbilde. 

(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVIII. Hft. 2.) 


Bei einem Neugeborenen mit vollständigem Afterverschluß bestand ein sub- 
urethraler mit dem Mastdarme kommunizierender medianer Gang, welcher in Höhe 
des Sulcus coronarius in einer feinen Fistelöffnung mündete, aus welcher sich Me- 
konium entleeren ließ. Gleichzeitig bestand eine Spaltung des Hodensackes. 

Auf Grund dieses und ähnlicher in der Literatur beschriebener Fälle setzt 
Verf. auseinander, weshalb derartige Gänge bei Afterverschluß als Hoemmungsmiß- 
bildungen aufzufassen sind, und wendet sich gegen die dynamische Theorie von 
Stieda, wonach diese äußeren Fistelgänge einer Perforation des Mastdarmes unter 
dem Druck des Mekoniums ihre Entstehung verdanken und nur die Kommunika- 
tionen mit Blase, Harnröhre oder Scheide Hemmungsmißbildungen sein sollen. 
Das Fehlen eines stärkeren intraintestinalen Druckes vor der Geburt, die mediane 
Lage der Gänge und die häufige Kombination mit ausgesprochenen Hemmungen 
in der Bildung von Hodensack und Harnröhre sprechen gegen die Theorie 
Stieda’s. 

Die beigegebenen Röntgenbilder zeigen, daß man durch Injektion von Wis- 
mutemulsion in den verschlossenen Mastdarm mittels eines durch den Fistelgang 
eingeführten Nelatonkatheters Lage und Beschaffenheit des blind endigenden 
Mastdarmrohres auf der Röntgenplatte zur Darstellung bringen kann. 

Reich (Tübingen). 


38) Muscatello. Sull’ estirpazione del retto per cancro col metodo 
perineo-cocigeale. 
(Boll. della soc. med.-chir. di Pavia 1905.) 

Die vier Falle, welche Verf. bespricht, zeigen die Leistungsfahigkeit der peri- 
nealen Operation des Mastdarmkrebses mit Hilfe der Steißbeinresektion. Beach- 
tenswert sind Fall III und IV (Männer), bei denen 20 bzw. 18cm Darm entfernt 
wurden, und bei denen das Karzinom sich am Übergange des Colon pelvicum zum 
Mastdarme befand. Bei Fall IV war es zudem noch stark verwachsen, die sakralen 
Drüsen waren in erheblichem Grade infiziert, und das Mesosigmoideum war hier 
von abnormer Kürze. Trotzdem war der operative Erfolg in diesem und in den 
anderen Fällen ein sehr guter; für die Beurteilung des Dauererfolges ist allerdings 


die Beobachtungszeit (6 bis 8 Monate) eine noch zu kurze. 
A. Most (Breslau). 


39) Reinecke. Vereiterter Echinokokkus der Bauchhohle. 
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 18.) 

Der Fall betrifft eine 36jährige Pat. mit einer großen von der Symphyse bis 
zum Zwerchfell reichenden Geschwulst, die sich bei der Operation als eine vereiterte 
Echinokokkuscyste erwies. Die Ausschälung der Cyste gelang nur teilweise, so 
daß der Rest des Sackes eingenäht werden mußte. Heilung. Der Ausgangspunkt 
ließ sich nicht mit Sicherheit feststellen. Borchard (Posen). 


40) Stein (Hildesheim). Ein Fall von Echinokokkus der Leber, per- 
foriert in die Lunge, ausgeheilt durch Rippenresektion. 
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 12.) 

Operiert wurde in Rücksicht auf den elenden Allgemeinzustand der Pat. nur 
das durch die Perforation entstandene rechtsseitige Empyem, um der stark dys- 
pnoischen Kranken Erleichterung zu schaffen. Aus der Wunde entleerten sich 
später außerordentlich reichlich Echinokokkusblasen, die gelblich gefärbt waren 
und einen stinkenden, säuerlichen Geruch hatten. Der Leberechinokokkus kam 
dadurch zur Ausheilung. Kramer (Glogau). 


768 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 


41) Quénu. Sur le traitement des kystes hydatiques. - 
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXII. p. 42.) 


Q. berichtet über einen Pat., bei dem er eine große Echinokokkuscyste der 
Leberoberfläche transpleural nach Rippenresektion punktierte, sie nach Entleerung 
von ca. 3/, Liter klarer Flüssigkeit durch Injektion von 250 g 1xiger Formollösung 
sterilisierte und dann die Keimblase exstirpierte; 14 Tage nach der Operation be- 
gann der Kranke zu fiebern. Die unter den Rippenbogen zurückgewichene Leber 
wurde wieder tastbar, die Wunde öffnete sich an einer Stelle, und es entleerte sich 
hier eine reichliche Menge zitronengelber Flüssigkeit; das Sekret wurde später 
eitrig und enthielt Bakterium coli in geringer Menge; nach mehrfacher Punktion 
Heilung ca. 2 Monate nach der Operation. 

Q. kommt bei seinen weiteren Ausführungen über die Behandlung des Leber- 
echinokokkus zu dem Resultate, daß vor Eröffnung der Keimblase, wenn eine 
Infektion des Bauchfells vermieden werden soll, ihr Inhalt durch Injektion von 
Formollösung zu sterilisieren sei, und daß selbst nach Sterilisation der Wundhöhle 
dieselbe nicht offen in die Bauchhöhle versenkt, sondern durch Naht geschlossen 
werden müsse; denn es finde infolge der Druckherabsetzung in der Wand der 
Wundhöhle nach Entleerung des Cysteninhaltes fast regelmäßig eine reichliche 
Sekretion seröser oder galliger Flüssigkeit statt, deren sekundäre Infektion (vom 
Darme her), wenn sie in der freien Bauchhöhle sich befände, für den Pat. gefähr- 
lich werden könnte. 

In der anschließenden längeren Diskussion sind alle Redner darin einig, daß 
die Formolsterilisation unentbehrlich und statt der Naht bei eitrigem oder trüb- 
galligem Cysteninhalte Tamponade oder Drainage der Wundhöhle am Platze sei; 
es werden noch zahlreiche Fälle erörtert, in denen nach der Operation, und zwar 
in einigen Fällen erst mehrere Wochen nachher, reichliche Sekretion von Galle 
aus der Wand der Cystenhöhle stattgefunden hatte und das häufig eitrig gewordene 
Exsudat durch Punktion oder Inzision entleert werden mußte, bei zwei Pat. aller- 
dings, ohne daß dadurch der tödliche Ausgang verhütet werden konnte. Walther 
erwähnt, daß bei der Punktion der Cysten zweckmäßig zum Schutze der Wund- 
ränder und der Bauchhöhle formolgetränkte Kompressen um die Kanüle herum 
vorgelegt werden, damit neben der Kanüle austretende infektiöse Flüssigkeit durch 
sie unschädlich gemacht werden kann. Thümer (Chemnitz). 


42) R. Frank. Über Talmaoperationen. 


(Aus der Sitzung der k. k. Gesellschaft der Ärzte in Wien vom 19. Januar 1906.) 
(Wiener klin. Wochenschrift 1906. Nr. 4.) 


F. hat in zwei Fällen von Cirrhose, die längere Zeit hindurch punktiert werden 
mußten, die Milz zur Herstellung der Anastomosen unter die Haut vernäht. 

Im zweiten Falle ließ sich die Milz nicht vorziehen. Es wurde daher von der 
10. und 11. Rippe je ein 10 cm langes Stück reseziert, die Falte des Pleurasackes 
nach oben verschoben und die Milz durch diese Öffnung soweit vorgezogen, daß 
ihr Hilus in der Peritonealöffnung und ihr Körper zwischen den Rippen lag. In 
dieser Stellung wurde sie durch Nähte befestigt und die Haut darüber geschlossen. 

Bei beiden Fällen hatte die Operation Erfolg (im ersten Falle völlige Heilung 
seit 41/, Monaten, im zweiten deutliche Verringerung des echten nach der Opers- 
tion aufgetretenen Ascites. Hübener (Liegnitz). 





Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man 
an Prof. B. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- 
handlung Breitkopf & Härtel, einsenden. 












Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig, Nürnbergerstraße 36/38. 


Zentralblatt 
CHIRURGIE 


herausgegeben 


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Dreiunddreißigster Jahrgang. 


Eu u En Eu En I OTT TTT IIE ARE TE TE TE TET CATES 
Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei halbjähriger 
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten. 


Nr. 28. Sonnabend, den 14. Juli. 1906. 


Inhalt: 1) Gibson, Hyperleukocytose. — 2) Stahr, Blutbefund bei Stauungshyperämie. 
— 3} Ziegler, Adrenalin und Arteriosklerose. — 4) Ransohoff, Chronisches Pleuraempyem. 
— 5) Borchardt, Herzwunden. — 6) Lichtenberg, Akzessorische Gänge am Penis. — 7) NI- 
coll, Amputatio penis. — 8) Kümmell, Hypertrophie und Krebs der Prostata. — 9) Levy- 
Dorn, 10) Beck, Harnsteine. — 11) Basham, Nephropexie. — 12) Schaerer, Katalog. 

K. Gaugele, Zur Behandlung der tuberkulösen Fisteln mit der Bier’schen Saugglocke. 
(Original-Mitteilung.) 

13) Französischer Chirurgenkongreß. — 14) Freie Vereinigung der Chirurgen Berlins. 
— 15) Torek, Brustwandresektion. — 16) Pereschiwkin, Peripleuritis. — 17) Rieder, Lun- 
genabszeß. — 18) Schmidt, Kardiolyse. — 19) Niemier, 20) Tschernjächowski, Herzwunden. 
— 21) Biondi, Abreißung des Penis. — 22) Guth, Luxation des Penis. — 23) Tédenat, Harn- 
rohrenstriktar. — 24) Young, Prostatakrebs. — 25) Loumeau, Prostatektomie. — 26) Nicoll, 
Zur Cystoskopie. — 27) Hinterstolsser, Angeborene Blasenspalte. — 28) Exner, Fremdkörper 
in der Blasenwand. — 29) Minelll, Malakoplakie der Blase. — 30) Davis, Blasengeschwülste. 
— 31) Stern, Durchgeschabte Blase. — 32) Furniss, Zur Behandlung der Pyelitis. — 33) Ni- 
colich, Nephrotyphus. — 34) Wiesel, Nephrolithiasis. — 35) Hobart, Fibrom der Nieren- 
kapsel. — 36) Pousson und Chambrelent, Nierenoperationen bei Eklampsie. — 37) Wrede, 
Dermoide des Samenstranges. — 38) Lichtenstern, Torsion e. Leistenhodens. — 39) Haeckel, 
GefaBonterbindang bei puerperaler Pyimie. 








1) Gibson. The value of the differential leucocyte count 
in acute surgical diseases. 
(Annals of surgery 1906. April.) 

Nach G. beginnt die Hyperleukocytose, wenn die Anzahl der 
Leukocyten 10000 übersteigt, während die Grenze der Hypoleukocytose 
bei 5000 liegt. Von größtem Wert scheint dem Verf. jedoch das 
prozentuale Verhältnis der polynukleären Elemente bei der Leukocytose 
zu sein, das normalerweise 68—75% beträgt. Eine Vermehrung des 
Prozentgehaltes der polynukleären Elemente ist ein Index für die 
Schwere des Prozesses resp. die Widerstandsunfähigkeit des Körpers. 
G. benutzt zur Feststellung des prozentualen Verhältnisses die um- 
stehende Figur, an deren linken Leukocytoseseite entsprechend der 
Anzahl der Leukocyten ein Punkt, der andere Punkt an der rechten 
Seite entsprechend der Höhe des Prozentgehaltes an polynukleären 

28 


770 | Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 


Zellen gemacht wird. Die vertikale Distanz zwischen diesen beiden 
Punkten repräsentiert in Zentimetern die Disproportion zwischen Leuko- 
cytose und Prozentgehalt der polynukleären Zellen. Eine horizontale 
Linie stellt normale Verhältnisse vor, während steile Linien, wie Verf. 


bei Appendicitis, Gallenblasenleiden, septischen Prozessen usw. gefun- 
den hat, für die Schwere des Prozesses sprechen. Verf. empfiehlt, 
durch Anwendung seiner Tabellen weitere Erfahrungen über die bis 
jetzt noch nicht ganz geklärten Verhältnisse der Leukocytenfrage zu 
sammeln. Herhold (Altona). 


2) E. Stahr. Über den Blutbefund bei der Bier’schen 
Stauungshyperämie. 
(Wiener klin. Wochenschrift 1906. Nr. 9.) 

In dem mit Stauung behandelten Körperteile trat stets eine lokale 
Leukocytose auf, und zwar schon zu einer Zeit, zu welcher die Ge- 
webe noch nicht mit dem Gewebssafte durchtränkt waren. Welche 
Ursache für diese Leukocytose maßgebend ist, läßt Verf. dahingestellt, 
er verweist auf drei Möglichkeiten: Diapedese durch den verlangsamten 
Strom, gesteigerte Chemotaxis oder schließlich gesteigerte Produktion 
in den hämopoetischen Organen des gestauten Gliedes. 

Hübener (Liegnitz). 









100% 


95% 


90 % 


85% 


80% 





~ 


5% 








3) K. Ziegler. Über die Wirkung intravenöser Adrenalin- 
injektion auf das Gefäßsystem und ihre Beziehung zur 
Arteriosklerose. 

(Sonderabdruck aus: Beiträge zur pathol. Anatomie 1905. Bd. XXXVII.) 

Die auf Anregung v. Strümpell’s in der Breslauer medizinischen 
Klinik angestellten Versuche erstreckten sich auf acht Kaninchen ver- 
schiedenen Alters; die Injektionen erfolgten teils intravenös in eine 
Ohrvene, teils auch subkutan. Aus den ausführlich wiedergegebenen 
Versuchsprotokollen ergibt sich, daß in sämtlichen Fällen die Adre- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 771 


ülininjektionen spezifische Schädigungen des GefaBsystems hervor- 
neten, die besonders an der Media der großen Gefäße, speziell der 
Aorta auftraten und als Nekrosen der Muscularis mit Einlagerung 
von Kalksalzen im histologischen Bilde sich äußerten und zu aneurys- 
matischen Aussackungen der Gefäßwand führten. Relativ spät erst 
riefen die herdförmigen Nekrosen der Muscularis entzündliche Reak- 
tionen mit Vaskularisation von den Vasa vasorum aus hervor. Das 
Endothel der Intima blieb völlig unversehrt. Als rein kompensatorische 
Erscheinungen für die entstandenen Muskeldefekte faßt Z. die über 
denselben auftretenden Verbreiterungen und Wucherungen der sub- 
endothelialen Zellschicht auf, die jedoch selbst bei ausgedehnten 
Nekrosen ziemlich gering blieben. Aus diesen Versuchsergebnissen 
geht hervor, daß die glatte Gefäßmuskulatur Ernährungsstörungen und 
toxischen Einflüssen gegenüber wenig widerstandsfähig ist, und daß 
Nekrosen derselben zur Ablagerung von Kalksalzen disponieren. Zu- 
gleich gestatten sie den Schluß, daß nicht die elastischen Fasern, 
sondern die glatten Muskelfasern dem Blutdruck das Gleichgewicht 
halten; und so erklärt es sich, daß die Gefäßwandung bei Zugrunde- 
gehen der Muscularis dem Blutdruck nachgeben muß, selbst wenn die 
elastischen Fasern noch unversehrt sind. Am Schluß des Aufsatzes 
bespricht Z. noch die Beziehungen dieser Versuchsergebnisse zu be- 
stimmten Formen der Arteriosklerose des hyperplastischen Typus und 
weist darauf hin, daß partielle Schädigungen der Gefäßwände und 
dadurch bedingte verringerte Widerstandsfähigkeit zu kompensatori- 
schen Wucherungsvorgängen der subendothelialen Zellschichten der 
Intima führen können. Deutschländer (Hamburg). 


4) Ransohoff. Discission of the pleura in the treatment of 


chronic empyema. 
(Annals of surgery 1906. April.) 

R. hat verschiedentlich alte Empyemfisteln durch die Delorme’sche 
Abschälung der Lunge zu heilen versucht; zuweilen gelang es ihm 
aber nicht, die starren und festen Verwachsungen zu exzidieren. Für 
diese Fälle schlägt er vor, durch die Schwarten nach geniigender Frei- 
legung derselben durch Rippenresektion kleine bis auf die Lunge 
reichende horizontale und vertikale Schnitte zu machen. Infolge der 
Atembewegungen der Lunge klaffen diese Schnitte immer weiter und 
bedingen schließlich eine erhebliche Bewegungsfreiheit der Lunge, 
durch welche die Fistel zur Ausheilung kommt. Außerdem kann nach 
R. auch die Umschlagsfalte der Pleura, wenn sie zu erreichen ist, ein- 
geschnitten werden, was die Bewegung der Lunge ebenfalls fördert. 

Herhold (Altona). 


172 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 


5) M. Borchardt. Über Herzwunden und ihre Behandlung. 
Pfählungsverletzung von Herz und Lunge. | 
(Sammlung klin. Vorträge N. F. Nr. 411/412. Leipzig, Breitkopf & Härtel, 1906.) 


B. bespricht in fesselnder Weise die verschiedenen Arten der 
Herzverletzungen, zunächst die, bei denen die Verletzten nach wenigen 
Augenblicken tot umsinken, dann die subakut verlaufenden, bei denen 
der Tod nach einigen Stunden oder Tagen durch langsame Verblutung 
oder Herztamponade erfolgt, dann die, bei welchen die Kranken sich 
in den ersten Tagen erholen und scheinbar genesen, aber von der 
Gefahr eines plötzlichen Todes durch sekundäre Hämorrhagie, Ruptur 
der entstandenen Bindegewebsnarbe bedroht werden oder infolge von 
Perikarditis, Empyem, allgemeiner Sepsis noch nach Wochen und 
Monaten erliegen können. — Bei dem verschiedenartigen Verlauf ist 
es erklärlich, daß auch in der Mehrzahl der Fälle die Diagnose auf 
Schwierigkeiten stößt; sicher ist diese nur da, wo die Trias von Sym- 
ptome, Zeichen innerer Blutung, Symptome von Herztamponade und 
Veränderungen an den Herztönen besteht. In zweifelhaften Fällen 
muß die Probeperikardiotomie herangezogen werden. — Unter den 
zahlreichen osteoplastischen Methoden zur Freilegung des Herzens, 
die Verf. auf einer Tafel mit 16 Abbildungen illustriert, hält er die 
von Lorenz modifizierte Wehr’sche für die beste, falls nicht die 
Erweiterung der bestehenden Thoraxwunde mit Wegnahme hinderlicher 
Teile des knöchernen Gerüstes am Platze ist. Die Behandlung der 
Herzwunde, die Anlegung von Seidenknopfnähten, ihre Knotung, wenn 
möglich, während der Diastole, die der Tamponade vorgezogene Naht 
des Perikards, event. mit Einlegung eines dünnen Drainrohres; weiter 
das Verhalten bei steckengebliebenem, äußerlich sichtbarem Fremd- 
körper, dessen rasche Entfernung mit baldiger Freilegung des Herzens 
zur Naht der Herzwunde, die Behandlung von Schußverletzung ohne 
und mit Eröffnung des Perikards werden eingehend besprochen. Zum 
Schluß gibt B. eine Tabelle von 83 Fällen von Herzoperationen (78 
mit Herznaht: 46 tot, 32 geheilt). 


Von besonderem Interesse ist sein eigener Beitrag eines glücklich verlaufenen 
Falles von Phählungsverletzung bei einem 12jährigen Knaben, der, von einem 
Baume herabstürzend, sich mit der Brust auf ein eisernes Gitter aufgespießt hatte 
und 2 Stunden darauf in der kgl. Klinik zu Berlin aufgenommen worden war: Es 
bestand eine 4 cm lange Rißquetschwunde im 5. Interkostalraum in der Mammillar- 
linie, durch welche pfeifend Luft ein- und ausstrich, linksseitiger Hämo- und 
Pneumothorax mit verschwundener Herzdämpfung und kaum hörbaren Tönen, be- 
trächtliche Spannung der Bauchmuskulatur und ein auffallend tympanitischer Schall 
in den oberen Partien des Leibes; der Puls war kaum fühlbar, der Knabe zeigte 
große Unruhe und hatte starkes Angstgefühl. Nach beträchtlicher Erweiterung 
der Wunde, mit Rippenresektion und Freilegung eines Risses in der Gegend des 
Lungenhilus wurde an der Hinterfläche des Perikards ein zehnpfennigstiickgroBes 
Loch entdeckt, nach Erweiterung desselben aus der Perikardialhöhle Blut und Ge- 
rinnsel entfernt, das Herz herausgeholt und eine an der Rückseite des linken 
Ventrikels dicht unter der Atrioventrikulargrenze eine Rißwunde gefunden, nach 
deren Naht die Blutung vollständig stand. Nach Versorgung der Herzbeutelwunde 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 773 


(Naht, Jodoformdocht) Tamponade der Pleurahöhle und Schluß der äußeren 
Wunde wegen Verdacht auf Zwerchfellperforation, Probelaparotomie, bei welcher 
indes eine Verletzung im Bauche nicht nachgewiesen wurde. — In den ersten 
Tagen große Unruhe des Pat., die sich erst nach Entfernung des Jodoformdochtes 
und Entleerung von 3/, Liter seröser Flüssigkeit besserte; trotz aufgetretener Peri- 
carditis externa, doppelseitiger Bronchopneumonien und Pleuritis genas der Knabe 
vollständig und ist auch jetzt — 1 Jahr später — ganz gesund. 
Kramer (Glogau). 





6) A. Lichtenberg. Über die Entwicklungsgeschichte einiger 
akzessorischer Gänge am Penis. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVII. Hit. 2. p. 206.) 
Entwicklungsgeschichtlich-anatomische Arbeit, wonach die am 
Orificium ext. urethrae, in der Rhaphe, im Frenulum und am Dorsum 
penis vorkommenden akzessorischen Gänge teils vom Urogenital- 
septum, teils von der Haut abstammen. Reich (Tübingen). 





7) Nicoll. Lantern slides illustrating the steps in operating 
for the radical removal of penile carcinoma. 
(Glasgow med. journ. 1906. Mai.) 

Auf drei groBen Tafeln demonstriert N. das von ihm neuerdings 
geübte Verfahren der Amputation des Peniskarzinoms. 

Er geht dabei von der Überlegung aus, daß man auch hier, wie 
beim Brustdrüsen- und Lippenkrebs, die Primärgeschwulst mit den 
voraussichtlich erkrankten Lymphbahnen und Lymphdrüsen im Zu- 
sammenhange beseitigen müsse. 

Da zunächst und im wesentlichen allein die dorsalen Lymphbahnen 
in Betracht kommen, so wird der Hautschnitt folgendermaßen angelegt: 
die beiden zur Exstirpation der Leistendrüsen üblichen Schnitte treffen 
sich an der dorsalen Seite der Wurzel des Penis; von hier läuft ein 
dorsaler Schnitt auf dem Penis nach vorn bis zur Höhe der beab- 
sichtigten Absetzungsstelle, teilt sich hier und umkreist das Glied mit 
seinen zwei Ausläufern. Nach Entfernung der Drüsen und dorsalen 
Lymphbahnen werden die Corpora cavernosa penis quer durchschnitten, 
das Corpus cavernosum urethrae etwas distal davon abgesetzt und aus 
dem Harnröhrenstumpf ein kürzerer dorsaler und längerer ventraler 
Lappen gebildet. Die Wunden werden vernäht und in beiden Leisten- 
gegenden drainiert. W. v. Brunn (Rostock). 


8) Kümmell. Die operative Behandlung der Hypertrophie 
und des Karzinoms der Prostata. 
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 14.) 

In dem sehr interessanten Aufsatze bespricht K. vor allen Dingen 
die operative Indikationsstellung. Die Bottini’sche Operation wendet 
er hauptsächlich da an, wo der Allgemeinzustand der Kranken einen 
radikalen Eingriff nicht gestattet. Suprapubische Prostatektomie wird 
am meisten bevorzugt und in Beckenhochlagerung ausgeführt; jedoch 


174 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 


auch die perineale Prostatektomie ist zur Anwendung gekommen. 
Beide Operationen werden in der letzten Zeit unter Lumbalanästhesie 
ausgeführt. Borchard (Posen). 





9) Levy-Dorn. Beitrag zur Untersuchung auf Nierenstein 
mittels Röntgenstrahlen. 
(Archiv für physikal. Medizin u. med. Technik Bd. I. Hft.2 u. 3.) 

Die Bedeutung der Zusammensetzung der Nierensteine in der 
Frage nach der Möglichkeit ihrer Darstellung im Röntgenbilde ist 
überschätzt worden, da es sich meist um Mischsteine handelt. Ein 
positives Ergebnis der Röntgenographie bei Nierensteinen ist so häufig, 
daß der negative Ausfall der Untersuchung bedeutungsvoll ist. 

Verf. skizziert die bekannten Grundbedingungen für röntgeno- 
graphische Untersuchung: weiche Röhre von hoher Widerstandsfähig- 
keit, Kompression des Bauches, Abblendung, geeignete Lagerung, 
Abführkur. In bezug auf Lagerung und Kompression gibt er ein 
Aushilfsmittel an, wenn ein Kompressionsapparat fehlt: Lagerung des 
Kranken mit der Bauchseite auf einen Holzblock, auf dem die durch 
drei alte Platten verstärkte und geschützte, in Papier gewickelte Platte 
liegt. Endlich macht er noch darauf aufmerksam, wie durch innerlich 
genommene Mittel oder Injektion in Fisteln Trugbilder veranlaßt wer- 
den können. Renner (Dresden). 





10) C. Beck. Experimental studies on the density of calculi 
of the urinary tract. 
(Arch. of physiol. therapy 1906. März.) 

Von der chemischen Zusammensetzung der Nierensteine hängt 
ihre Durchlässigkeit für Röntgenstrahlen ab. Je höher das Atom- 
gewicht der chemischen Bestandteile, um so größer die Dichtigkeit, 
um so schärfer der Schatten. Daraus ergibt sich folgende Reihen- 
folge: Oxalate, Phosphate, Urate, Cystin- und Xanthinsteine. Steine 
mit reiner Zusammensetzung sind selten, am häufigsten sind die ge- 
mischten; doch wirft fast jeder Nierenstein einen Schatten. 

Von größter Wichtigkeit ist das möglichst nahe Heranbringen 
des Körperteiles an die Platte und die völlige Bewegungslosigkeit. 
Beides wird erreicht durch einfache Blenden, wie auch B. eine solche 
angegeben hat. Ihr Nachteil — die Beherrschung kleiner Flächen 
und daher die Möglichkeit, den Stein zu verfehlen — wird ausgeglichen 
durch eine voraufgehende allgemeine Aufnahme ohne Blenden. Mehr 
als zwei Aufnahmen zur Klarstellung hat B. selten nötig gehabt. 

Der Nachweis von Gallensteinen auf der Platte ist noch unvoll- 
kommen. Weiche Röhren, schräges Aufsetzen der Blende zur Ver- 
meidung des Leberschattens sind wichtige, oft nicht beachtete Vor- 
bedingungen. Flüssige Galle ist meist nicht mehr vorhanden, wird 
also meist wenig hinderlich sein für die Durchdringung der Strahlen. 
Nierensteine kann man von Gallensteinen meist unterscheiden durch 
Kanten und Spitzen und ureterale Ausläufer. Weber (Dresden). 





Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 175 


11) D. W. Basham. Some observations on nephropexy. 
(Amer. journ. of surg. 1906. Mai.) 

Sehr lesenswerte Übersicht über die Nephropexie bei Wander- 
niere. Die Ursache der Mißerfolge sind nach Verf. zu tiefe Befesti- 
gung der Niere, eine Festlegung zu nahe der vorderen Bauchwand 
und zu weit entfernt von den Wirbeln, wodurch Knickungen des Hilus 
und Harnleiters bedingt sind. B. betont, daß auf begleitende Pyelitis, 
Steine, klappenförmige Ausmündung des Harnleiters besonders zu 
achten ist. Enthülsung ist stets bei hyperämischem, großem oder ge- 
lapptem Organ vorzunehmen. Die Existenz einer Neuralgie der Niere 
hält Verf. für unzweifelhaft. Bei Enteroptose soll nicht operiert wer- 
den. Die Differentialdiagnose gegenüber erweiterter Gallenblase, Dick- 
darmgeschwülsten und Parovarialcysten wird besonders besprochen. 
Für die korrekte Methode wird die Fixation an der 12. Rippe oder 
ihrem Periost und der Fascie des Quadratus lumborum erklärt.. Die 
Naht geschieht mit Chromcatgut; sie wird nur durch die Kapsel, nicht 
durch das Parenchym geführt. Uber die fibröse Kapsel wird die 
Fettkapsel und, wenn möglich, auch die perirenale Fascie vereinigt. 
Um die Atemexkursionen auszuschalten, wird die betr. Thoraxseite 


durch Heftpflasterstreifen möglichst immobilisiert. 
Goebel (Breslau). 





12) M. Schaerer, Sanitätsgeschäft, Bern. Illustrierter Katalog 
über technische Hilfsmittel und Einrichtungen für die ge- 
samte Medizin und Chirurgie. 


Ganz nach Art des Tuttlinger Musterbuches, das vor 2 Jahren 
erschienen und in diesem Zentralblatt (1905, p. 36) kurz angezeigt 
wurde, hat jetzt obiges Schweizer Geschäft einen Katalog heraus- 
gegeben, der eine sehr große Zahl von Abbildungen von allen Dingen 
enthält, die in dem Gebiet der Medizin zur Verwendung kommen, 
dazu auch ein nach Autoren geordnetes Inhaltsverzeichnis und ein 
Sachregister.. Wir können diesen Katalog in gleicher Weise wie den 


erst erschienenen als Nachschlagebuch bestens empfehlen. 
Richter (Breslau). 


Kleinere Mitteilungen. 


(Aus der San.-Rat Dr. Köhler’s chirurgisch-orthopädischer Privatklinik in 
Zwickau i. S.) 
Zur Behandlung der tuberkulösen Fisteln mit der Bier- 
schen Saugglocke. 
Von 
Dr. K. Gaugele, leitender Arzt der Klinik. 


Bei sämtlichen Fällen von tuberkulösen Gelenkfisteln habe ich in letzter Zeit 
neben der längst gewohnten Allgemeinbehandlung die Bier’sche Stauung mit der 
Gummibinde und dessen Saugglocke verwendet. 


776 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 


Bei älteren, schon jahrelang bestehenden Fällen, wobei nur ein Fistelkanal von 
der Dicke einer Stricknadel zum Krankheitsherde führte, sah ich wohl im Verlaufe 
von einigen Monaten ein Reinerwerden der Fistel und Umgebung, einen vollkom- 
menen Verschluß der Fistel sah ich in diesen Fällen bis jetzt noch nicht eintreten. 

In neueren Fällen aber ging die Heilung der Fistelgänge von innen heraus viel 
rascher vor sich. 

Speziell in einem Falle glaube ich nun den vollkommenen Verschluß der 
Fistelöffnung durch ein ganz bestimmtes Verfahren, das ich gleich des näheren 
angeben will, wesentlich beschleunigt zu haben und möchte dieses deswegen zur 
Nachahmung empfehlen. 

Es handelte sich um einen sehr schwächlichen Jungen von 6 Jahren, der vor 
ca. 1 Jahr in vollkommen desolatem Zustand in unsere Behandlung trat. — Nach 
Angabe der Mutter litt er seit 2 Jahren an linksseitiger Hüftgelenksentzündung. 
Bei der Aufnahme bestanden starke Reizerscheinungen, das Gelenk war bei der 
Betastung sehr schmerzhaft, Pat. konnte weder gehen noch stehen. 

Pat. erhielt zunächst einen Gipsverband, nach 1/, Jahre trat Abszeßbildung 
auf, die auf der Vorderseite der Leiste zum Vorschein kam und des öftern punk- 
tiert wurde. Zu gleicher Zeit spritzten wir Jodoform-Glyzerinemulsion in das Hüft- 
gelenk ein. Kurz vor Weihnachten 19056 machten wir die atypische Resektion, 
indem wir nur das sichtbar Krankhafte entfernten. Nach kurzer Zeit war die 
Wunde bis auf eine kleine Fistelöffnung geheilt, und Pat. wurde mit gefenstertem 
Gipsverband nach Hause entlassen. 

Nach ca. 8 Wochen erschien jedoch Pat. wieder und hatte drei größere Fisteln, 
eine auf der Vorderseite, zwei auf der Rückseite; an den Fistelöffnungen befanden 
sich ca. markstückgroße granulierende Flächen, die sehr starke Eiterabsonderungen 
zeigten. 

Wir gebrauchten nun sofort täglich 2mal die Bier’sche Saugglocke, und zwar 
in der Weise, daß die Glocke auf jeder Fistelöffnung je 3/, Stunden lang aufgesetzt 
wurde, wobei Pausen von 5 Minuten mit Saugungen von 5 Minuten abwechselten. 

Nebenbei erhielt Pat. täglich ein kurzdauerndes Bad (7 Minuten) mit Fichten- 
nadelextrakt resp. Neurogensalz. 

Schon nach 8 Tagen war die Eiterabsonderung nur noch minimal. 

Nach 2 bis 3 Wochen hatten sich die Fisteln auf 10-Pfennigstückgröße ver- 
kleinert; die weitere Ausheilung ging etwas langsamer von statten. Nach 8 Wochen 
waren die Fisteln bis auf die Fläche eines Quadratzentimeters verheilt. 

Dabei sah ich nun folgendes: 

Die kleine, 1 gem große Fläche trocknete nach der jedesmaligen Stauung sehr 
stark aus und war bis zum anderen Tage vollkommen mit einer zarten Haut ge- 
schlossen. Die Stauung wurde ausgesetzt, 2 Tage darauf war aber die ganze neu- 
gebildete Haut durch angesammeltes Sekret wieder zum Platzen gebracht. Dieser 
Vorgang wiederholte sich 2—3mal. Ich ging deswegen später so vor, daß ich, 
wenn sich die eben beschriebene Hautbedeckung gebildet hatte, darauf achtete, ob 
sich unter dieser Flüssigkeit ansammelte. Sah ich nun die geringste Ansammlung, 
so machte ich an dieser Stelle mit einer feinen Nadel einen Einstich und setzte 
die Glocke mit ganz geringer Saugwirkung auf; es entleerte sich dann durch die 
kleine Öffnung die angesammelte Flüssigkeit ganz allmählich, ohne diese merklich 
zu vergrößern. So gelang es mir, die drei Fisteln in weiteren 8 Tagen zum voll- 
kommenen Verschluß zu bringen. Es bildeten sich derbe Narben, welche sich 
schön einzogen. 

Pat. wurde mit einem Hessing’schen Schienenhülsenapparat entlassen und 
befindet sich nach den Angaben der Mutter vollständig wohl und kann ohne Unter- 
stützung schön gehen. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 777 


13) X VID. französischer Chirurgenkongreß zu Paris vom 2.—7. Oktober 
1905. 


(SchluB.) 
Kopf und Gesicht. 

Thierry (Lyon): Behandlung der Gesichtsaktinomykose. Auf Grund 
seiner Erfahrungen kommt T. zu folgenden Schlüssen: Die Operation ist unnütz; 
Jodkali innerlich hat keinen, Bierhefe unsicheren Erfolg. Jodwassereinspritzungen 
1:10 sind die beste Behandlung. 

Abadie (Paris): Resektion des Sympathicus gegen Glaukom. Fälle 
dieses Augenleidens, welche durch Iridektomie nicht in ihrer Weiterentwicklung 
gehemmt werden, sollten vom Augenarzte dem Chirurgen zur Resektion des Hals- 
sympathicus überwiesen werden. 

Legrange (Bordeaux): Behandlung des Glaukoms mittels filtrierender Narbe. 
Beschreibung einer neuen Methode. Sie besteht in der Ergänzung der Iridektomie 
durch Exzision eines Läppchens aus dem vorderen Wundrande der Sclerotica und 
UÜbernähung mittels Conjunctiva. 

Malherbe (Paris): Behandlung der nichteitrigen chronischen Mittelohr- 
entzündung mittels konstanten Stromes. M. schreibt seiner Anwendung direkte 
Heilwirkung auf die katarrhalisch erkrankte Tuben- und Paukenhöhlenschleimhaut 
sowie Anregung der akustischen Nervenfasern zu. 


Hals und Rumpf. 

Morestin (Paris): Großes Enchondrom der Glandula submaxillaris. 
Die Entfernung der Geschwulst vom Mundboden war erschwert durch starke Venen- 
entwicklung von der Dicke der Jugularis. Die Abstammung der Geschwulst von 
der Submaxillaris ließ sich aus den epithelialen Einschlüssen erkennen. 
` _ P. Delbet (Paris): Die Resektion des großen Zungenbeinhornes als 
Akt der Pharyngektomie. D. kann sich zu der so wenig aussichtsreichen Operation 
nur bei Blutungen, heftigen Schmerzen, Schling- und Atembehinderung entschließen. 
Winkelschnitt vom Unterkiefer über das Zungenbein bis vor den Sternocleido- 
mastoideus; von da den Muskel entlang abwärts. Exstirpation der Lymphdrüsen, 
Unterbindung der Carotis ext. und Thyreoid. sup. Exstirpation des großen Zungen- 
beinhornes. Der N. laryngeus sup. wird nach hinten verlagert. Vorteile der Me- 
thode: Späte Eröffnung des septischen Rachens; leichte Verschieblichkeit der Luft- 
wege nach vorn, wodurch Einfließen des Blutes und Tracheotomie vermieden werden; 
gutes Licht und günstige Drainage. 

Willems (Gent): Operative Lösung alter Pleuraverwachsungen. Die so 
behandelten drei Fälle boten das klinische Bild einer eitrigen Pleuritis; die aus- 
giebige Lösung der Verwachsungen hatte günstige Folgen; so steht die Operation 
in erfreulichem Gegensatze zu jenen Fällen lange bestehender Exsudate, die an 
sich wenig oder keine Beschwerden machen, und deren operative Behandlung 
traurige Prognose hat. 

Guisez (Paris): 50 Fälle von Ösophagoskopie. Sie setzen sich zusammen 
aus 14 Untersuchungen nach Fremdkörpern, darunter 6mal eingebildete; doch konnten 
hier wiederholt kleine Reizungen erkannt werden. 15mal konnte die Krebsdiagnose 
mit Sicherheit gestellt werden, besonders aus der bekannten Starrheit, kleinen 
Wucherungen, blutigem Schleim usw. 8mal gelang es, Krampf sicherzustellen; 
3mal war auf die klinische Diagnose Krebs hin bereits die Gastrostomie geplant; 
Antinervina genügten zur Heilung der Dysphagie. 

Bauch. Verdauungsapparat. 

Monprofit (Angers) teilt seine Operationsstatistik der Gastroenterostomie 
mit — im ganzen 240 Fälle; die letzten 142 wurden nach Roux (98 hintere, 
44 vordere) operiert, und seither die früheren Methoden verlassen. Um die wieder- 
holt beobachtete nachträgliche Verengerung des neuen Pylorus zu vermeiden, 
durchschneidet M. das Jejunum schräg, um den Ringmuskel teilweise auszuschalten. 
Die Erfolge sind derartig zufriedenstellend, daß sie zur allgemeinen Nachahmung 
der Roux’schen Methode auffordern. 


98+*% 


778 Zentralblatt ftir Chirurgie. Nr. 28. 


Diskussion. Roux (Lausanne): Bei einem Kranken, wo R. wegen vermeint- 
lichen inoperablen Karzinoms die Y-Anastomose angelegt hatte, wurde der Pylorus 
wieder durchgängig, und die jejunale Öffnung schloß sich vollkommen; dies sucht 
er zu verhindern durch Heranziehen einer möglichst breiten Darmschlinge oder 
seitliche Anlagerung mit langem Spalt. 

Gourdet (Nantes): Radikalkur des Nabelbruches durch transversale 
Naht. Die Spannung der Bauchmuskeln erschwert die Vernähung der angefrischten 
Nabelbruchpforte in der Längsrichtung außerordentlich; G. zieht deshall) die leichter 
ausführbare quere Naht vor. Sie bietet den Vorteil, daß man die Kranken früh- 
zeitig aufsetzen kann. 

Diskussion. Lucas-Championniere (Paris) wünscht die Dauererfolge 
kennen zu lernen, besonders da es sehr verschieden große Nabelbrüche gibt, die 
nicht so ohne weiteres vergleichbar sind. Er hält die Gewebespannung für erheb- 
licher bei Quernaht. 

Morestin (Paris) näht die Nabelbruchpforten und die Hautwunde seit meh- 
reren Jahren in querer Richtung — außer der Aponeurose. Die Spannung ist 
gering. 

Walther (Paris) hat wiederholt die tiefe Naht quer, die Fasciennaht ver- 
tikal angelegt. 

Lucas-Championniére: Die Resektion des Samenstranges als Akt 
der Radikaloperation der Leistenbriiche. Während er früher bei sehr großen 
Leistenbrüchen älterer Männer oder schweren Rezidiven anderer Chirurgen behufs 
festen Verschlusses der Bruchpforten die Hoden entfernte, hat er in acht Fällen 
der letzten Zeit mit bestem Erfolge nur den Samenstrang reseziert. Der Hode 
atrophiert dabei natürlich, behält aber noch ein gewisses Volumen, was sogar bei- 
fällig aufgenommen wird, wenn er vorher vergrößert war. 

Lejars (Paris): Eingeklemmte Lumbalhernie. Sie bestand bereits 
25 Jahre, hatte keinen eigenen Bruchsack, sondern bestand lediglich aus etwas 
Fett, Kolon und Mesokolon, das sich durch das Trigonum Petiti gedrängt hatte 
und zwischen Muskelfasern eingeklemmt war. 

Dujou (Moulins): Zirkuläre Darmnaht. Resektion von 20 cm Dünndarm, 
die nach Trauma innerhalb 24 Stunden brandig geworden waren. Das 8jährige 
Kind, um das es sich handelt, hatte auf seinen Leistenbruch einen heftigen Fuß- 
stoß erhalten. 2 Tage danach erfolgte die Resektion, die zur Heilung führte. 

Chavannaz (Bordeaux): Die tuberkulöse Appendicitis. Abgesehen von 
der gewöhnlichen Appendicitis, die auch den Tuberkulösen treffen kann, bestehen 
zwei ziemlich selbständige tuberkulöse Formen des Leidens: der Wurmfortsatz 
kann durchaus primär erkrankt sein und veranlaßt die Symptome einer gewöhn- 
lichen Appendicitis, und nur der mikroskopische Befund weist die Tuberkulose nach, 
oder es kommt zu langsam um sich greifenden Prozessen ohne stürmische Erschei- 
nungen. Beidemal ist die operative Behandlung von günstiger Prognose. 

Savariaud (Paris): Dauerresultate der Resektion des ileocoecalen 
Darmabschnittes wegen tuberkulöser Stenose. Die Stenose machte keine 
Darmverschlußerscheinungen; es bestand Blässe und Geschwulst. Die Resektion 
von 30 cm Darm mit Drüsen war mühsam; es bildete sich eine Kotfistel, die 
jedoch nach 9 Monaten geschlossen war. Pat. sah nach dieser Zeit blühend aus. 

Lapeyre (Tours): Die Appendikostomie als Behandlungsmethode gewisser 
Formen von Darmverschluß. Die in Amerika zuerst empfohlene Operation 
wurde von Segond nach Frankreich verpflanzt; sie wird mit Vorteil anstatt der 
Coecostomie angelegt, ebensowohl bei Verschluß durch Krebs wie durch Ver- 
wachsungen. 

Diskussion. Lejars (Paris) weist auf die Kürze mancher Wurmfortsätze 
und die oft durchaus unzureichende Weite ihrer Lichtung hin; hierdurch erfahre 
die Anwendung der Methode erhebliche Einschränkung. 

Pozzi (Paris: Operative Behandlung von Kotgeschwülsten. Die stein- 
harte Masse füllte die Flexur bis zum Nabel an, war wenig beweglich und ließ 
sich nur mittels Inzision der Darmwand auslösen. Nahtverschluß und Faltung der 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr.28 779 


erweiterten Schlinge. Der Kotballen wog 700 g; ein solches Vorkommnis diirfte 
selten zur Beobachtung kommen. 


Goullioud (Lyon): Die Lagerung des Colon pelvinum ins Becken 
und der postoperative Darmverschluß durch Verwachsungen. Zwei typische Fälle 
dieser Art, wo die ins Becken hinabgeglittenen Dünndarmschlingen anwuchsen 
und geknickt wurden, beweisen, wie wichtig es ist, nach beendigter Operation, 
besonders in Beckenhochlagerung, das Colon pelvinum ins Becken zurückzulegen 
und zu entfalten. Diese Vorsichtsmaßregel wiege die Überkleidung des Operations- 
feldes mit Bauchfell auf. 


Pasteau (Paris): Der durch Beckenhochlagerung verursachte Darm- 
verschluß. Der Verschluß wurde bedingt durch einen alten Strang, der vom 
Mesocolon transversum nach dem großen Netze verlief. Bei früher von anderer 
Seite veröffentlichten Fällen (Schauta, Kraske, Heidenhain) hatte Torsion 
der Darmschlingen stattgefunden. Darmverschluß kann nach Beckenhochlagerung 
auch dann erfolgen, wenn nicht im Bauche selbst operiert wurde. 

Diskussion. Depage (Brüssel) hat vier Fälle von postoperativem Ileus 
beobachtet, von denen zwei nach interner Behandlung ausheilten; er führt ihn 
zurück auf das Hochschieben des Colon transversum unter das Zwerchfell mittels 
der zur Isolierung eingeführten Kompressen. Nach abgeschlossener Operation 
breite man Netz und Kolon wieder aus, bringe die Kranken in horizontale Lage 
zurück vor Verschluß der Bauchwunde. | 

Ein anderes Mal trat Herzstillstand ein; D. führte 5 Minuten lang die trans- 
diaphragmatische Herzmassage (mit oder ohne Durchtrennung?) aus. Das Herz 
erholte sich; die Kranke erlag am folgenden Tage, wohl an Hirnödem. 

Le Dentu (Paris) hat durch Torsion des Dünndarmes eine Kranke verloren; 
er glaubt sich zu entsinnen, daß er nach Schließung der Bauchwunde erst zur hori- 
zontalen Lagerung zurückkehrte. 


Walther (Paris) kann keinen direkten Zusammenhang zwischen Ileus und 
Hochlagerung im Pasteau’schen Fall erkennen. Ihm ist noch kein Unfall nach 
Trendelenburg’scher Lage zur Beobachtung gelangt; doch schließt er stets in 
horizontaler Lage den Leib. 

Monprofit (Angers) führt einen Fall von Hautemphysem, das sich einige 
Tage nach der Operation entwickelte, auf die Naht in Hochlagerung zurück. 

Lardennois (Reims): Die Enterorektoanastomose mittels Knopfträger- 
zange. Der Kunstafter ist nach Möglichkeit zu umgehen; dies gelingt selbst für 
Hindernisse der Flexur durch Ileorektostomie. Die Operation ist freilich gefähr- 
lich und mühsam; doch gelingt sie mit Hilfe des Murphyknopfes, indem man 
zuerst in die orale Darmschlinge (Ileum oder Flexur) den weiblichen Teil einlegt, 
dann mit eigens konstruierter Zange den männlichen vom After aus an die zur 
Anastomose bestimmte Stelle vorschiebt. (Desguin, Savariaud, Pouchet und 
Vortr. bedienten sich der Methode mit Vorteil.) 


Pouchet (Amiens): Bemerkungen zur Behandlung der Dickdarmkarzi- 
nome (ausschließlich Mastdarm). Von den 19 Operationen am Dick- und 2 am 
Blinddarme waren 6 Resektionen mit End-zu-End-Vereinigung, 7 Anastomosen, 
6 Resektionen mit Anastomosen, 2 Ausschaltungen. 6 endeten tödlich. P. stellt 
folgende Sätze auf: Nicht komplizierte Krebse ohne bestehenden Verschluß sollen 
einzeitig, nach Verschluß der Darmlichtungen mit Anastomose operiert werden; 
keine zirkuläre Vereinigung! Die Beweglichkeit des Kolons wird erhöht durch 
Entspannungsschnitte im Peritoneum, die nachher entweder überdeckt oder 
drainiert werden müssen. Bei bestehendem Verschluß lege man Blinddarmafter 
an und führe die Resektion 3 Wochen später aus, nach der Technik von Hart - 
mann (zweizeitig mit 14tagiger Pause). Bei inoperablen Krebsen ohne Verschluß 
ist die leosigmoideo- oder Dleorektostomie, nicht aber die Ausschaltung angebracht. 


Pouchet (Amiens): Kolonkarzinom. Ihre Domäne sind die entzündlichen 
Geschwilste. Bei bestehendem! Verschluß rät P. zur Anastomose, und nur bei 
sehr schlechtem Zustande der Kranken zum Kunstafter. 


780 ~ Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 


Harn- und Geschlechtsorgane. 

Vidal (Arras): Die Nierenaushülsung bei Nephritis. Bisher hat V. in 
fünf Fällen sog. interner Nierenerkrankungen operiert; zweimal führte er bei 
miliaren Abszessen und posttyphöser akuter Nephritis — natürlich nach vergeb- 
licher medikamentöser Behandlung — mit Erfolg die Nephrotomie aus. Die gleiche 
Operation leistete nichts bei Granularniere; hingegen erwies sich hierbei die Aus- 
hülsung zweimal segensreich. Sie ist demnach sehr zu empfehlen, zumal sie sich 
doppelseitig ausführen läßt. 

Chénieux (Limoges): Cystotomia suprapubica zur Behandlung irrepo- 
nibler Blasenscheidenfisteln. Der kurzen Notiz ist nur zu entnehmen, daß 
nach einer Geburt die Scheide anscheinend verwachsen und von der Harnröhre 
nichts übrig geblieben war. C. legte dann die suprapubische Blasenfistel an und 
schloß mit zwei Lappen die Kloake unten. 

Begouin (Bordeaux): Behandlung der Blasen-Scheidenfisteln mittels 
Ablösung der Scheide. Früher ließ B. das Loch in der Blase ungenäht, was zu 
vollständiger Heilung führte; jetzt schließt er dieses zuerst mit Catgut und ver- 
näht die Scheidenlappen darüber; er hat gute Erfolge. 

Forgue (Montpellier): Behandlung hochgelegener Scheidenfisteln von der 
Bauchhöhle aus. In einem sehr ungünstigen Falle hochgelegener Blasen-Scheiden- 
fistel schlug F. den bereits von Dittel betretenen Weg ein. Nach Ablösung des 
Uterus in Beckenhochlagerung vernäht er die Blase, dann die Scheide. Leider 
blieb der Erfolg nur ein teilweiser, da die Pezzer’sche Sonde zu früh heraus- 
genommen wurde. 

Diskussion. Roux (Lausanne) läßt die Kranken 10 Tage vor der Operation 
Bauchlage einnehmen. In einem höchst ungünstigen Falle hat er in mehreren 
Etagen genäht und Heilung erzielt. 


Richelot (Paris): Die Notwendigkeit der Behebung der Retroversionen. 
Neben den zahlreichen Fällen, wo infolge von Pelviperitonitis und Salpingo-Oopho- 
ritis die Retroversio nur Symptom ist, existiert eine ganze Menge, wo bei Insuffi- 
zienz des Bandapparates die Lageveränderung des Uterus das wesentliche Übel 
darstellt, von dem aus die lebhaftesten Beschwerden ausgehen; R. bringt das 
Leiden in Zusammenhang mit neuroarthritischer Diathese, besonders bei Fett- 
leibigen. In den letzten 6 Jahren hat er 80mal hierbei die Ventrofixation nach 
Doléris — vermittels der Ligg. rotunda, die nach medianer Laparotomie zu 
beiden Seiten gerafft und fixiert werden — mit vorläufig 30 Heilungen ausgefiihrt. 
25 verlor R. aus den Augen, die übrigen sind neueren Datums. Die meisten 
Kranken finden sich wie umgewandelt. 

Diskussion. Monprofit (Angers) hat nach Versuchen mit allen anderen 
Operationsmethoden zur Fixierung des Uterus sich gleichfalls der Modifikation von 
Doléris zugewendet. 

Walther (Paris) sah öfters Rezidive bei ökonomischen Adnexoperationen, 
wenn er den Uterus nicht fixierte; seither näht er ihn im untersten Korpus- 
teile fest. 


Roussel (Reims): Totale Hysterektomie wegen Fibrom. Vervollstindigung 
der Mitteilungen vom XIV. und XVI. Kongreß. Von 1903—1905 hat er weitere 
39 Falle mit einem Todesfall operiert (wahrscheinlich Embolie am 13. Tage). Es 
sind jetzt zusammen 113 Hysterektomien mit drei Todesfällen (2,64%). 

Boursier (Bordeaux): Stieldrehung subseröser Uterusmyome. Die beiden 
referierten Fälle bieten nichts Besonderes; die Torsion war mehr zufälliger 

efund. 

Sorel (Dijon): Zwei Fälle von Stieldrehung von Ovarialcysten bei Schwan- 
gerschaft; Ovariotomie, Heilung, Fortdauer der Schwangerschaft; Geburt am nor- 
malen Ende; Festigkeit der Bauchwand. In der Überschrift ist alles enthalten 
außer der Hämatolpinx, die sich im zweiten Falle feststellen ließ. 

Diskussion. Morestin hat vier ähnliche Fälle beobachtet, von denen 
einer mit Abort tödlich verlief. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 781 


Bérard und Patel (Lyon): Die Entwicklung eines Ovarialkystoms in 
das Mesocolon pelvinum hinein. Die Beobachtung betrifft ein sehr seltenes 
Vorkommnis. Das Kolon lag der Geschwulst so fest auf, daß 20 cm reseziert 
werden mußten. Die Heilung verlief günstig. Die Ausschälung ohne Resektion 
hätte vermutlich Gangrän von 8—10 cm Kolon zur Folge gehabt. 


Barnsby (Tours): Vereitertes O varialdermoid mit spontanem Durchbruch 
in die Blase. Das Dermoid vereiterte infolge von Stieldrehung; 8 Wochen nachher 
kam die erschöpfte Pat. zur Operation, wobei sich nach Empyem des mit der Ge- 
schwulst verwachsenen Wurmfortsatzes Fibroma uteri und Hydrosalpinx vorfand. 
Innerhalb einer Stunde gelang es B., den erkrankten Komplex zu entfernen und 
die Blase zu nähen. Die Kranke genas dank des schnell vollführten Eingriffes. 


Lassabatie (Toulon): Therapie der Varikokele. Auf Grund eigener 
zahlreicher Beobachtungen empfiehlt L. vor allen anderen Operationen die früher 
übliche Venenunterbindung. 


Berthomier (Moulins: Uterus didelphys und große Blutcyste, vom 
Ovarium und dem äußeren Tubendrittel gebildet. Laparotomie. Heilung. Die Be- 
obachtung stellt einen ganz seltenen Fall dar; die beiden Uteruskörper stehen etwa 
12—15 cm voneinander ab, und sind — also völlig getrennt voneinander — seit- 
lich in die Scheide eingepflanzt. 

Fournier (Amiens): Darm-Scheidenfisteln. Die zwei Fälle boten große 
Schwierigkeiten durch ihren hohen Sitz und wurden, die eine abdominal, die andere 


vaginal, geschlossen. 
Gliedmaßen. 


Princeteau (Bordeaux): Neue Operationsmethode der angeborenen Syn- 
daktylie. In fiinf Fallen von Syndaktylie (drei angeboren, zwei durch Verbren- 
nung entstanden) hat sich P. mit Erfolg seines eigenen — gemischt autoplastischen — 
Verfahrens bedient. Zur Deckung der interdigitalen Wundflichen bedient er sich 
nach Didot der Fingerhautlappen, den Methoden von Zeller und Félizet ent- 
lehnt er die kommissuralen Lappen. 

Caillaud (Monaco): Neuer Apparat fiir Gelenkentziindungen besonders 
tuberkulöser Natur. Er besteht aus zwei seitlichen Schienen, die in sich wieder 
der Länge nach dreigeteilt sind; proximale und distale Enden bestehen aus model- 
lierten Zinkschienen, das Mittelstück aus gelenkigem, breiten Bandeisen; das Ge- 
lenk ist nur in einem Sinne beweglich und mit Zähnen und federnder Arretierung 
versehen. 

Frölich (Nancy): Einseitige Spontanheilung der angeborenen Hüftgelenk- 
verrenkung bei doppelseitiger Affektion. Kommen einerseits Fälle von angebo- 
rener Hüftgelenkverrenkung einer Seite vor, wo sich im Verlaufe der Behandlung 
— sei es infolge von Prädisposition, sei es infolge von Arthritis deformans infant. — 
eine Ausrenkung der bisher gesunden Seite einstellt, so konnte»F. zweimal um- 
gekehrt beobachten, wie die forcierte Abduktionsstellung der behandelten Seite 
bei doppelseitiger Verrenkung zuerst eine starke Adduktion der anderen Gliedmaße 
und dann Einrenkung herbeiführte. 

Diskussion. Redard (Paris) meint, daß die zahlreichen Modifikationen in 
der Technik der unblutigen Einrichtung angeborener Hüftverrenkungen einer kri- 
tischen Sichtung bedürfen. Die Hauptsache bleibe: ausgiebige Mobilisierung des 
Oberschenkelkopfes und Dehnung des fixierenden Kapsel- und Bandapparates. 
Vielfach dürfte sich auch die Dauer der Immobilisierung im Verband abkürzen 
lassen. 

Calot (Berck-sur-mer): Leichte und sichere ÖOperationstechnik der blutigen 
Einrenkung irreponibler Hüftverrenkungen. Die Methode besteht in Vermeidung 
braiter Freilegung des Gelenkes, bzw. der Exzision verkürzter Bänder; statt dessen 
legt C. eine »Boutonniöre« von 2 cm Länge an, führt in die Kapsel selbst einen 
eigens konstruierten Dilatator, der das Bett für den Kopf genügend erweitert; die 
bisher dreimal ausgeführte Operation hatte Erfolg. — Ferner stellt ©. 15 Kinder 
vor, deren angeborens Verrenkung er durch unblutige Einrenkung geheilt hat; 


182 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 


darunter ein Kindchen von 13 Monaten, beiderseits eingerenkt, noch ehe es ge- 
laufen hat. Sämtliche vorgestellten Kinder zeigen normalen Gang. 

Gourdon (Bordeaux): Modifikation der unblutigen Einrenkung der angebo- 
renen Hüftverrenkung bei älteren Kindern. Bei Kindern über 9 Jahren sind die 
Erfolge der Einrenkung oft beeinträchtigt durch Steifheit des Gelenkes und un- 
günstige Haltung des Beckens wegen Abflachung des Gelenkkopfes. G. läßt des- 
halb den festen Verband nur 21/s Monate liegen, um ihn durch einen abnehmbaren 
zu ersetzen, der zweimal täglich aktiv-passive Bewegungsübungen gestattet. Erst 
8 Monate nachher beginnt er mit der Belastung des Beines und Gehversuchen. 

Ducroquet (Paris): Hauptgesichtspunkte für die Prothesen der Beine. 
D. stellt die Apparate aus Zelluloid her, wodurch sie um 2/3 leichter werden als 
andere. Der Stützpunkt muß immer auf horizontaler oder konisch verlaufender 
Knochenfläche gesucht werden, vorausgesetzt, daß die aufwärts gerichtete Basis 
breit ist. Die Beweglichkeit des Fußes wird zu einer ausgiebigen und glatten 
gestaltet durch Gummipolster. 

Mencidre (Reims): Beitrag zur Kenntnis der orthopädischen Opera- 
tionen der verschiedenen Deformitäten paralytischen Ursprunges. 
Bei unveränderlich gewordenen Gestaltveränderungen nützen Elektro- oder Mechano- 
therapie nichts mehr, und sie kommen als Behandlungsweise erst in Frage, wenn 
die operative Korrektur stattgefunden hat. M. führt dann eine ganze Reihe neuer 
Operationen auf, die er wegen fehlerhafter Stellungen ausgeführt hat: so die supra- 
epikondyläre Osteotomie des Humerus zur Korrektur der Innenrotation, Osteo- 
tomie des Radius, Arthrodese durch künstliche Entzündung mit Karbolsäure, ver- 
schiedene Sehnen- und Muskelaufpfropfungen und Verlagerungen, sowie Knochen- 
modellierung durch Aushöhlung. 

Demonstration von Apparaten. 

Gourdet (Nantes): 1) Azetylenlampe. 2) Spekulum mit Konusansatz. 3) Ohr- 
trichter, der sich durch sein Eigengewicht in der Lage erhält. 4) Apparat zur 
Eröffnung des hinteren Scheidengewölbes. 5) Bettpfanne mit seitlichem Abfluß 
und Sicherung gegen Knickung. 6) Mundspekulum, das hinter den Molaren aufsitzt. 

Dujon (Moulins): Demonstration eines Apparates für Pes varus. Er besteht 
aus zwei Aluminiumplatten mit Verstärkungen an den Flächen, welche der Tibia 
und dem inneren Fußrand anliegen; beide sind rechtwinklig durch ein Winkel- 
eisen verbunden, derart, daß sie um dessen Schenkel drehbar sind. Der Apparat 
wird vor dem Redressement angelegt, mit Binden fixiert und folgt den redressie- 
renden Bewegungen, worauf er durch Schrauben festgestellt wird. 

Guyot (Bordeaux) zeigt einen Kühlapparat für den Leib, wie sie zum An- 
schluß an die Wasserleitung schon längst üblich sind. 

Alixisatos (Athen) zeigt Photographien seines Tisches zum langsamen Re- 
dressieren der Pott’schen Kyphose. 

Monprofét’(Angers) zeigt eine Maske, welche das Chloroform tropfenweise 
zu geben gestattet. 

Für den Kongreß 1%6 (unter dem Vorsitze von Monprofit) werden fol- 
gende Themata auf die Tagesordnung gesetzt: 

1) Ohirurgie der großen Venenstämme (Lejars; Morestin). 

2) Therapie und Komplikationen der Hodenektopie (Souligoux; 
Vollard). 

3) Methoden der Thoraxeröffnung (Willems; Loison). 

Christel (Metz). 


14) Freie Vereinigung der Chirurgen Berlins. 
155. Sitzung am 14. Mai 1906. 
Vorsitzender: Herr Rotter. 


Herr Eschenbach: Uretersteine. | 
E. demonstriert zwei abnorm große Harnleitersteine. Der erste, über pflaumen- 
groß, lag zur Hälfte in der Harnleitermündung, zur Hälfte in der Blase einer 





Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 783 


jährigen Frau. Er wurde durch Sectio alta entfernt ohne Spaltung des Harn- 
leiters. Heilung nach 5 Wochen. Der zweite Stein, von der Größe eines kleinen 
Hühnereies, wurde bei einer 40jährigen Pat. durch Laparotomie entfernt; die un- 
teren 2/3 des Harnleiters stellten eine armdicke, fluktuierende Geschwulst dar, die 
dazu gehörige Niere war völlig atrophisch. Es gelang schwer, den Stein zu ent- 
fernen; Harnleiternaht; Exstirpation der atrophischen Niere. Glatte primäre Hei- 
lung. 

Herr Dirk: Ulcus ventriculi perforatum. l 

Bei dem 27jährigen kräftigen Manne erfolgte die Perforation ohne vorauf- 
gegangene Symptome; nur 4 Wochen vorher hatte er einige Tage an Magenver- 
stimmung (Appetitlosigkeit, Aufstoßen ohne Erbrechen, ohne Druckschmerz) 
gelitten. Es fand sich, 12 Stunden nach der Perforation, in der Nähe der kleinen 
Kurvatur, 3 Querfinger vom Pylorus entfernt, eine 5markstückgroße Infiltration 
der vorderen Magenwand, in der Mitte dieser eine 2stecknadelkopfgroße Perfora- 
tion und im Bauchraum 1 Liter schleimig-eitriger Flüssigkeit mit Fettaugen. Uber- 
nähung der Perforation, Austupfung der Bauchhöhle. Im weiteren Verlaufe kam 
es noch zur Bildung eines Abszesses rechts vom Nabel und eines im Douglas; letz- 
terer wurde vom Mastdarm aus entleert und zur Heilung gebracht. Pat. ist jetzt, 
4 Wochen nach der Operation, wohl, fieberfrei, die Bauchschnitte granulieren nor- 
mal. Demonstration. 

Derselbe. Traumatische Choledochusruptur. 

Der 17jährige Pat. wurde zwischen Puffern von Güterwagen leicht gequetscht, 
wonach er über wehes Gefühl im ganzen Leib ohne Übelkeit und Erbrechen klagte. 
Objektiv bestand beim Fehlen äußerer Verletzung leichte Druckempfindlichkeit des 
Leibes, keine Bauchdeckenspannung, Puls 88, Temperatur abends 38,0°. Nach 
8 Tagen kam es zu hochgradigem Ikterus. Dieser blaßte nach 10 Tagen fast voll- 
ständig ab unter gleichzeitiger Flüssigkeitsansammlung im Bauch. Die Punktion 
ergab rein gallige Flüssigkeit, von der wegen Druckerscheinungen 7 Liter abge- 
lassen wurden; die Punktion mußte 5mal wiederholt werden in Zeiträumen von 
4-6 Tagen; eine Operation war von vornherein abgelehnt worden. Außer Druck- 
erscheinungen bestanden wenig Beschwerden, die Temperatur war normal; der 
Stuhl blieb acholisch. Offenbar wurde sämtliche Galle in die Bauchhöhle aus einem 
der großen Gallengänge ergossen. Laparotomie 5 Wochen nach der Verletzung. 
Es fand sich ein Gallenerguß im gesamten Bauchraum und in der Bursa omentalis, 
die miteinander durch einen Riß im kleinen Netz und durch das Foramen Wins- 
lowii kommunizierten. Die Gallenblase war leer. Die Perforationsöffnung konnte 
nicht aufgefunden werden, sie wurde wegen des Ergusses in die Bursa omentalis 
an der hinteren Seite der großen Gallengänge vermutet. Die Bursa omentalis 
wurde drainiert und die Bauchhöhle wie bei der Cholecystektomie tamponiert. Pat. 
überstand die Operation gut; die Wundhöhle verkleinerte sich in normaler Weise; 
zurzeit — 3 Wochen nach der Operation — fließt noch sämtliche Galle nach 
außen ab. Vorstellung. 

Derselbe: Zur Kahn’schen Tubage. 

Herr D. berichtet über sieben größere Operationen am Kopfe, die unter An- 
wendung der Kuhn'schen Intubationsnarkose ausgeführt wurden, 3mal wegen 
Oberkieferkarzinoms, 2mal wegen Zungenkarzinoms, imal wegen Karzinoms, aus- 
gehend von einer Kiemengangceyste, und imal wegen Wolfsrachens. Nach Schil- 
derung der Technik werden als besondere Vorzüge des Verfahrens hervorgehoben: 
1) daß der Operateur unabhängig vom Narkotiseur und von ihm in keiner Weise 
behindert ist und 2) daß die Operation speziell hinsichtlich der Blutstillung sich 
viel einfacher gestaltet durch die Tamponade des Rachens. Die Narkose ist in 
vollkommenster Weise dosierbar und kontinuierlich in beliebiger Tiefe zu halten; 
Chloroform wie Ather werden gleich gut vertragen. Schädlichkeiten für den Pat. 
wurden in keinem Falle beobachtet. 

Herr Rotter: Zwei Fälle von traumatischem Aneurysma. 

R. berichtet über zwei von ihm operierte Fälle traumatischen Aneurysmas, die 
auf eigenartige Weise entstanden waren, der erste ein Aneurysma art. subclaviae 


784 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 


sin. intraclaviculare durch Hufschlag gegen die Schulter, der zweite, ein Aneurysma 
art. prof. femoris sin., durch starke Zerrung in der linken Hüfte, wobei ein Reit- 
knochen im Musc. adductor magnus die Arterie durchschnitten hat. In beiden 
Fällen entwickelte sich unter Schmerzen eine langsam zunehmende Schwellung, die 
schließlich pulsierte und Schwirren zeigte; im ersten Falle waren frühzeitig Läh- 
mungserscheinungen aufgetreten, die fortschreitend zur vollkommenen Lähmung 
des Armes sich ausbildeten. Hier war die Diagnose die ersten 4 Wochen irrtüm- 
lich duf Schultergelenk- und Nervenverletzung gestellt worden, und in dieser Zeit 
haben sich schwere trophische Störungen und eine Versteifung des Armes ausge- 
bildet, die nach erfolgreicher Operation nicht mehr zu beseitigen waren. Die 
Operation wurde beidemal unter provisorischer Unterbindung des zentral gelegenen 
Arterienstammes, der Art. subclavia supraclavic. bzw. der Art. iliaca, ausgeführt; 
die Schenkelgefäße, die vor dem Aneurysma femor. lagen, wurden unter Unter- 
bindung aller Seitenäste 10 cm abwärts von der Ligatur verschiebbar gemacht. 
Darauf ließ sich beidemal der Blutsack ausräumen ohne Blutung bis zur Freilegung 
des peripheren Gefäßendes. Hier stand die Blutung nach Unterbindung der Art. 
brachialis und mehrerer Seiteniste bzw. der Art. profunda femoris. Im ersten 
Falle Tamponade der großen Wundhöhle und glatte Heilung; im zweiten Falle 
Naht und Einlegung eines Drains; bei dem letzteren erfolgte am 4. Tage beim 
Unterschieben einer Bettschüssel eine Nachblutung aus dem zentralen Stumpfe, die 
durch doppelte Unterbindung der Art. iliaca über dem Lig. Pouparti gestillt wurde; 
danach Fieber bis 40,0°, Puls 124, Nekrose des Fußes bis zu den Knöcheln und 
4 Tage später Tod an Endocarditis ulcerosa. Von der Art. subclavia waren 4 cm 
des Gefäßes mit den Stümpfen zweier Seitenäste exzidiert worden, sie hatte an 
der vorderen und hinteren Wand ein 1 cm langes, 1/s cm breites Loch, während 
die Kontinuität der oberen und unteren Wand erhalten war; an der Art. profunda 
femoris war die Hälfte der Wand von dem Reitknochen durchschnitten. 

Herr Rotter: Zur Frage der 48 Stunden-Operation bei Perityph- 
litis. 

Die Resultate der 48 Stunden-Operation haben sich seit der letzten Publikation 
R.'s vor 5/4 Jahren erfreulich gebessert, so daß er bei 120 Operierten 0% Morta- 
lität aufweisen kann. R. berechnet jetzt den Beginn der Erkrankung nicht mehr 
vom Auftreten heftiger Schmerzen, Fieber u. dgl., sondern datiert sie von den 
ersten Anzeichen der Erkrankung, wie leichtem gestörtem Allgemeinbefinden, ge- 
ringen Leibschmerzen, Veränderung der Stimmung (besonders bei Kindern). Wenn 
man diese Prodromalsymptome als den Beginn des Leidens annimmt, erzielt man 
mit der 48 Stunden-Operation ideale Resultate. 

Herr Petermann: Über Mastdarmkrebs. 

In den letzten 13 Jahren wurden in Rotter’s Abteilung 110 Fälle von Mast- 
darmkrebs (70% aller beobachteten) radikal operiert; P. bespricht die 85 Fälle ein- 
facher Mastdarmresektion resp. -Amputation. Es sind zwei Gruppen; bis 1903 
wurde nach verschiedenen Methoden (sakral, cocoygeal, vaginal, nach Levy- 
Schlange) operiert — 26 Resektionen, 17 Amputationen; seit 1903 operiert R. 
nach feststehendem Typus, nämlich coccygeal — 19 Resektionen, 23 Amputationen. 
Kontraindikationen sind: ausgedehnte Verwachsungen mit Blase, Kreuzbein, Ver- 
breitung im Beckenbindegewebe, innere Metastasen, schwere Allgemeinleiden. Nur 
bei Ileus (4) wird die präliminare Kolostomie gemacht. Am 2. und 3. Tage vor 
der Operation wird griindlich abgefiihrt, am Tage vorher der Darm ruhig gestellt. 
Der Sphinkterapparat wird möglichst erhalten. In rechter Seitenlage wird das 
Steißbein reseziert (bei Resektionen mit Erhaltung seiner Spitze und der Muskel- 
ansätze), dann der Mastdarmstumpf von Scheide resp. Samenblasen und Prostata 
gelöst; stumpfe Umgehung, dann Durchschneidung der seitlichen Befestigungs- 
bänder (je 2—3 Ligaturen), quere Spaltung der Fascia praesacralis, Eröffnung des 
Bauchfells vorn median und Abtrennung dicht am Darm. Eingehen mit der Hand 
in die Bauchhöhle, Anziehen des Colon pelvinum, Unterbindung des Mesocolon 
pelv. und Mobilisieren des Darmes nach Bedarf. Peritonealnaht. Die Eröffnung 
des Bauchfells ist nötig zur gründlichen Resektion der Neubildung und Revision 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 185 


und Exstirpation der Drüsen (2mal mußten wegen hoch hinauf erkrankter Drüsen 
70 cm Darm amputiert werden). Bei Amputatio recti wird ein Anus glutaealis 
subcutaneus angelegt, womit Verunreinigung der Wunde durch Kot und Darm- 
vorfall vermieden wird. Nach der Resektion wurde bei genügender Länge und 
Ernährung des zentralen Endes ilmal die Durchziehungs-, 4mal die Invaginations- 
methode angewendet. Sonst wird die primäre zirkuläre Naht (mit Rotter’schem 
Leppen) gemacht oder bei mangelhafter Ernährung des Darmes oder schlechtem 
Zustande des Pat. zunächst ein Anus sacralis angelegt, nach 2—3 Wochen die Se- 
kundärnaht ausgeführt. Die Tamponade wird schon am 2. oder 3. Tage vollständig 
gewechselt. Nach Anderung der Operationstechnik ist die Mortalität im Anschluß 
an die Operation von 32% auf 4%/,% gesunken; auch dem Gebrauche der Gummi- 
handschuhe und der besseren Nachbehandlung wird ein günstiger Einfluß zuge- 
schrieben. Wundinfektionen bedingten vorher 10mal (7mal Sepsis, 3mal Peritonitis) 
einen tödlichen Ausgang, jetzt nur noch Imal (Erysipel). Die funktionellen Resul- 
tate der Resektionen waren folgende: Die Kontinuität wurde unter 35 Fällen primär 
hergestellt 13mal (bei der Durchziehungsmethode 3mal von 8, bei der Invagination 
2mal von 2, bei primärer Naht a. ohne Lappen imal von 6, b. mit Lappen 7mal 
von 8 Fallen). In 13 Fällen wurde sekundäre Vereinigung durch zirkuläre Naht 
mit Lappen erzielt. In 9 Fällen konnte aus verschiedenen Gründen kein Versuch 
der Plastik gemacht werden. 22 Pat. haben volle Kontinenz, 2 sind erst kürzlich 
operiert, 1 hat keine (Schädigung des Sphinkter bei Nachoperation), 1 relative 
Kontinenz (Durchschneidung des Sphinkter). Die Dauerresultate sind bei den 
Fällen Gruppe I (3 Jahre nach der Operation) so, daß von sämtlichen 43 ope- 
rierten 12 = 27,9% rezidivfrei sind; nach Abzug der 14 Todesfälle im Anschluß 
an die Operation sind es 40,3%. 


Herr Rotter: Über die kombinierte Methode zur Entfernung von 
Kolon- resp. Mastdarmkrebsen. 

R.’s Erfahrungen erstrecken sich auf Operationen bei 19 Männern, 6 Frauen. 
Bei einer Gruppe (7 männlich, 2 weiblich) war die Operation vom coccygealen Zu- 
gange begonnen worden; unüberwindliche Schwierigkeiten (hoch hinaufreichende 
Drüsen bmal, Verwachsung mit Dünndarm imal, Unmöglichkeit, die Peritoneal- 
Umschlagsfalte zu eröffnen 3mal) veranlaßten, sie abdominal zu beendigen. Bei 
der zweiten Gruppe (12 männlich, 4 weiblich) war die Operation von vornherein 
abdominal begonnen und coccygeal zu Ende geführt worden wegen hohen Sitzes 
der Geschwulst im oberen Colon pelv. oder unteren S romanum, bzw. wegen Ver- 
wachsung mit den Genitalien. Die Operation wird typisch abdomino-coccygeal 
ausgeführt (nie mehr vaginal oder sakral): medianer Bauchschnitt, wenn nötig mit 
Einkerbung oder Durchschneidung der Recti; das Peritoneum des Mesenterium, 
des Sromanum und Colon pelv. wird zu beiden Seiten und im Douglas quer mit 
langem Messer durchtrennt; 2—3 Ligaturen um die Mesenterialgefäße, die unterste 
um die Art. haem. sup. Von da stumpfe Auslösung des Darmes vorn wie hinten 
bis zum Levator ani; auch die seitlichen Aufhängebänder werden stumpf ohne 
nennenswerte Blutung durchrissen. R. verwirft die präliminare Unterbindung der 
Artt. hypogastricae. Die von Kraske zu Beginn der Operation angewandte 
Durchschneidung und blinde Verschließung des S romanum hält R. für überflüssig 
und die Asepsis gefährdend.. Er erhält die Kontinuität des Darmes bis zum 
Schluß. Naht des Bauchschnittes. Es folgt der zweite Akt: nach Resektion des 
Os coccygis kann die bis zum Levator gelöste Darmschlinge ohne weitere Aus- 
lösung herausgezogen werden; Naht des Douglas-Peritoneums und Resektion des 
erkrankten Darmabschnittes. Pat. braucht nur lmal umgelagert zu werden, bei 
coccygo-abdominaler Operation dagegen 2mal. Kompliziert war die Operation 
2mal durch Exstirpation der Gebärmutter mit Adnexen, 2mal durch Resektion von 
Dünndarmschlingen, 5mal durch Lösung von Verwachsungen mit der Blase, imal 
durch Blasenresektion, 2mal durch Einreißen des Darmes im Karzinom, 2mal beim 
Ablösen von der Prostata, 2mal durch Eröffnung von Abszessen, 2mal durch Un- 
möglichkeit, den Peritonealdefekt zu schließen. Die Darmversorgung erfolgte 14mal 
durch Anus praeternat. coccygealis, um die Operation schnell zu endigen oder 


186 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 


wegen ungenügender Ernährung des oberen Darmendes; 11mal wurde primär ver- 
einigt. Von 12 für die Frage der Kontinenz in Betracht kommenden Fällen sind 
10 mit Kontinenz geheilt, 2 stehen noch in Behandlung. Die Operationsmortalität 
betrug 44% (11:25), unter 60 Jahren 33%, über 60 Jahre = 71x (2mal Kollaps, 
7mal Infektion, 1mal Ileus, imal Pneumonie). Die Infektionen wurden wesentlich 
vermindert durch den Gebrauch von Gummihandschuhen. Die Tamponade wird 
am 3., selbst am 2. Tage entfernt, um das Verhalten des eventuell absterbenden 
Darmendes zu beobachten. Die Operation erfordert große Ubung und soll mög- 
lichst typisch ausgeführt werden. Bei den Frauen war die Mortalität sehr hoch = 
50%, weil besonders komplizierte Verhältnisse vorlagen. Von 15 durchgekommenen 
Operierten sind bisher 11 geheilt, 3 über 3 Jahre, 8 unter 3 Jahren; 3 haben 
Rezidiv, bzw. Metastasen, 1 ist interkurrent gestorben. 
Bichard Wolff (Berlin). 


15) Torek. Resection of a large portion of the chest wall for sarcoma. 
(Post-graduate 1906. April. p. 336.) 


Bericht über operative Entfernung eines Sarkomrezidivs der Brustwand und 
Lunge bei einem 29jähigen Mädchen. Beginn des Leidens vor 5 Jahren, erster 
Eingriff vor 3, zweiter vor 2 Jahren. Die Geschwulst hat, von außen betrachtet, 
eine Ausdehnung von 30 zu 21 cm; die Lunge war nachweislich mit erkrankt, der 
Eingriff wurde nur der unerträglichen Schmerzen wegen gewagt. Die linke Brust- 
wand wurde ringsum im Gesunden durchtrennt und dabei die vordere Partie der 
4. bis 7. Rippe sowie die ganze anliegende Lungenpartie mit entfernt, so daß das 
Herz im unversehrten Herzbeutel frei zutage lag. Schluß der großen Wunde durch 
Lappenverschiebung und Naht, Drainage durch Gazestreifen. Der Eingriff wurde 
in allgemeiner Narkose ohne besondere Maßnahmen ausgeführt und dabei die 
merkwürdige Beobachtung gemacht, daß die Atmung trotz der weiten Eröffnung 
der Brusthöhle gar keine Anderung erlitt; sie blieb auch bis zu dem nach 
24 Stunden am Chok erfolgenden Tode der Pat. ganz normal, die Zahl der Respira- 
tionen pro Minute betrug 18 bis 20. 


Die sarkomatöse Natur der Geschwulst wurde durch histologische Unter- 
suchung erwiesen. W. v. Brunn (Rostock). 


16) N. 8. Pereschiwkin. Uber Peripleuritis. 
(Russki Wratsch 1906. Nr. 1.) 


In Prof. Fedorow's Klinik kamen in diesem Jahre drei Fälle von Peri- 
pleuritis zur Operation, von denen der eine Licht in die Pathogenese des Leidens 
bringt. Es handelte sich um einen 21jährigen Soldaten mit Affektion der linken 
Spitze und einer Anschwellung links zwischen der 6. und 7. Rippe in der Mammillar- 
linie. Man dachte zuerst an Rippencaries, dann an Gumma, als aber Jodkali keine 
Besserung brachte und Fluktuation auftrat, wurde inzidiert und 200,0 blutiger Zer- 
fallsmassen wie bei Sarkom entfernt. Nun schritt man zu Exzision des vermeint- 
lichen Sarkoms, resezierte Stücke aus der 6.—8. Rippe und fand darunter mehrere 
zerfallene Lymphdrüsen, sowie zwei, die der Pleura auflagen. Das Stück Pleura 
mit diesen zwei Drüsen wurde exzidiert, dabei — bei Lungenverwachsung — an 
einer Stelle der freie Pleuraraum eröffnet, aber gleich wieder vernäht. Ein Probe- 
schnitt durch die Drüsen zeigte Vereiterung und ließ die Diagnose: Sarkom fallen. 
Pat. genas nach 1 Monate (wie auch die beiden anderen). Die mikroskopische 
Untersuchung zeigte epitheloide und Riesenzellen in den entfernten Drüsen — 
also Tuberkulose der tiefen peripleuralen Drüsen. In der Vereiterung dieser letz- 
teren und in der Ausbreitung des Prozesses per continuitatem in das umgebende 
Gewebe sieht nun P. die Ursache der Peripleuritis. 

E. Gückel (Romanowka, Saratow). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 187 


17) H. Rieder (München). Ein Beitrag zur klinischen Diagnose der 
Lungenabszesse. 
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 17.) 

R. berichtet über zwei Fälle von metapneumonischem bezw. idiopatischem 
Lungenabszeß, in denen mit Hilfe der Röntgenstrahlen die Diagnose leicht und 
sicher gestellt werden konnte, obwohl elastische Fasern und Gewebsfetzen im Aus- 
wurfe fehlten. Der Abszeß war umgeben von einer ziemlich breiten Bindegewebs- 
kapsel (s. Abbildungen im Original). Kramer (Glogau). 


18) Schmidt. Kardiolyse bei adhäsiver Mediastinoperikarditis. 
(Deutsche med. Wochenschrift 1905. Nr. 46.) 

24jähriger Pat., der vor 6 Jahren schwere Rippen- und Brustfellentzündung 
durchgemacht hatte, wurde wegen starker Atemnot und allgemeiner Odeme auf- 
genommen. Es bestanden alle Zeichen von Mediastinoperikarditis. Resektion der 
4. und 5. Rippe vom Sternalrande bis zur Gegend der vorderen Axillarlinie. Lö- 
sung der Schwarten. Heilung. Pat. wurde vollkommen beschwerdefrei und ar- 
beitet sogar wieder Nachtschichten. Borchard (Posen). 


19) Niemier. Plaie du ventricule droit par coup de coutean. Mort. 
(Arch. de méd. et de pharm. militaires 1906. März.) 

Messerstich in selbstmörderischer Absicht in den linken vierten Rippenzwischen- 
raum. Da der Puls fadenförmig und der Kranke sehr kollabiert war, wurde das 
Herz durch Türflügelschnitt freigelegt und die 1 cm lange Wunde des rechten 
Ventrikels genäht, worauf die aus dem Herzfleisch ständig sickernde Blutung stand. 
Der Herzbeutel wurde bis auf eine Öffnung im unteren Wundwinkel genäht, 
ebenso führte N. im unteren Wundwinkel der äußeren Wunde ein Drain ein. Der 
Pulsschlag hob sich und wurde regelmäßig; trotzdem erlag der Kranke in der 
Nacht einer Bronchopneumonie. N. erwähnt, daß die Pupillen, in dem Augenblick 
als das Herz zur Naht ergriffen wurde, sich völlig erweiterten, daß sich das Ge- 
sicht mit kaltem Schweiß bedeckte und die Respiration sehr unregelmäßig wurde. 
Diese Erscheinungen schwanden nach Beendigung der Naht. 

Herhold (Altona). 


20) E. G. Tschernjächowski. Ein Fall von Herznaht. 
(Chirurgie 1905. [Russisch.)) 

Ein 14jähriger Schlosser stieß sich in selbstmörderischer Absicht ein Messer 
links in die Brust und wurde in elendem Zustande ins Spital gebracht. 

Die 21/;-3 cm lange Wunde lag im 4. Interkostalraum, etwas einwärts von 
der Mammilla, und blutete nicht. Es konnte nur ein Hämopneumothorax diagnosti- 
ziert werden; an eine Herzverletzung wurde anscheinend nicht gedacht. Nach Er- 
weiterung der Wunde fand sich eine Verletzung des Perikard. Nun wurde der 
4. Rippenknorpel und ein Stück des Sternum entfernt. Die 11/2 cm lange Herz- 
wunde lag vorn seitlich am linken Ventrikel, ca. 5 cm oberhalb der Spitze. Ob 
die stark blutende Wunde die Ventrikelwand durchsetzte, wurde absichtlich nicht 
untersucht. Die Herzaktion war beschleunigt und sehr unregelmäßig. Die Wunde 
wurde mit drei Nähten (Stiche während der Systole, Knüpfung während der 
Disstole) dünner Seide verschlossen. Jodoformgazestreifen ins Perikard. Mikulicz 
oberflächlich in die Pleurahöhle. 

Pat. wurde nach 44 Tagen geheilt entlassen. V. E. Mertens (Breslaun). 


21) Biondi. Sulla ferite da otrappamento dei genitali maschili. 
(Società tra i cultori delle scienze mediche e naturali di Cagliari. Sedusa del 
19 marzo 1906.) 

(Gazz. degli ospedali e delle clin. 1906. Nr. 57.) 
Bei Gelegenheit eines forensischen Falles, in dem einem 64 Jahre alten Manne 
von einem kräftigen jungen Mädchen der Penis abgerissen worden war, suchte 


188 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 


Verf. dynamometrisch an der Leiche die Kraft festzustellen, welche hierzu erfor- 
derlich ist. Es zeigte sich, daß 125-140 kgm, und bei jungen Leuten sogar 
160 kgm nötig waren, daß dagegen nach Einspritzung einer physiologischen Koch- 
salzlösung in die Corpora cavernosa und dadurch bewirkter Erektionsstellung schon 
45—60 kgm genügten, so daß eine Erektion sich als Notwendigkeit aus diesen 
Versuchen für jenes Trauma am Lebenden ergibt. Dreyer (Köln). 


22) Guth. Luxation complete du penis dans la bourse gauche. In- 
fection urineuse. Guérison. 
(Arch. de méd. et des pharm. militaires 1906. Mirz.) 


Es handelt sich um den gewiß sehr seltenen Fall des traumatischen Ausreißens 
des Gliedes aus seiner präputialen und ventralen Haut und Einlagern in die linke 
Hodensackhälfte, so daß der Penis subkutan über dem Hoden als Geschwulst zu 
fühlen war. Es bestand eine Urininfiltration in der Umgebung des Hodensackes; 
der Verletzte war im Zustande des Choks. Ein Zurückschieben des Gliedes gelang 
nicht; es wurden zunächst Schnitte zur Freilegung der Harnröhre und zum Be- 
heben der Urininfiltration gemacht und später das Glied an seine richtige Stelle 
gebracht und dort vernäht. Der Kranke wurde geheilt. Hervorgerufen war diese 
seltene Luxation durch mehrere Fußtritte gegen die untere Bauchgegend während 
eines Streites; Verf. glaubt, daß sich der Penis während dieses Traumas im Zu- 
stande einer leichten Erektion befunden habe, und daß hierdurch die Verschiebung 
leichter eingetreten sei. Herhoid (Altona). 


23) Tédenat. Des retr&cissements de l’ur&tre posterieur. 
(Province méd. 1906. Nr. 9.) 


T. fand mehrfach bei der Urethrotomia externa in der Urethra membranacea 
wegen sehr enger Striktur der hinteren Harnröhre, daß die Urethra prostatica 
rigide, verengt, bucklig, geknickt war; diese Veränderungen kommen durch chro- 
nische Prostatitis mit Sklerose und Atrophie des Organes zustande. Derartige 
Strikturen werden durch die Dilatationsbehandlung gewöhnlich nicht günstig beein- 
flußt, da das Bougie Krämpfe und entzündliche Schübe in der Prostata verursacht. 
T. erweitert von dem in der Pars membranacea gelegenen Einschnitt in die Harn- 
röhre aus die Striktur der Pars prostatica; bei nicht zu schweren Veränderungen 
in der Harnröhre und sonst gesunden oder nur leicht erkrankten Harnwegen 
schließt er die Harnröhrenwunde sofort, sonst für einige Tage Verweilkatheter, 
welcher vom Damm aus eingeführt wird. 

Traumatische Verengerungen der hinteren Harnröhre sind relativ selten. Unter 
60 derartigen, operativ behandelten Fällen fand T. stets die Verletzungsstelle im 
Perinealteile der vorderen Harnrébre. Nur in vier Fällen wurde die Pars mem- 
branacea bei der Urethrotomia externa verletzt befunden, und zwar bei Kranken, 
bei welchen es zu einer vorübergehenden Diastase der Symphyse gekommen war; 
ein Beckenbruch war nicht vorhanden. Die Harnröhrenblutung ist in solchen 
Fällen oft sehr geringfügig. Mohr (Bielefeld). 


24) Young. The early diagnosis and radical cure of carcinoma of 
the prostate. 
(Journ. of the amer. med. assoc. 1906. März 10.) 


In einem Siebentel der Fälle von Prostatavergrößerung bei Männern über 
50 Jahre liegt Krebs vor. Kennzeichnend fiir Krebs ‘ist die große, oft steinähnliche 
Härte der Drüse und Schmerzen. Die Diagnose fußt auf den genannten Sympto- 
men bei gleichzeitiger geringer Vergrößerung des intravesikalen Teiles der Drüse. 
Der Krebs wächst oft sehr langsam und hält sich lange innerhalb der Kapsel, 
macht wenig Metastasen im Beckenbindegewebe und den Drüsen, mehr in den 
Knochen. Y.’s Operation besteht in Auslösung der ganzen Prostata mit Abtragung 
der Blase in der Art, daß etwa die Hälfte des Trigonum mit weggenommen wird; 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 789 


Samenblase und die Ductus deferentes werden, soweit möglich, mitgenommen. Er 
führt die Operation nur vom Damm her aus unter Benutzung eines durch die 
Harnröhre eingeführten Halter. Die kurz hinter dem Bulbus abgetrennte Harn- 
röhre wird mit dem Rest der Blase, die in einer Längsnaht vereinigt wird, zu- 
sammengenäht. An 6 Kranken hat Verf. die Operation ausgeführt, 1 Todesfall 
dabei gehabt. 2 der Geheilten starben nach 1 Jahr bzw. 2 Monaten an anderen 
Krankheiten; beim ersten war kleines, erbsengroßes Lokalrezidiv, beim anderen 
keine Spur von Krebsgewebe vorhanden. Die anderen sind bis jetzt schmerzfrei, 
haben teilweise Kontinenz. Da die Operierten sehr spät in Behandlung kamen, 
hält Y. bei frühzeitiger Operation die Ausführung für noch leichter und den Erfolg 
für sicherer. Trapp (Bückeburg). 


25) E. Loumeau. Operation de Freyer suivie d’autopsie. 
(Ann. des malad. des org. génito-urin. 1906. Nr. 8.) 


Der vom Verf. ausführlich besprochene Fall betraf einen 84jährigen, durch 
doppelseitige Katarakt erblindeten, sonst aber anscheinend kräftigen Mann. 
Prostatektomie von einem hohen Blasenschnitt aus. Tod 70 Stunden später unter 
den Erscheinungen der Herzschwäche. Bei der ungefähr um das Doppelte ver- 
größerten Prostata handelte es sich um eine cystische adeno-myomatöse Wucherung 
mit Vorherrschen des Muskelgewebes. Die Geschwulst war so ineinander ver- 
schmolzen, daß sie nur als Ganzes zusammen mit der Pars prostatica urethrae 
entfernt werden konnte. Diese Exstirpation konnte mittels der Freyer’schen 
Methode so exakt vorgenommen werden, daß die Wandungen der Prostatanische 
nirgends mehr Drüsengewebe enthielten. 

Bei schon bejahrten Kranken mit zweifelhaftem Herzen wird Verf. vor der 
Operation eine tonische Behandlung des Herzmuskels mittels Koffein, Spartein u. ä. 
einleiten. Paul Wagner (Leipzig). 


26) Nicoll. Several of the most recent cystoscopes, with special 
reference to inspection of the ureteral orifices. 
(Glasgow med. journ. 1906. Mai. p. 325.) 


Nach einigen kurzen Bemerkungen über verschiedene neue Modelle von Cysto- 
skopen spricht sich N. dahin aus, daß die einfache Cystoskopie mit besonderer 
Berücksichtigung der Harnleitermündungen in der Regel für die Stellung der 
Diagnose und Indikation bei operativen Nierenleiden völlig genüge; die Gefahr 
künstlicher Infektion des Nierenbeckens und der Niere durch den Harnleiter- 
katheterismus sei nicht gering anzuschlagen. 

Die Harnscheider hält er nicht für zuverlässige Untersuchungsinstrumente. Die 
Cystoskopie sollte womöglich stets mehrmals und auch mit Zuhilfenahme von 
Farbstoffinjektionen ausgeführt werden. W. v. Brunn (Rostock). 


27) H. Hinterstoisser (Teschen). Zur Therapie der angeborenen 
Blasenspalte. 
(Wiener klin. Wochenschrift 1906. Nr. 1.) 


H. übte an einem jährigen Pat. mit Ectopia vesicae die von Borelius- 
Berglund (im Zentralblatt für Chirurgie 1903 Nr. 29) angegebene Veränderung 
der Maydl’schen Methode mit Erfolg. Dieselbe schafft durch Einpflanzung des 
Blasenrestes (Trigonum mit den Harnleitermündungen) in die Kuppe der seitlich 
mit ihren Schenkeln aneinander genähten Sigmaschlinge ein Receptaculum urinae, 
während das direkte Vorbeistreichen des Darminhaltes an den Harnleitermündungen 
durch eine an der Basis der Schlinge angelegte Enteroanastomose vermieden 
werden soll. 

H. zieht diese Methode der von P. A. Müller-Dresden in Nr. 33 desselben 
Jahrganges empfohlenen ihrer Einfachheit wegen vor, doch ist dieselbe nur aus- 
führbar bei langer Flexur mit langem Gekröse. Hübener (Liegnitz). 


190 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 


28) A. Exner. Fremdkörper der Blasenwand. 
(Aus der k. k. Gesellschaft der Ärzte in Wien vom 12. Januar 1906.) 
(Wiener klin. Wochenschrift 1906. Nr. 3.) 

Bei einer 54jährigen Frau wurde nach Anamnese und cystoskopischem Befund 
in der v. Hochenegg’schen Klinik eine Geschwulst am Blasenscheitel an- 
genommen, da bei der Operation sich Dünndarm und Netzzipfel verwachsen erwies. 
Nach Resektion desselben fand sich im Inneren der aus Granulationsgewebe 
bestehenden Geschwulst ein 2 cm langer stecknadeldicker Holzspan, der vermutlich 
aus dem Dünndarm in die Blase perforierte. 

In der Diskussion berichtet Kapsammer über einen analogen Fall, bei 
welchem eine inkrustierte Geschwulst der seitlichen Blasenwand sich bei der Sectio 
alta als inkrustierter Hühnerknochen erwies. 1 Jahr später fand sich an derselben 
Stelle, die auch diesmal den Anschein einer teilweise nekrotischen und in- 
krustierten Geschwulst bot, die Kuppe eines taubeneigroßen K.otsteines, nach dessen 
Extraktion man durch ein Fenster der Blasenwand in eine paravesikale Abszeß- 
höble kam. Hübener (Dresden). 


29) S. Minelli. Über die Malakoplakie der Harnblase (Hansemann). 
(Virchow's Archiv Bd. CLXXXIV. p. 157.) 

Verf. beschreibt einen jener von Hansemann mit obigem Namen belegten 
Krankheitsprozesse der Blase, bei denen es sich um ein Auftreten von gelblichen, 
mit hyperämischer Zone umsäumten Plaques auf der Blasenschleimhaut handelt. 
Histologisch bestanden auch die Plaques des vorliegenden Falles aus großen dicken 
Zellen, die in ihrem Innern eigentümliche, hyaline Einschlüsse aufwiesen. Letztere 
gaben sämtlich Eisenreaktion. Die großen Zellen werden für veränderte Epithelien 
angesehen, die Einschlüsse mit hämatogenem in die Zellen eingedrungenem Pig- 
ment in Beziehung gebracht. Im Innern der Plaques wurden Bakterien nur in 
größeren Haufen, und zwar in den tiefen Schichten gefunden; Tuberkelbazillen 
jedoch niemals. Die ganze Affektion ist nach Ansicht des Verf.s als ein nicht 
spezifisches Granulom aufzufassen. Die Bakterien sollen keine ätiologische Bedeu- 
tung haben. Doering (Göttingen). 


30) L. Davis. Primary tumors of the urinary bladder. 
(Annals of surgery 1906. April.) 

Bericht über 41 im Massachusett Hospital beobachtete Fälle von Blasen- 
geschwülsten. 7 betrafen Weiber, 34 Männer; Reizungen durch Steine werden 
nicht, wohl aber etwaige chemische Reizungen — analog der Anilinreizung — als 
prädisponierende Ursache angesehen. Die Einteilung der Geschwülste ist die 
Küster’sche: 1) epitheliale, 2) bindegewebige, 3) Muskelgeschwiilste. Die zur 
ersten Gruppe gehorigen Papillome werden als gutartige Geschwiilste angesehen, 
solange eine Infiltration der Blasenwand nicht stattgefunden hat; andernfalls 
werden sie als Karzinome bezeichnet. Das Hauptsymptom ist Blasenbluten, dann 
Cystitis und Störungen bei der Entleerung des Harns. Die chirurgische Behand- 
lung besteht in der Ausschneidung der Neubildung mitsamt eines Stückes der 
Blasenwand. Unter den 37 Operationen handelte es sich 28mal um die supra- 
pubische, 4mal um die perineale, Imal um die vaginale Cystostomie, 4mal wurde 
die Geschwulst durch die erweiterte weibliche Harnröhre operiert. Die Resultate 
waren wenig erfreulich, 25% starben bald nach der Operation, 54% später, 12 Fälle 
lebten 18 Monate nach der Operation. Herhold (Altona). 


31) Stern. Uber Perforation der Harnblase bei Ausschabung derselben. 
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 15.) 

Strauss (Barmen) hatte die Ausschabung der Harnblase bei schwerer chro- 
nischer Cystitis empfohlen, und zwar ging er in der Weise vor, daß er durch die 
Harnröhre ein von ihm konstruiertes Instrument einführte und die Blasenschleim- 
haut abschabte. S. operierte nach dieser Methode eine 57jährige Pat. mit Papillomen 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 791 


der Harnblase. Ohne daß irgendwie ein besonderes Moment während der Operation 
eingetreten wäre, fühlte er plötzlich das Instrument unter den Bauchdecken, und 
die Pat. ging im weiteren Verlauf an ihrer Perforation zugrunde. S. warnt davor, 
die Ausschabung der Blase ohne Sectio alta vorzunehmen. 

Borchard (Posen). 


32) Furniss. Report of case of pyelitis treated by lavage of the 
pelves of the kidneys. 
(Post-graduate 1906. April.) 

Eine 41jährige Frau litt seit 20 Jahren an den Erscheinungen von Pyelitis, 
die infolge Stenose der Harnröhre durch eine gutartige Geschwulst entstanden war. 
F. konnte durch Beseitigung dieser Stenose allein eine Besserung nicht erreichen, 
andererseits jetzt aber vermittels Katheterisation der Harmleiter den Nachweis 
doppelseitiger eitriger Pyelitis mit Erweiterung der Nierenbecken stellen. 

Die eingeleitete Therapie — Harnleiterkatheterismus und Spülung der Nieren- 
becken mit einer Lösung von Argentum nitricum 1 auf 5000 konzentrierter Bor- 
säurelösung, Blasenspülung und innere Gaben von Urotropin — führte zu erheb- 
licher Besserung, Aufhören jeder Beschwerden, besonders des Tenesmus, und 
Klarwerden des Harns. W. v. Brunn (Rostock). 


33) Nicolich. Nephrotyphus dans un cas de rein unique. 
(Ann. des malad. des org. génito-urin. 1906. Nr. 9.) 

Bei einer 40jährigen Kranken, der vor 5 Jahren die eine Niere wegen Tuber- 
kulose entfernt worden war, entwickelte sich ein schwerer Nephrotyphus; die 
Kranke war fast 4 Monate lang bettlägerig, hat sich dann aber wieder vollständig 
erholt. Verf. versteht unter Nephrotyphus ein typhoides Fieber, das die ersten 
10-14 Tage die Symptome einer schweren Albuminurie darbietet, während sich 
die anderen typhösen Erscheinungen erst später einstellen. 

Paul Wagner (Leipzig). 


34) Wiesel. Zur Kasuistik der Nephrolithiasis. 
(Archiv f. physikal. Medizin u. med. Technik Bd.I. Hft. 2 u. 3.) 
Mitteilung eines Falles von Stein im Becken eines hoch oben am Nierenpol 
einmündenden zweiten Harnleiters. 
Der Fall war viele Jahre lang nicht erkannt worden, unter anderem war eine 
Blinddarmoperation, dann eine Nephropexie vorgenommen worden. Ein Röntgen- 


bild führte dann zur richtigen Diagnose, während ein früheres negativ gewesen war. 
Renner (Dresden). 


35) Hobart. Case of fibromatous tumour of the capsule of the kidney. 
(Medical press 1906. April 25.) 

H. exstirpierte bei einer 26jährigen Frau 4 Wochen nach ihrer ersten, normal 
verlaufenen Geburt eine von der rechten Fossa iliaca bis 5 cm oberhalb des Nabels 
reichende, längliche Geschwulst, die vor Beginn der Schwangerschaft noch nicht 
bemerkt worden war und seit etwa 4 Monaten geringe Beschwerden verursacht 
hatte. Sie fühlte sich durch die Bauchdecken hindurch glatt und derb an und 
erwies sich nach der Exstirpation als ein reines Fibrom der Nierenkapsel, das aus 
einem soliden, etwa kleinkindskopfgroßen Teil und aus einer Cyste bestand, die 
etwas mehr als 1 Liter dunkle seröse Flüssigkeit enthielt. 

Erhard Schmidt (Leipzig). 


36) Pousson et Chambrelent. De la décapsulation rénale et de la 
néphrectomie dans le traitement des formes graves de l’Eclampsie. 
(Ann. des malad. des org. gén.-urin. I. 1906. Nr. 8.) 

Edebohls hat in zwei Fällen von Eklampsie mit vollem Erfolge die beider- 
seitige Enthülsung der Nieren vorgenommen. Verff. berichten über eine 21jahrige 


192 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 


Erstgebärende, bei der sich am Ende der Schwangerschaft schwere Eklampsie 
mit Konvulsionen und Koma einstellte. Digitale Erweiterung des Muttermundes: 
Geburt eines toten Kindes. Trotzdem Fortbestehen des Koma; Oligurie. 36 Stunden 
nach Einsetzen des Koma Operation. Enthiilsung beider Nieren; bei der rechten, 
stärker veränderten Niere wird auch noch die Nephrotomie vorgenommen und 
aus dem Nierenbecken reichliches schwärzliches Blut entleert. Die ganze Opers- 
tion dauerte 40 Minuten; die komatöse Kranke hatte nur einige wenige Züge 
Chloroform gebraucht. Rasche, anhaltende Besserung; vollkommene Heilung. 
1 Jahr später befindet sich die Kranke bei ausgezeichneter Gesundheit; Urin 
vollkommen eiweißfrei. Beide Nieren — von der nephrotomierten Seite wurden 
einige Stückchen histologisch untersucht — zeigten die Charaktere einer akuten 
parenchymatösen Nephritis. 

Verff. besprechen kurz die Genese der eklamptischen Nephritis; die »intra- 
renale Hypertension«, die die schweren Erscheinungen hervorruft, wird am besten 
durch die Nierenenthülsung, eventuell in Verbindung mit der Nephrotomie (in 
der Überschrift steht irrtümlicherweise Nephrektomie) bekämpft. 

Paul Wagner (Leipzig). 


37) L. Wrede. Die Dermoide des Samenstranges. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVIII. Hft. 2. p. 273.) 


Bei einem 17jährigen Manne fand sich eine pflaumengroße, weder mit der 
Haut noch dem Unterhautzellgewebe zusammenhängende Geschwulst in der Gegend 
des Leistenkanals, welche sich sowohl in diesen als in den Hodensack leicht ver- 
schieben ließ, in keiner nachweisbaren Beziehung zu Hoden oder Samenstrang 
stand und deutliches Fluktuationsgefühl bot. Die Operation lehrte, daß die Ge- 
schwulst im lockeren Bindegewebe des Samenstranges lag und nur mit dem Ductus 
deferens etwas fester verbunden war. Die genaue histologische Untersuchung der 
exstirpierten Geschwulst führte zur Diagnose eines Dermoids des Samenstranges, 
welches bisher nur in vier Fällen beschrieben ist. Reich (Tübingen). 


38) Lichtenstern. Torsion eines Leistenhodens. 
(Aus der Sitzung der k. k. Gesellschaft der Arzte in Wien vom 19. Januar 1906.) 
(Wiener klin. Wochenschrift 1906. Nr. 4.) 


Der Fall betraf einen 46jährigen Mann, der am Abend vor der Operation 
beim Heben einer schweren Last einen Schmerz in der linken Seite gespürt hatte 
und wegen Erscheinungen eines eingeklemmten Leistenbruches auf der Zucker- 
kandl’schen Abteilung operiert wurde. Hier fand sich anstelle des vermuteten 
Bruches ein enorm geschwollener dunkelblau verfärbter Leistenhoden im Bruch- 
sacke vor, dessen Samenstrang um 360° gedreht war. Resektion des Hodens, 
Verschluß des Leistenkanals. Heilung. Hübener (Liegnitz). 


39) Haeckel. Unterbindung der Venae spermaticae und hypogastricae 
bei puerperaler Pyämie. 
(Deutsche med. Wochenschrift 1905. Nr. 41.) 


In zwei Fällen von puerperaler Pyämie machte H. die Unterbindung beider 
Vy. spermaticae und hypogastricae. Während im ersten Falle von chronischer 
Pyämie der Erfolg ein eklatanter war, blieb er im zweiten Fall, akute Pyämie, aus. 
Diese Erfabrung ist auch andererseits bestätigt worden. Nur Bumm hat in der 
letzten Zeit einen Fall von akuter puerperaler Pyämie erfolgreich operiert. 

Borchard (Posen). 





Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man 
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlage- 


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Zentralblatt 
CHIRURGIE 


E von Bermann, F. König, E. Richter, 





Dreiunddreißigster Jahrgang. 


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Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei halbjähriger 
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten. 
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Nr. 29. Sonnabend, den 21. Juli. 1906. 


Inhalt: E. Goldmann, Zur offenen Wandbehandlung von Hauttransplantationen. (Orl- 
ginal-Mitteilung.) 

1) Helferich, Knochenbrüche und Verrenkungen. — 2) Gaugele, Ostitis fibrosa. — 3) Fer- 
guson, lschämische Muskelatrophie. — 4) de Brulne Ploos van Amstel, Chronische Steifg- 
keit der Wirbelsäule. 

J. K. Spisharny, Pharyngotomia suprahyoidea. (Original-Mitteilung.) 

5) Fünfter deutscher Orthopädenkongreß. — 6) Kenyeres, Angeborene und erworbene 
Mißbildungen. — 7) Mahleke, Sehnentransplantationen. — 8) Cramer, Angeborene Knochen- 
defekte. — 9) Chaput, 10) Potherat, Nervennaht. — 11) Klauber, Veraltete Vorderarmver- 
renkung. — 12) Martin, Handlipome. — 13) Karrer, Kahnbeinbrüche. — 14) Schade, Ver- 
renkungen im Handgelenk. — 15) v. Elselsberg, Elephantiasis. — 16) Spitzy, Angeborene 
Hüftverrenkung. — 17) Muscatello, Pathologische Hüftverrenkung. — 18) Hetherington, 
Extensionsschiene. — 19) v. Haberer, Mißbildung. — 20) v. Haberer, Knochencysten. — 
21) Lesser, Abreißung des schnabelförmigen Schienbeinfortsatzes. — 22) Perrin u. Parisot, 
Spontaner Kniescheibenbruch. — 23) Schnelder, Sarkom des Schienbeins. — 24) Kaehler, 
Doppelseitiger teilweiser Schienbeindefekt. — 25) Teufel, Fußverletzungen. — 26) Schulz, 
Fersenbeinbruch. — 27) Griff, Sprangbeinbruch. — 28) Stich, Exstirpation des Sprungbeins. 
— 29) Hofmana, Partieller Riesenwuchs. 








Zur offenen Wundbehandlung von Hauttransplantationen. 
Von 
Prof. E. Goldmann in Freiburg i. Br. 


Seitdem ich durch Brüning über die von mir verwandte offene 
Wundbehandlung nach Transplantation habe berichten lassen, ist 
eine große Anzahl der verschiedenartigsten frischen und granulierenden 
Hautdefekten von mir in dieser Weise mit ausnahmslos günstigem Er- 
folge behandelt worden. Diese Methode ist auch anderwärts vorteil- 
haft versucht worden. Ich verweise auf die Mitteilung von Bern- 
hardt. Auf der chirurgischen Abteilung der medizinischen Akademie 
in Cairo, die ich vor einigen Monaten besuchte, erfuhr ich durch 
Zufall, wie die offene Wundbehandlung gerade nach Transplantation 


29 


794 Zentralblatt ftir Chirurgie. Nr. 29. 


auch hier ausgezeichnete Resultate liefert. Befremden mußte daher 
die gegenteilige Mitteilung von Weischer. Es ist ihm allerdings 
unbedingt Recht zu geben, wenn er erklärt, daß man nicht generell 
eine Methode der Transplantation für alle Hautdefekte vorschreiben 
kann. Es dürfte aber allgemein ebenso zugestanden werden, daß 
große, stark sezernierende Wunden« sich für eine Transplantation. 
überhaupt nicht eignen, da bekanntermaßen das »Eiterferment« eine 
jede Form der Wundheilung ausschließt. Es ist aber in solchen 
Fällen nicht die besondere Art der Wundbehandlung, sondern der 
anatomische Zustand der granulierenden Fläche, der die Anheilung 
der überpflanzten Hautläppchen verhindert. Es will mir ferner scheinen, 
daß Weischer den springenden Punkt, der von mir vertretenen 
offenen Wundbehandlung fiir Hauttransplantationen iibersieht. Be- 
kanntlich haben die zahlreichen Arbeiten iiber die Anheilung von 
Hauttransplantationen ergeben, daß die organische Fixation der 
Läppchen auf der Unterlage erst nach 12—24 Stunden erfolgt, und 
zwar durch gewucherte Fibroblasten und neu gebildete Gefäße. Zu 
Anfang ist die Fixation eine mehr oder weniger mechanische, und die 
Ernährung der Pfröpflinge geschieht durch eine plasmatische Zirkula- 
tion. Für praktische Zwecke muß aber alles darauf ankommen, 
diese mechanische Fixation in den ersten Stunden nach der Trans- 
plantation durch unsere Behandlungsmethode zu sichern. Auf keine 
Weise gelingt dies aber besser, als durch die offene Wundbehandlung, 
bei der die Austrocknung der »Kittsubstanz« am meisten gewährleistet 
wird. Nach meiner Erfahrung ist es für den Erfolg ganz gleichgültig, 
welche Behandlung weiter eingeschlagen wird, wenn die Pfröpflinge erst 
dem Boden fester anhaften. Bleibt man bei der offenen Behandlung, 
und findet eine Austrocknung des reichlicher sich bildenden Wund- 
sekretes statt, so genügt ein feuchter oder ein Olverband, um die 
Krusten und Borken ohne jede Schädigung für die Pfröpflinge auf- 
zuweichen. Das Wesentliche in der von Weischer angegebenen Me- 
thode erscheint mir nicht die von Zeit zu Zeit erfolgende Kochsalz- 
irrigation, sondern die Beschaffung einer geeigneten Kittsubstanz 
durch die oberflächliche Anfrischung der »belegten« Granulationsfläche. 
Endlich möchte ich erwähnen, daß die Blasenbildung an der 
Transplantationsfläche von der Wundsekretion ganz unabhängig sein 
kann. Bekanntlich ist diese Blasenbildung nur der Ausdruck der 
mangelhaften Ernährung der Haut und erfolgt zwischen dem Stratum 
Malpighi und mucosum der Epidermis, wie ich früher nachgewiesen 
habe. Erst wenn die Pfröpflinge genügend ernährt sind, geschieht die 
Verhornung in der üblichen Weise. Eine derartige Blasenbildung 
hebt somit die Anheilung der Pfröpflinge nicht auf, solange durch die 
Wundbehandlung dafür Sorge getragen wird, daß der zarte Schleier 
des Stratum Malpighi der Epidermis nicht mechanisch entfernt wird. 
Auch für solche Verhältnisse ist die Austrocknung der Blasen durch 
die offene Wundbehandlung das Zweckmäßigste und jeder Verband, 
besonders ein solcher, der die Unterlage mazeriert, ungeeignet. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 195 


1) Helferich. Atlas und Grundriß der traumatischen Frak- 
turen und Luxationen. 7. verbesserte und vermehrte Auf- 
lage. XXVIII und 370 S. 

Miinchen, Lehmann, 1906. 

Die textlichen Hauptveränderungen der neuen Auflage bestehen 
in einer kritischen Besprechung der verschiedenen Behandlungsarten 
bei Knochenbrüchen, in genaueren Angaben über Frakturen des Capi- 
tulum humeri und einer Umarbeitung der Lehre von den Becken- 
brüchen. Im übrigen sind eine größere Anzahl von Abbildungen neu 
eingefügt, vor allem Röntgenaufnahmen. Der H.’sche ist der ver- 
breitetste unter den zahlreichen Atlanten des Lehmann’schen Ver- 
lages. Richter (Breslau). 





2) Gaugele. Uber Ostitis fibrosa seu deformans. 
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. IX. Hft. 5.) 

Verf. schickt zunächst eine Zusammenstellung der bisher bekannt 
gewordenen Fälle voraus, von denen hauptsächlich der Fall von Rehn 
als besonders charakteristisch hervorzuheben ist. In dem vom Verf. 
selbst beobachteten Falle waren innerhalb 4 Jahren zehn Knochen- 
brüche aufgetreten. Auf Grund der Literaturstudien und der eigenen 
Beobachtung kommt G. zu folgenden Schlüssen: 

Die Osteomalacia deformans ist eine Knochenerkrankung, die 
sowohl einen einzelnen Skeletteil, als das gesamte Skelett betreffen 
kann und mit einem Umbau der betroffenen Knochen einhergeht, 
insofern an die Stelle des Fettmarkes Fasermark tritt, die Knochen- 
substanz durch halisterischen Knochenschwund zur Resorption kommt 
und durch Osteoidgewebe ersetzt wird. Als ständige Begleiterschei- 
nungen sind zu nennen: 

1) Cystenbildung mit teilweise blutigem, teilweise klarem, hell- 
gelbem Inhalt, ohne epitheliale Auskleidung, entstanden zu denken 
durch Auftreten von Spalträumen in den Maschen des ödematösen 
Fasermarkes, die sich durch Exsudation oder Blutungen vergrößern. 

2) Riesenzellensarkomartige Geschwülste, die aber keine echten 
Riesenzellensarkome sind, sondern entzündliche Neubildungen dar- 
stellen, die sich im Laufe der Krankheit in solide fibröse Gebilde 
umwandeln und als solche noch Übergänge ihres früheren Charakters 
mikroskopisch darbieten. 

Beide Begleiterscheinungen kommen meist nebeneinander vor. 
Der Charakter der Krankheit ist ein verhältnismäßig gutartiger; das 
Leiden führt zwar allmählich dem Tode zu, kann jedoch viele Jahre 
lang dauern. 

Der Arbeit sind mehrere Röntgenbilder beigegeben, welche die 
geschilderten Knochenveränderungen schön erkennen lassen. 

(Selbstbericht.) 





196 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 


3) Ferguson. Ischemic muscular atrophy, contractures and 
paralysis. 
(Annals of surgery 1906. April.) 

Ischämische Muskelatrophie und Muskellähmung wird hervor- 
gerufen: 1) durch Verschluß des arteriellen Gefäßes, und zwar tritt 
hier die Lähmung bei völligem Verschluß desselben bereits nach einigen 
Stunden ein; 2) durch Unterbrechung des venösen Rücklaufes (Embolus, 
Thrombus, Kontraktion der Gefäßwand bei Reynaud’scher Krank- 
heit usw.). Die Symptome bestehen bei arteriellem Verschluß in Taub- 
heitsgefühl, krampfartigen ziehenden Schmerzen, Blauwerden der 
Glieder; schließlich treten Atrophie und Kontrakturen der gelähmten 
Muskeln ein. Pathologisch-anatomisch ist bei völligem arteriellem Ver- 
schluß die Muskelstruktur undeutlich, die Kerne fehlen, während bei 
vollkommenem Verschluß die Struktur der Muskeln ziemlich gut er- 
halten ist. Bei venöser Unterbrechung bestehen die akuten Symptome 
in Schwellung, Cyanose und Odem des betreffenden Gliedes; nachher 
bleibt eine pseudohypertrophische Schwellung zurück. Pathologisch- 
anatomisch erweist sich das interstitielle Bindegewebe gewuchert und 
verbreitert, während die Muskelfasern fettig degenerieren. Zwei Fälle 
ischämischer Kontraktur der Armmuskulatur hat Verf. mit sehr gutem 
Erfolg operiert. Er durchschnitt die kontrahierten Sehnen und löste 
die Nerven aus etwaigen Verwachsungen. Vor dem Nähen der Haut 
goß er steriles Ol zwischen die durchtrennten Muskelfasern. Die 
Fälle werden durch Photographien erläutert. Herhold (Altona). 





4) P. J. de Bruine Ploos van Amstel. Chronische 
Steifigkeit der Wirbelsäule. 
(Sammlung klin. Vortr. N. F. Nr. 409. Leipzig, Breitkopf & Härtel, 1906.) 

Von je einem selbstbeobachteten Falle von Bechterew’scher und 
von Strümpell-Pierre Marie’scher Krankheit ausgehend und die 
in der Literatur veröffentlichten Fälle derselben mit der Auffassung 
ihrer Autoren kritisch betrachtend, glaubt Verf. hieraus folgendes als 
das Meistwahrscheinliche erschließen zu können: 1) daß die chronische 
Steifigkeit der Wirbelsäule in den meisten Fällen eine selbständige 
Krankheit und nicht ein Symptom einer anderen ist; 2) daß das Über- 
greifen der Krankheit auf die übrigen größeren oder kleineren Gelenke 
keinen wesentlichen Unterschied darstellt gegenüber der allein be- 
stehenden Steifigkeit, Ankylose der Wirbelsäule, d.h. daß die Bech- 
terew’sche und die Strümpell-Pierre Marie’sche Krankheit die- 
selbe Ursache haben, also nicht als zwei nicht zueinander gehörende 
Krankheitsbilder getrennt werden dürfen; 3) daß die Ursache beider 
in einer Mischinfektion eines uns unbekannten Saprophyten und eines 
spezifischen Bazillus, wie des Gonokokkus, Tuberkelbazillus u. a. liegt; 
4) daß die Prognose so gut wie ungünstig ist, da das Entstehen der 
Krankheit weder verhütet, noch letztere mit irgendwelchem Erfolge 
behandelt werden kann. Kramer (Glogau). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 197 


Kleinere Mitteilungen. 


Pharyngotomia suprahyoidea. 
Von 
Prof. J. K. Spisharny in Moskau. 


Sind wir gezwungen, in der Rachenhöhle oder an der Zungenwurzel diese oder 
jene Operation vorzunehmen, so wird sie durch den Mund, oder durch diesen oder 
jenen Schnitt der Rachenwand ausgeführt. Der erste, natürliche Weg durch den 
Mund ist leider nicht immer bequem, da das Operationsfeld nicht selten tief liegt, 
so daß man gezwungen ist, fast im finstern zu operieren; auch ist es schwer, sich 
in bezug der Grenzen des Krankheitsprozesses zu orientieren und auch nicht leicht 
heftige Blutungen zu bekämpfen. Endlich kommt auch die Schwierigkeit der 
Narkose hinzu und die Gefahr, daß das Blut in die Luftröhre dringt. 

Um den Zutritt zu erleichtern, hat man sich genötigt gesehen zum Wangen- 
schnitt (Jäger), zum Durchsägen des Unterkiefers die Zuflucht zu nehmen, hat 
aber auch damit bei tiefliegenden Krankheitsprozessen im unteren Abschnitte des 
Rachens kaum genügend Raum. In solchen Fällen wird vorher der Rachenschnitt, 
manchmal kombiniert mit der Durchtrennung des Unterkiefers, angewandt. 

Zu den unvorteilhaften Seiten der Pharyngotomia subhyoidea gehört nicht 
selten die Verwundung des N. lar. sup.; außerdem ermöglicht dieser Schnitt nicht 
immer einen freien Zutritt zum Ort des Krankheitsprozesses im Rachen. Selten 
wird bei Rachenerkrankungen die Laryngofissur ausgeführt. 

Viel öfter operiert man mit Seitenschnitt des Rachens, eine Operation, die 
auch Langenbeck vorschlug, sei es mit, sei es ohne Durchtrennung des Unter- 
kiefers. 

Vallas machte den Vorschlag, bei Operationen der Rachenhöhle den mittleren 
Schnitt durch Rachen und Luftröhre — Pharyngotomia transhyoidea — zu machen. 
Man beginnt denselben unter dem Kinn, geht bis zur oberen Grenze der Schild- 
drüse, wobei das Zungenbein in der Mitte vertikal durchtrennt wird. Diese Me- 
thode ermöglicht einen freien Zutritt zur Zungenwurzel und zum freien Teil der 
Epiglottis; aber die tieferen Teile des Rachens, besonders die hintere Wand, sind 
nicht genügend zugänglich. Endlich gibt es noch die von Jeremitsch vorge- 
schlagene (1895) Pharyngotomia suprahyoidea. 

Seit diesem Vorschlage sind 10 Jahre verflossen, aber soweit mir bekannt ist, 
hat keine Operation dieser Art am lebendigen Menschen stattgefunden. Vor kurzem 
bot sich mir eine Gelegenheit, sie auszufiihren, und mit dem Resultat war ich zu- 
frieden. Die Operation an dieser Pat. hat bewiesen, daß dabei ein ausgezeichneter 
Zutritt zu allen Abschnitten des Rachens und zur Zungenwurzel erlangt wird. Die 
Operation kann ohne vorhergehenden Luftröhrenschnitt ausgeführt werden, die 
Blutung ist unbedeutend, man verwundet kein wichtiges Organ, die Wundheilung 
vollzieht sich befriedigend, und die Funktion des Rachens wird vollkommen her- 
gestellt. 

Es handelt sich um folgenden Fall: Die Bäuerin K. S., 24 Jahr alt, trat am 
17. Februar 1905 ins Krankenhaus der hl. Zarin Alexandra und klagte über Schluck- 
beschwerden. Bis jetzt hatte sie an keiner anderen Krankheit zu leiden gehabt. 
Vor einem halben Jahre waren aus unbekannter Ursache Schlingbeschwerden aufge- 
treten, die sich immer mehr steigerten, ohne daß dabei Schmerzen aufgetreten 
wären. In letzter Zeit litt Pat. unter Schwäche und magerte bedeutend ab. Vor 
11 Wochen traten starke Schmerzen im rechten Ohr auf, und es zeigte sich ein 
eitriger Ausfluß. Vor 8 Monaten gebar sie, und vor kurzem entwöhnte sie 


das Kind. 


198 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 


Pat. ist klein, "schlecht genährt, blaß. In der linken Lunge zerstreutes, 
trockenes Rasseln. Die Herztöne sind gedämpft; weder Geräusche noch Arhythmie. 
Magen und Darm sind in Ordnung. Im Harn unbedeutende Spuren von Eiweiß, 
kein Zucker. Die Menge des Harns in 24 Stunden 880 ccm, das spezifische Ge- 
wicht 1020. — Otitis media d. Körpergewicht 2 Pud 29 Pfund. 

Hinter dem linken Gaumensegel sieht man eine intensiv rote längliche Ge- 
schwulst schräg nach unten verlaufend, 21/,—3 cm im Quer- und Längsdurchmesser. 
Das untere Ende ist nicht zu sehen. Die Schleimhaut ist über der Geschwulst 
beweglich, sie selbst schwer verschiebbar und, wie es scheint, mit den tiefen Ge- 
weben verwachsen, hat feste Konsistenz, fluktuiert aber scheinbar an einigen 
Stellen. Sie ist nicht druckempfindlich. Von außen kann sie nicht durchgefühlt 
werden. Am Hals eine geringe Anschwellung der Unterkieferdriise. Am Tage 
der Aufnahme ins Krankenhaus war die Temperatur abends 37,5°, am darauf- 
folgenden Tage 39,2°. Wahrscheinlichkeitsdiagnose schnell wachsendes Fibrosarkom. 
Ein Probestich in eine scheinbar fluktuierende Partie der Geschwulst ergab keinen 
Eiter. Als die Temperatur nach 2 Tagen bis zur Norm gesunken war, wurde am 
6. März folgende Operation gemacht. 

Chloroformnarkose bei hängendem Kopf. Ein Schnitt '/, cm über dem Zungen- 
bein, diesem parallel. Der Schnitt beginnt annähernd an der Mitte des rechten 
Hornes des Zungenbeins und erstreckt sich bis zum linken Kopfnicker. Entfer- 
nung der linken Unterkieferdrüse. Unterbindung der Art. lingualis s., Verschiebung 
des N. hypoglossus. Nach Durchschneidung der Rachenschleimhaut lag der ganze 
Rachenraum mit der Zungenwurzel zutage, und man konnte nun feststellen, daß 
die Geschwulst sich unter der Schleimhaut befand, mit ihr verwachsen war und 
sich tief nach hinten erstreckte. Sie ließ sich stumpf ausschälen ohne Beschädigung 
der Schleimhauthülle Nach sorgfältiger Blutstillung schritt man zur Vernähung 
der Wunde in zwei Etagen, wobei diese leider durch erbrochenen Mageninhalt 
verunreinigt wurde. 

Ernährung allein durch Klysmen. Es erfolgte starke Reizung, dann Eiterung 
der Wunde mit partieller Abstoßung nekrotischer Gewebe. Daher dann auch bei 
dem ersten Versuch Wasser zu trinken — am 5. Tage — ein Teil der Flüssigkeit 
durch die Wunde austrat, 

Allmählich verengerte sich die Fistel, und 21/; Wochen nach der Operation 
hörte der Ausfluß von Flüssigkeit durch die Fistel auf. Pat. verließ das Kranken- 
haus am 3. April in gutem Zustande. 


5) V. Kongreß der deutschen Gesellschaft für orthopädische Chirurgie 
in Berlin am 3. April 1906. 


Der Vorsitzende, Lorenz (Wien), gedenkt in längerer Rede des verschiedenen 
vorjährigen Vorsitzenden und Ehrenmitgliedes v. Mikulioz-Radecki. 


1) Schulthess (Zürich): Über eine häufige Form der rachitischen 
Skoliose. 

S. macht darauf aufmerksam, daß bei vielen Skoliosen eine Deformität des 
Kopfes beobachtet wird. Diese ist auf rachitische Veränderungen zurückzuführen, 
welche das Kind im Säuglingsalter erworben hat. Im floriden Stadium der 
Rachitis flacht sich der Schädel beim Liegen ab, so daß der diagonale Durchmesser 
der einen Seite verkürzt, der andere verlängert wird. Eine gleiche Deformität 
nimmt der Thorax an. Das Zusammentreffen dieser Deformitäten läßt sich noch 
im späteren Leben nachweisen. Die Entstehung der meisten skoliotischen Defor- 
mitäten ist in die früheste Lebensperiode zu verlegen; auch die Therapie sollte zu 
der Zeit schon einsetzen. Drehmann (Breslau). 


2) Reiner und Werndorff (Wien): Zur Frage der sog. Konkavtorsion 
der skoliotischen Wirbelsäule. 
Die Vortr. zeigen an der Hand vieler Röntgenbilder von klinisch beobachteten 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 199 


Fällen, daß die von den Autoren sog. paradoxe Skoliose nur klinisch als paradox 
imponiert, während anatomisch immer dem scheinbar auf der konkaven Seite ge- 
legenen Torsionswulst ein mit der Konkavität nach der Seite des Torsionswulstes 
gerichteter kurzer skoliotischer Bogen entspricht. Sie analysieren ferner die von 
verschiedenen Autoren zur Stütze der Lehre von der Konkavtorsion angeführten 
pathologisch-anatomischen Befunde, und erinnern endlich an die im Vorjahre ge- 
machten einschlägigen Mitteilungen über von ihnen ausgeführte Leichenexperimente, 
und kommen auf Grund aller einschlägigen Belege zum Schluß, daß die von ver- 
schiedenen Autoren behauptete Konkavtorsion nicht anzuerkennen sei. 
(Selbstbericht.) 


3) Drehmann (Breslau): Zur Anatomie der sog. Halsrippenskoliose. 

D. weist durch eingehende Röntgenuntersuchungen von 7 Fällen von Cervico- 
dorsalskoliose mit Halsrippe nach, daß es sich bei der genannten Skoliose nicht 
um eine infolge der Halsrippe erworbene Skoliose, Halsrippenskoliose im Sinne 
Garre&’s, handelt, sondern daß diese Fälle eine besondere Form der angeborenen 
Skoliose mit Rippenüberzahl darstellen. In 5 von seinen Fällen konnte er ein 
keilförmiges Wirbelrudiment nachweisen, welches am Übergange der Hals- in die 
Brustwirbelsäule eingeschaltet war und die einseitige überzählige Rippe trug. 
3 von diesen 5 Fällen zeigten außerdem noch den überraschenden Befund eines 
ebensolchen Wirbelrudimentes, welches am UÜbergange der Brust- in die Lenden- 
wirbelsäule auf der entgegengesetzten Seite gleichsam zur Kompensierung des 
oberen eingeschaltet war. In 2 von diesen letzteren 3 Fällen trug auch dieses 
untere Stück eine überzählige Rippe. 

Von den gesamten 7 Fällen wurde nur in 2 Fällen eine unkomplizierte Hals- 
rippe nachgewiesen, doch auch in diesen Fällen konnte D. den kongenitalen Cha- 
rakter der Skoliose feststellen. In einem Falle zeigte die 2 Jahre ältere Schwester 
eine ganz analoge Skoliose, jedoch ohne Halsrippe; außerdem bestand in diesem 
Falle noch eine Defektbildung an der Lendenwirbelsäule. Im zweiten Falle wurde 
die Verkrümmung bald nach der Geburt bemerkt und führte infolge falscher 
Diagnose zur Exstirpation des Kopfnickers nach v. Mikulicz. In diesem Falle 
bestehen außerdem noch andere angeborene Anomalien, wie knorpelige Kiemen- 
bogenreste am Hals und Spaltbildung einzelner Wirbelkörper. Auch in einigen 
anderen Fällen fand D. derartige Spaltbildungen. 

Zum Schluß erwähnt D. noch Fälle von Halsrippen ohne Skoliose. 

(Selbstbericht.) 


4) Klapp (Bonn): Über die Behandlung der Skoliose mit dem 
Kriechverfahren. 

K. berichtet über die Technik seines bereits in diesem Zentralblatte referierten 
Kriechverfahrens zur Behandlung der Skoliose und zeigt die verschiedenen Arten 
des Kriechens an einer Anzahl gut eingeübter skoliotischer Kinder. 


5) Schulthess (Ziirich): Zur Behandlung der Skoliose in horizon- 
taler Lage der Wirbelsäule vermittels aktiver Abbiegungen, zu- 
gleich eine Kritik des Klapp’schen Verfahrens. 

S. macht darauf aufmerksam, daß bereits vor Klapp Behandlung der Skoliose 
in horizontaler Lage, in Kriechstellung geübt wurde. Bei der einfachen Kriech- 
behandlung wird auf die Abbiegungspunkte der Verkrümmung keine Rücksicht 
genommen; so sieht man, daß bei den Bewegungen entweder die untere oder die 
obere Krümmung mehr verstärkt wird. S. demonstriert Kurven, welche während 
des Kriechens aufgenommen wurden, und zeigt daran die Verstärkung der Krüm- 
mungen. Um die Kriechbewegung für eine rationelle Behandlung der. Skoliose 
verwendbar zu machen, hat er einen Apparat konstruiert, welcher die Seitenbewe- 

gungen beim Kriechen der Form der Verkrümmung anpaßt. Der Apparat wird 


in seiner Anwendungsweise demonstriert. 


800 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 


6) Machol (Breslau): Die strömende Wasserkraft im Dienste der 
Orthopädie mit Demonstration von Apparaten. 

M. entwickelt in längerer Rede die Grundprinzipien der Heilgymnastik und 
demonstriert dann seine in diesem Zentralblatte beschriebenen Apparate zur aktiven 
und passiven Gymnastik, bei welchen eine Ventilpumpe als billige und doch genau 
dosierbare Kraftquelle dient. Auch zur Anfertigung eines Skoliosenredressions- 
apparates hat M. dieses Prinzip benutzt. Drehmann (Breslau). 


7) A. Schanz (Dresden): Über die Erfolge und die Indikationen des 
Skoliosenredressements. 

Das Redressement der Skoliose ist eine schon nicht mehr ganz junge Methode. 
Trotzdem dasselbe nicht nur von mir, sondern auch von anderen Autoren wieder- 
holt lebhaft empfohlen worden ist, hat dasselbe nicht allgemeine Verbreitung erlangt. 
Der Grund dafiir ist in allererster Linie die Furcht vor dem Rezidiv. Es ist 
die Auffassung verbreitet, daß die Redressementsresultate nur Augenblickserfolge 
seien, denen mit Sicherheit das Rezidiv folge und oftmals eine schlimmere Defor- 
mität als die redressierte erzeuge. 

Es steht die Frage für das Redressement der Skoliose jetzt so: Ist das 
Rezidiv nach dem Skoliosenredressement vermeidbar oder nicht? 

Zur Beantwortung dieser Frage muß man sich zuerst klar machen, woraus 
das Rezidiv entsteht. Es sind da zwei Prozesse zu unterscheiden, die von mir als 
primäres und sekundäres Rezidiv auseinander gehalten werden. 

Das primäre Rezidiv entsteht aus der Neigung zum Zurückfedern in die 
Deformität nach Abnehmen des Redressementverbandes; es entspricht der Rezidiv- 
neigung bei einem redressierten angeborenen Klumpfuß. Es ist zu bekämpfen 
dadurch, daß dem Pat. nach Abnahme des Gipsverbandes ein gut stützendes Kor- 
sett mit Kopfhalter gegeben wird; außerdem bekommt der Pat. ein redressierendes 
Gipsbett, und er wird der Anwendung der stationären Redressionsapparate unter- 
zogen. Fährt man mit der Anwendung dieser Mittel konsequent fort, so sieht man 
die Neigung zum Zurückfedern in die Deformität allmählich verschwinden. Damit 
ist die Gefahr des primären Rezidivs beseitigt. 

Mehr als das primäre Rezidiv wird das sekundäre gefürchtet. Es entsteht 
dadurch, daß nach Durchführung des Redressements der skoliosierende Prozeß 
fortdauert. Bekommt dieser Prozeß die Überhand, so muß er wieder zur Entstehung 
einer Skoliose führen, die natürlich die Bahnen der redressierten einschlägt. Je 
nachdem wie groß der deformierende Prozeß ist und wie lange er wirkt, wird die 
Skoliose eine gleich schwere, ja schwerere Deformität als die redressierte sein. 

Der Kampf gegen das sekundäre Rezidiv muß darauf ausgehen, das Mißver- 
hältnis zwischen Tragfähigkeit und Belastung der Wirbelsäule, welches der Defor- 
mierungsprozeß bedingt, auszugleichen. Es muß darum die Belastung herabgesetzt, 
die Tragfähigkeit erhöht werden. Zu diesem Zweck ist die Anwendung von 
Stützkorsett, die Ausführung von Massage und Gymnastik angezeigt und erfolgreich. 

Es decken sich also die Mittel, welche zur Bekämpfung des primären und des 
sekundären Rezidives anzuwenden sind, oder sie lassen sich wenigstens kollisionsfrei 
kombinieren. In der Praxis gestaltet sich der Kampf gegen das Rezidiv folgender- 
maßen: Nach Abnahme des Verbandes wird in klinischer Behandlung mit dem 
Gebrauche von Korsett, Gipsbett und der stationären Redressionsapparate ein- 
gesetzt und damit solange fortgefahren, wie das primäre Rezidiv droht, dann 
werden die Pat. in ambulaute, später in Hausbehandlung gegeben. Damit muß 
unter allen Umständen jahrelang fortgefahren werden. Wenn in dieser Zeit auch 
verhältnismäßig einfache Maßnahmen genügend sind, so stellen sie doch hohe 
Ansprüche an die Ausdauer von Pat. und Arzt, und diese Ausdauer ist eine der 
wichtigsten Bedingungen für die Erhaltung des Redressementresultates. Bedenkt 
man dies und bedenkt man, daß nicht geringe pekuniäre Opfer durch eine 
Redressementsbehandlung entstehen, so begreift man, daß das Redressement 
an poliklinischem Material kein geeignetes Objekt findet. Darin, 
daß gerade dieses Material meistens für die Versuche mit dem 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 801 


Redressement benutzt worden ist, liegt einer der wichtigsten Gründe 
für die häufigen Mißerfolge. 

Bei richtiger Auswahl der Fälle und bei richtiger Durchführung 
der notwendigen Maßnahmen lassen sich die Redressementsresultate 
dauernd erhalten. Das lehrt mich meine nunmehr 8jährige Erfahrung mit 
der Methode. 

Zur Dlustration der erreichten Resultate werden eine Reihe stereoskopischer 
Photographien, welche im Laufe von Redressementsbehandlungen genommen wur- 
den, demonstriert. Die Photographien zeigen Korrektionsresultate, welche über 
das hinausgehen, was bisher als Grenze der Behandlungsfähigkeit von Skoliose 
dritten Grades galt, und zeigen, daß solche Resultate über Jahre erhalten werden 
können. (Selbstbericht.) 


8) Schlee (Braunschweig): Ein neues Redressionskorsett. 

S. demonstriert ein neues Redressionskorsett fiir Skoliose, welches im wesent- 
lichen aus einem Korsett mit exakt passendem Hessing’schen Beckengürtel be- 
steht; an diesem Gürtel ist eine stellbare Längsschiene angebracht, welche die 
Redression besorgt. 


Diskussion. Spitzy (Graz): Die Skoliose entsteht meist sehr früh infolge 
von Rachitis; er unterscheidet eine kyphotische Form und eine durcheinander 
gewürfelte Form. 

Fränkel (Berlin) berichtet über operative Entfernung doppelseitiger Hals- 
rippen aus der Hoffa’schen Klinik. Skoliose bestand nicht. 

Blumenthal (Berlin) demonstriert zur Therapie des runden Rückens ein 
Korsett mit Oberschenkelhülsen, welche ein völliges Aufrichten des Oberkörpers 
verhindern. Das Kind soll so gezwungen werden, sich über den oberen Rand des 
Korsettes aufzurichten und so seine Kyphose zu strecken. 

Guradze (Wiesbaden) zeigt ein Redressionskorsett für Skoliose. 

Vulpius (Heidelberg) macht darauf aufmerksam, daß Skoliose bei Tieren gar 
nicht so selten vorkomme. Er hat Versuche mit den Kriechübungen gemacht, 
aber außer Kräftigung der Schultermuskulatur keine erfolgreichere Beeinflussung 
der Verkrümmung gesehen. Die Kräftigung der Rückenmuskulatur erreicht man 
auf andere Arten sehr gut, wie es auch das Streben vieler Orthopäden ist, die 
skoliotischen Kinder mit einem kräftigen Muskelpanzer zu versehen. 

Drehmann (Breslau). 

Evler (Berlin) empfiehlt für beginnende Skoliosen, gegen deren Behandlung 
mit den bisherigen Stützapparaten der begründete Einwand einer Untätigkeit und 
Abmagerung der Rückenmuskulatur zu erheben ist, seinen in Med. Klinik 1906 
Nr. 7 beschriebenen federnden Wirbelsäulengeradehalter. 

Zwischen dem genau nach dem Becken gearbeiteten Beckengürtel und den 
Armkrücken verlaufen zu beiden Seiten des Rumpfes, nicht auftragend, durch Stahl- 
rohre gedeckt und in denselben zusammengedrückt, entsprechend gehärtete Spiral- 
federn. 

Quer über die Schulterblätter sind die Armkrücken durch einen Stahlstab 
verbunden, der zur Befestigung der Armkrückenriemen dient. 

Mit diesem leichten, zierlichen und doch haltbaren Wirbelsäulengeradehalter 
wird unter Anschmiegen an die Körperbewegungen der jeweils erforderliche Wider- 
stand gegen fehlerhafte Haltung und eine sichere Stütze ohne schädigende Ein- 
wirkung auf den Körper erreicht. (Selbstbericht.) 

Wullstein (Halle) macht darauf aufmerksam, daß zu starke Mobilisierung 
der Wirbelsäule zu einer Verschlimmerung der Deformität führen muß. Seine 
Redressionsbehandlung der Skoliose besteht nicht in einer forcierten Extension, 
sondern stellt ein forciertes Redressement dar. 

Karch (Aachen) empfiehlt zur Behandlung der Cervicalskoliose den Watte- 
verband nach Schanz. 

Rosenfeld (Nürnberg) demonstriert eine am Korsett anzubringende Feder, 
welche detorquierend wirkt. 

99+ 


802 Zentralblatt für Chirurgie Nr. 29. 


Riedinger (Würzburg) will die Gipsverbandbehandlung auch auf Skoliosen 
ersten und zweiten Grades ausdehnen und empfiehlt Anlegung in horizontaler Lage. 
Drehmann (Breslau). 


Nachmittagssitzung. 


Zum Vorsitzenden des nächsten Jahres wird Bardenheuer (Köln) gewählt, 
zum korrespondierenden Mitgliede Lovett (Boston) ernannt. 


9) Finck (Charkow): Das allmähliche Redressement des Pott’schen 
Buckels im Liegen. 

F. demonstriert Pat., bei welchen er das Redressement des spondylitischen 
Buckels durch Lagerung im Gipsbette mit Unterschiebung eines durch kreuzförmig 
zusammengelegte Wattestreifen gebildeten Hypomochlions gebildet hat. Die Lage- 
rung wird ungefähr 1 Jahr lang fortgesetzt, darauf das Gehen erlaubt mit einem 
abnehmbaren Kopf-Rumpfverband aus Zelluloid. Die Resultate der vorgestellten 
Fälle waren ausgezeichnete. 


10) H. Spitzy (Graz): Die Verwendung der Nervenplastik bei Plexus- 
lahmungen. A 

S. bespricht die Atiologie und die Arten der Plexuslähmungen und hebt be- 
sonders die Entbindungslähmungen hervor. 

Bei jenen Formen, wo eine dauernde Schädigung eines Nervengebietes bei 
verhältnismäßigem Intaktsein eines anderen vorliegt, wäre eine Nervenanastomo- 
sierung indiziert. 

S. demonstriert einen Knaben von 12 Jahren. Durch eine intra partum ent- 
standene Fraktur war eine Parese des Armes (Typus Erb) und dann eine Lähmung 
des Radialisgebietes bei Intaktsein des Medianus hervorgerufen worden. Streckung 
der Hand und Finger, Daumenabduktion und Supination der Hand war unmöglich. 

Operation am 3. Juli 1906. Zentrale partielle Implantation des N. medianus 
in den N. radialis über der Ellbeuge nach einem von S. angegebenen Verfahren 

Das jetzige Resultat, 9 Monate nach der Operation, ist ein nahezu ideales: 

Völlige Streckfähigkeit der Hand und der Finger, Abduktion des Daumens, 
Supination der Hand vollständig ausführbar. Keine störenden Ausfallserscheinungen 
im Mediangebiete. (Selbstbericht.) 


Diskussion. Bade (Hannover) berichtet ebenfalls über eine gelungene 
Nervenplastik mit Anastomosenbildung zwischen Medianus und Radialis. 

Spitzy sagt, auf die Frage nach eventuellen Ausfallserscheinungen, daß wohl 
eine Schwächung des Medianus zurückbleiben kann, daß er aber völlige Regenera- 
tion bei fast durchschnittenen Nerven gesehen hat. 


11) Cramer (Köln): Beitrag zur blutigen Mobilisierung des Ell- 
bogengelenkes. 

Eröffnung des Gelenkes mit Kocher’schem Schnitte, der schräg nach oben 
und außen über den Ansatz des Triceps fortgesetzt wird, der Triceps wird schräg 
durchschnitten und verlängert. Das Gelenk zeigte knöcherne Verbindung der 
Gelenkflächen, aber den Knorpel erhalten. Die knöchernen Verwachsungen werden 
entfernt. Nach der Heilung normale Funktion. 


Diskussion. Schanz erwähnt Fälle mit Interposition von Fettlappen. 
Drehmann (Breslau). 


12) Lorenz (Wien). Über die Endziele der mechanischen Koxitis- 
behandlung und ihre einfachsten Mittel. 

Das ideale Ziel der Restitutio ad integrum kann nur in einer kleinen Anzahl 
mild oder abortiv verlaufender Fälle erreicht werden. Gewöhnlich hinterläßt der 
abgelaufene Liokalprozeß das Gelenk als eine anatomisch und funktionell nicht mehr 
reparable Ruine. Speziell die Wirkung der für die Funktion wichtigsten pelvi- 
trochanteren Muskeln ist infolge der Luxationsverschiebung des koxalen Femur- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 803 


endes und der gewöhnlichen Verkürzung des Halshebels für immer verloren, ganz 
abgesehen von etwaiger narbiger Schrampfung und der Atrophie jahrelang außer 
Funktion gesetzter Muskeln. Infolge dieser irreparablen Muskelschädigung geht 
die Fähigkeit verloren, das Becken auf dem kranken Standbein horizontal zu halten. 
Jeder Schritt fördert demnach das Entstehen der Adduktions-(Beuge-)Kontraktur, 
welche die jahrelangen Bestrebungen zur Erhaltung einer guten Stellung schließ- 
lich zunichte macht, wenn die mechanische Behandlung endlich außgelassen wurde. 
Dieses gewöhnlich adduzierte Gelenk von beschränkter Beweglichkeit ist häufig 
zeitweise empfindlich (interkurrente Schmerzepisoden), der Pat. verfügt nicht über 
die geringste Ausdauer und hinkt sehr stark. L. betrachtet deshalb ein derartig 
beweglich ausgeheiltes Gelenk gar nicht als das wünschenswerte Endziel der mecha- 
nischen Behandlung. Dieses Endziel ist ihm vielmehr die möglichst 
feste, am besten knöcherne Ankylose des Gelenkkörpers bei indiffe- 
renter Streckstellung des Beines. Neben relativ unbedeutenden Nachteilen 
bietet die Ankylose dem Pat. nur Vorteile: unbeschränkte Ausdauer, das Fehlen 
von Empfindlichkeit oder gar Schmerz, gleichmäßigen Gang fast ohne Hinken, bei 
Ausschluß jeder Gefahr eines traumatischen Rezidivs. Die übliche Extensions- 
behandlung ist dem Ziele der Ankylosierung eher abträglich als förderlich, daher 
von diesem Standpunkt aus unzweckmäßig. Außerdem wirkt die Extension bei 
jahrelanger Anwendung schädlich durch die hochgradige Inaktivitätsatrophie des 
dauernd von jeder Funktion ausgeschalteten Beines. 

Der Ankylosenbildung abträglich ist ferner die wiederholt notwendige Kor- 
rektur der leichten Adduktionseinstellung des Gelenkes, welche trotz Extension 
beim Gehen sich so häufig herausbildet, daß man sagen kann, die mechanische 
Behandlung stellt einen unablässigen Kampf gegen die Adduktionstendenz des 
krankseitigen Beines dar. Hört die Behandlung endlich auf, so tritt nach kurzer 
Frist in der Regel doch schließlich wieder Adduktion auf. 

Die Extensionsbehandlung ist auf die Annahme gegründet, daß das erkrankte 
Gelenk vor allem gegen Belastung intolerant sei, während die Empfindiichkeit 
gegen Bewegung erst in zweiter Linie stehe. Ja man ging soweit, die Bewegung 
als die essentielle Funktion des Gelenkes für die Erhaltung desselben als nicht nur 
erlaubt, sondern als vorteilhaft zu betrachten — unter der Voraussetzung, daß die 
Entlastung resp. Extension eine genügend starke ist (Motion without friction). 

Die tägliche Erfahrung lehrt aber, daß gerade das Umgekehrte richtig ist. 
Das Gelenk ist nämlich während der ungleich längeren Hälfte der Verlaufsdauer der 
Erkrankung gegen Belastung sehr wenig oder gar nicht empfindlich. Hingegen 
ist dasselbe, und zwar schon vom Beginne der allerersten Erscheinungen angefangen, 
gegen die geringste Bewegung außerordentlich empfindlich. Diese Tatsache erlaubt 
eine große Vereinfachung der mechanischen Behandlung, wodurch gleichzeitig das 
Endziel der Ankylosenbildung gefördert wird. Diese vereinfachte Behandlung 
besteht in Dauerfixation des Gelenkes vom ersten Beginne der Krankheitserschei- 
nungen bis zum vollständigen Ablaufe des Prozesses und selbst längere Zeit dar- 
über hinaus. An Stelle der Extension tritt die Belastung des fixierten Gelenkes, 
resp. der Funktionsreiz des Lasttragens, welchem die fixierten Partien (Becken und 
Oberschenkel) ausgesetzt werden. Nicht allzuselten genügt diese Fixierung allein 
während des ganzen Krankheitsverlaufes. In der Regel jedoch ist während der 
Höhe des Prozesses eine mehr oder weniger vollständige Entlastung bis zur Sus- 
pension des kranken Beines durch die Empfindlichkeit gegen Belastung geboten. 
Andauernde exzessive Schmerzen, welche durch mechanische Mittel, sei es Fixation 
oder Extension oder die Kombination beider, nicht gestillt werden können, sind 
auf intraartikulären Abszeß, resp. auf den langsamen Durchbruch der Gelenkkapsel 
zu beziehen und erfordern Punktion oder Arthrotomie. Die vollständige Suspen- 
sion des Beines ist nur während relativ kurzer Zeit (einige Monate) notwendig. 
Bald genügt wieder eine unvollständige Entlastung, bis man nach Maßgabe der 
Empfindlichkeit wieder mit der bloßen Fixation das Auslangen findet. 

Mit dem Prinzip der strengen Dauerfixation ist die Korrektur der während 
der mehrjährigen Behandlung sich gewöhnlich einstellenden leichten Adduktions- 


804 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 


beugekontraktur insolange nicht vereinbar, als der Krankheitsprozeß nicht voll- 
ständig abgelaufen ist. Erst dann, wenn Pat. imstande war, sich Monate hindurch 
ohne jeden Apparat des krankseitigen Beines schmerzlos zu bedienen, tritt nach 
Erfüllung der Indicatio morbi die Therapia orthopaedica in ihr Recht und löst 
ihre leichte Aufgabe auf kürzestem Wege durch subkutane (extreartikuläre) inter- 
trochantere Osteotomie, durch welche die Adduktion dauerhaft, ohne Gefahr der 
Rezidive, korrigiert wird. 

Diese kleine orthopädische Operation wird ambulatorisch durchgeführt und 
unterbricht die Gehfähigkeit des Pat. nur wenige Tage, trotzdem auch hier von 
jeder Extension abgesehen, ja sogar eine nach der Empfindlichkeit mehr oder 
weniger starke Belastung zugelassen wird. 

Mit Eiterung verlaufende Koxitiden (die kleinere Hälfte der Fälle) werden bei 
konservativer, jodoformfreier Behandlung der Abszesse nach denselben Grundsätzen 
behandelt. Das Endziel der möglichst festen Ankylose des Gelenkes in indifferenter 
Streckstellung wird mittels dieser einfachen mechanischen Behandlung in der Regel 
erreicht, wenngleich man die Erzeugung einer wirklich knöchernen Verschmelzung 
der Gelenkkörper nicht in der Hand hat. Man könnte diese einfache mechanische 
Behandlung nach ihrem Grundsatze, dem krankseitigen Beine stets eine mit dem 
jeweiligen Empfindlichkeitsgrade des Gelenkes schmerzlos vereinbare Funktion zu- 
zuweisen, die funktionelle oder auch ankylosierende Behandlung nennen. Wer, 
namentlich in der Hospitalpraxis, ein reiches Koxitismaterial zu bewältigen hat, 
wird ihre Vorteile bald schätzen lernen. (Selbstbericht.) 


13) v. Aberle (Wien): Endresultate der konservativen Koxitis- 
behandlung. 

v. A. berichtet über die Ergebnisse seiner Nachuntersuchungen, die er an dem 
klinischen Krankenmateriale der Jahre 1898—1901 inkl. angestellt hat. Es handelt 
sich dabei um fast ausschließlich ambulant behandelte Pat. 

In bezug auf nähere Angaben muß auf das Original verwiesen werden. 

(Selbstbericht.) 


14) Reiner und Werndorf: Zur normalen Anatomie des Hüft- 
gelenkes. 

Die Vortr. zeigen, daß die als Tränenfigur (Köhler) bekannte Konturzeich- 
nung der Fossa acetabuli entspricht und demonstrieren unter anderem Röntgen- 
bilder, aus denen hervorgeht, daß nach Ausmeißelung der Fossa acetabuli die 
Tränenfigur verschwinde, daß sie aber sofort wiederum erscheint, wenn das aus- 
gemeißelte Stück wieder an die richtige Stelle gefügt wird. Interessant ist dabei, 
daß sich das große Loch in der Pfanne auf dem Röntgenbilde durchaus nicht 
anders als durch den Mangel der Tränenfigur verrät. (Selbstbericht.) 


15) Werndorff (Wien): Zur Pathologie der Koxitis. 

Je schwieriger es ist, eine bestimmte Indikation für die konservative oder 
operative Behandlung der Koxitis zu stellen, um so notwendiger erscheint das 
Studium der Pathologie, und in den Röntgenverfahren begrüßten wir eine Methode, 
die uns nicht nur über den jeweiligen Zustand, sondern über das Fortschreiten des 
Prozesses unterrichtet. W. zeigt an Serien von Röntgenaufnahmen die Fortschritte, 
welche wir in der letzten Zeit in der Erkenntnis der Pathologie gemacht haben, 
und faßt seine Beobachtungen in folgende Punkte zusammen: 


1. Die synoviale Form der tuberkulösen Koxitis ist röntgenoskopisch im 
frühesten Stadium mit einer großen Sicherheit zu diagnostizieren. 

2. Das wichtigste und einzige Zeichen im Anfang ist die regionäre Atrophie. 
5 3. Pe Auftreten derselben (einmal schon 2 Wochen nach angeblichem 

eginn). 

4. Als unmerkliche Konturveränderung an der »oberen Schenkelhalslinie« be- 
ginnend, betrifft sie zuerst die dieser Linie anliegende Corticalis und bleibt lange 
Zeit auf die von der Kapsel eingeschlossenen Gelenkskonstituentien beschränkt. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 805 


5. Die Destruktion des Knorpels läßt sich nicht erst dann nachweisen, wenn 
der Gelenkspalt verschwunden ist, sondern viel früher aus Veränderungen an der 
Kontur der Kopfepiphyse (Verwechslung mit normalen Wachstumserscheinuhgen!). 

6. Zur typischen, auf benachbarte Teile übergreifenden tuberkulösen Atrophie 
wird die regionäre Atrophie bei größerer Destruktion des Gelenkes. 

?. Der klinische Ausdruck der am Radiogramm eben noch nachweisbaren, be- 
ginnenden Knorpeldestruktion ist die pathognomonische Stellung in Adduktion 
ohne klinisch nachweisbaren Trochanterhochstand. 

8. Der klinische Übergang von Abduktion in Adduktion konnte so an der 
Hand von Röntgenbildern erklärt werden. 

9. Die synoviale Form ist die weitaus häufigere. 

10. In Bestätigung der von v. Friedländer zuerst angeführten Beobachtung, 
daß die partielle Einschränkung des Exkursionskegels bei lokalisierter Herderkran- 
kung vorkomme, demonstriert W. Fälle, in denen er die topische Diagnose von 
isolierter Herderkrankung vor der Röntgenaufnahme stellen konnte und betont die 
Wichtigkeit der beiden klinischen Symptome: 1) partielle Einschränkung der Be- 
weglichkeit, 2) atypische pathognomonische Stellung. — Angabe mehrerer Erklä- 
rungen 


Die Röntgenuntersuchung des Koxitikers ist also notwendig nicht nur bei der 
ersten Untersuchung, sondern im weiteren Verlaufe. Diagnostisch sichert sie 
das frühzeitige Erkennen der synovialen Form, prognostisch zeigt sie das Fort- 
schreiten bei synovialen Formen, die Lokalisation, Größe und Gefahr eines Durch- 
bruches ins Gelenk bei Herderkrankungen, therapeutisch, denn sie ist ein 
wichtiger Faktor bei der Indikationsstellung zur Operation. (Selbstbericht.) 


16) Perl (Berlin) demonstriert eine jetzt 19jährige Pat. mit zerebraler 
Kinderlähmung, an der er vor 21/, Jahren mehrere Sehnenoperationen vorge- 
nommen hat. Es handelte sich um eine rechtsseitige Hemiplegie spastischer Natur 
mit besonderer Beteiligung der oberen Extremität. Die Hand stand extrem ge- 
beugt und ulnarwärts abduziert, die Finger waren zusammengekrallt und aktiv un- 
beweglich. Flexor carpi uln. wurde durchschnitten und teilweise exzidiert, Flexor 
carpi rad. wurde durchschnitten und durch das Lig. interosseum auf den verkürzten 
Extens. carpi. uln. transplantiert. Ext. carpi rad. ebenfalls, und zwar etwas stärker 
verkürzt. Die vier Fingersehnen des Flex. digit. profundus wurden einzeln ver- 
längert. Resultat kosmetisch vorzüglich, die Hand steht leicht überstreckt, Finger 
in geringer Beugestellung; funktionell ist erreicht, daß Gegenstände gehalten 
werden, und so die rechte Hand ein wichtiger Mitarbeiter für die gesunde ge- 
worden ist. Den Vorteil seiner Operationsweise sieht P. darin, daß die bei der 
Verkürzung der Extensorensehnen der Finger leicht eintretende Überstreckung 
durch die Verlängerung der Fingerbeuger vermieden wird. Die vorher an diesem 
Arm aufgetretenen spastisch choreatischen Zustände stellen sich spontan nicht mehr 
ein, dagegen werden beim Zufassen der Hand, beim Einsetzen der Intention un- 
willkürliche, spastische Mitbewegungen ausgelöst. An der rechten unteren Extre- 
mität wurden die Adduktoren durchschnitten und der hochgradige Spitzplattfuß 
durch Verlängerung der Achillessehne und Uberpflanzung des Extens. halluc. long. 
auf den außerdem verkürzten Tibial. antic. zum größten Teil ausgeglichen. Der 
Gang ist durch diese Operationen erheblich gebessert, ein bisher getragener 
Schienenapparat entbehrlich geworden. (Selbstbericht.) 


17) Schlee (Braunschweig) demonstriert einen Retentionsapparat für 
angeborene Hüftverrenkung, welche aus irgendeinem Grunde der Einren- 
kungsbehandlung nicht zugänglich ist. 


18) Becher (Münster): Über die Einrenkung veralteter kongenitaler 
Hüftgelenksluxation. 

B. empfiehlt eine permanente Extensionsbehandlung mit Gewichten bis zu 
inem Zentner, welche eine Zeitlang vor der Einrenkung durchzuführen ist. Die 
Einrenkung ist dann selbst bei älteren Fällen überraschend leicht. 


806 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 


Diskussion. Reiner, Heusner, Bade, Böcker, Drehmann sprechen 
über Technik der präventiven Extension. 
Lorenz warnt vor der Einrenkung doppelseitiger Hüftverrenkungen bei 
älteren Kindern. Er empfiehlt bei älteren Fällen die Inversion des Kopfes. 
Drehmann hat ebenfalls mit der Inversion bei Erwachsenen gute Resultate 
gesehen. Hier stellten die vorhandenen Schmerzen die Indikation zum Eingriff. 
Drehmann (Breslau). 


19) Codivilla (Bologna): Uber die Behandlung des angeborenen 
Schiefhalses. 

Bei der Behandlung des angeborenen Schiefhalses sind die postoperativen 
Maßnahmen von großer Wichtigkeit. In leichteren Fällen kann sich das Opera- 
tionsverfahren auf das einfache modellierende Redressement beschränken. Um die 
subkutane Muskelzerreißung zu erleichtern, bedient man sich mit Vorteil des Myo- 
klasten, den ich mir zu demonstrieren erlaube. Dieses Instrument ermöglicht eine 
subkutane Zerreißung des Muskels, ohne eine Kontusion der Haut zu verursachen. 
In anderen Fällen kann man durch die offene Myotomie, und in sehr schweren und 
inveterierten Fällen durch die Exstirpation des Sterno-cleido-mastoideus nach 
v. Mikulicz den durch den retrahierten Muskel bedingten Widerstand von seiten 
der anderen Weichteile und der Wirbelsäule beheben. Letztere zeigt die einer 
gewöhnlichen Skoliose zukommenden Veränderungen. Diese abnormen Verhält- 
nisse, die nicht selten die Ursache der leider sehr zahlreichen Rezidive nach Ope- 
rationen bilden, werden durch eine auf ausgiebigen Bewegungen basierende Nach- 
behandlung eliminiert. 

Ich bin kein Freund der übertriebenen unmittelbar nach der Operation vor- 
genommenen Hyperkorrektionen. Ich verwende die Immobilisierung mit einem 
Gipsapparate in leicht hyperkorrigierter Stellung; in 10 bis 12 Tagen wird der 
Apparat durch einen Verband von Schanz oder durch eine federnde Extensions- 
schlinge, deren Photographie ich hier zeige, ersetzt. Pat. übt täglich, ohne den 
Apparat abzulegen, zwei- bis dreimal Bewegungen aus, welche die retrahierten 
Teile wieder ausdehnen und die Krümmungen der Wirbelsäule ausgleichen sollen. 
Diese zugleich aktiven und passiven Bewegungen werden durch einen dem 
Schulthess’schen ähnlich konstruierten Pendelapparat reguliert; derselbe ermög- 
licht alle zur Ausgleichung der Deformität nötigen Bewegungen in den verschiedenen 
Stellungen des Kopfes und Halses. Nach 2 Wochen wird der Verband abgenom- 
men; die weitere Behandlung besteht in der Fortsetzung der obengenannten Be- 
wegungen. (Selbstbericht.) 


Diskussion. Wullstein, Schanz. 


20) Sachs (Berlin) berichtet über einen Fall von Muskelüberpflanzung 
zum Ersatz des gelähmten Deltoides. 


21) Froelich (Nancy): Einige Fälle von lateralwärts schnellendem 
Knie. 

F. demonstriert drei Fälle von angeborenen, unwillkürlich lateralwärts federn- 
den Knien. 

Das Schnellen geschieht 2—8mal in der Minute. Nacheinander folgende 
Muskelzuckungen des Biceps, dann der Muskeln des Pes anserinus erzeugen das 
Federn, das erschlaffte Gelenkbänder und abgeflachte Schienbeinknorren vorbe- 
reiten. Ein starrer Knieverband verhindert das Federn, das auch durch Massage 
und Elektrizität günstig beeinflußt wird. Drehmann (Breslau). 


22) v. Aberle (Wien). Zur operativen Behandlung hochgradiger 
Handgelenkskontrakturen. 

Da den zur Korrektur hochgradiger Handgelenkskontrakturen angegebenen 
Verfahren (Verlängerung sämtlicher Sehnen der Beugeseite oder Verkürzung der 
Vorderarmknochen durch Resektion eines Knochenstückes) verschiedene Nachteile 
anhaften, nimmt Vortr. die Verlängerung durch eine Muskelplastik im Be- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 807 


reiche des Caput commune dort, wo die Sehnen noch vereinigt sind, vor, in- 
dem er den oberflächlichen Anteil des Caput commune als flachen Lappen nach 
oben zu in toto ausschneidet. Derselbe enthält die Ursprünge des Flexor carpi 
radialis, Palmaris longus und des ganzen oberflächlichen Fingerbeugers. 

Der Flexor carpi ulnaris muß gesondert verlängert werden. 

Aus der Beschreibung der Operationstechnik ist besonders hervorzuheben, daß 
der abpräparierte Muskellappen in Kontakt mit seinen Gefäßen und Nerven 
bleibt. Die vier Sehnen des tiefen Fingerbeugers werden sodann weiter distal- 
wärts, wo sie sich schon differenziert haben, einzeln verlängert. 

Bei der Handgelenksstreckung wird der ganze abgekappte Lappen in der 
Längsrichtung distalwärts verlagert und für ihn gleichsam eine neue Ansatzstelle 
mit breiter Berührungsfläche geschaffen. 

A. hat die Operation bereits in zwei schweren Fällen mit gutem Erfolg aus- 
geführt. (Selbstbericht.) 


Diskussion. Drehmann hat fast die gleiche Operation bei ischämischer 
Muskelkontraktur vor 2 Jahren angegeben. 


23) Deutschländer (Hamburg): Über die Anwendung der Stauungs- 
hyperämie bei orthopädischen Operationen. 

D. empfiehlt die Stauungshyperämie besonders zur Beschleunigung der Callus- 
bildung nach Osteotomien. 


24) Schultze (Duisburg): Demonstration neuer Apparate. 
Drehmann (Breslau). 


25) Lange (Straßburg): Stereoskopische Röntgenaufnahmen, ins- 
besondere der Hüftgelenke, mit Demonstrationen. 

Nach kurzer Besprechung des Wertes stereoskopischer Röntgenaufnahmen von 
Rumpf und Becken geht L. auf die Technik der Ausführung ein. Besonders 
wichtig ist die möglichst gute Fixation des Pat. L. hat zu diesem Zweck eigene 
Pelottenfixatoren anfertigen lassen, welche leicht an den Untersuchungstisch an- 
geschraubt und in jeder Höhe und Richtung von beiden Seiten gegen den Körper 
oder das betreffende Glied befestigt werden können. L. benutzt die Vorrichtung 
des elektrotechnischen Laboratoriums Aschaffenburg. Einige kleine Abänderungen 
erleichtern ein exaktes Arbeiten. Als Entfernung der Lampe von der Platte wer- 
den 40—50 cm angewandt und die seitliche Verschiebung der Lampe zwischen 
4-5 cm gewählt. Beide Aufnahmen werden hintereinander auf getrennten Platten 
gemacht. 

Die Verkleinerung beider Bilder geschieht entweder: 

1) Mit gewöhnlicher Camera 9/12. Die Bilder werden in entsprechender Größe 
zurechtgeschnitten und in der nötigen Entfernung auf eine Platte aufgekittet. 

2) Mit stereoskopischer Camera. Um die beiden Bilder genau einstellen zu 
können hat L. den Durchleuchtungskasten an einem Schienensystem befestigt, wel- 
ches in horizontaler und vertikaler Richtung jede Verschiebung gestattet, und hat 
die Mattscheibe ersetzt durch eine Glasplatte mit rechtwinklig in halber Zentimeter- 
teilung sich schneidendem Liniensystem. So ist für das rechte und linke Bild die 
genaueste Einstellung garantiert. 

3) Nachdem Kopien von den Originalplatten hergestellt sind, werden jene in 
entsprechender Entfernung aufgehängt und in 13/18 Camera auf eine Platte ver- 
kleinert. 

Die Demonstration erstreckt sich auf 36 außerordentlich klare, feinste Struktur 
zeigende Originalplatten. Außer normalem Handgelenk, Arthritis deformans beider 
Hände, werden demonstriert tuberkulöse Herde in Epiphyse und Diaphyse der 
Tibia, Caries der Brustwirbelsäule mit Abszeß im hinteren Mediastinum, Caries der 
Lendenwirbelsäule mit Sequester im linksseitigen Abszeß. 

Es folgte die Demonstration einer großen Anzahl Hüftgelenke, und zwar zu- 
nächst von Koxitiden in den verschiedensten Stadien des Krankheitsprozesses, sowie 
ausgeheilte Fälle. Das Hauptmaterial bildeten die Hüftgelenksaufnahmen betreffend 


808 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 


die Behandlung der angeborenen Hüftgelenksverrenkung. Es wurden gezeigt so- 
wohl Aufnahmen vor der Behandlung zur genaueren Feststellung der Pfannen- 
verhältnisse usw., als solche während und nach Beendigung der Behandlung, als 
Nachprüfung der Dauerresultate der unblutigen Reposition nach Lorenz. Von 
49 behandelten Gelenken wurden 45 Gelenke funktionell geheilt, und unter diesen 
waren 27 anatomische Heilungen. (Selbstbericht.) 


26) Codivilla (Bologna). Über die Behandlung des angeborenen 
Klumpfußes. 

Bei der Behandlung mittelschwerer und vorgeschrittener Formen des an- 
geborenen Klumpfußes gibt, ohne Rücksicht auf das Alter des Pat., das Lorenz’sche 
Redressement nach meinen Erfahrungen die besten funktionellen Resultate, und 
ich bevorzuge die Methode in allen Fällen, wo zur Nachbehandlung genügend Zeit 
zur Verfügung steht. 

In sehr schweren und hartnäckigen Fällen konnte ich nach vorheriger, 
1—2 Wochen lang unterhaltener Ödemisierung der Weichteile die Korrektion der 
Mißbildung mit erheblich geringeren Schwierigkeiten vornehmen. Die Ödemisierung 
wurde durch ähnliche Mittel wie die bei der Bier’schen Stauungshyperämie an- 
gewendeten erwirkt. 

In anderen Fällen jedoch, dann nämlich, wenn die ökonomischen Verhältnisse 
oder die allzugroße Entfernung des Wohnortes der Kranken die nötige Über- 
wachung und Nachbehandlung nicht zuließen, bin ich durch ein blutiges Verfahren 
zum Ziele gekommen, welches in einer einzigen Sitzung zugleich den Widerstand 
in den Weichteilen aufhebt und die Knochen dauernd in die für eine korrekte 
Haltung des Fußes günstige Stellung bringt. 

Dieser operative Eingriff wurde in den letztverflossenen 3 Jahren im ganzen 
30mal vorgenommen, und läßt sich wohl für die Mehrzahl der so behandelten Pat. 
ein definitives Urteil über den Wert der Methode fällen. 

Ich kann an der Hand dieser Fälle den Beweis liefern, daß die Resultate der 
Operation sowohl in kosmetischer als in funktioneller Beziehung mehr als zufrieden- 
stellend sind. Der Gang der Operation ist leicht verständlich. Die am inneren 
Fußrande befindlichen Muskeln und Sehnen werden freigelegt. Hierauf folgt die 
Durchschneidung der Plantaraponeurose, die Einschnitte für die plastische Ver- 
längerung des Abductor hallucis, der Sehne des Tibialis anterior und der langen 
Zehenbeuger. Sodann werden am I. Keilbein das proximale und das distale Ge- 
lenk eröffnet und die Metatarsalknochen sowie die drei Keilbeine abduziert. Hier- 
auf folgt die Verlängerung der Sehne des Tibialis posterior, die Eröffnung des 
Chopart’schen Gelenkes und des medialen Anteiles beider Sprunggelenke, womit 
die Korrektion der Adduktion und Inflexion des Vorfußes und der Supinations- 
stellung des Fersen- und Sprungbeines ermöglicht wird. Schließlich wird die 
Achillessehne verlängert, die Sprunggelenke werden nach hinten zu weiter eröffnet 
und auf diesem Wege die Spitzfußstellung behoben. Hierdurch gewinnt der Fuß 
seine normale Gestalt wieder, die verlängerten Sehnen werden verbunden, der 
Hautschnitt vernaht. Ein Gipsverband sorgt für Einhaltung der korrigierten 
Stellung. 

Nachbehandlung 2—3 Monate. (Selbstbericht.) 


27) Lange (Straßburg): Zur Therapie des KlumpfuBes. 

Durch Ghillini’s Referat über den Klumpfuß veranlaßt, vertritt L. den von 
J. Wolff, Koenig und Lorenz inaugurierten Standpunkt in der Klumpfuß- 
therapie. Jede Art von Knochenoperation verwirft er, sowie die Phelps’sche 
Operation, welche noch vielfach bei kleinen Kindern angewandt wird, und hält den 
Osteoklasten fiir das beste Instrument zur Beseitigung von Widerständen, welche 
durch die Hand nicht überwunden werden können. 

Bei der Phelps’schen Operation werden nur zwei Gruppen von Knochen in 
andere Lagebeziehungen gebracht, während doch das Ideal des modellierenden 
Redressements darin besteht, daß jeder einzelne Knochen an der Restitution nor- 
maler Lagebeziehungen für sein Teil profitiert. Die Bänder usw. sind unbedingt 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 809 


zur Redression nötig. Wenn man die anatomischen Verhältnisse betrachtet, so 
sieht man, wie die luxierten und subluxierten Knochen wieder reluxiert werden, 
wobei der geschlängelte Verlauf und die Elastizität der Blutgefäße die Ernährung 
der einzelnen Knochen garantiert. 

L. hat seit 1896 seine Klumpfußfälle mittels Röntgendurchleuchtung vor und 
nach dem modellierenden Redressement kontrolliert und nie Infraktionen, Frak- 
turen oder gar Zertrümmerungen der Knochen konstatieren können, wie sie von 
chirurgischer Seite des öftern behauptet worden waren. Zahlreiche Röntgeno- 
gramme hochgradiger Klumpfüße jeden Alters bis zum 38. Jahre vor während 
und nach der Behandlung erläutern dies und zeigen, wie nach Herstellung normaler 
Lagebeziehungen der Knochen unter Wirkung des Transformationsgesetzes der 
Übergang abnormer Knochenform bis in ihre feinere Struktur in normale Form 
zu verfolgen und nachzuweisen ist; oft ist diese Umbildung ganz überraschend 
groß. Selbst die Kapselansätze der verschiedenen Gelenke ändern sich unter der 
neuen Funktion. Nur in seltenen Fällen sind noch Abweichungen von normaler 
Struktur und Form zu finden. Die Innenrotation der Beine in den Hüften muß 
natürlich bei der Herstellung normaler Belastungsverhältnisse bei der Behandlung 
durch geeignete Apparatvorrichtungen zur Außenrotation gebührend berücksichtigt 
werden. Ferner hat L. übereinstimmend mit Vulpius seit Jahren Folgen intra- 
uteriner Poliomyelitis beobachtet und diese Fälle wie die paralytischen Klump- 
füße durch Sehnenüberpflanzungen vollständig und dauernd geheilt. 

Die ideale Heilung des Klumpfußes ist möglichst normale Form und Funktion, 
und beides läßt sich nur mittels modellierenden Redressements erreichen. Von 
Operationen sind nur zulässig Achillotenotomie und Sehnenüberpflanzungen. 

(Selbstbericht.) 


28) Bade (Hannover): Zur Pathologie und Therapie des partiellen 
Tibiadefektes. 

Mitteilung eines Falles, bei welchem B. die Fibula in das vorhandene obere 
Ende der Tibia mit Erhaltung der Epiphysenlinie eingepflanzt hat. 


29) Wittek (Graz): Zur Kenntnis der Destruktionsluxationen des 
Hiiftgelenkes. 
Empfehlung der unblutigen Reposition. 


30) Drehmann (Breslau): Über angeborene Coxa valga. 
D. berichtet über drei Fälle, von denen er zwei als Vorstufen der angeborenen 
Hüftluxation ansieht. 
Diskussion: Spitzy hat ähnliche Fälle bereits beschrieben. 
Drehmann (Breslau). 


6) Kenyeres. Angeborene Mißbildungen und erworbene Verände- 
rungen in Röntgenbildern. 
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. IX. Hit. 5.) 

Verf. beschreibt aus seiner gerichtsärztlichen Praxis verschiedene Fälle oben- 
genannter Art und gibt sie in schönen Röntgenbildern wieder. Beschrieben sind 
Fälle: Von überzähligem Daumen, auffallend schwacher Entwicklung der Ulna, 
doppelseitiger Brachydaktylie am Ringfinger, ein Fall von Proc. supracondyloideus 
am Oberschenkel, überzähligen Zehen, Spalthandbildung und Schlottergelenk. 

Gaugele (Zwickau). 


7) Mahleke. Beitrag zur Kasuistik der Lehre von den Sehnen- 
transplantationen. 
Inaug.-Diss., Kiel, 1905. 
M. publiziert in seiner Inaug.-Diss. 30 Fälle von Sehnentransplantationen aus 
der Kieler chirurgischen Klinik und kommt zu dem Resultate, daß in keinem Falle 


810 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 


durch die Operation den Kranken Schaden zugefügt ist, daß vielmehr in den 
Fällen, die nachuntersucht sind, mindestens eine geringe Stellungsverbesserung, in 
vielen Fällen geradezu glänzende Erfolge erzielt sind. Neben den gewöhnlichen 
Methoden hat sich in der Kieler Klinik die Helferich’sche subperiostale Ein- 
pflanzung der Sehnenenden ausgezeichnet bewährt. Diese Methode hat einmal 
den Vorzug, daß eine Nachdehnung der aktiven Sehne, welche bei anderen Me- 
thoden mehr oder weniger eintritt, fast ganz fortfällt; ferner läßt sie vollkommen 
eine freie Wahl des neuen Insertionspunktes zu. Hartmann (Kassel). 


8) Cramer. Ein Fall von angeborenem Defekt mehrerer Röhren- 
knochen der oberen Extremität. 
(Archiv für Orthopädie, Mechanotherapie und Unfallchirurgie Bd. IV. Hft. 3.) 

Bei einem 13jährigen Mädchen, das sonst gesund und blühend aussah, fand 
Verf. die linke obere Extremität als Rudiment. Nach dem Röntgenogramme be- 
stand die Extremität aus zehn Knochen. Der proximalste war nicht der Humerus, 
sondern die Ulna, die in der Schultergegend in drei eigentümliche Fortsätze aus- 
lief, und deren Länge ungefähr dem Vorderarmknochen eines 13jährigen Kindes 
entsprach. Mit ihm durch ein Gelenk verbunden waren zwei Knochen: ein größerer 
und volar von diesem ein kleinerer Handwurzelknochen. An diese angegliedert 
waren drei Mittelhandknochen, wovon der eine, speichenwärts gelegene, verküm- 
mert, die beiden anderen, kräftig entwickelt, an ihrer Basis verschmolzen waren. 
Sh dem einen artikulierte ein dreigliedriger, mit dem anderen ein zweigliedriger 

ger. 

Da diese Mißbildung ebenfalls zu atypischen Strahlendefekten zählt, ist auf 
die verschiedenen früheren Referate dieses Blattes zu verweisen. 

Hartmann (Kassel). 


9) Chaput. Sur les sutures nerveuses. 
(Bull. et mem. de la soc. de chir. de Paris T. XXXII. p. 127.) 

C. hebt den Wert von Potherat’s einwandsfreier und objektiver Beobach- 
tung (cf. oben) hervor und erwähnt, daß das Vorkommen rascher Wiederkehr der 
Nervenfunktionen nach der Naht, das in einer großen Anzahl von Fällen nachge- 
wiesen worden ist, durch seine eigenen histologischen Untersuchungen begreiflich 
gemacht und erklärt würde; den Grund für unsere bisher noch sehr lückenhaften 
Kenntnisse über die Vorgänge der Wundheilung am Nerven sucht er in der 
Schwierigkeit experimenteller Studien am Tier. C. vertritt den Standpunkt, daß 
bei völliger Trennung der Nerven spontan nie Heilung ohne Funktionsstörung auf- 
treten könne und meint, die in der Literatur berichteten Fälle von Heilung ohne 
Naht des verletzten Nerven seien nur zu erklären durch das Vorkommen hoher 
Teilungen und die Möglichkeit nur unvollkommener Durchtrennung der Nerven- 
stämme. 

Reynier berichtet über zwei Fälle, bei denen nach einer Nervennaht resp. 
nach einer Neurolyse, trotz aseptischen Heilverlaufes, die Funktion sich im Ver- 
laufe mehrerer Wochen nicht wieder herstellte und erst wiederkehrte, nachdem der 
Nerv durch eine zweite Operation aus einer schnürenden Narbe befreit und die 
dadurch verursachte Perineuritis behoben worden war. Thümer (Chemnitz). 


10) Potherat. Paralysis cuhitale par section du nerf cubital. Suture 
du nerf. Rétablissement de la sensibilité et de la motilité. 
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXII. p. 50.) 

Ein 40jähriger Arbeiter gelangte 2 Monate, nachdem er infolge eines Sturzes 
vom Rad einen Bruch des rechten Ellbogengelenkes mit folgender Lähmung des 
Nervus ulnaris und radialis erlitten hatte, in chirurgische Behandlung; es bestand 
Funktionsausfall und Atrophie der von genannten Nerven versorgten Muskeln; die 
elektrische Erregbarkeit der vom Ulnaris innervierten Muskeln war erloschen, die 
der Strecker erhalten. Valgusstellung des Ellbogengelenkes; Beugung frei; 
Streckung nur bis zu 45° möglich; in der Rinne hinter dem Condylus internus 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 811 


fand sich eine knöcherne Geschwulst, deren Berührung dem Kranken starke 
Schmerzen machte; bei der vorgenommenen Operation wurde der Nervus ulnaris 
oberhalb der Geschwulst, in die er sich verlor, aufgesucht und nach Abmeißelung 
der Geschwulst verfolgt; dabei zeigte sich, daß der Nerv vollkommen durchtrennt 
war; nur durch dünne Bindegewebsfasern waren die beiden Enden noch verbunden. 
Naht des Nerven nach Anfrischung der beiden Enden; nach einigen Stunden 
Rückkehr der Sensibilität, am folgenden Tage Streckung und Beugung der Finger 
und des Handgelenkes möglich; völlige Heilung 14 Tage nach der Operation. 
Die Radialislähmung betrachtet P. als eine hysterotraumatische, obwohl Pat. 
keinerlei nervöse Erscheinungen aufwies und kein Alkoholiker war. 
Thümer (Chemnitz). 


11) ©. Klauber. Veraltete komplette Vorderarmluxation (Umdrehungs- 
luxation nach hinten), geheilt durch Arthrotomie. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVIII. Hft. 2. p. 425.) 


Durch Fall von einem hochbeladenen Wagen erlitt eine Pat. eine komplette 
Verrenkung des Vorderarmes im Ellbogengelenk nach außen und hinten, mit 
starker Rotation im Sinne der Supination. Der Arm stand in Streckstellung. Nach- 
dem mehrere erfolglose Repositionsversuche vorausgegangen waren, kam die irre- 
ponible veraltete (6 Monate) Verrenkung zur Operation, die in Arthrotomie mit 
Hüter’schem Bilateralschnitt bestand. Als Hindernis der unblutigen Reposition 
fanden sich, abgesehen vom Zug des verkürzten Triceps, hochgradige arthritische 
Kapsel- und Gelenkveränderungen. Bei der Operation gelang die Reposition leicht, 
doch trat im weiteren Verlauf noch 2mal eine Ausrenkung ein, die erst nach Teno- 
tomie der Tricepssehne definitiv beseitigt wurde. 

Bei ungestörtem Heilungsverlauf ergab sich unter einem Gipsverband in 
rechtwinkliger Stellung und infolge frühzeitig begonnener Bewegungsübungen ein 
überraschend gutes funktionelles Resultat mit einer aktiven Beweglichkeit von 60°. 

Verf. empfiehlt daher für veraltete irreponible Ellbogenverrenkungen die Arthro- 
tomie anstelle der Resektion, da erstere bessere funktionelle Resultate mit beweg- 
lichem Gelenk liefere. Reich (Tübingen). 


12) M. Martin (Togo). Symmetrische Handrückenlipome bei Togo- 
negern. 
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 20.) 


Bei Togonegern findet sich nicht selten auf beiden Handrücken in der Mitte 
in symmetrischer Anordnung Lipombildung von der Größe einer längsdurch- 
schnittenen Pflaume; die Geschwulst liegt zwischen Mitte des III. Metakarpal- 
knochens und dem Handgelenk und stellt ein Lipoma arborescens dar, das mit 
dem Ligt. carp. transversum und den Sehnenscheidensäcken der mittleren Finger 
eng verbunden ist. Hieraus folgen leicht Bewegungsstörungen der Finger; im 
ersten Falle kam es durch Vergrößerung und cystische Degeneration der Geschwulst 
sogar zu Spontanverrenkung der Metacarpi. Kramer (Glogau). 


13) Karrer. Beitrag zur Lehre von den Kahnbeinbrüchen der Hand- 
wurzel. 
Inaug.-Diss., Kiel, 1905. 

Beschreibung und Wiedergabe der Röntgenskizzen zweier Fälle von Kahnbein- 
brüchen der Handwurzel, von denen der eine durch direkte Quetschung, der andere 
durch Fall auf die ausgestreckte linke Hand aus einer Höhe von 3 m entstanden 
war. Bemerkenswert war in dem ersten Falle, daß derselbe lange Zeit für Tuber- 
kulose gehalten wurde, bis die Röntgenuntersuchung in der Kieler chirurgischen 
Klinik die Diagnose sicherstellte. K. gibt eine kurze Übersicht über die einschlä- 
gige Literatur und betont die Wichtigkeit der Röntgenuntersuchung gerade bei 
solchen, oft als Kontusion gedeuteten Verletzungen. Therapeutisch werden in 


812 Zentralblatt ftir Chirurgie. Nr. 29. 


frischen Fällen frühzeitige Bewegungen, in veralteten oder bei Pseudarthrosen- 
heilungen die Exstirpation eines der Fragmente empfohlen. 
Deutschländer (Hamburg). 


14) Schade. Kasuistischer Beitrag zu den Luxationen im Handgelenk 
auf Grund pathologischer Zustände. 
Inaug.-Diss., Kiel, 1906. 

Mitteilung eines Falles von doppelseitiger Madelung’scher Handdeformität, 
der als Nebenbefund bei einem 19jährigen Mädchen in der Kieler chirurgischen 
Klinik erhoben wurde. Der Radius zeigte eine radio-dorsalkonvexe Verkrümmung, 
das distale Ulnaköpfchen sprang dorsalwärts wie eine taubeneigroße Geschwulst 
vor und war vollkommen aus den physiologischen Verbindungen mit Radius und 
Carpus gelöst, während der Radius seine normalen Verbindungen zur Handwurzel 
behalten hatte. Funktionell bestand eine Erweiterung der Volarflexion und Ulnar- 
abduktion, während Dorsalflexion und Radialadduktion eingeschränkt waren; Pro- 
und Supination waren nicht behindert. Bemerkenswert an diesem Falle ist, daß 
die Subluxationsdeformität sicher schon im 8. Lebensjahre der Pat. bestanden 
hatte. Da Trauma und entzündliche Affektionen in der Anamnese nicht festgestellt 
werden konnten, so nimmt S. Rachitis als Ursache an. Eine Übersicht über die 
bekannt gewordenen Fälle sowie zwei gut wiedergegebene Röntgenbilder schließen 
die Abhandlung. Deutschländer (Hamburg). 


15) v. Eiselsberg. Ein bemerkenswerter Fall von Elephantiasis. 
(Aus der Sitzung der k. k. Gesellschaft der Ärzte in Wıen vom 16. Februar 1906.) 
(Wiener klin. Wochenschrift 1906. Nr. 8.) 

Betrifft die rechte untere Extremität eines sonst gesunden 24jährigen Mannes, 
die in eine unförmige große Geschwulst umgewandelt ist. Beginn im 8. Lebens- 
jahre. Jede aktive Bewegung ist aufgehoben. Verrenkung der Hüfte. Starke 
Diastase des Kniegelenks (Femur und Tibia weit auseinander). Unterschenkelknochen 
sind bloß bis zur Mitte erhalten, fehlen weiter unten vollkommen. Nur spärliche 
Andeutungen der Metatarsalknochen, die weit auseinander gerückt erscheinen. 

Hübener (Liegnitz). 


16) Spitzy. Zur Transformationsmechanik der angeborenen Hüft- 
luxation. 
(Archiv für Orthopädie, Mechanotherapie und Unfallchirurgie Bd. IH. Hft. 3.) 

Verf. beschreibt zwei Fälle von angeborener Hüftverrenkung. Im ersten Falle 
ist der Kopf nach vorn aus der Pfanne getreten und steht unter der Schenkel- 
arterie. Die Beine stehen gestreckt, abduziert und nach außen rotiert. Der 
Trochanter sieht direkt nach rückwärts, der Kopf nach vorn, so daß der Ober- 
schenkel einfach um 90° nach außen gedreht ist. Muskel- und Bänderwiderstände 
widersetzen sich jeglichen Korrektionsbewegungen. 

Im zweiten Falle wird das linke Bein abduziert, leicht flektiert und nach innen 
rotiert gehalten. Der Trochanter steht 1 cm oberhalb der Roser-N&laton’'schen 
Linie. Während im linken Hüftgelenk alle Bewegungen bis auf eine Abduktions- 
bewegung frei sind, sind im rechten Hüftgelenk außer leichter Beugung und 
Streckung alle übrigen Bewegungen vielfach eingeschränkt und zum Teil unmöglich. 
Hier liegt der Kopf genau in der Mitte der Leistengegend unter der pulsierenden 
A. femoralis. 

Beide Fälle weisen nach Verf.s Ansichten einen unverkennbaren Zusammen- 
hang auf; im ersten sehen wir einen jener selten beobachteten Fälle einer Ver- 
renkung nach vorn und oben (Luxatio praecotyloidea), von der die Autoren sagen, 
daß sie als Frühform häufiger sei und später gelegentlich in eine Luxatio iliaca 
übergehen könne. Der zweite Fall zeigt uns auf der einen Seite (rechte) dieselbe 
Deformität und ist auf der anderen Seite (links) die denkbar schönste Illustration 
für diese Wanderung der Schenkelköpfe nach rückwärts. Während am rechten 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 813 


unbelasteten Beine der Typus der Luxatio praecotyloides bestehen blieb, hat der 
Yinke Schenkelkopf bereite einen großen Teil seiner Wanderung zurückgelegt, die 
ihm schließlich in die Stellung der Lmxatio iliaca bringt. Der Schenkelkopf ist 
noch unter der Spina ilei deutlich zu tasten, doch ist die Außenrotation nicht 
mehr so hochgradig wie am rechten Bein; auch die Trochanterspitze sieht nicht 
mehr direkt nach hinten. 

Diese Rückwärtswanderung des Kopfes bringt Verf. nach Heuser mit der 
langsam zunehmenden Beckenneigung in Zusammenhang, wodurch stets weiter 
rückwärts gelegene Teile des Darm- und Kreuzbeines über die Schenkelköpfe 
gebracht werden; infolgedessen scheinen nur die Schenkelköpfe nach rückwärts zu 
wandern, während sie in Wirklichkeit nach oben streben. 

Hartmann (Kassel). 


17) Muscatello. Sulla riduzione cruenta della lussazione patologica 
dell’ anca. 
(Bollettino della società medico-chirurgica di Pavia 1905.) 


In dem beachtenswerten Falle des Verf.s handelt es sich um einen 41/>jährigen 
Knaben, der etwa 6 Monate vorher unter fieberhaften Erscheinungen an einem 
Pyarthros des linken Hüftgelenkes erkrankt war. Bei Inzision des fluktuierenden 
Abszesses der Hüfte wurde von dem behandelten Arzte der Kopf bereits außerhalb 
der Pfanne vorgefunden. Als Verf. den Knaben sah, bot er die Zeichen einer 
Luxatio supracotyloidea mit absoluter Unmöglichkeit zu gehen und zu stehen. M. 
legte nun das Hüftgelenk nach Kocher frei, exstirpierte das fibröse Gewebe und 
die Nearthrose, welche sich am Hüftbein um den Oberschenkelkopf gebildet hatte, 
Letzterer, der deformiert und abgeplattet war, wurde durch subperiostale Abhebe- 
lung der Muskelansätze bis zum kleinen Trochanter abwärts skelettiert. Nun wurde 
die Pfanne unter sorfältiger Schonung der spärlichen Knorpelreste wieder frei 
gemacht. Jetzt gelang es, den Kopf einzurenken und die Reposition durch Ab- 
duktion und leichte Innenrotation des Beines zu erhalten. Die abgehebelten 
Muskelansätze wurden wieder angelegt und durch Nähte fixiert; Naht der Kapsel- 
reste und der Wunde. Extensionsverband in beschriebener Beinstellung. Der Er- 
folg der Operation war ein recht ermutigender: Gute Gefähigkeit, fast normale 
Länge des Beines, Beweglichkeit des Beines in mittleren Grenzen. (Beobachtungs- 
zeit 3 Monate). M. führt das erfreuliche Resultat zum größten Teil auf die prima 
reunio der Wunde und die Schonung des Muskelapparates zurück. 

A. Most (Breslau). 


18) J. P. Hetherington. A closefitting hip splint, intended especially 
for fracture. 
(Amer. journ. of surg. 1906. Mai.) 

Die Schiene erinnert an die Bruns’sche, sie ist aus Aluminium, besteht aus 
zwei zu verlängernden Seitenstangen, die unten in ein Fußbrett, oben in einen 
Sitzring enden. Letzterer, das ist das neue, ist hinten breit, so daß der Druck 
auf die ganze Glutäalgegend übertragen wird. Der Unterschenkel wird durch 
Heftpflasterstreifen extendiert, die unten am Bügel, der die beiden Schienen ver- 
bindet und das Fußbrett umgreift, befestigt werden. Goebel (Breslau). 


19) H. v. Haberer. Ein Fall von Mißbildung. 
(Aus der Sitzung der k. k. Gesellschaft der Arzte in Wien vom 19. Januar 1906.) 
(Wiener klin. Wochenschrift 1906. Nr. 4.) 

Bei dem jährigen Mädchen sind die Oberschenkel auffallend kurz, abduziert, 
die Unterschenkel auffallend lang. Die zweite linke Zehe fehlt und, wie die Pal- 
pation ergibt, auch die linke Fibula und das linke Femur. Der rechte Oberschenkel- 
knochen besteht, erscheint aber wesentlich verkürzt. Das Röntgenbild fügt dem 
noch eine hochgradige Verbildung des rechten Oberschenkelkopfes hinzu. Dabei 
muß die Funktion dieser hochgradig verbildeten Extremitäten eine relativ aus- 


814 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 


gezeichnete genannt werden. Das Kind ist imstande, nicht nur umherzugehen, 
sondern auch zu laufen. Es stemmt den Kopf der linken Tibia gegen das Becken 
unter gleichzeitiger Senkung des Beckens auf diese Seite. 
Hübener (Liegnitz). 
20) H. v. Haberer. Knochencysten. | 
(Aus der Sitzung der k. k. Gesellschaft der Arzte in Wien vom 19. Jauuar 1906.) 
(Wiener klin. Wochenschrift 1906. Nr. 4.) 

Bei einem 17jährigen Pat. hatte sich nach einem Oberschenkelbruch innerhalb 
10 Jabren eine Knochencyste an der Bruchstelle entwickelt, wodurch es zu einer 
nach auGen konvexen Kriimmung im betroffenen Oberschenkel gekommen war 
(Röntgenbild). 

In einem anderen Falle, der ein 19jähriges Mädchen betraf, war es im An- 
schluß an ein ganz geringfügiges Trauma zu einem Oberarmbruch gekommen. 
Hier ergab das Röntgenbild das Bestehen einer Knochencyste im Bereiche der 
Bruchstelle. Es trat vollkommene Heilung mit fester Konsolidation und Ver- 
schwinden der Cyste ein. 

Wie schon weiland v. Mikulicz, der die Affektion als Osteodystrophia cystica 
bezeichnet hat, betonte, sind die Knochencysten im allgemeinen als gutartig an- 
zusprechen. Hübener (Liegnitz). 


21) Lesser. Eine seltenere Erkrankung am Knie. 
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 12.) 

Bei dem 14jährigen Pat. handelte es sich, wie das Röntgenbild zeigte, um eine 
Einreißung resp. Knickung des von der genualen Tibiaepiphyse nach abwärts 
herabsteigenden schnabelförmigen Fortsatzes. Die Affektion ist von Schlatter 
richtig gedeutet worden. Borchard (Posen). 


22) Perrin et Parisot. Fractures spontanées de la rotule au cours 


du tabes dorsalis. 
(Province méd. 1906. Nr. 9.) 

Verff. berichten über einen Fall von Kniescheibenbruch bei Tabes; er ereig- 
nete sich 5 Jahre nach dem Auftreten der ersten Symptome der Tabes und zeigte 
keine Neigung zur Konsolidation. Nichtsdestoweniger konnte der Kranke unge- 
hindert gehen. Die Diastase der Fragmente war sehr groß. 

A. Hofmann (Karlsruhe). 


23) O. L. Schneider. Uber einen Fall von myelogenem Sarkom der 
oberen Tibiaepiphyse. 
Inaug.-Diss., Kiel, 1905. 

Ein etwa eigroßes myelogenes Riesen-Spindelzellensarkom der oberen Tibia- 
epiphyse wurde nach Resektion seiner vorderen Wand exkochleiert. Die durch 
Einbruch der oberen Wand mit dem Kniegelenk entstandene Kommunikation 
wurde durch einen Fascienlappen geschlossen. Durch Kompression der Vena 
femoralis wurde die Knochenhöhle mit feuchtem Blutschorf plombiert. Bemerkens- 
wert ist noch entgegen den Beobachtungen von Beck, daß das Röntgenbild eine 
scharf umgrenzende Knochenschale bot, während dieselbe gerade zum Unterschiede 
von Knochencysten unregelmäßig gestaltet sein sollte. 

A. Hofmann (Karlsruhe). 


24) Kaehler. Doppelseitiger, teilweiser, kongenitaler Tibiadefekt. 
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. IX. Hft. 4.) 

Verf. schließt an die bisher veröffentlichten Fälle der verhältnismäßig seltenen 
Mißbildung einen selbst beobachteten an. Auf der einen Seite fehlt nur die untere 
Epiphyse, auf der anderen die zwei unteren Drittel. Beiderseits endigt das untere 
Tibiaende in einem fingeraébnlichen, von Haut umgebenen Fortsatz auf der Vorder- 
seite des Unterschenkels. Die Anschauung, daß bei dem Zustande der partiellen 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 815 


Defekte der Tibia amniotische Abschnürungen mitwirken können, wird durch diesen 
Fall insofern gestützt, als neben einer Einschnürung und Verkürzung der Großzehe 
vier ausgesprookene Hautdellen vorhanden sind. Gaugele (Zwickau). 


25) Teufel. Zwei Fälle von schwerer Verletzung des Fußes. 
Inaug.-Diss., Kiel, 1905. 

Die vorliegende Dissertation liefert zwei bemerkenswerte Beiträge zur Frage 
der Amputation bei jugendlichen Individuen aus der Helferich’schen Klinik. 
In beiden Fällen handelte es sich um 10jährige Knaben, denen von der elektri- 
schen Straßenbahn der Fuß überfahren war, und bei denen die gleichzeitigen 
Weichteilverletzungen die Amputation im unteren Drittel des Unterschenkels not- 
wendig gemacht hätten. Aus Rücksicht auf die daraus resultierenden Wachstums- 
verkürzungen wurde der Versuch gemacht, die Amputation mit Erhaltung der 
unteren Epiphyse vorzunehmen. Die Weichteildefekte wurden, nachdem sich unter 
konservativer Behandlung die nekrotischen Weichteilpartien abgestoßen hatten, 
im ersten Falle durch Thiersch’sche Transplantationen, im zweiten durch einen 
gestielten Hautlappen gedeckt, der von der Wade des gesunden Unterschenkels 
entnommen wurde; im letzteren Falle wurde der gesunde Unterschenkel längere 
Zeit hindurch durch einen Gipsverband an den verletzten fixiert. Beide Fälle 
wurden längere Zeit, 5 und 2 Jahre, beobachtet. Die Tragfähigkeit des ersten, 
mit Thiersch’schen Transplantationen gedeckten Stumpfes zeigte gewisse 
Mängel, wenn auch der Gang befriedigend war; auch resultierte hier eine stärkere 
Wachstumsverkiirzung nach 5 Jahren, weil bei der Amputation ein erheblicher 
Teil der Epiphysenlinie batte geopfert werden müssen. Dagegen war das funk- 
tionelle Ergebnis des mit dem gestielten Hautlappen gedeckten Stumpfes ein sehr 
günstiges; der Stumpf war vollkommen tragfähig, und Pat. konnte sich schnell 
und sicher und ohne zu hinken fortbewegen. Das Wachstum der Knochen beider 
Unterschenkel ging völlig gleichmäßig vor sich, und auch noch nach 2 Jahren be- 
trug die Differenz wie ursprünglich nur 11/3, cm, die auf den Wegfall der Knöchel 
zu beziehen war. Bei einem kurzen Hinweis auf die verschiedenen Methoden der 
Stumpfbedeckung und der Erzielung der Tragfähigkeit schließt die Abhandlung. 
Die Abbildungen der Verletzten sowie die Röntgenbilder der Stümpfe sind der 
Dissertation beigefügt. Deutschländer (Hamburg). 


26) O. E. Schulz. Zur Kasuistik des Fersenbeinbruches. 
(Wiener klin. Wochenschrift 1906. Nr. 4.) 

S. vermehrt die bereits ziemlich reichhaltig gewordene Literatur über Fersen- 
beinbriiche um einen in der Hochenegg’schen Klinik beobachteten doppel- 
seitigen Fall von Fersenbeinbruch, der dadurch ein besonderes Interesse gewinnt, 
daß — bedingt durch die Atiologie (Art des Falles) — auf der einen Seite eine 
echte Kompressionsfraktur mit Abbruch des Sustentaculum tali, auf der anderen 
Seite eine Rißfraktur zustande gekommen war. 

Dlustration durch Röntgenbilder. Hübener (Liegnitz). 


27) Gräff. Ein Fall von Fractura tali. 
Inaug.-Diss , Kiel, 1905. 

Ein Maurer fällt von der Höhe des zweiten Stockwerkes in einen Keller und 
zieht sich dabei eine Fraktur des rechten Talus am UÜbergange von Körper und 
Hals zu, so daß der Körper hinter, Kopf und Hals vor der Tibia lagen. (Gutes 
Röntgenbild.) Gleichzeitig bestand ein Bruch des Malleolus internus, dessen Spitze 
sich zwischen die Talusfragmente hineingeschoben hatte. Da die unblutige Repo- 
sition nicht gelingt, sofort Arthrotomie und blutige Reposition — ohne Naht der 
Fragmente ıGeh.-Rat Helferich). Unmittelbar nach der primären Heilung Be- 
wegungsübungen, nach ca. 6 Wochen Entlassung aus der klinischen Behandlung. 
Befund 8 Wochen nach der Verletzung: Dorsalflexion rechts bis 80°, links bis 70°, 
Plantarflexion rechts bis 110°, links bis 120°. Supination rechts 10°, links 30°; 
Pronstion rechte 5°, links 10° ausführbar. Gang ohne zu hinken. Keine Muskel- 


816 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 


atrophie. Im Anschluß an diesen Fall Mitteilung eines zweiten von komplizierter 
Talusfraktur mit Eröffnung des Gelenkes, der konservativ behandelt wurde. Über 
das Endresultat dieses Falles wird nichts berichtet, da sich dex Verletzte der 
Kontrolle entzog. G. weist auf den Standpunkt der Helferich’schen Klinik hin, 
bei Talusfrakturen nach Möglichkeit den Talus nicht zu exstirpieren, sondern zu 
erhalten. Deutschländer (Hamburg). 


28) R. Stich. Uber Veränderungen am Fußskelett nach Talus- 
exstirpation. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVIL Hft. 3. p. 531.) 

In vier Fällen von Sprunggelenksresektion mit Entfernung des Talus bei 
jugendlichen Individuen stellte Verf. auf Grund der vor und 14—34 Monate nach 
der Operation hergestellten Röntgenogramme vergleichende Untersuchungen über 
die Veränderungen des Fußskeletts an. Als Hauptresultat ergab sich, daß der 
Verlust des Talus durch Veränderungen des Calcaneus und anderer Knochen zu 
einem beträchtlichen Teil ausgeglichen werden kann. Diese Veränderungen 
bestehen in Aufrichtung und gesteigertem Höhenwachstum des Calcaneus, Ver- 
größerung der ganzen unteren Tibiaepiphyse sowie Größenzunahme des Naviculare 
und Cuboid. Diese kompensatorischen Vorgänge] erleichtern den Entschluß zu 
einer radikalen Frühoperation. 

‚Die funktionelle Form und Architektur der Fußknochen ließen sich nicht ganz 
in Übereinstimmung mit dem W olff’schen Gesetz bringen, wodurch jedoch dessen 
Richtigkeit nicht tangiert werden soll. Dagegen ließ sich Haglund’s Schema 
der Strukturlinien des Calcaneus regelmäßig bestätigen. Reich (Tübingen). 


29) M. Hofmann. Zur Pathologie des angeborenen partiellen Riesen- 
wuchses. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVII. Hft. 2. p. 391.) 

Die mit Syndaktylie vergesellschaftete Abnormität betraf die L—IIH. Zehe 
nebst Metatarsen bei einem sonst normal entwickelten, intelligenten Jungen von 
12 Jahren. Die Haut war etwas verdünnt, die Fettschicht der Fußsohle enorm 
hypertrophisch, Blut- und Lymphgefäße, Muskulatur und Nerven normal. Die 
betroffenen Knochen sind im Längen- und Querdurchmesser stark vergrößert und 
bieten das Bild hochgradiger exzentrischer Knochenatrophie. Periost und Peri- 
chondrium ist stark verdickt. Die weitere eingehende mikroskopische Untersuchung 
der durch Exarticulatio pedis intertarsea anterior gewonnenen Knochen weist auf- 
fallende Veränderungen besonders an den Epiphysenfugen nach. Diese zeigen 
die Erscheinungen gesteigerten Längenwachstums, vermehrter vorzeitiger Ossifika- 
tion und im Zusammenhang damit eine reichlichere Vaskularisation der Ossifika- 
tionszonen. Die gleichzeitige Steigerung des appositonellen Dickenwachstums 
bewahrt den Knochen ihre proportionale Form. Daneben verlaufen im Epiphysen- 
knorpel sämtliche Arten regressiver Vorgänge, welche zur Erweichung der Knorpel- 
grundsubstanz führen und sonst als Symptome seniler und chronisch-entzündlicher 
Umbildung bekannt sind. 

Die Abnormität ist stets angeboren, nie hereditär. Das übertriebene Wachs- 
tum hört mit dem Abschluß des Wachstumsalters auf und kann dadurch etwas 
kompensiert werden, daß die betroffenen Epiphysenfugen vorzeitig verknöchern, 
während die normalen noch weiter wachsen. 

Von gewissen Elephantiasisformen unterscheidet sich der partielle Riesenwuchs 
durch Beteiligung der Knochen und die normale Beschaffenheit der Haut; von 
der Akromegalie dadurch, daß diese nie angeboren, sondern in der Pubertät und 
stets symmetrisch auftritt und nur zu Verdickung, nicht zu Verlängerung der 
Knochen führt. Die Atiologie ist unbekannt. Reich (Tübingen). 


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Zentralblatt 
CHIRURGIE 


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Dreiunddreißigster Jahrgang. 


S EEE ES EEE Tu EEE EEE SEE 
Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei halbjähriger 
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten. 


Nr. 30. Sonnabend, den 28. Juli. | 1906. 


Inhalt: Wilms, Die Freilegung des Herzens bei Herzverletzungen. (Original-Mitteilung.) 

1) Kolle und Wassermann, Pathogene Mikroorganismen. — 2) Bruck, Erlich’s Seiten- 
kettentheorie. — 3) Berndt, Muskelverknöcherung nach Trauma. — 4) Bull, Sarkom und 
Fieber. — 5) Kienböck, Röntgenbehandlung der Sarkome. — 6) Klenböck, Dosimeter. — 
7) Schilling, Härtegradmesser. — 8) Brouardel, Unfallverletzungen. — 9) Cushing, Unter- 
richt in operativer Medizin. — 10) Gersuny, Gegen die Exzitation in der Narkose. — 11) Lohn- 
stein, Chronische Gonorrhöe. — 12) Roux, Gonorrhoische Hauterkrankungen. — 13) Balzer 
und Tansard, Behandlung der Gonorrhde. — 14) Wildbois, Mastdarm-Harnröhrenfisteln. — 
15) Goldberg, Blutungen der Prostatiker. — 16) Hallepeau, Bösartige Prostatageschwülste. 
— 17) Zangomelster, Cystoskopie des Weibes. — 18) Ekehorn, Molekulare Konzentration 
des Blutes. — 19) Berg, 20) Kapsammer, Zur Diagnostik der Nierenfunktion. 

I. 0. Ehrhardt, Ein einfacher Ligaturträger. — II. N. Wolkowitsch, Zum Aufsatz Dr. 
Draudt’s: »Zur Behandlung der Kniegelenktuberkulose mit besonderer Berücksichtigung 
der Resektion«e. — III. M. Draudt, Entgegnung. 

21) Hamm, Aktinomykose. — 22) Russell, Zur Geschwulstgenese. — 23) Schwetz, Gono- 
kokkenphlegmone. — 24) Secretan und Wrangham, Pneumokokkenarthritis. — 25) Bertin, 
Syphilitisohe Gelenkentziindung. — 26) Zur Verth, 27) Poth, 28) Gehihoff, 29) Hagen, 
30) Marmetschke, Zur Anästhesierungsfrage. — 31) Abbe, Radiumwirkung. — 32) Bloch, 
Instrument zur Einführung weicher Katheter. — 33) Hagmann, Lithotripsie. — 34) Schwarz, 
Blasenscheidenfistel. — 35) Deaver, 36) Gibbon, Harnleiterstein. — 37) Stinelli, Perinephri- 
tischer Abszeß bei Typhus. — 38) Chambreient und Pousson, Nierenenthülsung. — 39) Ma- 
thiew, Hydronepbrose. — 40) Cialrmont, Zur Nierenchirurgie. — 41) Russell, Suprapubische 
Hysterotomie. — 42) Donhauser, Bösartige Eierstocksgeschwülste bei Kindern. — 43) Küttner, 
Infusionsapparat. — 44) Albrand, Irrigator. — 45) Klippers, Wasservorwärmer. — 46) Hertz- 
ka, Fingerfreies Einfädeln. 








Die Freilegung des Herzens bei Herzverletzungen. 
Von 
Prof. Wilms. 


Die mannigfaltigen Formen der Lappenbildung, die angegeben 
sind zur schnellen Freilegung des Herzens bei Verletzungen desselben, 
sind neuerdings des öftern übersichtlich zusammengestellt worden 
(Borchardt, Sultan, Gébell). Diese Lappenplastik genügt für 
Operationen bei Verletzungen an der vorderen Wand des Herzens, 
welche bekanntlich weitaus die häufigsten Verletzungen darstellen 
(Stichverletzungen). Eine Naht an der Hinterwand des Herzens 

30 


818 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 


stößt bei solcher Lappenbildung auf Schwierigkeiten, wie ich das vor 
kurzem zu erfahren Gelegenheit hatte bei einem Herzschuß, bei dem 
die Kugel (6 mm Kaliber) etwa in der Mitte des linken Ventrikels an 
der Vorderseite eingegangen und an entsprechender Stelle der 
Rückseite ausgetreten war. Es hätte sich in diesem Falle wohl nur 
durch gleichzeitige Resektion des Sternum die Naht an der Rückseite 
ausführen lassen; leichter jedoch als durch diese Resektion schien mir 
ein Zugang möglich durch einen langen Interkostalschnitt, wie ihn 
Mikulicz und Sauerbruch bei intrathorakalen Operationen ange- 
wendet haben. Der Zugang nach Ausführung dieses Schnittes war 
ein so freier, daß ich für die Fälle, wo man annehmen kann, 
daß auch an der Rückseite des Herzens ein operativer Eingriff, wie 
die Naht, ausgeführt werden muß, lieber gleich von vornherein, 
statt der Lappenplastik, am besten im vierten oder fünften Inter- 
kostalraum, je nach der Stelle der Verletzung, diesen Zwischen- 
rippenschnitt empfehlen möchte Man kann das Herz von diesem 
Schnitt aus nach Eröffnung des Perikards ausgezeichnet übersehen. 
Will man den Zugang noch verbreitern, so kann man die vierte und 
fünfte Rippe in der Nähe des Sternumansatzes inzidieren und hat da- 
durch einen weit freieren Einblick wie bei allen Lappenplastiken. 
Der Schnitt ist wesentlich schneller ausführbar, die Blutung minimal. 
Daß ein Pneumothorax dabei eintritt, ist keine weitere Komplikation, 
seitdem wir wissen, daß bei allen Operationen mit Lappenplastik 
gleichfalls der Pneumothorax nicht vermieden werden kann. 

In dem oben erwähnten Falle wurde 2 Stunden nach dem Schuß 
Ein- und Ausschuß am Herzen mit je drei Nähten geschlossen; ebenso 
Ein- und Ausschuß am linken Unterlappen der Lunge, dann das 
Perikard genäht und der Thorax vollkommen geschlossen, ohne Tam- 
ponade oder Drainage. Die Blutung war ziemlich beträchtlich; es 
fand sich etwa 11/, Liter in der Pleurahöhle und dem Perikard. Aus 
letzterem war das Blut durch den Ausschuß an der Rückseite in 
den Brustfellraum ausgeflossen. Es erfolgte reaktionslose Heilung. 

Der Interkostalschnitt bei Operationen wegen Herzverletzung, 
statt der bisher üblichen Lappenplastik, dürfte die Zeitdauer 
der Operation wesentlich abkürzen und gestattet einen freieren Ein- 
blick als noch so ausgedehnte Rippenresektionen. 





1) W. Kolle und A. Wassermann. Handbuch der patho- 
genen Mikroorganismen. Ergänzungsband, Hft. 1. 
Jena, Gustav Fischer, 1906. | 
Hand in Hand mit den zunehmenden Fortschritten, welche die 
Bakteriologie gemacht und der zunehmenden Bedeutung, die sie ge- 
wonnen, ist auch der Umfang des seinerzeit mit so großer Freude 
begrüßten und mit soviel Wohlwollen aufgenommenen Handbuches 
der pathogenen Mikroorganismen gewachsen. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 819 


So bekommen wir denn jetzt einen Ergänzungsband, dessen vor- 
liegendes erstes Heft folgende Aufsätze enthält: 

Nocht und Mayer, Die Trypanosomen als Krankheitserreger. 

Schilling, Piroplasmosen. 

Weber, Die Tuberkulose des Menschen und der Tiere. 

Babes, Lepra. 

Kutscher, Abdominaltyphus. 

Babes, Spindelförmige Bazillen. 

Ptibram, Über Bakterienhämatoxine (Lysine) und Antihämatoxine. 

Kartulis, Die Amöbendysenterie. 

Die Behandlung des Stoffes ist in gleicher Weise wie im Haupt- 
werk geschehen, ebenso klar und übersichtlich, ebenso fesselnd ge- 
schrieben wie jenes. In allen Arbeiten findet sich nach allgemeinen 
und historischen Erörterungen eine genaue Schilderung der Morpho- 
logie des Krankheitserregers, sowie eine genaue Darstellung des durch 
den betreffenden Erreger hervorgerufenen Krankheitsbildes. Daß die 
einzelnen Arten der Infektionserreger, ihre bakteriellen Eigentümlich- 
keiten, die Infektionswege u. dgl. eine genaue Erörterung finden, be- 
darf wohl erst keiner Erwähnung. Hervorzuheben sei hier nur noch, 
wie beim Hauptwerk, die Beigabe geradezu wunderbarer Bilder, die 
das Verständnis in außerordentlicher Weise erleichtern. Wir können 
den einzelnen Autoren für diese Bilder nicht dankbar genug sein, 
nicht minder aber auch dem Herrn Verleger für die glänzende Re- 
produktion. 

Zweifellos wird der Ergänzungsband von den alten Freunden des 
Werkes mit Vergnügen begrüßt werden, andererseits aber auch sicher- 
lich dem groß und genial angelegten Werke neue Freunde hinzu- 
erwerben. Silberberg (Breslau). 





2) Bruck. Wesen, Bedeutung und experimentelle Stiitzen 


der Erlich’schen Seitenkettentheorie. 
Berlin, Leonhard Simion Nachf., 1906. 

Ausgehend von der Tatsache, daß der allgemeine Praktiker der 
Immunitätslehre stets eine gewisse Scheu entgegenbringt und nicht 
recht wagt, sich in die für die allgemeine Praxis doch sehr wichtigen 
Tatsachen zu vertiefen, hat B. probiert, eine auch dem Nichtfachmann 
verständliche Darstellung der modernen Immunitätslehre und der 
Erlich’schen Seitenkettentheorie zu geben. 

Und dieser Versuch ist B. glänzend geglückt. Die Arbeit enthält 
in kurzer, präziser Darstellung eine allgemeinverständliche Würdigung 
der Immunitätslehre. Unter Fortlassung alles verwirrenden und noch 
nicht geklärten Materiales erhalten wir einen Überblick der für den 
Praktiker wichtigen und kennenswerten Tatsachen. . 

Die Arbeit ist durchaus geeignet, das Thema dem Nichtfachmann 
näherzurücken und ihn zu weiteren Studien anzuregen. 

Die Lektüre der Arbeit ist dringend zu empfehlen. 
Silberberg (Breslau). 
30* 





820 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 


3) F. Berndt. Über Muskelverknöcherung nach einmaligem 
Trauma. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXIX. Hft. 3.) 


B. kommt auf Grund eines neuen Falles, der 11 Tage nach dem 
Trauma irrtümlicherweise operiert wurde, zu dem Schluß, daß seine 
ursprüngliche Ansicht bezüglich der Art der Periostschädigung nach 
schweren Verletzungen, wie Hufschlägen, zu Recht bestehe, daß es 
sich nämlich im wesentlichen um eine Quetschung der Knochenhaut, 
um Auffaserung, Aufquellung, Blutdurchtränkung, event. Abhebung 
vom Knochen handle. Ein Abreißen ganzer Periostlappen hält er für 
physikalisch ganz unmöglich. Auch hat die Degeneration der Muskel- 
fasern, welche sich in dem beschriebenen Falle genau wie bei einer 
vollendeten Myositis ossificans vorfand, mit Verknöcherung und Ent- 
zündung nichts zu tun, sondern ist eine direkte Folge der durch die 
mechanische Schädigung erzeugten Ernährungsstörung. Auf Grund 
seiner eigenen Beobachtungen und seines Literaturstudiums ist B. der 
Anschauung, daß in der Muskulatur nach einmaligem Trauma Ver- 
knöcherungen ohne Beteiligung des Periosts entstehen können. Der- 
artige Ossifikationen nehmen stets ihren Ausgang vom Muskelbinde- 
gewebe, während die Muskelfasern sich ganz passiv dabei verhalten. 
Ebenso sicher ist aber durch eine Reihe einwandsfreier Fälle erwiesen, 
daß derartige Verknöcherungen ganz oder größtenteils vom Periost 
ausgehen können. Will man sich ein Urteil über die Beteiligung oder 
Nichtbeteiligung der Knochenhaut verschaffen, so muß man vom nor- 
malen Periost die Untersuchung beginnen und nach der Verknöcherung 
zu fortschreiten. Die zahlreichen Fälle, bei denen die Geschwulst sich 
fest mit dem Knochen verwachsen erwies, verdanken ihre Entstehung 
wahrscheinlich einem Zusammenwirken von Periost und Muskelbinde- 
gewebe, indem die Zellen der einen wie der anderen Matrix sich vor 
dem Eintreten der Ossifikation miteinander vermischen. Dem Blut- 
erguß, der durch das Trauma gesetzt wird, schreibt Verf. keine ver- 
knöchernden Eigenschaften zu, ohne daß noch die Entzündung hinzu- 
kommt, wie er überhaupt nach den neueren Untersuchungen diesen 
ganzen Prozeß nicht mehr wie früher als ein Mittelding zwischen 
Geschwulst und Entzündung, sondern als einen echten ehtzündlichen 
Vorgang ansieht, wofür besonders auch die Resorptionsfähigkeit der 
Geschwulst und ihre Verschlimmerung durch Schmerzen und Schwel- 
lung nach zu frühzeitiger Massage und Bewegung sprechen. Wahr- 
scheinlich ist die letzte Ursache der Verknöcherung eine leichte 
hämatogene Infektion des Blutergusses, der gequetschten Muskelpartie 
und des mitverletzten Periosts. Erreger sind wohl zweifellos die 
bekannten Eiterbakterien. 

Wenn es bisher noch nicht gelang sie nachzuweisen, so liegt es 
wohl daran, daß in älteren Entzündungsherden der Nachweis überhaupt 
sehr schwierig ist. Auf der anderen Seite würde die Annahme einer 
derartigen hämatogenen Infektion die strenge Scheidung beseitigen, die 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 821 


zwischen den bisher getrennten Formen der Myositis ossificans trau- 
matica, der chronischen Myositis ossificans und der progressiven Form 
besteht. Es würde sich dann nur um verschiedene Grade derselben 
Affektion handeln. Die Riesenzellen, die B. besonders in einem seiner 
Fälle fand, hält er für Osteoklasten. 

Die Behandlung soll bei der Auffassung des Prozesses als Ent- 
zündung zuvörderst eine abwartende sein. Event. wäre Bier’sche 
Stauung zu empfehlen. Ubrigbleibende Verknöcherungen sollen nur 
dann entfernt werden, wenn sie Funktionsstörungen setzten. Sonst 
kann man die spontane Rückbildung abwarten. 

E. Siegel (Frankfurt a.M.). 


4) P. Bull. Om fever ved sarkom. 
(Norsk Magazin for Laegevidenskaben 1906. Nr. 6.) 

Verf. hat die in der Literatur zerstreuten Angaben von Fieber 
bei Sarkom gesammelt, in einer Anzahl eigener Fälle überprüft und 
neue Beobachtungen mitgeteilt. Fälle mit Komplikationen blieben 
außer Betracht. Von 58 Fällen erwiesen sich bei der Obduktion nur 
20 frei von Komplikationen. Von diesen hatten 14 Fieber, während 
6 afebril verliefen. B. beobachtete folgendes: 

Das bei Sarkomen nicht seltene Fieber ist ohne bestimmten 
Typus und tritt häufiger auf bei jüngeren als bei älteren Personen. 
Krankheitsdauer und Art des Sarkoms ist ohne besondere Beziehung 
zum Auftreten des Fiebers. Milzvergrößerung wird nur in den febrilen 
Fällen beobachtet. 

Besonders wertvoll ist die Mitteilung der Beziehung, die sich 
zwischen der Metastasenbildung und dem Auftreten von Fieber ergab. 
Fieber trat erst auf, wenn sich Metastasen zu bilden begannen. 
Rätselhafte Fieberbewegung bei Sarkomen ist daher für den Chirurgen 
ein zuverlässiges Merkmal der Metastasenbildung. Unter den febrilen 
Fällen B.’s waren nicht weniger als zehn Knochensarkome. Metastasen 
können in den verschiedensten Organen auftreten. Hinter einer 
zweifelhaften Lungenerkrankung können sich Sarkommetastasen ver- 
bergen. Bei unerklärlichem Fieber ist auch an Sarkom des Beckens 
und der Wirbelsäule zu denken. 

Als Gegenstück zu dem fieberhaften Krankheitsverlauf bei Meta- 
stasenbildung. führt B. einen Fall von primärem Sarkom der Leber 
an, der in 6 Wochen das Ende herbeiführte und trotz seiner enormen 
Größe fieberlos verlief. Revenstorf (Hamburg). 





5) Kienböck. Über Röntgenbehandlung der Sarkome. 
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. IX. Hit. 5.) 

In erschöpfenden Tabellen berichtet Verf. über die bisher ver- 
öffentlichten Fälle und eine eigene Beobachtung. Aus diesen ergibt 
sich, daß in der Tat bereits vollkommene Heilung der Sarkome durch 
Röntgenbestrahlung erfolgt ist, ohne daß Rezidiv eingetreten wäre. 


822 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 


Häufiger noch als vollkommene Heilung tritt (in 70% der bestrahlten 
Fälle) eine starke Schrumpfung der sarkomatösen Geschwülste ein. 
Am günstigsten beeinflußt werden oberflächlich gelegene Geschwülste; 
rasch wachsende Gewebe, junge und in reger Proliferation befindliche 
Zellen sind weit empfindlicher als alte Geschwülste. 

Bezüglich der Technik ist zu erwähnen, daß Verf. tägliche 
Sitzungen nicht für zweckmäßig hält, und daß es notwendig ist, nicht 
nur die Neubildung selbst, sondern auch die infiltrierten regionären 
Drüsen zu bestrahlen. 

Die Röntgenbestrahlung angezeigt hält Verf. dann, wenn 

1) bei operativen Fällen durch eine mehrwöchige Verschiebung 
der Operation noch nicht zu befürchten ist, daß die Geschwulst 
mittlerweile inoperabel wird. Vor allem kommen hier die von der 
Haut und den Lymphdrüsen ausgehenden Sarkome in Betracht; 

2) bei allen Fällen von inoperablen Sarkomen wird der Chirurg, 
wenn er bei der Operation die Unmöglichkeit einer vollständigen 
Exstirpation der Geschwulst erkennt, oder vom Gelingen nicht ganz 
überzeugt ist, z. B. bei schlechter Abgrenzung, Röntgenbestrahlung 
des noch offenen Operationsfeldes und röntgenologische Nachbehand- 
lung vornehmen. Gaugele (Zwickau). 





6) Kienböck. Über Dosimeter und das quantimetrische 
| Verfahren. 
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. IX. Hft. 4.) 

Zur direkten Dosimetrie der Röntgenstrahlen dienten bisher drei 
Verfahren: Die chromoradiometrischen Pastillen von Holzknecht, 
die Sabouraud-Noiré’schen Leuchtscheibchen und die Jodoform- 
lösungen von L. Freund. 

K. fügt diesem Verfahren ein neues bei, welches sich der Wirkung 
der Röntgenstrahlen auf die photographische Schicht bedient, und 
nennt sie die quantimetrische Methode. Das Instrumentarium des 
Quantimeters wird von Reiniger, Gebbert & Schall, Erlangen, 
geliefert. Als erforderlich zur richtigen Dosierung gibt Verf. folgende 
Instrumente an: 

1) ein Milliampöremeter, zur Einhaltung der richtigen Belastung 
der Röhre und beiläufigen Vorherbestimmung der zur Erreichung der 
beabsichtigten Dose erforderlichen Expositionszeit; 

2) ein offenes Dosimeter als Indikator für das Anwachsen der 
Dose und rechtzeitige Abbrechen der Sitzung; 

3) das Quantimeter zur genaueren Bestimmung der Dose und 
Registrierung derselben. Bei Angaben über vorgenommene Bestrah- 
lungen in Publikationen sind Dosimeterzahlen erforderlich; diese ge- 
nügen aber auch; Mitteilungen über Fokusdistanz und Expositionszeit 
sind minder wichtig, über Induktor, Unterbrecher, Primärstrom usw. 
überflüssig, ja sogar störend. 

Gegenüber den früheren Methoden rühmt K. seinem Quanti- 
meter nach: 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 823 


1) die Möglichkeit, die Sensibilität des Reagens zu kontrollieren; 

2) die größere Genauigkeit und Empfindlichkeit, die kontrast- 
reiche Skala, sowie die Haltbarkeit der Streifen, die man für wissen- 
schaftliche oder gerichtliche Zwecke als bleibendes Dokument der Dose 
demonstrieren kann; 

3) die Unterscheidung zwischen Oberflichen- und Tiefendosen. 
Ein Nachteil des Verfahrens ist in der erforderlichen Sorgfalt bei der 
Manipulation, in der Notwendigkeit der Entwicklung überhaupt ge- 
legen, was bei starken radiotherapeutischen Bestrahlungen (Voll- 
sitzungen) die gleichzeitige Anwendung offener Dosimeter als Indika- 
toren notwendig macht. Die Instrumente ergänzen einander im 
Gebrauche. Gaugele (Zwickau). 





7) Schilling. Ein einfacher Härtegradmesser. 
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. IX. Hft. 5.) 

Verf. gibt, um die Qualität der Röntgenröhre zu messen, als 
Ersatz der eigenen Hand eine künstliche Hand an. Diese stellte er 
so her, daß er ein Handskelett in einen Handschuh steckte, diesen mit 
Wachs ausgoß und ihn über ein zurecht geschnittenes Bleiblech, hinter 
welchem die Hand des Untersuchers vollständig gedeckt ist, zuknöpfte. 
In das Wachs bettet er Nadelstückchen ein, um dadurch noch besser 
die Röhrenhärte kontrollieren zu können. Die Kunsthand ist leicht, 
billig, kann auch bei Kindern und ängstlichen Pat. verwendet werden, 
im Gegensatze zur offenen Skeletthand; endlich bietet sie ein Schatten- 
bild, das dem der menschlichen Hand sehr ähnlich ist, weil das Wachs 
ungefähr die gleiche Durchlässigkeit für Röntgenstrahlen hat, wie die 
menschlichen Weichteile. Gaugele (Zwickau). 


8) P. Brouardel. Les blessures et les accidents du travail. 
694 S. 
Paris, Bailliére et fils, 1906. 

14 Jahre nach uns, am 9. April 1898 hat Frankreich sein Unfall- 
versicherungsgesetz erhalten, das im großen und ganzen dem unsrigen 
sehr ähnlich ist. Es ist interessant, den Einfluß der Arzte auf die 
Gesetzgebung zu erkennen. Auf ärztliche Anregung hin ist die freie 
Arztwahl aller Unfallverletzten gesetzlich bestimmt, und eine Kommis- 
sion von Arzten und Vertretern der Versicherungsgesellschaften hat 
einen Tarif für die ärztlichen Honorare ausgearbeitet. 

Das neue Gesetz stellt an die französischen Arzte neue Aufgaben 
und Pflichten gerichtsärztlicher und sozialer Art, die kennen zu lernen 
jeder Arzt sich bemühen muß. 

Als Führer und Berater aller einschlägigen Fragen soll das um- 
fangreiche und doch übersichtlich geordnete Buch von B. dienen. 

Ein einleitendes Kapitel gibt zunächst Aufschluß über die ärzt- 
liche Sachverständigentätigkeit im allgemeinen und bespricht eingehend 
alle »Klippen«, die der Arzt im Verkehre mit den Gerichten kennen 


824 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 


und berücksichtigen muß, die ihm im eigenen und seiner Kranken 
Interesse die peinlichste Sorgfalt bei allen Beobachtungen und Schluß- 
folgerungen zur Pflicht machen. »Augen auf und Ohren zu, seine 
Pflicht tun und die Leute reden lassen«, soll des Sachverständigen 
und Gerichtsarztes Devise sein. 

Der andere, der Hauptteil des Buches, zerfallt in vier Unter- 
abteilungen: 

Die erste handelt von den Verletzungen im allgemeinen; jede Art 
Körperverletzung, alle Todesarten und Leichenbefunde werden ein- 
gehend besprochen. 

Die zweite Unterabteilung bespricht die Verletzungen, die durch 
die verschiedenartigsten Instrumente hervorgerufen werden: stechende, 
schneidende Instrumente und Feuerwaffen. 

Die dritte schildert die Verletzungen der einzelnen Körper- 
abschnitte. J 

Die vierte endlich bringt eine tabellarische Übersicht über die 
Erwerbsbeeinträchtigung resp. die zuzubilligenden Renten, sowie den 
Wortlaut des französischen Unfallversicherungsgesetzes. Eine reiche, 
zum Teil sehr interessante Kasuistik bildet den Schläß. 

In allen Unterabteilungen werden die gerichtsärztlichen Fragen 
eingehend erörtert und an entsprechenden Beispielen aus der reichen 
Erfahrung B.’s trefflich illustriert. Für jeden, der mit Unfallgesetz- 
gebung zu tun hat, ist das Buch sehr lesenswert. Auf Einzelheiten 
kann hier nicht näher eingegangen werden, doch seien die Kapitel 
über »Die Bedeutung des Gesundheitszustandes vor dem Unfall«, über 
»Tuberkulose und Trauma«, über die Hernien und über die trauma- 
tische Neurose besonders erwähnt. K. Schultze (Bonn). 





9) Cushing. Instruction in operative medicine. 
(Bull. of the Johns Hopkins hospital 1906. Mai.) 

C. hat fiir fortgeschrittene Studierende einen Operationskurs an 
lebenden Hunden eingerichtet, den er zugleich mit MacCallum leitet. 
Diesem Zwecke dient ein besonderes Gebäude, das mit Ställen, offenen 
und geschlossenen Boxen, Laboratorien, aseptischem Operationssaal 
und Sektionsraum ausgestattet ist. 

Es können zu gleicher Zeit 20 Studenten in Gruppen zu je fünf 
Mann unterrichtet werden. Jede Gruppe besteht aus dem den fingierten 
Pat. überweisenden Hausarzt, dem Operateur, zwei Assistenten und 
dem Narkotiseur; diese fünf Funktionen wechseln dauernd unter den 
Mitgliedern der Gruppe. 

An jedem Mittwoch haben die vier Hausärzte eine fingierte bzw. 
aus der chirurgischen Klinik entlehnte Krankengeschichte ihres Falles 
vorzulegen; die vier Fälle müssen demselben Krankheitsgebiet ent- 
nommen sein. Über Differentialdiagnose, Indikationsstellung, The- 
rapie usw. wird diskutiert. Freitags wird dann der operative Eingriff 
mit allen Kautelen der Asepsis und Technik vorgenommen, und die 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 825 


Hunde werden sorgfältig nachbehandelt. Geht einer derselben ein, so 
werden eine ausführliche Autopsie und, wenn nötig, alle histologischen 
Untersuchungen ausgeführt. Alles wird protokolliert und am nächsten 
Mittwoch vorgetragen, die Präparate demonstriert und eine Diskussion 
veranstaltet. 

Dann werden Verbandstoffe, Operationswäsche, Naht- und Unter- 
bindungsmaterial usw. für den nächsten Freitag vorbereitet und steri- 
lisiert. Hierbei sowie bei den Operationen sind die Studenten ohne 
jegliche Hilfe, müssen die Instrumente selbst aussuchen, auskochen 
und nachher wieder reinigen, herrichten und verwahren. Jede Gruppe 
ist für ihr besonderes Instrumentarium verantwortlich. 

Der Zweck ist ein vielfacher. Einmal soll der Student vor allem 
einen Begriff bekommen, was alles zu einem chirurgischen Eingriff im 
weitesten Sinne gehört, in erster Linie soll er vom ersten Augenblicke 
an lernen, wirklich aseptisch zu arbeiten. Durch die Rivalität der 
vier Gruppen soll der Ehrgeiz geweckt und in der Diskussion ein 
richtiges Urteil anerzogen werden. Abgesehen von allgemein chirur- 
gischen Maßnahmen, Blutstillung, Narkose und Technik überhaupt 
soll der Student Eingriffe wie Darmresektion, Anlegung eines Kunst- 
afters usw. persönlich ausführen und sein Können am Erfolg oder 
Mißerfolg kontrollieren. Alles, was er tut und beobachtet, soll er 
sachgemäß niederzuschreiben lernen. Durch Herrichtung aller, auch 
der unbedeutendsten Einzelheiten für den operativen Eingriff soll er 
befähigt werden, sich später in der Praxis selbst zu helfen. Endlich 
soll ihm durch eigene Anschauung das Verständnis der Operationen 
am Menschen in der Klinik erleichtert werden. In einer Liste sind 
die zahlreichen bisher vorgenommenen Operationen verzeichnet. 

C. hofft es noch dahin zu bringen, daß allmählich alle chirur- 
gischer Hilfe bedürftigen Hunde ihm aus dem Lande zugewiesen 
werden, so daß er damit seinen Bedarf ganz decken kann. 


Abbildungen und Pläne des Gebäudes sind beigegeben. 
W. v. Brunn (Rostock). 





10) R. Gersuny. Gegen die Exzitation in der Narkose. 
(Wiener klin. Wochenschrift 1906. Nr. 3.) 

G. verlangt mit Recht möglichste Ruhe bei Einleitung der Nar- 
kose und glaubt, daß durch das Festhalten usw. des Pat. bei dem- 
selben Kampfhalluzinationen wachgerufen werden, welche zu den für 
Pat. und Narkotiseur gleich unerfreulichen wilden und heftigen Ex- 
zitationen führen. 

G. hat zur Ausschaltung dieser Umstände folgende Methode 
ersonnen. 

Wenn der Kranke die ersten Atemzüge des Narkotikums gemacht 
hat, wird ihm über jeden Arm eine steife hohle Rolle (aus Zelluloid 
am besten) von etwa 40 cm Länge und 35 cm Umfang gestreift, die 
den Arm von der Achsel bis zum Handgelenke lose umschließt. Ein 
Band, hieran befestigt, verläuft über den Nacken und verhindert das 

307% 


826 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 


Abgleiten der Röhren; dasselbe setzt sich nach unten fort, ist hier 
abermals an der Röhre befestigt und wird mit dem der anderen Seite 
hinter dem Rücken des Pat. ‚verbunden. So sind die Arme während 
der Operation gut fixiert, wenn ihre derartige Lage den Operateur 
nicht stört. Der Puls kann unschwer an der Maxillaris interna ge- 
fühlt werden. 

Ein zweiter Kunstgriff ist folgender. Während der Pat. mit 
seinen Rollen an den Armen umherfuchteln kann, ohne sich z. B. die 
Maske vom Gesicht reißen zu können, also seine Armbewegungen 
unschädlich gemacht sind, werden seine beiden Fersen von einer 
Pflegerin mit beiden Händen unterstützt und wenige Zentimeter ober- 
halb der Unterlage gehalten, ohne daß sie dabei fest angefaßt werden. 
Die betreffende Person folgt mit ihren unterstützenden Händen allen 
Bewegungen des Kranken und leistet nur gegen eines Widerstand: 
gegen den Versuch, die Füße auf das Lager aufzustemmen. Denn mit 
den Fersen in der Luft setzt man sich nicht auf, und »nach wenigen 
planlosen Bewegungen gibt der Kranke es auf«. Es genügt zu dieser 
»freundlichen Bändigung« des Kranken eine einzige Person. 

Hiübener (Liegnitz). 


11) Lohnstein. Beiträge zur pathologischen Anatomie der 


chronischen Gonorrhöe. 
(Monatsberichte für Urologie Bd. XI. Hft. 2—4.) 

Verf. kommt in einer ausführlichen, ausgezeichneten, mit zahlreichen 
mikroskopisch-anatomischen Tafeln versehenen Arbeit zu folgenden 
Schlüssen über das Wesen des chronischen Trippers: 

Bei der chronischen gonorrhoischen Urethritis sind als Haupt- 
ursache für ihre Persistenz anzusehen die tiefgreifenden Veränderungen 
der Epithelialschicht, die ausnahmslos in allen Fällen nachweisbar sind. 

Diese Veränderungen bestehen in einer sehr erheblichen Hyper- 
trophie, tiefgreifenden Veränderungen des Charakters der normalen 
Epithelialschicht, ausgedehnten Degenerationserscheinungen (Quellung 
und Schwund der Zellen) mit konsekutiver Dissoziation, sowie in mehr 
oder weniger dichter Leukocyteninfiltration, ferner in ausgedehnten 
polypösen Zellwucherungen über der Oberfläche, Verschiebung der 
Grenzen gegen das Subepithel. 

Ein ausgesprochener Parallelismus zwischen den epithelialen und 
subepithelialen Veränderungen besteht nicht. 

An den Veränderungen ist das subepitheliale Gewebe beteiligt. 
Sie sind jedoch nicht überall vorhanden, vielmehr nur fleckweise nach- 
weisbar, somit als Komplikation des eigentlichen, epithelialen Prozesses 
anzusehen. 

Besonders die Zottenneubildungen der Pars posterior und Pars 
anterior sind als Ursache für die Fortdauer des chronischen Trippers 
anzusehen. | 

Die drüsigen in die Schleimhaut eingebetteten Organe nehmen 
an den Veränderungen in entsprechender Weise teil. Ihre hauptsäch- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30 827 


lichsten Veränderungen spielen sich innerhalb der Epithelialschicht 
der Schleimhaut ab. Die Veränderungen der Drüsen in der Sub- 
epithelialschicht sind als konsekutive resp. komplikatorische Erschei- 
nungen anzusehen. Willi Hirt (Breslau). 


12) Roux. Dermatoses blennorrhagiques. 
(Revue francaise de med. et de chir. 1906. Nr. 4.) 

Bei der Gonorrhöe können folgende Hauterkrankungen auftreten: 
1) Anfallsweises Erscheinen von Purpuraflecken; die Gonorrhöe wirkt 
hierbei gewöhnlich nur als Causa adjuvans. 2) Hornartige Borken- 
bildungen, gewöhnlich am Knie und Fuß einige Wochen nach Beginn 
des Trippers ohne vorhergehende Blasen oder Pusteln auftretend, und 
zwar an symmetrischen Körperstellen — vielleicht eine Wirkung der 
Trippertoxine auf das Rückenmark (trophoneurotische Erkrankung). 
3) Pustelbildung, am häufigsten bei der Augenentzündung der Neu- 
geborenen. 4) Panaritien und subkutane Abszesse mit gonokokkenhal- 
tigem Eiter. 5) Erytheme, die häufigste Hautkomplikation des Trippers, 
von sehr verschiedener Form, manchmal einem Scharlach im Aussehen 
und Verlauf sehr ähnlich. Die Hauterkrankungen bei Gonorrhöe können 
ınit oder ohne Temperatursteigerung auftreten; der Ausfluß wird durch 
komplizierende Hautausschläge nicht im geringsten beeinflußt. 

Mohr (Bielefeld). 


13) F. Balzer et A. Tansard. Traitement de la blennor- 
rhagie chronique par les instillations de nitrate d'argent 
suivies de l'introduction d'un cathéter en zinc. 

(Ann. des malad. des org. gén.-urin. 1906. Nr. 9.)- 

Für die Behandlung der chronischen Gonorrhöe empfehlen Verff. 
folgendes Verfahren: Einträufelung von 1—2%iger Höllensteinlösung 
in die Harnröhre und im sofortigen Anschluß hieran Einführen von 
metallischen Zinksonden in die Harnröhre. Es tritt dann unmittel- 
bar eine doppelte Dekomposition des Silbersalzes ein: es bildet sich 
Zinknitrat, und das in den metallischen Zustand reduzierte Silber 
schlägt sich als schwarzer Körper überall da nieder, wo das Zink in 
Kontakt mit dem Argentum nitricum gekommen ist. Diese sehr ener- 
gisch und prompt auftretende Reaktion ist zum ersten Mal von Con- 
radi zu therapeutischen Zwecken benutzt worden, und zwar zur Kau- 
terisation von syphilitischen Kondylomen. 

Die Einzelheiten des Verfahrens müssen in der Originalarbeit 
nachgelesen werden, der auch 13 kurze Krankengeschichten beigege- 
ben sind. Paul Wagner (Leipzig). 


14) Wildbols. Eine neue Methode zur Heilung von Rekto- 
urethralfisteln. 
(Monatsberichte für Urologie Bd. XI. Hft. 3.) 
Die nach Prostatectomia perinealis nicht selten zurückbleibenden, 
Mastdarm-Harnröhrenfisteln sind oft sehr schwer zu beseitigen. Verf 


828 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 


schlägt das sehr radikale Verfahren vor, den Mastdarm von unten 
her bis über die Fistelöffnung hinaus von der Harnröhre abzulösen, 
noch weiter nach oben zu mobilisieren, knapp über der Fistel zu am- 
putieren und das obere Darmende mit der Analhaut nach dem 
Hochenegg’schen Durchziehungsverfahren zu vereinigen. 

Willi Hirt (Breslau). 





15) Goldberg. Ursachen und Behandlungsmethoden schwerer 


Blutungen der Prostatiker. 
(Therapie der Gegenwart 1906. Nr. 5.) 
Als häufigste Ursache von Blutungen bei Prostatikern bezeichnet 
G. Katheterverletzungen. Der Sitz der Blutung ist hier gewöhnlich 
die schwer zu passierende Urethra prostatica. Ferner kommen Blu- 
tungen vor infolge einer Entlastungshyperämie der Venen oder Kapil- 
laren der Schleimhaut der überdehnten Blase. Auf dieser Basis be- 
ruhen Blutungen nach schneller Entleerung des Harns bei lang- 
dauernder Retention. Dann finden sich Blutungen bei Komplikationen, 
wie bei chronischer Cystitis und bei Steinbildung. Schließlich finden 
sich auch Spontanblutungen bei unbehandelten Prostatikern. 
Der Arbeit sind auch eine Reihe therapeutische Notizen beigefügt. 
Silberberg (Breslau). 


16) Hallopeau. Contribution a l'étude des tumeurs malignes 


de la prostate. 
Thèse de Paris, @. Steinheil, 1906. 

Verf. referiert in ausführlichen Kranken-, Operations- und Sek- 
tionsgeschichten über 90 einschlägige Fälle. Er unterscheidet haupt- 
sächlich zwischen sarkomatösen Geschwülsten bei jugendlichen Per- 
sonen und Karzinom bei älteren Individuen. 

Die Veränderungen der Prostata bleiben oft lange unbemerkt, 
bis sie plötzlich zur Erscheinung kommen und dann rapide fortschreiten. 
Oft entwickeln sie sich aus einer jahrelang bestehenden gutartigen 
adenomatösen Hypertrophie. 

Sie ergreifen selten die Harnröhre, oft dagegen die Blase. Meist 
entwickeln sie sich nach hinten und oben entlang dem äußeren Rand 
der Samenblasen, die schließlich völlig eingemauert werden. 

Aus dieser anatomischen Entwicklung ergibt sich, daß schwere 
Symptome häufig lange fehlen, und der Kranke seinem Leiden wenig 
Beachtung schenkt. Die Diagnose wird daher meistens zu spät für 
einen radikalen Eingriff gestellt. Die Operation wird vom Damm aus 
vorgenommen, sie muß extrakapsulär sein, zugleich mit der Drüse 
müssen Teile der Harnröhre, des Trigonum Lieutaudii, der Vasa 
deferentia und die Samenblasen entfernt werden. 

Willi Hirt (Breslau). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 829 


17) Zangemeister. Atlas der Cystoskopie des Weibes. 
4 Lieferungen, 56 Bilder auf 27 farbigen Tafeln mit Text. 
Stuttgart, F. Enke, 1906. 

Der Atlas, dessen erste beiden Lieferungen in diesem Blatte 
schon besprochen worden sind, liegt jetzt ganz vor. 

Während die bildliche Darstellung der normalen Blase und der 
eigentlichen Blasenkrankheiten, wie Cystitis, Neubildungen, Steine, dem 
Verf. recht gut gelungen waren, so sind in dem zweiten, gynäkologi- 
schen, Teile die anatomischen Verhältnisse zum Teil so komplizierter 
Natur, daß ihre Wiedergabe im Bilde den größten Schwierigkeiten 
begegnet. Auffassung und Beurteilung können hierbei immer nur 
subjektiv sein. Ref. hatte selbst Gelegenheit, über 100 »gynäkologische 
Blasen« zu cystoskopieren, ihm sind die Veränderungen der Blasen- 
schleimhaut hierbei größtenteils anders erschienen, als sie Verf. wieder- 
gibt. Um die Veränderungen recht charakteristisch zu gestalten er- 
scheinen sie vielfach übertrieben dargestellt, so daß der Eindruck 
nicht selten ein etwas unnatürlich wirkender ist. Dies soll kein Vor- 
wurf gegen den Verf. sein; was in der Wiedergabe dieser kompli- 
zierten Blasenveränderungen in einem gemalten Bilde geleistet werden 
kann, hat er sicher geleistet; daß er die natürlichen Verhältnisse nicht 
hat völlig so, wie sie im Augenblicke der Untersuchung dem Auge 
erscheinen, wiedergeben können, liegt an der Schwierigkeit der Materie. 
Trotzdem ist der Atlas zum Studium zu empfehlen; denn er macht 
den Leser mit dem Typus der Erscheinungen bekannt. 

Es werden dargestellt vor allem die Veränderungen der Blase, 
wie sie sich bei Blasen-Scheidenfisteln, Cystokelen, Uteruskarzinomen, 
Myomen, Eierstocksgeschwülsten, Anteflexionen und Exsudatbildung 
einstellen. Willi Hirt (Breslau). 





18) G. Ekehorn. Experimentelle Erhéhung der molekularen 
Konzentration des Blutes. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXIX. Hft. 3.) 

Wenn man einem Pat. Trockendiät während einiger Zeit verab- 
reicht, so wird dadurch eine erhöhte Energie der Nieren verlangt. 
Verf. hat nun in dieser Richtung einige Untersuchungen angestellt, 
indem er nur eine Flüssigkeitszufuhr von 600 ccm zuließ, dagegen 
sonst die gewöhnliche Nahrung beibehielt. In allen Fällen, in denen 
dé durch diese Diät leicht erhöht werden konnte, fand er folgende 
gemeinsame Eigenschaften: Die Urinmenge war vermehrt, das spezi- 
fische Gewicht des Urins niedrig. Während der Trockendiät wurde 
die Urinmenge geringer, aber das spezifische Gewicht stieg nicht in 
demselben Grade, sondern nur unbedeutend. Die Nieren hatten das 
Vermögen nicht, einen konzentrierten Urin abzusondern. Bei einer 
völlig funktionstüchtigen Niere steigt dagegen das spezifische Gewicht 


des Urins in demselben Maße, wie die Urinmenge abnimmt. 
E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


830 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 


19) Berg. The determination of the functional capacity 


of the kidneys. 
(Annals of surgery 1906. Mai.) 

B. steht im allgemeinen auf dem Standpunkte Kiimmell’s und 
sieht in der Kryoskopie des Blutes und des Urins ein wichtiges Hilfs- 
mittel zur Beurteilung der Funktionsfähigkeit einer Niere, während 
er den ablehnenden Standpunkt Rovsing's und Israel’s verwirft. 
Die Phloridzinprobe und die subkutane Einspritzung von Methylenblau 
scheinen ihm dagegen wenig Wert zu haben. Die Blutkryoskopie 
läßt er mit folgenden Einschränkungen gelten. 1) Ein normaler Blut- 
gefrierpunkt des Blutes erlaubt die Nephrektomie, wenn durch die 
Untersuchung des getrennt aufgefangenen Urins eine Niere gesund 
und eine krank befunden wird. 2) Ein abnorm niedriger Blutgefrier- 
punkt des Blutes gestattet nicht, wenn eine Niere gesund und die 
andere krank ist, den Schluß der Funktionsuntüchtigkeit der Niere, 
da eine gesunde Niere vorübergehend infolge der Erkrankung der 
anderen funktionsuntüchtig sein kann; die Nephrektomie kann daher 
in solchen Fällen ausgeführt werden. 3) Ein normaler Blutgefrier- 
punkt gestattet die Nephrektomie nicht, wenn beide Nieren mehr 
oder weniger heftig erkrankt sind, da das gesunde Gewebe beider, 
aber nicht das einer Niere in solchen Fällen die Funktionsuntüchtig- 
keit bedingt. 4) Ein abnorm niedriger Gefrierpunkt bei mehr oder 
weniger schwerer Erkrankung beider Nieren gestattet die Nephrek- 
tomie nicht. Unter Umständen führt B. die Nephrektomie auch bei 
einem niedrigeren Gefrierpunkt als — 0,6 aus. Herhold (Altona). 


20) G. Kapsammer. Über die Bedeutung der Phloridzin- 


methode. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXIX. Hft. 3.) 

Wenn der Harn nach Phloridzininjektion in der Zeit von 10 bis 
15 Minuten Zucker aufweist, so bedeutet dies Funktionsfähigkeit 
mindestens einer Niere. Erscheint der Zucker erst 30 Minuten danach 
im Gesamtharn, so liegt eine wesentliche Funktionsstörung vor, und 
zwar bei beiden Nieren. Findet man 45 Minuten nach der Injektion 
noch keine Zuckerreaktion, so ist die Funktionsstörung beider Nieren 
so groß, daß eine erfolgreiche Nephrektomie ausgeschlossen ist. Eine 
Niere, welche zwar nicht in der normalen Zeit, aber doch noch inner- 
halb der ersten halben Stunde Zucker ausscheidet, ist trotz der 
Funktionsstörung imstande, die Gesamtarbeit zu übernehmen. Auch 
dort, wo, wie z. B. bei Schrumpf- und Cystennieren, der Befund des 
Urins keinen Anhaltspunkt für die anatomische Schädigung gibt, darf 
man sich auf das Resultat der Phloridzinprobe verlassen, wie K. an 
Beispielen zeigt. Auch übertrifft dieselbe die probeweise Freilegung 
und den Sektionsschnitt in der Sicherheit des *Erweises über die 
Funktionsfähigkeit, resp. anatomische Beschaffenheit der anderen 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. S31 


Niere. Bei parenchymatöser Nephritis ist normales Auftreten des 
Phloridzinzuckers nicht gleichbedeutend mit Unversehrtheit der Niere. 
Die Farbstoffproben, mit Methylenblau usw., werden durch gleichzeitige 
Phloridzininjektion insofern beeinflußt, als sie infolge der Reduktion 
des Farbstoffes durch Phloridzinzucker verspätet auftreten. Trug- 
schlüsse können ferner dadurch hervorgerufen werden, daß ein und 
dieselbe Niere bei in Zwischenräumen wiederholten Phloridzinproben 
den Zucker zu verschiedenen Zeiten ausscheidet, entsprechend der 
Anderung der Funktionsfähigkeit einer nicht gesunden Niere. K. 
sieht auf Grund von 200 Untersuchungen in der Zeit des Auftretens 
der Phloridzinreaktion eine Gesetzmäßigkeit, die noch näher zu er- 


gründen und für die praktische Indikationsstellung zu verwerten ist. 
E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


Kleinere Mitteilungen. 


I. 
Ein einfacher Ligaturträger. 


Von 
Dr. 0. Ehrhardt, 


Privatdozent in Königsberg. 

Die Vereinfachung unserer Instrumente und die Beschrän- 
kung der Assistenz im Interesse der Asepsis hat zur Konstruk- 
tion der Ligaturträger geführt. Am bekanntesten ist wohl die 
Lanz’sche Ligaturnuß geworden. Leider erfordert dies sonst 


so zweckmäßige Instrumentchen soviel Achtsamkeit beim Aus- 
kochen sowie beim Aufwickeln des Knäuels, daß es häufig zer- 
bricht oder nicht funktioniert. 

Ich habe daher das abgebildete 
Instrument herstellen lassen, das be- 
quem beim Ligieren in der Hand 
gehalten werden kann. Es ist ca. 
ö cm hoch und 2 cm breit. Es be- 
steht aus zwei exakt ineinander ge- 
paßten Hohlzylindern aus vernickel- 
tem Messing, die beide einen Schlitz 
mit abgerundeten Rändern tragen. 
In dem einen ist ein Führungsstab 
befestigt. Die Seide wird vor der 
Operation auf eine (oder mehrere) 
kleine Glasspulen aufgewickelt, steri- 
lisiert und in Sublimat aufgehoben. 
Sobald man ligieren will, setzt man 
das Instrument zusammen und kann 
jetzt die Ligaturen anlegen, ohne 
die Seide dauernd mit der Hand zu 
berühren und ohne sich jeden Faden 
einzeln zurecht zu schneiden. 

Beim Gebrauch eines Ligatur- 
trägers empfiehlt sich auch die An- 
wendung der Kocher'schen Schere, 
die viel zu wenig bekannt ist. 





Zusammengesetzt. Zerlegt. 


632 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 


Der beschriebene Ligaturträger ist durch Herrn Instrumentenhändler Grune- 
wald, hier, zu beziehen. 


u 


Zum Aufsatz Dr. Draudt’s: »Zur Behandlung der Knie- 
gelenktuberkulose mit besonderer Berücksichtigung der Re- 
sektion« in Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVII Hft. 3. 


Von 
Prof. Dr. Nicolai Wolkowitsch in Kiew. 


Bei der Durchsicht des oben erwähnten Aufsatzes stieß ich auf p. 757 auf fol- 
genden Satz: »Die von Wolkowitsch und Sabanjew empfohlene Operations- 
methode, unter Durchsägung des Femur und der Tibia ganz außerhalb der Kapsel 
dieselbe in toto auszulösen, hält wohl Niemand für nachalımenswert«. 

Ich möchte wissen, worauf der Autor sich stützte, wenn er sich derartig aus- 
drückt, da er sich in seinem Aufsatz auf eine Quelle nicht bezieht. Mein Aufsatz, 
der den Vorschlag der sogenannten extrakapsulären Methode der Kniegelenksresek- 
tion enthält, erschien zuerst in russischer Sprache im Wratsch 1896, Nr. 31; bald 
darauf erschien in Nr. 38 desselben Jahrganges desselben Journals ein Aufsatz von 
Sabanjew, der die Berechtigung der Methode bestätigt. Ich will mich nicht 
weiter auf diesen Autor beziehen, da er, soviel mir bekannt ist, an der weiteren 
Ausarbeitung der Frage nicht literarisch teilgenommen hat. 

Über meinen soeben erwähnten Aufsatz konnte Dr. Draudt als Ausländer nur 
nach einem Referat urteilen, und er wiederholt mit anderen Worten das, was er 
dem Ref. entlehnen konnte. Leider hat Dr. Draudt, der sich in seinem Aufsatz 
auf einige Autoren der allerletzten Zeit bezieht und eine Arbeit aus der Deutschen 
Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXVI zitiert, sich nicht die Mühe genommen, 
meine Arbeit durchzusehen, die in demselben Journal Bd. LXXIV gedruckt ist. 
Ich erwihne dies deswegen, weil schon der Titel der Arbeit: »Zur Frage der 
operativen Behandlung der Tuberkulose der großen Gelenke der Extremitäten und 
speziell der Resektion derselben« direkt darauf hinweist, daß diese Arbeit zu der 
von ihm behandelten Frage in Beziehung steht. 

Dieser Aufsatz, der die Methode selbst detailliert motiviert, entsprechende 
Zeichnungen und eine Statistik der von mir operierten Fälle enthält, hätte wohl 
Dr. Draudt dazu veranlaßt, seine Schlußfolgerung wenigstens zu mildern, wenn 
auch nicht dieselbe ganz fallen zu lasssn. 

In bezug darauf, daß die von mir vorgeschlagene Methode keine Nachahmer 
finden dürfte, muß ich noch erwähnen, daß der Vorschlag einer gleichen extra- 
kapsulären Methode der Resektion des Knies und anderer Gelenke (gleichzeitig mit 
mir) auch von Bardenheuer! gemacht worden ist, der diese Methode sogar für 
zweckmäßiger hält, als die gewöhnliche intrakapsuläre Resektion in Füllen von 
Eiterbildung im Gelenk, Fisteln usw. 


IH. 
Entgegnung. 
Von 
Dr. M. Draudt. 


In Erwiderung auf das vorstehend Angeführte habe ich folgendes zu bemerken. 
Zunächst ist Herr Prof. Wolkowitsch im Irrtum, wenn er annimmt, daß 
ich seine Arbeit in Bd. LXXIV der Deutschen Zeitschrift für Chirurgie übersehen 


1 Beiträge zur Resektion der tuberkulösen Gelenke. Festschrift für Benno 
Schmidt 1896. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 833 


hätte. Das Lesen derselben konnte mich jedoch nur in meiner Annahme, das Ver- 
fahren nicht für empfehlenswert zu halten, bestärken. Deshalb ging ich nicht 
weiter darauf ein. In seiner Arbeit führt er selbst die Einwände an, die gegen 
seine Methode erhoben werden können, ohne sie indes in einer meiner Auffassung 
nach genügenden Weise zu widerlegen. 

Auch Blauel hat in den Beiträgen zur klin. Chirurgie Bd. XLII p. 11 in 
kurzen treffenden Worten die Methode ablehnend kritisiert. 

Die Eröffnung der Synovialkapsel passiert, namentlich hinten, sicher in einer 
Reihe von Fällen, wie Herr Prof. Wolkowitsch selbst zugibt. Daß diese Tat- 
sache, wenigstens wenn irgendwie Flüssigkeit vorhanden ist, etwas wesentlich an- 
deres wie die Eröffnung des Gelenkes sein soll, vermag ich nicht einzusehen, und 
habe in meiner Arbeit, p. 767, im gleichen Absatz wenige Zeilen vor dem gerügten 
Satz dies auch ausgesprochen. Daß auch bei größten Eitermengen breite Eröff- 
nung des Gelenkes ohne jeden Einfluß auf die Wundheilung bleiben und prima 
intentio eintreten kann, zeigen doch gerade unsere Resultate. 

Sodann bleibt die extrakapsuläre Resektion von Wolkowitsch ein schema- 
tischer Eingriff, bei dem stets mehr Knochen wie nötig geopfert wird, vor allem 
bei den vorwiegend fungösen Formen und auch bei den kindlichen Gelenken. Der 
Wert einer Resektionsmethode bemißt sich nicht in erster Linie nach den unmit- 
telbaren Heilerfolgen, sondern vielmehr nach den funktionellen Spätresultaten. Im 
Hinblick hierauf verdient die individualisierende Methode der Resektion, wie sie 
von Herrn Geh.-Rat Garr? in den von mir bearbeiteten Fällen geübt wurde, ent- 
schieden den Vorzug. 


21) Hamm. Diagnostik der Aktinomykose. 
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 23.) 


In dem ersten der mitgeteilten Fälle handelte es sich um eine isolierte Tuben- 
aktinomykose bei einer 39jährigen Frau, in dem zweiten um ein abgesacktes 
Empyem bei Lungenaktinomykose. H. stimmt mit Levy überein, daß die Dia- 
gnose Aktinomykose nicht abhängig gemacht werden darf von der An- und Ab- 
wesenheit der sogenannten Corp. flava. Nur die Berücksichtigung und Differen- 
zierung der Pilzfäden selbst schützt vor Fehldiagnosen. H. empfiehlt dringend die 
Färbungsverfahren nach Ziehl-Neelsen und Gram. Borchard (Posen). 


22) Russell. The etiology of certain congenital tumors of the groin. 
(Annals of surgery 1906. Mai.) 


Verf. operierte zwei eigenartige Geschwülste an zwei Kindern, von welchen 
die eine innen an der Grenze des mittleren und oberen Drittels des Oberschenkels, 
die andere in der Leistenbeuge saß und sich ein- und aufwärts über das Lig. Pou- 
parti erstreckte. Es handelte sich um ein eingekapseltes, fibrös-fettiges Gewebe, 
dem glatt-muskuläre Fasern beigemischt waren; in der Mitte fanden sich einige 
Cysten. In dem einen Falle, in dem die Geschwulst in der Leistenbeuge saß, ging 
sie vom Femoralkanal aus. R. hält diese Geschwülste für abgeschnürte Teile der 
primordialen pleuroperitonealen Höhle. Wenn sich nämlich im 2. Lebensmonate 
des Fötus an der ventralen Seite die beiden Knöpfe für die Gliedmaßen bilden, so 
können sich in diese hinein Taschen des Bauchfelles stülpen; dieselben bleiben dann 
abgeschnürt liegen und bilden durch fettige Degeneration die obenerwähnten Ge- 
schwülste. Durch die beigegebenen Zeichnungen werden diese Ansichten des Verf.s 
näher erläutert. Herhold (Altona). 


23) J. Schwetz. A propos d'un nouveau cas de phlegmon gonococcique 
métastatique. Remarques sur l’infection gonococcique. 
(Revue méd. de la Suisse romande 1906. Nr. 1.) 


Auf Grund klinischer und bakteriologischer Untersuchungen ist die Variabili- 
tat des blennorrhoischen Virus durch zahlreiche Publikationen erwiesen. 


834 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 


Abgesehen von den direkt oder durch die Lymphbahnen sich fortsetzenden 
Erkrankungen — Urogenitalkanal, Leistendrüsen — haben besonders die Lokalisa- 
tionen des gonorrhoischen Virus in serösen Häuten — Gelenken, Sehnenscheiden, 
Endo-Perikard, Pleura, Meningen, Peritoneum —, auch Haut und Nervensystem 
allgemeines Interesse erregt. Seltener sind die Fälle von gonorrhoischer Entziin- 
dung des subkutanen und intramuskulären Bindegewebes (Phlegmone). Ein solcher 
Fall wird mitgeteilt: »18 Jahr altes Mädchen erkrankt ganz akut an einer Phleg- 
mone des rechten Fußrückens; der durch Inzision entleerte Eiter enthält Gono- 
kokken; seit mehreren Wochen war Blennorrhöe vorhanden. 

S. hat aus der Literatur (1887—1904) im ganzen 11 ähnliche Fälle zusammen- 
stellen konnen. 

Schlußfolgerung: Der Gonokokkus kann, wie alle anderen pathogenen Bak- 
terien, eine rein lokale Infektion erzeugen, sich auf die Umgebung direkt oder 
mittels der Lymphbahnen weiter fortpflanzen, oder endlich durch die Blutbahn im 
ganzen Organismus sich verbreiten. Kronacher (Miinchen). 


24) Secretan and Wrangham. /Pneumococcic arthritis. 
(Brit. med. journ. 1906. April 21.) 


Verff. ergänzten die englische Statistik von Cave aus dem Jahre 1901 über 
31 Fälle von Pneumokokkenarthritis, von denen 23 tödlich endeten, und fanden 
bis jetzt 25 neue Fälle in der englischen und amerikanischen Literatur, die sie 
kurz anfzählen. Das Knie ist weitaus am meisten befallen. Meistens tritt die 
Gelenkerkrankung einige Tage nach dem Einsetzen der Lungenerscheinungen auf; 
in einigen Fällen, besonders bei Kindern, war keine Pneumonie vorhanden. Der 
Gelenkerguß ist sehr verschieden beschaffen; vom trüben Serum bis zum dicken 
Eiter sind alle Übergänge vertreten, zuweilen sogar am gleichen Kranken. Wo 
der Erguß dem Eiter nahe kommt, soll das Gelenk geöffnet und offen gehalten 
werden, und zwar unter aseptischen Maßnahmen, da der Pneumokokkus oft der 
einzige Eitererreger im Gelenk ist. 

Verff. beobachteten selber folgenden Fall: Ein 16jähriger Mensch bekommt 
am fünften Tage seiner Pneumonie einen Kniegelenkserguß, der durch Punktion 
entleert wurde und Pneumokokkus Fraenkel in Reinkultur aufwies. Bei Wieder- 
ansammlung der Flüssigkeit wurde das Gelenk eröffnet und gespült. Schnelle Hei- 
lung. Nach 6 Monaten bei einer Nachuntersuchung volle Beweglichkeit im Knie. 

Weber (Dresden!. 


25) Bertin. Les arthropathies syphilitiques tertiaires. 
(Echo med. du Nord 1906. Nr. 5.) 

B. teilt einen Fall von Osteochondroarthritis luetica bei einer 34jährigen Frau 
mit, welcher unter der Form des »Pseudotumeur blanche syphilitique (Fournier) 
verlief. Das rechte Kniegelenk war stark verdickt und schmerzhaft; erheblicher 
Gelenkerguß, Kapsel verdickt, Beugung sehr eingeschränkt und schmerzhaft, im 
Rontgenbilde nichts Abnormes. Im linken Kniegelenke leichter schmerzhafter 
Gelenkerguß ohne sonstige Veränderungen. Linkes Ellbogengelenk steht in Beu- 
gung fixiert, sehr lebhafte Druckempfindlichkeit über dem Radiusköpfchen, leichter 
Gelenkerguß; Bewegungsversuche sehr schmerzhaft, im Röntgenbilde keine deut- 
lichen pathologischen Veränderungen. Nach acht Einspritzungen von grauem Ol 
in das rechte Kniegelenk schwand der Erguß vollständig, und die beiden anderen 
Gelenke waren wieder normal geworden. Pat. hatte 3 Jahre zuvor Lues durch- 
gemacht. Mohr (Bielefeld). 


26) Zur Verth. Die Anästhesie in der kleinen Chirurgie. (Aus der 
chirurgischen Station des Marinelazaretts Kiel.) 
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 19.) 


Verf. hält es für erforderlich, daß jeder, der das Messer führt, danach strebe, 
jegliche Schmerzempfindung auch bei kleineren und kleinsten Eingriffen zu ver- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 835 


meiden, und bespricht zu diesem Zwecke den Ätherrausch, dessen er sich bei 120 
kleineren Operationen nach vorausgeschickter Morphineinspritzung und bei schmerz- 
haften Verbandwechseln mit bestem Erfolge bedient hat, sowie die Infiltrations- 
und Leitungsanästhesie; letztere hat er auch mit dem Atherrausch kombiniert an- 
gewandt. Kramer (Glogau). 


27) H. Poth. Über Stovain als lokales Anästhetikum in der kleinen 
Chirurgie. 
(Med. Klinik 1906. Nr. 15). 

Dem Verf. hat sich Stovain als wirksames und von Reizungs- und Entzündungs- 
erscheinungen freies örtliches Betäubungsmittel in der kleinen Chirurgie (18 Kranken- 
geschichten) gut, weniger beim Zahnziehen bewährt. In letzterem Falle war die 
Unvollkommheit der Schmerztötung wohl aber auf die erschwerte Technik der 
Einspritzung zurückzuführen. Georg Schmidt (Berlin!. 


28) G. Gehlhoff. Vergleich von Röntgenschutzstoffen. 
(Archiv für physikalische Medizin und medizinische Technik Bd. I. Hft. 2 u. 3.) 


Von den untersuchten Stoffen (Holzknecht, Traun, Müller, Levy, Als- 
berg; absorbierten bei weicher Röhre und Bestrahlung von 11/, Minute alle sämt- 
liche Strahlen. Bei mittelharter Röhre und 8 Minuten Bestrahlung schützten H.'s, 
T.’s und A.’s Masse besser, als die anderen; ähnlich verhielt es sich bei harter 
Röhre und 10 Minuten Bestrahlung, wobei allerdings sämtliche Massen Strahlen 
durchließen. Renner (Dresden). 


29) W. Hagen. Die Gasgemischnarkose mittels des Roth-Dräger- 
schen Sauerstoffapparates. (Aus der chirurgischen Abteilung des 
städtischen Krankenhauses in Nürnberg. Dr. Göschel.) 
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 20.) 


Die Gasgemischnarkose mittels Sauerstoff-Chloroform-Äther ist in dem Nürn- 
berger Krankenhaus in ca. 1000 Fällen mit bestem Erfolg angewandt worden. 
Die Vorzüge derselben liegen in der Möglichkeit relativ genauester Dosierung und 
individualisierender Indikationsstellung. Dadurch wird der Verbrauch der Narko- 
tika wesentlich gemindert, ihre Konzentration entsprechend herabgesetzt. Da eine 
Anhäufung von Kohlensäure im Organismus verhütet wird, werden eine Reihe von 
schädlichen Einwirkungen der Narkose ausgeschaltet; der Sauerstoff erhält und 
erhöht teils direkt, teils indirekt die vitale Energie der Zellen im Körper. Einzelne 
kleine Mängel sind durch die Konstruktion des Apparates bedingt und werden 
hoffentlich mit seiner Vervollkommnung in Wegfall kommen. 

Kramer (Glogau). 


30) Marmetschke. Uber die Skopolamin-Morphinnarkose. 
Inaug.-Diss., Leipzig, 1904. 

Die bereits im Jahre 1904 erschienene, 80 Druckseiten umfassende Dissertation 
gibt nach einer kurzen Darstellung der pharmakologischen Eigenschaften zunächst 
eine übersichtliche Darstellung der bis dahin gemachten Erfahrungen auf dem Ge- 
biete der Skopolamin-Morphinnarkose, wobei die einschlägige Literatur (43 Num- 
mern) eine sorgfältige Berücksichtigung gefunden hat. M. teilt sodann die Beob- 
achtungen mit, die Prof. Tietze im Breslauer Augusta-Hospital im Jahre 1902 an 
17 laufenden, nicht ausgesuchten Fällen gemacht hat. In sämtlichen Fällen trat 
zwar eine Aufhebung des Bewußtseins, aber niemals eine derartig tiefe Anästhesie 
ein, wie sie zur Ausführung der Operation wünschenswert gewesen wäre, und es 
mußte daher noch in einer Reihe von Fällen die Inhalationsnarkose zu Hilfe ge- 
zogen werden. Allerdings war der Verbrauch des Inhalationsnarkotikums, wobei 
dem Ather der Vorzug gegeben wurde, immer nur ein minimaler. Todesfälle, die 
mit der Narkose in Zusammenhang hätten gebracht werden können, wurden nicht 


836 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 


beobachtet. Indessen zeigten sich verschiedentlich stärkere Schädigungen des Zir- 
kulations- und Respirationssystems, auch wurden mehrfach schwere nervöse Erschei- 
nungen, motorische Unruhe, Amnesie usw. beobachtet. In Anbetracht dieser 
Schädigungen und in Anbetracht der geringen Dosierbarkeit und Regulierbarkeit 
der Narkose in bezug auf Regelmäßigkeit des Eintrittes und Tiefe hält M. die 
Skopolamin-Morphiumnarkose in der bisherigen Form für die allgemeine Anwen- 
dung noch für unbrauchbar und mißt ihr gegenüber den übrigen Methoden keine 
wesentlichen Vorteile bei. Deutschländer (Hamburg). 


31) B. Abbe. Action du radium sur quelques tumeurs particuliéres. 
(Radium 1905. Nr. 2.) 


Mitteilung einiger durch Radiumbestrahlung geheilter Fälle von einfacher 
Warze, Lupus, Ulcus rodens, Lokalrezidiv nach Brustamputation, Riesenzellen- 
sarkom am Unterkiefer. 

Bei dem Rezidive des Brustkrebses sollen faustgroße Knoten in 3monatiger 
Behandlung (20 istündige Sitzungen) auf 1/, reduziert worden sein. — Am inter- 
essantesten ist der Fall von Unterkiefergeschwulst. Zuerst wurden 12,3 cg Radium 
in 1stündigen Sitzungen mit Zwischenräumen von einem Tage aufgelegt, dann 
sogar in die durch einen Schnitt durchbohrte Neubildung versenkt. (15mal, 3mal 
wöchentlich.) Nach 8wöchiger Behandlung war die Geschwulst stark geschrumpft, 
die vorher lockeren Zähne wurden fester. Eine starke, 3 Wochen nach der letzten 
Sitzung auftretende Entzündung schwand rasch wieder, und 4 Monate später, ohne 
weitere Behandlung, war vollkommene Heilung eingetreten. 

In einem Falle von Cancroid der Ohrmuschel konnte A. durch gleichzeitige 
Behandlung je einer Hälfte mit Radium- und Röntgenstrahlen eine schnellere Wir- 
kung der ersteren konstatieren. Renner (Dresden). 


32) R. Bloch. Ein Instrument zur aseptischen Einführung von weichen 
Kathetern. 
(Arztliche Polytechnik 1906. Mai.) 

Eine eigens konstruierte Pinzette trägt vorn einen Querarm zum Einlegen 
des Katheters. Wührend die eine Hand des Operateurs den Penis hält, faßt die 
andere die aseptische Pinzette und führt so den Katheter schiebend ein, welcher 
von der Hand nicht berührt wird. (Abbildung im Original.) 

E. Fischer (Straßburg i. E.). 


33) Hagmann. Zur Technik der Lithotripsie. 
(Monatsberichte für Urologie Bd. XI. Hft. 4.) 


Verf. tadelt an den jetzt üblichen Evakuatoren, daß sie schwer zu sterilisieren 
seien, und daß die bei Zertrümmerung der Steine frei werdenden Keime durch 
den Evakuator immer wieder in die Blase hineingepreßt würden. 

Er verwendet daher das Prinzip des Siphons: Das Spiilrohr des Evakuations- 
katheters vereinigt er durch ein T-förmiges Glasrohr mit einem etwa 1 m langen 
Abführungsschlauche, dessen freies Ende in ein am Boden stehendes, mit Wasser 
gefülltes Becken taucht und mit dem Schlauch eines gewöhnlichen Irrigators, von 
dem aus gespült wurde. Verf. behauptet, mit dieser Einrichtung die Blase von 
allen Trümmern völlig befreit zu haben, wovon er sich durch sofort nach der Ope- 
ration vorgenommene Üystoskopie überzeugte. Willi Hirt (Breslau’. 


34) D. Schwarz. Ein Fall von Operation einer Vesico-Vaginalfistel 
auf transvesikalem Wege. 
(Liecnicki viestnik 1904. Nr. 7. [Kroatisch.)) 
Die 21jährige Pat. zeigte eine blind endigende Scheide mit einer ca. 2 mm 
breiten Öffnung, durch die sich Urin und Menstrualblut entleerte. S. versuchte 
eine hohe Kolpokleisis, um den Urin und das Menstrualblut durch die Harnröhre 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 837 


zu leiten; jedoch mißlang dieselbe. Nach einiger Zeit führte er einen sehr breiten 
hohen Blasenschnitt aus, umschnitt die Fistel, die sich knapp unterhalb und zwi- 
schen den Harnleitermündungen befand, und vernähte sie transversal mit zwei 
Catgutnähten. Zweischichtige Blasennaht. Der Verweilkatheter mußte am 3. Tag 
entfernt werden, da ihn Pat. nicht vertrag. Anfangs hatte die Kranke einen ziem- 
lich starken Tenesmus, der sich jedoch später verlor. Pat. bei der Entlassung voll- 
kommen kontinent. Verf. konnte in der Literatur nur 14 Fälle von Blasen- 
Scheidenfisteln finden, die nach der Trendelenburg’schen Methode operiert 
wurden. v. Cackovié (Zagreb-Agram). 


35) Deaver, Ureteral calculus. 
(Annals of surgery 1906. Mai.) 


36) Gibbon. The combined intra- and extraperitoneal uretero-litho- 
tomy. 
(Ibid.) 

1) D. empfiehlt bei Frauen zum Entfernen des dicht an der Blase sitzenden 
Harnleitersteines den intravesikalen Weg mit Erweiterung der Harnröhre bis zum 
Durchlassen eines Fingers. Durch letzteren oder durch eine eingeführte Zange 
kann dann nach eventueller Inzision der vesikalen Harnleitermündung der Stein 
entfernt werden. Den vaginalen oder perinealen Schnitt zum Entfernen tiefsitzender 
Harnleitersteine verwirft D., da er zur Fistelbildung Veranlassung gibt. Wenn 
der Stein mehr als 1 Zoll von der Blasenwand nach oben entfernt liegt, so kommt 
nur der extraperitoneale Lendenschnitt in Frage; der Stein soll dann entweder 
nach oben in die Niere oder mit dem Finger in die Blase herabgeschoben und 
erst, wenn das nicht gelingt, der Harnleiter zum Entfernen des Steines geöffnet 
werden. Das Zerdrücken des Steines im geschlossenen Harnleiter wird ver- 
worfen. 

2) G. fand bei Wurmfortsatzoperationen zweimal einen Stein im Harnleiter. 
Er verlängerte den ersten Schnitt nur durch die Bauchdecken, streift das Bauch- 
fell zurück und entfernte unter Führung eines durch den ursprünglichen Schnitt in 
die Bauchhöhle eingeführten Fingers den Stein extraperitoneal durch Eröffnung 
des Harnleiters. Er rät für den Fall, daß gelegentlich einer anderen Operation 
ein Harnleiterstein gefühlt wird, in der geschilderten Weise denselben Schnitt zu 
benutzen, nicht einen neuen Lumbalschnitt anzulegen. Die beiden Fälle sind näher 
beschrieben. Herhold (Altona). 


37) Stinelli. Ascesso sottocapsulare del rene da bacillo di Eberth. 
(Gazz. degli ospedali e delle clin. 1906. Nr. 66.) 


Ein delirierender Typhuskranker erleidet beim Fallen aus dem Bett einen Stoß 
in der rechten Sacroiliacalgegend. Unter zuerst intermittierendem und dann kon- 
tinuierlichem Fieber entwickelte sich ein perinephritischer AbszeB der rechten Seite, 
dessen Eiter Typhusbazillen enthielt, welche Milch nicht koagulierten, in Karbol- 
bouillon wuchsen und Laktose nicht zur Gärung brachten. Dreyer (Köln). 


38) Chambrelent et Pousson. De la décapsulation rénale et de la 
néphrotomie dans le traitement de formes graves de |’éclampsie. 
(Bull. de l’acad. de med. 1906. April.) 


Edebohls hat zweimal die Nierenenthülsung mit Erfolg bei Eklampsie ver- 
wendet. Verff. haben dies in einem sehr schweren Falle gleichfalls mit Erfolg 
nachgeahmt, der Enthiilsung aber noch die Nephrotomie auf der rechten Seite 
hinzugefügt. Die 21jährige Erstgebärende verfiel noch nach der forcierten Ent- 
bindung in ein schweres Koma. Anurie durch 40 Stunden. Nach dem Eingriffe 
stellte sich die Urinabsonderung reichlich ein. Genesung. Die histologische Unter- 
suchung eines exzidierten Stückes ergab den Befund einer akuten parenchymatösen 
Nephritis. Neugebauer (Mährisch-Ostrau). 


838 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 


39) M. P. Mathieu. Deux cas d’hydronéphrose calculeuse. 
(Bull. et mém. de la soc. anat. de Paris 1905. November.) 

Bericht über zwei von Albarran operierte Kranke, 

Fall 1. Kindskopfgroße Geschwulst in der linken Nierengegend; unmöglich, 
in den linken Harnleiter einzudringen. Der ganze Urin rührt von der rechten 
Seite her. Bei der Operation fand man einen durch Septa geteilten Sack, in dessen 
Wand keine Nierenelemente zu finden waren. Als Ursache erwiesen sich zwei 
Oxalatsteine, von welchen der eine in der Nierenbeckenmündung des Harnleiters 
fest eingeklemmt war. Heilung. 

Fall 2. Linke Niere stark vergrößert, herabgesunken. Der Harnleiterkathe- 
terismus ergibt vollständiges Fehlen der Urinsekretion der linken Seite. Ein 
Röntgenbild zeigt einen Stein der linken Niere. Sektionsschnitt der Niere ergibt 
ein sehr erweitertes Becken. Der eingeführte Finger entdeckt einen in der Mün- 
dung des Harnleiters eingeklemmten Stein. Drainage des Beckens. Nierennaht. 
Heilung. Neugebauer (Mährisch-Ostrau!. 


40) Clairmont. Beiträge zur Nierenchirurgie. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXIX. Hft. 3.) 

Der vorliegenden Arbeit liegt das Material aus der v. Eiselsberg’schen 
Klinik zugrunde In den letzten Jahren wurde stets die funktionelle Nieren- 
diagnostik angewendet, und zwar ausschließlich mittels Harnleiterkatheterismus. 
Als Nachteile dieser Methode wurde empfunden, daß sie nicht immer gelang, daß 
das Liegenbleiben der Harnleiterkatheter oft heftige, langanhaltende Schmerzen, 
häufig mit Schüttelfrost und Kollapszuständen, hervorrief und außerdem leicht 
Schädigungen der Harnleiterschleimhaut veranlaßte. In einem Falle kam es gar 
zur Perforation des Harnleiters. Infektion einer gesunden Niere durch das Ver- 
fahren wurde nicht beobachtet. Die quantitativen Bestimmungen des durch Harn- 
leiterkatheterismus gewonnenen Urins waren unzuverlässig, denn oft floß neben 
dem Harnleiterkatheter Harn in die Blase. Manchmal entleerte sich auch aus 
einer sezernierenden Niere nach Einführung des Katheters in den Harnleiter gar 
kein Urin, in anderen Fällen wieder ein außergewöhnlich starker Harnstrahl. Die 
Gefrierpunktsbestimmung des Urins kann Werte ergeben, die zu irrigen Schlüssen 
führen, weshalb diese Untersuchung oftmals wiederholt wurde, um ein zuverlässiges 
Resultat zu erhalten. 

Was die Phloridzinprobe anlangt, so war ihr Resultat in einer Reihe von 
Fällen der Gefrierpunktsbestimmung entsprechend, während es von ihr in anderen 
abwich. Eine Verzögerung der Phloridzin-Zuckerreaktion ist jedenfalls nicht, wie 
Kapsammer meint, zur Annahme einer Nierenerkrankung geeignet. Diese Vor- 
aussetzung führte zu Fehldiagnosen und Verwechslungen mit Gallenblasenerkran- 
kungen. 

Von den verschiedenen Nierenleiden werden zuerst die Geschwülste besprochen. 
Erwähnenswert ist, daß weder in Königsberg noch in Wien Karzinome der Nieren 
zur Operation kamen. Bei den Hypernephromen wurde wiederholt eine Pigment- 
bildung der Haut beobachtet. Bei der transperitonealen Nephrektomie war die 
Zahl der Todesfälle relativ groß. Die Gefahr dieser Methode besteht darin, daß 
die Drainage der großen Wundhöhle eine ungenügende und unsichere ist. — 
v. Eiselsberg bevorzugt bei schwierigen Verhältnissen den Lendenschnitt mit 
Eröffnung des Bauchfelles. Sie bietet den Vorteil, daß man sich über die zweite 
Niere orientieren und,die Ausdehnung der Neubildung überblicken kann. Außer- 
dem gelingt die Ablösung vom Mesokolon außerordentlich leicht. Die Peritoneal- 
höhle kann leicht wieder ganz geschlossen werden. Die Resektion der Niere darf 
bei bösartigen Geschwülsten nur in Betracht kommen, wenn die andere Niere fehlt 
oder erwiesenermaßen funktionsuntüchtig ist. 

Bei der Operation von Harnleitersteinen soll man die Ureterotomie, wie auch 
Israel und Küster verlangen, immer mit Nephro- und Pyelotomie kombinieren, 
weil man sonst leicht Steine zurückläßt oder übersieht. Bezüglich der Behandlung 
der Pyonephrose kommt Verf. zu folgenden Schlüssen : Eine kleine Gruppe von 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 839 


Fällen wird in kürzerer Zeit zur Ausheilung gebracht. Diese Fälle nach dem kli- 
nischen Bilde vorauszubestimmen, ist nicht möglich. In Fällen, wo nicht auszu- 
schließen ist, daß der eitrigen Sackniere eine Tuberkulose zugrunde liegt, soll die 
primäre Nephrektomie ausgeführt werden. Beim Fortbestehen einer Fistel nach 
Nephrotomie, unter der die Pat. sehr leiden, können konservative Eingriffe, wie 
Exkochleationen und Resektionen, zur Besserung und Heilung führen. In Fällen, 
wo die primäre Nephrektomie wegen Insuffizienz der anderen Niere kontraindiziert 
ist, kann diese Niere sich nach der Nephrotomie soweit erholen, daß später doch 
die Exstirpation der kranken Niere möglich wird. In Fällen von geschlossener 
Pyonephrose oder bei ständigem Abfluß dickflüssigen Eiters ist die primäre Nephrek- 
tomie die Operation der Wahl. Im ganzen ist die Nephrektomie bezüglich des 
postoperativen Verlaufes und des Endresultates dem konservativen Vorgehen über- 
legen. 
Bei drei Fällen von Anurie kommt Verf. zu der Ansicht, daß das völlige Ver- 
sagen der Harnsekretion bei Krankheit der einen Niere reflektorisch ausgelöst sei. 
Als Therapie bei Anurie kommt nur die Nephrotomie in Betracht. Bei essentieller 
Hämaturie und Nephralgie ist in Fällen von wiederholter Nierenblutung die Frei- 
legung der Niere unbedingt indiziert, weil man nie mit Sicherheit unterscheiden 
kann, ob nicht eine Neubildung vorliegt. Bei Nephralgie ist natürlich erst nach 
Scheitern der internen Therapie operativ einzugreifen; die Nierenspaltung bringt 
dann oft noch gute Erfolge. E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


41) Russell. Supra-pubic hysterotomy as a means of diagnosis and 
treatment of the uterus. 
(Bulletin of the Johns Hopkins hospital 1906. Mai.) 


In Fällen, wo durch die bisherigen Untersuchungsmethoden eine sichere Diagnose 
über den Befund am und im Uterus nicht zu gewinnen ist, wo das Organ in ver- 
dächtiger Weise vergrößert, schwer oder gar nicht herabzuziehen ist, wo Blutungen 
aus ungeklärter Ursache aus ihm stattfinden, empfiehlt R., das Organ aus einem 
kleinen Bauchschnitte hervorzuziehen, rings gegen die Bauchhöhle mit Gaze abzu- 
stopfen und vorn in der Mittellinie zu eröffnen. 

Die Art des Leidens konnte in allen Fällen erkannt, kleine Myome, Polypen 
im Tubenwinkel abgetragen, die veränderte Schleimhaut unter Kontrolle des Auges 
entfernt und erforderlichenfalls nach Schluß der Wunde mit durchgreifenden Cat- 
gutknopfnähten eine Ventrifixation des Uterus vorgenommen werden. 

Unter den 32 Fällen ist kein Todesfall zu beklagen gewesen. Das Grundleiden 
wurde geheilt oder doch gebessert. Über den Verlauf etwaiger Schwangerschaften 
nach der Operation wird nichts erwähnt; die ersten Fälle sind bereite 1897 operiert 
worden. W. v. Brunn (Rostock). 


42) Donhauser. Malignant ovarian tumors in children. 
(Albany med. annals 1906. Januar.) 


13jähriges Mädchen. Vor 3 Wochen plötzliche, heftige, kolikartige Schmerzen 
im Bauche, die rasch nachließen, sich nach einigen Stunden und sodann einige 
Wochen später wiederholten. Seither andauernde Schmerzen, Fieber, Erbrechen. 
Klinische Diagnose: (geplatzte) Ovarialcyste mit Stieldrehung. Die Operation er- 
gab die Ruptur einer Ovarialcyste, welche entfernt wurde. Zunächst Heilung, nach 
einigen Wochen wieder ähnliche Schmerzanfälle in der rechten Unterbauchseite, 
daselbst Geschwulstbildung. Bei Eröffnung der Bauchhöhle, 6 Wochen nach der 
ersten Operation, ergab es sich, daß eine allgemeine Sarkomatose des Bauchfells 
bestand. Tod 1 Monat p. op. Sektionsbefund: Die ganze linke Seite des Bauches 
und Beckens von Geschwulstmassen ausgefüllt, Metastasen auf dem Bauchfell, 
Därme z. T. in die Geschwulst eingebettet. Nach der mikroskopischen Unter- 
suchung des zuerst entfernten »Ovarialkystoms« und der Geschwulstmassen handelte 
es sich um eine hämorrhagische und nekrotische bösartige Ovarialgeschwulst, durch 
deren Ruptur eine Aussaat der Geschwulstmassen auf das Bauchfell erfolgt war. 


840 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 


Letztere zeigten im mikroskopischen Bild das Aussehen einer bösartigen Ovarial- 
geschwulst, deren Stroma Ovarienstroma glich und stellenweise sarkomatösen Bau 
zeigte, während durch die ganze Geschwulst zerstreut Zellkomplexe mit der Struktur 
eines Adenokarzinoms lagen. 

Aus seiner Beobachtung und der spärlichen Literatur über bösartige Eierstocks- 
geschwülste bei Kindern schließt D. folgendes: Bösartige Eierstocksgeschwülste 
können auch bei Kindern vorkommen; in den ersten Stadien der Erkrankung sind 
die klinischen Erscheinungen der gutartigen und bösartigen Geschwülste dieselben. 
Die Geschwulst wird zufällig entdeckt, oder erst, wenn infolge Platzens der Cyste 
oder Stieldrehung Symptome auftreten, welche unter Umständen überhaupt die 
ersten Symptome sind, welche die Geschwulst anzeigen. Kinder jeder Altersstufe 
können erkranken, am häufigsten 10—14jährige. Die mikroskopische Diagnose und 
genaue Klassifizierung der Mischgeschwülste ist häufig schwierig oder unmöglich. 
66 Literaturfälle werden in Tabellenform zusammengestellt. 

Mohr (Bielefeld). 


43) Küttner. Apparat zur Infusion von Kochsalzlösung mit Sauer- 
stoff. 
(Arztl. Polytechnik 1906. März.) 

Ein 1 Liter haltender Zylinder aus Jenenserglas, der beim Kochen nicht 
springt und somit leicht zu desinfizieren ist, nimmt mittels Trichters die ClNa- 
Lösung auf. Am oberen Hahne läßt man nun Sauerstoff einströmen, bis am unteren 
Hahne 100 g Flüssigkeit ausgeflossen sind. Durch Umschütteln absorbiert die 
Flüssigkeit den O und ist dann zum Einführen in die Vene fertig. Der O wirkt 
auf das Herz sofort belebend. Abbildung im Original. 

E. Fischer (Straßburg i. E.). 


44) Albrand. Einfachstes Modell eines heizbaren Irrigators. 
(Arztl. Polytechnik 1906. April.) 

Obiger Apparat ist aus Weißblech verfertigt, ist oben und unten geschlossen, 
Liegend kann Wasser darin gekocht werden, alsdann sind Ausfluß, Füllöffnung und 
Thermometer auf der oberen Fläche, welche beim Aufrichten und Gebrauch zur 
vorderen wird. Abbildung im Original. E. Fischer (Straßburg i. E.). 


45) L. Küppers. Wasservorwirmer fiir Waschtische. 
(Med. Klinik 1906. Nr. 13.) 
In einem halb offenen, mit einer Wärmequelle (Nachtlicht, Gasflamme) ver- 


sehenen und in die Mauer eingebauten Kasten wird ein Schlangenrohr der Wasser- 
leitung durch die erwärmte Kastenluft erhitzt. Georg Schmidt (Berlin). 


46) J. Hertzka. Fingerfreies Einfädeln. 
(Miinchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 9.) 

H. benutzt eine Hakenpinzette, deren Branchen nahe ihren etwas verbreiterten 
und gerieften Enden gefenstert sind. Der Faden wird zwischen die Fenster ein- 
geklemmt und dann das Ohr einer mit dem Nadelhalter festgehaltenen Patentnadel 
auf den straff im Fenster gespannten Faden aufgedrückt; man Öffnet hierauf die 
Pinzette, und der übrige Faden schlüpft leicht beim Fenster heraus. — Die »Ein- 
fädelpinzette« ist im Medizinischen Warenhaus, Berlin, erhältlich. 

Kramer (Glogau). 


Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man 
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- 
handlung Brestkopf & Härtel, einsenden. 


Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig, Nürnbergerstraße 36/38. 


Zentralblatt 
CHIRURGIE 


herausgegeben 


E. vu Boman, F. King, E ee 





Dreiunddreißigster Jahrgang. 





Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrganges ‚ bei halbjähriger 
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten. 


Nr. 31. Sonnabend, den 4. August. 1906, 





Inhalt: 1) Reichel, Zurücklassen von Fremdkörpern in der Wunde. — 2) Gill, Wund- 
behandlung im Kriege. — 3) Böcläöre, Therapeutische Verwendung der Radiumstrahlen. — 
4) Ramstroem, Peritonealnerven. — 5) Lennander, Leibschmerzen. — 6) Lennander, Darm- 
kolikschmerzen. — 3 Hoffmann, Zur Darmdesinfektion. — 8) Woolsey, Perforlerende Ty- 
pi ioke ain, — 9) Oberndorfer, 10) Klemm, 11) Rostowzew, 12) Michel, 13) Korach, 

4) O’Brien, Appendicitis. — 15) Lotheissen, Tranmatische Hernien. — 16) Halstead, Hernia 
inguino-properitonealis und inguino-interstitialis. — 17) Wood, Wurmfortsatz in Schenkel- 
briichen. — 18) Holzknecht, Röntgenologische Untersuchung des Magens. — 19) Offergeld, 
Darmverschluß. — 20) Bolognesi, Unterbindung der V. portarum. — 21) Robson, Chole- 
dochussteine. — 22) Villar, Pankreaschirurgie. 

23) Krankenhausbericht. — 24) Suzuki, Der Kampf auf Schlachtschiffen. — 25) Beede, 
Nachbehandlung von Operstionen. — 26) Weecke, Bier’sche Stauung. — 27) Linnich, Bauch- 
deckendesmoid. — 28) Krause, Postoperativer Darmvorfall. — 29) Dreesmann, Tampon- 
drainage in der Bauchhohle. — 30) Hanley, Peritonitis durch Netztorsion. — 34) Robbers, 
Pneumokokkenperitonitis. — 32) Blecher, Magen- und Darmperforation. — 33) Ahrens, 
Magengeschwiire. — 34) Halstead, Akute postoperative Magenerweiterung. — 35) Schwarz, 
Pylorusstenose. — 36) Ambos, a Moynihan, Sanduhrmagen. — 38) Pinatelle u. Cavallion, 
Metastasen von Magenkrebs. — 39) Thiele, Ileus infolge subkutaner Bauchdeckenzerreißung. 
— 40) Kaowiton, Dickdarmgeschwulst. — 41) Schwarzschild, 42) Goebel, Leberabszesse. 
— 43) Herriagham, Riedel's Leberlappen. — 44) Fedorow, Cholecystitis. — 45) Heuer, 
Das Pankreas der Katze. — 46) D’Urso, Mesokoloncyste. 

WM. W. Herman, Zu »Eine neue Klemme zur Gastroenterostomie und Enteroanastomie 
von Dr. Linnartz«. 

Berichtigungen. 





1) Reichel. Wann und inwiefern ist die Zurücklassung von 
Fremdkörpern in einer Operationswunde dem Operateur als 


Fahrlässigkeit anzurechnen? 
(Sonderabdruck aus Gross’ Archiv 1906. Maiheft.) 

Der vorliegende Aufsatz, dessen Verf. ein juristischer Privatdozent 
ist, verdient von jedem operativ tätigen Arzte gelesen zu werden, zu- 
mal bei einem großen Teile des Publikums vielfach die Neigung 
besteht, jedes Versehen auf Fahrlässigkeit zurückzuführen und daraus 
Haftpflichtprozesse herzuleiten. Verf. berichtet über einen Fall, wo 
bei einer schwierigen und langwierigen Radikaloperation eines Brust- 

31 


842 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 


krebses in einer versteckten Wundnische ein Tupferbausch liegen blieb, 
der erst ein halbes Jahr später gelegentlich einer von anderer Seite 
ausgeführten Nachoperation entdeckt und entfernt wurde. Dieser Vor- 
fall bildete den Anlaß zu einem Prozeß auf Schadenersatz, der jedoch 
mit der Abweisung der Frage in zwei Instanzen endete. Von be- 
sonderem Interesse war in dieser Streitfrage ein Gutachten des Geh.- 
Rats Rupprecht in Dresden, welches Verf. nicht nur wegen seiner 
nach Form und Inhalt vorbildlichen Ausführungen, sondern auch 
wegen des besonders lehrreichen Charakters wörtlich widergibt und 
welches er für wert hält, »daß es nicht im Aktenrepositorium vergilbe, 
sondern daß es vielmehr der Kenntnisnahme weiterer fachgenössischer 
Kreise, auf juristischer nicht minder als auf medizinischer Seite, zu- 
gänglich gemacht und dauernd erhalten werde«. Ref. kann diesem 
Wunsche nur zustimmen, muß es sich aber leider versagen, auf die 
Einzelheiten weiter einzugehen und bezüglich dieser auf das Original 
verweisen. Deutschländer (Hamburg). 


2) C. A. Gill. The immediate treatment of extensive wounds 


on field service. 
(Lancet 1906. Mai 26.) 

Der Mitteilung wird die interessante statistische Tatsache voraus- 
geschickt, daß im russisch-japanischen Kriege nur 322 primäre Am- 
putationen bei russischen Verwundeten ausgeführt sind von 63346 
hierhergehörigen Schußverletzungen = 0,5%. 

Als Richtschnur für die Behandlung Verwundeter auf dem 
Schlachtfelde empfiehlt Verf. folgendes: 

1) Die unmittelbare Applikation einer antiseptischen Lösung auf 
ausgedehnte Wunden auf dem Schlachtfelde. 2) Die zu diesem Zweck 
eingeführte Bereicherung des Feldwundpäckchens des Soldaten mit 
einigen Sublimatpastillen, die eventuell in dem Wasser der Feldflasche 
gelöst werden können. 3) Nach diesem ersten Verbande kann dann 
für den Verwundeten, der eventuell noch gleichzeitig unter Opium- 
einwirkung gesetzt ist, eine Ruhepause eintreten, die gleich wünschens- 
wert für Pat. und Arzt ist. 4) Darauf erfolgt die Beförderung des 
Verwundeten zum Feldlazarett, wobei er sich in der Zwischenzeit vom 
Chok erholt und wo dann größere, sich als notwendig erweisende 
Operationen leicht und bequem vorgenommen werden können. 

H. Ebbinghaus (Dortmund). 


3) A. Beclére. Sur lemploi thérapeutique des sels de 
radium. 
(Radium 1905. Nr. 2.) 

Theoretische Abhandlung iiber die Eigenschaften, Dosierung und 
Anwendung der Radiumstrahlen. Zur Dosierung benutzt B. Holz- 
knecht’s Chromoradiometer, zur Messung der Penetrationskraft das 
Radiochromometer von Bénoist, dessen einzelne Sektoren er aber nur 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 843 


0,5 mm dick nimmt. Er gibt dann ein handliches, kleines Instrument 
zur Radiotherapie an: eine quadratische Kapsel von 11 mm Seiten- 
länge, deren Vorderwand aus einer Aluminiumlamelle von 0,1 mm 
besteht, ist mit einer 0,6—0,7 mm dicken Schicht von Baryumsalz 
(0, 15 g) gefüllt und sitzt, durch ein Gelenk allseitig beweglich, an 
einem Stiele, kann also überall bequem angewendet werden. Die qua- 
dratische Form ermöglicht, jeden Punkt des erkrankten Bezirkes zu 
bestrahlen, ohne dabei, wie bei der sonst üblichen runden Form, ein- 
zelne Teile zweimal zu treffen. 

Das Hauptanwendungsgebiet für Radiumstrahlen bleiben ober- 
flächliche, wenig ausgedehnte Schädigungen, welche durch ihren Sitz 
Röntgenstrahlen schwer zugänglich sind. Den angeblichen Erfolgen 
Soupault’s bei Arthropathie steht Verf. skeptisch gegenüber. 

Renner (Dresden). 





4) Ramstroem. Die Peritonealnerven der vorderen und 
lateralen Bauchwand und des Diaphragma 
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XV. Hft. 5.) 

Unsere Kenntnisse von der Innervation des Bauchfells sind sehr 
lückenhaft; manche Angaben sind direkt falsch. So wird behauptet, 
daß der N. phrenicus im Epigastrium das parietale Bauchfell versorge; 
R. zeigt, daß das unrichtig ist; diese Gegend wird vom 6., 7. und 
8. Interkostalraum versorgt, der Phrenicus versorgt mit sensiblen 
Asten nur die zentralen Partien der Bauchfellbekleidung des Zwerch- 
fells, während schon dessen Randteile mit Nerven von der Bauchwand 
versorgt werden. Das ganze Bauchfell der vorderen und seitlichen 
Bauchwand wird von Interkostal- und Lumbalnerven versorgt; diese 
bilden zwischen N. obliquus internus und transversus komplizierte 
Netze, von denen Zweige in der Gegend der Linea semicircularis 
Spigeli durch die Sehne des Transversus in das Bauchfell eindringen 
und sich in medialer und cephaler Richtung verbreiten. Hier bilden 
sie Netze, doch läßt sich trotzdem eine Andeutung metamerer Auf- 
teilung erkennen. Zahlreiche Pacini’sche Körperchen finden sich an 
ihnen, auf bandförmigen Feldern angeordnet, die nach Lage und Ver- 
lauf ziemlich große Übereinstimmung mit dem Inscriptiones tendineae 
im M. rectus aufweisen. Haeckel (Stettin). 





5) Lennander. Leibschmerzen, ein Versuch, einige von 
ihnen zu erklären. 

(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XVI. Hft. 1.) 

Nach L.’s früheren Untersuchungen haben alle Organe, welche aus 
dem Sympathicus oder vom Vagus unterhalb des Abganges des Recurrens 
Nerven empfangen, keine der bekannten vier Gefühlssinne, weder 
Schmerz-, noch Druck-, Wärme- oder Kältesinn. Erkrankungen der 
Organe der Bauchhöhle "werden erst schmerzhaft, wenn das Peritoneum 
parietale dabei gereizt wird; wie das im Einzelnen geschieht, führt L. 
im vorliegenden Aufsatze des näheren aus. Bewegungen des Magens 

31* 


844 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 


und Darmes führen zu Schmerzen durch Dehnung der Ansätze der 
Mesenterien und so hierdurch bedingte Zerrung des Parietalperitoneums; 
ebenso führen Bewegungen dieser Organe durch Verwachsung mit 
der Parietalserosa zu Zerrungen der letzteren. Bei chronischer Appendi- 
citis macht die Lymphangitis unter dem Bauchfell der hinteren Bauch- 
wand dieses sehr empfindlich, so daß schon leichter Druck, z. B. vom 
McBurney’schen Punkt, oder Passieren von Darmgasen schmerzhaft 
wird. Bei Flatulenz, bei Ascites ist die Dehnung der Parietalserosa 
das schmerzverursachende, bei großer harter Leber und Milz die 
Zerrung an den Aufhängebändern. oder Reiben der harten Kanten 
dieser Organe an der Serosa der vorderen Bauchwand. Bei Volvulus 
ist gleichfalls die Zerrung der Parietalserosa das Schmerzhafte. Der 
Schmerz bei Diarrhöen, das »Kneifen«, beruht darauf, daß die 
Flexura sigmoidea sich aufbäumt, hart wird und das Peritoneum 
parietale gegen die Muskeln und Aponeurosen der vorderen Bauch- 
wand verschiebt. Diese Verschiebung ist auch Grund der Schmerzen 
bei starker Füllung der Harnblase, doch kann hier auch Dehnung des 
perivesikalen Bindegewebes den Schmerz verursachen. 

Die Schmerzen bei plötzlicher Perforation des Magens, der Gallen- 
blase, des Wurmfortsatzes entstehen dadurch, daß der ausgetretene, 
chemisch höchst differente Inhalt dieser Organe rasch die Endothelien 
der Parietalserosa durchsetzt und an die unter ihr liegenden schmerz- 
empfindenden Nerven gelangt. Der Schmerz beim Magengeschwür 
entsteht durch Verwachsungen oder Lymphangitis unter der Serosa 
um die Arteria coeliaca herum. So erklärt sich auch die Druck- 
empfindlichkeit an bestimmten Stellen des Rückens bei Magengeschwüren 
und Cholelithiasis. Diese Lymphangitis versetzt die Nerven der hinteren 
Bauchwand in einen solchen Zustand, daß auch ein Druck auf ihre 
vorderen Endausbreitungen in der vorderen Bauchwand als Schmerz 
empfunden wird. Diese Erklärung ist nach L. plausibler als die von 
Head für seine bekannten Beobachtungen über Hyperalgesie der 
Haut bei inneren Leiden gegebenen. Daß bei Appendicitis nicht 
selten die Schmerzen im Epigastrium empfunden werden, beruht darauf, 
daß oft der distale Teil des Dünndarmmesenteriums mit dem Meso- 
colon ascendens frei von der Wirbelsäule ausgeht; dann treffen die 
Lymphgefäße des Wurmfortsatzes die hintere Bauchwand nicht eher, 
als sie längs der A. ileo-colica und der A. mesenterica superior die 
Lymphdrüsen rings um die Aorta erreicht haben. 

Der Mastdarm an sich ist unempfindlich. Bei Proktitis treten 
erst Schmerzen auf, wenn das perirektale Bindegewebe in Mitleiden- 
schaft gezogen wird. 

Die Geallenblase ist unempfindlich. Gallensteinkoliken entstehen 
durch Zerrung des retroperitoneal gelegenen Teiles des Choledochus 
oder Lymphangitis um die retroperitoneal gelegenen Nerven; auch kann 
sich die Infektion bis zur vorderen Bauchwand erstrecken und diese 
empfindlich machen. 

Die Niere, deren Fettkapsel von der fibrösen Kapsel völlig gelöst 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 845 


ist, ist unempfindlich. Die Nierensteinkoliken entstehen dadurch, daß 
bei Kontraktionen des Nierenbeckens und Harnleiters das umgebende 
Bindegewebe mit seinen schmerzempfindenden Nerven gestreckt und 
gezerrt wird; vielleicht spielt auch dabei die Lymphangitis eine Rolle. 
Das genaue Studium der lokalisierten Schmerzempfindungen ist 
von größter Wichtigkeit für eine exakte Diagnose. 
Haeckel (Stettin). 





6) Lennander. Über Hofrat Nothnagel’s zweite Hypo- 


these der Darmkolikschmerzen. 

(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XVI. Hit. 1.) 

Nothnagel hatte früher den Schmerz bei Darmkolik dadurch 
erklärt, daß die Kontraktion der Muskulatur die Nerven drücke; seit- 
dem man weiß, daß bei Zusammenpressen der Dupupytren’schen 
Darmschere oder durch das Quetschen des Darmes mit einem Angio- 
trib keine Schmerzen entstehen, ist diese Erklärung hinfällig. Später 
nahm Nothnagel an, die durch die Kontraktion des Darmes erzeugte 
Anämie gebe den Reiz für die sensiblen Darmnerven ab. L. wider- 
legt auch diesen Erklärungsversuch. Er zeigt, daß man bei Opera- 
tionen ohne Allgemeinnarkose und bei bestehenden Darmfisteln oder 
bei Liegen von Darmschlingen in einer Bauchwunde mit starken 
galvanischen und faradischen Strömen den Darm reizen und zu tetani- 
schen Kontraktionen bringen kann, ohne daß Schmerz empfunden 
wird; der Darm wird dabei vor Anämie ganz blaß, und doch tritt 
keine Schmerzempfindung auf. Haeckel (Stettin). 


7) Hoffmann. Beitrag zur Frage der Darmdesinfektion. 
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XV. Hft. 5.) 
H. benutzte zur Desinfektion des Darmes das Isoform und fand, 
daB dasselbe alle bisher angewandten Darmantiseptika iibertrifft. Er 
gab es durch den Mund bei Personen mit Dickdarmfisteln und unter- 
suchte den der Fistel entnommenen Kot auf Keimgehalt. Ferner 
gab er es vor Magenoperationen, um den Keimgehalt im Magen herab- 
zusetzen. Man kann einem kräftigen Manne 7—8—9 g pro die ohne 
Schaden geben; irgendwelche Vergiftungserscheinungen wurden nicht 
beobachtet. Durch gleichzeitige Dosis von Rizinusöl wird die Wirkung 
des Isoforms erheblich verstärkt. Vielleicht dürfte das Mittel auch 
bei parasitären Infektionen des Darmes, bei Typhus, Dysenterie, eine 
Zukunft haben. Haeckel (Stettin). 





8, Woolsey. Observations on the diagnosis and treatment 
of typhoid perforation. 
(Annals of surgery 1906. Mai.) 
Nach W. tritt Darmperforation bei Typhus am häufigsten am 
26.—27. Tage der Erkrankung auf unter den Symptomen plötzlichen 
heftigen Schmerzes, von Spannung und Rigidität der Bauchdecken und 


846 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 


Erbrechen. Kollapsartige Erscheinungen fehlen häufig und zeigen sich 
mehr bei Blutungen. Der Leukocytenzahl wird kein Wert beigelegt, 
Erhöhung von Puls, Temperatur und Atmung bildet die Regel. Man 
soll jedoch nicht ängstlich auf das Vorhandensein aller Symptome 
warten, bevor man die Laparotomie ausführt, sondern die probatorische 
Eröffnung der Bauchhöhle ausführen, sobald die plötzlichen Schmerzen 
und Spannung der Bauchdecken bemerkt werden. Nach Eröffnung 
der Bauchöhle empfiehlt es sich, zunächst eine Ausspülung derselben 
mit heißer Kochsalzlösung vorzunehmen; die Perforationsöffnung sitzt 
meistens in den unteren 3 Fuß des Ileums. Nach Vernähung der 
Perforation wird die Bauchhöhle bis auf eine für das Drain bestimmte 
Öffnung geschlossen. Die Sterblichkeit beträgt bei den bisher operier- 
ten Fällen 71—76 %. Herhold (Altona). 





9) Oberndorfer. Beiträge zur pathologischen Anatomie 
der chronischen Appendicitis. 

(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XV. Hft. 5.) 

O. untersuchte im Münchener pathologischen Institut bei mehr 
als 600 Autopsien den Wurmfortsatz, und zwar in lauter Fällen, in 
denen keine akute Entzündung vorgelegen hat, bei denen auch aus 
den Krankengeschichten keine Angaben über abgelaufene Prozesse 
sich vorfanden. Er fand die sehr bemerkenswerte Tatsache, daß fast 
bei allen Personen über 20 Jahre der Wurmfortsatz schwere Ab- 
weichungen von der Norm darbot, so daß völlig normale Appendices 
zu den größten Seltenheiten gehörten. Diese Veränderungen sind als 
chronisch verlaufende, latent bleibende Entzündungen aufzufassen. 
Im Gegensatze zu den akut entzündlichen Prozessen, welche, wie 
Aschoff in einwandsfreier Weise dartat, ausschließlich das Ober- 
flächenepithel und die angrenzenden Schleimhautschichten betreffen, 
beginnen bei diesen chronischen Formen die Veränderungen stets in 
der Submucosa und ziehen erst allmählich die Schleimhaut in Mit- 
leidenschaft. Die Veränderungen wiederholen sich in ganz typischer 
Weise, so daß sich folgender Entwicklungsvorgang ergibt: Zuerst ver- 
größern sich die Lymphfollikel und konfluieren stellenweise, dann 
wuchern die fixen Bindegewebszellen, insbesondere in der Submucosa; 
die letztere verbreitert sich durch diese Wucherung und drängt die 
Schleimhaut auf einen immer engeren Raum zusammen, die Drüsen 
vermindern sich an Zahl, sie gehen zugrunde, und schließlich restiert 
ein ganz schmaler, zentraler Hohlraum, der von einer nicht gegliederten 
Lage zylindrischer Zellen ausgekleidet wird. Endlich geht auch dieses 
Epithel zugrunde, die epithelfreien Wände verschmelzen, das End- 
stadium ist völlige Obliteration. Stets vermehren sich dabei die 
elastischen Elemente stark, besonders in der Muskulatur, die Muskel- 
zellen selbst degenerieren auf dem Wege der einfachen Atrophie, der 
Verfettung, sehr häufig der Pigmentdegeneration; die Muskelkerne 
lagern sich dabei in Form einer parallelen Schichtung. Im Gegensatze 
zu Ribbert, der die Obliteration als physiologischen Vorgang auffaßt, 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 847 


stellt O. diesen Prozeß als Folge einer chronischen, interstitiellen 
Entzündung hin; sie ist bedingt durch Bakterien oder deren Toxine, 
welche von der Lichtung der Appendix aus einwandern. Diese 
chronische, interstitielle Entzündung ist überaus häufig und stellt 
neben der akuten diphtherischen und nekrotisierenden Appendicitis 
eine besondere Form der Entzündung dar. Haeckel (Stettin). 





10) Klemm. Über die Ätiologie der Appendicitis. 
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XVI. Hft. 1.) 


Die Appendicitis ist eine durch Mikroben bedingte Infektions- 
krankheit. Die Hauptrolle spielt das Bakterium coli. K. untersuchte 
18 gesunde Wurmfortsätze bakteriologisch, von denen 2 bei Herniotomie 
am Lebenden, die anderen bei Sektionen gewonnen waren; 16mal wurden 
Colibazillen gefunden, 4mal in Reinkultur. Das lymphatische Gewebe 
der Submucosa des Wurmfortsatzes ist der Infektion besonders zu- 
ginglich. Obliterationsvorginge in der Appendix sind nicht als In- 
volution, sondern als Folge chronischer Entzündung anzusehen. Be- 
treffs der Appendicitis granulosa Riedel’s ist K. der Ansicht, daß 
man nicht von einem Granulationsgewebe sprechen könne, sondern es 
handelt sich nur, wie Untersuchungen von Wurmfortsätzen an Schar- 
lach oder Diphtherie gestorbener Kinder zeigten, um eine starke An- 
häufung von Leukocyten, bedingt durch vermehrte Tätigkeit der 
Lymphfollikel. Die Mikroben treten durch Lücken zwischen den 
Epithelien in das submuköse, Iymphatische Gewebe ein und versetzen 
es in Entzündung. 

Sind die Bakterien die Causa proxima der Appendicitis, so findet 
sich daneben aber noch eine Anzahl unterstützender Momente: Lage- 
anomalien, Knickungen usw. des Wurmfortsatzes, Anwesenheit von 
Kotsteinen. 

Als Einteilung nach pathologisch-anatomischen Typen, stellt K. 
auf: Appendicitis catarrhalis, ulcerosa, perforativa, fibrosa (Apendi- 
citis obliterans totalis oder partialis; Strictura appendicis). 

Haeckel (Stettin). 





11) Rostowzew. Uber die epidemische Natur der Peri- 


typhlitis und deren Beziehungen zur Influenza und anderen 


Infektionskrankheiten. 
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XV. Hft. 5.) 


Eine Zunahme der Appendicitis in den letzten 15 Jahren, ihr 
epidemisches Vorkommen, ihre Abhängigkeit von Infektionskrank- 
heiten, vor allem von Influenza, ist von verschiedensten Seiten aufs 
positivste behauptet worden, ohne daß irgendwelche greifbaren Beweise 
dafür geliefert worden sind. Diese kann aber nur die Statistik geben. 
R. unternimmt es nun, an einem gewaltigen Materiale diese Fragen 
einer Prüfung zu unterziehen, indem er die Krankenbewegung in den 


848 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 


elf großen städtischen Krankenhäusern St. Petersburgs während der 
Jahre 1890—1902 aus den verschiedensten Gesichtspunkten auf 
Appendicitis hin durcharbeitet. Nicht weniger als 3098 Fälle von 
Appendicitis sind in dieser Zeit aufgenommen worden. R. kommt zu 
dem Resultate, daß eine Vermehrung der Fälle in der letzten Zeit 
nicht nachzuweisen ist; die angebliche Zunahme ist nur eine scheinbare 
und wird durch bessere Kenntnis dieser Krankheit und durch die 
vervollkommnete Diagnose erklärt. Irgendwelche Abhängigkeit von 
der Jahreszeit ist nicht zu erkennen, ebensowenig Häufung in bestimmten 
Monaten; während in dem einen Krankenhause in einem Monat auf- 
fallend viele Fälle vorkamen, wurden in demselben Monat in anderen 
Krankenhäusern ungewöhnlich wenige beobachte. Ein epidemi- 
sches Auftreten der Krankheit wird durch die Statistik widerlegt. 
Die Bedeutung der Influenza für die Entstehung der Appendicitis ist 
eine reine Fabel; die ganz seltenen Fälle, in denen man die Influenza 
als Ursache der Perityphlitis anerkennen kann, verschwinden in der 
Gesamtmasse, ohne imstande zu sein, das Bild von progressiver Zu- 
nahme oder dasjenige von epidemischen Ausbrüchen der Appendicitis 
zu geben. Dasselbe gilt auch für die ätiologische Rolle der übrigen 
Infektionskrankheiten bei Perityphlitis. Haeckel (Stettin). 





12) G. Michel. De l’appendicite, pendant les suites de couches. 
(Province méd. 1906. Nr. 11.) 


Verf. behandelt die puerperalen Wurmfortsatzerkrankungen. Sie 
treten meist unter dem Bild einer puerperalen Adnexerkrankung auf 
und werden deshalb nicht diagnostiziert. Verf. unterscheidet drei 
Arten: Erkrankungen, welche durch lokale Ursachen bedingt sind. 
Die Disposition wird durch die Schwangerschaft wie durch den Ge- 
burtsakt erhöht. Verstopfungen und der Turgor der Gewebe schaffen 
für die Infektion einen geeigneten Nährboden und genügen, um einen 
latenten Herd zu entflammen. In die zweite Kategorie werden solche 
Formen verwiesen, welche von den Adnexen fortgeleitet sind. Auch 
das Umgekehrte kann eintreten. Erschwerte Entbindungen geben dazu 
Veranlassung. In dritter Linie bespricht Verf. die Infektion auf dem 
Blutwege. Die Ursache sieht Verf. in dem infizierten Uterus. 

Nach dem Grade der Entzündung werden Appendicitiden mit 
diffuser Peritonitis, solche mit lokalisierter Peritonitis und die nicht 
perforierten Formen unterschieden. 

Die Diagnose ist leicht, wenn die Symptome einige Tage nach 
der Entbindung plötzlich stürmisch einsetzen. 

Ist jedoch allmählich eine Peritonitis entstanden, so wird nicht 
leicht an eine Perityphlitis gedacht; und gerade hier wird der Irrtum 
mit dem Leben bezahlt. Verf. mahnt deshalb, wenn die lokalen Sym- 
ptome nicht dem Allgemeinzustand entsprechen, wenn die Adnexe 
nicht erkrankt zu sein scheinen, wenn endlich das Klaffen des Mutter- 
mundes fehlt, stets eine Perityphlitis in Betracht zu ziehen. Differential- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 849 


diagnostisch ist ferner an Cholelithiasis, Koprostase und Pyelonephritis 
zu denken. 

Was die Behandlung anlangt, so ist Verf. unbedingter Anhänger 
der Frühoperation und hält eine Laparotomie bei falscher Diagnose, 
d. h. wenn der Ausgangspunkt ein anderer ist, für keinen Schaden. 

Ein Schüler des Verf.s, Conter, hat die Fälle zusammengestellt. 
Es wurden 12 Fälle beobachtet, die operiert wurden, mit 3 Todes- 
fällen. Unter 9 nicht operierten starben 4. 

A. Hofmann (Karlsruhe). 


13) Korach, Über Appendicitis larvata. 
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XV. Hft. 5.) 
Die von Ewald » Appendicitis larvata« benannte Form der Wurm- 
fortsatzentzündung setzt sich aus zwei Komponenten zusammen, der 
chronischen Erkrankung des Wurmfortsatzes und einer visceralen 
Neurose, die meist auf der Basis einer Hysterie oder Hystero- 
neurasthenie beruht und unter dem Bilde einer Dyspepsie oder Hyper- 
azidität oder eines chronischen Magengeschwürs oder einer spastischen 
Verstopfung verläuft. Uber den inneren Kausalnexus dieser beiden 
Faktoren kann man nur Vermutungen hegen; die Erfahrungen des 
Verf. bestätigen jedenfalls nicht die Ansicht Ewald’s, daß oft durch 
Exstirpation des Wurmfortsatzes die Beschwerden mit einem Schlage 
beseitigt werden. Denn unter fünf operierten Fällen wurden nur 
einmal die psychogenen Symptome beseitigt, während in den übrigen 
gar kein oder nur ein ganz vorübergehender Suggestiverfolg erzielt 
wurde. Haeckel (Stettin). 


14) H. J. O’Brien. The relation of dislocated kidney to 


disease of the vermiform appendix. 
(St. Paul med. journ. 1906. Mai.) 

Verf. lenkt die Aufmerksamkeit auf den Zusammenhang von 
rechtsseitiger Wanderniere und Appendicitis, An der Hand einer 
Anzahl von Beobachtungen sucht er nachzuweisen, daß die abdominellen 
Beschwerden bei Wanderniere meistens auf einen erkrankten Wurm- 
fortsatz zurückzuführen sind, und rät, diesen nach der Fixation der 
Niere stets zu entfernen. Levy (Wiesbaden). 





15) Lotheissen. Die traumatischen Hernien. 
(Archiv fiir Orthopädie, Mechanotherapie und Unfallchirurgie Bd. IV. Hit. 3.) 
Die so überaus große Bruchliteratur ist reich an Publikationen 
über traumatische Hernien. In den wenigsten Fällen ist jedoch die 
traumatische Entstehung wahrscheinlich, ja in vielen Fällen sicher 
auszuschließen. Nach gehöriger kritischer Sichtung handelt es sich in 
der Literatur bis jetzt um sechs Fälle von echt traumatischen Hernien 
(Lotheissen, Bilfinger, Renner, Class und Hartmann) mit 
Autopsie und um 13 Fälle von wahrscheinlich traumatischen Hernien 
‘ ohne unmittelbare Autopsie. Traumatische Hernien sind nur direkte 
31** 


850 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 


Brüche, bei denen alle Teile (Pforte, Sack und Inhalt) durch das 
Trauma zu Bildung und Austritt kommen, oder doch wenigstens 
Sackbildung und Inhaltsaustritt direkt durch das Trauma bedingt 
werden. Bei den echt traumatischen Hernien, die durch stumpfe 
Gewalt ohne sehr schwere Symptome (intensive Schmerzen, Kollaps) 
entstanden sind, ist die Pforte groß; das Eingeweide tritt nicht wäh- 
rend der Gewalteinwirkung, sondern erst später aus. Sie kommen an 
allen Stellen der Bauchwand vor, am häufigsten in der Umgebung der 
Leistengegend. Beim Unfallbruche dagegen besteht a priori eine 
relativ enge Pforte, durch die infolge einer ungewöhnlichen Bewegung 
‘oder Anstrengung das Eingeweide dringt; die Pforte wird unnatürlich 
gedehnt, und daher großer Schmerz. 

Was die Entschädigung von seiten der Versicherungsanstalt an- 
langt, so wird bei traumatischen Hernien mit oder ohne Bruchband 
im Durchschnitt eine Rente von 10—15% gewährt. Der Umstand, 
daß in Deutschland — überhaupt in der Ebene — sehr selten zu 
Radikaloperationen von Brüchen, die durch ein Bruchband zurück- 
gehalten werden, geschritten wird, zeigte wohl am besten, wie wenig 
ein solcher Bruch den Träger im allgemeinen in seiner Tätigkeit 
hindert. Hartmann (Kassel). 





16) Halstead. Inguinal-properitoneal hernia; inguino-inter- 
stitial hernia. 
(Annals of surgery 1906. Mai.) 

Bei der inguino-properitonealen Hernie müssen zwei Bruchsäcke 
vorhanden sein, von welchen der äußere im Leistenkanale, der innere 
zwischen Bauchfell und Fascia transversalis liegt. Bei der inguino- 
interstitialen Hernie findet man den inneren Sack zwischen Fascia 
transversalis und Obliquus internus oder zwischen M. obliquus externus 
und internus. Verlagerung des Leistenkanales durch den nicht in den 
Leistenkanal herabgestiegenen Hoden oder durch Narben oder durch 
ein schlecht sitzendes Bruchband usw. können ebenso wie Divertikel- 
bildungen in der Umgebung des inneren Leistenringes die Ursache 
für die Entstehung dieser Brüche abgeben. Die Diagnose ist bei der 
inguino-retroperitonealen Hernie schwer, bei der inguino-interstitiellen 
leichter. Zwei Fälle dieser Brüche, die mit Erfolg operiert wurden, 
sind näher beschrieben. Herhold (Altona). 





17) Wood. Appendicular femoral hernia with notes of one 
hundred cases. 
(Annals of surgery 1906. Mai.) 

Verf. hat aus der Literatur 100 Fälle von Schenkelbrüchen ge- 
sammelt, in deren Bruchsack der Wurmfortsatz allein lag; die Fälle 
werden einzeln beschrieben, es handelte sich 8imal um Frauen, in 
den übrigen Fällen um männliche Individuen. Während der Blind- 
darm mit dem Wurmfortsatze meistens bei ganz jungen Personen bis 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 851 


zu 15 Jahren angetroffen wird, so findet man den letzteren allein im 
Bruchsacke meist nur bei älteren Leuten. In der ersten Zeit läßt 
sich derselbe reponieren, später verwächst infolge Entzündung seine 
Spitze mit dem Boden des Bruchsackes und er ist dann irreponibel. 
Es handelt sich um eine angeborene Anomalie, die Symptome sind 
meist die eines eingeklemmten Bruches, die jedoch nicht etwa durch 
die Einklemmung des Wurmfortsatzes, sondern meistens durch reflek- 
torischen Nervenreiz hervorgerufen werden, obwohl in einzelnen Fällen 
auch wirkliche Einklemmungen des Wurmfortsatzes vorkommen. Die 
Diagnose ist vor der Eröffnung des Bruchsackes nicht mit Sicherheit 
zu stellen. Die Behandlung besteht in typischer Exstirpation des 
Wurmfortsatzes; bei vereiterter Appendix ist durch Tamponade der 
Wundhöhle die Infektion der Bauchhöhle zu vermeiden. 
Herhold (Altona). 


18) Holzknecht. Mitteilungen aus dem Laboratorium für 
radiologische Diagnostik und Therapie aus dem k.k. allge- 


meinen Krankenhaus in Wien. 1. Bd. 1. Hft. 
Jena, Gustav Fischer, 1906. 


Unter diesem Titel beabsichtigt Verf. in Gemeinschaft mit an- 
deren, eine Reihe zwangloser Abhandlungen erscheinen zu lassen, die 
die medizinische Verwendung der neueren Strahlungen in biologischer, 
therapeutischer und diagnostischer Hinsicht behandeln sollen. Jedes 
Heft soll aber für sich ein abgeschlossenes Ganzes bilden. Das erste 
Heft befaßt sich mit der radiologischen Untersuchung des Magens. 

Verf. zusammen mit Brauner haben eine systematische Methode 
festgelegt. Sie bedienen sich fast ausschließlich der Röntgenoskopie 
im Gegensatze zu Rieder. Die Differenzierung des Magens gegen 
die angrenzenden Organe wird durch die Verabreichung des Wismut- 
bissens, der Wismutaufschwemmung, des Brausegemisches und der 
Rieder’schen Wismutmahlzeit erzielt. Die Durchleuchtung geschieht 
in den verschiedensten Richtungen im Liegen und Stehen, beim Ein- 
und Ausatmen. 

»Mit Hilfe dieser Methode bekommt man Aufschlüsse über den 
nüchternen, den durch eine 500 g schwere Mahlzeit belasteten und 
den gasgeblähten Magen; man sieht die Wirkung zunehmender Be- 
lastung auf Form und Größe des Magens. Es gelingt, die Grenzen 
des ganzen Magens oder einzelner Teile desselben zur Anschauung zu 
bringen, zu einem Urteil über die Magengröße zu kommen, sich über 
Lage und Stellung des Magens und seines Inhaltes bei den verschie- 
denen Körperstellungen zu informieren. Es können seine Lage- 
beziehungen zu den Bauchdecken, dem Zwerchfell und dem Dickdarm 
festgestellt werden. Man verfolgt den in diagnostischer Beziehung 
ungemein wichtigen Weg des Bissens im Magen, kann andererseits 
die Austreibungszeit der Speisen feststellen. In einfachster Weise 
beobachten wir die Einwirkung der Massage und der Bauchpresse auf 


852 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 


den Magen und seinen Inhalt, weiter seine respiratorische Verschieb- 
lichkeit. Diagnostisch ungemein wertvolle Befunde ergeben sich bei 
raumbeengenden Prozessen der Magenwand (Karzinom). Sehr einfach 
ist mit Hilfe der röntgenologischen Methode die Diagnose des Nand- 
uhrmagens. Sie leistet bei der Lokalisation von Fremdkörpern im 
Bereiche des Verdauungskanales gute Dienste. Sie ermöglicht es 
schließlich, das ungemein fesselnde Bild der Magenperistaltik bei un- 
versehrten Bauchdecken, also unter physiologischen Verhältnissen zu 
studieren und praktisch diagnostisch zu verwerten. 

Die hier mitgeteilte radiologische Magenuntersuchungsmethode 
gestattet demnach einerseits in physiologischer, diagnostischer und 
therapeutischer Hinsicht wichtige Befunde zu erheben, die zu erlangen 
uns sonst unmöglich wäre, andererseits kann man mit ihrer Hilfe die 
anderen auf morphologische und physiologische Verhältnisse gerich- 
teten klinischen Untersuchungsmethoden kontrollieren und ihren wei- 
teren Ausbau fördern.« 

Ein zweiter Abschnitt des Heftes handelt über die röntgenologische 
Diagnostik raumbeengender Geschwülste der Pars pylorica, speziell 
bei hochgradig gesunkenen und gedehnten Magen; ein dritter über 
die Peristaltik am Antrum pylori des Menschen. 

Als normale Form des Magens erklärt H. nicht die von Rieder 
gefundene. Nach ihm hat der normale Magen bei aufrechter Körper- 
stellung und in gefülltem Zustande die Form eines viertelkreisförmig 
gekrümmten Rinderhornes, dessen Spitze dem Pylorus, dessen breites 
Ende dem Fundus entspricht, so gelegen, daß sein weiter gelegenes 
kardiales Drittel vertikal, sein engeres pylorisches horizontal gelagert 
ist. Andererseits gibt H. zu, daß dieser nach ihm normale Magen 
viel seltener ist, als die von Rieder angegebene Form. Diese stati- 
stisch häufigste Magenform anscheinend gesunder Menschen ist nach 
H. bereits eine mäßige Gastroptose mit sekundärer Erweiterung, die 
ihre Ursache in einem mäßigen Grade von Erschlaffung der Bauch- 
decken hat. Diese wieder ist als Teilerscheinung allgemeiner Muskel- 
schwäche und Schlaffheit, wie sie die größere Hälfte der Kultur- 
menschheit aufweist, leicht verständlich. Anstatt des Namens 
»Grastroptose« schlägt H. vor, die Bezeichnung »Relaxatio ventriculi 
(enteroptotica)« zu setzen. Gaugele (Zwickau). 


19) Offergeld. Experimentelle Beiträge zur internen Therapie 
des Darmverschlusses. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXIX. Hft. 3.) 

Die Angaben über die Wirkung chemischer Mittel, wie Atropin, 
Physostigmin usw., beim postoperativen Ileus sind sehr widersprechende. 
Verf. versuchte deshalb auf dem Wege des Tierexperimentes an eine 
Lösung dieser Frage zu gehen. Zuerst erzeugte er reinen Meteoris- 
mus bei Meerschweinchen und Kaninchen und fand dabei, daß an- 
scheinend das Physostigmin, vielleicht auch das Strychnin gute Dienste 
leisten, sofern die Muskulatur des Darmes unversehrt ist. Bei Tym- 


‚Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 853 


panie durch diffuse Peritonitis ließ sich hingegen mit Physostigmin 
nichts erreichen; einigermaßen wirkten hier die den Darm ruhig stellen- 
den Mittel günstig. Beim paralytischen unkomplizierten Ileus, der 
sich durch Unterbindung der Mesenterialgefäße oder durch Abkühlen 
der Bauchhöhle, Eventration der Därme u. dgl. herbeiführen läßt, er- 
wiesen sich Strychnin, sicherer Physostigmin imstande, den Ileus hint- 
anzuhalten. Bei beginnendem Ileus ist der Erfolg nicht so sicher, bei 
schon länger bestehendem überhaupt nicht vorhanden. Tritt Perito- 
nitis zum paralytischen Ileus hinzu, so beherrscht sie das Krankheits- 
bild und die Prognose. Beim dynamischen Ileus half nur Belladonna, 
welche den Darm beruhigt und den Spasmus hebt. Beim Obturations- 
ileus wäre demgemäß vor anderen Maßregeln Atropin zu versuchen. 
Eine Reihe von Versuchen, durch chemische Mittel die Strangulation 
einer Darmschlinge zu lösen, ergaben, wie natürlich, kein Resultat. 
Hier bleibt also auch für den Verf. der rasche operative Eingriff die 
rationellste Therapie. Eine größere Anzahl von Versuchen mit anderen 
Medikamenten, wie Pilokarpin, Homatropin, Skopolamin, Nikotin u. a., 
ergaben keine für die Praxis verwertbaren Resultate. Interessant ist 
die Beobachtung, daß die Peristaltika wohl eine Kontraktion des 
Harnleiters bewirkten, dagegen keine vermehrte Bewegung der weib- 
lichen Genitalien hervorriefen, auch nicht bei Gravidität oder in der 
Geburtsperiode. 

In der subkutanen Kochsalzinfusion fand auf Grund seiner Ver- 
suche O. ein Mittel, die auf den Darm wirkenden Gifte in kurzer 
Zeit zur Auscheidung zu bringen, ohne daß sie ihre Darmwirkung 
ganz verlieren. 

In dem letzten Teile der Arbeit bespricht Verf. eingehend, wie 
weit seine experimentellen Versuche mit den bisherigen Erfahrungen 
am Krankenbett übereinstimmen, was, wie aus Vorstehendem ersicht- 


lich, in weitgehendem Maße der Fall ist. 
E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


20) Bolognesi. La legatura della vena porta in animali 
con circolo di Jacobson. 
(Sperimentale Bd. LX. Nr. 2.) 

Im Gegensatze zu den Säugetieren, bei welchen der Pfortader- 
kreislauf unabhängig von der Cava inferior ist, stehen seine mesen- 
terialen Wurzeln bei Vögeln vermittels der Jakobson’schen Anasto- 
mosen durch die Nierenvene in Kommunikation mit der Cava. Diese 
Tiere können, wenn man vom Operationschok absieht, die plötzliche 
Unterbindung der Pfortader überstehen. Es bildet sich zunächst eine 
passive Hyperämie am Darme, Milz und Pankreas, ferner Niere und 
am stärksten in der Leber selbst aus; die Bahnen für letztere sind 
teils die Kollateralen vom Magen her, teils die suprahepatischen Ge- 
fäße. In den Leberzellen tritt Fett auf; Gallen- und Glykogenbildung 
zeigen keine wesentliche Veränderung. Daß die Pfortader toxische 
Stoffe führe, ist nicht erwiesen, die Experimente mit kolibazillärer In- 


854 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 


fektion vom Bauchfell oder Pfortader aus bei solchen Tieren nach 
der Unterbindung sprechen nicht dafür. Die Folgen der Pfortader- 
unterbindung sind rein mechanischer Art. 

E. Pagenstecher (Wiesbaden). 


21) M. Robson. Common-duct cholelithiasis: its symptoms, 


complications and treatment. 
(Surgery, gynecology and obstetrics Vol. UI. Nr. 1. 1906.) 

Im Gegensatze zu Courvoisier, der in 4 von 100 Fallen Kon- 
kremente im Ductus choledochus fand und der in 2/, seiner Fälle 
Einzelsteine sah, hat Verf. in 40 von 100 mehrere Steine im Choledochus 
und nur in 20 von 100 Einzelsteine gefunden. Die besondere Er- 
kennung der Beteiligung des Ductus choledochus liegt in häufigen 
Schmerzanfällen für Jahre oder kurze Zeit, zuerst ohne Ikterus, dann 
ikterische Färbung der Konjunktiven und schließlich ein allgemeiner 
Ikterus, der von einem ca. 24stündigen Schmerzanfall gefolgt ist. 
Damit tritt der Stein vom Ductus cysticus in den Choledochus. Wenn 
die Steine so klein sind, daß sie durchtreten, dauert der Ikterus 
1—-2 Wochen mit häufigen Schmerzanfällen; wenn die Gelbsucht an- 
dauert und die Leber sich vergrößert, hat der Stein sich eingeklemmt. 
Dauert der Ikterus aber ohne Schmerzen an, so muß man an bösartige 
Neubildung denken. Bei Steinen ist der Ikterus weniger stark, als 
bei Karzinom des Pankreaskopfes. In zweifelhaften Fällen gibt die 
Anamnese den Ausschlag. Weiter ist wichtig, daß bei Karzinom des 
Pankreaskopfes die Gallenblase vergrößert ist, während sie bei Stein- 
verschluß des Ductus choledochus nicht gefühlt wird; und zwar führt 
Verf. dies darauf zurück, daß die Kolikanfälle bei Steinen Ver- 
wachsungen um die Blase machen. Dann verursachen Steine selten 
vollkommenen Choledochusverschluß, es fehlt daher auch die Rück- 
stauung der Galle zur Anfüllung der Blase. Ferner zieht sich beim 
Steinverschluß die Muskelwand der Blase stark zusammen, und die 
Kontraktion mit begleitender Entzündung und Fixation führt zu 
Atrophie. 

Differentialdiagnostisch wichtig ist, daß man bei Pankreas- 
beteiligung (genuiner Pankreatitis oder Pankreatitis sekundär auf ein- 
geschlossenen Stein) im Urin nadelförmige, spitz endigende und rosetten- 
förmig angeordnete Bildungen findet, die sich in verdünnter Schwefel- 
säure lösen. Wenn die Kristalle dicker sind, mit mehr abgerundeten 
Ecken und 4—5 Minuten zur Auflösung in Schwefelsäure brauchen, 
so muß man Verdacht auf Karzinom des Pankreas haben. Diese 
mikroskopischen Bildungen genügen nach Verf.s Ansicht zwar nicht 
absolut zur definitiven Differentialdiagnose, sie haben sich aber bei 
zahlreichen Fällen praktisch gut bewährt. Wichtig ist überdies, daß 
zur Differentialdiagnostik der Stuhlgang genau chemisch untersucht 
wird. Wenn der Verschluß von Steinen herrührt (ohne Beteiligung 
des Pankreas), so sind die Neutralfette und die fettigen Säuren gleich- 
mäßig im Steigen, der Stuhl ist dabei alkalisch und enthält etwas 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 855 


Galle. Wenn die Pankreasgänge aber mit verschlossen sind durch 
einen Gallenstein im Pankreaskopf oder durch eine Geschwulst, so 
überwiegt das Neutralfett die fettigen Säuren, und der Stuhl reagiert 
sauer. Wenn schließlich die Gelbsucht durch Karzinom des Pankreas- 
kopfes veranlaßt ist, fehlt die Galle vollständig. 

Bei infektidser Cholangitis mit Steinen im Ductus choledochus 
fand Verf. Bakterium coli-ähnliche Bakterien, und zwar besonders in 
den Fällen, wo es zur Eiterung gekommen war. In zwei Fällen, die 
schließlich an allgemeiner Sepsis eingingen (kompliziert durch eitrige 
Pankreatitis resp. Parotitis) fand er außer Bakterium coli noch Strepto- 
kokken. Die Komplikation mit Streptokokken hält er für tödlich. 
Dies um so mehr, als er fand, daß auch bei Appendicitis, wenn hier 
Streptokokken gefunden wurden, die Krankheit tödlich endete. Verf. 
beobachtete Gallensteinanfälle mit besonders schweren Schüttelfrösten, 
die durch Malaria kompliziert waren; auch hier war ihm die Urin- 
untersuchung besonders wichtig. Er konnte in 5 von 100 Fällen keine 
Galle im Urin nachweisen, obwohl die Conjunctivae gelb gefärbt waren; 
letzteres hat er namentlich in allen operierten Fällen von Choledochus- 
verschluß (150) gesehen. Sitzt der Stein in der Blase oder im Cysticus, 
so sind die Schmerzen unter dem rechten Rippenrand, ausstrahlend 
nach dem rechten Schulterblatt; beim Choledochusverschluß sind die 
Schmerzen mehr zentralwärts und strahlen nach der Mitte des Schulter- 
blattes aus. Schmerzen im Epigastrium deuten auf Verwachsungen 
hin (Magen usw.). 

Im Gegensatze zu Oberst und Beck hat Verf. durch Röntgen- 
strahlen niemals Steine nachweisen können, während er bei Pankreas- 
steinen sehr gute Röntgenbilder bekam. Verf. gibt schließlich alle 
die Komplikationen an, die bei Cholelithiasis eintreten können; hier 
verweise ich aufs Original wegen Raummangel. Zur Operation benutzt 
Verf. den Vertikalschnitt mit stumpfer Durchtrennung des rechten 
Musc. rectus; bei allen Operationen in der Tiefe (Choledochus usw.) 
fügt er sofort einen ausgiebigen Querschnitt am Rippenrand hinzu. 
Verf. betont, daß vor allem der Schnitt groß genug, und daß die 
Asepsis besonders penibel sein muß (Handschuhe). 

Verf. hatte bei Cholecystostomie, die er bevorzugt, 1% Mortalität: 
bei der Choledochotomie hatte er ursprünglich 16,2% (alle Fälle ein- 
geschlossen), bei den letzten 76 Choledochotomien aber nur noch 
3,9% Mortalität. Verf. ist absolut für Frühoperation im Riedel’schen 
Sinne. Heile (Wiesbaden). 





22) F. Villar (Bordeaux). Chirurgie du pancreas. 330 S. 
84 Figuren. 
Paris, Rousset, 1906. 
Nach kurzen historischen Vorbemerkungen wird im ersten Teile 
die topographische Anatomie des Pankreas genau beschrieben. 
Der zweite Teil bringt eine sorgfältige Darstellung der einzelnen 


856 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 


Erkrankungen des Pankreas mit besonderer Berücksichtigung ihrer 
Diagnostik. 

Auf die erst in neuerer Zeit erkannten und noch nicht genügend 
geklärten Wechselbeziehungen zwischen Erkrankungen des Pankreas 
und der Gallengänge wird besonders aufmerksam gemacht, die wichtige 
und oft sehr schwierige Differentialdiagnose zwischen Pancreatitis 
chronica und Krebs des Pankreas eingehend erläutert. 

Im dritten Teile gibt V. neben genauer: Feststellung der Indika- 
tionen eine erschöpfende Darstellung der Operationsmethoden bei den 
einzelnen Pankreaserkrankungen, erläutert durch instruktive Ab- 
bildungen und durch zahlreiche, die Gesamtliteratur berücksichtigende 
Tabellen. Er fand bei der hämorrhagischen Pankreatitis 78%, bei 
der eitrigen 38%, bei Pankreasnekrose 49% und bei chronischer 
Pankreatitis 20% Mortalität. 

Er rät bei der hämorrhagischen Pankreatitis zur Operation 
— Drainage — und hält für die beste Behandlung der chronischen 
Pankreatitis die Cholecystektomie verbunden mit Choledochusdrainage. 

Das Werk gibt eine umfassende Darstellung vom jetzigen Stande 
der Pankreaschirurgie. Georgi (Dresden). 


Kleinere Mitteilungen. 
23) Jahresbericht über das Krankenhaus in Britz. 


Welchen Aufschwung das Britzer Krankenhaus in seinem ersten Dezennium 
unter Riese’s Leitung genommen hat, beweist ein kurzer Rückblick auf seine 
Entwicklung. Krankenbestand und Personal haben sich verdreifacht. Was an 
großen Operationen im verflossenen Jahre Schönes geleistet wurde, muß im Be- 
richte eingesehen werden. A. Hofmann (Karlsruhe’. 


24) Suzuki. Notes on experiences during the Russo-Japanese naval 
war 1904/05. 
(Journ. of the assoc. of military surg of. U. S. Vol. XVII. Nr. 5.) 


S. kommt dahin, daß auf den eigentlichen Schlachtschiffen während des 
Kampfes und nach demselben nur Verbände anzulegen und die allerdringlichsten 
Operationen auszuführen, daß die endgültigen Verbände und die größere Sorgfalt, 
erfordernden Operationen ausschließlich auf den Hospitalschiffen vorzunehmen sind. 
Bei den ersten Verbänden und zum Transport werden auch besonders ausgebildete, 
nicht dem eigentlichen Sanitätspersonal angehörende, am Kampfe nicht aktiv be- 
teiligte Mannschaften (z. B. Schreiber, Kohlenzieher usw.) herangezogen, wie im 
Landheere die Krankentriger. Vor dem Kampfe müssen sämtliche Mannschaften 
frische Wäsche anziehen. Die Verbandstoffe und alles zur ersten Hilfe Notige wircl 
an verschiedenen möglichst sicheren Stellen des Decks vorbereitet; zum Schutze 
gegen Granatsplitter werden die Hängematten verwandt, von welchen Vorhänge 
gebildet werden, während alle überflüssigen Gegenstände möglichst fortzuschaffen 
sind. Tragen haben sich als ungenügend zur Fortschaffung erwiesen, versagterı 
oft, weil getroffen oder durch herabfallende Trümmer zerstört; deshalb mußte of: 
der Transport nur durch Träger, event. auf dem Rücken eines Mannes, entsprechend 
japanischer Gewohnheit, stattfinden. Die Räume des Schiffslazarettes sind unter 
der Wasserlinie anzulegen, und zwar zwei, an verschiedenen Stellen des Schiffes. 
Bei Neubauten sind Aufzüge für den Verwundetentransport vorzusehen. Das Ver- 
bandsmaterial für die erste Hilfe wurde in Form von vier großen Sublimat-Mull- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 857 


kompressen und einem dreieckigen Tuch, in besonders bearbeitetes japanisches 
Papier eingeschlagen, an allen Plätzen für die erste Hilfe reichlich vorrätig ge- 
halten; überhaupt waren alle Schiffe aufs reichlichste mit Verbandmaterial versorgt 
worden. Die Verwundungen waren hauptsächlich, der Natur des Seekampfes ent- 
sprechend, durch Granatsplitter, durch indirekte Geschosse und Trümmerstücke er- 
zeugt, in auffällig großer Zahl auch durch Explosionen von Unterminen entstanden. 
Die Art der Behandlung und die Handhabung der Asepsis gestaltete sich in der 
bei uns üblichen Weise. Trapp (Bückeburg). 


25) 8. C. Beede. Conservatism in post-operative treatment. 
(Amer. journ. of surg. 1906. Mai.) 


Verf. wendet sich mit Recht gegen die Sucht mancher Chirurgen, ihre Pat. 
möglichst schnell nach einer Operation aufstehen zu lassen und aus der möglichst 
kurzen Nachbehandlungszeit einen Rekord zu machen. Er betont die Gefährlich- 
keit derartiger Hast, die dadurch bedingte Eiterung mancher Wunden, das Ent- 
stehen von schlaffen Narben usw. In einem Falle entließ ein kompetenter Chirurg 
ein an Appendicitis operiertes junges Mädchen am 8. Tage nach der Operation 
aus dem Hospital. Die Folge war eine fibrinöse Peritonitis, an der Pat. noch jetzt, 
mehr als 1 Jahr nach dem Eingriff, leidet. Goebel (Breslau). 


26) W. Weecke. Uber Bier’sche Stauung und ihre Erfolge. 
(Archiv für physikalische Medizin und medizinische Technik Bd. I. Hft. 2 u. 3.) 

Die kurze Darstellung der Technik, Anwendung der Stauung bei den ver- 

schiedensten Krankheiten, und ihrer Erfolge bringt dem Chirurgen nichts wesent- 

lich Neues. Erwähnenswert ist bei der Verschiedenheit der bisherigen Resultate, 

daß Verf. seit 1 Jahre alle Erysipele (wie viele ? Ref.) mit Stauung behandelt, und 

in 3—5 Tagen zur Heilung bzw. zum Stillstande bringt. Die Temperatur ging 

jedesmal schon nach der ersten Stauung herunter. Benner (Dresden). 


27) C. Linnich. Ein seltener Fall eines Bauchdeckendesmoids. 
Inaug.-Diss., Kiel, 1906. 

Der aus der Kieler Klinik stammende Fall wies durch sein schnelles Wachs- 
tum bei durchaus gutartiger Natur, dann durch die eingreifende Operation Beson- 
derheiten auf. Es handelte sich um ein reines Fibrom bei einem 35jährigen Fräu- 
lein, das, vor etwa 7 Monaten zuerst bemerkt, rasch bis zur Kindskopfgröße ge- 
wachsen war und dem unteren Teile des Brustbeines unverschieblich aufsaß. Bei 
der Operation wurde die Rectusscheide abpräpariert und die Geschwulst nach oben 
geschlagen, wobei ein Stiel freigelegt wurde, der 5 cm weit hinter das Brustbein 
führte und eine kleine Arterie und eine kleine Lymphdrüse enthielt. In der 
Wundhöhle befand sich unten freigelegtes Bauchfell, nach beiden Seiten rechts und 
links oben die Pleura und ein kleines Stück des Herzbeutels. Die tief hinter das 
Brustbein einsinkende Wunde wurde mit Etagennähten verschlossen. Wegen 
periostaler Blutung der Vorder- und Hinterseite des Brustbeines wurde beiderseits 
ein kleiner Tampon eingeführt, die Wunde im übrigen vernäht. Heilung. 

Als Ursprung der Geschwulst wird die vordere Rectusscheide angesehen, die 
mit dem Desmoid völlig eins und nur mühsam abzupräparieren war. 

E. Moser (Zittau). 


28; H. Krause. Ein Beitrag zur Kasuistik des postoperativen Darm- 
prolapses. 
Inaug-Diss., Kiel, 1906. 

K. beschreibt 5 in der Kieler Klinik während der letzten 2 Jahre beobachtete 
Fälle, die sich auf etwa 900 Laparotomien verteilen. Auffallend ist wieder der 
Mangel subjektiver Beschwerden beim Eintreten des Vorfalles. Derselbe trat ein 
6, 8, 4, 121 und 11 Tage nach der Operation. In Fall 5 war Aufbrechen der 
Wunde und Eingeweidevorfall eingetreten, obwohl die Bauchwunde schichtweise 


858 | Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 


vernäht war. Der Grund war in einer völlig fehlenden Heilneigung zu suchen, die 
durch eine selbst durch die Autopsie nicht erklärte Anomalie des Allgemein- 
zustandes bedingt war. In der Mittellinie zwischen Proc. ensif. und Nabel lag die 
Operationswunde einmal; es war hier eine Jejunostomie bei Speiseröhrenkarzinom 
angelegt worden. In den anderen 4 Fällen lag die Laparotomiewunde seitlich in 
der unteren Bauchhälfte.e Erhöhte Rückenlage, Aufsitzen und Pressen bei Kot- 
und Harnentleerung wirken hier schädigend auf die Wunde. Auch teilweises 
Offenlassen der Bauchwunde wirkt schädigend, während Tamponade der Bil- 
dung eines Vorfalles entgegenwirkt. Schädigend für einen festen Verschluß wirkt 
ferner Entzündung innerhalb der Bauchhöhle, ebenso allgemeine Kachexie. Es 
schneiden dabei die Nähte leicht durch, und dann kommt durch Schwund der 
Darmmuskulatur und Herabsetzung des Darmtonus leicht Meteorismus zustande. 
Hustenstöße wirken weiter schädigend. 

Die mitgeteilten Fälle betreffen 4 Männer und eine Frau. Bei letzterer ist 
anzunehmen, daß außer der Kachexie der durch 13 Geburten bedingte Elastizitäts- 
verlust der Bauchdecken auf den Vorfall begünstigend eingewirkt hat. Fall 5 be- 
weist die große Toleranz des Bauchfells. Obwohl fast der ganze Dünndarm vor- 
gefallen und mit Pflastermasse bedeckt war, traten an ihm keine Entzündungs- 
erscheinungen auf. Der Dünndarm wurde aber in diesem Falle bei der Reposition 
falsch gelagert, wodurch ein Volvulus entstand, der nach Einsetzen der Peristaltik 
vollständig wurde. Ein Selbstzurückgehen des Darmes wurde in Fall 3 beobachtet 
bei einer 69jährigen Frau. Auf Grund derartiger Beobachtungen wird es sich 
empfehlen, falls sich vorgefallene Därme entweder infolge ihrer Größe oder infolge 
von Verwachsungen nur schwer reponieren lassen, durch geeignete Lagerung zu 
versuchen, ein Rückgehen des Vorfalles einzuleiten. Der schon erwähnte Pat. von 
Fall 5 lag nach Entstehen des Vorfalles mit stark angezogenen Beinen im Bette. 
Wahrscheinlich hatte er instinktiv diese Lage eingenommen, um durch die größt- 
mögliche Entspannung der Bauchdecken jeden weiteren Druck auf den Bauchinhalt 
und somit weiteres Vorfallen zu verhüten. E. Moser (Zittau). 


29) H. Dreesmann. Die Tampondrainage in der Bauchhöhle. 
(Med. Klinik 1906. Nr. 23.) 


Von einer zweckmäßigen Tamponade verlangt D. leichte Entfernbarkeit bei 
guter und vollständiger Ableitung der Absonderung. Die »Tampondrainage« be- 
steht aus Hegar’schen, unten geschlossenen, 5—20 cm langen, 1—3 cm Durch- 
messer besitzenden, am Boden und an den Seiten mit Öffnungen von 1 bis höch- 
stens 2 mm Durchmesser versehenen Glasdrains, die mit Gaze fest ausgestopft 
werden (Bezugsquelle: Josef Krause, Köln, Schildergasse 96A). Einmal legte sich 
in eine zu weite Drainöffnung Darmwand hinein; da die Rückbringung nicht ge- 
lang, mußte Abtragung und Darmnaht erfolgen. 3- oder 4mal unter 200 Fällen 
traten in die Seitenöffnungen Netz oder Granulationen ein, die die Entfernung der 
Drains erschwerten. Sonstige Nachteile, insbesondere Druck auf den Darm, wurden 
nicht beobachtet. Die Gaze wird mehrmals täglich gewechselt; nach und nach 
werden kürzere und dünnere Drains eingelegt. Georg Schmidt (Berlin). 


30) Hanley. Report of four cases. 
(Buffalo med. journ. 1906. Januar.) 


Hervorzuheben sind zwei Fälle von umschriebener Peritonitis infolge von Netz- 
torsion. 

a. 3 Tage nach einem Stoß gegen den Leib Druckempfindlichkeit und Rigi- 
dität der rechten Bauchmuskeln. Die Operation ergab ein stranguliertes, fast gan- 
gränöses Netzstück, welches mit dem seitlichen Bauchfell, Blind- und Dünndarm 
verwachsen war; der sekundär entzündlich veränderte Wurmfortsatz lag dahinter. 
Heilung nach Netzresektion. 

b. Nach einer Überanstrengung der Bauchmuskulatur durch schweres Heben 
traten anfänglich leichte, dann anfallsweise heftige Schmerzen im Laufe einiger 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 859 


Wochen auf. Bei der Laparotomie fand sich ein ganz ähnlicher Befund wie im 
Falle a., auch was den Wurmfortsatz anbetrifft. Pat. erkrankte 6 Tage nach der 
Operation an Delirium potatorum und sprang aus dem 3. Stock des Hospitals 
40 Fuß tief herab; er zog sich außer der Erschütterung nur einige Hautabschür- 
fangen zu, und genas glatt. Die Bauchwunde heilte per primam. Entlassung nach 
3 Wochen. Mohr (Bielefeld). 


31) Robbers. Über Pneumokokkenperitonitis. 
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 23.) 


Die mitgeteilten drei Fälle betrafen zwei weibliche Erwachsene und ein 
6jähriges Kind. Es handelte sich um abgesackte Exsudate, in denen Pneumo- 
kokken in Beinkultur sich fanden. Heilung durch Operation. 

Borchard (Posen). 


32) Blecher. Über die Perforation des Magen- und Zwölffingerdarm- 
geschwüres. 
(Deutsche militärärztl. Zeitschrift 1906. Hft. 3.) 


Schilderung zweier Fälle von Perforationsperitonitis, von welchen es sich ein- 
mal um den Durchbruch eines Zwölffingerdarm-, das andere Mal um den eines 
Magengeschwüres handelte. Beide Pat. wurden durch die Naht der Durchbruchs- 
öffnungen geheilt; eine Magenfistel, die sich in dem einen Falle nach der Operation 
bildete, schloß sich spontan. Die Symptome des Durchbruches bestanden in Er- 
brechen und anfallsweise auftretenden Leibschmerzen, sowie Auftreibung des Leibes. 
Vor dem Eintritte der Perforation waren die Leute scheinbar völlig gesund, wenig- 
stens hatten sie keinerlei Beschwerden gehabt; auch traten die Perforationen nicht 
unter chokartigen Erscheinungen ein. Herhold (Altona). 


33) Ahrens. Über einen Fall von multiplen Magengeschwüren mit 
Bemerkungen über die chirurgische Behandlung des Ulcus rotundum. 
(Med. Korrespondenzbl. d. württemb. ärztl. Landesvereins 1906. Mai 26.) 


49jährige Frau mit schwersten Stenoseerscheinungen nach langjährigem Ge- 
schwürsleiden. Bei der Laparotomie fand sich ein mit der unteren Leberfläche 
verwachsenes, perforiertes Geschwür der kleinen Kurvatur, das vernäht wurde. 
Außerdem wurde wegen starker perigastritischer Verwachsungen des Pylorus mit 
der hinteren Bauchwand, verursacht durch ein altes Magengeschwür, die Gastro- 
enterostomia retrocolica posterior gemacht. Schließlich war noch eine dritte Ope- 
ration notwendig; denn etwa zwei Finger breit von der Perforationsstelle lag auf der 
Vorderfläche des mäßig erweiterten Magens in der Ausdehnung eines kleinen 
Handtellers ein ganzes Nest (83—10) von kleinen frischen Magengeschwüren. Um 
einer Perforation dieser Geschwüre in die freie Bauchhöhle vorzubeugen, wurde 
die ganze geschwürige Partie in eine Falte des Magens genommen und dadurch 
übernäht, wodurch außerdem noch eine Verkleinerung des vergrößerten Magens 
erzielt wurde. Es fanden sich also in vorliegendem Falle drei verschiedene Phasen 
des Magengeschwüres, und jede Phase verlangte ihre eigene Operation. Heilung 
mit guter Magenfunktion. 

A. hält für das Magengeschwür mit oder ohne Stenose, wenn die Indikation 
zur Operation vorliegt, die Gastroenterostomie für das Normalverfahren, und zwar 
die retrocolica posterior, da die Funktion der Fistel bei dieser meistens sofort eine 
ideale ist. Dagegen erlebte A. in zwei Fällen, in welchen er wegen starker 
Schrumpfung des Magens gezwungen war, die vordere Gastroenterostomie nach 
Wölfler auszuführen, Circulus vitiosus nach der Operation. 

A. empfiehlt bei Anlegung der Magen-Darmfisteln den Narath’schen Gastro- 
phor. Die Gastrolyse gab A. in einem Falle nur vorübergehenden Erfolg, die 
Gastroenterostomie mußte wegen neuer Verwachsungen doch angeschlossen werden. 

Mohr (Bielefeld). 


860 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 


34) A. E. Halstead. Acute postoperative dilatation of the stomach, 
with report of a case following nephropexy. 
(Surgery, gynaecology and obstetrics Bd. I, 13.) 


Verf. berichtet über einen Fall von akuter Magendilatation nach einfacher 
Nephropexie, der am 5. Tage nach der Operation deshalb tödlich endete. Die 
Diagnose wurde erst durch Autopsie gestellt. Verf. rät deshalb, mehr an die 
Möglichkeit dieser postoperativen Komplikation zu denken. Die Anheftung der 
rechten Wanderniere war leicht, geschah in 40 Minuten, ohne Eröffnung des 
Bauchfelles. Bei der Sektion war keine Spur von Peritonitis nachzuweisen; da- 
gegen füllte der Magen den ganzen Bauch bis ins Becken hinein aus. Die Därme 
waren kollabiert und lagen im Becken. Außer dem Magen war auch noch der 
Anfangsteil des Duodenum bis zur Umbiegungsstelle mit erweitert; hier fühlte 
sich das Mesenterium dick an (arterio-mesenterialer Darmverschluß an der Duo- 
deno-Jejunalgrenze? Verf.). Das Leiden begann am Tage nach der Operation mit 
Ubelkeit und reichlichem Erbrechen; Stuhl und Winde fehlten anfangs. Der Tod 
erfolgte am 6. Tag unter Pulsfrequenz über 140 und normaler Temperatur. 

Verf. erinnert daran, daß derartige akute Magenerweiterungen besonders nach 
Verletzungen von Gehirn und Wirbelsäule gesehen wurden. (Thompson beob- 
achtete vier derartige Fälle; bei uns hat Kausch zuerst darauf hingewiesen) Dann 
erinnert Verf. daran, daß dieselbe Komplikation nach Operation an anderen intra- 
abdominalen Organen gesehen wurde (Gallenblase, Eierstock usw... Er empfiehlt 
zur Behandlung vor allem häufiges Magenaushebern und subkutane wie rektale 
Infusionen. (Ref. beobachtete nach Magenresektion [Billroth I) eine solche akute 
Erweiterung des Magenstumpfes ohne mechanisches Hindernis; hier war hoch- 
gradiger Magensaftfluß schon vor der Operation vorhanden, und alle Beschwerden 
verschwanden, als Ref. durch eine zweite Laparotomie den tiefsten Magenteil mit 
dem Jejunum vereinigt hatte.) Heile (Wiesbaden). 


35) D. Schwarz. Ein Fall von Stenose des Pylorus seltener Ätio- 
logie. 
(Liecnicki viestnik 1905. Nr. 11. [Kroatisch.)) 


Der nun 50jährige Pat., der immer ganz gesund war, trug vor 10 Jahren Säcke, 
wobei er sich auf der Stiege nach vorn beugte und da plötzlich einen sehr großen 
Schmerz fühlte. Er mußte sich sofort ins Bett legen und war 3 Monate schwer 
krank. Krampfhafte Schmerzen, Erbrechen, auch von reinem Blute, beherrschten 
das Krankheitsbild. Seit dieser Zeit leidet er an Schmerzen, saurem Erbrechen, 
oft auch Blutbrechen, bis sich das komplette Bild einer Pylorusstenose entwickelt. 

Direktes Trauma ist kein seltenes Moment in der Atiologie des Magen- 
geschwüres, doch ist ein Entstehen dieser Erkrankung durch plötzliche Muskel- 
anspannung noch nicht beschrieben; es wird nur die Möglichkeit dieses Momentes 
von Stern, v. Mikulicz und Kausch zugegeben. Verf. schließt, daß es in sei- 
nem Falle unzweifelhaft klar ist, wie sich vom Augenblicke der Muskelanspannung 


das Magengeschwür entwickelte. v. Cackovié (Zagreb-Agram). 
36) H. Ambos. Ein Fall von Sanduhrmagen mit Heilung durch 
Gastroanastomose. 


Inaug.-Diss., Kiel, 1905. 


Eine 48jährige Arbeiterfrau, die in ihrer Jugend einmal Magenbluten und 
öfters Magenbeschwerden gehabt hatte, litt seit einigen Wochen wieder an hef- 
tigem Erbrechen und Schmerzen. Sie zeigte eine stark ausgebildete Lordose der 
Lendenwirbelsäule, wodurch die Aorta in ihrem ganzen Verlaufe der vorderen 
Bauchwand genähert wurde. Bei Aufblähung des Magens war im linken Hypo- 
chondrium bis zur Nabelhöhe allenthalben tympanitischer Magenschall, dagegen 
nirgends rechts von der Mittellinie. Bei der Laparotomie fand man die Pars py- 
lorica von dem übrigen Teile des Magens durch ein kinderhandgroßes, stenosie- 


Zentralblatt fir Chirurgie. Nr. 31. 861 


rendes Geschwiir mit wellenartigen Randern voneinander getrennt. Das Geschwiir 
saß auf der Rückfläche und war mit der Gegend des Pankreas weit verwachsen 
und verengte die Magenlichtung bis auf zwei Querfingerbreite. Zwischen kardialem 
Teile und Pars pylorica wurde etwas oberhalb der großen Kurvatur eine Anasto- 
mose mit dreifacher Nahtreihe hergestellt. Heilung. 

Von den bisher veröffentlichten Fällen von Gastroanastomose ist nur ein Fall 
von v. Eiselsberg tödlich verlaufen, bei dem die Naht nicht hielt. Die Gastro- 
anastomose muß als das am wenigsten eingreifende und sicherste Operations- 
verfahren bei Sanduhrmagen angesehen werden. E. Moser (Zittau). 


37) Moynihan. Sanduhrmagen. 
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XVI. Hft. 1.) 


M. hat 23 Fälle von Sanduhrmagen operiert, 21 gut-, 2 bösartige. Davon 
starben 4 im Anschluß an die Operation; bei den anderen war der Erfolg fast 
durchweg gut. 6mal wurde die Gastroplastik, 1mal Gastroanastomose, 7mal Gastro- 
enterostomie, 1mal Dilatation ausgeführt. War zugleich daneben eine Pylorus- 
stenose vorhanden, so wurde die Gastroplastik und eine Gastroenterostomie (3mal), 
oder Gastroanastomose mit Gastroenterostomie (3mal) ausgeführt. Bei den malignen 
Fällen wurde 1mal die Jejunostomie, 1mal Gastroplastik mit Pyloroplastik ge- 
macht. 

Nach kritischer Sichtung der Literatur kommt M. zu dem Resultate, daß kein 
Beweis geliefert worden ist dafür, daß es einen angeborenen Sanduhrmagen gibt. 
Alle bisher beobachteten Fälle sind durch Geschwür, Perigastritis oder bösartige 
Neubildungen entstanden. 

In einer seiner Beobachtungen, die gewiß einzig ist, war der Magen durch 
zwei Stenosen, entstanden auf dem Boden narbig geschrumpfter Geschwüre und 
Ti/g cm voneinander entfernt, in drei Säcke geteilt. In einem anderen, gleichfalls 
einzig dastehenden Falle waren sogar drei Verengerungen vorhanden, die eine im 
Magenkörper, eine nahe dem Pylorus und die dritte, ungefähr 3,7 cm vom Pylorus 
entiernt, im Duodenum; es entstanden dadurch vier Säcke. 

Unter seinen letzten 16 Fällen stellte M. vor der Operation 14mal die Diagnose. 

Haeckel (Stettin). 


38) Pinatelle et Cavaillon. Deux cas de metastase d’un cancer 
gastrique dans le cräne et les méninges. 
(Province med. 1906. Nr. 15.) 


Die Seltenheit in dem Schädel und den Hirnhäuten metastasierender Magen- 
kearzinome wird durch die Literatur bestätigt. Es werden zwei Fälle beschrieben. 
Beide bestanden in Pylorusgeschwülsten. Die eine hatte eine Metastase gebildet, 
welche einerseits das Orbitaldach perforierte und auf der anderen Seite die Dura 
vor sich her schob, ohne sie zu durchbrechen. Diese zweite Geschwulst bildete 
unter der Innenseite der Dura in den weichen Hirnhäuten eine handtellerbreite 
fungöse Aussaat ohne Perforation nach außen über der parieto-occipitalen Region. 

Den ersten Fall benennen Verff. als Fungus der Dura mater, den zweiten als 
karzinomatöse Meningitis. A. Hofmann (Karlsruhe). 


39) Thiele. Chronischer Dleus infolge von subkutaner Zerreißung der 
Bauchdecken. Bauchschnitt; Dienstfähigkeit. 
(Deutsche militärärztl. Zeitschrift 1906. Hft. 3.) 

In dem interessanten und seltenen Falle handelte es sich um eine subkutane 
Zerreißung der Bauchdecken (Muskulatur, Fascie, Bauchfell) infolge Stoßes einer 
Deichsel gegen den Bauch. Nach 15 Tagen traten Ileuserscheinungen auf, und es 
wurde bei der Operation eine durch den traumatischen Bauchwandschlitz hindurch- 
getretene gedrehte Dünndarmschlinge angetroffen. Diese wurde, nachdem sie in 
die richtige Lage gebracht war, reponiert und die Bauchwunde vermittels durch 
fibrés entartetes Bauchfell und Muskulatur durchgreifender Nähte bis auf eine 


862 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 


kleine, für den Tampon bestimmte Stelle geschlossen. Trotz dieser ungünstigen 
Gewebsverhältnisse trat kein Bauchwandbruch ein — die Operation ist 11/, Jahre her. 
Herhold (Altona). 


40) Knowlton. Tumor of the cecum and ascending colon; removal 
and recovery. 
(Journ. of the amer. med. assoc. 1906. Mai 26.) 


Bei 56jähriger Frau fanden sich bei größter Abmagerung die Zeichen des 
chronischen Darmverschlusses und eine große Geschwulst in der Blinddarmgegend. 

Bei der vorgenommenen Operation ergab sich, daß sie den ganzen Blinddarm 
und den ganzen aufsteigenden Dickdarmschenkel einnahm und umgeben war von 
zahlreichen festen Verwachsungen, von denen ein Teil gelöst wurde; der schlechte 
Allgemeinzustand verbot die Radikaloperation. Es trat darauf eine unerwartete 
Besserung und Erholung ein, so daß 14 Tage nach der ersten Operation ein Kunst- 
after angelegt werden konnte, durch den das Allgemeinbefinden glänzend beein- 
flußt wurde. Etwa 3 Monate später wurde unter Ausschaltung des künstlichen 
Afters eine Ileokolostomie vorgenommen und wieder nach einem Vierteljahre durch 
eine vierte Laparotomie die Geschwulst mit Verwachsungen und dem erkrankten 
Darmteil entfernt, dessen Stumpf kurz vor der neuen Verbindung eingestülpt und 
vernäht wurde. Es erfolgte auch danach glatte Heilung. Die Geschwulst erwies 
sich als Fibrolipom. K. bespricht im Anschluß an den Fall die große Toleranz 
des Magen-Darmkanales bei chronischen Erweiterungen und die große Wider- 
standsfähigkeit des Körpers gegen Sepsis in solchen Fällen, verursacht durch die 
immunisierende Autointoxikation durch den stagnierenden Darminhalt. Deshalb 
sind solche mehrfache Operationen in diesen Fällen sehr lohnend, nur muß man 
auf einmal nicht zu viel vornehmen. Trapp (Bückeburg). 


41) M. Schwarzschild. Zur Ätiologie der Lieberabszesse. 
(Med. Klinik 1906. Nr. 22.) 


Ein Mann wird wegen Leberabszeß unbekannten Ursprunges operiert und 
stirbt 2 Tage später an Lungenembolie.. In der Leiche findet sich ein zweiter 
Leberabszeß und eine Stecknadel im Wurmfortsatz, der in seiner Mitte eine Ne- 
krose aufweist, sonst keine krankhafte Veränderung. Als Ursache der Leber- 
abszesse ist die Perityphlitis anzusehen, veranlaßt durch die Einwanderung der 
Stecknadel mit Mikroembolien. Georg Schmidt (Berlin). 


42) Goebel. Über Leberabszesse. 
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XV. Hft. 5.) 


G. hat in Alexandrien in Agypten 23 Leberabszesse operiert; 19 davon be- 
trafen Einheimische. Im Gegensatz zu den Erfahrungen anderer Arzte, nach denen 
bei weitem mehr Europäer vom tropischen Leberabszeß befallen werden, überwogen 
bei G. also erheblich die Eingeborenen. Der Alkohol und schwere alimentäre In- 
fektionen der Leber durch verdorbene Fische usw. spielen bei der Prädisposition 
eine Rolle; Malaria oder Entozoen hatten keinen Einfluß auf die Bildung der 
Leberabszesse. Für die ätiologische Bedeutung der Dysenterien bietet G.’s Ma- 
terial sehr ungleiche und zum Teil gar keine anamnestischen Angaben; doch hat 
G. den Eindruck, daß es gerade die leichten Formen von Dysenterie sind, denen 
öfter Leberabszesse folgen. Unter den 23 Fällen handelte es sich 6mal um mul- 
tiple Abszesse; es scheint demnach in Übereinstimmung mit den Erfahrungen an- 
derer ägyptischer Arzte hier die Multiplizität der Abszesse öfter vorzukommen, 
während in anderen warmen Ländern die solitären Abszesse die Regel bilden. Be- 
züglich der Diagnose hält G. die Probepunktion für unbedingt notwendig; aber er 
hat sie nur vorgenommen, wenn alles zur sofortigen Operation bereit war. Von 
G.’s Pat. starben 7 = 30%; bei diesen handelte es sich um mehrfache Abszesse 
oder Komplikationen mit Empyem usw. G. ist durchaus für einzeitige Operation; 
zur breiten Offenhaltung der Wunde soll man stets die Resektion eines nicht zu 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 863 


kurzen Stückes einer Rippe, oder noch besser von zweien ausführen. Die Methode 
Fontan’s, das Abkratzen der Abszeßwände, wird widerraten. Bei Durchbruch 
eines Leberabszesses in ein Organ der Bauch- oder Brusthöhle soll man doch den 
Abszeß noch von außen angehen, weil spontane Heilung trotz des Durchbruches 
unsicher ist. Haeckel ‘Stettin). 


43) Herringham. Cases of Riedel’s lobe, with remarks on the various 
deformities of the liver. 
(St. Bartholomews hospital reports Vol. XLI. 1906.) 


H. geht aus von drei eigenen Beobachtungen von Riedel’schem Lappen, von 
denen ein Pat. operiert wurde. 

Die teilweisen Vergrößerungen der Leber zerfallen in drei Gruppen: 1) An- 
geborene Mißbildungen. Unter 3000 Autopsien des Hospitals fand H. in elf Fällen, 
daß der eine Leberlappen, gewöhnlich der linke, ganz unentwickelt blieb, während 
der andere so vergrößert war, daß er eine abtastbare Bauchgeschwulst bildete. 
2) Sogenannte Schnürleber; auch hier kommen außer erworbenen Deformitäten 
angeborene vor, und in einzelnen Fällen wird die angeborene Abnormität durch 
den äußeren Druck noch vermehrt. 3) Riedel’sche Lappenbildung durch Er- 
krankung der Gallenblase oder der Umgebung. H. berichtet über zwei Fälle, in 
welchen wegen dieser Affektion operiert wurde. Die erste Pat. wurde mit einer 
harten, beweglichen Geschwulst in der Lendengegend aufgenommen, welche als 
Wanderniere angesehen wurde; nach rechtsseitiger Nephropexie kein Nachlassen 
der Beschwerden; bei der zweiten Operation wurde die Geschwulst als zungen- 
förmiger Leberlappen erkannt und an die vordere Bauchwand angeheftet. 4) Leber- 
deformitäten durch Lues. H. erwähnt einen Fall, in welchem die Geschwulst als 
Nierengeschwulst angesprochen wurde, während bei der Autopsie ein luetischer 

er rechter Leberlappen gefunden wurde. H. bespricht die oft schwierige 
Unterscheidung von Wanderniere und Gallenblasenerkrankungen und empfiehlt bei 
stärkeren Beschwerden stets die Laparotomie. Mohr (Bielefeld). 


44) 8. P. Fedorow. Von den entzündlichen Erkrankungen der Gallen- 
wege (Cholecystitis). 
(Russ. Archiv für Chirurgie 1905. [Russisch.) 


Die vom Verf. vorgetragenen Anschauungen sind die heute wohl allgemein 
angenommenen. Mit besonderem Nachdruck betont er, daß alle Beschwerden von 
dem Entzündungsgrade abhängen, in dem sich die Schleimhaut der Blase befindet, 
keineswegs von den Steinen. 

F. ist ein entschiedener Anhänger der idealen Operation, die er 6mal ausge- 
führt hat. mal machte er die Cholecystektomie, 4mal die Cholecystostomie, 2mal 
die Choledochotomie (1mal mit sofortiger Naht, imal mit Drainage). Diese Ein- 
griffe wurden an 14 Pat. vorgenommen, die sämtlich genasen. Eine 15. Pat. ging 
an Peritonitis zugrunde. Sie wurde operiert beädufs Erweiterung einer zu eng ge- 
wordenen Gastroenterostomie. Die Gallenblase konnte wegen schwerer Verwach- 
sungen am Pylorus überhaupt nicht freigelegt werden. Bei der Sektion zeigte sich, 
daß die Blase mit Steinchen vollgestopft und vielfach durchlöchert war. F. hält 
für wahrscheinlich, daß durch die Zerrungen bei der Operation, die an sich schon 


dünne Wand an den Steinen durchgescheuert wurde. 
V. E. Mertens (Breslau). 


45) Heuer. The pancreatic ducts in the cat. 
(Johns Hopkins hospital bulletin 1906. April. p. 106.) 


Die Arbeit wird für denjenigen, welcher am Pankreas der Katze experimentell 
zu arbeiten beabsichtigt, besonderen Wert haben. In zahlreichen vorzüglichen 
Abbildungen ist die Topographie des Pankreas der Katze, die Lage und Verzwei- 
gung der Gänge, besonders aber das Verhalten derselben bei der Einmündung ins 


864 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 


Duodenum bzw. die Papilla Vateri veranschaulicht; die wichtigsten Varietäten 
werden demonstriert. W. v. Brunn (Rostock). 


46) D'Urso. Cisti a contenuto grassoso del mesocolon transverso. 
Contributo alla patogenesi di una varietà di cisti mesenteriali. 
(Policlinico 1906. Ser. chir. Nr. 6.) 


jährige Frau. Seit 2 Jahren Schmerzanfalle. Im linken Hypochondrium 
orangengroße bewegliche Geschwulst. Dieselbe sitzt im Mesocolon transver- 
sum und läßt sich nach Spaltung seines vorderen Blattes leicht im ganzen 
ausschaben. Ihr Inhalt ist dickflüssig, opak, nußgelb, ca. 50 ccm, Fett, in 
Alkohol- Athermischung löslich. Die Wände der Cyste glatt, an einer Stelle 
strangförmig verdickt. Mikroskopisch drei Schichten; eine innere, teils kernig, 
teils Granulationsgewebe haltende; eine mittlere von Bindegewebe mit einzelnen 
Zellanhäufungen und zerstreuten Lymphfollikeln. Nach außen vermehren sich letztere 
und bilden die dritte Schicht, welche durchaus der Corticalis einer Lymphdrüse 
gleicht.” Die Cyste ist aus einer solchen hervorgegangen durch Lymphstauung. 
Auffallend ist der chylöse Inhalt, da beim Menschen der Dickdarm nur ausnahms- 
weise bei der Resorption der Fette beteiligt ist. 

E. Pagenstecher (Wiesbaden). 





Zu „Eine neue Klemme zur Gastroenterostomie 
und Enteroanastomie von Dr. Linnartz«. 
Von 
Privatdozent Dr. M. W. Herman. 


Die von Dr. Linnartx in Nr. 26 d. Bl. beschriebene neue Klemme ist nicht 
neu, da ich eine sehr ähnliche, fast identische, schon vor 21/2 Jahren in der Wiener 
klin. Wochenschrift 1904 Nr. 8 beschrieben habe und darüber auch im Zentralblatt 
für Chirurgie 1904 Nr. 32 von Hübener ausführlich referiert wurde. 

Seit meimer ersten Publikation werden alle Gastroenterostomien und sehr viele 
Einteroanastomosen in der v. Rydygier'schen Klinik mit Hilfe der »drablättrigen 
Klemme« ausgeführt. Und in der v. Rydygier’schen Klinik wird prinzipiell nur 
die Gastroenteroanastomosss retrocolica posterior nach v. Hacker ausgeführt, »stets mit 
einwandsfreiem Resultate«. Deshalb kann ich nicht begreifen, warum Dr. Linnartz 
die Verwendbarkeit der Klemme nur auf die Gastroenterostomia antersor begrenzt 
sehen will. 

Endlich will ich bei der Gelegenheit bemerken, daß mein Instrument nicht ge- 
setzlich geschützt ist und von der Fabrik Georgeon und Trepecynski in Lem- 
berg verfertigt wird. 





Berichtigungen. 


Pag. 840 Z. 20 v. o. lies L. v. Lesser statt Lesser. — Auf p. 53 des Berichtes 
über den Chirurgenkongreß Z. 13 v. u. lies »lassen sich leicht vermeiden«, statt 
nicht vermeiden«. 





Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man 
an Prof. BE. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- 
handlung Breitkopf & Härtel, einsenden. 





Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig, Nürnbergerstraße 36/33. 


Zentralblatt 
CHIRURGIE 


E. vn Begum, F Kig, E ie 





Dreiunddreißigster Jahrgang. 


u ET En EEE E EE E E E O : 
Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei halbjähriger 
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten. 


Nr. 32. Sonnabend, den 11. August. 1906. 





Inhalt: 0. Witzel, Zur Gallenblasenexstirpation. (Original-Mitteilung.) 

1) Sobotta, Atlas des Nerven- und Gefäßsystems. — 2) Ribbert, Zweckmäßigkeit in der 
Pathologie. — 3) Secrötan, Unfallverletzungen. — 4) David, Orthopädische Chirurgie. — 
5) Rarratonl, Muskelquetschung. — 6) Lennander, Lokale Anästhesie und Sensibilität in 
Organ und Gewebe. — 7) Dauve, Gemischte Narkose. — 8) Beesiy, Azetonurie Anästhesier- 
ter. — 9) Dubreuilb, Lymphdrüseuschwellungen mit Prurigo. — 10) Müller und Rau, Mittel- 
ohreiterung. — 11) Tansini, Amputatio mammae. 

12) Freie Vereinigung der Chirurgen Berlins. — 13) Ischmann, Staphylokokkenerysipel. 
— 14) Porez, Chronische Bakteriimie. — 15) Coss, Tetanus. — 16) Armstrong, Lungen- 


komplikationen nach Operationen unter Anästhesie. — 17) Šlajmer, 18) Dean, Lumbar- 
anästhesie. — 19) Buri, Epidurale Injektionen. — 20) McKenzie, Lokale Stovainwirkung. — 
21) Halsted, Tuberkulosebehandlung. — 22) v. Neumann, Lepra. — 23) Pasini, Bromexan- 
them. — 24) Dubreulih, Rezidivierender Herpes. — 25) Steiner, Dermatomyositis. — 
26) Koehne, Schidelplastik. — 27) Franke, Wasserschuß. — 28) Lévy u. Baudouin, 29) Pop- 
pert, 30) van Hook, Trigeminusneuralgie. — 31) Hinsberg, Labyrintheiterung; Kimmel, 
Otitis media. — 32) Apitz, Qangrän der Lider. — 33) Kelly, Teleangiektasien in Haut und 
Schleimhäuten des Gesichts. — 34) v. Elselsberg, Schiefer Biß. — 35) Hercog, Zahnverlet- 
zungen. — 36) v. Auffenberg, Plastische Verlängerung des Unterkiefers. — 37) Schwarz, 
38) Wikerhauser, Zungenkropf. — 39) Overdyn, Osteomyelitis der Wirbelsiule. — 40) Hein- 
rich, Hysterische Gestaltveränderung der Wirbelsäule. — 41) Stegmann, Morbus Basedow. 
— 42) Strohe, Diaphragma der Luftröhre. — 43) Brézard und Morel, Herzwunden. 





Zur Gallenblasenexstirpation. 
Von 
Prof. 0. Witzel in Bonn. 


Die vollstandige Wegnahme der Gallenblase bei Cholelithiasis ge- 
winnt immer mehr Anhinger. Gleich in der ersten, die Gallenblasen- 
chirurgie inaugurierenden Arbeit empfahl Langenbuch die Entfernung 
des Organes, welches als Hauptbildungsstätte der Gallensteine anzu- 
sehen sei. Jetzt ist fast allgemein diese Anschauung als richtig an- 
erkannt. Sicherheit gegen erneute Konkrementbildung kann bei Zu- 
rücklassung des Organes überhaupt nicht vorhanden sein, da die 
Bedingungen, die zuerst zur Steinbildung Anlaß gaben, doch ohne 


32 


866 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 


weiteres fortbestehen; nach operativen Eingriffen — mag nun eine 
Cystostomose oder auch eine »ideale« Cystotomie ausgeführt worden 
sein — sind die Vorbedingungen für Konkrementbildung stets in noch 
höherem Maße gegeben. Denn der feine Ausdehnungs- und Entlee- 
rungsmechanismus, der normalerweise an der Gallenblase besteht, wird 
durch jeden operativen Eingriff zum mindesten gestört, gewöhnlich 
wird er aufgehoben. 

Es war nicht nur der entschuldbare Wunsch, Neues zu leisten, 
welche die Chirurgen nach Langenbuch veranlaßte, allerhand Me- 
thoden zu erfinden. Die Gallenblasenexstirpation, wie sie Langenbuch 
ausführte, kann recht unangenehme Nachteile haben; das sind: Blutung 
aus der Lebernische, Schwierigkeit einer sicheren aseptischen Versorgung 
des Stieles, Hinterlassung einer großen wunden Fläche, von der aus- 
gehend Adhäsionen zu erwarten sind an einer Stelle, wo wir sie, zumal 
wegen der Pylorusnachbarschaft, durchaus nicht für wünschenswert er- 
achten können. Aus diesen Übelständen folgt dann die Notwendigkeit, 
einen Teil des Bauchschnittes offen zu lassen und zu tamponieren. 

In einem Vortrage, den ich in der Sitzung der Niederrheinischen 
Gesellschaft für Natur- und Heilkunde am 18. Januar 1904 hielt, 
habe ich dargetan, daß bis dahin nicht bekannte, jedenfalls nicht be- 
achtete anatomische Verhältnisse es ermöglichen, die Gallenblasen- 
exstirpation nicht nur in technisch leichter und sicherer Art, sondern 
auch mit Vermeidung der angegebenen Nachteile auszuführen. 

Wie im Spatium Retzii die Harnblase in einem lockeren 
Bindegewebslager liegt, sich in demselben bei Ausdehnung 
und Entleerung bewegt, so ist auch die Gallenblase von weit- 
maschigem Bindegewebe (sp. sp.) umgeben, das sich subperi- 
toneal sowohl, als auch zwischen Gallenblase und Leber — 
durch Injektion leicht anatomisch darstellbar — erstreckt. 

Die hiermit gegebene Verschieblichkeit zur physiologischen Fül- 
lung und Entleerung wird zweifelsohne bei jeder Entzündung vorüber- 
gehend beeinträchtigt, die sich im Innern abspielt; sie wird dauernd 
durch ausgedehnte und umschriebene Pericholecystitis geschädigt. Das 
Wechselspiel, bei dem die Galle das Reservoir unter Verschiebung 
gegen die Lebernische ausfüllt, die Kuppe zum Vorragen bringend, 
um dann, durch Eigentätigkeit der Gallenblase sowohl, als auch durch 
helfenden Druck des peristaltisch sich bewegenden Magens und Darmes, 
entleert zu werden, dieses Wechselspiel wird bei ausgedehnter Peri- 
cholecystitis aufgehoben, bei umschriebener Strangbildung in mannig- 
facher Weise abgeändert. 


Bei Bandbildung am Halsteilder Gallenblase geschieht das unter Her- 
beiführung von Erscheinungen, welche das Vorhandensein eines Querbandes, fast 
mit Sicherheit vor Eröffnung des Abdomens klinisch vermuten lassen. — Am Über- 
gange vom Gallenblasenhalse zum Cysticus bekommt besonders häufig ein Stein 
feste Lagerung für längere Zeit. Ringförmige Wandveränderung, weiterhin quer- 
verlaufende pericholecystitische Narben bleiben zurück, auch wenn der Stein längst 
seinen natürlichen Abgang gefunden hat oder in die Gallenblase zurückgesunken 
ist. Der Fundusteil der Gallenblase bleibt bei Bandbildung quer über den Hals- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 867 


teil normal in dem lockeren Bindegewebslager beweglich und ausdehnungsfähig. 
Periodisch füllt sich die Gallenblase von den normalen Gallenwegen her ohne 
Schwierigkeit an, während für die Entleerung die ringförmige Verengerung hinder- 
lich ist. Die letztere erfolgt dann nicht in physiologischer Abhängigkeit während 
der Verdauung, sondern nach Eintritt starker Spannung mit leichten wehenartigen 
Schmerzen. Diese täglichen, ein- oder zweimal wiederkehrenden Kolikanfälle leichter 
oder leichtester Art haben uns in den letzten Jahren wiederholt dazu gebracht, 
eine Bandbildung am Gallenblasenhalse diagnostisch zu vermuten. Da die einfache 
Durchtrennung des Bandes von Bildung eines neuen gefolgt werden würde, ist hier, 
auch obne daß noch Steine in der Gallenblase vorhanden sind, die Exstirpation 
indiziert; sie befreit mit Sicherheit von den geschilderten Beschwerden. 


Nun läßt sich die Auslösung der Gallenblase in dem geschilderten 
Bindegewebslager nicht nur außerordentlich leicht ausführen, es ge- 
lingt bei derselben auch in der einfachsten Weise, die Nachteile zu 
vermeiden, die nach obigem sonst der Cholecystektomie anhaften und 
ihrer allgemeinen Annahme als Eingriff der Wahl hinderlich waren. 
— Die Technik gestaltet sich folgendermaßen: 

Durch einen zu einem Drittel oberhalb, zu zwei Dritteln unter- 
halb des Rippenbogenrandes liegenden Längsschnitt wird, ungefähr 
der Mitte des rechten Rectus entsprechend, die vordere Muskelfascie 
bloBgelegt und letztere im mittleren Drittel des Schnittes durchtrennt. 
Dann geht es schonend stumpf zwischen den Fasern des Muskels 
(ev. mit scharfer Durchtrennung der Inscriptio tendinea und mit Gefäß- 
unterbindung) in die Tiefe, weiterhin scharf und schon jetzt mit leichter 
medialer Abweichung des Schnittes oben bis durch das Peritoneum. 

Wir stellen das Vorhandensein von Veränderungen an der 
Gallenblase, vorsichtig tastend, dann, bei auseinander gezogenem 
Wundspalt, sehend, fest; wir erweitern, wenn die Exstirpation sich 
als indiziert erweist, sofort nach unten und nach oben, hier längs 
des Rippenbogens vorgehend, überall mit Hakenklemmen das Bauch- 
fell fassend, den Eröffnungsschnitt so, daß die Verhältnisse der Gallen- 
blase zu überblicken sind. Es wäre einfach leichtsinnig, weiter zu 
gehen, bevor eine wirklich klare Einsicht gewonnen ist. Wer viel 
wegen Cholelithiasis operiert, wird immer wieder feststellen können, 
wie neben leichteren Verwachsungen oft feine kurze Verbindungen sich 
finden, die ganz unschuldiger Natur zu sein scheinen und doch Gänge 
enthalten, welche, nach stattgehabten inneren Perforationen, zwischen 
Gallenblase und Darm zurückblieben. 

Vorsichtig und umsichtig umstopfen wir das Operationsgebiet mit 
feuchten, warmen Kompressen, die mittels eines Gazelappens gefaßte 
Leber anziehend. Das Anziehen und allmähliche Herauskippen des 
Leberrandes ist um so notwendiger, je mehr wir am Cysticus und Chole- 
dochus zu tun haben, je größer voraussichtlich die Schwierigkeit ist, gerade 
die Teile in der Tiefe bloßzulegen. An letzteren können und dürfen wir 
keinen größeren Zug ausüben. Beweglich ist — von den sehr sel- 
tenen ausgedehnten perihepatischen Verwachsungen abgesehen — der 
freie Leberrand. Ihn ziehen wir an, mit ihm die Gallenblase und 
weiterhin die Gallengänge. Es geschieht nichts an der immer freier 

32* 


868 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 


zutage tretenden Gallenblase, bevor der Halsteil, dann der Cysticus 
bis zum Choledochus zu bequemer, sicherer Hantierung vor uns liegt. 

Die subperitoneale Auslösung der Gallenblase vollzieht 
sich, wenn keine pericystitischen Veränderungen da sind, außer- 
ordentlich leicht. Gleichmäßig ruhig angezogen liegt die Leberpartie, 
welche die Gallenblase trägt, um den Rippenbogen nach rechts oben 
umgekippt. Ein etwa vorhandener Schlußstein wird in die Gallen- 
blase gedrückt, aus letzterer eventuell umgekehrt, um übermäßige 
Spannung aufzuheben, etwas Inhalt ausgepreßt. Mit einer Klemm- 
zange, deren Faßenden, um scharfen Druck zu vermeiden, etwas 
mit Gaze umwickelt sind, wird der Cysticus (bei a) gefaßt. — Mit 
leichter Messerführung wird die Serosa über dem mittleren Drittel 
der Gallenblase, dann weiter nach dem Cysticus hin der Länge nach 
gespalten. Das lockere Bindegewebslager wird mit größter Sorgfalt 


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zwischen zwei anatomischen Pinzetten auseinander gezogen, beiderseits 
der Schnittrand geliiftet, so daß ein stumpfes Instrument (Kocher- 
sche Sonde), dann der Finger untergeführt werden kann. Oft läßt 
sich mit einigen Fingerschlägen die ganze Blase fast ohne jede Blu- 
tung herausheben. Bei stärkeren Veränderungen bedarf es größerer 
Vorsicht, um das ganze Organ mit Flüssigkeit und Steininhalt ohne 
Wandverletzung auszulösen. — Nun wird im Innern des gespaltenen, 
von der Peritonealhülse gebildeten Hohlraumes die Gallenblase, da 
wo sie sich zum Cysticus verjüngt, fein gefaßt, kuppenwärts wird der 
Inhalt verdrückt und durch eine Querklemme zurückgehalten. Ca. 1 cm 
vom Cysticusbeginn entfernt wird die Amputation der Gallenblase 
glatt ausgeführt (b b1). Leicht läßt sich stumpf der innere Mucosa- 
trichter bis zur provisorischen Abschlußschleife, bzw. bis zu der Klemme, 
die am Cysticus (beia) liegt, stumpf herausnehmen. Mit feinsten Lembert- 
nähten wird die fipromuskuläre Manschette eingestülpt. In zweiter, 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 869 


auch dritter Etage angelegt, dienen weitere Nähte dazu, den Stumpf 
sicher abzuschließen, ihn nach Abnahme des provisorischen Verschlusses 
immer mehr gegen den Choledochus hinzudrücken. Wir nähen das kleine 
klumpige Gebilde fest in sich zusammen, um eine dauernde Obliteration 
des Cysticusrestes zu sichern. — Da der Stamm der A. cystica gewöhnlich 
nicht verletzt wird, blutet es gewöhnlich gar nicht im Innern des Sackes; 
sonst werden sorgfältigst einige Seidenligaturen angelegt. Von der 
Cysticusgegend beginnend werden die Ränder der Serosalappen durch 
einige Lembertnähte eingestülpt, so daß das Ganze der Lebernische 
schon als Längswulst ziemlich fest aufliegt. Dann folgt mit größter 
Sorgfalt, unterbrochen oder besser fortlaufend angelegt, eine zweite 
Serosanaht. Nur eine glatte Nahtlinie bleibt an der Exstirpationsstelle 
zurück. — Selbstredend wird der Bauchschnitt bei diesen typischen 
Fällen vollständig vernäht, ohne Drainage, ohne Tamponade. 

Nach einiger Übung des Verfahrens macht die aseptische Aushülsung 
der Gallenblase auch in solchen Fällen keine unüberwindlichen Schwierig- 
keiten, in denen das Herausheben der Leber und Gallenblase erst nach 
Lösung ausgedehnter Verwachsungen möglich war. Sie gelang uns so- 
gar in Fällen, wo wir Kommunikationen mit dem Dickdarm zu versorgen 
hatten, mit ovalärer Umgehung der provisorisch vernähten Gallenblasen- 
öffnung so sicher, daß wir von einer Drainage absehen durften. Man 
geht in solchen Fällen in das Spatium da ein, wo die geringsten Ver- 
änderungen sich finden, gewöhnlich nahe der Kuppe; dann gelingt 
des weiteren oft die Trennung am ehesten zwischen Gallenblase und 
Leber. 

Das von uns geübte Verfahren nimmt der Gallenblasenexstirpation 
die früheren Nachteile. Aseptisch, ohne Blutung durchgeführt, hinter- 
läßt der Eingriff eine glatte Nahtlinie über einem gut versorgten Stiele; 
die Bauchhöhle kann gefahrlos ohne Tamponade geschlossen werden. 
Wie bei der Ovariotomie, dann bei der Appendixexstirpation, ist nun- 
mehr auch für die Cholecystektomie die Versorgung des Stumpfes 
technisch so entwickelt, daß seine Versenkung unter dem Schutze 
einer glatten Peritonealdecke erfolgen kann. 





1) J. Sobotta. Atlas der deskriptiven Anatomie des Men- 
schen. III. Abteilung. 1. Lieferung: Das Nerven- und Ge- 
fäßsystem des Menschen. 

München, J. F. Lehmann, 1906. 

Die empfehlende Kritik im Zentralblatt 1905 Nr. 8 der Il. Ab- 
teilung des S8.’schen Atlas hat in gleicher Weise ihre Geltung für diese 
neue, prachtvolle III. Abteilung. Die von dem Maler Karl Hajek 
herrührenden 186 meist farbigen, zum großen Teil ganzseitigen Ab- 
bildungen sind so unmittelbar belehrend und gleichzeitig so schön, 
daß man das Buch gar nicht aus der Hand legen mag. Durch diese 
ideale Zusammenarbeit des Künstlers mit dem Gelehrten wird es 
möglich, spielend leicht Anatomie zu lernen; der Praktiker, namentlich 


870 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 


der Chirurg, kann sich daher sehr schnell in diesem Buch über jedes 
Gebiet des Nervensystems und Gefäßsystems orientieren unter gleich- 
zeitiger Benutzung der klaren begleitenden Textworte. Immer wieder 
von Neuem überrascht die Vielseitigkeit der Durchschnitte, in deren 
Auswahl Verf. gleichzeitig den praktischen Bedürfnissen Rechnung 
getragen hat. Die große Nachfrage, die das Werk erfahren hat, ist 
daher leicht verständlich, und man darf mit Spannung dem Er- 
scheinen des abschließenden Bandes entgegensehen. 
Scirmieden (Bonn). 


2) H. Ribbert. Zweckmäßigkeit in der Pathologie. 
Bonn, Friedrich Cohen, 1906. 

R. wendet sich in seiner kleinen naturphilosophischen Studie mit 
Recht gegen die in letzter Zeit wieder aufgetauchte teleologische Be- 
trachtungsweise physiologischer und pathologischer Vorgänge — Bier, 
Goldscheider. An mannigfachen Beispielen bringt er den Be- 
weis für die Haltlosigkeit des Zweckmäßigkeitsbegrifies bei wissen- 
schaftlichen Untersuchungen und der Deutung von Naturerscheinungen. 
Es ist ein willkürliches Vorgehen, »Zwecke in die Natur hineinzutragen, 
von deren Vorhandensein die Erfahrung uns nichts sagt«. Wenn wir 
als Arzte gewisse biologische Vorgänge zur Heilung von Krankheiten 
benutzen, so handeln wir zweckmäßig, wir verfolgen einen Zweck, 
nicht sind die Vorgänge an sich zweckmäßig. Diese kann man ein- 
fach als »vorteilhafte« oder »nützliche« bezeichnen oder, wie Verf. in 
Anlehnung an den von Roux eingeführten Ausdruck — dauerfähig 
bezüglich dauerfördernd — vorschlägt, als dauermäßige — für das 
Individuum, für die Art — bezeichnen. Müller (Dresden). 








3) H. Secrétan. L'assurance contre les accidents, obser- 


vations chirurgicales et professionelles. 
Genève, Eggimann, 1906. 

In den ersten Kapiteln behandelt Verf. einige Unfallsverletzungen 
und Erkrankungen, deren Beurteilung insofern gelegentlich Schwierig- 
keiten macht, als die Geringfügigkeit der Verletzung im Gegensatze 
steht mit der langen Dauer der Erkrankung, der Erfolglosigkeit der 
Behandlung und dem ungünstigen Resultate der Funktionsfähigkeit. 
Hierhin gehört das chronische Odem des Handrückens, Fingeratro- 
phien, Lumbago und Hernien. Im zweiten Teile wird die Behandlung 
von Unfallverletzungen im weitesten Sinne besprochen. Das poli- 
klinische Verfahren soll hier möglichst einfach sein, streng aseptisch 
und in möglichst weiter Ausdehnung konservativ. Es ist ein Fall 
erwähnt, wo einem Arbeiter das halbe Endglied des Mittelfingers 
gänzlich in einer Maschine abgehackt und in Zeitungspapier ein- 
gewickelt S. übergeben wurde. Anheftung mit zwei Nähten, Anheilung 
mit völliger Funktion. In den einleitenden Kapiteln des dritten 
Teiles werden alle Gründe, Mittel und Wege angegeben, wie Ver- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 871 


letzte ihre Rente erlangen, erhöhen und behalten wollen. Den Schluß 
bildet eine allgemeine Besprechung aller Unfallskrankheiten sowie 
ihrer prozentarischen Berechnung unter Berücksichtigung und Kritik. 
der Schweizer (Gesetze. Coste (Breslau). 





4) M. David. Grundriß der orthopädischen Chirurgie. 
Zweite Auflage. 
Berlin, S. Karger, 1906. 

Die außerordentlichen Fortschritte der Orthopädie seit dem Er- 
scheinen der ersten Auflage machten eine starke Umarbeitung und 
Ergänzung des Grundrisses nötig. Die klare, übersichtliche Dar- 
stellung, unterstützt durch zahlreiche, treffende Abbildungen, sichern 
ihm auch weiterhin die alte Beliebtheit. Renner (Dresden). 





5) Rarratoni. La contusione dei muscoli striati. 
(Policlinico 1906. Ser. chir. Nr. 4.) 

R. studierte an Meerschweinchen die Folgen von Muskelquet- 
schungen. Mit einen Hammer führte er auf die Vorderseite der mit 
Watte gleichmäßig umwickelten Oberschenkel Schläge aus. Es ent- 
steht ein Bluterguß, die Muskelfasern werden zersprengt mit teil- 
weisem oder völligem Verlust ihrer Struktur, Zerfall in Fibrillen. Die 
Sarkolemmkerne wuchern, ebenso das Bindegewebe. Die Querstreifung 
verliert sich. Dann beginnt eine Regeneration, welche nach dem 
embryonalen Typus sich vollzieht und von den alten Sarkolemm- 
kernen ausgeht. Diese Proliferation besteht lange nach dem Trauma 
noch fort. Die Aponeurose wird hyperplastisch. 

E. Pagenstecher (Wiesbaden). 


6) Lennander. Über lokale Anästhesie und über Sensibilität 


in Organ und Gewebe, weitere Beobachtungen. U. 
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XV. Hft. 5.) 

L. hat im weiteren Verfolg seiner bekannten Studien über die 
Sensibilität von Organen und Geweben bei solchen Operationen, die 
mit Lokalanästhesie oder Atherrausch zur Durchtrennung von Haut 
und Bindegewebe, Bauchfell, Gelenkkapseln begonnen, dann aber ohne 
Anästhesierung fortgesetzt wurden, fernere Beobachtungen über die 
Empfindlichkeit einer Reihe von Organen angestellt. Er fand, daB 
das Gehirn und die Dura mater, der Magen auch in seinem Cardia- 
teil unempfindlich sind. Schon früher hatte er gezeigt, daß der Darm 
unempfindlich ist; nun hat Treves kürzlich behauptet, sehr viele 
gesunde Menschen seien bei Druck auf den Munro’schen Punkt 
(d.h. ein wenig medial und oberhalb vom McBurney’schen Punkt) 
empfindlich, und das beruhe auf Empfindlichkeit der Bauhin’schen 
Klappen. L.’s Beobachtungen zeigen, daß diese Erklärung nicht zu- 
treffend sein könne; denn die verschiedenartigsten direkten Reizungen 


872 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 


der Bauhin’schen Klappe bei Pat. mit Blinddarmfisteln ergaben deren 
Unempfindlichkeit. Gallenblase, Scheide, Tuben und Nierenparenchym 
sind unempfindlich, während das Nierenbecken bei der geringsten An- 
spannung Schmerzempfindungen zeigte. Vom Skelettsystem sind nur 
Periost und Gelenkkapseln mit den Bändern empfindlich, während die 
Knochensubstanz selbst, Corticalis wie Mark, und Gelenkknorpel un- 
empfindlich sind, was an mehreren genau beobachteten Operationsfällen 
dargetan wird. 

Zum Schluß faßt L. alle seine Beobachtungen zusammen und 
kommt zu dem interessanten Resultat, daß die äußere Hülle des 
Körpers, die Haut, überall eine Gefühlsqualität besitzt, Muskeln und 
Aponeurosen mit verhältnismäßig geringer Sensibilität ausgestattet 
sind. Im Innern des Körpers haben Pleura und Peritoneum parietale 
mit umliegender Subserosa, Periost und seröse Gelenkkapseln Schmerz- 
sinn, während ihnen wahrscheinlich Druck-, Wärme- und Kältesinn 
fehlt. Dagegen entbehren Gehirn, Knochensubstanz mit Knorpeln, 
Lungen, Herz, Blutgefäße, wenn sie vom umliegenden Bindegewebe 
befreit sind, Schilddrüse, Leber, Gallenblase, Magen, Darm, Milz, 
Pankreas, Nierenparenchym, die inneren Geschlechtsorgane des Weibes 
und die serosabekleideten Teile des Hoden alle vier Gefühlsqualitäten. 
Man kann darin nur eine sehr zweckmäßige Einrichtung erblicken. 
Der Nutzen der hohen Empfindlichkeit der Haut ist im Hinblick auf 
die Abwehr aller von außen kommenden Schädlichkeiten einleuchtend ; 
ebenso zu gleichem Zwecke die Empfindlichkeit der parietalen Teile 
der die großen inneren Höhlen auskleidenden serösen Häute. Dagegen 
würde es keinen Nutzen haben, daß die inneren Organe selbst 
empfindlich wären für schädliche von innen kommende Einflüsse; denn 
eine unmittelbare Abwehr dagegen könne doch nicht geleistet werden. 

Haeckel (Stettin). 





7) O. Dauve. Des avantages des narcoses mixtes. 
(Gaz. des hôpitaux 1906. Nr. 48.) 

Verf. bricht eine Lanze für die Narkosengemische im allgemeinen 
und das Weiger’sche (9 Teile Äther, 1 Teil Chloroform) im beson- 
deren. Er hält für erwiesen, daß die Gemische weniger gefährlich sind. 

Wenn Verf. am Schluß behauptet, daß v. Mikulicz die Narkosen 
mit Gemischen geschätzt habe, so irrt er. In den v. Mikulicz’schen 
Kliniken ist, soweit die mehrjährigen Erfahrungen des Ref. reichen, 
nie mit Gemischen narkotisiert worden. V. E. Mertens (Breslau). 





8) Beesly. Post-anaesthetic acetonuria: the significance of 
delayed chloroform poisoning and the advantages of ether 


over chloroform in acute infective conditions. 
(Brit. med. journ. 1906. Mai 19.) 
B. führte seine Untersuchungen durch an Kindern von 4 bis 
12 Jahren vor und nach der Operation. Azeton findet sich im Urin 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 873 


unter sehr verschiedenen Bedingungen, jedenfalls aber viel häufiger, 
als man anzunehmen pflegt. Im gesunden Urin kann man es der 
geringen Menge wegen mit Farbenreaktionen nicht nachweisen, aber 
fast immer mit quantitativen Methoden. Nach Operationen hat Verf. 
es stets durch Farbenreaktionen nachweisen können mit Ausnahme 
eines einzigen, tödlich verlaufenden Falles. Die klinische Ahnlichkeit 
zwischen der Säurevergiftung oder Azetonurie und der verzögerten 
Chloroformvergiftung führt Verf. zurück auf eine bei beiden Zuständen 
vorkommende Stoffwechselstörung, deren letztes Erzeugnis das Azeton 
ist. Da man nun das Azeton nach jeder Operation in Narkose nach- 
zuweisen imstande ist, so findet also bei jeder Allgemeinnarkose ein 
gewisser Grad von Intoxikation statt. Die akute Azetonurie entwickelt 
sich bei akut-infektiösen Zuständen: so lange nun Leber und Niere 
normal arbeiten, gelingt es ihnen, das Auftreten von Vergiftungs- 
erscheinungen durch entsprechende Azetonausscheidung zu verhindern. 
Tritt aber jetzt die Einwirkung des Chloroforms auf Leber- und 
Nierenparenchym dazu, so sinkt infolge Schädigung der Parenchym- 
zellen die Azetonausscheidung: Vergiftungserscheinungen treten auf, 
wie Aufregung, Delirien, Koma, unstillbares Erbrechen, das schließlich 
blutig wird. Diese schweren Erscheinungen treten beim Ather nicht 
auf! Zur Behandlung auftretender Vergiftungserscheinungen empfiehlt 
Verf. kräftige Anregung der Diaphorese und große Gaben Natrium- 
bikarbonat vom Mund aus oder durch Eingießung in den Magen, 
den Mastdarm oder unter die Haut. Wer näheres über die lehrreiche, 
manche neue Gesichtspunkte enthaltende Arbeit wissen will, wird auf 
die Urschrift verwiesen. Weber (Dresden). 





9) Dubreuilh. Prurigo lymphadénique. 
(Ann. de dermat. et de syphil. 1905. p. 665.) 

Verf. beschreibt neben 16 in der Literatur schon bekannten Fällen 
2 eigene von Lymphdriisenschwellungen mit Prurigo. Fast immer 
handelte es sich um jugendliche Individuen. Die Erkrankung beginnt 
bald mit der Lymphadenitis, bald mit Prurigo, oder sie treten gleich- 
zeitig auf. Das Jucken kann in Anfällen auftreten oder während der 
ganzen Dauer vorhanden sein und kann so quälend sein, daß das 
Allgemeinbefinden stark beeinträchtigt wird. Die Lymphdrüsenschwel- 
lungen beginnen gewöhnlich am Hals und befallen Submaxillar-, 
Achsel-, Inguinal-, Mediastinal- (Dyspnoe, Asthma, Husten) und 
Mesenterialdrüsen (selten)... Die einzelnen Drüsen sind scharf ab- 
gegrenzt, ziemlich hart und übertreffen oft die Größe eines Hühner- 
eies. Die Lieber ist manchmal, die Milz gewöhnlich vergrößert. Das 
Allgemeinbefinden ist stark beeinflußt, Abmagerung, Anämie und 
Schwäche verbunden mit Atembeschwerden führen — häufig mit Hin- 
zutritt einer serösen Pleuritis — zum Tode. Blutveränderungen sind 
wenig ausgeprägt (Vermehrung der polynukleären Leukocyten). Die 
Krankheit hat einen progressiven, durchschnittlich in etwa 1!/, Jahren 
zum Tode führenden Verlauf. Die Natur der Lymphadenitis ist noch 


320% 


874 Zentralblatt ftir Ohirurgie. Nr. 32. 


dunkel. Vielleicht handelt es sich um eine chronische Infektion der 
Lymphbahnen. Tuberkulose scheint jedoch ausgeschlossen, da man 
niemals Tuberkelbazillen nachweisen konnte, und nur in 2 Fällen erb- 
liche Belastung vorlag. Nach der Ansicht des Verf.s wäre es mög- 
lich, daß es sich um Neubildungen handelt. Klingmtiller (Kiel). 





10) Müller und Rau. Uber Mittelohreiterungen und ihre 


intrakraniellen Komplikationen. 
(Med. Korrespondenzblatt des Würtemberg. arztl. Landeévereins 1905. Mai 19.) 


Unter 70 von den Verff. operierten Fällen von eitriger Mastoiditis 
waren 16 durch Miterkrankung des Schädelinnern kompliziert. M. gibt 
nun eine Zusammenstellung der Merkmale, welche auf eine derartige 
Komplikation hinweisen, und welche der allgemeine Praktiker beachten 
muß, um diagnostische Irrtümer in solchen Fällen zu vermeiden. Am 
wichtigsten erscheint eine auffallende Störung des Allgemeinbefindens, 
welche zu den örtlichen Erscheinungen am Ohr in keinem rechten Ver- 
hältnis steht; ferner können psychische Störungen der verschiedensten 
Grade intrakranielle Komplikationen schon im Frühstadium begleiten 
und sogar eine Zeitlang die einzigen nachweisbaren Veränderungen 
sein; besonders bei abgelaufenen akuten Mittelohreiterungen älterer 
Leute können anhaltende nervöse Erscheinungen, insbesondere Schlaf- 
losigkeit, auf Beteiligung des Schädelinnern hinweisen. Selten treten 
schon in den frühen Stadien von intrakraniellen Komplikationen Be- 
wußtseinstrübungen auf. Dauert bei akuter Mittelohreiterung im Kindes- 
alter trotz reichlicher Eiterung, Bettruhe und sonstigem zweckmäßigem 
Verhalten das Fieber längere Zeit an, oder tritt es nach Nachlaß der 
örtlichen Erscheinungen wieder auf, so muß ebenfalls an intrakranielle 
Komplikationen gedacht werden, ebenso bei auffallend atypischem 
Fieberverlaufe. Verhalten des Pulses, Übelkeit und Erbrechen sind 
als Frühsymptome nur selten zu verwerten, dagegen häufiger Störungen 
des Körpergleichgewichtes und anhaltende Kopfschmerzen. Außer den 
örtlichen Zeichen der Warzenfortsatzeiterung, welche bei Verdacht auf 
eine intrakranielle Komplikation natürlich von doppelter Bedeutung 
sind, kommen noch gewisse, für einzelne Formen der Eiterung im 
Schädelinnern charakteristische Erscheinungen in der Ohrgegend vor. 
Viel wichtiger sind jedoch diejenigen Merkmale, welche eine Beteili- 
gung des Gehirns direkt anzeigen. M. fügt eine Reihe von Kranken- 
geschichten ein. Mohr (Bielefeld). 





11) Tansini. Über mein neues Verfahren bei Amputation 
des Mammakarzinoms. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXIX. Hft. 3.) 
Verf. nimmt die ganze Haut iiber der Brustdriise mit dieser selbst 
fort. Der große ovaläre Defekt, den er so setzt, wird durch einen 
Lappen gedeckt, den er von dem Rücken herübernimmt und der auch 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 875 


einen Teil Muskulatur mitfaßt, damit die Gefäße des Lappens erhalten 
bleiben, deren Durchtrennung früher wiederholt zu partieller Lappen- 
gangrän geführt hatte. Der durch den Rückenlappen gesetzte Defekt 
wird durch Zusammenziehen geschlossen. 

E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


Kleinere Mitteilungen. 


12) Freie Vereinigung der Chirurgen Berlins. 
156. Sitzung vom 11. Juni 1906. 
Vorsitzender: Herr Sonnenburg. 


1) Herr Max Cohn: Zur Behandlung maligner Tumoren mit 
Rontgenstrahlen. 

C. demonstriert mehrere von ihm mit Erfolg durch Röntgenbestrahlung be- 
handelte Fälle von Sarkom und Karzinom: 1) ein Lymphosarcoma colli, das bei 
dem 28jährigen Pat. bereits einmal erfolglos operiert worden war; die histologische 
Untersuchung hatte die Geschwulst als Lymphosarkom festgestellt. Nach 3wöchi- 
ger Bestrahlung ist die Geschwulst seit nunmehr 3/; Jahren verschwunden. C. ver- 
fügt jetzt über fünf derartige Fälle; drei sind sicher geheilt, bei zweien sind noch 
Reste von Neubildung zu konstatieren, die aber bisher nicht gewachsen sind. — 
2) Bei einem im Oktober 1905 operierten Spindelzellensarkom der Parotis, bei dem 
sehr bald nach der Operation wieder ein Narbenrezidiv und Driisenmetastasen auf- 
traten, fihrte eine 14tagige, 5 Monate nach der Operation ausgeführte Bestrahlung 
zur Beseitigung beider. — 3) Bei einer 71jährigen Pat. mit ulzeriertem Mamma- 
karzinom wurde eine wesentliche Besserung erreicht, der schon unbeweglich ge- 
wordene Arm wurde wieder beweglicher; der günstige Zustand hat sich bei 
wöchentlich einer Bestrahlung erhalten. — 4) Bei einer jährigen Pat. ist ein 
zweifaustgroßes Rezidiv eines schon zweimal operierten Mammakarzinoms ge- 
schwunden mit Hinterlassung eines Ömarkstückgroßen Hautdefektes, so daß O. 
daran denkt, den Defekt plastisch zu decken. — 5) Bei einem ausgedehnten Can- 
croid an der Schläfe, das vergeblich mit Atzpasten behandelt war und für eine 
Operation ungünstig lag, erzielte C. schnelle Heilung, nachdem eine von anderer 
Seite ausgeführte Röntgenbestrahlung erfolglos gewesen war. Der erste Mißerfolg 
war dadurch bedingt, daß das Geschwür mit Metallsalben bedeckt war, wodurch 
die oberflächlich wirkenden Strahlen absorbiert wurden und infolgedessen auf das 
Karzinom nicht zur Wirkung kamen. C. erläutert dies an einem Experiment, in- 
dem er einen Röntgenstrahlen stark absorbierenden Gegenstand mit Metallsalben 
bestrich und dann photographierte. Er weist noch darauf hin, daß die durchdrin- 
genden harten Strahlen hauptsächlich auf Sarkome, wenig auf Karzinome reagieren. 

Diskussion. Herr Sonnenburg weist darauf hin, daß zurzeit neben diesen 
mit Erfolg behandelten Fällen eine große Anzahl bösartiger Geschwülste unbeein- 
flußt bleibt von Röntgenbestrahlungen, daß also die frühzeitige Operation zunächst 
noch stets zur Ausführung gelangen soll. 


2) Herr Sonnenburg: Weitere Beobachtungen über die Verwert- 
barkeit der Leukooytenzählungen. 

An der Hand von ca, 60 verschiedenartigsten, mittels eines Epidiaskops von 
Zeiss projizierten Kurven zeigt der Vortr. die Bedeutung der Leukocytenzählungen, 
die wie Puls und Temperatur täglich bestimmt und wie diese in Form von Kurven 
aufgezeichnet werden. Es ist ersichtlich, daß man aus dem Verhalten von drei 
Kurven zueinander für Prognose und Diagnose bestimmter Erkrankungen, wie die 
des Blinddarmes z. B., mehr ersehen kann als bei zwei Kurven, allein des Pulses 
und der Temperatur. Zudem handelt es sich bei der Leukocytose um eine biolo- 
gische Reaktion, die feinste von allen. Der Vortr. zeigt, wie gerade die Ungleich- 
heit und die Kreuzung der Kurven für Prognose und Diagnose zu verwerten sind. 


876 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 


Wenn auch die Frage des Verhältnisses zwischen Fieber und Vermehrung der 
Leukocyten noch nicht gelöst ist, so liegen doch bereits eine große Reihe wichtiger 
Tatsachen vor. Die gegebenen Demonstrationen sollen Anregung geben, durch 
Reihen von Untersuchungen weitere Aufklärungen über diese biologischen Reak- 
tionen zu geben. 


Diskussion. Herr Karewski verhält sich vorläufig noch ablehnend diesen 
Untersuchungen gegenüber, während Herr Martens die Leukocytenuntersuchungen 
für ein wichtiges Hilfsmittel der klinischen Diagnostik, besonders bei der Appen- 
dicitis, erachtet. Auch Herr Rotter wünscht, daß sie ebenso, wie die von ihm 
als wesentlich hervorgehobenen Eigenarten der Temperaturkurven, den ihnen ge- 
bührenden Platz in der Diagnostik fänden. 


3) Herr Hermes: Zur Kasuistik des Gallensteinileus. 

H. berichtet über drei von ihm im Krankenhaus Moabit operierte Fälle von 
akutem Gallensteinileus, von denen einer, 74 Jahre alt, im Kollaps am 3. Tage 
der Einklemmung operiert, gestorben ist, während die beiden anderen, 78 und 
46 Jahre alt, am 3. bzw. 5. Tag operiert, glatt geheilt sind. Bei dem ersten Pat. 
bestanden im Bereiche der Einklemmungsstelle, am Übergange des Jejunum zum 
Ileum, mehrere nekrotische Stellen der Darmwand, von denen eine perforiert war; 
der Darm wurde nach Entfernung des haselnußgroßen Steines in die Wunde ein- 
_ genäht. Die Sektion ergab in der Schlinge, wo die Einklemmung bestand, das 
Vorhandensein weiterer zahlreicher Schleimhautgeschwüre; die Gallenblase fand 
man direkt in das Duodenum mündend. Die Diagnose konnte auf Grund der vor- 
angegangenen Gallensteinkoliken nur im letzten Fall auf Gallensteinileus gestellt 
werden; der walnußgroße Stein saß in der Nähe der Ileocoecalklappe. Die Darm- 
wand war bei Fall 2 und 3 intakt, bei Fall 2 infolge entzündlicher Infiltration 
etwas brüchig, so daß die Nähte leicht durchschnitten. Der Darm wurde zur Ex- 
traktion des Steines stets in der Längsrichtung eröffnet und quer vernäht. Bei 
Fall 2 wurde ein gleichzeitig vorhandener verwachsener Nebelbruch radikal ope- 
riert. H. betont, daß man beim Gallensteinileus meist nur zu der Diagnose »innere 
Einklemmung« gelangt; in jedem Falle sollte die Operation so frühzeitig wie mög- 
lich vorgenommen werden, um schwere Veränderungen der Darmwand zu ver- 
hüten. In den beiden geheilten Fällen hat H. Lumbalanästhesie mit Novokain 0,15 
mit bestem Erfolg angewandt; ein unmittelbar nach der Operation auftretender 
Kollaps ließ sich leicht durch Exzitantien bekämpfen; von Vorteil ist dabei, daß 
durch das Novokain eine sehr lebhaft gesteigerte Peristaltik des Darmes ausgelöst 
und Abgang von Stuhl und Winden befördert wird. 


Diskussion. Herr Neumann hat bei der Eröffnung des Darmes zur Ent- 
- fernung der Gallensteine stets einen genügend großen Querschnitt angelegt und 
diesen durch zweireihige Naht geschlossen. Er hält diesen für besser als den 
Längsschnitt mit querer Vernähung. 

4) Herr R. Mühsam: Ubereinetypische Verletzung der Chauffeure. 

M. bespricht die durch Rückschlag der Kurbel beim Ankurbeln erfolgenden 
Radiusfrakturen der Chauffeure, von denen er zwei beobachtete, eine gewöhnliche 
Rißfraktur der unteren Radiusepiphyse ohne Deformität und eine zweite mit sehr 
erheblicher Dislokation dersal- und ulnarwärts, sowie ad longitudinem. M. sucht 
die großen Verschiedenheiten der Brüche, die doch durch einen an und für sich 
stets gleichartigen Mechanismus hervorgerufen werden, zu erklären. Er unter- 
scheidet zunächst den direkten und indirekten Bruch; der erstere entsteht, wenn 
der Chauffeur die Kurbel losläßt und den Arm nicht schnell genug zurückzieht. 
Bei den indirekten Frakturen sind die Wirkungen verschieden je nach der Stelle, 
an welcher die Kurbel mit der sie drehenden Hand sich befindet; während der 
Abwärtsbewegung trifft der Rückschlag die Handfläche der hyperextendierten, 
dorsalflektierten Hand, die Fraktur entsteht durch Stoß und Gegenstoß; steht die 
Kurbel unten und links, so wird eine Rißfraktur wie bei dem ersten Falle von M. 
entstehen, steht sie links oben, so entsteht ebenfalls eine Abreißung durch Zerrung. 
Demonstration der Röntgenbilder. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 877 


5) Derselbe: Nervenlähmungen nach Oberarmbrüchen. 

M. berichtet über sechs Fälle von Nervenlihmung bei Oberarmbriichen bzw. 
Luxation der Schulter, vier Radialis-, zwei Ulnaris- und Medianuslahmungen. Fall 1 
war eine Radialislahmung nach Schulterverrenkung; wahrscheinlich durch direkte 
Quetschung des Nerven. Man fand an der AuBenseite des M. biceps neben einer 
kleinen, vom Unfalle herriihrenden Narbe eine Verdickung des Nerven. Freilegung 
desselben; der Nerv war fibrös verdickt und fest mit dem Periost verwachsen. 
Resektion, Nervennaht, glatte Heilung. Wiederkebr der Motilität nach 1 Jahr 
und allmähliche volle Wiederherstellung. Fall 2: Direkte Fraktur des Oberarmes 
durch Uberfahren. Streckverband; nach 3 Tagen zeigt sich eine zunehmende 
Radialisparese; nach 20 Tagen Operation; der Nerv ist in derbe Schwarten ge- 
bettet, wird aus diesen herausgelöst und durch Zwischenlagerung von Muskelsub- 
stanz vor neuen Verwachsungen geschützt. Nach Verlauf mehrerer Monate kehrte 
die Funktion langsam vollständig wieder. Fall 3: Der Pat. erlitt einen Bruch 
beider Oberarme, links mit Radialislähmung. Operation 3 Wochen nach der Ver- 
letzung; der Nerv war vollkommen durchgerissen. Drahtnaht des Knochens, Ent- 
fernung eines Splitters, Nervennaht. Tamponade der Wunde, Heilung per granu- 
lationem, Abstoßung einiger Knochensplitter; jetzt, 5 Monate nach der Operation, 
ist noch keine Besserung der Lähmung vorhanden. Fall 4: Direkte Fraktur des 
rechten Oberarmes und beider Vorderarmknochen mit starker Weichteilquetschung; 
mehrere Wochen nach der Verletzung zeigte sich eine Radialislähmung, die all- 
mählich komplett wurde. Unter Behandlung mit Elektrizität schwand die Läh- 
mung wieder. Fall 5: Suprakondyläre Humerusfraktur bei einem 9jährigen 
Knaben, die mit Gipsverband in Streckstellung behandelt worden war; nach Ab- 
nahme desselben wurde eine Cubitus valgus infolge Dislokation des unteren Frag- 
mentes und eine Ulnaris- und Medianuslähmung bemerkt. Da sich die Lähmung 
trotz fortgesetzter Behandlung nach 3 Monaten nicht gebessert hatte, wurden beide 
Nerven an der Bruchstelle freigelegt; sie waren durch stark vorragenden Callus 
disloziert und gedrückt. Entfernung des prominierenden Callus, Naht, glatte Hei- 
lung. Die Nachuntersuchung ergab, daß die Funktion sich kaum gebessert hatte. 
Fall 6 betraf gleichfalls eine suprakondyläre Humerusfraktur bei einem 8jährigen 
Knaben, bei dem der Puls nach der Verletzung an der Radialis fehlte und eine 
starke Schwellung am Elibogengelenk auftrat; 3 Wochen nachher bei Abnahme 
des Verbandes fand man die Lähmung, die als Drucklähmung durch Callus oder 
durch die Fragmente selbst gedeutet wurde. Operation: Lösung des N. ulnaris 
aus narbigen Verwachsungen; Freilegung des N. medianus, der unter der dislo- 
zierten Zacke des oberen Fragmentes verläuft, durch Abtragen dieser Zacke; der 
Nerv war dort verdünnt und offenbar gedrückt. Gleichzeitig zeigte sich hier die 
Arterie obliteriert und in Narbengewebe eingebettet. Es erfolgte nach der Opera- 
tion eine zunehmende Besserung der Bewegungen des Daumens. des Hand- und 
Ellbogengelenkes und der Sensibilität; nur die Finger blieben unverändert. Zur 
Behebung der starken Beugekontraktur der Finger wurde später noch eine Kon- 
tinuitätsresektion von Radius und Ulna vorgenommen, ohne wesentliche Besserung 
der Motilität. Die ischämische Muskellähmung der Vorderarmmuskulatur, die sich 
infolge der Zerreißung der Arterie ausgebildet hatte, war irreparabel geworden; 
diese Komplikation hatte übrigens auch wohl in Fall 5 das weniger günstige ope- 
rative Resultat mit bedingt. Im übrigen waren die Resultate der operativen Be- 
handlung der Nervenstörungen und -verletzungen bei Oberarmfraktur, sowohl die 
durch Narben- oder Callusdruck, als die durch direkte Verletzung bedingten, sehr 
befriedigende; sie werden um so besser sein, je frühzeitiger man sich zur Operation 
entschließt. 


6) Herr W. Mühsam: Augenmuskellähmung nach Rückenmarks- 
anästhesie. 

M. berichtet über zwei in der chirurgischen Abteilung des Krankenhauses 
Moabit beobachtete Fälle, bei denen einige Tage nach Lumbalanästhesie mit Stovain 
bzw. Novokain rechtsseitige Abducenslähmung auftrat, für die sich keines der sonst 
bekannten ätiologischen Momente eruieren ließ. Die Lähmungen gingen ohne jede 


878 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 


Behandlung nach ca. 3 Wochen in Heilung über. Innerhalb weniger Monate sind, 
mit diesen beiden, sechs Fälle von Augenmuskellahmung nach Riickenmarks- 
anästhesie veröffentlicht worden, die sämtlich den gleichen Verlauf nahmen: Auf- 
treten einige Tage nach der Injektion und schnelle Heilung. M. nimmt mit 
Loeser, der den ersten derartigen Fall beschrieben hat, an, daß das verwendete 
Mittel eine toxische Wirkung auf den Nerven oder seinen Kern ausübt. 


13) Ischmann. Zur Frage des Staphylokokkenerysipels. 
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XVI. Hft. 1.) 
Bei einem 38jährigen Manne kam es von einer Pustel an der Nase zu einem 
Erysipel der linken Gesichtshälfte.e An einer Staphylokokkensepsis erfolgte der 
Tod. Die noch während des Lebens vorgenommene Blutuntersuchung hatte den 
Staphylokokkus pyogenes aureus als alleinigen Erreger der Sepsis nachgewiesen. 
In den Lymphgefäßen des Coriums und im Gewebssafte der Haut fanden sich aus- 
schließlich Staphylokokken, keine Streptokokken. Der Fall reiht sich denen an, 
welche zweifellos beweisen, daß Erysipel durchaus nicht ausschließlich von Strepto-, 
sondern auch von Staphylokökken erregt werden kann. Haeckel (Stettin). 


14) Perez. Su di un caso di batteriemia a decorso prolongato e loca- 
lizzazione multiple. 
(Policlinico 1906. Ser. chir. Nr. 6.) 

Junger Mann von 20 Jahren bekommt Abszesse, die sich im Verlaufe von 
2 Jahren immer wiederholen, zumeist lings der Sehnen und Sehnenscheiden der 
Extremitäten sitzen, die inneren Organe und die Gelenke freilassen und Fieber 
erzeugen. Keine nachweisbare Eingangspforte. Eiter serös und gelatinös. Aus 
dem Eiter und dem Blute wird Staphylokokkus albus gezüchtet, der für Meer- 
schweinchen nicht pathogen war. Schließlich völlige Heilung. 

Der Fall erinnert sehr an den, über welchen Jordan auf dem Chirurgenkon- 
greß 1%04 berichtete. Doch will P. wegen des geschilderten Verlaufes nicht wie 
J. von Septhämie, sondern von Bakteriämie sprechen, bei welcher an relativ spär- 
lichen Stellen Bakterien zur Ablagerung kommen. 

E. Pagenstecher (Wiesbaden). 
15) Coss. Tetanus. 
(Buffalo med. journ. 1906. Januar.) 

C. teilt zwei Fälle von Tetanus im Anschluß an die Impfung mit. Bei einem 
lljährigen Knaben traten etwa 3 Wochen nach Impfung mit Lymphe aus einer 
renommierten Anstalt Schluckbeschwerden auf, im weiteren Verlauf Kieferklemme, 
Nackenstarre, Opisthotonus. Trotz sofortiger Serumbehandlung Tod nach 4 Tagen. 
An der Impfstelle war nichts Auffälliges zu bemerken. 

Im zweiten Falle fand die Impfung bei einem 15jährigen Mädchen mit Gly- 
zerinlymphe, ebenfalls aus zuverlässiger Quelle stammend, statt, und zwar unter 
aseptischen Kautelen; die Stelle wurde mit einer Schutzkapsel bedeckt, und der 
weitere Verlauf war 25 Tage lang normal. Dann Kiefer- und Nackensteifigkeit, 
Behandlung mit Baccelli’scher Phenollösung und Serum, im ganzen 720 g in 
16 Tagen. Heilung. 

C. erörtert die möglichen Infektionsquellen und kommt zu dem Schluß, daß 
es sich um Sekundärinfektionen der Impfstelle gehandelt habe. 

Mohr (Bielefeld). 


16) Armstrong. Remarks on lung complications after operations with 
anaesthesia. 
(Brit. med. journ. 1906. Mai 19.) 


Verf. berichtet über Lungenerscheinungen als Folge der Äthernarkose an 2500 
Fällen des General Hospital in Montreal. Gynäkologisches Material ist nicht ver- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 879 


wertet, ferner sind nur solche Fälle berücksichtigt, die mindestens 3 Tage nach 
der Narkose im Krankenhause verblieben. — Unter 2500 Fällen kam es in 55 = 
2,2% zu Lungenerscheinungen, in 32 davon = 1,28% zum Tode. Die Geschlechter 
waren im Verhältnis zu ihrem Anteil an der Gesamtzahl gleichmäßig vertreten. 
Von den 56 Fallen entfielen 35 auf die kalten Monate; 37 Pat. hatten irgendeinen 
septischen Herd im Körper vor dem Auftreten der Lungenerscheinungen, 8mal 
war Emphysem, 9mal chronische Nephritis vertreten. Unter den Lungenerschei- 
nungen war 30mal die Pneumonie mit 22 Todesfällen, 19mal die akute Bronchitis 
mit 10 Todesfällen, 6mal die Pleuritis ohne Todesfall vertreten. — Der größte An- 
teil entfiel auf Schädeloperationen wegen schwerer Schädelbrüche mit 20,5%. Verf. 
erklärt diese hohe Zahl durch die große Gefahr der Aspiration bei den mehr oder 
weniger lange Zeit bewußtlos gewesenen Kranken. Die Menge des verabreichten 
Athers war in diesen Fällen sehr gering. Den nächst höheren Anteil hatte die 
Gruppe der eitrigen Peritonitiden mit 27 = 2,8% der Operierten, von denen 26 
auf infektiöse Vorgänge der unteren Bauchhälfte entfielen. Ein septischer Herd 
in der unteren Bauchhöhle erleichtert also das Auftreten von Lungenerscheinungen. 
Der Rest der Arbeit ist der Besprechung von bekannten Vorbeugungsmaß- 
regeln gewidmet, ohne Neues zu bringen: Mundpflege vor, während und nach der 
Narkose, Vermeidung von übermäßiger Schleimabsonderung durch sorgfältige Nar- 
kose, Verhütung der Abkühlung usw. Weber (Dresden!. 


17) E. Slejmer. Erfahrungen über Lumbalanästhesie mit Tropakokain 
in 1200 Fällen. 
(Wiener med. Presse 1906. Nr. 22 u. 23.) 


Verf. hat in den letzten Jahren im Laibacher Landesspitale 1200 Kranke ope- 
riert, bei denen die Lumbalanästhesie mit Tropakokain zur Anwendung gelangte; 
darunter befanden sich 579 Radikaloperationen der Hernien, 43 Laparotomien, 
55 Appendicitisoperationen usw. Für den Verf. steht es fest, daß, wenn die ent- 
sprechende Menge von Tropakokain in den Subduralraum gelangt ohne Beimen- 
gung von irritativen Stoffen, jedesmal die erwünschte Anästhesie eintritt, ohne be- 
sondere Reaktionen oder nur mit so geringen, daß sie im Vergleiche zu denen der 
Inhalationsnarkose gar nicht mehr in Betracht kommen. Unter 1150 Fällen war 
die Lumbalanästhesie 54mal eine unvollständige, so daß ein Inhalationsanästheti- 
kum nachhelfen mußte. Erfahrungen über Rückenmarksanästhesie bei Kindern 
unter 12 Jahren besitzt Verf. nicht, obwohl es den Anschein hat, daß Tropa- 
kokain auch von manchen Kindern gut vertragen wird. 

Paul Wagner (Leipzig). 


18) Dean. The importance of anaesthesia by lumbar injection in 
operations for acute abdominal diseases. 
(Brit. med. journ. 1906. Mai 12.) 


Unter Anführung von vier schweren Fällen von akuter Peritonitis, einer Hydro- 
kele und eines Hodensarkoms gelangt D. zu einer warmen Empfehlung der medul- 
laren Anästhesie mit Stovain, besonders für akute Peritonitiden. Der bekannte 
sehr schlechte Einfluß allgemeiner Narkose in solchen Fällen wird vermieden, der 
Puls wird oft am Ende des Eingriffes besser als er im Anfange war, die Schmerz- 
losigkeit ist bei richtiger Technik vollkommen; in mehreren Fällen traten mit Be- 
ginn der Analgesie reichliche Entleerungen von Gas und dünnem Kot auf, ein für 
den Eingriff und weiteren Verlauf sehr wesentlicher Vorteil. Sein dritter Pat. 
machte infolge vorübergehender Lähmung der unteren Interkostalmuskeln eine 
schwere Asphyxie durch, erholte sich unter künstlicher Atmung und Kochsalzinfu- 
sionen, starb aber 9 Stunden später im Herzkollaps. In allen Fällen von Lumbal- 
anästhesie mit Stovain scheint der einen peritonealen Eingriff begleitende Chok 
vermieden zu werden. Der übrige Teil der Arbeit bringt Bekanntes über Technik, 
Dosis, Verlauf usw. Weber (Dresden). 


880 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 


19) E. Buri. Le iniezioni epidurali. 
(Policlinico 1906. Ser. chir. Nr. 4.) 


B. berichtet über 18 Fälle von epiduralen Injektionen nach Cathelin.. Seine 
Resultate sind aufmunternd. Bei hartnäckiger Ischias wurde mehrfach Heilung 
erzielt. Ein Fall von Incontinentia urinae eines Kindes wurde gebessert. Bei 
Beckenneuralgie infolge Uteruskarzinom blieb die Infusion erfolglos. Die Punktion 
war immer schwierig. Von Nacherscheinungen wurde leichte Temperatursteigerung 
bei Anwendung einer Kokainlösung und Gefühl von Schwere beobachtet. Die Er- 
scheinungen waren vorübergehend. E. Pagenstecher (Wiesbaden). 


20) Dan McKenzie. The local anaesthetic action of stovaine. 
(Brit. med. journ. 1906. Mai 12.) 


Verf. empfiehlt für kleinere Eingriffe an Nase, Hals und Ohr zur Anästhe- 
sierung eine 10%ige Stovainlösung und kommt auf Grund von 57 Fällen zu fol- 
genden Schlüssen: die örtliche Wirkung des Stovains gleicht der des Kokains; in 
gewöhnlicher Menge erzeugt das Stovain keine Vergiftungserscheinungen; das 
Stovain bewirkt wie das Kokain eine Blutleere in erektilem Gewebe, es darf nicht 
länger als 15 Minuten mit Schleimhaut in Berührung bleiben, da es sonst Ge- 
schwürsbildung bewirkt. Weber (Dresden). 


21) Halsted. Results of the open-air treatment of surgical tuberculosis. 


(Reprinted from transactions of the first annual meeting of the National Association 
for the study and prevention of tuberculosis. Baltimore.) 


Der bekannte Chirurg berichtet hier über 11 Fälle von chirurgischer Tuberkulose 
aus seiner Privatpraxis, die unter Freiluftbehandlung zur vollen Genesung kamen. 
Es handelte sich um Tuberkulose der Gelenke, der Sehnenscheiden, der Knochen 
der Lymphdrüsen, der Harnblase; außer unwesentlichen chirurgischen Eingriffen 
wurde ausschließlich Freiluftbehandlung Tag und Nacht durchgeführt. Verf. wurde 
zu diesem Heilverfahren angeregt durch die vorzüglichen Erfolge, die die gleiche 
Behandlung an zahllosen Kranken des John Hopkins Hospital aufzuweisen hatte 
während einer Zeitdauer von nunmehr 16 Jahren. Zur Durchführung dieser Behand- 
lungsart wird das Dach eines 1300 Fuß langen und 12 Fuß breiten Verbindungs- 
ganges benutzt, die sog. >Brücke«. 

Wenn auch nicht in allen, so ist es doch nach H.'s Erfahrungen in einigen 
Fällen unbedingt nötig, daß die Kranken auch nachts im Freien liegen. Stets er- 
gibt sich ihm aus diesem 24stündigen Aufenthalt im Freien eine wesentliche Ab- 
kürzung der Behandlungszeit. Hervorragend sind ganz besonders — und mit den 
operativen Ergebnissen gar nicht zu vergleichen — die Erfolge in der Gebrauchs- 
fähigkeit der erkrankt gewesenen Gelenke, Knochen usw: er erzielt mit einer Aus- 
nahme, die aber auch noch glänzend abschloß, volle Wiederherstellung der Funktion. 
Dabei ist er ein Gegner der urteilslosen Überernährung in Verbindung mit der 
Freiluftbehandlung. — Er ist überzeugt, daß die meisten Fälle von chirurgischer 
Tuberkulose ohne Operation ausheilen werden, wenn man ihnen genügend Zeit 
und ausreichende Gelegenheit zur Freiluftbehandlung bietet. — Die Fälle sind aus- 
führlich wiedergegeben. Weber (Dresden). 


22) v. Neumann. Ein Fall geheilter Lepra maculo-tuberosa. 
(Wiener klin. Wochenschrift 1906. Nr. 4.) 

Pat. aus Scalivo erkrankte mit 37 Jahren, 4 Jahre nach identischer Erkran- 
kung seines Bruders, an maculo-tuberöser Lepra. 1 Jahr danach Beginn der Be- 
handlung durch v.N. 5 Jahre darauf völlige Heilung. Es wurden die üblichen 
Medikamente in üblicher Weise angewendet. v. N. vermag nicht zu entscheiden, 
welche Faktoren die rasche Heilung herbeigeführt haben. 

Hübener (Dresden). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 881 


23) Pasini. Sur la pathogénie des éruptions bromiques. 
(Ann. de dermat. et de syphil. 1906. p. 1.) 


Verf. beschreibt die histologischen Veränderungen bei einem Falle von Brom- 
exanthem. Der Fall bot insofern eins Eigentümlichkeit, als zugleich mit dem 
Exanthem eine Vergrößerung der Thyreoidea auftrat und mit ihm zurückging. 

Klingmüller (Kiel). 


24) Dubreuilh. De l’herpds recidivant de la fesse. 
(Ann. de dermat. et de syphil. 1905. p. 847.) 


D. veröffentlicht sieben Fälle von rezidivierendem Herpes der Glutäalgegend. 
Fünf davon beobachtete er selbst, die beiden anderen wurden früher von 
Bertholle und Feulard publiziert. Die Erkrankung beginnt mit einem roten 
erhabenen, manchmal juckenden Fleck, auf dem nach einigen Stunden Herpes- 
bläschen aufsteigen. Die Eruption erreicht innerhalb eines Tages ihren Höhe- 
punkt, dann trocknen die Bläschen ein, und die Affektion ist in etwa 8—10 Tagen 
abgeheilt. In einigen Fällen gingen den Eruptionen Neuralgien und Migräne- 
anfälle voran, in anderen traten heftige neuralgische Schmerzen, Pruritus und 
schmerzhafte Schwellungen der Leistendrüsen als Begleiterscheinung hinzu. Verf. 
betrachtet diese Affektion als eine Manifestation gichtischer Diathese (Arthritismus). 

Klingmüller (Kiel). 


25) W. R. Steiner. Dermatomyositis, with report of a case which 
presented a rare muscle anomaly but once described in man. 
(Journ. of experim. med. 1905. Nr. 4—6.) 


Auf Grund eines eigenen Falles von Dermatomyositis — 3ljähriger Neger — 
und ausgedehnter Literaturstudien bespricht Verf. eingehend das Bild dieser sel- 
tenen Erkrankung, von der er nur 28 einwandsfreie Berichte anerkennt mit 
17 Todesfällen. — Die Krankheit wurde wegen der engen Verbindung einer Der- 
matitis mit vielfacher Muskelentzündung von Unverricht Dermatomyositis ge- 
nennt und wird beschrieben als eine akute, subakute oder chronische Erkrankung 
unbekannten Ursprunges, die gekennzeichnet ist durch allmähliches Einsetzen all- 
gemeiner und unsicherer Prodromalzeichen und durch Auftreten von Odem, Haut- 
entziindung und multipler Myositis. Der pathologisch-anatomische Befund be- 
schränkt sich auf eine weiche Milzschwellung und schwere, entzündliche Verände- 
rungen der Muskeln, deren bedeckende Haut mit einem harten Ödem angefüllt ist, 
Die Muskeln sind geschwollen, blaßrot oder gelblich, ödematös, zuweilen weich, 
zuweilen hart, oft bröckelig, glanzlos. Die Fasern befinden sich im Zustande 
schwerster Entzündung und zeigen alle Übergangsformen von der trüben Schwel- 
lung bis zur wachsigen und fettigen Entartung. Die begleitende Dermatitis tritt 
in sehr verschiedener Form auf: als Erythem, Pseudoerysipel, Urticaria, Roseola, 
Erythema nodosum. — Das Nähere muß in der Urschrift eingesehen werden. — 
Ein Literaturverzeichnis von 66 Nummern und 9 ausgezeichnete Mikrophotogramme 
sind der Arbeit beigefügt. Weber (Dresden). 


26) Koehne. Über zwei Fälle von ausgedehnter Schädelplastik. 
Inaug.-Diss., Kiel, 1906. 

L Bei einem durch Hufschlag entstandenen Schädeldefekte von Markstückgröße 
wurde der Versuch gemacht, ein mazeriertes Knochenstiick einzuheilen, was zu- 
nächst gelang. Nach 3 Monaten platzte die Narbe auf, es trat starke Eiterung 
ein, und das Knochenstück mußte entfernt werden. Abermaliger Verschluß, dies- 
mal durch einen gestielten Weichteil-Periost-Knochenlappen, welcher reaktionslos 
einheilte. 

IL Ähnlicher Fall; Heilung durch Bildung eines Weichteil-Periostlappens. 

Levy (Wiesbaden). 


882 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 


27) Franke. Ein Fall von Platzpatronen-Wasserschußverletzung des 
Schädels und Stirnhirnes. 
(Deutsche militärärztl. Zeitschrift 1906. Hft. 3.) 


Ein Jäger goß das mit einer Platzpatrone geladene Gewehr (M 88) voll Wasser 
und feuerte es aus nächster Nähe gegen die Stirn. Auf der rechten Stirnhälfte 
eine 7 cm lange, 3 cm breite Wunde mit markstückgroßem Knochendefekt, aus 
welchem Gehirnmasse hervorquoll. Der Verwundete war bewußtlos, Lähmungen 
waren nicht vorhanden, Puls 66. Die Knochensplitter wurden aus der erweiterten 
Wunde entfernt, die letztere zunächst tamponiert und nach 3 Wochen plastisch 
nach Müller-König knöchern verschlossen. Das Bewußtsein kehrte etwa nach 
4 Tagen wieder, und es machte Pat. einen ungestörten Heilungsverlauf durch. Von 
Teilen des Geschosses, Holz- oder Pappepfropf wurde in der Wunde nichts ge- 
funden; Verf. meint, daß das Holzgeschoß nicht in die Wunde eingedrungen ist. 
Als spezifisch schwerer Körper wurde das Wasser schneller und mit größerer 
Energie aus dem Laufe herausgeschleudert, und durch den nach vorn und nach 
den Seiten durch das Wasser ausgeübten Druck das Holzgeschoß zur Seite ge- 
schleudert. Die ganze Knochenwunde usw. wurde also durch die Wucht des 
Wassers hervorgerufen. Herhold (Altona). 


28) Lévy et Baudouin. Nouvelle technique pour injections au niveau 
de trous de la base du crâne dans les névralgies faciales rebelles. 
(Bull. de l'acad. de méd. 1906. Januar 9.) 


Das Nähere über diese Technik der Injektion in den Stamm der Nn. supra- 
und inframaxillaris, lacrimalis und frontalis muß im Original nachgesehen werden. 
Alle 3—4 Tage werden 1—2 ccm anfänglich 70., dann 80- und 90%igen Alkohols, 
dem etwas Kokain beigesetzt ist, injiziert. Bei der Wiederholung der Injektion 
wurde auch etwas Chloroform beigefügt. Diesem Verfahren wurden nur sehr 
hartnäckige Neuralgien unterzogen, bisher sechs mit vollem Erfolge. 

Neugebauer (Mährisch-Ostrau). 


29) Poppert. Exstirpation der Ganglion Gasseri nach Krause; tief- 
greifende Veränderungen des Gehirns infolge des Spateldruckes. 
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 22.) 


Bei dem 69jährigen Manne waren mehrfache Resektionen an beiden Asten des 
Trigeminus ohne Erfolg gewesen. Deshalb Resektion des Ganglion Gasseri nach 
Krause. Die Operation war durch starke venöse Blutung aus der Dura er- 
schwert. Nach dem Erwachen aus der Narkose zeigt sich halbseitige Lähmung, 
tags darauf Tod. Bei der Sektion fand sich an der Unterfläche des Schläfenlap- 
pens die Rindensubstanz infolge des Spateldruckes erweicht und dunkel gefärbt. 
Die Substanz war namentlich im Marklager erweicht und gequollen. Im Corpus 
striatum fand sich ein kirschgroßer, roter Erweichungsherd. P. glaubt diese Ver- 
änderungen auf den Druck durch den Spatel zurückführen zu müssen, und zwar 
durch Kompression der Art. foss. Sylvii. Er will deshalb in Zukunft die Verfahren 
nach Doyen, Lexer bevorzugen. (Resektion der unteren Schädelwand.) 

Borchard (Posen). 


30) W. van Hook. Lexer’s operation for removing the Gasserian 
ganglion. 
(Surgery, gynaecology and obstetrics Bd. II. Hft. 1.) 

Verf. empfiehlt an der Hand von drei mit Erfolg operierten Fällen die Me- 
thode Lexer’s den amerikanischen Chirurgen. — Verf. betont, daß bei der Ex- 
stirpation des Ganglion Gasseri, insbesondere in der Tiefe, nur das Notwendigste 
verletzt werden dürfe, daß die durchtrennten Gewebe möglichst wenig geschädigt 
werden, und daß die Folgen des chirurgischen Eingriffes unwesentlich bleiben 
müssen. Verf. meint, daß die Methode von Krause dies im wesentlichen erfüllt, 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 8833 


aber er zieht die Methode von Lexer vor. Die Entfernung von Knochen hält Verf. 
für unbedenklich, da einerseits der Defekt sehr klein ist und andererseits bei der 
Lage des Schnittes die Gewebe selbst genügend Halt geben, um das Vorwölben 
der Dura zu hindern. Überdies empfindet Verf. es besonders angenehm, daß der 
Knochenlappen nicht nekrotisch werden kann, wodurch dem Pat. eventuell eine 
zweite Operation erspart werde. — Verf. beschreibt dann genau die Technik von 
Lexer mit schematischen Abbildungen. Es wurde besonders angenehm das Ma- 
növer von v. Bergmann empfunden, durch aufrechtes Sitzenlassen der Kranken 
bei der Operation das Vorfallen des Gehirns zu vermeiden. Der Erfolg bei den 
drei Operierten, bei denen zum Teil periphere Nervenextraktionen schon früher 
erfolglos gemacht waren, war auch nach der Exstirpation des Ganglion nicht immer 
glänzend; der eine Pat. nahm sich wegen bleibender Beschwerden, die allerdings 
viel geringer geworden waren, doch nachträglich das Leben. Immerhin war in 
jedem Fall eine starke Besserung nachzuweisen, bei den zwei letzten eine fast voll- 
ständige Befreiung von dem schrecklichen Leiden. Die Kranken saßen z. T. schon 
24 Stunden nach der Operation auf und gingen am 2. Tage umher. 


Heile (Wiesbaden). 


31) Aus den Verhandlungen der XV. Versammlung der Deutschen 
otologischen Gesellschaft. 


Hinsberg (Breslau): Referat iiber die Labyrintheiterungen. 


Nach kurzen statistischen Bemerkungen berichtet der Vortr. zunächst über die 
pathologische Anatomie der Labyrintheiterungen, speziell der für die Otochirurgie 
in Betracht kommenden Infektionsarten der Erkrankungen des Labyrinths, welche 
einerseits vom Mittelohr aus nach traumatischer oder durch entzündliche Prozesse 
hervorgerufener Zerstörung der Labyrinthwand, oder andererseits durch Einbruch 
eines tiefen Extraduralabszesses von der hinteren Pyramidenfläche ins Labyrinth 
zustande kommen. 

Als Prädilektionsstellen für den Einbruch vom Mittelohr ins Labyrinth haben 
sich die beiden Paukenfenster, das Promontorium und der Wulst des horizontalen 
Bogenganges herausgestellt. 

Vortr. glaubt auf Grund seiner Beobachtungen, daß Arrosion am Bogengang 
allein als Infektionsweg nicht so stark überwiegt, wie das früher angenommen 
wurde, daß sie aber doch eine der häufigsten Infektionsweisen bilde. Von den 
übrigen Infektionsstellen scheint ein Durchbruch durch das ovale Fenster am häu- 
figsten vorzukommen, dann eine Zerstörung des runden Fensters, und endlich eine 
Fistel am Promontorium. Die Vorgänge, die zu Zerstörungen an der medialen 
Paukenhöhlenwand führen, sind meist kariöser Natur, seltener sind anscheinend 
Nekrosen der Labyrinthwand. 

Für die Ausbreitung der Infektion im Labyrinth sind maßgebend Art und 
Virulenz der Infektionserreger, Widerstandsfähigkeit des Organismus, Lokalisation 
des Durchbruchs und Abflußbedingungen für den Eiter. Ks kann danach zu diffuser 
oder zirkumskripter Labyrintheiterung kommen. Häufig schreitet der Krankheits- 
prozeß vom Labyrinth auf die Meningen, und zwar in der Regel auf dem Wege 
präformierter Bahnen fort. Als solche kommen in Betracht: 1) spontane Dehis- 
zenzen an der Kuppe des hinteren oder oberen Bogenganges, 2) der Nervus 
acusticus und 3) die Aquaeducte. 

Vortr. bespricht sodann bei der Klinik der Labyrintheiterungen die Reizsym- 
ptome von seiten des statischen Organes, sowie die Ausfallerscheinungen, welche 
nach Zerstörung desselben auftreten, und entwirft ein Bild von dem Verlauf und 
dem Ausgange der Erkrankung. Bei der Besprechung der Diagnostik wird die 
Untersuchung der statischen Funktion durch statische und dynamische Prüfungen, 
sowie die unter allen Umständen vorzunehmende exakte Hörprüfung genau ge- 
schildert. 

Was die Prognose anbetrifft, so schätzt Vortr. die Mortalität der diffusen 
Labyrintheiterung auf mindestens 15—20%. 


884 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 


Bei der Therapie muß das Bestreben jedes auf die Bekämpfung der Labyrinth- 
eiterung gerichteten Eingriffes sein, den im Labyrinth vorhandenen Entzündungs- 
produkten möglichst freien Abzug nach außen zu verschaffen und andererseits dem 
Nachschub neuer Infektionserreger vom Mittelohr aus vorzubeugen; und zwar ist 
Vortr. der Ansicht, daß man sich in einer Reihe von Fällen nicht mit einer breiten 
Freilegung der Mittelohrräume begnügen dürfe, sondern eine möglichst weite Er- 
öffnung der Labyrinthräume selbst vom Mittelohr aus vornehmen müsse. Aus einer 
statistischen Zusammenstellung (unter 70 operierten Fällen 67 Heilungen und 
3 Todesfälle) geht nach Ansicht des Vortr. hervor, daß durch die operative Eröff- 
nung der Labyrinthhohlräume die Sterblichkeit wesentlich vermindert wird, und 
daß die Operation an sich nur geringe Gefahren mit sich bringt. 

Zum Schluß werden die ÖOperationstechnik, die unmittelbaren Folgen der 
Labyrintheröffnung und die Nachbehandlung geschildert. 

Kümmel (Heidelberg): Bakteriologisch-klinische Beobachtungen 
über akute Otitis media, 

Die bisher gebräuchliche Einteilung der akuten Mittelohrentzündungen nach 
der Beschaffenheit des bei ihnen gebildeten Exsudates (v. Troeltsch) ist heute 
nicht mehr haltbar. 

Nach Ansicht des Vortr. muß man unterscheiden: 

a. Den einfachen Tubenkatarrh, ohne eigentliche Entzündungserschei- 
nungen an der Paukenhöhle und ihren Nebenräumen, Sekret steril. 

b. Die mesotympanische Otitis media, bei der die Entzündungserschei- 
nungen sich ausschließlich oder doch wesentlich im Hauptraume der Paukenhöhle 
(»Mesotympanum«) abspielen, und die charakterisiert ist durch das Fehlen umschrie- 
bener Vorwölbungen und Entzündungen an der Trommelfellmembran. 

c. Die epitympanische Otitis media, bei der von vornherein die Neben- 
räume der Paukenhöhle wesentlich miterkrankt sind; charakterisiert durch erkenn- 
bare Entziindungserscheinungen am Warzenfortsatz, gewöhnlich noch früher durch 
umschriebene Entzündung und Vorwölbung am Trommelfell, regelmäßig lokalisiert 
im hinteren oberen Quadranten, selten an der Shrapnell’schen Membran. 

Die Prognose der Otitis media ist abhängig von ihrem Typus: gefährlich quoad 
Warzenfortsatzaffektion ist fast nur die epitympanische Form, und bei dieser sind 
die gefährlichsten Entzündungserreger der Streptokokkus pyogenes und mucosus, 
während Staphylokokkus aureus sich bei meinen (rund 50) Abimpfungen trotz großer 
Virulenz nur bei relativ leicht verlaufenden Erkrankungen fand. Operationen er- 
folgten nur bei den Streptokokkenotitiden; nur in einem Falle handelte es sich um 
Symbiose mit Pneumokokkus Fränkel-Weichselbaum. (Genaue Mitteilung der 
Abimpfungstechnik wie der bakteriologischen Befunde und der anatomischen 
Gründe für die Unterscheidung der unter a. und b. aufgeführten Typen. 

Denker (Erlangen). 


32) W. Apitz. Symmetrische Gangrän beider Lider nach Verletzung 


an der Stirn. 
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 19.) 

Bei einem 1!/sjährigen Kind entwickelte sich nach einer unbedeutenden Haut- 
verletzung an der Stirn ein Abszeß an der Glabella, der Reinkulturen von Strepto- 
kokkus pyog. enthielt. Von dem Abszeß ausgehend kam es durch Verschleppung 
der Kokken auf dem Wege der Lymphbahnen zu Gangrän der oberen und unteren 
Lider beiderseits; die Gangrän machte Halt 1 mm vom Rande der Lider entfernt, 
so daß nach Ablauf des Prozesses auffallend geringe Veränderungen ohne Narben- 
ektropion usw. zurückblieben. Kramer (Glogau). 


33) Kelly. Multiple telangiectases of the skin and mucous membranes 


of the nose and mouth. 
(Glasgow med. journ. 1906. Juni.) 
Seltene Beobachtung des Vorkommens massenhafter Teleangiektasien in Haut 
a. Schleimhaut mit lebensgefährlichen Blutungen bei mehreren Mitgliedern einer 
amilie. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 885 


Zunächst hat der Vater der zwei vom Verf. beobachteten Pat. an multiplen 
Blutgefäßgeschwülsten im Gesichte gelitten; er hatte oft profuses Nasenbluten 
und Biuterbrechen und starb daran. 

Von seinen acht Kindern — die Mutter war gesund — haben zwei Töchter 
das gleiche Leiden, zwei andere Töchter und vier Söhne sind gesund. 

Das Leiden begann bei der älteren der zwei erkrankten Töchter schon in der 
Kindheit; mit 12 Jahren hatte sie bereits oft sehr heftiges Nasenbluten. Im 
18. Jahre, beim Beginne der Menses, und im 25. Jahre, nach ihrer Verheiratung, 
besserte sich der Zustand, verschlechterte sich aber später wieder. Im 30. Jahre 
traten rote Flecken im Gesicht auf, die an Zahl ständig sich vermehrten, nie aber 
wieder auch nur teilweise verschwanden. Geringe Traumen, Schneuzen oder Niesen, 
hatten sofort heftige Blutung aus beiden Nasenlöchern zur Folge, spontan traten 
die Blutungen nie auf. In den letzten Jahren zeigten sich die Teleangiektasien 
auch an den Fingerspitzen. Alle veränderten Haut- und Schleimhautpartien 
(Fingerspitzen, Gesicht, Nasenschleimhaut) bluteten bei Verletzungen sehr stark, im 
übrigen aber war bei Verletzungen unveränderter Partien die Blutung nie anders 
als bei Gesunden; von Hämophilie kann also keine Rede sein. Im Alter von 
48 Jahren starb Pat. an Verblutung aus der Nase, nachdem sie allmählich durch 
den Blutverlust aufs äußerste geschwächt worden war. Kalziumchlorid und Eisen 
hatten geringe allgemeine Besserung zur Folge, änderten aber an der Krankheit 
selbst nichts. 

Von den drei Kindern dieser Pat. hat eine Tochter von 23 Jahren seit kurzer 
Zeit ebenfalls eine Anzahl Teleangiektasien im Gesicht. 

Die jüngere Schwester der genannten Pat., jetzt 40 Jahre alt, hat dasselbe 
Leiden, nur daß bei ihr neben der Schleimhaut beider unterer Nasenmuscheln auch 
die Zunge, der Gaumen, die Ohren, die Oberlippe, Unterlippe und das Gesicht be- 
fallen sind; auch an den Fingerspitzen und Vorderarmen befinden sich zahlreiche 
Teleangiektasien. Die Blutungen begannen im 18. Jahre, die roten Flecke an der 
Haut der Unterlippe im 27., an Wangen und Fingern im 35. Jahre. Pat. hat mit 
27 Jahren geheiratet und hat eine Tochter, welche bisher von ähnlichen Erschei- 
nungen frei ist. 

Bei beiden beschriebenen Pat. war auffallend, daß die Blutungen während des 
Winters stets sehr schwer, im Sommerhalbjahr aber wesentlich seltener und gering- 
fügiger waren. 

Verf. demonstriert die Teleangiektasien an zwei großen Aquarellen von beiden 
Fällen. 

Bisher waren nur acht Einzelfälle dieses Leidens bekannt; Männer und Frauen 
erkranken gleich häufig, je zwei der vordem beschriebenen Fälle betrafen Ge- 
schwister. W. v. Brunn (Rostock). 


34) v. Eiselsberg. Uber schiefen BiB infolge Arthritis eines Unter- 
kieferköpfchens. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXIX. Hft. 3.) 

v. E. veröffentlicht die Krankengeschichte zweier Pat., bei welchen durch ent- 
zündliche Prozesse in dem Kiefergelenke der einen Seite eine Abweichung des 
Unterkiefers gegen den Oberkiefer bewirkt wurde, so daß der Kauakt beträchtliche 
Störung erfuhr. In beiden Fällen wurde durch Resektion des sich als vergrößert 
erweisenden Gelenkköpfchens die normale Stellung herbeigeführt. Die Ursache 
des Leidens war wohl eine chronische, trockene Arthritis, die auf chronischen, 
latent verlaufenden Rheumatismus zurückzuführen ist. 

E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


35) Z. Hercog. Zwei Verletzungen des menschlichen Gebisses infolge 
indirekten Traumas. 
(Liečnički viestnik 1905. Nr. 12. (Kroatisch.]) 


Die Pat. (Angabe des Alters fehlt) erlitten beide ein Trauma in das linke Ge- 
sicht und Verletzungen der rechten Zähne. Der erste erhielt einen Steinwurf in 


886 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 


die linke Regio zygomatica, und es wurde bei ihm eine Längsfraktur des rechten 
ersten oberen Molaren gefunden; der Zahn war plombiert, hatte auch eine Wurzel- 
plombe. Ein direktes Trauma auf den Zahn selbst ist absolut sicher auszuschließen, 
ebenso eine Verletzung des Zahnes vor dem Trauma. Verf. negiert die Möglich- 
keit eines Bruches durch rasches und krampfhaftes Schließen des Mundes im Mo- 
mente des Traumas und glaubt, daß nur ein Contrecoup die Ursache der Fraktur 
sein kann. Im zweiten Falle, nach Fall vom Zweirad auf den linken Unterkiefer, 
fand H. die Zähne der linken Seite unverletzt, dagegen den rechten zweiten unteren 
Schneidezahn und den rechten unteren Eckzahn luxiert, vom rechten ersten un- 
teren Molar ein Stück der palatinalen Fläche abgesprengt, an seinem Antagonisten, 
dem rechten ersten oberen Molar, eine Längsfraktur. Diese Verletzungen erklärt 
Verf. folgendermaßen: Durch das Aufschlagen des linken Unterkiefers wurde dieser 
nach rechts und oben geschoben, wodurch die linken Zähne voneinander gedrängt 
wurden, die rechten aber aneinander schlugen. Da die unteren Vorderzähne 
schwächer als die Antagonisten sind, so unterlagen sie, wurden luxiert. Die Mo- 
laren hingegen sind gleich stark, und so wurde der untere, bei dem Trauma aktive, 
leicht verletzt, nur ein Stück abgesprengt, während der obere, passive, barst. Der 
untere Zahn traf nur einen Teil des oberen und so wurde dieser (der bukkale) von 
der palatinalen Hälfte, die fest im Kiefer blieb, abgesprengt, und durch die weitere 
Wirkung des Traumas noch die palatinale Fläche des unteren Zahnes abgelöst. 
v. Catkovié (Zagreb-Agram). 


36) v. Auffenberg. Osteoplastische Verliingerung des Unterkiefers bei 
Mikrognathie. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXIX. Hft. 3.) 


Verf. veröffentlicht die Krankengeschichten von drei Pat., welche in jugend- 
lichem Alter eine Mikrognathie erworben hatten. Zum Teil war auch noch neben 
der Mikrognathie die beträchtliche Kiefersperre operativ zu beseitigen. Die Be- 
seitigung des Hauptleidens, der Mikrognathie, geschah nach einer von v. Eisels- 
berg angegebenen Methode, nämlich mittels treppenförmiger Durchsägung des 
Unterkiefers. In zwei Fällen genügte dies zur Erzielung eines guten funktionellen 
und kosmetischen Resultates; in einem Falle aber war es auf beiden Seiten erfor- 
derlich, den gleichen Eingriff vorzunehmen. Beigegebene Abbildungen illustrieren 
die Erfolge im Einzelfalle. E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


37) D. Schwarz. Ein Fall von Zungenstruma. 
(Liecnicki viestnik 1905. Nr. 8. [Kroatisch.)) 


Der nun 28jährigen Pat. wurde vor 13 Jahren in einem Provinzspital unter der 
Unterkinngegend eine langsam gewachsene Geschwulst exstirpiert. Seit einem Jahre 
bemerkte Pat. Schluckbeschwerden, die sich in letzter Zeit so steigerten, daß sie 
nur noch flüssige und breiige Nahrung zu sich nehmen konnte. 

In der Mitte der Zungenbasis, knapp hinter dem Foramen coecum, eine 
hühnereigroße Geschwulst, bedeckt mit normaler Schleimhaut, von glatter Ober- 
fläche und elastischer Konsistenz, zur Hälfte in der Zungensubstanz gelagert, zur 
Hälfte ihr Niveau überhöhend. Der hintere Pol grenzt an das Frenulum epiglot- 
tides. Diagnose: Struma baseos linguae. 

Die Geschwulst wurde durch die Pharyngotomia mediana transhyoidea nach 
Vallas entfernt; aus der Zunge wurde sie durch einen eliptischen Schnitt aus- 
geschnitten und die Wunde durch tiefe Catgutnähte verschlossen. Sie war nicht 
durch eine eigene Kapsel von der Zungenmuskulatur abgegrenzt und ließ sich des- 
wegen nicht enukleieren. Auf dem Durchschnitte zeigt sie braunrote Farbe, 
thyreoidale Zeichnung und acinöse Struktur. Histologischer Befund: kolloid de- 
generiertes Schilddrüsengewebe. 

Verf. hält es nicht für unwahrscheinlich, daß die vor 13 Jahren über dem 
Zungenbeine exstirpierte Geschwulst eine zweite Struma aberrans war; die Anfrage 
an das betreffende Krankenhaus: blieb leider unbeantwortet. 


Zentralblatt fir Chirurgie. Nr. 32. 887 


Als Operation empfiehlt S. die Pharyngotomia mediana transhyoidea, verwirft 
aber die präventive Tracheotomie; er operierte in schiefer Lage mit herabhängen- 
dem Kopfe (ohne Tracheotomie) und hat, obzwar die Operation sehr blutig war, 
keine Aspiration von Blut bemerkt, auch keine Störungen der Atmung. 

Den von Chamisso de Boucourt gesammelten 32 Fällen reiht sich dieser als 
33. an. Y. Cackovié (Zagreb-Agram). 


38) T. Wikerhauser. Struma baseos linguae!, 
(Lieönicki viestnik 1906. Nr. 6. [Kroatisch.)) 


Die nun 32jährige Pat. hatte vor 7 Jahren eine Ranula, die mit Punktion und 
Injektion von Jodtinktur behandelt wurde. Vor 2 Monaten erkrankte sie an 
Schmerzen beim Schlucken und schwerer Atmung, Kopfschmerz und Fieber. Im 
Dorfe waren mehrere Personen ähnlich krank. Seit dieser Zeit stört sie etwas im 
Rachen, in der Nacht atmet sie schwer; der Arzt konstatierte eine Geschwulst der 
Zunge. 

Am Zungengrunde eine nußgroße halbkugelige Geschwulst, wesentlich auf der 
linken Seite gelegen, aber die Mittellinie nach rechts überschreitend. Sie liegt in 
einer Vertiefung, um sie erhebt sich die Muskulatur wallartig; sie ist unbeweglich, 
hart, hier und da elastisch, an der Kuppe scheint sie zu fluktuieren. Die Schleim- 
baut über ihr ist glatt, rot, mit erweiterten Venen. Die Geschwulst ist auf Druck 
nicht empfindlich, nicht kompressibel. 

Da am Halse keine Thyreoidea gefunden werden konnte, so mußte man von 
einer radikalen Therapie abstehen. Thyreoidintabletten zeigten keinen nennens- 
werten Einfluß. Pat. entzieht sich der weiteren Behandlung. 

v. Cackovié (Zagreb-Agram). 


39) Overdyn. Zur Kasuistik der primären akuten Osteomyelitis der 
Wirbelsäule. 
Inaug.-Diss., Kiel, 1906. 

Mitteilung zweier Fälle von primärer akuter Osteomyelitis der Wirbelsäule, 
welche beide trotz sehr schwerer Allgemeinerscheinungen durch Operation, Spal- 
tung des Abszesses und Resektion des Processus transversus des I. Lendenwirbels 
in dem einen Falle, zur Heilung kamen. Der zweite Fall war noch durch sekun- 
däre Osteomyelitis der Tibia und des Hüftgelenkes kompliziert. 

Levy (Wiesbaden). 


40) Heinrich. Über seltene hysterische Kontrakturen und Wirbel- 
säulendeviationen. 
(Deutsche militärärztl. Zeitschrift 1906. Hft. 3.) 


Bei einem Traingemeinen trat sehr bald nach der Einstellung, und zwar im 
Anschluß an beim Reiten im Unterleibe verspürte Schmerzen, eine Beugung der 
Wirbelsäule nach vorn ein, so daß der Rumpf in einem Winkel von 130° nach 
vorn gebeugt gehalten wurde. Auf hysterische oder neurasthenische Veranlagung 
deutet nichts außer scheuem Benehmen, leiser, weinerlicher Sprache und großer 
Angstlichkeit. Irgendwelche Störungen von seiten des spinalen Nervensystems 
waren nicht vorhanden. Die kyphotische Stellung des Rumpfes blieb auch im 
Liegen sowie im Schlafe bestehen. Alle Mittel, elektrische, medikomechanische 
usw., versagten, auch die Hypnose zunächst. Im Anschluß an die 15. hypnotische 
Sitzung trat jedoch eine Besserung ein, so daß Pat. jetzt gerade ging. Leider war 
die Besserung nur von kurzem Bestande, und es mußte der Kranke als dienst- 


1 Da das Referat seinerzeit entfallen ist, so wird es hiermit nachgeholt. In 
der gleichzeitig referierten Arbeit von D. Schwarz werden 33 Fälle von Zungen- 
struma zusammengezählt, was mit dem obigen 34 bekannte Fälle ergeben würde. 

Referent. 


888 Zentralblatt für Chirargie Nr. 32. 


unfähig entlassen werden. Verf. glaubt, daß die durch das Reiten und Springen 
verursachte Molekularerschütterung des Zentralnervensystems die Hysterie bei dem 
dazu beanlagten Manne hervorgerufen habe. Herhold (Altona). 


41) R. Stegmann. Zur Behandlung des Morbus Basedowü mit 
Röntgenstrahlen. 
(Wiener klin. Wochenschrift 1906. Nr. 3.) 

Unter Mitteilung einer Krankengeschichte aus Gersuny’s Rudolfinerhaus und 
Bezugnahme auf zwei vorher mit Erfolg behandelte gleiche Fälle betont S., daß 
eine äußerst günstige Beeinflussung und Heilung der Basedow’schen Krankheit 
durch Bestrahlung der veränderten Schilddrüse möglich ist. Legt man die Mö- 
bius’sche Theorie als Erklärungsversuch unter, so kommt man zu der Vorstellung, 
daß durch die Bestrahlung des pathologischen Agens eine Schädigung der Drüsen- 
epithelien stattfindet, die zu einer quantitativen und qualitativen Veränderung der 
Sekretion führt. 

In dem mitgeteilten Falle hatten sieben Bestrahlungen von 10—12—15 Minuten 
Dauer im Laufe eines Vierteljabres genügt, um die schwer kranke Pat. in einen 
völlig normalen und gesunden Menschen mit normaler Schilddrüse zu: verwandeln. 

Hübener (Liegnitz). 


42) H. Strohe (Köln). Diaphragma der Trachea im Anschluß an 
Diphtherie und erschwertes bzw. unmögliches Décanulement. 
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 15.) 

Die nach einer Krikotracheotomie vor 15 Jahren zurückgebliebene leisten- 
förmige, harte Wucherung wurde unter Lokalanästhesie durch breite Eröffnung der 
Luftröhre exstirpiert, worauf für 5 Wochen eine Schornsteinkanüle eingelegt wurde. 
Nach deren Entfernung mußte die Öffnung in der Luftröhre plastisch verschlossen 
werden; es erfolgte vollkommene Heilung. Die Sprache ist etwas heiser, aber ver- 
ständlich. Kramer (Glogau). 


43) Brézard et Morel. Plaie du coeur et du poumon gauche par coup 
de feu. Suture du coeur. Mort. 
(Bull. et mém. de la soc. de anat. de Paris 1905. November.) 

Einschu8 im 2, Interkostalraume, links 2cm vom Sternalrande entfernt. Ein 
Blutstrahl aus der Wunde bei jeder Exspiration.. Hämatopneumothorax. Aufklap- 
pung eines aus der 3., 4. und 5. Rippe gebildeten Lappens. Man findet eine sehr 
stark blutende Wunde der linken Pulmonalvene, welche durch eine T-Pinzette ver- 
schlossen wird. Der verletzte Herzbeutel wird eröffnet. Darin nur wenig Blut. 
Eine Wunde an der Basis des linken Ventrikels wird genäht, desgleichen eine an 
der hinteren Herzfläche. In diesem Augenblicke hörte die Herztätigkeit auf. Die 
direkte Herzmassage blieb wirkungslos. 

Die Obduktion ergab, daß das Herz an der Basis nur gestreift worden war 
und keine Eröffnung der Höhle stattgefunden hatte. 

Neugebauer (Mährisch-Ostrau). 





Berichtigung. 
P. 765 Z. 28 v. o. lies 10% statt 20%. Dr. de Beule teilt mit, daß seit der 
Veröffentlichung der hier referierten Arbeit noch weitere 6 Gastroenterostomien 
mit seinem Knopf bei Pyloruskarzinom glücklich operiert worden sind. 


Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man 
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- 
handlung Brestkopf & Härtel, einsenden. 





Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig, Nürnbergerstraße 36/38. 


Zentralblatt 
CHIRURGIE 





E. vn Begum, Kl, Re, 





Dreiunddreißigster Jahrgang. 


ares eT S EE E ES 
Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei halbjähriger 
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten. 





Nr. 33. Sonnabend, den 18. August. 1906. 


imhalt: 1) Fessler, Torsionsfestigkeit des Gelenkbandapparates. — 2) Blerhoff, Prosta- 
titis gonorrhoica. — 3) Leedham-Green, Harnblasenverschlu8. — 4) Heymann, Cystitis trigoni. 
— 6) Voelcker, Chromocystoskopie. — 6) Sultan, Eosinophilie der Niere. — 7) Zirenl, 
Nephritis. — 8) Jungano, Unterbindung der Nierengefäße. — 9) Berg, Sklerosierende Para- 
nephritis. — 10) Nieszytka, Bruch des Tub. maj. humeri. — 11) Hoffa, Malum coxae senile. 
— 12) Thienhaus, Trochanterabtrennung. — 13) Merlot, Schrägbrüche des Schienbeins. — 
14) Mayo, Krampfadern. — 15) Kusnezow, Elephantiasis. — 16) Voeckler, Fersenbeinbruch. 

I. M. Morl, Die Curette zur nachträglichen Entfernung eingewachsener resp. eingeklemm- 
ter Gazestreifen. — II. G. Hohmann, Knochenhebel für Osteotomien. (Original-Mitteilungen.) 

17) Neuwirth, Tendofasciitis calcarea. — 18) Thiemann, Harnröhrendivertikel. — 19) Rose, 
Hamröhrenplastik. — 20) Teuney u. Chase, Prostatektomie. — 21) Menschikow, 22) Morel, 
Blasenriß. — 23) Bond, Blasenspalte. — 24) Brewer, Septische Niereninfarkte. — 25) Car- 
stens, Nierenbefestigung. — 26) Alegioni, Abnorme Beweglichkeit des Akromioklavikular. 
gelenkes. — 27) Cornet, Schußverletzung der A. axillaris. — 28) Friedrich, Axillaraneurys- 
men. — 29) Hirsch, Medianusverletzung. — 30) Lotsch, Radiusdefekt. — 31) Hackmann 
Bruch des Os naviculare carpi. — 32) Pers, Ischias. — 33) Summers, Angiom des Glutaeus, 
maximus. — 34) Garrè, Arteriennaht bei Aneurysmaoperationen. — 35) Lewlasch, Coxitis 
tuberculosa. — 36) Axhausen, Quadricepssehnenriß. — 37) Zesas, Angiom der Kniegelenk- 
kapsel. — 38) v. Ruediger-Rydygler jun., Sarkom der Kniegelenkkapsel. — 39) Passaggl, 
Entzündung des subpatellaren Gelenkkörpers. — 40) Hayd, Doppelamputation der Unter- 
schenkel bei Diabetes. — 41) Dryden, Knochenüberpflanzung. — 42) Corson, Gritti’sche 
Amputation. — 43) v. Thlerry, Beingeschwüre. 





I) J. Fessler. Die ‘Torsionsfestigkeit des Gelenkband- 
apparates. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXII. p. 1.) 


In einer früheren Arbeit hat F. exakte Messungen »über die 
Festigkeit der menschlichen Gelenke mit besonderer Berücksichtigung 
des Bandapparates« veröffentlicht — vgl. den Bericht in unserem 
Blatte 1894 p. 900. Die vorliegende Arbeit enthält die Resultate 
ähnlicher Versuche über die Torsionsfestigkeit der Gelenke. Wie 
damals die Gelenke Zug- bzw. Distraktionswirkungen oder auch He- 
belungen ausgesetzt wurden und ermittelt wurde, welche Kräfte bzw. 
Gewichte nötig sind, um bei jedem Versuchsobjekt eine Zusammen- 


33 


890 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 


hangstrennung herbeizuführen, so wurden jetzt die zu prüfenden 
GliedmaBenteile in einer Drehbank eingespannt, die Knochen der einen 
Gelenkseite unverrückbar festgestellt, die der anderen an eine Dreh- 
scheibe befestigt, um mittels letzterer dem Torsions- oder Verwindungs- 
versuch ausgesetzt zu werden. Exakte Zentrierung der Gliederlängs- 
achsen mit dem Mittelpunkte oder der Drehachse der Drehscheibe, 
genaue Abmessung der Belastung auf letzterer, die erforderlich ist zur 
Zerreißung der Gelenke, ermöglichen dann eine präzise Bestimmung 
der zu erforschenden Kraftgrößen. 

Uber die von F. ermittelten Resultate ist, da eine völlige Wieder- 
gabe derselben hier untunlich scheint, auf das Original zu verweisen. 
Zu bemerken ist nur, daß die Beobachtungen F.’s theoretisch auch 
für die praktische Chirurgie Bedeutung besitzen, namentlich für die 
Entstehung von Spiralbrüchen, die F. häufig genug erzielte, und die 
dann erfolgen, wenn die Widerstände gegen die Verwindung in den 
Gelenken stärker sind als in den Knochen. Aber auch Brüche in 
den kleinen Knochen der Hand- und Fußwurzel finden sich in den 
F.’schen Versuchsprotokollen notiert, und auch auf diese Verletzungen 
wird also durch die Versuche ein aufklärendes Licht geworfen. Es 
ist lehrreich zu sehen, wie groß bei allen diesen in Frage kommenden 
Verletzungen die Kraft ist, deren es zu ihrer Entstehung bedarf, und 
die Widerstandsfähigkeit der verschiedenen Körpergelenke hierauf hin 
vergleichen zu können. Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 





2) Bierhoff. Beitrag zum Studium der Prostatitis gonor- 


rhoica. 
(Zentralblatt für die Krankheiten der Harn- und Sexualorgane Bd. XVII. Hft. 5.) 


Die Häufigkeit der prostatischen Infektion bei der Urethritis 
posterior schwankt nach der Ansicht der einzelnen Autoren zwischen 
70 und 100%. Verf. sieht das Auftreten einer Urethritis posterior 
immer als einen Beweis für das Vorhandensein einer gleichzeitigen 
Prostatitis an. 

Die richtig ausgeführte Zweigläserprobe (Pat. muß den Harn so 
entleeren, daß er den ganzen bis auf wenige Teelöffel voll in das erste 
und nur die letzten Teelöffel voll in das zweite Glas läßt) genügt 
vollkommen zur Diagnose der Urethritis posterior. Dadurch vermeidet 
man das dem Verf. unnötig erscheinende Einführen irgendwelcher 
Instrumente während des akuten Stadiums einer Gonorrhöe. 

Der Prozentsatz, in dem bei der Gonorrhöe überhaupt eine 
Urethritis posterior auftritt, schwankt nach den einzelnen Autoren 
zwischen 16,6 bis 93%, nach der Statistik des Verf.s beträgt er 
47,5%, nach 311 Gonorrhöen festgestellt; bei 149 von Anfang bis zu 
Ende vom Verf. behandelten Gonorrhöen aber betrug der Prozentsatz 
nur 11,4%, bei 77 abortiv behandelten Fällen unter den negativ aus- 
fallenden nur 52%. 

Die Behandlung der Prostatitis soll stets von Anfang an eine 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 891 


lokale sein; selbst Fieber soll nur unter gewissen Umständen eine 
Kontraindikation bilden. Näheres ist im Original der sehr lesens- 
werten Arbeit einzusehen. Grunert (Dresden). 


3) Leedham-Green. Uber den Mechanismus des Harn- 


blasenverschlusses und der Harnentleerung. 

(Zentralblatt für die Krankheiten der Harn» und Sexualorgane Bd. XVII. Hft. 5.) 

Kine Kritik der Arbeit von Oppenheim und Low (vgl. Referat 
dieses Blattes 1906 p. 643) auf Grund eigener Untersuchungen des 
Verf.s mit dem Resultate, daß die Form der ausgedehnten sowohl wie 
der nicht ausgedehnten menschlichen Harnblase immer oval und nicht 
birnenförmig, und daß die Harnröhre ohne auch nur eine Andeutung 
eines Blasenhalses deutlich von der Blase geschieden sei. Verf. hat 
zu seinen Versuchen die Blasen von Männern und Jünglingen mit 
einer Aufschwemmung von Bismuthum subnitricum oder Silber- 
albuminat gefüllt und sie dann röntgenographiert. Ausführliche Be- 
schreibung der Versuche erfolgt demnächst im British medical journal. 

Grunert (Dresden). 





4) Heymann. Die Cystitis trigoni der Frau und ihre 
pathologische Anatomie. Beiträge zur Metaplasie des Blasen- 
epithels. 

Zentralblatt für die Krankheiten der Harn- und Sexualorgane Bd. XVII. Hft. 4.) 

Pathologisch-anatomische Untersuchungen des weiblichen Blasen- 
dreiecks. Verf. hat die Blasen von 20 Frauen im Alter von 17 bis 
64 Jahren unter folgenden Postulaten mikroskopisch untersucht: 

1) Es werden nur ganz frische Präparate untersucht. 

2) Die Blase darf makroskopisch nicht verändert sein. 

2) Es darf keine Erkrankung der Harnwege bestanden haben, 
bzw. in autopsia gefunden werden. 

Das Ergebnis lautet: Von 20 Blasendreiecken, die makroskopisch 
keine Veränderungen darboten, ist nur ein einziges normal befunden 
worden, sechs andere hatten normales Epithel und wiesen nur hier 
und da einen Infiltrationsherd auf, und 13 wiesen schwere Verände- 
rungen des Epithels auf (Epithelmetaplasie, Wucherung des Epithels, 
Cystitis cystica). Die schwereren Veränderungen entfallen auf die 
über 40 Jahre alten Blasen. Die Oystitis trigoni ist eine der Frau 
eigentiimliche Form der chronischen Cystitis. Sie hat ihre Ursache 
in einer der Frau eigentümlichen Schwäche des Blasenausganges. Sie 
neigt zum Chronischwerden des Prozesses und führt in einer großen 
Zahl der Fälle nach langer Dauer des Prozesses zur Metaplasie des 
Epithels. Grunert (Dresden). 








892 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 


5) F. Voelcker. Diagnose der chirurgischen Nierenerkran- 
kungen unter Verwertung der Chromocystoskopie. 1878. 


Mit 50 Abbildungen im Text. 
Wiesbaden, J. F. Bergmann, 1906. 

Daß die Harnleiterkatheterisation zu den komplizierteren Unter- 
suchungsmethoden gehört, und daß sie, wenn sie nicht von ganz 
geübten Händen vorgenommen wird, leicht Schaden stiften kann, wird 
wohl von allen Urteilsfähigen ohne weiteres zugegeben. Hierzu kommt 
noch, daß in bestimmten Fällen schwererer Blasenstörungen die Harn- 
leiterkatheter nicht eingeführt werden dürfen, um keine Krankheits- 
produkte nach den Nierenbecken zu verschleppen. Aus allen diesen 
Gründen hat man immer und immer wieder versucht, die großen dia- 
gnostischen Vorteile der Harnleiterkatheterisation auf weniger kom- 
pliziertem und event. auch weniger gefährlichem Wege zu erhalten. 
Namentlich zwei Verfahren sind hier unter Umständen mit Vorteil 
anzuwenden: die Urinscheidung durch in die Blase eingeführte künst- 
liche Scheidewände und die von V. und Joseph ersonnene und dann 
von dem erstgenannten Autor durchgearbeitete Methode der Chromo- 
cystoskopie. Die subkutane Einspritzung von Indigkarmin gestattet 
in dem aus der Blase entleerten Urin eine einfache kolorimetrjsche 
Bestimmung und ermöglicht die Aufstellung von Ausscheidungskurven, 
in denen sich die funktionelle Tüchtigkeit der zwei Nieren, als sekre- 
torisches Ganze betrachtet, wiederspiegel. Durch die tintenartige 
Bläuung, die das Indigkarmin auf der Höhe seiner Ausscheidung dem 
Urin verleiht, ist eine direkte Beobachtung der Nierentätigkeit resp. 
der Harnleiterkontraktionen im cystoskopischen Bilde möglich, und 
man kommt zu Erfahrungen über Anderungen des Kontraktionsmodus 
der Harnleiter unter veränderten Bedingungen oder pathologischen 
Zuständen. Bei unilateralen Erkrankungen der Nieren pflegen sich 
deutliche Unterschiede nicht nur in dem Kontraktionsmodus, sondern 
auch in der Kontraktionsstärke des sezernierten Indigkarmins zu 
finden, Unterschiede, die man bei genügender Übung mittels des 
Cystoskops direkt sehen und abschätzen oder auch durch Einlegen 
von Harnscheidern oder Harnleiterkathetern genau kolorimetrisch 
bestimmen kann. In der vorliegenden Monographie gibt Verf. eine 
klare und eingehende Schilderung der klinischen Bedeutung der 
Chromocystoskopie und ihrer Verwertung bei der Diagnose von 
chirurgischen Nierenerkrankungen. Mit zunehmender Erfahrung hat 
sich doch herausgestellt, daß eine ganze Anzahl von unklaren Fällen 
sich durch die einfache Chromocystoskopie in durchaus befriedigender 
und ausreichender Weise aufklären lassen, und daß diese von ver- 
schiedenen Autoren zunächst sehr scheel angesehene Methode öfters 
mit Vorteil an die Stelle komplizierterer Untersuchungsmethoden 
gesetzt werden kann. Die V.’sche Monographie enthält eine Reihe 
wertvoller Einzelbeobachtungen und wird von jedem, der sich mit 
Nierenchirurgie beschäftigt, mit besonderem Interesse gelesen werden. 

Paul Wagner (Leipzig). 





Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 893 


6) G. Sultan. Über lokale Eosinophilie der Niere. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXT. p. 120.) 


Da Verf. über die in obiger Arbeit beschriebene Beobachtung 
und Operation (erfolgreiche Nephrektomie) in der freien Chirurgen- 
vereinigung Berlins Vortrag gehalten hat und über letzteren in unserem 
Blatte laufender Jahrgang p. 356 bereits ein alles Wesentliche wieder- 
gebendes Referat erschienen ist, wird hier auf dieses verwiesen und 
nur bemerkt, daß in der Arbeit auch eine kurze Allgemeinbesprechung 
der Eosinophilie enthalten ist und gute mikroskopische Abbildungen 
von den S.’schen Fall betreffenden Präparaten, sowie ein 61 Nummern 
zählendes Literaturverzeichnis über eosinophile Zellen beigegeben sind. 

Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


7) Zironi. Contributo sperimentale al trattamento chi- 


rurgico delle nefriti. 
(Policlinico 1906. Ser. chir. Nr. 5.) 

Z. erzeugte durch Vergiftung mit Chromsäure und Diphtherie- 
toxin bei zwei Hunden eine gemischte Nephritis, an welcher die 
parenchymatösen und interstitiellen Veränderungen in besonderer 
Weise auf die peripheren Schichten der Rinde lokalisiert sind. Mit 
Diphtherietoxin erzeugte er bei einem dritten Hunde eine rein inter- 
stitielle Nephritis mit Lokalisation in den Markstrahlen; bei einem 
vierten eine rein und bei einem fünften Tiere eine vorwiegend par- 
enchymatöse Erkrankung. 

Die Aushülsung einer Niere wurde bei Hund I 41/, Monate 
nach Beginn der chronischen Nephritis gemacht, bei den übrigen 
Hunden nach 21/,—2 Monaten. 

35—51 Tage nach der Aushülsung bestand eine Verschlimmerung 
der Entzündung in der enthülsten Niere bei Hund I und III. Bei 
Hund IV war die Albuminurie direkt nach der Operation stärker 
geworden, histologisch zeigte sich jedoch keine Beeinflussung des 
krankhaften Prozesses. | 

In diesen Experimenten hatte die Aushülsung also einen schä- 
digenden Einfluß auf die vorwiegend interstitiellen Nephritiden und 
war ergebnislos bei den parenchymatösen. 

E. Pagenstecher (Wiesbaden). 


S: M. Jungano. De la ligature de l'artère et de la veine 


rénales. 
(Ann. des malad. des org. génito-urin. Bd, XXIV. I. 1906. Nr. 12.) 


Auch Verf. kommt durch eine Reibe neuerer experimenteller 
Untersuchungen zu dem Schluß, daß man bei einer Verletzung von 
Nierenarterie und Nierenvene am besten die Nephrektomie vornimmt. 
Macht man nur die Unterbindung der beiden Gefäße, so kommt es zu 
einer fortschreitenden interstitiellen Nephritis mit schließlicher Kalk- 


$ 


894 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 


ablagerung. Aber das nekrotisierende Organ bewirkt durch die Aus- 
scheidung toxischer Stoffe eine Schädigung des Gesamtorganismus. 
Paul Wagner (Leipzig). 





9) A. A. Berg. Paranephritic sclerosis: its etiology, sym- 
ptoms and treatment. 
(Amer. journ. of surgery 1906. Juni.) 

Unter sklerosierender oder adhäsiver Paranephritis wird eine mehr 
oder weniger chronische Entzündung der fibrösen und Fettkapsel der 
Niere verstanden, die entweder eine Nierenentzündung begleitet, aber 
auch nach gänzlichem Abklingen derselben andauert, oder sekundär 
auf dem Lymph- oder Blutwege von Erkrankungen der Nachbar- 
organe: Wirbel, Wurmfortsatz, Gallenblase usw., ausgeht. Es wird 
die Entstehung einer Nephritis und Paranephritis ohne Eiterung durch 
die gewöhnlichen Eitererreger hervorgehoben und als Beweis dafür 
eine interessante Krankengeschichte mitgeteilt: Die Operation zeigte 
eine ausgedehnte adhäsive Paranephritis und ödematöse Niere, deren 
mikroskopische Untersuchung (probeexzidiertes Stück) akute Ent- 
zündung durch Staphylokokkus aureus ergab; Heilung durch Drainage. 
Verf. betont das Weiterbestehen der Paranephritis trotz Ausheilung 
der Nierenentzündung und glaubt, daß darauf die renale Neuralgie 
der Franzosen zurückzuführen sei. Auch soll sie stets bei den Fällen 
essentieller und renaler Hämaturie vorhanden sein. Die Symptome 
sind: dumpfer stechender Schmerz in der Lendengegend, der höchstens 
in das Hypochondrium oder die Schulter ausstrahlt, während der 
Nierenkolik ein scharfer, schneidender, in die Leistengegend, Hoden 
und den Oberschenkel ausstrahlender Schmerz eigen ist. Die Niere 
ist bei Paranephritis fest fixiert und ergibt kein »renales Ballotement«. 
Für die Behandlung kommt nur die operative Trennung der Ver- 


wachsungen, d.h. die Edebohls’sche Enthülsung in Betracht. 
Goebel (Breslau). 





10) Nieszytka. Über die isolierte Fraktur des Tuberculum 


majus humeri. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXII. p. 147.) 

N. weist an der Hand von neun in Höftmann’s Privatklinik in 
Königsberg behandelten Fällen nach, daß der Bruch des Tuberculum 
majus bei weitem häufiger ist, als man bisher wußte. Allerdings ist 
er sicher nur mittels Röntgen nachweisbar, und auch bei dieser Unter- 
suchung bedarf es, wie Dr. Matthias, Inhaber des Röntgen-Labora- 
toriums der genannten Klinik, erfuhr, eines besonderen Kunstgriffes, 
um die vorhandenen Bruchlinien auf die Platten zu bekommen; man 
muß den in möglichster Außenrotation fixierten Arm durchstrahlen 
lassen, damit die größte Wölbung des Tuberculum im Profil projiziert 
wird. Gleichzeitig ist Adduktion der Abduktion vorzuziehen; störende 
Mitbewegungen der Schulter durch die Atmung werden am besten 
durch Anwendung der Albers-Schönberg’schen Blende verhindert. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 895 


Nach den statistischen Daten der an Frakturen reichen Höftmann- 
schen Klinik erscheint der isolierte Tuberkelbruch ebenso häufig wie 
der Bruch des anatomischen und chirurgischen Oberarmhalses bzw. die 
Lösung der oberen Humerusepiphyse. Rechnet man hierzu noch die 
große Zahl von Tuberkelbrüchen, die Schulterverrenkungen kompli- 
zieren, so muß das Tuberkel als der häufigst verletzte Oberarmteil 
angesehen werden. Wie aus den N.’schen Fällen hervorgeht, sind, 
abgesehen vom Röntgenbefund, meist keine für die Verletzung charak- 
teristische Befunde vorhanden, so daß die bisherige Diagnose nur auf 
Kontusionen oder Distorsionen gestellt war. Ein direkter Stoß scheint 
häufiger als ein indirekter Stoß oder ein Riß die Verletzungsursache 
zu sein. Stets bestanden erhebliche Gelenkfunktionsstörungen, Schwäche 
und Schmerzen im Arm, Muskelabmagerung, Krepitation im Gelenk, 
starke Bewegungsbeschränkungen nach den meisten Richtungen, dazu 
meist typische Druckpunkte am Tuberkel selbst, am Übergang der 
Spina scapulae in das Akromion und an der unteren Insertion des 
M. deltoidus. Die gelösten Bruchstücke zeigen Neigung zur Disloka- 
tion, und zwar besonders zu solcher nach oben und hinten. Falls sie 
nicht anheilen, veranlassen sie Einklemmungserscheinungen. (In einem 
derartigen Falle N.’s handelte es sich um ein nur etwa stecknadel- 
kopfgroßes Knochenstückchen.) Während bei der frischen Verletzung 
fixierende Verbände angezeigt sein werden, ist zur Beseitigung der 
von ihr hinterlassenen chronischen Schäden die mediko-mechanische 
Behandlung (Heißluftbäder, Massage, Apparatübungen) das einzig 
empfehlenswerte Verfahren, mit dem in N.’s Material wiederholt recht 
befriedigende Resultate erzielt sind. Exzision der Bruchstücke (von 
Höftmann 2mal bei gleichzeitiger veralteter Verrenkung vorgenommen) 
und Tenotomie, bzw. Sehnenplastik der an das Tuberkel sich an- 
setzenden Muskeln (lmal von Deutschländer am Subscapularis 
gemacht) werden in der Regel nicht indiziert sein. 

Beziiglich der Details der Krankengeschichten nebst den in Um- 
rißzeichnungen wiedergegebenen Röntgenbildern ist auf das Original, 
dem ein 11 Nummern zählendes Literaturverzeichnis angefügt ist, zu 
verweisen. Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 





11) Hoffa. Die Behandlung des Malum coxae senile (Ar- 


thritis deformans des Hüftgelenkes). 
(Therapie der Gegenwart 1906. Nr. 1.) 

H. hebt hervor, daß die Arthritis deformans leicht daran zu dia- 
gnostizieren ist, daß die Abduktionsfähigkeit behindert ist, ein Sym- 
ptom, das bei der differential-diagnostisch in Betracht kommenden 
Ischias fehlt. Nach Feststellung dieses Symptoms findet man dann 
leicht andere arthritische Symptome. 

Zu einer erfolgreichen Behandlung ist eine frühzeitig gestellte 
Diagnose absolutes Erfordernis. Die Therapie besteht in Entlastung 
des Gelenkes durch einen Schienenhülsenapparat. Die durch Tragen 


896 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 


des Apparates bedingte Muskelschwäche muB durch gleichzeitige 
Massage und Ubungstherapie beseitigt werden. Daneben ist eine 
Heißluftbehandlung oder Umschlagsbehandlung zu empfehlen. In 
ganz veralteten nicht mehr zu beeinflussenden Fällen hilft allein die 
Resektion des erkrankten Gelenkes. 
H. berichtet über vier von ihm mit gutem Erfolg operierte Fälle. 
Silberberg (Breslau:. 





12) Thienhaus. Epiphyseal separation of the great tro- 
chanter with report of a case. 
(Annals of surgery 1906. Mai.) 

T. unterscheidet zwei Klassen der Trochanterabtrennung: 1) Die 
vollständige, schwerere, bei welcher mit dem Trochanter die Sehne 
und das Periost zerrissen sind. 2) ‘Die unvollständige, wo der Tro- 
chanter allein, ohne daß Periost und die Sehne zerissen sind, ab- 
getrennt ist. Die erstere kann leicht zur Eiterung und Pyämie führen. 
Die Diagnose stützt sich auf Druckschmerzen in der Trochanter- 
gegend, Unmöglichkeit das Bein zu bewegen und besonders auf die 
Röntgendurchleuchtung. Die Behandlung besteht bei der unvoll- 
ständigen Form in einem die Hüfte und den Oberschenkel umfassenden 
Gipsverband, sowie Bettruhe; bei der vollständigen Form wird die 
Operation empfohlen, bei Eiterungen ist möglichst der Trochanter zu: 
entfernen. Herhold (Altona). 





13) Merlot. Traitement des fractures obliques de jambe. 
These de Paris, @. Steinheil, 1906. 

M. empfiehlt zur Behandlung der Schrägbrüche des Schienbeines 
einen von Ombre&danne angegebenen Streckverband, der eine Modi- 
fikation des Hennequin’schen Verbandes darstellt und im wesent- 
lichen darin besteht, daß der gebrochene Unterschenkel in eine genau 
modellierte Gipshülse gelegt wird, und der Fuß einen Schnürpantoffel 
erhält, der vermittels eines quer durch die Pantoffelsohle gelegten 
Metallstabes auf den verlängerten Enden der Gipshülse gleitet. Für 
die Extension kommt ein auffallend niedriges Gewicht, 2—4 kg, selbst 
bei Erwachsenen in Anwendung. Einen Vorzug gegenüber den bei 
uns üblichen Streckverbänden vermag Ref. aus der Beschreibung nicht 
zu erkennen; auch scheint ihm das Prinzip, die Zugwirkung nur auf 
den Fußrücken und die Ferse zu verteilen, nicht nachahmenswert. 

Deutschländer (Hamburg). 





14) Mayo. Treatment of varicose veins. 
(Surgery, gynaecology and obstetrics Vol. IT. Nr. 4.) 

Um die GréBe der Operationswunden bei der Exzision der 
Krampfadern zu verringern, faßt M. die Saphena von etwa 3 cm 
langem Einschnitt aus, unterbindet das zentrale Ende und fädelt das 
periphere durch den Ring eines besonderen Instrumentes, das einer 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 897 


oben abgebogenen, stumpfen Uteruscurette gleicht, und löst subkutan 
unter Vorschieben des Instrumentes und Anspannung der Haut von 
außen die Vene aus, wobei kleinere Aste abgerissen werden. Ist die 
ganze Länge des Instrumentes eingeschoben, so wird auf den Ring 
eingeschnitten, die gelöste Vene herausgezogen und das gleiche Ver- 
fahren an dem weiter peripher gelegenen Abschnitte wiederholt. Am 
Unterschenkel müssen die Einschnitte etwas näher beieinander liegen 
als am Oberschenkel. Die abgerissenen Nebenäste sollen sich gut 
zusammenziehen, die Blutung wird schon durch Hochlagerung während 
der Operation beschränkt. Sind Venensteine oder entzündliche Vor- 
gänge vorhanden, so ist das Verfahren nicht anwendbar; dann führt 
M. es, wenn irgendmöglich, aber noch in der Kniegegend aus, um 
so die störende Narbe zu vermeiden. Sein Vorgehen soll viel Zeit 
sparen. Trapp (Bückeburg). 





15) M. M. Kusnezow. Die Behandlung der Elephantiasis 
mittels keilförmiger Exzisionen. 
(Russisches Archiv für Chirurgie 1905. [Russisch.)) 

Bei dem Studium der einschlägigen Literatur hat K. gefunden, 
daß die keilförmige Exzision bei Elephantiasis der unteren Extremi- 
täten noch wenig angewandt wird. Auf Grund seiner Erfahrung und 
der Erfolge von v. Mikulicz empfiehlt er das Verfahren, mit dem 
gute und vor allem dauernde Resultate zu erzielen seien. 

V. E. Mertens (Breslau). 





16) Voeckler. Zur Lehre von der Fraktur des Calcaneus. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXII. p. 175.) 

Anknüpfend an zehn im Krankenhause Magdeburg-Sudenburg 
(Oberarzt Dr. Habs) beobachtete eigene einschlägige Fälle, von denen 
sich zwei durch besondere Schwere auszeichnen, bringt V. eine gut unter- 
richtende, die neuere Literatur berücksichtigende Allgemeinbesprechung 
des Fersenbeinbruches. Zu unterscheiden ist der AbriB- und der 
Kompressionsbruch. Der Abrißbruch, dem Zug der Wadenmuskeln 
an der Hacke zuzuschreiben, übrigens häufig nicht allein auf solchen 
zurückführbar, betrifft ausschließlich den hinteren Fersenbeinfortsatz 
oder Teile desselben und gibt im allgemeinen eine gute Prognose. 
Dagegen entsteht der Kompressionsbruch durch Knochenzusammen- 
stauchung bei Fall auf die FuBsohle unter Wirkung der Körper- 
schwere auf letztere. Betroffen werden dann entweder der Körper 
des Knochens oder seine verschiedenen Fortsätze, Proc. inframalleo- 
laris, anterior, posterior und das Sustentaculum tali. Die Kompressions- 
brüche zeichnen sich durch meist mehr oder weniger schlechte Pro- 
gnose aus, ein Umstand, der erst seit Inkrafttreten der Unfall- 
versicherungsgesetze aufgeklärt ist, wie auch erst, in neuerer Zeit durch 
das Röntgenverfahren die verschiedenen vorkommenden Bruchverlaufs- 
linien zur Erkenntnis kommen konnten. 

38** 


898 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 


Die beiden erwähnten besonders schweren Fälle von Fersenbein- 
bruch betrafen zwei Arbeiter, welche mit einem für Lastenaufzug 
bestimmten Fahrstuhl in einem 15m tiefen Schacht hinabgesaust 
waren. Beide Pat. trugen beiderseits Fersenbeinbrüche davon, von 
denen in Fall 1 derselbe bei gleichzeitigem Vertikalbruch des Talus 
ein komplizierter war, indem die Bruchstücke des Fersenbeines unter 
dem Drucke von oben die Fußsohle durchbohrten. Dagegen zeichnet 
sich Fall 2 dadurch aus, daß durch den Stoß auf den Fußboden und 
den Gegendruck von oben her durch das Körpergewicht die Fußsohlen- 
weichteile derartig gequetscht waren, daß sie brandig wurden, woran 
sich noch eine Unterschenkelphlegmone schloß. Auf dem weniger 
verletzten Fuße dieses Kranken trat nach 3 Monaten nach der Ver- 
letzung eine umschriebene Nekrosenbildung an der Sohle auf. Röntgen 
zeigte hochgradige Fersenbeinzerstörungen an allen vier Füßen, meist 
mit Bildung mehrerer Bruchstücke und einer gewaltigen Oallusent- 
wicklung, die das ganze hintere Fußskelett in eine unförmlich-klumpige 
Knochenmasse verwandelt hatte. Die in der Arbeit enthaltenen Repro- 
duktionen der Röntgenogramme sind verunglückt, doch hat V. in 
einem Nachtrag zu seiner Arbeit (p. 611 des angegebenen Zeit- 
schriftenbandes) Skizzen mit deutlicher Bruchlinienzeichnung beigefügt. 
Beide Verletzte konnten erst nach über einjähriger Behandlung das 
Krankenhaus verlassen, aber beide waren dauernd unfähig, ihre Füße 
zu gebrauchen — Gefähigkeit nur in besonders gearbeiteten Schuh- 
werk mit Hilfe von Stöcken, so daß beide Vollinvaliditätsrenten er- 
halten mußten. 

Von den sonst aus dem Beobachtungsmateriale V.’s (im ganzen 
13 genau mit Röntgen kontrollierten Fersenbeinbrüchen) gewonnenen 
Erfahrungen ist zu erwähnen, daß bei frischer Verletzung das Röntgen- 
bild oft versagt, wohl wegen der verdunkelnd wirkenden Blutergüsse, 
daß aber 14 Tage bis 3 Wochen später genügend klare Bilder zu 
erzielen sind. Gewöhnlich ist der Fersenbeinbruch isoliert; in den 
13 V.’schen Fällen waren nur bei dreien andere Knochen gleichzeitig 
gebrochen. Auch in den verhältnismäßig leichteren Fällen waren die 
Fußbeschädigungen sehr erheblich. Nach 3—4 Wochen fallen die 
ersten Gehversuche ganz resultatlos aus, erst 3—4 Monate nach der 
Verletzung pflegen sie Erfolg zu haben, aber auch dann klagt Pat. 
meist über Schmerzen, namentlich der äußeren Knöchelgegend, und 
ist genötigt, nur sehr kleine vorsichtige Schritte zu machen, meist nur 
mit dem äußeren Fußrande auftretend und den Fuß schlecht ab- 
wickelnd. Objektiv findet sich Plattfußbildung, Verbreiterung der 
Ferse, Verkürzung des senkrechten Fußdurchmessers, Tiefstand des 
Malleolus int. Die Funktion im Talocruralgelenk kann ungestört 
sein, behindert dagegen pflegen Pro- und Supination zu sein (Störung 
in den Tarsalgelenken). Therapeutisch kommt außer dem Gipsverband 
besonders die Bardenheuer’sche Extensionsbehandlung in Betracht; 
vor zu frühzeitigen Gehversuchen ist nachdrücklich zu warnen. 

Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 899 


Kleinere Mitteilungen. 
I. 


Die Curette zur nachträglichen Entfernung eingewachsener 
resp. eingeklemmter Gazestreifen. 
Von 
Dr. M. Mori, Japan. 


Bekanntlich bringt die Tamponade nach dem unvollständigen Verschluß der 
Bauchwunde allerlei Unannehmlichkeiten mit sich, und in letzter Zeit ist vielfach 
die Ansicht vertreten worden, die Tamponade hier möglichst einzuschränken. 

Unter den in Betracht kommenden Übelständen besonders hervorzuheben ist 
Festwachsen oder Einklemmung der Gazestreifen, indem plastische Exsudate und 
Granulationen in ihre Maschen dringen oder ein einschnürender Ring des Gewebes 
die zusammengeballte Gaze festhalt. Die gewaltsame Herausnahme derartiger 
Tamponstreifen verursacht nicht nur dem Pat. unerträgliche Schmerzen, sondern 
kann auch ernste Störungen zur Folge haben. Mitunter läßt sich gar nicht ab- 
sehen, wann der Pat. diesen Fremdkörper los werden wird. Um diese Schwierig- 
keiten zu umgehen, hat man verschiedene Mittel und Wege eingeschlagen. Das 
in letzter Zeit viel gerühmte Wasserstoffsuperoxyd leistet zuweilen recht gute Dienste. 
Gaze- oder dochtgefüllte Drainröhren aus Gummi, Metall oder Glas u. dgl. kämen 
hier in Betracht; aber der aus dem Rohr herausgetretene Teil der Gazestreifen 
macht doch wieder Schwierigkeiten. Lauenstein hat auf dem 34. Kongreß für 
deutsche Chirurgie über die praktische Brauchbarkeit des Tränkens der Gazestoffe 
mit Paraffinum liquidum vorgetragen und behauptet, daß er damit die besten und 
befriedigendsten Ergebnisse erzielt habe. 

Neuerdings kam ich nun auf den Gedanken, derartige Gazestreifen vermittels 
einer Curette zu entfernen. Der Gedankengang war dabei folgender: Was nicht 
vorwärts herauszubringen ist, muß rückwärts in entgegengesetzter Richtung gezo- 
gen werden. Die Praxis hat mir diese theoretische Annahme als richtig erwiesen, 
worüber ich auf dem 7. Kongreß für japanische Chirurgie vorgetragen habe. Was 
die Konstruktion der Curette angeht, so ist sie aus der Skizze ersichtlich und be- 
darf wohl keiner weiteren Beschreibung. Uber ihre Anwendungsweise sind nicht 
viele Erörterungen notwendig. Zunächst führt man das Ende der aus der Wund- 
öffnung heraustretenden Gaze durch die Öse der Curette, mit der man sodann 

und vorsichtig in die Tiefe dringt. Daß dabei den Verhältnissen ent- 
sprechend verschiedenartiges Manöverieren vorkommen wird, versteht sich wohl 


Su 


1/4 natürl. Größe. 


von selbst. Da die Curette biegsam konstruiert ist, kann sie nach Bedarf beliebig 
geformt werden. Die mir bis jetzt vorgekommen zwei Fälle von Gazeretention 
wurden dank der Curette ganz glatt erledigt. Als Beleg möchte ich noch die bei- 
den Krankengeschichten in Kürze folgen lassen. 


Fall I. H.N., 41jahrige Frau. Operiert am 15. Januar 1906 wegen Darm- 
invagination. Fast das ganze Kolon mit Ausnahme des unteren Teiles des Colon 
descendens wurde reseziert und das Ileum in das letztere implantiert. Drei Gaze- 
streifen wurden an die Nahtstelle, hinten, rechts und links gelagert. Nach 5 Tagen 


900 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 


begann ich die Tamponade zu lockern. Am 9. Tage gelang es, einen Streifen 
davon zu entfernen. Dabei gingen wir etwas gewaltsam vor; weshalb wohl am 
folgenden Tage sich Erbrechen, Sichtbarwerden der peristaltischen Bewegung usw. 
einstellten, so daß Verdacht auf eine Passagestörung aufkam. Vom 13. Tage an 
hörten diese Erscheinungen jedoch von selbst auf. Am 16. Tage wurde der zweite 
Streifen ohne erhebliche Schwierigkeit entfernt, während der dritte jedem Ent- 
fernungsversuche Widerstand leistete. So verging die Zeit bis zum 22. Tage nach 
der Operation. Nun entschloß ich mich, die inzwischen hergestellte Curette in 
Anwendung zu ziehen. Nachdem ich mit ihr eine verengte Stelle passiert hatte, 
zog ich den Streifen mitsamt der Curette heraus, und die Gaze, welche nicht nur 
die Pat., sondern auch uns so lange belästigt hatte, kam mit einem ganz leisen 
Zug zum Vorschein. Die Gaze war, wie sich herausstellte, in dem verengten Ringe 
eingeklemmt, hatte sich jenseits desselben zusammengeballt. In diesem Falle war 
es also Einklemmung, nicht Einwachsen, was das Hindernis verursachte. Der 
weitere Krankheitsverlauf war ein ganz glatter. 


. Fall IL J. M., 13jähriger Knabe. Bei ihm wurde am 18. Mai 1906 wegen 
Invagination das Coecum reseziert, der Dünndarm in den Dickdarm implantiert. 
Zwei Gazestreifen wurden in die Nähe, aber nicht direkt an die Nahtstelle der 
implantierten Stelle gelegt. Nachdem methodische Lockerungsversuche voraus- 
gegangen waren, versuchten wir am 15. Tage nach der Operation, die Tam- 
ponade zu entfernen, jedoch ohne Erfolg. Daraufhin gingen wir mit der Curette 
ein, und es gelang uns, einen Streifen zu entfernen, ohne dabei gawaltsam vorzu- 
gehen. Am 17. Tage versuchte ich vergeblich den noch zurückgebliebenen Streifen 
zu entfernen, und ich sah mich wiederum genötigt, zur Curette zu greifen. Nach 
einigen Manipulationen, allerdings nicht sehr leicht, erreichten wir unser Ziel. Die 
Wundheilung ging darauf schnell von statten, und der Junge erfreute sich seiner 
baldigen Entlassung. Bei diesem Falle waren die Gazestreifen in das Gewebe ein- 
gewachsen, handelte es sich nicht um Einklemmung. 

Durch die bisherigen Erfahrungen, an Zahl klein, wie sie erst sind, glaube ich 
zur Behauptung berechtigt zu sein, daß die Curette ein unentbehrliches Instrument 
bei derartigen Anfällen darstellt. 


H. 


(Aus dem orthopädischen Ambulatorium der kgl. Universität München. 
Prof. Dr. Fritz Lange.) 


Knochenhebel für Osteotomien. 
Von 
Dr. Georg Hohmann, Assistenzarzt. 


In den folgenden Zeilen will ich auf ein neues Instrument hinweisen, das bei 
der Osteotomie zur Isolierung und Heraushebelung des Knochens dient und sich 
bei einem großen Operationsmateriale bewährt hat. Bisher hat meines Wissens 
nur Kölliker ein ähnlichen Zwecken dienendes Instrument an dieser Stelle! an- 
gegeben, sonst finden wir in den Lehrbüchern der Chirurgie und Operationslehre 
keine Erwähnung ähnlicher Werkzeuge. Und doch besteht ein starkes Bedürfnis 
nach einem solchen Instrument, das die den Knochen umgebenden Weichteile, die 
bei der Isolierung abgelöst wurden, zurückhält und vor der Schärfe des Meißels 
schützt. Von dem bis jetzt fast allein zu diesem Zwecke gebrauchten Elevatorium 
sagt Kölliker sehr mit Recht, daß es »während des Meißelns nur mit Schwierig- 
keiten sicher und ruhig gegen den Knochen angedrängt werden kann, leicht in die 
Tiefe gleitet und sich in die Muskulatur einbohrt«. Und nicht bloß die Musku- 
latur, auch die hinter dem Knochen verlaufenden und oft nur durch dünne Schich- 


1 Kölliker, Schutzhebel bei Operationen am Knochen. Zentralblatt für Chi- 
rurgie 1898. Nr. 28. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 901 


ten getrennten Gefäße und Nerven verlangen Schutz vor dem Meißel, der bei 
weicheren Knochen oft sehr schnell durchschlägt. Wer wie der orthopädische 
Chirurg viel osteotomieren muß, wird ein solches Hilfsmittel bisher vermißt haben. 
Man denke an die schweren Verbiegungen von Ober- und Unterschenkelknochen 
beider Beine mit den seltsamsten Formen, wie bei den schraubenzieherartigen oder 
weinrebenförmigen Beinen der schweren Rachitiker, die oft so erheblich sein kön- 
nen, daß das Kind nicht mehr stehen und gehen kann. Und auf der anderen Seite 
sieht der orthopädische Chirurg die Knochen der Gelenktuberkulösen, die er ab- 
seits vom erkrankten Gelenk zu korrigierenden Zwecken durchmeißelt. Rachitis 
und Gelenktuberkulose bieten die beiden Extreme der Knochenbeschaffenheit dar, 
die elfenbeinharten Knochen der Rachitiker und die kalkarmen porösen Knochen 
der in ihrer Konstitution geschwächten Tuberkulösen. 

Beide Formen lassen einen Schutz der Gefäße vor dem Meißel wünschenswert 
erscheinen, die rachitischen Verbiegungen wegen der möglichen Verlagerungen der 
Gefäße, die den wunderlichen Windungen der Knochen folgen, die weichen Tu- 
berkuloseknochen wegen der Gefahr des schnellen Durchschlagens des Meißels, 
Diese Gefahren bestehen ja nicht gleichmäßig bei allen Osteotomien, wenig bei 
der Osteotomia subtrochanterica des Femur, aber in gewisser Weise schon bei der 
Osteotomie des Femur wegen Genu valgum, wo die nahen Popliteagefäße Schutz 
verlangen. Das gleiche gilt für den Unterschenkel mit seinen Verbiegungen, wo 
die hinter der Tibia liegenden Gefäße und Nerven nur. durch dünne Muskelschicht 
vom Knochen getrennt sind. Ferner ist an die Gefahr der Pseudarthrose zu den- 
ken, wenn der Meißel Muskeln trifft, deren Fetzen sich zwischen die Fragmente 
lagern können. Auf alle Fälle aber sind diese Nebenverletzungen, wenn nicht ge- 
rade gefährlich, so doch unnötig. 

Wenn man einwendet, daß der Chirurg doch den Knochen ja nicht vollständig, 
sondern nur bis zu zwei Dritteln seines Durchmessers durchmeißele und dann die 
hintere Corticalis einbreche, so gilt dieser Einwand doch eben nur für die lineäre 
Osteotomie, und bei den häufigen partiellen Resektionen der Knochen, der Keil- 
osteotomie usw. ist der Schutz vor dem Meißel eben doch eine Notwendigkeit. 





Diesen Schutz gewährt das Instrument, das Prof. Lange und der Verfasser 
hergestellt haben. Fig. 1 zeigt es in seiner Form von der Seite: Es ist eine Art 
Elevatorium, das aber nicht gerade ausläuft, wie das Kölliker’sche Instrument, 
sondern das in seinem vorderen, der Abhebelung der Weichteile dienenden Ab- 
schnitt eine Biegung erhält, mit der es den zu durchmeißelnden Knochen um- 

. Die zweckmäßige Größe der Biegung ist durch Versuche an den beiden 
hauptsächlich in Frage kommenden Knochen, Femur und Tibia, ausprobiert wor- 
den. Die Biegung soll so sein, daß der Haken den Knochen umgreifen kann, 
ohne Weichteile mit zu fassen. Um die Abhebelung der Weichteile, vor allem der 
am Knochen haftenden Muskeln, möglichst vollständig zu erreichen, erhielt das 


902 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 


auslaufende vordere Ende der Biegung, das zungenförmig abgerundet ist, eine nach 
innen, also nach dem Knochen zu gerichtete Schärfe (bei x in Fig. 1). 

= Da wo der Haken zum Griff zurückkehrt, ist an diesem aufsteigenden Teile 
(bei y in Fig. 1) das Blatt etwa um das Doppelte verbreitert, um die rechts und 
links vorquellenden Weichteile der Wundränder breit abzuhalten. Dadurch werden 
zwei besondere scharfe Haken überflüssig. Von da läuft das Instrument in einen 
gewöhnlichen Metallgriff aus. 


Fig. 2. 


ws” - 


— — sa 








Man wendet es folgendermaßen an: In der Regel machen wir Längsschnitt, 
gehen schnell durch Fettschicht und Muskel durch bis auf den Knochen. Rechts 
und links lösen wir mit dem Kocher’schen Elevatorium die Weichteile ab, ver- 
meiden es aber, das Periost in größerer Ausdehnung vom Knochen abzuheben, 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 903 


um seine Ernährung nicht zu gefährden. Nun führen wir die Knochenhebel ein. 
Fig. 2 zeigt diesen Teil der Operation in einem schematischen Querschnitte. Wir 
fassen den einen Hebel wie eine Schreibfeder zwischen die ersten drei Finger und 
führen ihn, das vordere scharfe Ende an den Knochen angesetzt, während der Griff 
nach der anderen Seite sieht, langsam ein, um den Knochen herum, immer ganz 
hart am Knochen bleibend, dessen Rauhigkeit uns dabei Gewähr gibt, daß 
wir keine Weichteile einklemmen. So lösen wir alle Weichteile ab, bis der Griff, 
der eine Drehung von über einem Rechten gemacht hat (siehe Pfeilrichtung Fig. 2), 
nun nach der anderen Seite sieht. Jetzt liegt der Knochenhebel richtig. Genau 
so wird von der anderen Seite ein zweiter eingeführt. Beide halten nun, wie 
Figur 3 schematisch darstellt, den zu durchmeißelnden Knochen zwi- 
schen sich absolut fest, alle Polster, die man bisher unter das Bein zur 
Unterstützung schieben mußte, sind damit überflüssig, ebenso die scharfen Haken; 
denn die Hebel balten die Weichteile breit zurück. Sie geben dem Operateur ein 
freies, übersichtliches Feld. Das veranschaulicht Fig. 4. Nun kann auf 
diesem abgedeckten Felde der Meißel in Tätigkeit treten. 

Die Instrumente haben uns im letzten Jahre bei über 50 Osteotomien der 
verschiedensten Knochen, der säbelscheidenförmigen Tibia eben so wie beim er- 
wachsenen Femur, gute Dienste getan. Wir glauben sie den Kollegen zur Nach- 
prüfung empfehlen zu können. Instrumentenmacher Katsch-München stellt sie 
aus vernickeltem Stahl für .4 5.50 das Stück her. 


17) Neuwirth. Über einen Fall von Tendinofasciitis calcarea rheu- 
matica. 
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XVI. Hft. 1.) 


Eine früher gesunde Frau erkrankt nach einer heftigen Erkältung plötzlich 
unter Fieber, Schweißausbruch und allgemeinen Gelenkschmerzen, wobei nament- 
lich die Hand- und später die Fuß- und Kniegelenke in Mitleidenschaft gezogen 
sind. Nach Ablauf der Schwellung werden harte Körperchen in und unter der 
Haut bemerkt, die anfangs derb, elastisch und etwas empfindlich sind, allmählich aber 
steinhart und schmerzlos werden. Unter Jucken und Brennen sowie allgemeinen 
Gelenkschmerzen treten wiederholt neue Nachschübe auf; als Folgen finden sich 
neben den harten Ablagerungen nur Herzfehler, sowie hochgradige Abmagerung 
und Anämie. Die Ablagerungen selbst bestehen aus kohlensaurem und geringen 
Mengen phosphorsaurem Kalk, nicht aus Uraten; sie finden sich in enormen Mengen 
im Körper, als hirsekorn- bis kleinerbsengroße Knötchen an den Sehnen der 
Hand und am ganzen Körper überall dort, wo die Muskeln mittels Aponeurosen 
und Sehnen am Knochen sich ansetzen, besonders auch in der Umgebung der Ge- 
lenke, teils in der Haut selbst, teils unter derselben im subkutanen Bindegewebe; 
an manchen Stellen bilden sie größere Platten. 

N. vergleicht diesen seltenen Befund mit ähnlichen Beobachtungen von Du- 
nin, Wildholz, Lewandowsky, sowie mit dem Krankheitsbilde der Arthritis 
nodosa mit rheumatischer Knotenbildung; vieles spricht dafür, daß der Fall der 
Gruppe der rheumatischen Erkrankungen anzugliedern sei. 

Haeckel (Stettin). 


18) H. Thiemann. Angeborenes Harnröhrendivertikel. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXH. p. 273.) 

Bericht eines von König sen. in der Jenenser Klinik vertretungsweise an 
einem 6jährigen Knaben operierten Falles. Der Penis hat Form und Größe einer 
Birne und schwillt beim Urinieren zu einer prall gespannten Blase an, wonach 
der Urin nach und nach abtröpfelt, so daß die ganze Entleerung ungefähr 1/; Stunde 
danert. Aus der an der Unterseite des Gliedes sitzenden Harnröhrenampulle ist 
der Urin passiv tropfenweise suspreßbar. Harn mäßig trüb und eiweißhaltig, her- 
rührend von Plattenepithelbeimengung. Besser gelingt die Entleerung bei Ein- 


904 Zentralblatt fir Chirurgie. Nr. 33. 


führung einer Sonde, wenn man eine offenbar vorhandene Harnröhrenschleimhaut- 
falte lüftet, die dicht hinter der Eichel sitzt. Doch trat nach einer solchen 
Sondierung entzündliche Schleimhautreizung ein. Die Operation fand mittels 
Längsschnittes über die Harnröhre hin statt und förderte eine apfelgroße Cyste 
zutage, deren Höhle sich mittels eines feinen Ganges in die Harnröhre hinter der 
Eichel öffnete. Abtragung, Naht, Heilung, so daß nach 3/4 Jahr der Knabe nor- 
mal mit kräftigem Strahl urinieren konnte, sein Penis dabei normal geformt und 
ungekrümmt war. Die »Cyste« glich einer Art Blase, zeigte geschichteten Platten- 
epithelbelag und verdankte ihre Entstehung zweifellos einer Entwicklungsstörung 
in demjenigen Fötalzustande, wo die zunächst getrennt angelegten Penis- und 
Eichel-Harnröhrenteile sich zu verschmelzen haben. Die vorhanden gewesene 
Schleimhautfalte ist als Rest der die beiden Teile trennenden Scheidewand anzu- 
sehen. Mehrere Figuren illustrieren die Details der anatomischen Verhältnisse, 
auch ist ein fünf Nummern zählendes Literaturverzeichnis beigefügt. 


Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


19) F. J. Rose (Charkow). Über plastischen Ersatz der männlichen 
Urethra. 


(Russ. Archiv für Chirurgie 1905. [Russisch.)) 


Im Verlauf eines verschleppten Trippers bildeten sich zwei Strikturen der 
Harnröhre, drei Harnfisteln, Infiltrate und Abszesse. Es mußte urethrotomiert 
werden, wobei in einer Ausdehnung von 6 cm keine Spur von Schleimhaut ge- 
fanden wurde. Nach 7 Monate langen Mühen — zwischendurch wurde durch die 
Harnröhre ein großer Blasenstein entfernt — war endlich alles geheilt, jene 6 cm 
lange Strecke war epidermisiert und lag im Niveau der Haut. 

R. schnitt einen tiefen Kanal in die lange Narbe und verpflanzte da hinein 
ein Stück Scheidenschleimhaut (von einem zu gleicher Zeit operierten Vorfall). 
Nach 11/3 Wochen wurde von jeder Seite ein 0,5 cm breiter Lappen abgelöst, und 
beide wurden über einem Katheter vernäht. Darüber wurden die Hautränder, ent- 
sprechend unterminiert, zusammengezogen. Die Nähte gingen z. T. auf, und es 
entstand abermals ein Defekt, wenn auch nur von 2 cm. Arzt und Pat. hatten die 
Geduld verloren und »trennten sich«. 

6 Monate später kam der Kranke wieder. Der Defekt hatte sich auf 4 cm 
vergrößert. Nun wurde abermals operiert, diesmal mit sehr reichlichen Lappen 
von beiden Seiten. Jetzt endlich gelang die Plastik. Pat. wurde entlassen mit 
einer minimalen Fistel, aus der während des Urinierens einzelne Tropfen austraten. 


V. E. Mertens (Breslau). 


20) Teuney and Chase. Mortality after prostatectomy. 


(Journ. of the amer. med. assoc. 1906. Mai 12.) 
Bei der Statistik sind sämtliche den Verff. in Literatur und durch persönliche 
Mitteilungen zugänglich gewesene Fälle berücksichtigt und alle Todesfälle mit ein- 


bezogen, die bis zu 6 Wochen nach der Operation eintraten. Sie geben zuerst Zu- 
sammenstellungen anderer Autoren wieder: 


| Perineal | — Sopran | a 











Proust 813 7,13 
Watson 6,2 
Escat 11,0 
Teuney und Chase 7,6 





Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 905 


Von 816 Fällen sind das Alter und die Todesziffern angegeben: 


Zahl Alter 


Todesfälle | Todesfälle für das Jahrzehnt 
% % 










8 


31 50—54 10 

89 55—59 4,5 } >> 
201 60—64 To 
221 65—69 11,3 } ae 
175 70—74 13 

68 75—79 18,5 a 
24 80—84 8 

0 85—89 0 

2 90—94 50 





Der älteste von T. und C. operierte Kranke war 92 Jahre alt; es kommt nicht 
so sehr auf das Alter selbst als die Veränderungen im Körper an, die es macht 
so können bei 65jahrigem die.Arterien und das Herz 10 Jahre älter sein. Die 
Sterblichkeit verteilt sich auf verschiedene Perioden: die höchste Zahl der Todes- 
fälle trat in den ersten 48 Stunden ein; der 7.—9., der 13.—15. und der 20. bis 
22. Tag wiesen ebenfalls Häufung der Todesfälle auf, aber weniger als die ersten 
zwei. Die perineale Prostatektomie ist weniger gefährlich als die suprapubische. 
Daß das Vorhandensein von Blasensteinen bei letzterer günstig wirkt, wie 
Moullin, Richardson u. a. annehmen, hat sich den Verff. nicht bestätigt. 


Innerhalb 48 Stunden | Innerhalb 12 Tagen 
Todesursache 
suprapub. | perineal | suprapub./ perineal 





Uramie 5 9 9 
Chok und Blutung 4 1 4 2 
Pneumonie 2 0 5 1 
Sepsis 0 2 1 3 
Herztod 2 2 2 3 
Kollaps 0 0 1 2 
Durch Anästhetikum 1 2 1 2 
Unbekannt 0 0 0 1 

Summe | 11 | 12 | 3 | 28 


Zum Schluß wird darauf hingewiesen, daß die Prostatektomie, einerlei auf 
welchem Wege sie gemacht wird, eine außerordentlich sorgfältige Vorbereitung 
und Nachbehandlung erfordert, und daß von diesen der Erfolg fast noch mehr ab- 
hängt, als von der Operationstechnik. Von besonderer Wichtigkeit bei der Nach- 
behandlung ist das frühzeitige Aufsitzen der Operierten; Verff. ließen ihre Pat. 
spätestens am 3. Tag aufsitzen. Trapp (Bückeburg). 


21) A. N. Menschikow. Zur Frage der subkutanen intraperitonealen 
Blasenruptur. 
(Russ. Archiv fiir Chirurgie 1905. [Russisch.)) 
Nur eine Notiz aus dieser Arbeit sei hier verzeichnet. In der russischen Lite- 


906 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 


ratur fand M., daB 19 Kranke mit obiger Verletzung von russischen Chirurgen 
operiert wurden mit sechs Heilungen, was rund 32% Heilungen ausmacht. 
V. E. Mertens (Breslau). 


22) M. L. Morel. Contribution à l'étude des ruptures traumatiques 
de la vessie. 
(Ann. des mal. des org. gén.-urin. XXIV. I. 1906. 11.) 

Verf. berichtet über vier Fälle traumatischer Blasenzerreißung; bei den ersten 
drei Beobachtungen handelte es sich um einen intraperitonealen Riß ohne Becken- 
bruch; im vierten Falle um einen subperitonealen Riß mit doppeltem Beckenbruch. 
Bei allen vier Kranken wurde baldigst operativ eingegriffen: zwei genasen, zwei 
starben. In dem einen tödlich verlaufenden Falle handelte es sich um einen 
Kranken mit progressiver Paralyse. Der intraperitoneale Blasenriß war hier ohne 
jedes nachweisbare äußere Trauma zustande gekommen, nur infolge starker Aus- 
dehnung der Blase bei degenerierter Blasenmuskulatur. 

Paul Wagner (Leipzig). 


23) Bond. Extroversion of the bladder: its treatment by extraperi- 
toneal implantation of the ureters into the rectum. 
(Brit. med. journ. 1906. Mai 19.) 

Verf. pflanzte einem 17jährigen Burschen mit Ectopia vesicae die isolierten 
und mit einem Stückchen Blasenschleimhaut an ihrer Mündung versehenen Harn- 
leiter extraperitoneal in den Mastdarm ein mittels zwei an jeder Seite des Mast- 
darmes geführter Schnitte. Nach Überwindung zweier ernster Anfälle von Pyelitis 
guter Erfolg. Urinretention für etwa 6 Stunden 3 Jahre später. 

Die Hauptsorge wird immer sein, jede Stauung des Urins durch schlechten 
Klappenmechanismus, durch Narbenbildung zu vermeiden. Denn jede Stauung 
bringt die Gefahr der Pyelitis mit sich. — Die Urinentleerung ging fast immer 
klar und frei von Kotbeimischung vor sich, nur selten war die allererste Entlee- 
rung des Morgens mit Kot etwas vermengt. Dies läßt vermuten, daß der Mast- 
darm für gewöhnlich leer ist und nur kurz vor der Entleerung sich füllt. Darum 
ist auch dieser Teil des Darmes mehr geeignet zur Aufnahme der Harnleiter als 
etwa das Querkolon, dessen stete Anfüllung mit Kot die Gefahr der Pyelitis wesent- 
lich steigert. — Die in der Bauchhaut verbliebene Blasenschleimhaut überließ B. 
ganz sich selbst; mit Aufhören der Urinberieselung bekam sie mehr und mehr 
narbenähnliches Aussehen mit Ausnahme der untersten Ecke an der Wurzel des 
epispadischen Penis. Weber (Dresden). 


24) Brewer. Some observations upon acute unilateral septic infarcts 
of the kidney. 
(Surgery, gynaecology and obstetrics Vol. II. Nr. 5.) 

13 Fälle derart hat B. beobachtet und zum Teil selbst behandelt. Bei allen 
war das Krankheitsbild etwa folgendes: Plötzliche schwere Erkrankung unter 
Schüttelfrösten und allen Zeichen der Sepsis; während an den anderen Organen 
kein Befund zu erheben war, gewöhnlich Schmerzhaftigkeit und Muskelspannung 
in einer Nierengegend, im Urin meistens Eiweiß und Blutspuren, manchmal Eiter- 
körperchen. Bei den ersten Fällen legte B. die Niere nur frei und spaltete sie; 
diese gingen ausnahmslos zugrunde. Später nahm er, sowie sich nach Ablösung 
der ödematösen Fettkapsel auch nur stärkere hämorrhagische Flecken zeigten, so- 
fort die Nephrektomie vor, mit dem Erfolge, daß die Mehrzahl der Operierten 
genas. Häufig schwankte die Diagnose zwischen Nieren- und Gallenblasenaffektion, 
und es wurden mehrfach Probeeinschnitte auf die Gallenblase gemacht. Daß nur 
eine Niere befallen war, schreibt Verf. früheren Traumen zu. Experimentell suchte 
er die Verhältnisse nachzuahmen durch Freilegung einer Niere und mechanische 
Reizung oder durch Schlag gegen die Nierengegend des Versuchstieres und nach- 
folgende Einspritzung von verschiedenen Bakterienarten. Bei seinen Fällen fanden 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 907 


sch in den kleinen Abszessen Streptokokken, Staphylokokken und Colibazillen, 
stets in Reinkultur. Trapp (Bückeburg). 


25) Carstens. The ultimate results of kidney-fixation. 
(Journ. amer. med. assoc. 1906. Mai 12.) 

C. hat bei 25 von ihm Öperierten über den Verlauf von 5 Jahren mittels 
Fragebogen Erkundigungen eingezogen, ob die Niere noch am Platze sitzt, wo 
sie vernäht wurde, ob die Nierenbeschwerden beseitigt sind, ob die Magen- und 
etwa vorhandene anderweitige Beschwerden aufgehört haben. 19 beantworteten 
alle Fragen mit »Ja«, bei 6 bestanden noch Beschwerden anderer Art, z. B. Ver- 
stopfung, Nervosität u. dgl., die anscheinend nicht mit der Wanderniere in Zusam- 
menhang stehen. C. folgert aus seinen Operationsergebnissen: 1) Wanderniere kann 
durch geeignete Nahttechnik dauernd befestigt werden. 2) Manche Verdauungs- 
beschwerden werden durch die Wanderniere erzeugt, vielleicht durch Druck auf 
den Solarplexus. 3) Nephropexie beseitigt daher manche dieser Beschwerden. 
4) Ebenso eine Anzahl nervöser Beschwerden. 5) Vor der Operation muß un- 
zweifelhaft festgestellt sein, daß die Beschwerden auch wirklich von der Wander- 
niere herrühren. C.'s Technik ist nicht mitgeteilt. Nur Fälle reiner Wanderniere 
sind in der Mitteilung berücksichtigt. Trapp (Bückeburg). 


26) Alegioni. Mobilità abnorme acromio-claviculare in compenso di 
rigidità dell’ articolazione omero-scapolare. Contributo allo studio 
sulla meccanica dei movimenti dell’ cingola della spalla. 
(Policlinico 1906. Ser. chir. Nr. 4 u. 5.) 

A. schließt sich den Untersuchungen von Steinhausen und Thöle an, wo- 
nach das Schulterblatt beim Erheben des Armes sich bereits dreht, ehe der Arm 
45° erreicht hat und danach der Winkel zwischen Humerus und äußerem Schulter- 
blattrande stetig vergrößert. Bei seitlichem Erheben wird anfangs durch Muskel- 
spannung das Schulterblatt fixiert, am Winkel der Wirbelsäule genähert; bei 
Erheben nach vorn fehlt diese Phase, es tritt die Drehung also von vornherein auf. 
Die Drehung geschieht vornehmlich durch den Serratus und den Trapezius. Der 
Grad der Beweglichkeit hängt ab von der Konfiguration des Akromioklavikular- 
gelenkes und des Sternoklavikulargelenkes. A. beschäftigt sich genauer mit deren 
Struktur und weist darauf hin, daß bezüglich des ersten noch mehr die Befestigung 
der Clavicula am Processus coracoideus und deren dienenden Bandmassen in Frage 
kommen, welche extreme Bewegungen in dem Gelenke hemmen. 

A. sah nun ein Kind, welches vor Jahren infolge Eiterung eine fast völlige 
Versteifung beider Schultergelenke erlitten hatte. Dasselbe vermochte jedoch trotz- 
dem die Arme über die Horizontale zu erheben infolge einer allmählich eingetre- 
tenen abnormen Beweglichkeit im Akromioklavikulargelenke. Die beiderseitigen 
Gelenkflächen stehen so gegeneinander verschoben, daß das Klavikularende nach oben 
vorsteht. Das Schulterblatt dreht sich so, daß sein innerer Rand horizontal zu 
stehen kommt. Im Gelenke wird höchstens eine Exkursion von 13° ausgeführt. 

Dieser Befund spricht zugunsten des Vorschlages von Codivilla, bei Schulter- 
versteifungen durch Arthrolyse im Akromialgelenk eine größere Drehfähigkeit der 
Schulter zu erzeugen und den Schulterblattmuskeln eine erhöhte Wirkung zu er- 
möglichen, wie sie in dem beschriebenen Falle durch die Natur allmählich sich 
herausgebildet hat. E. Pagenstecher (Wiesbaden). 


27) Cornet. Coup de feu dans l’aisselle. Aneurisme diffus consecutiv. 
Ligatur de l’axillaire dans l’aisselle. Guérison. 
(Arch. de méd. et de pharm. militaires 1906. April.) 
Schußverletzung aus 6 m Entfernung mit dem Lebelgewehr, wobei der Ein- 
schuß innen oben am Arme, der Ausschuß dicht oberhalb des Schulterblattes saß. 
Anschwellung oben am Arme, Pulsation derselben, trophische und anästhetische 
Störungen an dem verletzten Arme, Radialpuls kaum zu fühlen. Bei der Operation 


908 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 


des Aneurysma spurium wurden zunächst in der Bluthöhle zwei Arterienlichtungen 
(die Art. brachial. und die Art. profunda), dann außerdem noch die Art. axillaris 
unterbunden. Hiernach ungestörter Heilungsverlauf, die Anschwellung der Hand, 
die anästhetischen Störungen gingen zurück, der Radialpuls erschien wieder kräftig. 
Herhold (Altona). 


28) Friedrich. Zur Kasuistik der Axillaraneurysmen und über ihre 
chirurgische Behandlung. 
Inaug.-Diss., Kiel, 1905. 

Kurze Besprechung der Ätiologie, Symptomatologie und Therapie der Axillar- 
aneurysmen mit Bericht über einen durch doppelte Ligierung der Art. subclavia 
behandelten Fall. Nachuntersuchung nach einem Jahre konnte vom Aneurysma 
nichts mehr feststellen, jedoch hatte sich eine hochgradige Atrophie des ganzen 
Armes entwickelt. Levy (Wiesbaden). 


29) Hirsch. Über einen Fall von Medianusverletzung mit seltenen 
trophischen Störungen. 
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 21.) 


Der betreffende Pat. hatte sich eine Schnittwunde am rechten Handgelenke 
mit Verletzung des N. medianus zugezogen. Im Verlaufe von 2 Jahren entwickelte 
sich unter der verheilten Hautwunde eine reichlich kirschgroße, harte Geschwulst- 
Es traten erhebliche Sensibilitätsstörungen der Hand, Muskelatrophie am Daumen- 
ballen und schließlich als auffallendste Erscheinung Hand in Hand mit Ernährungs- 
störungen und Schrumpfungen der Nägel langsames Schwinden der beiden End- 
phalangen des 2. und 3. Fingers ein. Bei der Exstirpation der Geschwulst zeigte 
es sich, daß dieselbe ein wahres Neurom war. Borchard (Posen). 


30) F. Lotsch. Ein Fall von rechtsseitigem Radiusdefekt und links- 
seitiger daumenloser Klumphand. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXII. p. 530.) 


Träger obiger Mißbildung war ein 4 Monate alter Knabe, bei dem von Habs 
(Magdeburg-Sudenburg) die von Bardenheuer gegen die Deformitäten bei 
Radiusdefekt angegebene Operation ausgeführt wurde. Freilegung des distalen 
Drittels der Ulna und des Carpus durch ulnaren Längsschnitt, Verrenkung der 
Hand nach der Radialseite, völlige Freimachung des distalen Ulnaendes, welches 
zur Wunde heraus gelagert wird. Dann Spaltung der Ulna bis zu ihrer Schaft- 
mitte, Auseinanderbiegung der beiden Knochenspangen auf 2,5 cm, Einlegung des 
Carpus in die Knochengabel, Naht, Gipsverband in guter Stellung. Die Heilung 
wurde durch Furaunkulose gestört und das Kind vorzeitig aus dem Spital geholt. 
Da die Eltern die richtige Nachbehandlung mit Schienenverbänden versäumten, 
war das orthopädische Schlußresultat unbefriedigend. 

Die Originalabhandlung bringt außer Photogrammen und Röntgenskizzen von 
dem Kind eine Allgemeinerörterung über den Radiusdefekt unter Berücksichtigung 
der einschlägigen, namentlich neueren, Literatur. Betreffs genetischer Erklärung 
der Mißbildung ist die Gegenbaur’sche sog. Archipterygialtheorie aufgegeben, 
und wird gegenwärtig die Pathogenese in einer an der radialen Seite der Extre- 
mität wirkenden Schädlichkeit (Druck, amniotische Fäden?) gesucht. Als mutmaß- 
liche Zeit für Entstehung des Radiusdefektes ist die 3.—5. Embryonalwoche be- 
rechnet worden. Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


31) N. Hackmann. Isolierte subkutane Fraktur des Os naviculare 
carpi. 
(Wiener med. Presse 1906. Nr. 26.) 


Da bei einiger Aufmerksamkeit die Diagnose einer subkutanen isolierten 
Fraktur des Os naviculare carpi mit großer Wahrscheinlichkeit zu stellen ist, der 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 909 


Entstehungsmechanismus derartiger Verletzungen noch nicht einheitlich ganz ein- 
wandsfrei klargestellt zu sein scheint, und da außerdem diese Fraktur für die 
Unfallbegutachtung von großer Wichtigkeit ist, so teilt Verf. eine neue hierher- 
gehörige Beobachtung mit. Bei dem 24 jährigen Kranken war das Naviculare in 
der Mitte gebrochen und machte den Eindruck eines Os scaphoideum bipartitum. 
Paul Wagner (Leipzig). 


32) Pers. Uber chirurgische Behandlung der Ischias. 
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 15.) 

P. machte bei zwei schweren Ischiasfällen nicht die Nervendehnung, sondern 
die Neurolysis; und zwar führte er beide zur völligen Heilung. Der Operations- 
vorgang war folgender: Aufsuchen der Nerven wie gewöhnlich. In beiden Fällen 
zeigte sich derselbe verändert; er war rötlich und nicht glänzend. Diese Verän- 
derung erstreckte sich bis zur Grenze des mittleren und unteren Drittels. Die röt- 
liche Farbe rührte von einem Netz von Bindegewebsfasern her, welche den Nerv 
einspannten und an seiner Unterlage befestigten. Diese Bindegewebsfasern wurden 
auf das Sorgfältigste entfernt und dadurch auch der Nerv von seiner Umgebung 
losgelöst. Die Diagnose war eine Perineuritis nach einer abgelaufenen oder in 
Verbindung mit einer bestehenden Neuritis. Borchard (Posen). 


33) Summers. Report of a case of gluteal cavernous angioma. 
(Surgery, gynaecology and obstetrics Vol. II. Nr. 3.) 

Bei 33jabrigem Manne war nach Fall ein Bluterguß in der linken Glutäal- 
gegend aufgetreten, der nach Aussehen und Entwicklung aus tieferen Schichten 
stammen mußte. Er war geschwulstartig vorgewölbt, die Haut zeigte einzelne 
flache Lipome. Da Verdacht auf ein geplatztes Aneurysma der Art. glutaealis, 
veranlaßte S. als Voroperation eine Freilegung der Iliaca communis vorzunehmen, 
durch deren Kompression durch einen Assistenten Blutung verhütet wurde. Diese 
Maßnahme erwies sich bei der Entfernung des Angioms, das die ganze obere und 
mittlere Partie des Glutaeus maximus einnahm, sehr praktisch, da die starken Äste 
sonst schwer zu stillende Blutungen verursacht hätten. Die ganze von der Ge- 
schwulst eingenommene Muskelpartie und die überliegende Haut wurde entfernt. 
In den äußeren Teilen der Geschwulst fanden sich viele Blutgerinnsel infolge des 
Falles. Trapp (Bückeburg). 


34) C. Garré. Seitliche Naht der Arterie bei Aneurysmenoperationen. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXI. p. 287.) 

G. vollzog die obengenannte Operation an dem Aneurysma arterioso-venosum 
der Femoralis (Mitte des Oberschenkels) eines 26jährigen kräftigen Mannes, welcher 
sich sein Leiden vor 10 Jahren durch Stich mittels Taschenmessers zugezogen 
hatte. In Narkose und unter Blutleere wurde die in ihrer Bedeutung leicht dia- 
gnostizierbare handtellergroBe Geschwulst angegangen und unter Unterbindung 
zahlreicher Gefäßäste als länglich eiförmiger Sack frei präpariert, flüssiges und 
geronnenes Blut aus ihr durch Schnitt entleert. Die feinere Präparation der 
Femoralgefäße zeigte, daß die Vene ein Stück weit ganz in den Sack aufging — 
von ihr muß ein ca. 11/3 cm langes Stück ganz reseziert werden. Die Arterie kom- 
muniziert dagegen mit dem Sacke nur mittels eines 2 mm langen kleinen Fort- 
satzes, dessen Abtragung einen 1 cm langen seitlichen Schlitz im Arterienrohre 
hinterläßt. Dieser Schlitz wird genäht: 1) Überklappung von Intimaläppchen des 
früheren Kommunikationsstückes und Naht derselben fortlaufend mit Seide. 
2. Darüber Vereinigung der Adventitia mit vier feinen Knopfnähten, dann noch 
Übernähung des Gefäßscheidenbindegewebes. Kleines Gazedrain, Hautnaht; Hei- 
lang. Das Aneurysmenpraparat ist abgebildet. 

G. erwähnt auch kurz eine von ihm vollzogene seitliche Naht der Carotis und 
eine solche der Cubitalis. Bei der ersten war es möglich, nach Murphy’s Vor- 
schrift die Intima bei der Naht nicht mit zu fassen, bei der Naht der Cubitalis 
dagegen nicht. Das Vorliegen der Nähfäden in der Gefäßlichtung ist aber un- 


910 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 


schädlich, da, wie G.’s Schüler, Jacobsthal, experimentell histologisch nachwies, 
die proliferierenden Endothelien der Intima die Faden sehr bald überwachsen. 
Übrigens enthält der kurze Allgemeintext der Abhandlung, die G. auch als Vor- 
trag auf dem internationalen medizinischen Kongreß in Lissabon publiziert hat, 
einige literatur-historische Daten zur Arteriennabt, zumal derjenigen bei Aneurysma. 
Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


35) S. Lewiasch. Eindresultate konservativer Behandlung der tuber- 


kulösen Koxitis. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXII. p. 245.) 

L. berichtet über 100 in der Kocher’schen Privat- und Universitätsklinik 
behandelte Fälle aus den Jahren 1870—1896. Da, wie Verf. selbst sagt, ein guter 
Teil des Materiales aus einer Zeit stammt, wo die modernen Methoden der kon- 
servativen Behandlung noch nicht bekannt waren, und wo man namentlich bei 
bestehender Eiterung noch keine strenge Asepsis durchzuführen verstand, ist das 
Interesse der vom Verf. für sein Material nach den mannigfachsten Richtungen 
hin ausgeführten statistischen Durchzählungen nur mäßig, und wird diesbezüglich 
im wesentlichen auf das Original verwiesen. Die Behandlungsmethoden, teils in 
gemischter Weise, teils einzeln angewendet, bestanden in Injektion von Jod, Karbol, 
Tuberkulin, Applikation von Jodoformstäbchen resp. Jodoformsalbe, Inzisionen mit 
Sublimat-, Chlorzink- und Jodoformverband, Atzung, Elektrizität, Glüheisen usw. 
sowie Extension oder fixierenden Verbänden. Das Endresultat war in 47 Fällen 
feststellbar, und sind von diesen 57,5% vollständig, 30% unvollständig geheilt, 
12,5% ungeheilt; dabei war hinsichts Gebrauchsfähigkeit des Beines 19mal ein 
mangelnder, 20mal ein mäßiger, 8mal ein guter Erfolg zu registrieren. Durch be- 
stehende Eiterung zeigte sich die Prognose ernstlich getrübt, die übrigens im 
Kindesalter verhältnismäßig am besten ist. Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


36) Axhausen. Beitrag zur Atiologie der Quadricepssehnenruptur. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXTI. p. 599.) 

Beobachtung aus der Kieler Klinik. 68jähriger Arbeiter erleidet beim Stolpern 
auf der Treppe einen Abriß der Quadricepssehne von der Kniescheibe, die, durch 
bloßen Augenschein leicht erkennbar, unter Röntgen einen kreisrunden, 10pfennig- 
stückgroßen Knochenschatten am unteren Ende der Sehne zeigt. Dem entsprechend 
war hier ein haselnußgroßer, harter Körper fühlbar. Bei der mittels Querschnittes 
oberhalb der Kniescheibe ausgeführten Operation findet sich am unteren Ende der 
abgerissenen Sehne ein haselnußgroßer, kegelförmiger Knochenkörper, der genau 
in eine entsprechende Lücke der Kniescheibe hineinpaßt. Die Flächen des Kör- 
pers wie der entsprechenden Lücke sind aber keine frischen Knochenbruchflächen, 
sondern glatt und von knorpelähnlichem Bindegewebe überzogen, so daß der 
Befund an König’s Osteochondritis dissecans gemahnt. Sehnennaht und Draht- 
knochennaht; gute Heilung mit Flexion bis zum rechten Winkel. Eine neue 
Röntgenaufnahme ergibt jetzt die Überraschung, daß der erstmalig gefundene 
Schatten noch unverändert vorhanden ist und die Drahtnaht nicht durch ihn hin- 
durchgeht, sondern durch die Kniescheibe selbst. Es hat sich also um zwei 
Knochenkörper an der Sehne gehandelt, einen der Kniescheibe zugehörigen und 
einen selbständigeren. 

A. hat außer dem seinigen noch vier andere Fälle gefunden, wo bei Quadri- 
cepssehnenrissen das Vorhandensein von Knorpel-Knochenkörpern in der Nähe der 
Sehne beobachtet ist. Die Einlagerung solcher Körper in die Sehne scheint dem- 
nach zu einer Schwächung der Sehne zu führen und diese zu Zerreißungen zu 
prädisponieren. Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


37) D. G. Zesas. Über eine seltene Geschwulst der Kniegelenkkapsel. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXII. p. 267.) 
In dem berichteten, in Hoffa’s Klinik beobachteten Falle handelt es sich 


um ein kavernöses Angiom der Kniesynovialis bei einem 25jährigen Manne. Der- 
selbe litt seit ca. Jahresfrist an Knieschmerzen, besonders beim Gehen, das leicht 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 911 


hinkend stattfindet. Das Knie ist durch Kapselverdickung und mäßigen Erguß 
vergrößert, krepitiert leicht bei Bewegungen. Besonders bemerkenswert ist auf 
der medialen Gelenkseite eine flache, unregelmäßige Vorwölbung von weich- 
elastischer Konsistenz, sowie zwei weitere flache Vorwölbungen neben dem Lig. 
patellae, zu beiden Seiten des letzteren. Operation mittels Längsschnittes medialer- 
seits. Man findet eine gefäßreiche Geschwulst, die in die Gelenkkapsel übergeht, 
und zu deren Beseitigung mit ihren verschiedenen Ausläufern der ganze innere 
Kapselteil und die in Mitleidenschaft gezogene Muskulatur nach zahlreichen Unter- 
bindungen entfernt werden mußte. Naht, Drainage, glatte Heilung, gefolgt von 
gymnastischer Nachbehandlung, so daß Pat. 8 Wochen nach der Operation nicht 
nur schmerzfrei, sondern mit fast rechtwinklig biegsamem Knie entlassen werden 
konnte. Histologischer Befund: Größere und kleinere bluthaltige, mit flachem 
Endothel ausgekleidete Hohlräume, deren Septa pigmentiert sind. Synovialis stark 
verdickt, geschichtet gebaut, reichlich zottenbesetzt und pigmentiert. Eine ähn- 
liche Synovialgeschwulst konnte Z. in der Literatur nicht vorfinden. 
Anhangsweise erwähnt Z. einen schweren Fall von Angioma cavernosum, die 
Gesichtsweichteile eines Kindes betreffend, den er früher als Assistent beobachtete 
(cf. Photogramm). Die sehr blutige Operation der Geschwulst wurde von dem 
Kinde nicht überstanden. Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


38) A. R. v. Ruediger-Rydygier (jun... Zur Diagnose und Therapie 
des primären Sarkoms der Kniegelenkkapsel. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXII. p. 211.) 

Die Arbeit schließt sich an folgenden in der Klinik von Rydygier (sen.) zu 
Lemberg beobachteten Fall an. 

20jähriges Stubenmädchen, das vor 2 Jahren eine starke Schwellung des linken 
Kniegelenkes bemerkt hatte. Diese war spontan entstanden, übrigens schmerzlos. 
Es hatten bereits zwei Kniepunktionen mit Entleerung von 1100 bzw. 600 ccm 
blutiger Flüssigkeit stattgefunden. Befund: Gut gewachsenes, kräftiges Mädchen 
mit außergewöhnlich dicken Beinen. Das linke Knie gleicht einer kindskopfgroßen 
Geschwulst, ist elastisch und fluktuiert. Beweglichkeit in normalen Grenzen und 
ohne Schmerzen, ohne Krepitation, auch abnorme pendelartige Beweglichkeit von 
einer Seite zur anderen. Auf beiden Seiten des Knies straußeneigroße Anschwel- 
lungen mit Fluktustion; Probepunktion: durchsichtige, blutige Flüssigkeit, frei von 
Tuberkelbazillen. Während die Assistenten eine tuberkulöse Erkrankung vor sich 
zu haben glaubten, stellte der Chef der Klinik die Diagnose auf primäres Kapsel- 
sarkom, wie der Befund bei der Operation erwies, zutreffend, eine Leistung, die, 
wie es scheint, hier zum ersten Male gelungen ist. Man machte eine gründliche 
Knieresektion mit exakter Kapselexstirpation und erzielte feste Konsolidation des 
Beines mit etwas Verkürzung; Rezidiv war nach ca. Jahresfrist nicht nachweisbar. 
Die Geschwulst der dicken und bohnenartige Zotten tragenden Kapsel erwies sich 
als kleinrundzelliges Sarkom. 

Dem eigenen Falle hat v. R. eine kasuistische Sammlung aller bereits ander- 
weit publizierten gleichartigen Beobachtungen voraufgestellt, im ganzen acht. Da- 
nach ergibt sich im allgemeinen, daß sich das Kniekapselsarkom durch verhältnis- 
mäßig gutartigen und chronischen Verlauf mit Dauer von 3, 6, selbst 13 Jahren 
auszeichnet. Die Beweglichkeit des Gelenkes wird wenig behindert, Knorpel und 
Knochen bleiben meist unversehrt, Schmerzen fehlen, auch Leistendrüseninfiltration 
wurde nicht beobachtet. Die Form der Geschwulstbildung ist bald die eines genau 
begrenzten, mehr oder weniger beweglichen Gewächses von Bohnen- bis Apfel- 
sinengröße, bald die einer diffusen Kapselinfiltration, oder es bilden sich diese 
beide Varietäten vereinende Mischformen. Das im Gelenk abgesetzte Ex- oder 
Transsudat, bald mehr, bald weniger reichlich, war stets blutig oder doch blutig 
gefärbt. Die Prognose erscheint nicht allzu traurig — nur in einem Fall ist 
Metastasenbildung beobachtet. Als zunächst in Frage kommende operative Maß- 
nahme betrachtet v. R. stets die Arthrektomie, entgegen Julliard, der sie nicht 
für ausreichend ansehen wollte. Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


912 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 


39) A. Passaggi. Gonadipostite traumatica chronica e sua cura. 
(Policlinico 1906. Ser. chir. Nr. 5.) 

Obigen Namen schlägt P. für die in Deutschland zuerst von Hoffa, in Frank- 
reich gleichzeitig von Lejars beschriebene chronische Entzündung der subpatel- 
laren Zellkörper vor. An der Hand eines eigenen typischen, mit Erfolg operierten 
Falles schildert er das Krankheitsbild. Unter den Symptomen hebt er besonders 
die Neigung hervor, das Knie in Mittelstellung, in stumpfem Winkel zu halten. 
Er bespricht die Differentialdiagnose, hebt die Schwierigkeit der Unterschei- 
dung von der Anschwellung der hier liegenden Schleimbeutel hervor. Schon 
Hyrtl und Josselin haben die Affektion gekannt, letzterer sie 1873 als rezidi- 
vierende Periarthritis subacuta beschrieben, jedoch ohne einen operativen Eingriff 
auszuführen. E. Pagenstecher (Wiesbaden). 


40) Hayd. A case of double amputation of the leg for diabetic 


gangrene. 
(Buffalo med. journ. 1906. Juni.) 

H. amputierte bei einer 68jährigen Pat. wegen diabetischer Gangrän der Zehen 
zunächst den einen Unterschenkel unterhalb des Kniegelenkes und 3 Monate später 
an derselben Stelle den anderen. Nach der ersten Amputation trat Primärheilung 
ein, nach der zweiten starke Eiterung. Die Arterien an der Amputationsstelle 
waren stark atheromatös entartet, besonders bei dem zuletzt amputierten Beine. 

Mohr (Bielefeld). 


41) Dryden. A case of transplantation of bone from the same 


subject. 
(Brit. med. journ. 1906. Mai 12.) 

Verf. ersetzte bei einem 5jährigen Knaben die fast völlig durch eine akute 
Osteomyelitis verloren gegangene Tibia mit sehr gutem Erfolge durch einen ab- 
gemeißelten, im Zusammenhange mit dem Periost bleibenden Teil der Fibula 
desselben Beines. Trotzdem kleine Stückchen nekrotisch wurden, heilte das Ganze 
gut ein. Mehrere, zu verschiedenen Zeiten aufgenommene Durchleuchtungen be- 
wiesen das allmähliche Wachstum des transplantierten Stückes. Der Gang war gut. 

Weber (Dresden). 


42) Corson. The X-ray findings in a case of Gritti-Stokel’s am- 
putation. 
(Annals of surgery 1906. Mai.) 

Die Durchleuchtung mit Röntgenstrahlen zeigte in einem Falle, in welchem 
die Gritti’sche Amputation vorgenommen war, daß eine knöcherne Vereinigung 
zwischen Kniescheibe und Oberschenkel nicht stattgefunden hatte, obwohl es nach der 
äußeren Untersuchung so schien. Es hatte vielmehr der Oberschenkelmuskel das 
vordere Ende der Kniescheibe etwas gehoben. Verf. glaubt, daß diese fibröse 
Vereinigung von größerem Vorteile für den Stumpf sei und als besseres Polster 
diene, als wenn eine knöcherne Vereinigung zustande gekommen wäre. 

Herhold (Altona). 
43) J. R. v. Thierry. Ulcera cruris. 
(Licnicki viestnik 1905. Nr. 9. [Kroatisch.)) 

T. berichtet, daß D. Schwarz vier Fälle von Ulcera cruris nach Wenzel 
operiert hat, und daß er mit dem Erfolge der schnellen Heilung sehr zufrieden 
war. Die Wenzel'sche Operation besteht in einem zirkulären Schnitt in der 
Mitte des Oberschenkels, der die Haut und das subkutane Gewebe bis zur Muskel- 
fascie durchtrennt. Nach Ausführung des Schnittes werden alle Venen genau 
unterbunden und darauf die Wunde wieder vernäht. 

v. Cackovit (Zagreb-Agram). 


Originslmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man 
an Prof. B. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- 
handlung Breitkopf & Hartel, einsenden. 






Druck und Verlag von Breitkopf @ Hartel in Leipzig, Nürnbergerstraße 36/38. 


Zentralblatt 
CHIRURGIE 


herausgegeben 
E. von Bergmann, F. König, E. Richter, 





Dreiunddreißigster Jahrgang. 





Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei halbjähriger 
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten. 


Nr. 34. Sonnabend, den 25. August. 1906. 





Inhalt: 1) Soprana, Latente Bakterien. — 2) Spirig, Mycelbildungen des Diphtherie- 
stabchens. — 3) Bashford, Krebsforschung. — 4) Goebel, Bilharziakrankheit. — 5) Schleich, 
Selbstnarkose der Verwundeten. — 6) Cohn, Röntgenstrablen gegen lymphatische Sarkome. 
— 7) Freund, Stypticin. — 8) Jastschinskl, Trepanation des Warzenfortsatzes. — 9) Butlin, 
Zungenkrebs. — 10) Chlumsky, Mobilisation der Wirbelsäule. — 11) Kocher, Zur Pathologi. 
der Schilddrüse. — 12) Tolot und Sarvonat, Osteomalakie und Kropf. — 13) Lindsay, Bös, 
artige Lungengeschwülste. — 14) Momburg, Herzverletzungen. — 15) Dhöry, Tuberkulose 
des Schambeins. 

H. Hans, Mediane Schnittfihrung zur Eröffnung der Speiseröhre. (Original-Mitteilung.) 

16) Plenz, Schußverletzungen. — 17) Schürmann, Milzbrand. — 18) Williams, Tetanus- 
— 19) Heller, 20) Ullmann, Stauungs- und Saugtherapie. — 21) Anders, Daland u. Pfahlere 
Röntgenstrahlen gegen Arthritis deformans. — 22) Wallace, Athylchlorid. — 23) Steiner, 
Zur Krebsstatistik. — 24) Timaschew und Romanow, Verkalkte Knoten in Unterhautzell- 
gewebe und Haut. — 25) Blecher, Deckung von Schidellticken. — 26) Revenstorf, 27) Poch- 
hammer, 28) Dardenne, 29) Roncalli, Zur Hirnchirurgie. — 30) Draudt, Gesichtsspalten. — 
31) Pagenstecher, Einseitige Gesichtshypertrophie. — 32) Wales, Penetrierende Wunde des 
Mundbodens. — 33) Burcl, Halsgeschwulst. — 34) Loeb, Verletzung des Conus terminalis. 
— 35) Voltz, Synostose der Wirbelsäule. — 36) Hunziker und Pfister, Knochenbildung in 
Kröpfen. — 37) Zesas, Speiseröhrendivertikel. — 38) Ettinger, Druckstauung. — 39) v. Arx, 
Mediastinalerkrankung. 





1) Soprana. Uber im Körper latente Bakterien und die 


Möglichkeit ihrer Verbreitung im Organismus. 
(Zentralblatt für Bakteriologie und Parasitenkunde Bd. XLI. Hft. 6.) 

Im Anschluß an von anderer Seite unternommene Versuche hat 
Verf. die Frage experimentell zu lösen versucht, ob an entfernten 
Körperstellen lokalisierte Mikroorganismen, ohne Septhämieerschei- 
nungen zu machen, ein aseptisch verletztes Organ infizieren können. 
Auf Grund einer Reihe von Tierversuchen, deren Einzelheiten im 
Original nachzulesen sind, kommt Verf. zu dem Ergebnis, daß Bak- 
terien aus einem ferngelegenen Infektionsherd auf eine mit einer asep- 
tischen Verletzung behaftete Körperstelle übersiedeln und sich dort 
entwickeln können, und daß dasselbe unter normalen Bedingungen für 
Bakterien, die sich im Nahrungskanal befinden, nicht der Fall ist. 


34 


914 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 


S. rät, vor einem operativen Eingriff die Möglichkeit einer Verschlep- 
pung schädlicher Keime aus einem irgendwo im Kranken vorhandenen 
infektiösen Herd in die Wunde in Betracht zu ziehen. 

Goebel (Köln). 





2) W. Spirig. Über die bisher gefundenen Mycelbildungen 
des Léffler’schen Diphtheriestabchens. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LX XXII. p. 542.) 

Die kaum noch in den bakteriologischen Interessenkreis des Chi- 
rurgen fallende Arbeit bringt eine absprechende Kritik iiber Mittei- 
lungen von Concetti, der eine aktinomykotische Form, und von 
Cache, der eine fädige Form des Diphtheriebazillus beschrieben hatte. 

Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 





3) Bashford. Illustrations of propagated cancer. 
(Brit. med. journ. 1906. Mai 26.) 

Der verdienstvolle Leiter des Laboratoriums vom Imperial Cancer 
Research Fund berichtet hier über Verpflanzungen von Karzinomen 
auf Mäuse. Seit den Untersuchungen Jensen’s, Borrel’s und des 
genannten Instituts können die Eigenschaften des Krebses mit Sicher- 
heit an experimentell erzeugten Geschwülsten erforscht werden, eine 
Tatsache, deren Bedeutung noch nicht genügend gewürdigt wird. Die 
experimentellen Überpflanzungen von 28 bösartigen Gewächsen, die an 
einer Gesamtzahl von 50000 Mäusen entdeckt wurden, sind an Schnel- 
ligkeit und Masse bei weitem übertroffen worden von den Neubil- 
dungen, die B. an englischen Mäusen mit der Jensen’schen Geschwulst 
erzeugen konnte. Überhaupt übertrifft diese an Wirksamkeit alles 
bisher Bekannte. Mehrfach gelang die Überpflanzung in 90% der 
Fälle. Die befallene Örtlichkeit, die Bildung von Metastasen, von 
mikroskopischen Krebsembolis, der Einbruch bösartigen Gewebes in 
Venen: alle diese Dinge verhalten sich durchaus entsprechend dem 
Karzinom des Menschen. Dagegen besteht eine eigentliche Krebs- 
kachexie bei der Maus nicht: schlechte Ernährungsverhältnisse treten 
erst ein, wenn die Haut über der Geschwulst ulzeriert ist. Man er- 
kennt diese Abmagerung frühzeitig an dem Deutlichwerden der Wirbel 
im Bereiche des Schwanzes. Mehrere lehrreiche Photographien ver- 
anschaulichen diese Verhältnisse. Anscheinend ist die Karzinom- 
entwicklung bei der Maus nicht von Schmerzen begleitet. Ein kleines 
Stückchen Mäusekarzinom im subkutanen Gewebe wächst — voraus- 
gesetzt daß es überhaupt wächst — schließlich zu einer Neubildung 
heran, die fast so groß wie das ganze Tier sein kann, und braucht 
bei gründlicher Entfernung nicht zu einem Rückfalle zu führen. 

Weber (Dresden). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 915 


4) C. Goebel. Die Bilharziakrankheit. 
(Heilkunde 1906. Hft. 4.) 

G., der in jahrelanger Tätigkeit in Agypten die Bilharziakrankheit 
kennen gelernt hat, gibt in kurzer prägnanter Darstellung eine aus- 
gezeichnete Schilderung dieser in tropischen und besonders subtropi- 
schen Gegenden sehr verbreiteten Krankheit, die infolge unseres rasch 
wachsenden überseeischen Verkehres und den mannigfachen kolonialen 
Beziehungen bereits hier und da in Deutschland beobachtet ist. 
Müller (Dresden). 





5) Schleich. Die Selbstnarkose der Verwundeten in Krieg 
und Frieden. 39S. 
Berlin, Springer, 1906. 

Eine kleine Schrift, diktiert vom Mitleid mit den Verwundeten, 
und ein Versuch, ihnen ihre Schmerzen zu lindern bis zu dem Augen- 
blick, wann sie in ärztliche Obhut treten. Verf. will zu dem Zweck 
einem jeden Soldaten, der ins Feld zieht, ein von Watte umhülltes 
Etui mitgeben, das drei Aluminiumhülsen in sich birgt, deren jede, 
luftdicht verschlossen, in sich Watte enthält, getränkt mit 50 g S.’schem, 
bei 38° siedendem Athergemisch (Athylchlorid 2, Chloroform 4, Aether 
sulf. 12). Dieses Gemisch hat sich bei 10jähriger sehr häufiger An- 
wendung — auch zur Selbstnarkose — dem Verf. stets als unschäd- 
liches anästhesierendes und schlafbringendes Mittel bewährt. Der von 
Schmerzen gequälte Verwundete soll nun, um seine Qualen zu lindern, 
nach Abnahme der umhüllenden Watte eine der Hülsen öffnen, die 
getränkte Watte in die trockene nehmen und mit tiefen Atemzügen 
den narkotischen Dampf einatmen, bis der Schmerz schwindet und 
der Schlaf eintritt. Nach dem Aufwachen kann der Vorgang event. 
noch zweimal wiederholt werden. Ein gleiches Verfahren könnte 
natürlich auch bei Friedensverletzungen beobachtet werden, zu welchem 
Zweck Unfall- und Polizeistationen, Eisenbahnbeamte, Feuerwehren, 
Bergwerke u. ä& mit dem Säuregemisch auszurüsten wären. 

Der Gedanke des Verf. ist sicher in jeder Richtung zu billigen, 
seiner praktischen Ausführung, speziell im Kriege, dürften zunächst 
aber noch mancherlei schwer zu beseitigende Hindernisse im Wege 
stehen. Richter (Breslau). 





6) M. Cohn. Die Bedeutung der Röntgenstrahlen für die 


Behandlung der lymphatischen Sarkome. 
(Berliner klin. Wochenschrift 1906. Nr. 1.) 

Um bei den therapeutischen Bestrahlungen die Haut vor Schi- 
digungen zu schiitzen, hat C. die Röntgenröhren mit einer undurch- 
lässigen Bleiglaskugel umgeben, welche nur eine etwa Smarkstiickgrofe 
Öffnung hat. Durch dieses Fenster gelangen die Strahlen vermittels 
einer Röhre, die gleichfalls strahlendicht ist und mit der offenen 
Fläche auf die Haut aufgesetzt wird, zu der Geschwulst. Durch 

34* 


916 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 


kräftiges Andrücken dieses Rohres erreicht man eine Anämie der 
Haut. Verf. glaubt mit anderen, daß den Geschwulstbildungen eine 
Infektion zugrunde liegt, und daß, da die primären Geschwülste fast 
stets vom Halse ihren Ausgang nehmen, der Giftstoff vom Munde 
aufgenommen wird. Die allgemeine Lymphomatose (Pseudoleukämie} 
hält er für ein fortgeschrittenes Stadium der bösartigen Lymphome. 
Eine Vergrößerung der Milz wurde während der Behandlung bei 
allen Fällen beobachtet und scheint mit der Bestrahlung in Zusammen- 
hang zu stehen. CO. denkt sich die Milzschwellung durch Aktivitäts- 
hypertrophie entstanden: da die den Röntgenstrahlen ausgesetzten 
Drüsen degenerieren, tritt vikariierend die Milz ein. 

Zum Schluß schlägt C. vor, nach Brustkrebsoperationen die 
“Achselhöhle, die Supra- und Infraklavikulargrube mit Röntgenstrahlen 
mehrere Monate nachzubehandeln, da er das Karzinom als Infektions- 
krankheit auffaßt und die Drüsen als einen günstigen Nährboden 
fortschaffen will. Er selbst hat eine hühnereigroße Drüsenmetastase 
eines Brustkrebses samt ihren Folgeerscheinungen, Blut- und Lymph- 
stauung im Arm, nach Bestrahlung gänzlich zurückgehen sehen. 

Die Krankengeschichten von fünf Fällen von Lymphsarkom sind 
der Arbeit angefügt. Zwei Kranke sind seit 7 bzw. 5 Monaten 
geheilt, ein Pat. ist geheilt, aber noch in Behandlung, ein vierter, 
ebenfalls noch in Behandlung, ist der Genesung nahe; der fünfte Pat. 
wurde nach anfänglicher Besserung aus der Behandlung entlassen, 
weil ein voller Erfolg ausgeschlossen schien. Langemak (Erfurt). 





7) Freund. Zur Kenntnis des Stypticins. 
(Zentralblatt tür die Krankheiten der Harn- und Sexualorgane Bd. XVII. Hft 4.) 
Das zur Bekämpfung von Blutungen des Urogenitalkanals emp- 
fohlene phtalsaure Cotarnin geht im Magen, unter Einfluß der darin 
enthaltenen Salzsäure, sofort in das Chlorhydrat — Stypticin — und 
freie Phtalsäure über. Daß letzterer für sich allein bei interner Dar- 
reichung eine styptische Wirkung zukäme, ist bisher nicht erwiesen 
worden. Deshalb empfiehlt Verf. die Anwendung des auf seine An- 
regung im Jahre 1895 in die Therapie eingeführten Stypticins als 
wirksamstes Hämostatikum. Grunert (Dresden). 





8) S. N. Jastschinski. Zur Frage von den anatomischen 
Grundlagen der Trepanation des Warzenfortsatzes. 
(Russki Wratsch 1906. Nr. 24.) 

J. studierte an 200 Schläfenbeinen die Anatomie des Antrums. 
Bei Erwachsenen lag es 4—18 mm tief, durchschnittlich 9,5 mm, wobei 
die Tiefe in keinem Verhältnis zur Massivität des Wearzenfortsatzes 
stand. Im Processus pneumaticus (60% aller Fälle) liegt das Antrum 
oberfliichlicher als im Processus diploéticus und scleroticus (je 15%). 
Die Entfernung zwischen Antrum und Gehörgang schwankte zwischen 
2 und 10 mm, betrug durchschnittlich 4 mm; daher ist die von Broca 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 917 


angegebene Entfernung der vorderen Grenze der Trepanationsöffnung 
vom Gehörgang — 5 mm — zu groß und muß auf 2 mm herabgesetzt 
werden. Die Entfernung des Sinus lateralis vom Gehörgang betrug 
3—20 mm, durchschnittlich 12,5. Eine Entfernung von weniger als 
10 mm macht den Warzenfortsatz fiir die Operation gefährlich. Von 
den rechtsseitigen Fortsätzen waren 11%, von den linksseitigen 9% 
gefährlich. Zwischen dem Umfang des Warzenfortsatzes und der 
Häufigkeit der gefährlichen Fortsätze besteht kein konstantes Ver- 
haltnis. Unter 25 Brachycephalen fand J. 7 gefährliche Fortsätze 
(283%), unter 70 Mesocephalen 8 (= 11,4%), unter 5 Dolichocephalen 
keinen. Unter 18 Fällen von vorgelagertem Sinus war der Winkel 
zwischen hinterer Gehörgangswand und Planum mastoideum 12mal 
gerade, dmal stumpf; und nur 2mal stand der Boden der Paukenhöhle 
hoch, was also die Bedeutung dieser beiden Trautmann’schen 
Symptome hinfällig macht. Auch die Richtung der Spina supra meatum 
kann keine Auskunft geben: in 30—35% fehlt sie oder ist nur an- 
gedeutet, in den übrigen fand J. keine Beständigkeit. — In 4—5% 
der Fälle lag der Boden der mittleren Schädelgrube 1 cm tief unter 
der Crista temporalis, erreichte aber nie die Höhe des äußeren Gehör- 
ganges. Eine Abhängigkeit dieser tiefen Lage vom anthropologischen 
Schädeltypus konnte J. nicht finden. 

Schlußfolgerungen: Es gibt keine sicheren Zeichen, die auf Vor- 
lagerung des Sinus und auf Tiefstand der mittleren Schädelgrube hin- 
weisen. Die Gefahr der Trepanation ist gering — nur 9% der Fort- 
sätze sind gefährlich — und kann bis auf ein Minimum reduziert 
werden, wenn der Chirurg sich nicht mehr als 12,5 mm von der hin- 
teren Gehörgangswand entfernt und nicht über die obere Wand in 
die Höhe geht. Bei vorgelagertem Sinus kann man das Antrum er- 
öffnen durch Entfernung der hinteren Gehörgangswand, doch nicht 
weiter als 15 mm tief. Der Trepanationsmeißel darf nur 6 mm breit 
sein und muß 2—-3 mm von der hinteren Gehörgangswand aufgesetzt 


werden, nicht 5 mm, wie Broca empfiehlt. 
E. Gückel (Wel. Bubny, Poltawa). 





9) Butlin. [Illustrations of very early conditions of cancer 


of the tongue. 
(Brit. med. journ. 1906. Mai 26.) 

In der Entwicklung der Mehrzahl der Zungenkrebse kann man 
drei Zeitabschnitte unterscheiden: prädisponierende Zustände, wie 
Leukoplakie, Ichthyosis, oberflächliche Glossitis, präkarzinöse wie 
Warzen, dicke, plattenartige Auflagerungen, wunde Stellen, und end- 
lich karzinöse. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben B. aber 
gelehrt, daß in vielen Fällen die bisher als präkarzinös angesehenen 
Zustände bereits ausgebildete Krebse sind. Unter Anführung von 
7 Fällen stellt er nun als Frühzeichen beginnender Karzinome folgende 
Symptome fest und empfiehlt in solchen Fällen sofortige Operation 
statt der bisher üblichen »Beobachtung«: 


918 | Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 


1) Eine flache, ganz wenig erhabene, glatte, rotglänzende Platte 
auf der Zungenoberfläche von der Dicke eines Fünfzigpfennigstückes, 
für Gefühl und Aussehen einem Primäraffekt ähnlich. 2) Eine weiß- 
liche, warzige Geschwulst, nicht zerfallen, kaum verhärtet am Grunde. 
3) Eine leichte Verdickung und Verhärtung eines alten Leukoplakie- 
fleckes, mehr fühlbar als sichtbar. 4) Ein rotes Knötchen im Beginne 
des Zerfalles, mit Einziehung des umgebenden Gewebes. — Zur mikro- 
skopischen Diagnose sind Serienschnitte nötig. — Der Arbeit sind 
einige Farbentafeln beigegeben, welche diese Frühzeichen veranschau- 
lichen. Weber (Dresden). 





10) Chlumsky. Uber die Mobilisation der Wirbelsäule 
nach Klapp und deren Gefährlichkeit bei der Skoliosen- 


behandlung. 
(Wiener klin. Rundschau 1906. Nr. 14.) 


Verf. weist das Klapp’sche Verfahren zuriick, weil er in der 
Mobilisierung der Wirbelsäule eine Gefahr erblickt; er fürchtet, daß 
der kranke Teil der Wirbelsäule starr bleibt, während die Nachbar- 
wirbel abnorm erschlafft und in den Wirkungskreis der kranken 
hineinbezogen würden. Insbesondere gelte diese Gefahr für die schwe- 
ren Fälle. Er warnt deshalb vor schablonenhafter Nachahmung, be- 
sonders durch Nichtfachmänner. Im Gegensatze zu der Klapp’schen 
aktiven Therapie wiinscht sich C. neue Methoden zur Festigung der 
Resultate, die er mit den bisherigen Mitteln erzielt hat. — Daß Verf. 
das Klapp’sche Verfahren genauer kennt, geht aus seinem Artikel 
nicht hervor; insbesondere berichtet er nicht über eigene diesbezügliche 
Erfahrungen, oder auch nur Versuche. Vermutlich wäre ihm dann 
nicht entgangen, daß neben der Mobilisation der Wirbelsäule als ein 
fast noch wesentlicherer Heilfaktor die Stählung der Rückenmusku- 
latur einhergeht. Inzwischen haben Erfolge in der gekennzeichneten 
Richtung dem aktiven Heilverfahren bereits Recht gegeben. 

Schmieden (Bonn). 





11) Kocher. A contribution to the pathology of the thyroid 


gland. 
(Brit. med. journ. 1906. Juni 2.) 

Seitdem Victor Horsley 1885 zuerst seine Theorie vom thyreo- 
genen Ursprung der Basedow’schen Krankheit aufstellte und alle 
Symptome als Folgen einer Dysthyrosis ansprach, hat diese Lehre — 
durch die Theorie der Hyperthyrosis von Möbius beeinflußt — immer 
mehr Anhänger gefunden. K. hat noch nie einen schweren Fall von 
Basedow gesehen ohne Schilddrüsenveränderungen: besonders sind 
Zeichen von seiten der Gefäße sehr frühzeitig bereits entwickelt, 
Klopfen, Geräusch, Gefäßerweiterung. Ein weiteres Frühzeichen in 
vielen Fällen ist außer dem Gräfe’schen, Möbius’schen, Stellwag- 
schen Symptom ein plötzliches Hochziehen des oberen Augenlides, 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 919 


wenn Pat. den Untersucher fest ansehen oder plötzlich nach oben 
sehen soll. — Da der Exophthalmus in sehr vielen Fällen eine lange 
Zeit fehlt, so ist die englische Bezeichnung »Exophalmic goitre« irre- 
führend und muß durch einen besseren Namen ersetzt werden. 
Unter 136 Fallen von Cachexia strumipriva bzw. Cachexia thyreo- 
priva oder Myxödem sah R. niemals basedowähnliche Zeichen; vielmehr 
ist der Gegensatz zwischen beiden Krankheitsgruppen vollständig durch- 
geführt. Es ist daher ungerechtfertigt, irgendeine Form von Basedow 
auf eine Hypothyrosis zurückführen zu wollen. Zur Gewinnung eines 
klaren Urteils über die Behandlung der Basedowkrankheit muß man 
durchaus die verschiedenen Grade der Erkrankung unterscheiden. 
K.’s Einteilung ist folgende: Die Struma vasculosa ist bezeichnend 
für manche beginnenden Fälle: starke Gefäßerweiterung, Klopfen, 
Geräusche, mäßige Allgemeinzeichen (Tachykardie, Tremor, einige 
Augensymptome). Die von ihm operierten (Unterbindung oder Exzision 
einer Hälfte) zehn Fälle dieser Art wurden völlig und dauernd geheilt. 
Die zweite Gruppe nennt K. Struma basedowiana colloides als Ersatz 
für die etwa gleichartige Klasse, für die Marie den fürchterlichen 
Namen »Goitre Basedowifi&« oder Struma basedowificata erfand. Be- 
zeichnend für diese ziemlich häufige Form ist die Entwicklung von 
Basedowzeichen auf der Grundlage einer bereits bestehenden Struma. 
Auch wenn häufig alle wesentlichen Basedowzeichen bei dieser Form 
ausgeprägt sind, so handelt es sich doch immer um abgeschwächte 
Grade. Von diesen operierte K. 60 ohne Todesfall. Die Dauerergeb- 
nisse waren: 5l volle Heilungen, 2 Besserungen, 7 ohne Nachricht zu 
erlangen. Die Eingriffe bestanden in Exzision einer Hälfte, Unter- 
bindung auf einer oder beiden Seiten, oder Verbindung beider Maß- 
nahmen. Endlich als dritte Gruppe die typischen Basedowfälle mit 
dem Exophthalmus als hervorstechendstem Zeichen; indessen kann er 
auch hier im Beginne fehlen. 106 Operationen mit 9 Todesfällen, 
7 Besserungen, 9 wesentlichen Besserungen, 62 Heilungen. Die feh- 
lenden Pat. sind später an anderen Krankheiten gestorben, oder haben 
keine Nachrichten gegeben, oder sind ganz kurze Zeit operiert. Im 
ganzen operierte K. 175mal mit 9 Todesfällen =5%. Diese sehr 
günstige Zahlenreihen beweisen, daß man durch frühzeitige Operation 
auch die schwersten Fälle von Basedow heilen kann. Mit Ausschaltung 
eines Teiles der Schilddrüse beseitigt man auch die Krankheit: also 
besteht die Krankheit in einer Thyrotoxie. Fraglich ist dabei nur 
noch, ob in einer Dysthyrosis oder Hyperthyrosis. Für eine Thyrotoxie 
sprechen die starke Vermehrung des Epithels der Kolloidräume, ihre 
Gefäßentwicklung, die Lymphdrüsenschwellung in der Kopfnähe, die 
häufig nachweisbare Hyperleukocytose, der vermehrte Jodgehalt, der 
Umstand, daß Masse des entfernten, kranken Gewebes und Besserungs- 
grad zueinander im geraden Verhältnis stehen. Zugunsten einer 
reinen Hyperthyrosis spricht die Entwicklung von Basedowzeichen bei 
großen Gaben normaler Schilddrüse oder Jodothyrin. — Die Reaktion 
auf den Eingriff ist bei schweren Fällen hochgradig: plötzlicher Tem- 


920 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 


peraturanstieg, Vermehrung der Herztätigkeit, Herznachlaß bei De- 
generation. Daher ist der frühe Eingriff unbedingt zu fordern. 
Weber (Dresden). 





12) Tolot et Sarvonat. Ostéomalacie et goitre exophthal- 
mique. Lrostéomalacie est-elle une maladie thyroidienne? 
(Revue de méd. 1906. Nr. 5.) 

Verff. besprechen in dieser aus der Klinik von Lépine in Lyon 
stammenden Arbeit im Anschluß an die fast ausschließlich deutsche 
Literatur dieses Gebietes den Zusammenhang von Osteomalakie und 
Kropf. Eine von den Verff. beobachtete Frau von 52 Jahren litt seit 
ihrer Jugend an »Schilddrüsensymptomen« (starker Hals, Zittern, 
Herzklopfen) und während der letzten Zeit ihres Lebens an Wirbel- 
säulenverkrümmung und Rückenmarkskompression. Die Sektion weist 
einen retrosternalen Kropf und ausgedehnte osteomalakische Verän- 
derungen nach. Aus der Literatur führen sie 11 Fälle von Osteo- 
malakie mit Basedow’scher Krankheit an, ausschließlich von deut- 
schen Forschern bearbeitet, und gehen genauer auf die verdienstvollen 
Arbeiten von Hönnicke (Greifswald) über den Zusammenhang von 
Osteomalakie und Schilddrüsenpathologie im allgemeinen ein. Hön- 
nicke ist der einzige, der diese Beziehungen methodisch erforscht hat, 
und zwar an 33 Fällen der Hofmeier’schen Klinik. Von diesen 
boten 22 Beziehungen dar zur Schilddrüsenpathologie, 7 stammten, 
ohne selbst an Kropf zu leiden, aus Kropffamilien, 4 standen in gar 
keiner Beziehung zu Kropfleiden. — Verff. machen noch auf einige 
Punkte aufmerksam: es sei zuweilen, z. B. auch in ihrem eigenen Falle, 
recht schwierig, bei einer Osteomalakischen einen Kropf nachzuweisen 
wegen der Brustkorbverkrümmungen; oft gibt erst die Sektion darüber 
Auskunft. Fast alle Kranken Hönnicke’s boten Zeichen einer 
Störung der Schilddrüsentätigkeit dar, wie Nervosität, Schwindel, auf- 
steigende Hitze, Zittern, Herzklopfen: man könnte die Fälle also 
vielleicht auffassen als abgeschwächte Formen eines »Basedow«. End- 
lich erinnern Verff. gleichfalls an die Tatsache, wie selten sich die 
Osteomalakie mit anderen Krankheiten verbinde, wie auffällig häufig 
dagegen mit Basedowzeichen. Darin liege mehr als zufälliges Zu- 
sammentreffen. Für nähere, vielleicht ursächliche Beziehungen irgend- 
welcher Art spräche auch die gleichfalls von Hönnicke gefundene 
Tatsache, daß die Teile Europas, die Kropfgegenden sind, auch vor- 
wiegend von der Osteomalakie befallen würde. In ähnlicher Weise 
scheine dies auch für die Gegend um Lyon zuzutreffen. Der Rest 
der Arbeit ist einer Besprechung der Hypothesen über die Art des 
Zusammenhanges beider Krankheiten gewidmet. Weber (Dresden). 





13) J. A. Lindsay. Malignant disease of the lungs. 
(Med. press 1906. Mai 23.) 
Die Diagnose einer bösartigen Geschwulst der Lunge ist, beson- 
ders in den Anfangsstadien, nicht leicht zu stellen, weil charakteristische 





Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 921 


Symptome in der Regel fehlen. L. berichtet ausfühlich über sieben 
Fälle; in vier Fällen wurde die Diagnose bei der Autopsie gestellt, 
am Lebenden zweimal mit Sicherheit, einmal mit Wahrscheinlichkeit. 

Meist ist die Lungengeschwulst sekundär gewachsen. In zweien 
der Fälle hatte primär ein Mammakarzinom bestanden, das 6 Wochen 
bzw. 2 Jahre vorher operiert worden war, einmal — seit 5 Jahren — 
ein Sarkom am Bein, und zweimal hatte die Primärgeschwulst ihren 
Sitz in den Mediastinaldrüsen gehabt. 

Als Symptomenkomplex fand L. in jedem Fall andauernde Brust- 
schmerzen, allmählich zunehmende Dyspnoe und Husten. Die Diagnose 
wird u. a. gestützt, wenn der Pat. an einer anderen Stelle des Körpers 
eine bösartige Geschwulst zeigt und Phthise oder Aneurysma aus- 
geschlossen werden können. Fünfmal fand L. bei seinen Pat. Blut- 
husten und Fieber. Beide Symptome schienen ihm in ihrer Art nicht 
wesentlich verschieden von dem, was man bei Phthisis pulmonum ge- 
wöhnlich beobachtet. Einigemal beobachtete L. auch Nachtschweiße 
und Kachexien. 

Die physikalischen Symptome sind anfangs ganz uncharakteristisch, 
in vorgeschrittenen Stadien leichter zu deuten. Man findet dann aus- 
gesprochene Dämpfung, abgeschwächtes Atmen und aufgehobenen 
Stimmfremitus. Die Geschwulst sitzt in der Regel in den mittleren 
Partien der Lunge, sehr selten in einer Spitze. Oft findet sich ein 
meist hämorrhagisches Transsudat in der betreffenden Pleurahöhle. 

Bei den vier zur Obduktion gekommenen Fällen handelte es sich 
zweimal um Karzinom, einmal um Sarkom; einmal konnte eine be- 
stimmte Diagnose nicht gestellt werden. Die Lebensdauer beträgt 
nach Manifestwerden der Geschwulst nur noch einige Monate (L. þe- 
obachtete 3—8 Monate, Walshe im Durchschnitt 13,2 Monate, Osler 
6—8 Monate). Das durchschnittliche Lebensalter betrug 42 Jahre; 
ein Pat. war jünger als 30, zwei waren mehr als 60 Jahre alt. 

Zur Erleichterung der Differentialdiagnose von Phthise und Ge- 
schwulst führt L. folgendes an: Dort findet man gewöhnlich in der 
Anamnese Gewichtsabnahme und unbestimmte Angaben über Schwäche 
und mangelndes Wohlbefinden, hier event. über Operationen wegen 
bösartiger Geschwülste. Phthise befällt öfter jugendliche Individuen 
und hat einen mehr chronischen, häufig von Zeiten relativen Wohl- 
befindens unterbrochenen Verlauf, während eine bösartige Lungen- 
geschwulst öfter im späteren Lebensalter vorkommt, in kurzer Zeit, ehe 
es zu Kachexie kommen kann, zum Tode führt, meist heftige Schmerzen 
und Dyspnoe verursacht u.a. m., auch bei fehlendem Pleuraerguß 
Verlagerung des Herzens zur Folge haben kann. In den meisten 
Fällen ist die Untersuchung des Auswurfes ausschlaggebend. 

Die Behandlung kann nur eine symptomatische sein. 

Erhard Schmidt (Leipzig). 


m 


922 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 


14) Momburg. Die Symptomatologie und Diagnostik der 


perkutanen Herzverletzung. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXII. p. 564.) 

Ohne eigenes neues Material zur Sache zu bringen, unterzieht M. 
die Symptomatologie und Diagnostik der perkutanen Herzverletzung 
einer allgemeinen kritischen Durchsprechung mit Berücksichtigung 
aller in Frage kommenden Umstände und Merkmale. Das Ergebnis 
der Auseinandersetzung ist, daß es ein sicheres, die Verletzung 
beweisendes Symptom nicht gibt, daß nur die Verletzung des Herz- 
beutels, das Vorhandensein eines Hämoperikards oder Pneumoperikards 
vorausgesetzt, zuverlässig erkennbar ist, daß aber immerhin bei ge- 
nauem Abwägen der einzelnen Anhaltspunkte betreffs der äußeren 
Wunde und der vorhandenen Symptome die Diagnose mit ziemlicher 
Zuverlässigkeit zu stellen ist, wenigstens daß jedenfalls der Verdacht 
einer Herzverletzung mit guten Gründen erhoben werden kann. 

Besteht begründeter Verdacht auf Herzverletzung, so muß nach 
M.’s Ansicht zwar stets chirurgisch eingegriffen werden, er ist aber 
nicht dafür, daß, wie Rotter wollte, die Herznaht als typische Opera- 
tion von jedem Arzt ausgeführt soll werden dürfen. Der nicht 
chirurgisch vorgebildete Praktiker soll diese Operation mit ruhigem 
Gewissen unterlassen und den Verletzten einem Spezialchirurgen zu- 
führen, zumal erfahrungsgemäß die Herzverletzten selbst längere 
Transporte gut vertragen. Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


15) Dhery. La tuberculose du pubis chez l’enfant. 121 p. 
Paris, Henry Paulin et Cie., 1906. 

Die in Form einer Monographie gehaltene, mit zwei vorzüglichen 
Röntgenogrammen ausgestattete umfangreiche Arbeit stützt sich auf 
ein Material von 18 Fällen von Schambeintuberkulose; von diesen 
18 Pat. sind 4 vom Verf. selbst unter Menard’s Leitung in Berck- 
sur-mer beobachtet worden, 5 weitere Fälle entstammen ebenfalls 
Menard’s Klientel, die übrigen 9 sind der französischen Literatur, 
und zwar fast ausschließlich Dissertationen entnommen. 

Die Altersgrenze wird mit dem 15. Lebensjahre gezogen. 

Die Tuberkulose des Schambeines im kindlichen Alter ist jeden- 
falls eine Seltenheit und ist und bleibt in der Regel die einzige im 
Körper nachweisbare Erkrankung tuberkulöser Natur. Sie entwickelt 
sich nur in den knöchernen Teilen des kindlichen Schambeines, und 
zwar im Gebiete des beim Kinde einzigen Össifikationspunktes. Da 
das Gebiet der Symphyse bei Kindern nicht verknöchert, so wird hier, 
im Gegensatze zu Erwachsenen, eine Erkrankung tuberkulöser Art nie 
beobachtet. Die Pars horizontalis und descendens erkranken gleich oft. 

Es kommt entweder zur Bildung einer mit tuberkulösen Massen 
erfüllten Höhle im Knochen oder zu einer mehr oder weniger um- 
fangreichen Sequestration des Schambeines; kalte Abszesse senken sich 
von hier aus, den Muskelinterstitien und Zellgewebsspalten folgend, 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 923 


nach dem Hypogastrium, nach dem periproktitischen Gewebe, den 
Adduktoren, Glutaeen und der Umgebung des Hüftgelenkes hin. 

Zwei Symptomengruppen kann man beobachten: 1) kann jede 
Beeinträchtigung der Funktion fehlen, man hat das Bild wie bei jedem 
anderen offenkundig tuberkulösen Knochenherde; nur dann ist die 
Diagnose schwierig, wenn eine Senkung nach dem After zu stattfindet; 
2) aber kommt es zu Gehstörungen, zum Hinken; dann ist man leicht 
versucht, eine Koxitis anzunehmen. Zwei Momente aber scheinen dem 
Verf. für die Diagnose von ausschlaggebender Wichtigkeit zu sein: 
daß nämlich niemals Knieschmerz empfunden wird, und daß ferner 
außer einer Kontraktur der Adduktoren mit Beschränkung der Ab- 
duktion alle Bewegungen im Hüftgelenk frei sind. Im Spätstadium, 
wo zahlreiche Fisteln entstanden sind und erhebliche Bewegungs- 
störungen eingetreten sein können, ist trotzdem die rechte Diagnose 
noch daraus zu stellen, daß der Trochanter stets genau in der Roser- 
Nelaton’schen Linie bleibt, und daß in Narkose volle Bewegungs- 
freiheit gfunden wird. 

Komplikationen werden beobachtet einmal von seiten der Blase 
aus durch Senkungsabszesse; Incontinentia urinae kann sich durch 
Reizung der Blasenwand entwickeln, der AbszeB in die Blase durch- 
brechen, selbst ein Sequester in sie hineingeraten. Das Interessante 
dabei ist, daß all das stets ohne nachteilige Folgen ausheilt, wenn die 
Grundkrankheit beseitigt wird und nötigenfalls Sequester aus der 
Blase entfernt worden sind. Niemals kommt es zu aufsteigender Er- 
krankung der Nieren; hieraus zieht Verf. den Schluß, daß es in Fällen 
von primärer Blasen- und sekundärer Nierentuberkulose nur der 
Lymphapparat sein kann, der die Verbreitung des Prozesses nach den 
Nieren zu besorgt. Die zweite wichtige Komplikation ist ein Über- 
greifen der Tuberkulose aufs Hüftgelenk; dies scheint dann sehr 
schwere Formen der Koxitis zu zeitigen. 

Sonst aber pflegt die Prognose gut zu sein; gefährlich ist aber 
das Vordringen des Eiters nach dem Mastdarme hin; es werden dann 
äußerst schlimme Mischinfektionen mit gasbildenden Bakterien be- 
obachtet. Spontanheilung kommt wohl kaum vor, Rezidive können, 
besonders bei Schwangerschaft, noch nach 10—15 Jahren auftreten. 

Die Diagnose kann sehr leicht und sehr schwer sein; differential- 
diagnostisch kann Koxitis in Frage kommen und ist sicher bisweilen 
im Anfang nicht scharf abzutrennen; Spondylitis dürfte schon eher 
als solche zu erkennen sein; Tuberkulose des Darmbeines hat eine 
Behinderung der Beugung und Streckung zur Folge, die des Scham- 
beines, wie erwähnt, nur eine solche der Abduktion. Sicherheit ist 
aber nur durch das Röntgenogramm zu gewinnen. Oft wird es schon 
genügen, überhaupt an die Möglichkeit des Vorliegens einer Scham- 
beintuberkulose zu denken, um auf die rechte Diagnose zu kommen. 

Die Behandlung ist eine chirurgische, wenn auch natürlich die 
Allgemeintherapie nicht vernachlässigt werden darf. Eröffnung der 
tuberkulösen Abszesse, Entfernung des Knochenherdes und alles 


924 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 


kranken Gewebes, Tamponade mit Jodoformgaze hat in der Regel 
vollen Erfolg. Auch hier wird das Röntgenverfahren über die zu 
treffenden Maßnahmen am besten orientieren. Literaturverzeichnis 
von 34 Nummern. W. v. Brunn (Rostock). 


Kleinere Mitteilungen. 


Mediane Schnittführung zur Eröffnung der: Speiseröhre. 
Von 


Dr. Hans Hans, 
Chirurg am Krankenhause zu Limburg und zu Montabaur. 


Der seither allgemein übliche Schnitt zur Eröffnung der Speiseröhre liegt am 
inneren Rande des linken Kopfnickers wegen des etwas linksseitigen Verlaufes der- 
selben. Besonders bei tieferem Sitze von Fremdkörpern ist hierbei Einkerbung 
resp. Durchschneidung des M. sternocleidomastoideus, event. auch des M. omo- 
hyoideus notwendig. 

In Erinnerung an die Schwierigkeiten, in die mich vor einiger Zeit diese 
Schnittführung zur Eröffnung eines weit hinabreichenden Retropharyngealabszesses 
nach Wirbeltuberkulose gebracht, wo starkes Ödem die Orientierung vor den seit- 
lich liegenden, aber wahrscheinlich verschobenen Nn. vagus, phrenicus, recurrens 
und Ansa hypoglossi, Ductus thoracicus, sowie größeren Venen und den Arterien 
des Seitenlappens der Schilddrüse fast unmöglich machte, entschloß ich mich zu 
einer streng medianen Schnittführung im folgenden Falle: 

Am 4. Mai d. J. erschien hier im Krankenhause Frau S. mit ihrem 3jahrigen 
Kind und gab an, daß dasselbe vor 5 Tagen ein Zehnpfennigstück verschluckt 
habe. Das Geldstück hatte das Kind bekommen, um auf der Festwiese Karussel 
fahren zu können. In Ermangelung eines Portemonnaies steckte es dasselbe vor- 
sorglich in den Mund und beeilte sich, beim letzten Glockenzeichen aufzuspringen. 
Als im Aufspringen die Runde schon begann, erschrak es und verschluckte den 
Groschen. 

Das Kind suchte sein Mißgeschick zuerst zu verheimlichen, indem es erklärte, 
es habe das Geld verloren. Aber schon am Abend wollte es nichts Festes zu sich 
nehmen und gab dann am folgenden Tage sein Unglück zu. 

Der hinzugezogene Hausarzt sah bei niedergedrückter Zunge nichts im Halse 
und nahm an, da der Kehlkopf frei war, daß die Passage in der Speiseröhre nur 
durch entzündliche Schwellung schmerzhaft, aber nicht mechanisch aufgehoben sei. 
Abführmittel bei schleimiger Kost beférderten den Stuhlgang. Aber der Groschen 
zeigte sich nicht. 

Die allmählich sich steigernden Beschwerden bei konstanten Klagen kurz 
unterhalb des Kehlkopfes (Milchbrei konnte schließlich nur unter eigentümlichen 
Kopfdreh- und Beugebewegungen in geringer Menge unter starken Schmerzen 
durchgepreßt werden), veranlaßten den Arzt, das Kind zur Röntgendurchleuchtung 
ins Krankenhaus zu schicken. 

Hier konnte ebenfalls am Halse weder durch Palpation noch durch Spiegelung 
(auch direkt nach Kirstein) ein Fremdkörper nachgewiesen werden. Temperatur 
betrug 37,6°; Puls 110. Der Schatten im Röntgenbilde zeigte nun das Geldstück 
in der oberen Thoraxapertur, platt der Wirbelsäule aufliegend. 

Mit dem Finger, vom Mund eingeführt, erreichte ich den Fremdkörper auch 
in Narkose nicht; einige Versuche mit der Kehlkopffremdkörperzange nach Char- 
riere mißlangen und wurden nach leichter Blutung aufgegeben. Den Münzen- 
fänger anzuwenden, scheute ich, weil mein Instrument zu scharfrandig, und die 
bei der Fingeruntersuchung stark vorspringend gefundene Platte des Cricoid- 





Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 925 


knorpels beim Zurückziehen des event. nicht gefüllten Instrumentes zu leicht auf- 
gerissen werden konnte. Sind doch Fälle bekannt, wo der Münzenfänger selbst einge- 
keilt bis zur späteren Ösophagotomie tagelang liegen bleiben mußte. Auch war ein 
wenigstens teilweises Verstecken in einem Schleimhautriß wahrscheinlich, zunächst 
weil der Fremdkörper ganz glatt war und trotzdem festsaß, dann aber auch, weil 
ich nur einmal das Gefühl resp. Gehör einer metallischen Berührung mit der Ex- 
traktionszange gewonnen. Aus dem gleichen Grunde war auch ein Hinabstoßen 
nach unten nicht ratsam, ganz abgesehen davon, daß ein Groschen auch anderswo 
im Magen-Darmtraktus bei dem 3jährigen Kinde Stenose bewirken konnte. 

Ich entschloß mich daher zur Eröffnung der Speiseröhre in der von der 
Tracheotomis inferior geläufigen Gegend, die mir wenigstens die kindliche 
Trachea stets als sehr leicht verschieblich erwiesen. 

Der Hautschnitt unterhalb des Kehlkopfes bis zum Jugulum legte die Linea 
alba zwischen den vorderen Halsmuskeln frei, nach deren Durchschneidung die 
Freilegung der Trachea im Gegensatz zur Tracheotomie im Erstickungsstadium der 
Diphtheritis überraschend leicht war. Ich konnte die Trachea in über 2 cm Länge 
auch auf der Rückwand freilegen und um deren Dicke ohne jeden Hustenreiz oder 
gar Atemnot nach rechts verschieben. Recurrens und andere Nerven und Gefäße 
wurden mit schmaler Hakenplatte zur Seite gehalten. Die Palpation über den 
Wirbelkörpern ergab nun verschiedene Unebenheiten, die aber ebensowohl Zwischen- 
wirbelscheiben sein konnten, und beruhigte mich erst eine erneute Durchleuchtung 
von der alten Lage des Fremdkérpers. 

Ein vom Mund eingeführtes Wildunger Bougie (mit Bleistaubfüllung) erleich- 
terte den Schnitt in der Mittellinie der Speiseröhre — man hätte ihn auch seit- 
licher anlegen können —, aus der etwas blutiger Schleim hervorquoll. Mit ge- 
knöpfter Schere wurde die Wunde nach unten erweitert zu ca. 1!/; cm Länge. 
Jetzt erst blutete es ein wenig, und legte ich gleichzeitig zum Hervorholen der 
Wundränder die ersten Blutstillungsklemmen an. Vom Fremdkörper war einst- 
weilen nichts zu sehen noch zu fühlen. Die beiden Kleinfinger, von der Wunde 
und dem Mund eingeführt, begegneten sich ergebnislos. Erst nach längerer Kom- 
pression und sorgfältigem Abtupfen des blutig gefärbten Schleimes erglänzte die 
obere Rundung des Groschens in dem unteren Wundwinkel. Nach Lüftung des- 
selben mittels stumpfen Schielhäkchens konnte die Kornzange den festgekeilten 
Fremdkörper lösen. 

Der Ösophagus erschien in seiner Wandung leicht infiltriert, aber nicht brandig 
entzündet. Ich nähte deshalb mit drei feinsten Catgutnähten, die Schleimhaut ein- 
stülpend, nach Art der Sero-Serosanaht die Muscularis breit fassend zusammen, 
was in der Tiefe ziemlich schwierig war, aber doch insoweit gelang, als bei Ruhe 
des Kindes ein dickerer Sondenknopf nicht mehr ins Lumen eindringen konnte. 
Zufällig fing das Kind an zu brechen, und sah man nunmehr deutlich, wie die 
vorher geschlossene Wunde sich verkürzte und wenig Schleim durchtreten ließ. 
Da ich aus noch enger gelegten Nähten Gangrän befürchtete, nahm ich diese tem- 
poräre Undichtigkeit mit in Kauf und unterließ jede andere Naht. Den Bedenken 
einer erhöhten Gefahr der Mediastinitis posterior bei der Schnittwunde in der 
Speiseröhre hinter der Trachea begegnete ich durch breite Tamponade und Heraus- 
leiten der lang gelassenen Catgutfäden aus der Hautwunde. Letztere nicht zu 
nähen, entschloß ich mich um so leichter, als die Heilungsdauer durch die Naht 
nach der Erfahrung nicht abgekürzt zu werden pflegt. 

Das nachher anbefohlene strenge Fasten bei Nährklistieren und Emser Salz- 
Inhalationen zur Mundbefeuchtung ließ in den nächsten 3 Tagen das schon durch 
die fünf vorhergegangenen Tage stark geschwächte Kind so herunterkommen, daß 
ich die leeren Schluck- und Saugbewegungen am Düäumchen, dessen Oberhaut stark 
mazeriert war’, durch Eingabe von mit Selterser verdünnter Milch (1/,stiindlich 
einen Teelöffel)‘ ersetzte. Wohl sezernierte jetzt die gut granulierende Wunde 
etwas mehr Schleim, doch war und blieb das Kind fieberfrei. Die Tamponade 
wurde täglich zweimal gewechselt, die Umgebung wegen leichten Ekzems morgens 
mit Zinksalbe, abends mit Airol behandelt, Das Kind konnte mit fast verheilter 


926 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 


Wunde nach 12 Tagen entlassen werden. Die Nachbehandlung durch den Haus- 
arzt schloß die Wunde in 10 Tagen, doch brach dieselbe nach Genuß von größerer 
Menge Brot nach weiteren 2 Wochen für 2 Tage noch einmal auf. Seither (3 Mo- 
nate) ist sie geschlossen geblieben, und das Kind bei jeder Kost beschwerdefrei. 


Epikrise: Ich habe den Eindruck gewonnen, daß diese mediane Schnitt- 
führung zur Eröffnung der Speiseröhre unterhalb des Schilddrüsenisthmus bei dort- 
liegenden Fremdkörpern (nach v. Hacker der häufigste Befund), besonders aber 
bei noch tieferer Lage im oberen Brustteile wohl stets den Vorzug verdient vor 
der seitlichen. i 

Aber auch bei höher gelegenen Fremdkörpern, und zwar erstens nicht ver- 
hakten, könnte ein tief angelegter Medianschnitt das Hinabrutschen nach unzu- 
gänglichen Gegenden bei Extraktionsversuchen (besonders durch vorherige Tam- 
ponade des Ösophagus) verhüten; zweitens bei fest verhakten Fremdkörpern 
(besonders mittlere Knochenstücke, einzelne Zähne usw.) retrograd die Einkeilung 
(event. bidigital) schonender gelöst werden, als durch einen direkten Schnitt in 
die schon vorverletzte Schleimhaut, deren Heilungstendenz bei geschwüriger Ver- 
änderung sehr herabgesetzt sein muß. 


16) P. G. Plenz. Schußverletzungen im Frieden. 
Inaug.-Diss., Kiel, 1905. 44 S. 

58 Schußverletzungen aus der Kieler Klinik; 56,9% Selbstmorde; 18,9% Todes- 
fälle. Bei 32,7 3 Entzündungserscheinungen auf Grund unzweckmäßiger Vor- 
behandlung, woraus, wie aus mancher der ausführlich mitgeteilten Krankengeschichten 
(Sondieren!) hervorgeht, daß der einfache Verschluß der Wunde unter keimfreiem 
Verband — abgesehen von durchbohrenden Bauchschüssen und Schädelschüssen 
besonderer Art — durchaus noch nicht Gemeingut aller praktischen Arzte gewor- 
den ist. Georg Schmidt (Berlin). 


17) W. Schürmann. Zur Kasuistik des Milzbrandes. 
Inaug.-Diss., Kiel, 1906. 

In der Kieler chirurgischen Klinik sind von 1903 bis 1906 acht Fälle von ku- 
tanem Milzbrand beobachtet. Von diesen sind zwei gestorben, einer an gleich- 
zeitiger intestinaler Mykose, der andere, wie angenommen wurde, an Toxinwirkung ; 
doch bestand hier hochgradiges Odem des Mediastinums. Die Behandlung bestand 
in feuchten Verbänden und Schienenfixation bei Sitz an den Extremitäten. Ein- 
mal mußte wegen drohender Hautgangrän infolge übermäßigen Ödems zu großen 
Entspannungsschnitten, ein zweites Mal wegen starker Atemnot zur Tracheotomie 
gegriffen werden. Beachtenswert ist der Vorschlag, bei Sitz der Pustel in der 
Nähe des Mundes diese sofort zu exzidieren, um einer Infektion von Lunge und 
Darm durch herabfließendes Sekret vorzubeugen. Müller (Dresden). 


18) Scott Williams. Case of tetanus; recovery. 
(Brit. med. journ. 1906. Juni 9.) 

Bei einem 11jährigen Knaben traten nach 10tägiger Inkubation Tetanuszeichen 
auf. Trepanation beider Scheitelbeine. Injektion von 5 ccm Antistreptokokken- 
serum (Allen & Hanbury) innerhalb von 30 Minuten in jede Hirnhälfte, sehr 
gründliche Ausschabung der Eintrittswunde am Ellbogen, Injektionen von Ösiger 
Karbolsäurelösung um die Wunde und entlang den entzündeten Lymphgefäßen, 
Entfernung der geschwollenen Achseldriisen, Eukaininjektion in den Duralsack. 
An den folgenden Tagen alle 4 Stunden subkutane Injektionen von 10 ccm Anti- 
tetanusserum und von 5x%iger Karbolsäurelösung wie vorher. Besserung setzte 
früh ein. Heilung. Die intraduralen Eukaininjektionen empfiehlt Verf. als gutes 
Linderungsmittel gegen die Krämpfe in den unteren Extremitäten und den Bauch- 
muskeln; der Opisthotonus wird nicht dadurch beeinflußt. 

Weber (Dresden). 


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Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 927 


19) &. Heller. Beobachtungen bei der Behandlung akut-entzündlicher 
Prozesse mit der Bier’schen Stauung. 
(Med. Klinik 1906. Nr. 22.) 


H. teilt aus der Greifswalder chirurgischen Klinik eine Reihe schwerer Fälle 
als Typen für die Stauungsbehandlung mit: schöne Erfolge und glatte Heilungen 
bei einer Reihe schwer infizierter Verletzungen, überraschend schnelle Heilung bei 
frisch zugegangenen Sehnenscheidenphlegmonen, kurze Heilungszeit und kleine Ein- 
schnitte bei Gelenkinfektionen, weniger günstige Ergebnisse bei schwereren Fällen 
von Osteomyelitis, gute Ausgänge bei Gesichtsfarunkeln bis auf einen Mißerfolg 
durch technisch fehlerhafte Behandlung, ungleichmäßige Wirkungen beim Erysipel. 

Das Bild frischer akuter Entzündungen gestaltet sich unter der Stauungs- 
behandlung ganz anders wie bisher. Der allmähliche Rückgang der örtlichen Re- 
aktion infolge der Stauung ist ein sicheres günstiges Zeichen. Überwiegend häufig 
wurde — im Gegensatz zu Bier — ein schnelles Versiegen der Absonderung be- 
obachtet. Schwierig ist die rechtzeitige Auffindung von in dem Stauungsödem neu 
auftretenden Abszessen. Ihre frühzeitige Spaltung bleibt Grundsatz, allerdings ohne 
ausgedehnte Sehnen- und Knochenfreilegung und ohne Gelenkdrainierung. Hin- 
sichtlich der Ausführung der Bindenstauung ist wichtig das Hineinziehen eines 
größeren gesunden Gliedabschnittes in den Entzündungsbereich und die regelmäßige 
Unterbrechung der Stauungswirkung durch Bindenabnahme. Fieberkurven zeigen 
durch die in den Stauungspausen einsetzenden Fieberanstiege eine Überschwem- 
mung des Körpers mit den im Stauungsbereich angehäuften Toxinen oder auch 
Infektionserregern an. Zweimal gingen während der Stauung von kleinen Spal- 
tungen sekundärer Abszesse Erysipele aus. Sehr schwierig ist bei fortschreitenden 
Eiterungen die Vorhersage und die Anzeigenstellung für Stauungsbehandlung. Auch 
hierfür empfiehlt H. die genaue Beobachtung der individuellen Schwankungen der 
Stärke und der Dauer wirksam eintretender Stauungsreaktion. 

Georg Schmidt (Berlin). 


20) Ullmann. Über Stauungs- und Saugtherapie bei einigen Affek- 
tionen der Haut und der Geschlechtsorgane. 
(Berliner klin. Wochenschrift 1906. Nr. 18 u. 19.) 


Die mechanische Komponente der Stauung, die Lockerung der in Stauung 
versetzten Gewebe durch Austritt von Blutserum und Gewebssaft, muß nach Verf.s 
Ansicht in erster Linie zur Erklärung der heilenden Wirkung der Stauung heran- 
gezogen werden. Auch glaubt U., daß das Wesen der Veränderungen mehr in 
der raschen und gründlichen Zerstörung des Krankhaften und Ungesunden, als in 
dem Aufbau normaler Gewebe beruht, also in einem mehr negativen als positiven 
Schritte, der aber Platz schafft für die der jeweiligen Schaffenskraft des Organes 
bzw. Organismus lieferbaren Produktionsmaterialien. Die spezifische Heilkraft der 
venösen Hyperämie gegenüber dem Tuberkelbazillus erklärt U. durch eine chemische 
Wirkung durch das mehr kohlensäurehaltige venöse Blut. Daß die Gonokokken 
durch die Stauung in ihrer Virulenz geschwächt werden, ist wahrscheinlich, ebenso 
daß die Herabsetzung der Virulenz auch aller anderen Bakterienarten durch die 
Stauung ermöglicht werden kann und wird, und daß dies ohne Hinzutreten der 
vielleicht ab und zu auftretenden Hyperleukocytose geschieht. 80 Fälle wurden 
mit Stauung oder Sauggläsern behandelt; fünf Fälle von Tuberculosis testis et 
funiculi spermatici unius et utriusque lateris (Stauung: 1/,—3 Stunden); 1 Pat. starb 
an Phthisis pulmonum, vier Fälle geheilt bzw. gebessert, obwohl mächtige fistulöse 
Infiltration bestand. Es hat sich ergeben, daß es keineswegs nötig ist, daß der 
gesamte tuberkulöse Hodentumor unterhalb der Binde oder innerhalb des Saug- 
glases liegt, sondern daß auch die mitten in den Infiltrationsherd gelegte Binde 
und das Saugglas günstig wirkt, weil 1) die Saugwirkung mächtig in die Tiefe 
der Gewebe übergreift und dabei auch eine bedeutende therapeutische Tiefen- 
wirkung entfaltet, 2) eine Propagierung von Keimen durch Reizwirkung erfahrungs- 
gemäß nicht zu fürchten ist. 


928 Zentralblatt für Ohirurgie. Nr. 34. 


Bei Furunkeln und Phlegmonen hat U. einen Vorteil von einer Kombination 
der Stauung mit Applikation konstanter Wärme gesehen. Auch bei größeren 
Akneknoten wurde Saugtherapie mit Erfolg angewendet. Bei Sycosis vulgaris 
mentalis circumscripta wirkte die Saugbehandlung gut, ohne daß auf die medika- 
mentöse Behandlung ganz verzichtet werden konnte. Alopecia areata wurde ein- 
mal durch Sauggläser günstig beeinflußt, viermal konnte ein Erfolg leider noch 
nicht beobachtet werden. Von venerischen Erkrankungen wurden Perinealabszesse, 
periurethrale Infiltrate rein gonorrhoischer oder gemischt infektiöser Natur mit 
bestem Erfolge nach Bier-Klapp behandelt. Bei Epididymitis ergab sich die 
Applikation heißer Umschläge, konstanter feuchter Wärme in den ersten Tagen 
bei rubiger Lagerung der Pat. als eine sehr zweckmäßige Vorbehandlung und als 
eine auch später zeitweilig in die Saugbehandlung einzufügende Therapie, ebenso 
bei der Lymphadenitis. Bei Bartholini’schen Abszessen leisteten die Sauggläser 
vorzügliches. Ungeeignet für venöse Hyperämisierung ist die Gonorrhöe und das 
venerische Geschwür im Beginn und bei hochyirulenten Affektionen. Dagegen ist 
sie ein mächtiges Mittel zur Resorption und Übernarbung bei länger bestehenden 
atonischen serpiginösen, am Rande zum Teil kallös gewordenen Geschwüren vene- 
rischer und nicht venerischer Natur. Langemak (Erfurt). 


21) Anders, Daland and Pfahler. The treatment of arthritis defor- 
mans with the Röntgen rays. 
(Journ. of amer. med. assoc. 1906. Mai 19.) 


Bei einem an Arthritis deformans mittleren Grades des Schultergelenkes und 
einem des Kniegelenkes Erkrankten wandten Verff. Bestrahlungen mit Röntgen- 
strahlen an, und zwar bei beiden mit dem Erfolge, daß schon nach wenigen 
Sitzungen die Schmerzen schwanden. Die Sitzungen fanden mehrere Wochen lang 
2—3mal wöchentlich statt und wurden mit mittelweicher Röhre aus ca. 30 cm Ent- 
fernung gegeben. Gleichzeitig wurde Massage angewandt, die durch die Vermin- 
derung der Schmerzen ermöglicht wurde. Vor und nach Beginn der Behandlung 
wurde durch Röntgenaufnahme der Zustand der erkrankten Gelenke festgestellt 
und die Verff. wollen eine objektive Besserung der Gelenkoberfläche nachgewiesen 
haben. Trapp (Bückeburg). 


22) Wallace. The behaviour of ethyl chloride. 
(Brit. med. journ. 1906. Juni 9.) 


Ein 38jähriger, sehr kräftiger Mann mit Mastdarmfistel kommt mit den üb- 
lichen 3 ccm Athylchlorid nicht in Narkose; nach weiteren 3 ccm etwas Husten, 
Verschwinden der Konjunktivalreflexe. Entfernung des Athylchlorids, statt dessen 
Maske mit etwa 20 Tropfen Chloroform. Plötzlicher Atemstillstand bei gutem 
Pulse, künstliche Atmung nach Sylvester unmöglich wegen starker Muskelrigi- 
dität, besserer Erfolg bei Kompression des Thorax. Bald darauf wieder schwerste 
Asphyxie, beseitigt durch künstliche Atmung. W. erwähnt den Fall als Beispiel 
einer Überdosierung von Äthylchlorid. Weber (Dresden). 


23) P. Steiner. Beiträge zur Krebsstatistik, mit besonderer Berück- 
sichtigung der an der I. chirurgischen Universitätsklinik (in Budapest) 
durch operative Behandlung erzielten Dauererfolge. 

(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXII. p. 363.) 

In der Arbeit sind die Resultate sehr sorgfältiger Nachforschung nach dem 
späteren Ergehen der in der Dollinger’schen Klinik in Budapest in der Zeit 
von September 1897 bis September 1901 operierten Krebskranken niedergelegt. Bei 
der angenommenen Zeitgrenze ist eine Untersuchung auf 3jährige Rezidivfreiheit 
ausführbar; um auch eine Untersuchung auf bjährige Rezidivfreiheit zu machen, 
ist aber auch das Material der Jahre September 1897 bis 1899 für sich allein 
durchgezäblt. Die Zahl der im genannten Gesamtzeitraum in der Klinik ausge- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 929 


führten Krebsradikaloperationen beträgt 226, von denen in 175 Fällen (77,3%) der 
weitere Verlauf bekannt ist. Davon entfallen auf die Jahre 1897—99 109 Opera- 
tionen mit 80 Fällen (73,99%) mit bekannt gewordenen Weiterverlaufes. Für Be- 
rechnung der Heilungsstatistik sind nur die Fälle mit bekanntem weiteren Schicksal 
gezählt, die Kranken, die infolge der Operationen starben, sind bei Berechnung 
der Rezidivfreiheit nicht gestrichen, ebensowenig diejenigen, welche an interkur- 
renten Krankheiten starben. Zu bemerken ist, daß die Kranken die Klinik in 
einem meist schon recht vorgeschrittenen Stadium ihres Leidens aufsuchten, daß 
Jedoch nur ganz aussichtslose Fälle von der Aufnahme ausgeschlossen wurden. Das 
Berichtsmaterial, in dem sämtliche Krebsarten, mit Ausnahme derjenigen der weib- 
lichen Genitalien, vertreten sind, wird vom Verf. zunächst, nach den betroffenen 
Körperabschnitten eingeteilt, im einzelnen untersucht, dann werden sämtliche Fälle 
zusammengerechnet und von ihnen die Gesamtsummenzahlen angegeben. Betreffs 
der die Einzelgruppen betreffenden Zahlen ist auf das Original zu verweisen; von 
denen, die sich auf das Gesamtresultat beziehen, seien folgende mitgeteilt: 











| Primäre und 
Primäre |  Rezidiv- Rezidivopera- 
Operationen | operationen tionen 
| zusammen 








Zahl der Fälle von 1897—1901 193 33 226 
Weiterer Verlauf bekannt bei 150 25 175 

Nach 3 Jahren rezidivfrei 62—= 41,33% | 8 = 32% 70 = 40% 
In 3 Jahren rezidiviert 71 = 47,33% | 17 = 68% 88 = 50,28% 
An operativem Tod + 13= 8,66% | 

An interkurrenter Krankheit + 4= 2,68% | 4= 2,28% 
Zahl der Fälle von 1897—99 83 26 109 

Weiterer Verlauf bekannt bei 62 18 80 

Nach 5 Jahren rezidivfrei 26 = 41,93% | 7 = 38,88% | 33 = 41,25% 
In 5 Jahren rezidiviert 34 = 54,83% | 11 = 61,11% | 45 = 56,25% 
An operativem Tod + 2= 322% 2= 250% 








Mit gutem Recht nennt S. nach diesen Zahlen die Erfolge der Klinik »gut 
und anregend«. 

Von den Besprechungen der einzelnen Krebsgruppen ist hervorzuheben, daß 
hier betreffs Alter und Geschlecht der Kranken und sonstige Einzeldaten viel 
interessante Zahlen zu finden sind. Auch begegnet man beachtenswerten Notizen 
über manche wichtige Einzelfälle, z. B. 5jährig rezidivfreie totale Magenexstirpa- 
tion bei einem noch Dienst tuenden Polizisten; eine zweite geheilte Magenkrebs- 
operation ist 10 Jahre rezidivfrei. Ödjährige Rezidivfreiheit nach Blinddarmresek- 
tion, desgleichen nach Kehlkopfexstirpation. Die Brustdrüsenexstirpation nach 
Halsted-Kocher (17 Fälle mit bekanntem Ausgang) ergab in 43,7% 3jährige 
Bezidivfreiheit usw. Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


24) 8. M. Timaschew und T. J. Romanow. Ein Fall von zahlreichen 
verkalkten Knoten in Unterhautzellgewebe und Haut. 
(Russki Wratsch 1906. Nr. 18.) 


Der Fall betraf einen 8jährigen Knaben. Im Alter von 3 Jahren erkrankte 
er an Fieber mit periodisch auftretendem scharlachartigem Ausschlag, Jucken und 
Schwitzen; das dauerte 8—9 Monate. Während dieser Krankheit traten nach Er- 
kältung noch Schmerzen in den großen Gelenken hinzu, und bald darauf wurden 


930 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 


die ersten Knoten unter der Haut am Ellbogengelenke bemerkt. Nach und nach 
entstanden neue Knoten an allen Extremitäten, auch am Rumpfe. Einige erreichten 
die Größe eines Hühnereies. Mehrere Knoten öffneten sich — ohne Entzündung 
— und entleerten eine kalkartige Flüssigkeit, worauf glatte Narben zurückblieben. 
— Schwäche, schlechter Appetit, Verstopfungen und Kopfschmerzen. Während 
des 78tägigen Aufenthaltes in der Klinik besserte sich der Zustand. Es wurden 
fünf Knoten exstirpiert und genau untersucht. Auf Grund des mikroskopischen 
Befundes reihen Verff. ihren Fall denjenigen von Profichet, Wildholz und 
Lewandowsky an und geben folgendes Bild der Entstehung der Knoten. Es 
treten Verdickung der Wand und Verengerung der Lichtung einiger Arterien im 
Unterhautzellgewebe auf; histologisch ist das keine gewöhnliche obturierende Ent- 
zündung, sondern muß als Krüppelwuchs der Gefäßwände, wahrscheinlich mit an- 
geborener Ursache, angesehen werden. Unter dem Einfluß dieser Stenose dege- 
nerieren und verkalken die mit festem Bindegewebe umgebenen und folglich 
schlecht ernährten Fettacini und kleine Fettzellgruppen. Anfänglich verkalkt nur 
das Unterhautfettzellgewebe In der Umgebung dieser verkalkten Nester treten 
Riesenzellen und Granulationsgewebe auf, später ganze Schichten gefäßhaltiger 
Granulationen, letztere auf Kosten der Elemente, die mit den Gefäßen in die ver- 
kalkten Massen selbst eindringen, nicht auf Kosten der Bindegewebskapsel; daher 
die scharfe Grenze zwischen Kapsel und Granulationsgewebe. Infolge des Durch- 
trittes der Gefäße durch die straffe Kapsel entsteht Behinderung der Zirkulation, 
Ansammlung von weißen Blutkörperchen in den Kapillargefäßen der Granulationen, 
Ablagerung von hämatogenem Pigment, sowie von Zerfallsprodukten der roten 
Blutkörperchen inmitten der Kalkmassen in den Alveolen; diese Granulations- 
elemente sowie die Blutbestandteile degenerieren ebenfalls und verkalken; die 
körnigen und amorphen Massen in den Alveolen entstehen durch Verkalkung der 
körnigen Blutzerfallsprodukte und der Granulationszellen, die größeren Kalkblöcke 
durch Verkalkung der hyalinen Gefäßthromben und der hyalin degenerierten 
Riesenzellen. Auf diese Art wird die Kapsel immer mehr gespannt und schließlich 
durchbrochen, worauf normale Vernarbung entsteht. — So finden Verff. in dem 
Prozeß Analogie mit Angiombildung auf angeborener Grundlage. Parasiten, sowie 
Stoffwechselanomalien (phosphorsaure Diathese) sind unbewiesen. — Drei Photo- 
graphien und drei Röntgenbilder illustrieren die ausführliche Arbeit. 
E. Giickel (Wel. Bubny, Poltawa). 


25) Blecher. Uber die heteroplastische Deckung von Schädeldefekten 
mit Zelluloid. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXII. p. 134.) 


B. hat mit gutem Erfolg eine Zelluloidplatte zur Deckung eines Schädeldefektes 
in folgendem Falle zur Anwendung gebracht. Ein Unteroffizier hatte durch Schlag 
mit einem umgedrehten Säbel eine schwere komplizierte Schädelfraktur davon- 
getragen, die, kunstgerecht versorgt und leidlich glatt heilend, am Vorderkopfe links 
in der Haargrenze eine Schädellücke von 5 cm Durchmesser hinterließ. Im Be- 
reich derselben war deutliche Pulsation sichtbar, Beschwerden fehlten außer Kopf- 
schmerzen und Schwindel beim Bücken. Die Zelluloidplatteneinsetzung erfolgte 
3 Monate nach der Verletzung. Umschneidung eines Zapfens von 5 cm Durch- 
messer bis auf den Knochen mit Stiel nach unten. Man kommt überall auf das 
mit der Hautdecke fest verwachsene Gehirn, welches unter starker Blutung scharf 
abgetrennt werden muß, Dura nicht vorhanden. Nach Stillung der Blutung wird 
eine 4 mm dicke Zelluloidplatte zurechtgeschnitten, entsprechend gewölbt und in 
die Lücke fest eingedrückt, darüber feste Weichteilnaht. Nur einmalige Tempe- 
ratursteigerung auf 38,5, sonst tadelloser Verlauf mit Beseitigung der Beschwerden 
und Herstellung völliger Diensttüchtigkeit. 

Der begleitende Allgemeintext liefert, die einschlägige Literatur ausgiebig ver- 
wertend, eine sehr gut orientierende Besprechung der Indikation, Technik und 
Leistungen der Zelluloidplattenverwertung. Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 931 


26) H. Revenstorf. Geheilter Hirnschu8. Tod an Meningitis nach 
13/ 4 Jahr en. 
« (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXI. p. 270.) 
Beobachtung aus dem Hamburger Hafenkrankenhause von C. Lauenstein. 
Ein 14jähriges Mädchen erhielt einen Pistolenschuß von etwa 6 mm-kalibrigem 
Geschoß aus der Nähe, dicht oberhalb des medialen Endes der linken Augenbraue. 
Aufnahme in bewußtlosem Zustande, wiederholtes Erbrechen, das erst am 3. Tage 
nachließ; die Somnolenz hatte schon am 2. Tage aufgehört. Dann rasche Erho- 
lung, so daß 1/3 Monat nach der Verletzung Entlassung als geheilt erfolgen konnte. 
Mittels Röntgen war das Geschoß im rechten Hinterlappen sichtbar. Es folgte 
während 13/, Jahren eine Periode völliger Gesundheit, wonach Pat. plötzlich unter 
den Erscheinungen schwerer Meningitis erkrankte. Lauenstein suchte unter Bil- 
dung eines Wagner’schen Lappens am Hinterhaupte rechts das Geschoß vergeb- 
lich; bald danach Tod. Sektion: diffuse eitrige Meningitis, besonders an der 
Großhirnbasis und um das Kleinhirn. Das Gehirn wurde erst nach Härtung in 
Formalin untersucht, und zwar zunächst mittels Röntgen, wobei sich der Geschoß- 
schatten im rechten Hinterhauptslappen zeigte. Das Geschoß liegt, durch Tastung 
mit Nadelspitzen bestimmt, auf der Oberfläche der Hemisphäre, 5 cm von der Spitze 
des Hinterhauptlappens und ebenso weit von der Mittellinie entfernt, 2 cm ober- 
halb des Tentoriums, und ist vom Hirn nur durch eine 1 mm dicke Gewebsschicht 
getrennt. Es ist etwas deformiert und liegt in einer teilweise verkalkten Binde- 
gewebskapsel. Die Flugbahn des Geschosses markiert sich durch eine etwas un- 
ebene Knochennarbe an der Stirnbeininnenseite, einen kurzen bräunlichen Streifen 
an der Basis des linken Stirnlappens, sowie ebenfalls bräunliche geringe Flecken 
am Fundorte des Geschosses. Narbenbildung in der Hirnsubstanz makroskopisch 
nicht sichtbar. Das Geschoß hat jedenfalls das Hirn passiert, um an der Schädel- 
innenfläche hinten aufgehalten liegen zu bleiben. Die Meningitis sieht R. nicht 
als durch gleichzeitig mit der Schußverletzung eingeführte Keime entstanden an, 
hält vielmehr eine Infektion auf hämatogenem Wege für wahrscheinlich, zu deren 
Ansiedlung auf den Meningen der Fremdkörper die Gelegenheitsursache geboten 
haben mag. Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


27) Pochhammer. Beobachtungen über Entstehung und Rückbildung 
traumatischer Aphasie. 
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XV. Hft. 5.) 
Bei einem Kranken mit kompliziertem Bruch des linken Seitenwandbeines 
kam es zu einem epiduralen Abszeß, der zur Trepanation führte ; dabei zeigte sich, 
daß ein umschriebener Bezirk der Hirnrinde erweicht war. Im Verlaufe der Hei- 
lung stellten sich nun schr eigentümliche Sprachstörungen ein. Während ent- 
sprechend der Schädigung an der dritten Stirnwindung zunächst reine motorische 
Aphasie bestand, änderte sich der Charakter der Sprachstörung im Laufe der Hei- 
lung so, daß sie einer sensorischen Aphasie ähnlicher wurde, trotzdem eine Schä- 
digung des sensorischen Sprachzentrums auszuschließen war. P. kommt auf Grund 
dieser Beobachtung zu der Anschauung, daß vielleicht nur ein kleiner Teil der- 
jenigen Ausfallserscheinungen, welche wir unter dem Bilde der sensorischen 
Aphasie zusammenzufassen pflegen, an eine Lokalisation in Rindenbezirken des 
Schläfenlappens gebunden ist, und daß der Aufstellung und Unterscheidung eines 
besonders lokalisierten sensorischen Sprachzentrums gegenüber der motorischen 
Sprachregion nicht die Bedeutung zukommt, welche ihm in mancher Hinsicht und 
von mancher Seite beigelegt wird. Haeckel (Stettin). 


28) H. Dardenne. A case of cerebral abscess with its post-mortem 
appearences. 
(Med. press 1906. Mai 23.) 
Bei einem 48jährigen Manne traten ganz plötzlich schleudernde Bewe- 
gungen von Arm und Hand der rechten Seite ein; der Mund wurde nach rechts 


932 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 


verzogen. Die Sprache war schwerfällig und undeutlich, die Zunge konnte nur 
unvollkommen vorgestreckt werden, der Gang war schleppend. Außer einem 
systolischen Geräusch an der Herzspitze und einem akzentuierten zweiten Pulmonal- 
ton konnte im übrigen nichts Krankhaftes an dem Pat. nachgewiesen werden. 
Allmählich stellten sich Anfälle ein, die als Jackson'sche Epilepsie gedeutet 
wurden, und denen Pat. erlag. Bei der — allein gestatteten — Sektion des Ge- 
hirns zeigte sich, daß die Hirnhäute der rechten motorischen Region mit eitriger 
Flüssigkeit durchtränkt waren, und daß sich im mittleren Drittel der rechten auf- 
steigenden Stirn- und Schläfenwindung ein etwa walnußgroßer Abszeß gebildet 
hatte. Er war akut entstanden, nicht abgekapselt. Die Meningen zeigten keine 
Verdickungen. Das Gehirn war in der Umgebung des Abszesses gerötet und öde- 
matös, sonst ohne krankhafte Veränderungen. 

Bemerkenswert war, daß während der Erkrankung kein Fieber oder Erbrechen 
bestanden hatte, und daß kein Trauma vorangegangen war. Außer einem Rheu- 
matismus vor 5 Jahren hatte der Pat. keine Erkrankung, besonders auch keine 
venerischer Art, durchgemacht. D. nimmt als Ursache einen septischen Embolus 
an, der von den durch Rheumatismus endokarditisch veränderten Mitralklappen 
ausgegangen war und glaubt, daß ein rechtzeitiger chirurgischer Eingriff bei der 
Möglichkeit genauer Lokalisation hätte von Nutzen sein können. 


Erhard Schmidt (Leipzig). 


29) Roncali. Osservazioni anatomo-patologiche e cliniche sopra due 
casi di disturbi cerebrali come contributo all ’istologia ed alla terapia 
chirurgica delle sclerosi nevroglio-connettivali e delle nevrogliosi pure 
(gliosi) posttraumatiche. 
(Policlinico 1905. Ser. chir. Nr. 11 u. 12; 1906. Nr. 1—4.) 


Veranlassung zu der Arbeit gaben zwei Fälle, in welchen Durante wegen 
posttraumatischer nervösen Störungen Stücke von Hirnsubstanz entfernt hatte. 

1) Komplizierte Fraktur des rechten Stirnbeines durch Stockschlag; 4tägiger 
Bewußtseinsverlust, vorläufige Heilung. Nach 21/, Jahr treten allgemeine epilep- 
tische Krämpfe auf. Nach ca. 1/ Jahr (inzwischen lömal Anfall) Operation. Auf- 
heben eines osteoplastischen Lappens, Freilegung eines bohnengroßen Schädel- 
defektes, an dessen Rändern die Dura verwachsen ist, weiteres Freilegen derselben; 
unter ihr ist das Hirn auf die Ausdehnung eines 5 Lirestückes erweicht, gelblich, 
mit gelatinösem Exsudat auf der Pia. Die ganze vor den Zentralwindungen gele- 
gene Partie wird im Gesunden exstirpiert. Starke Blutung steht auf Tamponade. 
Weitere Anfälle treten nicht mehr auf. (Beobachtungsdauer?) Mikroskopische 
Untersuchung ergibt Schwund der Pyramidenzellen und Ersatz derselben durch 
Bindegewebe und Neuroglia. R. nimmt für die Zellen der letzteren eine phago- 
cytäre Tätigkeit zum Zwecke der Zerstörung der Pyramidenzellen an. Der Her- 
gang ist genau an der Hand von Abbildungen geschildert. 

2) 25jähriger Mann. Vor 10 Jahren Schlag gegen den Kopf (linker Scheitel- 
höcker) mit äußerer Wunde, keinen Zeichen weiterer Verletzung. Nach 10 Jahren 
traten Krämpfe auf, welche in unregelmäßiger Weise sich wiederholten, im rechten 
Arm anfıngen, dann auf das Bein übergriffen, späterbin mit Parese der rechten 
Körperseite, Hypästhesie derselben, motorischer und teilweise akustischer Aphasie, 
Ataxie, unvollständiger Agraphie und schließlich mit Schwäche der peripheri- 
schen Funktionen verbunden. Operation nach 1!/, Jahren. Osteoplastische Frei- 
legung des Gehirns im Bereiche des Sulcus Rolandi. Nach hinten von letzterem 
ist der Scheitellappen etwas härter als normal. Operation zunächst abgebrochen. 
Es bildet sich ein großer Hirnvorfall heraus, während eine Besserung der Sprache 
und der psychischen Störungen zu bemerken ist. Nach 4 Wochen wird der Vor- 
fall mit dem Paquelin abgetragen, weil Durante glaubt, daß er von einem diffusen 
Gliosarkom gebildet sei. Folge: Lähmung der rechten Körperseite. Nach weiteren 
3 Wochen wird nach vergeblichen Hirnpunktionen eine Harte im Occipitallappen 
gefunden, letzterer tief inzidiert bis aufs Tentorium und mit dem Finger unter- 





Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 933 


sucht; die Blutung durch Tamponade gestillt. Im Verlaufe von einigen Monaten 
bildet sich die Lähmung zurück. Der Schädeldefekt wird osteoplastisch geschlossen. 
Schließlich bleibt von allen Symptomen nur eine geringe Abschwächung der Mo- 
tilitat und Sensibilität der rechten Seite. Nach 2 Jahren ist auch diese ge- 
schwunden. 

Die mikroskopische Untersuchung des 130 g schweren abgetragenen Hirnstücke 
ergibt außer frischen Veränderungen der Dura Verwachsung von Arachnoidea und 
Pia, andernteils trübe Prozesse derselben. In der Rinde Wucherung der Glia und 
Schwund der Pyramidenzellen und Nervenfasern. R. nimmt an, daß das Trauma 
diese schleichende Gliose einleitete; dann eigentlich entzündliche Erscheinungen. 
Die schwere Wucherung drückte auf die umliegenden Zentren. Der Erfolg der 
Operation spricht dafür, auch bei scheinbar normal aussehendem Gehirn zur Hei- 
lung der Jackson’schen Epilepsie die Exstirpation der Zentren nach Horsley 
zu machen. Dieselbe macht bei ausgedehnter Entfernung zwar Lähmung, die aber 
infolge Eintretens von Bahnen, die nach R. vom Linsenkern kommen, sich kom- 
pensiert. In diesem Falle wurde die hinter den Zentralwindungen liegende Hirnpartie 
exzidiert, welche als Zentrum der allgemeinen Sensibilität anzusehen ist. Die 
Lähmung, welche nach Entfernung des Hirnvorfalls auftrat, war durch den Reiz 
der strahlenden Wärme des benutzten Paquelins bewirkt. 

E. Pagenstecher (Wiesbaden). 


30) M. Draudt. Beitrag zur Genese der Gesichtsspalten. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXII. p. 226.) 

Friedrich und Fick haben die Annahme geäußert, daß die Entstehung eines 
Wolfsrachens durch Druckwirkung der ungünstig gehaltenen eigenen Hand des 
Kindes entstehen könne. D. veröffentlicht einen Fall aus der Lexer’schen Klinik 
in Königsberg, in dem ihm die Entstehung einer Hasenscharte durch den Druck 
eines Daumennagels des Kindes wahrscheinlich ist. Man sieht nämlich an der 
Unterlippe des mit einer linksseitigen Hasenscharte behafteten Kindes etwas rechts 
von der Mittellinie ein dellenförmiges Grübchen, welches genau dem kindlichen 
Daumennagel entspricht (cf. Photogramm). Dazu kommt, daß das Kind im Schlafe 
beide zur Faust geballten Händchen übereinander gelegt mit den Daumen gegen 
die Unterlippe gerichtet zu halten pflegte, also auch intra-uterin der Art gelegen 
haben mag, so daß, zumal noch enges Anliegen des Amnion hinzugedacht, das Ent- 
stehen der Spalte leicht begreiflich erscheint. Ein anderes interessantes Detail 
des Falles besteht darin, daß am linken Lippenspaltrande ein kleines Weichteil- 
knöpfchen befindlich ist, dem eine entsprechende Delle auf dem rechten Spaltrande 
als Negativ gegenübersteht, den Eindruck hinterlassend, als wäre da bereits eine 
Vereinigung dagewesen, die aber im entscheidenden Moment wieder getrennt 
wurde. In einem anderen Falle, den D. auch abbildet, besteht an der gleichen 
Stelle eine vollständige Hautbrücke in der Lippenspalte, die also diesmal stark 
genug war, einem Zerreißen zu widerstehen. 

Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


31) E. Pagenstecher. Einseitige angeborene Gesichtshypertrophie. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXII. p. 519.) 

P. behandelte eine 35jährige Pat. mit hochgradiger, äußerst entstellender links- 
seitiger Gesichtshypertrophie mittels mehrfacher ausgiebiger Exzisionen aus den 
degeneriert-hypertrophischen Weichteilmassen. Der Fall interessiert, weil Pat. mit 
einer linksseitigen Wangengeschwulst geboren war, die im 5. Lebensjahre als 
»Lipom« exstirpiert wurde. Die Allgemeinverdickung der linken Gesichtshälfte, 
die auch das Jochbein betraf, nahm aber weiteren Fortgang, wie ein aus den 
Schuljahren stammendes und ferner das letzte bei der Spitalbehandlung aufgenom- 
mene Photogramm zeigen. Nach Abschluß des Körperwachstums im 3. Jahrzehnt 
war die Dickenzunahme besonders stark. Die Wucherung betrifft vorzugsweise 
das Fettgewebe, aber auch das Bindegewebe, ferner die Mund- und Zungen- 
schleimhaut, sowie Gefäße und Nerven, namentlich den Hypoglossus, wie dessen 


934 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 


Bloßlegung bei einer Operation zeigte. Die Muskulatur war degeneriert, ihre 
Funktion vernichtet. Jochbein und Oberkieferalveolarfortsatz waren ebenfalls be- 
teiligt, und scheinen im ganzen die erkrankten Bezirke den den obersten Kiemen- 
bögen entwicklungsgeschichtlich entstammenden Teilen zu entsprechen. Histologisch 
findet sich stärkere Entwicklung von Haaren, Balgdrüsen, Papillen usw. 

Pathologisch zählt P. seinen Fall zum partiellen angeborenen Riesenwuchs; 
auf eine Erklärung seiner Atiologie verzichtet er. 

Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


32) Wales. Severe punctured wound of lower jaw. 
(Brit. med. journ. 1906. Juni 2.) 

Bei einem Sturz vom Rade spießte sich ein 26jähriger Mann auf einer eisernen, 
lanzenförmigen Pike eines Gitters so auf, daß ihm die Spitze unter dem Kinn in 
den Mundboden eindrang und, ohne den Oberkiefer wesentlich zu treffen, weit aus 
dem Munde hervorragte. So an der Lanze aufgehängt konnte er soeben mit den 
Zehenspitzen den Boden erreichen. Durchfeilung des zentralen Endes zur Befrei- 
ung des Verletzten, Herausziehen in Narkose, Heilung nach Eiterung und mäßiger 


Knochennekrose fast ohne Entstellung und Sprachstörung. 
Weber (Dresden). 


33) Burci. Di une rara malformazione congenita del collo. 
(Arch. di ortopedia 1906. Nr. 2.) 

Ein 4 Monate altes Kind trägt von Geburt an im Nacken, dicht unterm Hinter- 
haupt, eine konische Geschwulst, die ein nabelartiges Grübchen und darum einige 
Haare auf seiner Spitze trägt und, wie die Röntgographie sowie nach Exstirpation 
die Untersuchung zeigt, in Fettgewebe eingeschlossen ein Y-förmiges Knochenstück 
enthält. Halswirbel normal, kein Zusammenhang mit dem Wirbelkanal. Vielleicht 
handelt es sich um eine überzählige Wirbelanlage. 

E. Pagenstecher (Wiesbaden). 


34) Loeb. Gutachten über eine traumatische Verletzung des Conus 
terminalis. 
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XV. Hft. 5.) 


Bei einem Pat. mit Bruch des 2. oder 3. Lendenwirbels fand sich Cystitis, 
Blasenlahmung, Mastdarmlähmung, Impotenz, dissoziierte Empfindungslähmung am 
Damm. Es ließ sich daraus mit Sicherheit die Diagnose auf Verletzung des Conus 
terminalis stellen, deren Charakteristika gegenüber Schädigungen der Cauda equina 
ausführlich erörtert werden. Haeckel (Stettin). 


35) Voltz. Uber kongenitale vollkommene Synostose der Wirbelsäule, 
in Verbindung mit Wachstumsanomalien der Extremitätenknochen. 
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XVI. Hft. 1.) 

Bei einem 9jährigen Mädchen mit voller Intelligenz besteht eine angeborene 
Skelettanomalie mit frühzeitiger vollkommener Synostose der ganzen Wirbeläule 
mit Ausnahme der beiden obersten Halswirbel, welche geringe Beweglichkeit 
zeigen; auch die Wirbelrippengelenke sind ankylotisch. Der Kopf ist nach vorn 
geneigt, die Wirbelsäule zeigt eine hochgradige Cervicodorsalkyphose; die Lenden- 
lordose ist wenig ausgesprochen. Die Beweglichkeit der Hiift- und Schulter- 
gelenke ist beschränkt; Hände und Füße eigentümlich breit und plump, durch 
Verkürzung hauptsächlich der Phalangen. An den Extremitäten zeigt sich ver- 
spätetes Auftreten der Knorpelkerne bei ausgedehnter knorpeliger Anlage der Epi- 
physen. Die Erkrankung ist als intra-uterine Hemmungsbildung der knorpeligen 
Elemente anzusehen; dabei findet zwar übermäßige Proliferation von Knorpelzellen 
statt (Chondrodystrophia hyperplastica), jedoch fehlt den Zellen offenbar das Ver- 
mögen der normalen Knorpelanlage gegenüber anderen Geweben, speziell der vor- 
dringenden gesteigerten Ossifikationsgrenze sich zu differenzieren. Ob eine Hem- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 84. 935 


mung des Extremitätenwachstums durch Verengerung der Foramina intervertebralia 
und Schädigung der trophischen Extremitätenzentren, der Spinalganglien, sekundär 
stattfindet, oder ob auch die Störung im Extremitätenwachstum ein und dem- 
selben Krankheitsbild angehört, ist nicht mit Sicherheit zu entscheiden. Die Unter- 
schiede dieses seltenen Krankheitsbildes gegenüber dem Kretinismus, der Mikro- 
melie, dem Mongolismus werden hervorgehoben. Haeckel (Stettin). 


36) H. Hunziker und R. Pfister. Uber Knochenbildung in Strumen. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXII. p. 83.) 

Verff. berichten in ihrer aus der Enderlen’schen Klinik in Basel stammen- 
den Arbeit über an 194 Kröpfen, die in der Klinik operiert und wahllos in der 
Sammlung aufgehoben waren, ausgeführte Untersuchungen. Sie fanden in 67 Fällen 
Verkalkung in mehr oder weniger großer Ausdehnung; unter diesen wiesen 11 
kleinere oder größere Partien von wahrer Knochenbildung auf. Die Knochen- 
bildung zeigte stets lokalen Zusammenhang mit den verkalkten Partien, und war 
ihr Sitz namentlich die Wandung großer alter hämorrhagischer Cysten, dann fibröse 
und sekundär verkalkte Partien bei Struma fibrosa, selten der eingedickte, sekundär 
verkalkte Cysteninhalt. Aktive Beteiligung des eigentlichen Drüsengewebes fand 
sich nie. Fast immer standen die Knochenherde mit mehr oder weniger kern- 
reichem, weitmaschigem, gefäßreichem Bindegewebe in innigem Zusammenbhange, 
so daß sie auf der einen Seite an die verkalkte Partie, auf der anderen an das 
Bindegewebe grenzten. Der Knochen zeigte lamellären Bau, schöne Knochen- 
körperchen, selten Osteoblasten und Osteoklasten, wohl aber reichliches, gut ent- 
wickeltes Mark mit Markzellen, Riesenzellen, Fettgewebe und Gefäßen. 

Verff. erörtern unter Heranziehung der Literatur kurz die Theorie der 
Knochenbildung an Stellen, die mit osteogenen Geweben keinen Zusammenhang 
haben. Die Ansicht, daß überall da, wo Bindegewebe und verkalktes Gewebe zu- 
sammentreffen, echter Knochen gebildet werden kann, sehen sie durch ihre Be- 
funde als bestätigt an. Demgemäß wäre in dieser Knochenbildung eine Metaplasie 
des Bindegewebes und ein späteres Stadium der Verkalkung zu erblicken. 

Eingehendes Literaturverzeichnis, die Knochenbildung in allen Organen, wo 
sie beobachtet wurde, betreffend, desgleichen drei Abbildungen histologischer Prä- 


parate sind beigefügt. Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 
37) D. @. Zesas. Beitrag zur chirurgischen Behandlung des Speise- 
röhrendivertikels. 


(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXII. p. 573.) 

Z. publiziert einen von Niehaus im Jahre 1888 an einem 27jährigen Pat., 
dessen Schluckbeschwerden vor 5 Jahren begonnen hatten, mittels Exzision des 
Divertikels operierten Fall. Das Divertikel, über dessen Größe nichts mitgeteilt 
wird, hatte der Speiseröhre in der Höhe des Ringknorpels aufgesessen, und wurde 
die von seiner Abtragung hinterlassene Speiseröhrenwunde unter Nichtmitfassung 
der Schleimhaut mit Seidennaht geschlossen, die äußere Wunde tamponiert. Ver- 
lauf bei Mastdarmernährung zunächst gut, bis infolge vorzeitigen verbotswidrigen 
Essens und Trinkens die Wunde aufbrach und fistulös wurde. Zunehmende Ina- 
nition und Tod, bevor noch der zwecks Fistelanlage in eine Bauchwunde einge- 
nähte Magen hatte eröffnet werden können. — Dem eigenen Falle fügt Z. eine 
Sammlung sämtlicher bisher publizierten Ösophagusdivertikelexstirpationen an, im 
ganzen 42 Fälle — 28 Männer und 9 Frauen betreffend; bei den übrigen das Ge- 
schlecht nicht angegeben. 34 der ÖOperierten sind geheilt. Z. hält die sofortige 
Naht der Ösophaguswunde für das beste Verfahren, am zweckmäßigsten nach der 
Technik von Krönlein: Anlegung einer leicht drückenden Klemme auf den 
Ösophagusstiel, dessen Stumpf oberhalb der Klemme geschlossen wird. Indessen 
wurde eine Primaheilung dieser Speiseröhrennaht nur in 6 Fällen erzielt; sonst trat 
Fistelbildung ein, die aber unschwer heilte. Die Gastrostomie fand als Voropera- 
tion 5mal Ausführung. Z. hält sie nur bei stark abgeschwächten Individuen für 
voll berechtigt 


936 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 


Außer der nicht chirurgischen Behandlung kann, wie Z. im Eingange seiner 
Arbeit kurz erörtert, in einzelnen Fällen die Faradisation des Divertikels und eine 
methodische Sondenbehandlung mit Erfolg angewendet werden. 

Meinhard Schmidi (Cuxhaven). 


38) W. Ettinger. Ein Fall von Druckstauung. 
(Medycyna 1906. Mai 26. — Ref. in Russki Wratsch.) 

Der 18 Jahre alte Pat. wurde bei einer Prozession während des Tumultes mit 
Füßen getreten. Gesicht und Hals dunkelbraun, Blutung aus Nase und Ohr; zahl- 
reiche Blutflecke an Haut- und Schleimhäuten. Das laterale Ende des rechten 
Schlüsselbeines vom Akromialfortsatz abgerissen. Linksseitige Pneumonie mit 
Temperaturabfall am 8. Tage; am selben Tage Blut im Harn. 30 Tage nach der 
Verletzung in befriedigendem Zustande entlassen. 

(Ref. sah kürzlich auch einen Fall von Druckstauung: Der 24 Jahre alte Pat. 
geriet in die Transmission einer Windmühle, wobei ein Balken ihn an Hals und 
Brust gegen einen zweiten Balken drückte, das Kinn fest gegen die Unterlage pres- 
send. Blutung aus dem Munde. Nach 6 Tagen fanden sich zahlreiche Erosionen 
an Hals und Brust vorn und hinten, sowie die bekannten Perthes’schen Stau- 
ungssymptome am Gesicht. Fraktur der linken Unterkieferhälfte. Sehen unbe- 
hindert. 2 Wochen später zeigte sich Pat. nochmals, klagte aber nur noch über 
den Kieferbruch:) E. Giickel (Wel. Bubny, Poltawa). 


39) M. v. Arx. Zur Diagnostik der akuten Mediastinalerkrankungen. 
(Deutsche Zeitschrift fiir Chirurgie Bd. LX XXII. p. 554.) 

v. A. beschreibt auffällige und interessante akustische und palpatorische Phä- 
nomene, die, nach einer schweren Brustquetschung entstanden, auf eine Blutung 
in das Mediastinum zurückführbar erscheinen. Ein 32jähriger Zugkoppler war beim 
Rangieren derart verunglückt, daß ihn ein Eisenbahnwagenrad direkt in der Herz- 
gegend gefaßt hatte, woselbst eine fingerdicke stählerne Uhrkette plattgedrückt 
war. Vom objektiven Befund ist starke Druckempfindlichkeit des 4. Rippenknor- 
pels das wichtigste; die höchst beängstigenden Allgemeinerscheinungen, Cyanose 
usw. verloren sich, und kam Pat. mit dem Leben davon, war aber noch nach 
Jahresfrist nicht wieder dienstfähig, wegen Hustenreiz bei Anstrengungen und 
eines hosenträgerartigen Druckgefühles am linken Sternalrande. Die merkwürdigen 
der Verletzung zunächst folgenden Erscheinungen waren folgende: 1) großblasiges. 
feuchtes Rasseln und Knistern unter dem unteren Teile des Brustbeines, später 
statt dessen Dämpfung an derselben Stelle 2) 1 Stunde nach der Verletzung eine 
Veränderung des Herzstoßes. Derselbe wird auffallend stark, nicht tangential, son- 
dern konzentrisch direkt von unten kommend. 3) Ein blasendes Geräusch, syn- 
chron mit der Herzsystole, von wechselnder Intensität, zeitweise auf Entfernung 
hörbar. Deutung: ad 1) Das sich ins Mediastinum ergießende Blut, wahrscheinlich 
aus der IV. Intercostalis stammend, machte das Knistern, indem es in die Ma- 
schen des Zellgewebes vordrang; später war es Anlaß der Dämpfung. ad 2) Das’ 
mediastinale Hämatom drängte die Herzbasis nach hinten, infolge wovon die 
Herzspitze sich mehr direkt senkrecht gegen die Thoraxwand richtete. ad 3) Das 
pfeifenartige Geräusch ist durch Schwingung der gleichsam eine Orgelpfeife spie- 
lenden Luftröhre zu erklären. Durch das kompakte Hämatom, das die Luftröhre 
in der Bifurkationsgegend deckte, wurde die Erschütterung der Herzkontraktion 
weiter geleitet und die Luft in der Luftröhre in Schwingung versetzt. 

In einem früheren Falle von Leptothrixphlegmone des Mediastinum mit Gas- 
bildung beobachtete v. A. statt einer Dämpfung einen tympanitischen Schall auf 
dem Brustbeine, verbunden mit systolischem, lautem Knistern, ein schon ander- 
weitig von ihm beschriebener Befund, an den hier erinnert wird. 

Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


a E E E SES 
Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man 
an Prof. B. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- 
handlung Breitkopf & Härtel, einsenden. 





Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig, Nürnbergerstraße 36/38. 


Zentralblatt 
CHIRURGIE 


E. vu Beroan, PK, KR 





Dreiunddreißigster Jahrgang. 


Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei halbjähriger 
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten. 


Nr. 35. Sonnabend, den 1. September. 1906. 








Inhalt: I. 0. Witzel, Silberkautschukseide an Stelle des Silberdrahtes zur versenkten 
Naht. — II. Wederhake, Herstellung der Silberkautschukseide. (Original-Mitteilungen.) 

1) Noble, Bauchwundennaht. — 2) Cooper, Fremdkörpertuberkulose des Bauchfells. — 
3) Guthele, Bauchfelituberkulose. — 4) Schumm, Untersuchung des Kotes aaf Blut. — 
5) McArdle, Leistenbruch. — 6) Gosset, Duodenalgeschwir nach Gastroenterostomie. — 

Pleth, Darmanastomosierung. — 8) Moynihan, Darmdrainage bei akutem DarmverschluS. 
— 9) Gdbell, Innerer Darmverschluß. — 10) Beach, Mastdarmkrankheiten. — 11) Randell, 
Hämorrhoiden. — 12) Terrier und Dujarler, Gallenfluß bei Leberechinokokken. — 13) Va- 
lonce, Gallenfluß bei Leberabszeß. — 14) Rose, Atonie des Magens bei Gallensteinen. — 
15) Erdmann, 16) Carr, Cholecystektomie. 

E. Haim, Über retrograde Darminkarzeration. (Original-Mitteilung.) 

17) Voeckler, Bauchquetschungen. — 18) Clay, Durchbruch von Duodenalgeschwüren. — 
19) Warnecke, Perforationsperitonitis. — 20) Bosse, Eitrige Peritonitis. — 21) Schöppler, 
Eier von Oxyuris vermicularis im Wurmfortsatz. — 22) Moullin, 23) Henne, Appendicitis. 
— U) Archibald, Subphrenischer Abszeß. — 25) Brenner, Leistenbrüche. — 26) Pringle, 
Zwei Darmschlingen im Leisenbruchsack. — 27) Axhausen, Schenkelbriiche. — 28) Blech, 
Hernia ischiadica. — 29) Methling, 30) Wieting, Zwerchfellbriiche. — 31) Lauensteln, Un- 
gewöhnlicher Verbleib des Murphyknopfes. — 32) Ito und Asahara, Tuberkulése Darm- 
strikturen. — 33) Gant, Exzision von Dick- und Mastdarm. — 34) Denks, Leberverletzungen. 

A. Weischer, Entgegnung auf den Artikel des Herm Prof. E. Goldmann: »Zur offenen 
Wundbehandlung von Hauttransplantationen<. 





I 


Silberkautschukseide an Stelle des Silberdrahtes zur 
versenkten Naht. | 


Von 
Prof. 0. Witzel in Bonn. 


Die Beschaffenheit des Fadenmaterials, welches wir für einige 
Zeit oder für dauernd in die Gewebe einpflanzen, ist für die Wund- 
heilung zum Schluß ausschlaggebend. Auch größte Ubung und Sorg- 
falt bei Durchführung der übrigen Maßnahmen des Wundschutzes 
läßt uns über den weiteren Verlauf nicht ruhig sein, wenn wir nicht 
die Gewißheit haben, daß die zu äußeren und zu versenkten Nähten, 

35 


938 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 


zu Unterbindungen dienenden Fäden sicher frei von Keimen sind, daß 
sie nicht ihrerseits Ansiedelungsstellen für Keime werden können, die 
aus dem Körper an sie herankommen. Deshalb haben wir an das 
Ligaturmaterial stets die Anforderung gestellt, daß es nicht nur steril 
sei, sondern lange, wenn auch nur leicht, antiseptisch wirke. Wir 
unterbinden in nicht infizierten Wunden mit Seide, die wir selbst nach 
Kocher herstellen, und werden, da wir ein einfaches Verfahren ge- 
funden haben, nach dem jeder Chirurg selbst Seide mit Silber impräg- 
nieren kann, auch Silberseide in ausgedehntem Maße verwenden. 

Lang, an guten und schlechten Erfahrungen reich, ist der Weg, 
der uns zum Gebrauche weichen Silberdrahtes führte als Material zur 
äußeren und zur versenkten Naht. — Der zur Naht dienende 
Faden muß zunächst fest und nicht imbibitionsfähig sein. 
Das war der gewachste Seidenfaden der alten Chirurgen; und er war 
in seiner Art gut. Er hatte zugleich den Vorzug, äußerlich glatt zu 
sein. In den Rahmen des antiseptischen Verfahrens paßte der ge- 
wachste Faden nicht hinein, auch wenn die Herstellung mit Karbol- 
wachs geschah. Er blieb verdächtig, in seinem Innern pathogene Keime 
zu beherbergen, die, später frei werdend, sekundäre Störungen veran- 
lassen konnten. Sicherer erschien in letzterer Hinsicht der Silkworm- 
faden; absolut sicher ist der Metalldraht. Vielfach von anderen Chi- 
rurgen, auch vor Einführung des Lister’schen Verfahrens gepriesen, 
von Meistern der chirurgischen Plastik, einem Sims, einem Tripier 
zu äußeren Nähten empfohlen, wurde der Silberdraht von Schede 
zuerst zweckbewußt zu versenkten Bauchnähten mit einer meisterhaften 
Technik verwandt. — Unsere Bestrebungen, der Entstehung der Bauch- 
brüche durch eine Naht der Bauchdecken mit sicher wirkendem Fascien- 
schluß vorzubeugen, die Öffnungen bei Bruchoperationen mit einem 
mechanisch und antiseptisch verläßlichen Material zu schließen, haben 
bei uns zur sehr vielseitigen Verwendung des Silberdrahtes geführt. 
— Allerdings lernten wir dabei mit immer weniger versenktem Draht, 
z. B. beim Schluß der Bruchpforten, auskommen. Von der in der 
Wunde ausgeführten netzartigen Durchflechtung, wie ich sie zuerst 
empfahl — man hat immer wieder irrtümlich angenommen, daß ich 
ein fertiges Silberdrahtnetz versenke —, kam es allmählich bei dem 
Schluß der Bruchpforten zu einer fortlaufenden Naht mit seitlich 
auslaufenden Fühlern, die aus der fortlaufenden Naht heraus schlingen- 
artig in die Nachbarschaft geführt werden. — Bei der Bauchnaht ge- 
brauchen wir nur wenige unterbrochene Nähte, deren zusammengedrehte 
Enden sorgfältig in den Wundspalt gebogen und hier noch durch eine 
fortlaufende, die äußere Fascie nach Lembert einkrempende Seiden- 
naht niedergehalten wurden. — So haben wir, die Technik immer 
mehr vervollkommnend, tausend und abertausend Silbernähte versenkt 
und, den Zweck der Verhütung von Narbenbrüchen immer erreichend, 
in kaum einem halben Dutzend Fällen es nötig gehabt, einen lästig 
werdenden Draht mit örtlicher Betäubung herauszunehmen. Wie viel 
Bauchbrüche würden wir sonst erlebt haben ?! 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 939 


Trotzdem sind wir uns durchaus bewußt geblieben, daß eine, wenn 
auch noch so umsichtige Versenkung eines starren Materials in die 
Weichteile des Körpers nicht die letzte Erfüllung unserer Wünsche 
sein konnte. — Schon früher haben wir versucht, einen antiseptisch 
wirkenden, nicht imbibitionsfähigen, dabei festen und nicht resorbier- 
baren Faden als Ersatz des Silberdrahtes herzustellen durch Silber- 
Paraffinimprägnierung. Die Versuche führten zu keinem befriedigen- 
den Ergebnis. — Der Sorgfalt und dem technischen Geschick meines 
Assistenten Dr. Wederhake ist die Lösung des Problems gelungen. 
Die von uns stets festgehaltenen grundsätzlichen Forderungen erfüllend, 
hat er uns den Silberkautschukseidenfaden als Ersatz für den Silber- 
draht für die versenkten Nähte hergestellt. 


I. 


Herstellung der Silberkautschukseide, 
Von 


Dr. Wederhake, 
Assistent an der chirurgischen Abteilung des Friedrich-Wilhelm-Hospitals zu Bonn. 


1) Die zu präparierende Seide wird auf dicke Kocher’sche Drains 
oder besser auf Glasplatten aufgewickelt, dann in Ather und weiter 
in Alkohol absolutus je 12 Stunden entfettet. 

2) Sie wird in 10%ige Wasserstoffsuperoxydlésung iiber- 
tragen, in welcher sie 20 Minuten verbleibt. 

3) Von hier aus gelangt sie in eine Silbersalzlösung, die man 
folgendermaßen herstellt: Zu 30 ccm einer 1%igen wäßrigen Lösung von 
Argent. nitric. tropft man so lange offizinelle Kalilauge, bis der ent- 
stehende schwarzbraune Niederschlag durch einen weiteren Tropfen 
Kalilauge nicht mehr verstärkt wird. Im ganzen sind etwa 10 Tropfen 
Kalilauge erforderlich. Zu dieser schwarzbraunen Flüssigkeit setzt 
man Tropfen für Tropfen unter ständigem Umschütteln so lange Salmiak- 
geist, bis der durch die Kalilauge hervorgerufene Niederschlag voll- 
ständig aufgelöst und die Flüssigkeit wasserklar und durchsichtig ge- 
worden ist. — In der Silberlösung bleibt die Seide etwa eine 
Stunde. — Nach dieser Zeit ist die Imprägnierung mit reinem, mole- 
kulärem Silber beendigt, so daß die Seide eine tiefschwarze Färbung 
angenommen hat und einen deutlichen Silberspiegel aufweist. Man 
überzeugt sich, daß die Silberimprägnierung möglichst gleichmäßig 
stattgefunden hat, besonders noch dadurch, daß man Querschnitte von 
der Seide anfertigt, die ebenfalls schwarz sein müssen und keine 
weißen Fleckchen mehr aufweisen dürfen. 

4) Jetzt trocknet man die so gewonnene Silberseide im Trocken- 
schrank bei etwa 100° und bringt sie nach dem Trocknen 

5) in reines Chloroform auf 2 Stunden. 


397 


940 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 


6) Nach dieser Zeit kommt die Seide in eine Chloroformkaut- 
schuklösung (8 g schwarzen Kautschuks! werden in 50 ccm Chloro- 
form gelöst) und bleibt hier 12 Stunden. Dann wird die Seide kurz 
in Chloroform abgespült, getrocknet, in 1%/.ige Sublimat- 
lösung gebracht und in demselben 10 Minuten gekocht und 
aufbewahrt. 

Jetzt ist das Nahtmaterial gebrauchsfertig. Dieselbe Methode 
ist auch für Zwirn, Hanf usw. brauchbar. . 


Die einfache Silberseide wird in folgender Weise hergestellt: 


Man bringt die Seide in eine 10%ige Wasserstoffsuperoxydlösung auf 1 Stunde 
und überträgt sie dann in ihren schwächeren Nummern 1 Stunde, in ihren stär- 
keren Nummern 2 Stunden in die angegebene Silberlösung. Nach der Impräg- 
nierung mit Silber wird die Seide in 1%/, Sublimat 10 Minuten gekocht und auf- 
bewahrt. 


Welche Vorteile hat nun die Silberkautschukseide? 


1) Sie ist schon durch die Herstellungsmethode selbst steril und 
antiseptisch geworden, wie ich durch bakteriologische Untersuchun- 
gen, die an anderer Stelle mitgeteilt werden sollen, nachweisen konnte. 
— Sie kann, wenn nötig, vor jedem Gebrauche durch Kochen in 
1°/„igem Sublimat nachsterilisiert werden. 

2) Sie ist nicht mit wäßrigen Flüssigkeiten imbibierbar, 
wäre demnach auch nicht infizierbar, selbst wenn sie in ihrem Innern 

ein Antiseptikum enthielte. Diese Eigenschaft sichert also eine Steri- 
lität des Fadens auch dann, wenn derselbe versenkt wird, und zufällig 
Keime in die Nähe geraten sollten. 

3) Die Festigkeit des Nahtmaterials wird durch die Impräg- 
nierung mit Silber und Kautschuk nicht nur nicht beeinträchtigt, sondern 
sie nimmt noch um ein Drittel zu, wie meine Belastungsversuche 
dargetan haben. 

4) Die Herstellungsweise ist einfach und billig. Jeder Arzt 
kann sich seine Silberkautschukseide selbst bereiten. 

Wir haben also in der Kautschuksilberseide ein Nahtmaterial, 
welches für versenkte Nähte die guten Eigenschaften des Silberdrahtes 
mit denjenigen der Seide vereinigt und dessen exakte Herstellung nach 
der gegebenen Vorschrift sich lohnt. Für die äuBere Naht bleibt der 
Silberdraht weiter in Gebrauch. — 

Eine ausführliche Darstellung soll einer weiteren Arbeit vorbe- 
halten bleiben. 





1 Zu beziehen: Ash & S., zahnärztl. Depot, Berlin. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 941 


1) Noble. Overlapping the aponeurosis in the closure of 
wounds of the abdominal wall. 
(Annals of surgery 1906. Nr. 3.) 

Da es zur Vermeidung von Bauchbriichen bei Laparotomien be- 
sonders auf eine gute Fasciennaht ankommt, vernäht N. diese letztere 
so, daß ein Blatt der Fascie über dem anderen liegt. Nachem er 
z. B. die Bauchfellwunde durch Oatgut geschlossen hat, schneidet er 
das Fett von der Oberfläche der über dem Rectus liegenden Fascie 
1!/, Zoll weit nach der Seite zu fort; in gleicher Ausdehnung wird 
dann die Aponeurose auf der rechten Seite vom Rectus abpräpariert, 
nun auf die fettfrei gemachte Oberfläche der linken Seite herüber- 
gezogen und in dieser die linke Seite überdachenden Lage durch ein- 
fache oder Matratzennähte vernäht. Herhold (Altona). 





2) Cooper. Foreign-body pseudo-tuberculosis of the peri- 


toneum. 
(Annals of surgery 1906. Hft. 3.) 

Bei der Pseudotuberkulose des Bauchfells sieht man auf dem- 
selben kleine Knötchen, welche an Größe und Aussehen kaum von 
Miliartuberkeln zu unterscheiden sind; sie sind von peritonealem 
Endothel bedeckt und haben auch mikroskopisch Ahnlichkeit mit 
Miliartuberkeln, in welchen sich Riesenzellen befinden. Daß sie nicht 
tuberkulöser Natur sind geht daraus hervor, daß sie niemals Tuberkel- 
bazillen enthalten, und daß sich solche auch nicht durch Kulturen oder 
Tierversuche nachweisen lassen. Charakteristisch ist ferner, daß mei- 
stens in ihrer Mitte ein kleiner Fremdkörper gefunden wird (Cholestea- 
rinkristalle, Echinokokkenhäkchen, Schwammteilchen usw... Diese 
Fremdkörper haben dann die Pseudotuberkulose hervorgerufen. Nach 
anderen Autoren können aber auch andere Mikroben, wie z. B. Diph- 
theriebazillen, Gartenerdebazillen, Blastomyceten usw. die Ursache 
für die Pseudotuberkulose abgeben. Verf. warnt daher, bei Laparo- 
tomien nicht zu eilig die Diagnose auf Tuberkulose zu stellen und 
genau nach der Ursache der Knötchen zu forschen. Ein Fall von 
Pseudotuberkulose, den er selbst beobachtete, wird beschrieben. 

| Herhold (Altona). 





3) T. Guthrie. The treatment of tuberculous peritonitis. 
(Practitioner 1906. Mai.) 

Nach genauer Schilderung der früheren Behandlungsmethoden 
und ihrer Erfolge wird die moderne Therapie besprochen, wobei Verf. 
drei verschiedene Arten der tuberkulösen Peritonitis unterscheidet: 
1) die mit Ascites einhergehende, 2) die fibröse, 3) die käsig ulzerative 
Form. Auf Grund der neuerdings aufgestellten Statistiken in England 
über die Resultate nach chirurgischem Eingriff (Laparotomie) kommt 


942 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 


Verf. zu der Ansicht, daß ein jeder Fall von Peritonitis tuberculosa 
zuerst einer diätetisch-hygienischen Behandlungsmethode unterworfen 
werden soll und, falls keine Besserung eintritt, die mehr akuten Fälle 
nach einer Zeit von 3—4 Wochen interner Behandlung, die mehr 
chronischen nach 6—7 Wochen erst dem Chirurgen zu überlassen 
wären. Doch soll man sich hierbei stets nach dem Allgemeinzustande 
der Pat. richten und dieselben nicht zu sehr herunterkommen lassen, 
ehe zur Operation geschritten wird. Letztere besteht in einer 2 bis 
3 Zoll langen Inzision in der Medianlinie. Vor einem Eingehen in 
die Bauchhöhle mit der Hand, vor Entfernung des Ascites durch tief 
in den Douglas eingeführte sterile Bauchtücher — wie solches in der 
Göttinger Klinik regelmäßig ausgeführt wird — warnt Verf., da ein 
derartiger Eingriff wegen des Choks oder der Sepsis gefährlich sei. 
Doch könne man einzelne Verwachsungen, die vom Bauchschnitt aus 
leicht zu erreichen seien, unterbinden und durchtrennen, auch bei 
frühen Stadien der Erkrankung affızierte Lymphdriisen oder die er- 
krankten Tuben entfernen. Tuberkulöse Lungenerkrankung bildet keine 
Kontraindikation gegen die Operation, da man vielfach von letzterer 
eine günstige Einwirkung auf erstere beobachtet hat. Bei akuten, 
unter den Erscheinungen des Strangulationsileus oder der septischen 
Peritonitis einhergehenden Fällen, wo sich ein blutiges oder eitriges 
Exsudat findet, soll sofort die Laparotomie ausgeführt werden. Bei 
der fibrösen Form ist eine Operation nicht angebracht, da derartige 
Fälle spontan auszuheilen pflegen. Jenckel (Göttingen). 





4) O. Schumm. Die Untersuchung der Faces auf Blut. 
Jena, Gustav Fischer, 1906. 

S. betont die diagnostische Wichtigkeit des Nachweises kleiner, 
verborgener Blutungen im Verdauungskanal. Als Chemiker am Eppen- 
dorfer Krankenhaus hat er in jahrelanger Tätigkeit Gelegenheit zu 
zahlreichen Blutuntersuchungen im Stuhl gehabt und die verschiedensten 
Methoden versucht. Die makro- und mikroskopischen Untersuchungen 
des Kotes sind bei kleinen Blutungen durchaus unzulänglich, desgleichen 
die Teichmann’sche Hämin-, die Nencki-Kobert’sche Aceton- 
und die Adler’sche Benzidinprobe. Als zuverlässig hat sich dem 
Verf. die von ihm modifizierte Weber’sche Probe erwiesen, deren 
Ausführung er für die verschiedenen Formen der Stühle genau be- 
schreibt. Hierbei weist er auf die event. vorkommenden Fehlerquellen 
infolge nicht tadelloser Reagentien, infolge des Genusses rohen und 
gekochten Fleisches und chlorophyllreicher Vegetabilien, und infolge 
von Hyperazidität des Magens hin. Bei entsprechender Diät und An- 
wendung einwandsfreier Reagentien hält S. die modifizierte Weber ’sche 
Guajakprobe für die sicherste zur Bestimmung kleiner Mengen von 
Blut im Stuhlgang. Die Prinzipien dieser Methode sind Entwässerung, 
teilweise Entfettung und Entfärbung der zu untersuchenden Stuhl- 
menge, Extraktion, Reinigung des Extrakts und Ausführen der Ter- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 943 


pentin-Guajakprobe. Gewöhnlich läßt S. dieser Probe noch die 
spektroskopische auf Hämochromogen folgen, die aber, wie er besonders 
hervorhebt, an Feinheit der von ihm abgeänderten Weber’schen 
nachsteht. Müller (Dresden). 





5) McArdle. The radical cure of inguinal hernia. 
(Edinb. med. journ. 1906. Mai.) 

An der Hand von vier Skizzen setzt Verf. sein über 20 Jahre 
mit bestem Erfolg angewandtes Verfahren auseinander. Nach Spal- 
tung des Leistenkanales wird der Samenstrang freigelegt, die Kremaster- 
muskulatur getrennt, der Bruchsack isoliert, nach Reposition des In- 
haltes abgetragen, die Kremastermuskulatur durch fortlaufende Cat- 
gutnaht wieder vereinigt und darüber das Poupart’sche Band mit 
Transversus und Obliquus internus verniht. Der Hauptunterschied 
gegenüber den sonstigen Methoden besteht in der Wiedervereinigung 
der durchtrennten Aponeurose des Obliquus externus. Nach breiter 
Isolierung von der Umgebung werden die beiden Blätter möglichst 
weit übereinander hinweg gezogen und in dieser Stellung durch Seiden- 
nähte befestigt. Von der Verlagerung des Samenstranges nach Bas- 
sini hält Verf. nichts, da hierdurch Verhältnisse geschaffen würden, 
die den natürlichen widersprechen; auch Kocher’s Radikaloperation 
wird verworfen. Jenckel (Göttingen). 





6) A. Gosset. Lulcere peptique du jejunum apres gastro- 


enterostomie. 
(Revue de chir. XXVI. ann. Nr. 1 u. 2.) 

Es ist wohl eines der ernstesten Kapitel unserer modernen 
Chirurgie, das G. hier bespricht. Mußten schon die vereinzelt mit- 
geteilten Fälle von Ulcus pepticum jejuni verstimmen, und die anfäng- 
lch besonders für die Therapie des Magengeschwüres enthusiastisch 
aufgenommene, auf dem internationalen Kongreß in Brüssel geradezu 
rückhaltlos von mehreren Seiten empfohlene Gastroenterostomie in 
ihrer zuweit gesteckten Indikationsstellung beschränken, so müßten 
die von G. gesammelten 31 Fälle von Ulcus pepticum mit 10mal téd- 
lichem Ausgange doch zu ernsteren Erwägungen veranlassen; handelt 
sichs doch in der Mehrzahl um Fälle, die auch klinischer Behand- 
lung zugänglich sind; denn die Kasuistik betrifft nur Gastroentero- 
stomien nach Geschwür, nicht nach Karzinom. Mehrfach allerdings 
scheint die Ursache zur Geschwürsbildung große Enge des Pylorus, 
starke Erweiterung des Magens und starke Azidität gewesen zu sein. 

Auch die Art der Anheftung scheint insofern nicht ohne Bedeutung 
zu sein, als 15mal die Gastroenterostomia antecol. anter. von Ulcus 
pepticum gefolgt war. Nichtsdestoweniger bietet bisher keine aller 
bisherigen Modifikationen — abgesehen von der Gastroenterostomia 
antecol. duodenalis, nach der bislang noch kein Geschwür beobachtet 
wurde —, die Gewähr, daß sich in dem abführenden Dünndarmabschnitt 


944 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 


dicht unterhalb der Fistel ein Geschwür entwickelt, und es muß die 
Aufgabe der Zukunft bleiben, die Ursachen auch dieses Ereignisses nach 
Gastroenterostomie genauer zu studieren und ausschließen zu lernen. 
G. beschränkt sich im wesentlichen darauf, drei klinische Gruppen 
der Entwicklung des peptischen Geschwürs aufzustellen: 1) schleichende 
Bildung mit plétzlichem Durchbruch in die Bauchhöhle; 2) Ver- 
wachsung mit der vorderen Bauchwand unter plastisch peritonitischen 
Vorgängen; 3) Durchbruch in ein Nachbarorgan (Kolon). Für diese 
letzte Form liefert G. selbst einen lehrreichen Beitrag, wo er die 
Fisteln schloß, und weil dies beim Colon transv. zu Stenose zu führen 
schien, die Dleokolostomie daranfügte.e Aus der bisherigen Kasuistik 
glaubt er noch keine bindenden Schlüsse für die Prophylaxe ziehen 
zu können; doch empfiehlt er, die Anastomose möglichst fern vom 
Pylorus und — wo dies möglich sei — als Gastroduodenostomie an- 
zulegen. Jedenfalls bedarf die Frage weiterer eingehender Prüfung, 
auch experimenteller Natur. Ist doch auch beim Hunde das Vor- 
kommen des peptischen Jejunalgeschwiirs nach Gastroenterostomie 
bereits beschrieben. Christel (Metz). 





7) V. Pleth. A simple and practical method of performing 
anastomosis by means of the two knitting needles. 
(Amer. journ. of surg. 1906. Juni.) 

Das »Stricknadelverfahren« des Verf. ähnelt in etwas dem Were- 
lius’schen (Ref. in diesem Zentralblatt 1906 Nr. 27) und soll die 
Infektion des Bauchraumes durch austretenden Inhalt des Darmes 
vermeiden. Nach hinterer Serosanaht werden zwei gerade Stricknadeln 





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durch beide aneinandergelegte Därme so gestochen, daß sie durch die 
Lichtung hindurchgeben, und nun wird, indem beide Nadeln aneinander 
gelegt werden, hinter ihnen eine fortlaufende starke Seidennaht durch- 
gelegt (siehe Abbildung). Das Messer oder der Paquelin durchtrennt 
auf den Nadeln die Darmwände, so daß die befreiten Nadeln heraus- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 945 


fallen. Festes Anziehen des fortlaufenden Seidenfadens an beiden 
Enden verschließt sofort die Darmlichtungen, so daß eine vordere 
Sero-Serosanaht gelegt werden kann. Diese wird zu beiden Seiten 
mit den lang gelassenen Fäden der zu allererst gelegten, hinteren 
Serosanaht verbunden, indem zugleich der fortlaufende, die Lichtungen 
provisorisch schließende Faden aus der Seite herausgezogen wird. 
Eventuell nochmalige Übernähung. Der einzig zu fürchtende Übel- 
stand, eine Blutung, ist nach Verf. niemals eingetreten, trotz zahl- 
reicher Anwendung dieser »Knitting-needles-Methode« beim Menschen 
und vielen Tierexperimenten. Goebel (Breslau). 


8) G. B. A. Moynihan. Drainage of the intestine in acute 


obstruction. 
(Arch. internat. de chirurgie 1906. Vol. III. Fasc. 1.) 

Zwecks Entleerung des Inhaltes geblähter Darmschlingen bei aku- 
tem Darmverschluß wendet M. an Stelle der einfachen, aber manch- 
mal unzureichenden Punktion folgendes Verfahren an: Unter sorgfäl- 
tiger Beachtung der Asepsis wird durch einen kleinen Einschnitt in 
eine vorgelagerte Darmschlinge, die durch Zurückstreichen ihres In- 
haltes und Anlegen von Darmklemmen künstlich von Kot- und Gas- 
ansammlung befreit wurde, ein 8—9 Zoll langes Glasrohr eingeführt. 
Eine umgelegte Gummischlinge verhindert die Verschiebung des Darmes 





auf dem Glasrohr. Die herausfließenden Kotmassen werden durch 
einen angefügten Schlauch abgeleitet. Ist der nächstgelegene Darm- 
teil entleert, so werden die kollabierten Darmschlingen auf dem Glas- 
rohr zusammengeschoben und neue Schlingen herangeholt, bis 6 bis 
7 Fuß Darm auf das Glasrohr gestülpt sind. Die Entleerung des zu- 
führenden wie wegleitenden Darmteiles ist eine rasche und sehr gründ- 
liche. In einem Falle von Ileus benutzte M. nach Beendigung der 
Darmentleerung die Inzisionswunde des Colon asc. gleichzeitig zur 


Ausführung der Enteroanastomose mit der Flexura sigmoidea. 
Revenstorf (Hamburg). 


35** 


946 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 


9) R. Göbell. Ein Beitrag zur Pathologie und Therapie 
des inneren Darmverschlusses. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXII. p. 416.) 

Die 102 Seiten starke Arbeit berichtet über das Ileusmaterial 
der Helferich’schen Klinik in Kiel aus den Jahren 1899—1906, im 
ganzen 58 Fälle betreffend. Die Beobachtungen werden in die ver- 
schiedenen ätiologisch-klinisch zusammengehörigen Gruppen eingeteilt, 
Symptomatik, Prognose, Therapie bei jeder Gruppe einheitlich genau 
durchgesprochen, die ÖOperationsresultate statistisch gewürdigt und 
schließlich die sorgfältig geführten Krankengeschichten mitgeteilt. 
Das gebotene interessiert in hohem Grade, und ist gründliches Stu- 
dium desselben, insbesondere auch der Krankengeschichten, jedem 
Praktiker aufs angelegentlichste zu empfehlen. 

Für uns muß die Anführung des folgenden genügen. 54 Pat. 
wurden des Darmverschlusses wegen aufgenommen, bei 4 war er die 
unmittelbare Folge von in der Klinik vorgenommenen Operationen. 
Von den 54 wurden 26 (48,1%), von den 58 wurden 29 (50%) geheilt. 
Um akuten Darmverschluß handelte es sich bei 47 (44,6% Heilung), 
um chronischen Ileus bei 11 Pat. (90,9% Heilung). Nach Art des 
Verschlusses ergeben sich als Einzelzahlen: 1) Achsendrehung und 
Verknotung 14 Fälle, 2 geheilt, 12 +. 2) Innere Einklemmung 7 Fälle, 
3 geheilt, 4 +}. 3) Invaginationen, 6 Fille, 2 geheilt, 4+. 4) Torsion 
und Knickung 13 Fälle, 9 geheilt, 4+. 5) Umschniirung des Darmes, 
äußere und innere narbige Stenose. 6) Darmverschluß durch karzi- 
nomatöse Striktur. 4 Fälle, sämtlich geheilt. 7) Fremdkörperileus 
3 Fälle, sämtlich geheilt. (Es handelte sich je 1mal um einen Murphy- 
knopf, einen Gallenstein und einen Spulwurm). 8) Unaufgeklärt 
1 Fall, geheilt. 9) Postoperativer Darmverschluß 4 Fälle, 3 geheilt, 1 +. 

In klinisch-diagnostischer Hinsicht wird auf den Unterschied 
zwischen Strangulations- und Obturationsileus hingewiesen. Der 
erstere ist im Berichtsmaterial durch 12 Fälle von Volvulus, durch 
7 solche von bruchähnlicher innerer Einklemmung und 2 Fälle von 
bruchähnlicher innerer Einklemmung kombiniert mit Volvulus vertreten. 
Er hat ein fast typisches Krankheitsbild, dessen Zeichen folgende 
sind: Beginn mit heftigen Leibschmerzen, initiales Erbrechen, Chok, 
Stuhl- und Windverhaltung, sekundäres Erbrechen, das v. Wahl’sche 
Zeichen und freier Erguß. Ob auch vermehrte Peristaltik beobachtbar 
wird, hängt wesentlich vom Grade der Strangulation und von der 
Größe der strangulierten Darmpartie ab. Die Erscheinungen beim 
Obturationsileus sind viel weniger typisch. Initiales Erbrechen ist 
selten, vermehrte Peristaltik aber stets nachweisbar. Dabei ist wichtig, 
daß mit der Peristaltik fast immer ein kolikartiger, tourenweise auf- 
tretender Schmerz verbunden ist. 

In operativ-technischer Beziehung ist folgendes erwähnenswert. 
Jeder Operation wird eine gründliche Magenausspülung vorausgeschickt, 
stets wurde narkotisiert, auch im Chok. Bei der Operation ist Ab- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 947 


kühlung tunlichst zu vermeiden und deshalb auch auf schnelle Aus- 
führung des Eingriffes Wert zu legen. Bei Dünndarmverschlüssen 
ist in der Regel der lange mediane Bauchschnitt, wenn die Einklem- 
mung am unteren Ileum zu vermuten, ein rechtsseitiger Schrägschnitt 
zu wählen. Kann man nicht darauf rechnen, die Einklemmung, In- 
vagination usw. rasch zu beseitigen, so ist der zuführende, überfüllte 
Darm nach Einnähung eines Drains unter vorsichtigem Bestreichen 
gut zu entleeren, wonach sich die ganze Lage besser übersehen läßt. 
(In den Kieler Fällen wurde der Darm entleert 3lmal — 48,3% 
Heilung —, nicht entleert 21mal — 47,2% Heilung. Den Darm 
fixierende, torquierende, knickende Verklebungen sind zu lösen, im 
Anschluß hieran aber einfache Darmausschaltungen oft sehr ratsam. 
(Im Kieler Material 5mal vorgenommen, mit 3 Heilungen). Die 
Lichtung der ausgeschalteten Darmbezirke kann durch zusammen- 
raffende Nähte verengert werden. Daß häufig Darmresektionen er- 
forderlich werden, ersieht man aus der hohen Zahl von 25 derartigen 
im Berichtsmaterial erforderlich gewordenen Operationen, von denen 
15 geheilt sind. Am überdehnten zuführenden Darmende darf dabei 
nicht zu sehr gespart werden. Wenn tunlich, soll immer gleich die 
Darmpassage nach unten wieder hergestellt werden, wobei, wenn die 
untersten Dünndarmteile ausfallen mußten, der Vereinigung End-zu- 
End diejenige Seite zu Seite vorzuziehen ist. Der Darmknopf ist 
wegen schlechter Erfahrungen mit ihm ganz außer Gebrauch gesetzt. 
Kunstafteranlage am Dünndarm ist kontraindiziert; am Blinddarm 
empfiehlt G. zur Fistelbildung die im Berichtsmaterial allerdings nur 
einmal verwendete Appendikostomie. Der Fortsatz wird auf 2 bis 
3 cm Länge gestutzt und in den Blinddarm eingeführt, durch seine 
Lichtung ein Drain eingelegt. Außer zur Kotentleerung kann die 
Fistel auch zu Darmspülungen sowie zur Injektion von Nährklysmen 
benutzt werden. Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


10) W. Beach. Office treatment of rectal diseases. 
(Amer. journ. of surgery 1906. Juni.) 


Allgemeine Regeln zur ambulanten Behandlung von Mastdarm- 
kranken, Empfehlung der lokalen Anästhesie, da dieselbe den Pat. 
nicht so furchtbar erscheint, als Allgemeinnarkose, etwas summarische 
Aufzählung der Technik usw. Verf. macht die Lokalanästhesie der 
Schleimhaut mit sterilem Wasser event. mit Adrenalin; ist die Haut 
auch zu anästhesieren, so bevorzugt er Eukain (1%). Um den Ein- 
stich unempfindlich zu machen, tuschiert er mit Karbolsäure. Er 
betont, daß die Afternerven nur an den hinteren, seitlichen Quadranten 
eintreten, also hier leicht anästhesiert werden können. Schleimhaut- 
wunden näht er nicht, da diese besser durch Granulation heilen sollen. 
Nach Hämorrhoidal-, Fissur- usw. Operationen soll den zweiten Tag 
für Stuhlgang gesorgt werden. Goebel (Breslau. 


948 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 


11) Randell. A simple operation for piles. 
(Practitioner 1906. Juli.) 

Zur Beseitigung der Hämorrhoiden läßt Verf. die betreffenden 
Pat. vorher gut abführen, sowie am Tage der Operation ein heißes 
Sitzbad nehmen, um die Knoten zum Vorschein zu bringen. Unter 
Anästhesie werden letztere mit der Zange gefalit, gut herabgezogen, 
an der Basis mit Catgut unterbunden und oberhalb davon abgetragen, 
darauf ein Morphiumsuppositorium in den After geschoben und Pat. 
zu Bett gebracht. Am nächsten Morgen erhält Pat. ein Abführmittel 
(weiße Mixtur), das nochmals gereicht wird, bis leichter weicher Stuhl 
erfolgt. Auch am zweiten Morgen läßt Verf. dieses Abführmittel 
geben und gestattet den Pat. zur Stuhlentleerung aufzustehen und 
zum Abort zu gehen. In weniger als einer Woche können sie ent- 
lassen werden und wieder ihrer Beschäftigung nachgehen. Nur in 
einem Falle trat Nachblutung ein, die auf Tamponade stand. Über 


Mißerfolge (Lungenembolie) wird nichts berichtet 
Jenckel (Göttingen). 





12) F. Terrier et C. Dujarier. De la cholérragie dans les 


kystes hydatiques du foie. 
(Revue de chir. XXVI. ann. Nr. 1.) 

Nach Entleerung von Echinokokkusblasen der Leber ist eine 
relativ häufige Komplikation der Gallenfluß, der in verschiedenem 
Grade, von der einfach galligen Färbung des Sekretes bis zur völligen 
Entfärbung der Stühle, d.h. dem Austritt sämtlicher Galle durch die 
Wunde, sich entwickeln kann. Mit dieser letzten, schweren Form, 
die selbst zum tödlichen Ausgang führen kann, beschäftigen sich 
Verff., indem sie zuerst die bisher publizierten Fälle, deren Heilung 
auf operativem Wege versucht wurde, dann einen noch nicht veröffent- 
lichten Fall von Quenu mitteilen, um hierauf besonders die Atio- 
logie des Gallenflusses eingehender zu besprechen. 

Bezüglich seines Auftretens ist zu bemerken, daß bereits im un- 
mittelbaren Anschluß an die Entfernung des Sackes das Abfließen 
der Galle bemerkt wurde von Delbet, der die Öffnung sofort zu 
schließen vermochte; daß in den meisten Fällen erst nach Verlauf 
von Stunden das Absickern beginnt, daß endlich erst mehrere Monate 
nach der Operation bei noch bestehender Fistel das mißliche Ereignis 
eintreten kann. 

Mitbestimmend für das Zustandekommen des Gallenflusses scheinen 
Vereiterung der Uyste und Ikterus — also mechanisches Hindernis 
des natürlichen Abflusses — zu sein, was vor allem für Prognose und 
Therapie von Wichtigkeit ist. Wo jedoch diese Vorbedingung — Ver- 
schluß des Oholedochus durch entzündliche Schwellung, Gerinnsel 
(welcher Art?), Echinokokkusblasen, Steine — nicht erfüllt sind, ist 
die Erklärung nicht leicht. Genzmer glaubte die Entwicklung‘der 
Parasiten im Innern von Gallengängen anschuldigen zu sollen, was 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 949 


Verff. nicht recht gelten lassen wollen. Wahrscheinlicher scheinen 
die Theorien von Landau und Israel fiir die vereiterten Blasen, 
daß durch Abstoßung von Membranfetzen und inkrustierten Stellen 
Gallengänge geöffnet würden, und die von Wechselmann fiir nicht 
vereiterte Geschwülste, wo die in der Adventitia zahlreich verlaufenden 
oft vereiterten Gänge gleichsam ex vacuo durchlässig würden. 

Die Behandlung muß prophylaktisch und aktiv sein. Dies führte 
Verff. zur Frage, ob man durch Nahtverschluß der Tasche nach 
Bond (Billroth, Delbet-Capitonnage) dem GallenfluB vorbeugen 
könne — was sie verneinen; die übrigen gegen die Methode erhobenen 
Einwände sind bekannt. Prophylaktisch vermeide man zu radikales 
Ablösen der Membranen, besonders bei Eiterung, Spülung mit 
Causticis, welche die Gallengangwände anätzen könnten. Hat sich 
die ernste Komplikation des Gallenflusses eingestellt, ist der Stöpsel- 
versuch geraten; er kann zum Ziele führen (Quenu, Israel, Korach). 
Andernfalls suche man nach einem Hindernis oder versuche, den 
Abfluß durch Herstellung einer Kommunikation mit der Gallenblase 


(Körte) oder dem Hepaticus (Kehr) in den Darm zu erzielen. 
Christel (Metz). 


13) A. Valence. Abces du foie et cholérragie précoce. 
(Revue de chir. XXVI. ann. Nr. 1.) 

Die Arbeit steht in einem gewissen Gegensatz zur fast das gleiche 
Thema behandelnden von Terrier und Dujarier, gleichzeitig bietet 
sie eine willkommene Ergiinzung durch Beriicksichtigung der ana- 
tomischen Unterlagen. 

Verf. scheint wenig Wert zu legen auf schon bestehenden Ikterus, 
den er kaum erwähnt; gleichzeitigen Choledochusverschluß hat er 
unter allen ihm zugänglichen Fällen frühzeitigen — in oder gleich 
nach den ersten 24 Stunden nach der Operation auftretenden — 
Gallenflusses nur lmal verzeichnet gefunden. Auch glaubt er nicht, 
daß die Ausschälung und Ausspülung der Abszeßhöhle Ursache des 
Gallenflusses sei — eher ein zu langes Drain. Vielmehr nimmt er 
an, daß das kubische Epithel der Gallengänge ungeeignet sei, durch 
AbstoBung der Abszeßmembran freigelegte Astchen schnell zu ver- 
schließen, daß die mitunter erweiterten, gedehnten Kanälchen keinem 
Innendrucke stand hielten und leicht nachgäben. Erst wenn die all- 
gemeine Granulation die kleinen Fisteln überdeckte, käme ihre Heilung 
und Schließung zustande. Der Gallenfluß ist meist vorübergehend 
und von mäßiger Dauer, die Prognose günstig. Es komme viel darauf 
an, die Kranken bei Kräften zu erhalten und die Infektion zu ver- 
meiden. Die Drains sollen nicht bis auf den Boden des Abszesses 
reichen und bald gekürzt, die Abszeßränder in die Wunde genäht 
werden, um die Rippenfragmente vor Nekrose zu schützen. 

Christel (Metz). 





950 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 


14) Rose. Atonia gastrica in relation to cholelithiasis. 
(Post-graduate 1906. Juni.) 

Atonie des Magens ist häufig kombiniert mit bzw. abhängig von 
einer Erschlaffung der Bauchmuskulatur; zugleich haben solche Pat. 
oft Gallensteinbeschwerden, die nach des Verf.s Ansicht insofern von 
mechanischen Ursachen abzuleiten sind, als durch die Schlaffheit des 
Jieibes die Steine leicht in ihrer Lage verschoben werden können und 
dadurch Koliken auslösen. 

Verf. hat in solchen Fällen oft gute Erfolge gesehen von Stützung 
der unteren Leibeshälfte durch eine selbstkonstruierte Heftpflaster- 
bandage. Abbildungen. W. v. Brunn (Rostock). 
15) J. F. Erdmann. Cholecystectomy. 

(New York and Philadelphia med. journ. 1906. Februar 24.) 


16) W. P. Carr. Some dificulties of diagnosis and operation 


in diseases of the biliary tract. 
(Ibid.) 

E. empfiehlt, ausgedehnteren Gebrauch zu machen von der Exstir- 
pation der Gallenblase als eines überflüssigen Organes, das, einmal 
infiziert, eine Gefahr für seinen Träger bildet. C. warnt vor der 
Exstirpation, wenn sie nicht durch eine bösartige Geschwulst oder 
Verdacht darauf streng indiziert ist. Er berichtet über mehrere Fälle, 
in denen er später wegen Undurchgingigkeit des Choledochus die 
Gallenblase zur Cholecystenteroanastomose gebraucht hat. Man kann 
oft genug nicht sicher die Durchgängigkeit des Choledochus feststellen 
und erst recht nicht garantieren, daß er auch später durchgängig 
bleibt. E. dagegen macht die Exstirpation, wenn nicht die stein- 
haltige Blase sonst ganz gesund ist, oder aber Perforationen in den 
Darm bzw. starke Verwachsungen die Operation zu einer unnötig 
schwierigen oder gefährlichen machen, oder eine Indikation zu rascher 
Beendigung der Operation vorliegt. Gründe: raschere Rekonvaleszenz, 
Vermeiden einer zweiten Operation; Entfernung eines Organes, das, 
einmal infiziert, nicht ungefährlich ist. Lengemann (Bremen). 


Kleinere Mitteilungen. 


(Aus dem allgemeinen Krankenhause in Budweis. Vorstand: Primarius 
Dr. Mautner.) 


Uber retrograde Darminkarzeration. 
Von 


Dr. Emil Haim, 
Chirurg und Frauenarzt in Budweis. 





Unter dem Titel »>Zwei Diinndarmschlingen im eingeklemmten Bruche< haben 
Lauenstein! und Klauber? zwei kurze Mitteilungen erscheinen lassen, in 


1 Lauenst ein, Deutsche Zeitschrift fir Chirurgie Bd. LXX VIL Hft. 4—6. 
2 Klauber, Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 4. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 951 


welchen sie zusammen über fünf Fälle berichten, wo bei eingeklemmtem Leisten- 
bruche sich im Bruchsacke zwei Dünndarmschlingen befanden, während die Ver- 
bindungsschlinge derselben, welche in der Bauchhöhle lag, an der Inkarzeration 
teilnahm. Die Pathogenese dieses ebenso seltenen als überaus wichtigen Krank- 
heitsbildes ist noch gar nicht klargestellt, so daß es wünschenswert erscheint, jede 
neue Beobachtung zu veröffentlichen. 


Frau K. F., 74 Jahre alt, aufgenommen 4. Juli 1906, will früher stets gesund 
gewesen sein. Der rechtsseitige Schenkelbruch soll seit 3 Jahren bestehen, ließ 
sich früher stets anstandslos reponieren. Am Morgen des Aufnahmetages trat 
plötzlich der Bruch aus und ließ sich nicht mehr reponieren; zugleich traten hef- 
tige Schmerzen im Abdomen, sowie häufiges Erbrechen auf; Stuhl- und Windver- 
haltung. Der herbeigerufene Arzt ließ die Frau nach einigen vergeblichen Taxis- 
versuchen in das Krankenhaus schaffen. . 

Das Allgemeinbefinden der Frau bei der Aufnahme war dem Alter entsprechend 
gut; rechts bestand ein zweimannsfaustgroßer Schenkelbruch, der ziemlich weich, 
wenig empfindlich war, tympanitischen Perkussionsschall gab und sich nicht repo- 
nieren ließ. : 

Das Abdomen war im rechten unteren Anteile ziemlich prall gespannt, sehr 
druckempfindlich; deutliche beiderseitige Flankendämpfung. 

Operation in Chloroform-Athernarkose. Schnitt über die Kuppe der Ge- 
schwulst, Eröffnung des Bruchsackes. In demselben finden sich zwei Dünndarm- 
schlingen, welche gar nicht verändert sind; wenig Bruchwasser. Der Bruchring 
weit, beim Vorziehen der beiden Schlingen fällt die Verbindungsschlinge (20 cm 
lang) aus der Bauchhöhle vor, zugleich mit viel rötlich gefärbtem Bruchwasser. 
Die vorgefallene Schlinge ist lebhaft rot, prall gespannt und weist deutliche In- 
karzerationsringe auf. Nach Reposition der Schlingen wird die Bruchpforte durch 
Tabaksbeutelnaht geschlossen, der Bruchsack exstirpiert und darüber die Haut ver- 
näht. Der Verlauf war normal, Pat. konnte geheilt das Spital verlassen. 

Resumieren wir kurz: Bei einer 74jährigen Frau sind seit 3 Stunden die hef- 
tigsten Einklemmungserscheinungen eines Schenkelbruches aufgetreten. Sehr häu- 
figes Erbrechen, Stuhl- und Windverhaltung, Schmerzen im Abdomen, Unreponier- 
barkeit des Bruches. Der objektive Befund wies schon mehrfache Besonderheiten 
auf, welche sich nicht im Einklange mit den subjektiven Erscheinungen befanden. 
Der Bruch war nämlich ziemlich weich, nicht besonders schmerzhaft, ließ sich je- 
doch nicht reponieren; andererseits bestanden noch andere wichtige Symptome; es 
war im Gegensatz zur Bruchgeschwulst eine extreme Schmerzhaftigkeit des Ab- 
domens besonders im unteren rechten Anteile vorhanden; hier war dasselbe prall 
gespannt, sehr druckempfindlich, ferner war beiderseitige Flankendämpfung vor- 
handen. Die Operation ergab nun, daß im Bruchsacke zwei Darmschlingen von 
normalem Aussehen waren, während das im Abdomen befindliche Verbindungs- 
stück die Erscheinungen einer heftigen Einklemmung aufwies. 

Auch in den oben erwähnten fünf Fällen waren die Verhältnisse ähnlich. Be- 
sonders auffällig ist es, daß die in der Bauchhöhle liegende Verbindungsschlinge 
(V. S.) schon innerhalb kurzer Zeit so stark veründert war, daß sie in 
drei Fällen reseziert werden mußte. Eine einwandsfreie Deutung dieses Krank- 
heitsbildes zu geben ist nicht leicht. Lauenstein (l. c.) konnte eine Erklärung 
schon deshalb nicht finden, weil er annahm, daß das Mesenterium der V. S. 
innerhalb der Bauchhöhle frei von der Radix bis zum Einschnürungsringe 
herab verläuft. Auch Tierversuche haben ihm kein Resultat geliefert, die V. 
S. blieb stets unverändert, da er ja das ermährende Mesenterium derselben 
vollständig intakt ließ. Nach dem Befund in unserem Falle kann ich mich nur 
der Erklärung Klauber’s (l. c.) anschließen, »daß ein vollständiger Verschluß der 
Mesenterialgefäße der V. S. vorhanden war. Der Darm, welcher zu dem langen 
Mesenterialzipfel gehörte, war der Länge nach zu 2/3 im Bruchsacke gelegen 
und nur das peripherste Darmstück wieder in die Bauchhöhle zurückgelagert. 
Dies macht es schon von vornherein wahrscheinlich, daß die Gefäße, welche 
zur V.S. führten, den Bruchring zweimal passieren mußten. Beweisend für diese 


952 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 


Verhältnisse ist jedoch eine Thrombose der mesenterialen Gefäße, welche bezeugt, 
daß die Gangrän eben wie sonst durch Zirkulationsstörung des Mesenteriums 
zustande gekommen ist.« 

Noch ein Umstand spricht dafür, daß wir es hier eigentlich mit einer Stran- 
gulation der V. S. zu tun haben, das ist der rasche Eintritt der Gangrän; 
im Falle Klauber’s (l. c.) war es »innerhalb weniger Stunden« zur Gangrän des 
Darmes gekommen. Von den Fällen Lauenstein’s (I. c.) war es im Falle 2 
schon nach 2 Stunden zur mäßigen Infarzierung der V. S. gekommen, im Falle 3 
war der Darm nach 12 Stunden völlig dunkelblau schwarz verfärbt, lederartig, im 
Falle 4 war in wenigen Stunden eine Perforation der V. S. eingetreten. Auch in 
unserem Falle war schon nach 2 Stunden die V. S. lebhaft injiziert, gerötet und 
prall gespannt. 

Eine Tatsache erscheint mir noch wesentlich und bemerkenswert, deren Er- 
wähnung ich bei beiden oben erwähnten Autoren vermisse, das ist das Verhalten 
der beiden Darmschlingen im Bruchsacke. Von beiden Autoren wurde einfach 
angenommen, daß eine Inkarzeration der beiden Darmschlingen im Bruchsacke 
vorhanden war, wobei es ihnen jedoch auffällt, daß die in der Bauchhöhle befind- 
liche Schlinge sehr viel weiter vorgeschrittene Veränderungen zeigte. 

Nach meiner Meinung findet in diesen Fällen eine Inkarzeration der beiden 
Darmschlingen ursprünglich überhaupt nicht statt; Beweis dessen, daß in unserem 
Falle dieselben überhaupt nicht verändert waren. Auch von den früher beschrie- 
benen Fällen ist nur zweimal von nur geringgradigen Veränderungen der beiden 
Darmschlingen die Rede, während doch dreimal die V. S. reseziert werden 
mußte. Offenbar findet in diesen Fällen nur eine Einklemmung bzw. Strangu- 
lation der V. S. statt; ina der Folge kann es dann durch Schwellung des durch > 
die Bruchpforte ziehenden Mesenteriums zu einer Kompression der beiden Schlingen 
im Bruchsack und zur Bildung von Inkarzerationsringen kommen. Diese Verän- 
derungen sind jedoch nie hochgradig und kommen bei der rapid vor sich gehenden 
Gangrän der V. S. gar nicht in Betracht. 

Es ist daher auch gar nicht am Platze, hier von »zwei Darmschlingen im ein- 
geklemmten Bruche« zu sprechen, da ja das Wesentliche die Einklemmung der 
V. S. ist; ich möchte daher vorschlagen, das Krankheitsbild nach Analogie 
ähnlicher Vorgänge beim Proc. vermiformis, Tube, Netz (Maydl) retrograde 
Inkarzeration des Darmes zu nennen. Wir haben hier vollständig analoge 
Verhältnisse. Maydl3 hat diesen Terminus eingeführt und versteht darunter die 
Erscheinung, daß der inkarzerierte Teil des Organes bauchwärts vom inkarzerierten 
Ringe gelegen ist, während peripherwärts, d. h. im Bruchsack, ein verhältnismäßig 
normal beschaffener Teil des Eingeweides sich vorfindet. Anschließen möchte ich 
mich hier der Erklärung von Pupovac*, weshalb die peripheriewärts (im Bruch- 
sacke) gelegenen Organe nicht inkarzeriert sind. Derselbe sagt nämlich, daß die 
zu- und abführenden Gefäße des in der Bauchhöhle gelegenen 
Teiles zweimal eine Einschnürung erlitten haben, während der im 
Bruchsacke gelegene Teil diese Schädigung der Gefäße nur cinmal 
erlitten hat. 

Die Bedeutung dieses Krankleitsbildes ist gewiß eine imminente. Vor allem 
finden wir hier einen Grund mehr, welcher gegen die Taxis spricht, da es ja leicht 
vorkommen könnte, daß die Taxis der ziemlich normalen Darmschlingen leicht 
gelingt, während sich im Abdomen schon gangrünöser Darm vorfindet; ferner 
mahnt es uns, beim Befunde zweier Darmschlingen im Bruchsacke stets die V.S. 
sich zur Besichtigung zu bringen. 

Die Diagnose vorher zu stellen ist gewiß nicht leicht möglich. Vielleicht 
wird die besondere Größe des Bruches, ferner ein auffälliges Mißverhältnis zwi- 
schen den heftigen Inkarzerationserscheinungen und dem lokalen Befund am Bruche 
selbst, ferner eine besondere Schmerzhaftigkeit und Druckempfindlichkeit des Ab- 


3 Maydl, Wiener klin. Rundschau 1895. Nr. 2 u. 3. 
4 Pupo vac, Wiener klin. Wochenschrift 1900. Nr. 15.) 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 953 


domen an der Stelle, wo sich die V. S. findet, die eben beschriebene Inkarzera- 
tionsform vermuten lassen. 

Die Prognose ist sehr ernst, da sich sehr rasch eine Nekrose des in der 
Bauchhöhle befindlichen Darmes entwickelt. 

Die Therapie ergibt sich aus dem Vorhergehenden; dieselbe kann nur in 
einer möglichst frühzeitigen Operation bestehen. . 

Herrn Primarius Dr. Mautner sei für die Überlassung des Falles bestens ge- 
dankt. 


17) T. Voeckler. Zur Kasuistik der Bauchkontusionen. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXII. p. 280.) 


Eine Beobachtung aus der Habs’schen Spitalabteilung in Magdeburg-Suden- 
burg, einen 35jährigen Arbeiter betreffend, welcher von dem Hebel einer rotieren- 
den Zentrifuge in die linke Oberbauchgegend getroffen war. Danach war außer 
einer rasch vorübergehenden Ohnmacht eine deutliche Vorwölbung der völlig un- 
verletzten Haut eingetreten, in der beim Husten Schmerzen empfunden wurden, 
und die 8 Tage später der behandelnde Arzt inzidierte, aber ohne auf Eiter zu 
gelangen. Als am nächsten Tage der Verband stark durchgeblutet war, wurde 
Pat. ins Krankenhaus geschickt, wo er sehr anämisch anlangte. Bauchdecken leicht 
gespannt, links im Bauch Dämpfung. Unterhalb des linken Rippenbogens apfel- 
große, vorragende Geschwulst mit frischem Hautschnitt auf der Kuppe, aus dem sich 
bei Druck reichlich flüssiges Blut entleert. In der Geschwulstgegend ist unter der 
Haut eine Muskelzerreißung fühlbar. Bei der hierauf unternommenen Laparotomie 
kommt man auf in der Wunde leicht verklebtes Netz und nach dessen Lösung 
durch eine ca. 3markstückgroße runde, von Muskelrändern umgebene Öffnung in 
die freie Bauchhöhle, aus der sich in Menge flüssiges Blut entleert. Eine Erwei- 
terung des Bauchschnittes nach unten entleert neuerdings viel flüssiges und geron- 
nenes Blut. Die Revision der Eingeweide ergab keine Verletzung, dagegen fand 
sich innerhalb der Muskelsprengwunde eine spritzende Arterie, wohl die Epigastrica 
oder ein Ast derselben. Unterbindung des Gefäßes, Kochsalzausspülung der 
Bauchhöhle, Bauchdeckennaht und nach vorübergehender rechtsseitiger Pleuritis 
ungestörte Heilung. 

Es handelt sich also um eine subkutane Zerreißung oder Zertrümmerung sämt- 
licher Fauchwandschichten, auch des Bauchfells. Letzteres scheint bei ähnlichen 
Traumen, wie in diesem Falle, häufiger unzerrissen zu bleiben, so daß also eine 
traumatische Hernie entsteht. (Fälle von Renner, Lotheissen, Bilfinger, 
Witzel.) Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


18) Clay. Two cases of ruptured duodenal ulcer with a note on the 
effect of posture on the loss of liver dullness. 
(Brit. med. journ. 1906. Juni 9.) 


Fall I: 32jähriger Mann mit 9 Jahre währenden Magenbeschwerden, erkrankt 
mit heftigeren Schmerzen als sonst: Fehlen der Peristaltik, kein Erbrechen, 
schmerzhafte, rigide Bauchdecken ohne Auftreibung, Leberdämpfung erhalten. 
Operation 9 Stunden später: freies Gas in der Bauchhöhle, Loch im Duodenum, 
nahe dem Pylorus; Vernähung, Auswaschung, Drainageröhren in den Flanken und 
über der Symphyse. Heilung. 

Fall U: 58jähriger Mann erkrankt plötzlich mit Schmerzen in der unteren 
Bauchhälfte; Fehlen der Peristaltik, kein Erbrechen, schwerer Kollaps, rigide, ein- 
gezogene Bauchdecken, überall empfindlich, Dämpfung links, Fehlen der Leber- 
dämpfung in der Mammillar- und mittleren Axillarlinie. Operation wie vorher, 
Loch im Duodenum dicht am Pylorus, Vernähung, Auswaschung, Drainage wie 
oben. Tod 24 Stunden später. Sektion ergibt noch ein zweites Duodenalgeschwür. 
— Die fehlende Leberdämpfung kann wieder nachgewiesen werden bei rechter 
Seitenlage, verschwindet aber nicht plötzlich wieder bei linker Seitenlage, sondern 


954 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 


erst allmählich nach einigen heftigeren Bewegungen, wie Husten, Würgen. — Be- 


merkenswert ist das Fehlen von Erbrechen in beiden Fällen. 
Weber (Dresden). 


19) F. Warnecke. Ein eigenartiger Fall von Perforationsperitonitis. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXII. p. 295.) 


Beobachtung aus dem städtischen Krankenhause zu Rixdorf-Berlin (Prof. Sul- 
tan). 42jähriger Tischler, der im Dunkeln zu Boden gestolpert war und hierauf 
akut von schwerer Unterleibserkrankung befallen wurde. Im Spitale wurde er 
unter der Diagnose Perforationsperitonitis sofort laparotomiert, wobei die Perito- 
nitis sich bestätigte, die Perforationsstelle aber nicht gefunden wurde. Bei der 
Sektion fand man im Dickdarm, am Übergange zwischen Flexur und Mastdarm, 
ein feines Perforationsloch, dem auf der Darminnenseite eine 4:6 mm messende 
Schleimhautlücke mit glatten, flachen Rändern entspricht. Zeichen von Geschwürs- 
bildung und Entzündung fehlen hier völlig, und da sich etwas oberhalb eine zweite 
etwas kleinere Lücke fand, wo deren Mitte entsprechend eine breite Lücke in der 
Muscularis, ausgefüllt mit lockerem Bindegewebe und einigen Gefäßquerschnitten, 
vorhanden war, ist anzunehmen, daß hier wahrscheinlich falsche, Graser’sche 
Divertikel vorgelegen haben, von denen das eine infolge des geringfügigen Traumas 
zur Perforation gelangte. 

Der kasuistischen Mitteilung folgt Allgemeinbesprechung solcher Divertikel in 
anatomischer und klinischer Beziehung unter Berücksichtigung der neuen Literatur 
darüber. Meinhard Schmidt (Cuxhaven!. 


20) Bosse. Über diffuse eitrige Peritonitis. 
(Berliner klin. Wochenschrift 1906. Nr. 2.) 


B. berichtet über 12 operativ angegriffene Fälle, von denen nur einer, trotz 
sachgemäßer chirurgischer Hilfe, gerettet werden konnte (2jähriges Kind). Die 
Therapie bestand allemal in breiter Eröffnung des Bauches mit Drainage ohne 
unnötige Eventration, aber mit reichlichen Kochsalzspülungen (bis 20 Liter‘, mehr- 
fachen intravenösen und subkutanen Kochsalzinfusionen und energischer Unter- 
stützung der Herzkraft mittels Kampfer, Digalen usw. (bei den Appendicitisfällen). 
Bei diffuser Peritonitis infolge Perforation eines Magengeschwüres wurde stets ein 
langer Medianschnitt gemacht, die gefundene Perforationsöffnung übernäht und 
nach v. Mikulicz tamponiert. 

Die bakteriologischen Befunde bei verschiedenen Peritonitiden werden be- 
sprochen und die Maßnahmen, welche zur Bekämpfung der Infektion zu Gebote 
stehen. Bei schwerer Darmparalyse wird die Enterostomie empfohlen. Die Ge- 
winnung von Staphylokokken- und Bakterium Coli-Serum hat noch nichts prak- 
tisch Brauchbares zutage gefördert. Die Cred&’schen Silbersalze können in der 
bequemen Anwendung als Klysma immerhin versucht werden. Die Prophylaxe 
der Peritonitis bzw. die frühzeitige Operation ist zunächst immer noch das wirk- 
samste Mittel gegen die diffuse eitrige Peritonitis. Langemak (Erfurt). 


21) Schöppler. Eier von Oxyuris vermicularis L. im Wurmfortsatz. 
(Zentralblatt für Bakteriologie usw. Bd. XLI. Hft. 4.) 


Verf. fand im Wurmfortsatz eines an Diphtherie gestorbenen Kindes ein 
weißes, fadenförmiges, der Schleimhaut lose aufliegendes Gebilde, das sich bei 
mikroskopischer Untersuchung als aus Eiern von Oxyuris vermicularis bestehend 
entpuppte. S. nimmt an, daß ein in den Wurmfortsatz eingewandertes Weibchen 
dort zugrunde gegangen ist; der Körper wurde mazeriert, während die widerstands- 
fähigeren Eier erhalten blieben. Verf. hält es für möglich, daß die Eier an sich 
zu Entzündungserscheinungen und durch sekundäre Infektion zur Appendicitis An- 
laß geben können, oder daß die Eier sich inkrustieren und dann wie Kotsteine 
wirken. Goebel (Köln). 


Zentralblatt fiir Chirurgie. Nr. 35. 955 


22) M. Moullin. Inflammation of the appendix caused by a foreign 
body. 
(Brit. med. journ. 1906. Juni 9.) 


Der bekannte Chirurg am London Hospital fand bei der Operation eines in 
voller Gesundheit plötzlich erkrankten 16jährigen Burschen das distale Ende des 
Wurmfortsatzes perforiert, gangränös, erweitert, das proximale wenig verändert 
und an der ganz scharfen Begrenzung dieser Veränderungen eine die Lichtung des 
Fortsatzes verschlieBende Rosine in gequollenem Zustand. Anamnese und Befund 
ließen in diesem Fall ausnahmsweise keine andere Erklärung zu, als daß der ver- 
stopfende Fremdkörper durch Verursachung einer Stauung im distalen Ende die 
schwere Entzündung hervorgerufen habe. Die wenigen Fälle von Fremdkörpern, 
die Verf. bei hunderten von Appendixoperationen gefunden hatte, waren mit 
dieser einzigen Ausnahme rein zufälliges Zusammentreffen ohne ursächlichen Zu- 
sammenhang. Weber (Dresden). 


23) H. Henne. Zur Kasuistik der Appendicitis in graviditate. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXII. p. 595.) 


Bericht über einen von H. beobachteten und von v. Mandach (Schaffhausen) 
operierten Fall. 24jährige Zweitschwangere im 6. Monate. Die Operation wurde 
30 Stunden nach Einsetzen des akuten Anfalles, dem übrigens seit 2 Monaten Er- 
scheinungen von Dickdarmkatarrh vorausgegangen waren, ausgeführt. Der Wurm- 
fortsatz, leidlich gut zugänglich, fand sich nach der Hinterseite des Beckens in 
Exsudat gebettet auf dem M. ileopsoas fixiert. Er ist im Oberteile um 180° um 
die Längsachse gedreht. Appendektomie, glatte Heilung ohne Störung der Schwan- 
gerschaft, die mit normaler Geburt zu richtiger Zeit ihren Abschluß fand. Am 
Operationspriparate durchgehends der Befund beginnender Gangrän. 

Meinhard Schmidt (Cuxhaven'. 


24) Archibald. Subphrenic abscess complicating empyema; resection 
of ribs; cure. 
(Brit. med. journ. 1906. Mai 19.) 


Die subphrenische Eiterung als Folge einer im Brustraume vorhandenen infek- 
tiösen Ursache ist ein seltenes Ereignis. Verf. berechnet seinen Fall aus der Lite- 
ratur als den 18. sicher nachgewiesenen. Die Ursachen sind fast immer Empyeme 
durch Pneumonie, Influenza usw., selten Lungengangrän, Lungenabszeß, Tuber- 
kulose. Bis jetzt ist der subphrenische Abszeß aus obiger Ursache noch nie vor 
der Operation oder vor der Sektion nachgewiesen worden. Auch im vorliegenden 
Fall erkannte man den Zustand erst, als man nach Eröffnung des kleinen subphre- 
nischen Abszesses nochmals oberhalb mit der Nadel einging, Eiter fand, ihn durch 
erneute Rippenresektion entleerte und nun das Zwerchfell als Grenzmembran 
zwischen beiden Eiterherden zwischen zwei Fingern tasten konnte. Im Eiter 
fanden sich Pneumokokken. Glatte Heilung. Weber (Dresden). 


25) A. Brenner. Radikaloperationen bei Leistenhernien. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXIX. Hft. 4.) 


Verf. berichtet über ca. 2000 Fälle von Leistenbrüchen, die vom Jahre 1892 
bis Ende 1903 operiert wurden, und zwar nach der Methode Bassini’s mit der 
vom Verf. angegebenen Modifikation, die darin besteht, daß der M. cremaster zur 
Bildung der hinteren Wand des Leistenkanales verwendet wird (cf. Zentralblatt 
1898 Nr. 41). Das Operationsverfahren ist im großen und ganzen das alte geblie- 
ben; höchstens wurde den modernen Forschungen über Wundbehandlung bei Ver- 
wendung des Nahtmaterials, der Drainage usw. Rechnung getragen. Das Resultat 
waren 92% gute Dauererfolge. Die Rezidive betrugen 5. 

E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


956 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 


26) Pringle. Some. cases of hernia in which several loops of bowel 
were strangulated in the same sac. 
(Edinb. med. journ. 1906. Juni.) 

Vor 10 Jahren konnte Verf. innerhalb eines Monates zwei eingeklemmte 
Leistenbrüche operieren, von denen jeder den seltenen Befund zeigte, daß zwei 
Darmschlingen innerhalb des Bruchsackes sich befanden, die durch denselben 
Schnürring eingeklemmt waren. Bei einem im Jahre 1898 beobachteten Falle 
waren sogar drei Darmschlingen eingeklemmt. Bei der Reposition mußte stets 
nach Spaltung des Schnürringes die tiefer gelegene zuerst in die Bauchhohle zuriick- 
gebracht werden; erst dann gelang es, den Bruchsack vollkommen seines Inhaltes 
zu entleeren. Netz lag niemals vor. Da weitere Komplikationen fehlten, heilten 
alle drei Fälle glatt aus. 

Ahnliche Fälle in der Literatur waren nur von Lauenstein in der Deutschen 
Zeitschrift für Chirurgie beschrieben worden — vier Fälle, bei denen jedesmal zwei 
Darmschlingen den Bruchinhalt bildeten. Die Inspektion des innerhalb der Bauch- 
höhle liegenden, angrenzenden Darmstückes soll jedesmal ausgeführt werden, da 
hier eine Gangrän vorhanden sein kann, während der Bruchinhalt gesund zu sein 
scheint, wie der vierte, tödlich verlaufende Fall von Lauenstein beweist. 

Jenckel (Göttingen). 


27) Axhausen. Über den äußeren Schenkelbruch nebst Bemerkungen 
über die Klassifizierung der Schenkelbrüche. 
(Deutsche Zeitschrift fiir Chirurgie Bd. LX XXII. p. 96.) 


A. beobachtete gelegentlich einer Radikaloperation einen sicheren Fall von 
äußerer Schenkelhernie, die als solche schon vorher diagnostiziert war. Es handelt 
sich um eine 47jährige Witwe, sonst gesund und kräftig, aber mager — ob und 
wie viele Entbindungen bei ihr vorgekommen waren, wird nicht mitgeteilt. Sie 
hatte seit 5—6 Jahren mehrfach einklemmungsartige Unterleibskoliken durch- 
gemacht, die sie durch eigene Reposition einer kleinen Geschwulst der rechten 
Schenkelbeuge beseitigte; nur kurz vor der Spitalsaufnahme mußte eine Bruch- 
reposition von ärztlicher Hand ausgeführt werden. Befund: Lig. Poupart. auf- 
fallend schlaff; bei Husten tritt unterhalb desselben eine bmarkstückgroße flache 
Anschwellung hervor, und zwar lateral und dicht an der Art. femoralis. Außer- 
dem besteht bewegliche Retroflexio uteri. Operation: Spitzwinklig gegen das Lig. 
Poupart. gerichteter Schnitt über die Bruchgeschwulst. Nachdem das oberfläch- 
liche Blatt der Schenkelfascie gespalten, läßt sich durch Zerzupfen des Fett- 
gewebes ein anscheinend nur vom Bauchfell gebildeter Bruchsack ansichtig machen, 
welcher, 4—5 cm breit, das Poupart’sche Band um 3 cm nach unten überragend, der 
Fascia ileopectinea aufliegt. Nach innen grenzt er hart an die Arterie, nach auBen 
an die Verwachsungsstelle zwischen Lig. ileopectineum und Lig. Pouparti. Wie 
sich nach Aufschneiden des Bruchsackes zeigt, besitzt derselbe weder vor noch 
hinter den SchenkelgefiBen eine Fortsetzung zur Gegend des Schenkelkanales. Bei 
Anziehen des Bruchsackes kommt außer der A. epigastrica das runde Mutterband 
hervor, welches durch schleifenförmige Zusammennähung verkürzt wird. Tabaks- 
beutelnahtverschluß des Bruchsackes. Die sehr locker liegenden Schenkelgefäße 
werden nebst ihrer Bindegewebsumhüllung lateralwärts in den äußeren Bruch- 
pfortenwinkel verlagert und vernäht, wodurch die Bruckpfortenlücke auf die mediale 
Seite der Gefäße verlegt ist, um nunmehr durch Nähte zwischen Lig. Pouparti 
und Fascia ileopectinea (bzw. Lig. pubicum Cooperi) tunlichst geschlossen zu wer- 
den. Gutes Resultat, Bruchrezidivfreiheit nach 3/4 Jahren konstatiert. 

Die Benutzung des Platzes außen von den Gefäßen als Weg für einen Schenkel- 
bruch ist immer ungewöhnlich, da anatomisch normalerweise hier ein »binde- 
gewebiger Verschluß der Bauchhöhle« besteht. Immerhin findet man bei Leichen- 
untersuchungen zuweilen auch diese Stelle abnorm nachgiebig, so daß von der 
Bsuchhöhle die Fingerspitze hier sich ohne viel Widerstand einschieben läßt, was 
A. zweimal konstatieren konnte. A. berichtet überhaupt über von ihm ausgeführte 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 957 


Untersuchungen betreffend die Anatomie am Schenkelbogen, wobei er die älteren 
den gleichen Gegenstand betreffenden Beschreibungen der Herniologen Vessel- 
barth, Cooper usw. vergleicht und auch die Kasuistik der atypischen Schenkel- 
brüche berücksichtigt. Die äußeren Schenkelbrüche setzen der Regel nach eine 
Lockerung oder Spaltbildung der fasciösen Verschlußvorrichtungen am Schenkel- 
bogen voraus, die zwar häufiger auf Trauma beruht, wie bei den von Narath ge- 
legentlich der unblutigen Einrenkung angeborener Hüftverrenkungen beobachteten 
Fällen, doch auch als spontan entstehungsfähig betrachtet werden muß. Da 
Nomenklatur und anatomische Klassifizierung der verschiedenen beobachtbaren 
Bruchformen noch an Präzision zu wünschen lassen, schlägt A. folgende Einteilung 
derselben vor: 
Schenkelbrüche, 


I. die Lacuna vasorum passierend, 
1) die Lacuna als Ganzes, vor den Gefäßen herabsteigend (»Hernia cruralis 
vasulo-lacunaris«). 
2) Teile der Lacuna. 
a. Das Innenfach (»Hernia cruralis interna«, bzw. gewöhnliche H. cruralis). 
b. Die Vagina vasorum propria: (»Hernia cruralis intravaginalis«). 
c. Das Außenfach (»Hernia cruralis externa«). 
iI. Die Lacuna musculorum passierend (»Hernia cruralis musculo-lacunaris«). 
Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


28) @. Blech. Zur Kasuistik der Hernia ischiadica. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXII. p. 278.) 


Beschreibung und Abbildung folgenden bei einer wegen Spondylitis behandel- 
ten 38jährigen Virgo beiläufig aufgenommenen Befundes: Am unteren Rande des 
M. glutaeus (sc. maximus, Ref.) eine halbkugelige, leicht zugespitzte Geschwulst, 
deren Basis ca. 14 cm Umfang hat und deren Höhe 21/, cm mißt. Nach dem bei- 
gegebenen Photogramm zu schließen, sitzt sie ganz nahe dem Tuber ischii — im 
Text ist hierüber nichts gesagt. Cystenähnlich weich, läßt sie sich leicht, doch 
ohne irgendwelches wahrnehmbares Geräusch wegdrücken, auf Husten erscheint sie 
wieder. Mittels Fingerdruck fühlt man in der Tiefe eine scharfumranderte Off- 
nung, die sich ebenso wie die ganze Geschwulst nach oben verschieben läßt. Der 
Lage nach scheint sie dem unteren Rande des M. gemellus sup. oder dem oberen 
Rande des M. obturator int. zu entsprechen. Da die Geschwulst weder im Damm, 
noch in der Fossa ischio-rectalis liegt, ist nur eine Hernia ischiadica zu diagnosti- 
zieren. Cyste, Lipom, Abszeß und Bursitis sind ausschließbar. Die Geschwulst 
besteht in der beschriebenen Weise seit 4 oder 5 Jahren, hat aber nie Beschwer- 
den gemacht und bedarf zurzeit keiner Behandlung. 

Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


29) Methling. Zur Kasuistik der Zwerchfellshernien. Ein Fall von 
eingeklemmter Zwerchfellshernie. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXII. p. 265.) 


Beobachtung der Kieler Klinik, betreffend einen 29jährigen Arbeiter, der gut 
2 Jahre vor der Erkrankung an Darmeinklemmung eine Stichwunde im linken 
7. Interkostalraum überstanden hatte. Dieselbe war, anscheinend unkompliziert, per 
primam gut geheilt, doch hatte Pat., ohne übrigens in der Arbeit gestört zu sein, 
seitdem oft über Stiche links und Herzklopfen zu klagen gehabt. Jetzt war er 
plötzlich mit stärkeren Schmerzen links und Erbrechen erkrankt. Dämpfung auf 
dem linken unterer Lungenlappen, auch blutiges Pleuraexsudat links wurde nach- 
weisbar, außerdem aber trat Darmverschluß mit Meteorismus usw. ein, so daß 
3 Tage später Pat. in die Klinik mußte, wo unter der Annahme innerer Einklem- 
` mung sofort laparotomiert wurde. Es findet sich das Querkolon in einem Zwerch- 
fellsloch eingeklemmt, das unterhalb und links vorn von der Zwerchfellkuppe liegt. 
Einkerbung des Zwerchfellbruchpfortenringes, Entwicklung des Darmes nebst Netz, 


958 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 


die, weil brandig, reseziert werden müssen. Einnähung des Darmes in die Bauch- 
wunde als Kunstafter. Der schwer erschöpfte Kranke erlag trotz der üblichen 
Exzitantien bald nach der Operation. Bei der Sektion wurde ein Bruchsack nicht 
gefunden, es handelte sich mithin um eine unwahre Hernie. Sonst ist von Inter- 
esse, daß sich auf der Serosa des Jejunum sehnige Längsstreifen auf 1 m Länge 
fanden. Die dann folgende Darmpartie, ebenfalls in 1m Länge, war stark er- 
weitert, die Schleimhaut hier gleichmäßig intensiv dunkelrot. M. schließt hieraus 
als wahrscheinlich, daß diese Darmpartien früher auch Bruchinhalt gebildet haben 
mögen, was die vom Kranken früher geklagten Schmerzen und sein Herzklopfen 
erklären könnte. Ist diese Annahme zutreffend, so wäre daraus zu folgern, daß 
die Zwerchfellwunde nie zur Heilung gelangt gewesen ist. 
Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


30) Wieting. Uber die Hernia diaphragmatica, namentlich ihre chro- 
nische Form. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXII. p. 315.) 

Die Arbeit basiert auf drei eigenen Beobachtungen W.’s im Konstantinopeler 
Krankenhause Gülhane, von denen eine bereits veröffentlicht und in diesem Blatte 
p. 92 laufenden Jahrg. referiert ist. Von den neu beschriebenen interessiert be- 
sonders die folgende: 19jähriger Mann, der vor 1 Jahre zwei binnen 2—3 Wochen 
geheilte Revolverschüsse in die linke Körperseite erhalten hatte. Seit 2 Monaten 
schwere Erscheinungen, Magenschmerzen, Angst und Beklemmung nach dem 
Essen, das Pat., um Ruhe zu bekommen, meist künstlich durch Brechen entleert; 
starke Abmagerung. Durch Perkussion und Röntgen ist eine Herzverschiebung 
nach rechts leicht nachweisbar. Daß der Magen in der linken Pleurahöhle ver- 
lagert ist, lehrt u. a. die Lufteinblasung in diesen, welche Aufwölbung der linken 
unteren Brustpartie zur Folge hat. Ein Dämpfungsbezirk entspricht außerdem dem 
Mageninhalt innerhalb der Pleurahöhle, dessen Beweglichkeit bei Lagewechsel 
ebenfalls durch Perkussion und Röntgen ersichtlich ist. Operation mittels Schnitt 
parallel dem linken Rippenbogen mit Einkerbung des M. rectus. Ein über taler- 
großes Loch im Zwerchfell 2 Finger breit von der Mittellinie, um 3 Fingerbreiten vom 
vorderen Ansatz entfernt und von eintretenden Eingeweiden gefüllt, wird leicht 
tastbar, ist aber noch ungenügend zugänglich, weshalb noch ein auf den gemachten 
Schnitt senkrecht verlaufender zweiter hinzugefügt und in diesem die 6.—9. Rippe 
ohne Verletzung der Pleura durchschnitten wird. Die Entwicklung von Magen, 
Dickdarm und Milz gelingt aber erst, als Brechbewegungen eintreten und bei 
Einführung von 2 Fingern Luft in die Brusthöhle schlürft. Nach endlicher Unter- 
bindung und Abtrennung eines mit dem Herzbeutel verwachsenen Netzzipfels 
Naht des Zwerchfelloches nebst dem in ihm belassenen Netzzipfel, Befestigung der 
übrigens verkleinerten Milz ans Zwerchfell, kleines Gazedrain an die Zwerchfell- 
naht, Bauchnaht. Die Genesung wurde durch ein linksseitiges Empyem der Pleura 
gestört, nach dessen Operation tadellose, völlige Heilung eintrat. 

Anatomisch interessiert, wie W. im Allgemeintext erörtert, in diesem Falle 
ganz besonders die Netzverwachsung. Man kann annehmen, daß das Netz in sol- 
chen Fällen zuerst in die Brusthöhle gerät; ist es dort erst irgendwo angewachsen, 
so dient es für die übrigen Organe sozusagen als Leitband für ihre Wanderung 
in den Bruch, und Dickdarm wie Magen folgen ihm, sich um die Längsachse 
drehend, nach. 

Bei Fall 3, einer Brustschußwunde mit Leberverletzung und Tod an Pyle- 
phlebitis, ist der Zwerchfellbruch nur ein interessanter Nebenbefund bei der Sek- 
tion. In der Narbe der Hautausschußöffnung sitzt ein Zwerchfellsdefekt, in dem 
ringsum Netz angewachsen. Von letzterem haftet ein Zipfel auch an der Lunge 
und an der Cutis. Eine Dickdarmschlinge ist durch das Netz nach oben gezogen. 

Die Allgemeinbemerkungen beschäftigen sich u. a. mit dem Unterschiede von 
Hernia und Eventratio diaphragmatica und deren recht schwierigen diagnostischen 
Auseinanderhaltung. Erwähnenswert sind auch W.'s Erörterungen über die besten 
operativen Maßnahmen. Zur Feststellung, ob eine penetrierende Brustwunde mit 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 959 


Zwerchfellsverletzung verbunden ist, empfiehlt er eine Rippenresektion, die guten 
Einblick, event. Untersuchung mit der Hand, nicht bloß mit einem Finger zuläßt. 
Ist eine Zwerchfellperforation festgestellt, so soll der Regel nach laparotomiert 
werden, um nach Eingeweideverletzungen zu sehen. Auch für Behandlung von 
Zwerchfellbrucheinklemmungen soll neben der Laparotomie, zu der man bei un- 
klarer Diagnose schreiten wird, der Brustschnitt verwertet werden. Dagegen ist 
zum Angehen alter diagnostizierter Hernien mit chronischen Symptomen der 
Bauchschnitt wohl stets der gewiesene Weg. 
Meinhard Schmidt Cuxhaven). 


31) C. Lauenstein. Ein ungewöhnlicher Verbleib des Murphyknopfes. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXII. p. 262.) 


L. gastroenterostomierte ein 38jähriges Fräulein wegen Pylorusstenose und 
Sanduhrmagen mittels Murphyknopf. Der eingetretene, sonst sehr gute Erfolg 
wurde durch lästige, heftige Schmerzen in der Magengegend, am stärksten bei 
leerem Magen fühlbar, beeinträchtigt. Der Knopf, welcher bei der Entlassung 
scheinbar an der Öperationsstelle liegend mittels Röntgen noch sichtbar war, war 
dies auch noch 4 Monate später, als die Pat. ihre Klagen führte, und zwar 6cm 
nach links von der Wirbelsäule, in der Höhe des 2. Lendenwirbels. Es wurde 
laparotomiert, der Knopf aber, wo er zunächst gesucht wurde, nämlich im Magen, 
nicht gefunden, statt dessen im zuführenden Teile der angehefteten Jejunumschlinge. 
Exzision, Naht, Heilung mit völliger Beseitigung der Beschwerden. Auf Grund 
dieser Beobachtung schließt sich L. dem Vorschlage Gelpke's an, die zur Ana- 
stomose benutzte Darmschlinge oralwarts der Kommunikationsstelle durch einen 
umgelegten Seidenfaden zu verengern. Um Ortsänderung des Fadens zu verhindern, 
empfiehlt er, bei seiner Anlegung an mehreren Stellen die Serosa mitzufassen. 

Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


32) H. Ito und 8. Asahara. Uber die operative Behandlung der 
multiplen tuberkulösen Darmstrikturen. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXII. p. 344.) 


Verff. bringen zur Sache fünf von ihnen in der Klinik zu Kyoto operierte, 
eigene, neue einschlägige Fälle, in denen dreimal eine Darmausschaltung (Entero- 
anastomose ober- und unterhalb des Strikturenbereiches), einmal eine Resektion 
von 95 cm Dünndarm vorgenommen wurde, einmal endlich nach Eröffnung des 
Leibes kein weiterer Eingriff stattfand. Der Resektionsfall endete tödlich, die 
Enteroanastomosen hatten gute Resultate, zum Teil auch von Dauer und völlig 
befriedigend. 

Der Krankengeschichtsmitteilung folgen Allgemeinbemerkungen, insbesondere 
über die Frage. welche Operationsmethode für das Leiden am meisten ratsam ist. 
Es handelt sich im wesentlichen nur darum, ob Resektion oder Anastomosenbildung 
vorzuziehen ist. Die Verff. entscheiden sich für die Anastomose. Dieselbe ist un- 
gefährlicher als die Resektion und reicht dabei praktisch völlig aus. Zunächst nur 
als palliatives Verfahren erscheinend, bessert sie doch die Ernährungsbedingungen 
für den Pat., und dem Organismus die Möglichkeit bietend, die noch übrigen 
Infektionskeime auszuscheiden, kann sie langsam und stetig die völlige Ausheilung 
vermitteln, wirkt also schließlich auch radikal. 

Zum Schluß steht ein 60 Arbeiten nachweisendes Literaturverzeichnis. 

Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


33) 8. G. Gant. Excision of the transverse colon, sigmoid and rectum 
for multiple stricture and ulcerative coloproctitis. 
‘Amer, journ. of surg. 1906. Juni.) 

Eine 17jahrige Leidensgeschichte ging der Operation voraus. Dieselbe bestand 
in der SchlieBung eines rechts- und linksseitigen widernatiirlichen Afters, Anlegung 
eines neuen in der Mitte des Colon transversum. Lange vorher schon war der 
verengte Mastdarm entfernt. Das Mesenterium der entfernten Teile {Flexur, Colon 


960 Zentralblatt far Chirurgie. Nr. 35. 


descend. und halbes Colon asc.) war auf 2 Zoll Dicke angewachsen, eine geschwulst- 
artige Striktur fand sich in der Mitte des Colon descendens. Sie bestand im 
wesentlichen aus Granulationsgewebe, in dem die Schleimhaut bis auf wenige Reste 
untergegangen war, Infiltration der Muscularis und Verdickung der Appendices, 
Mikroskopisch fiel eine, oft bis zum Verschluß führende Endarteriitis, verbunden 
mit Hypertrophie der Media, insbesondere der Arterienmuskulatur und periarterieller 
Rundzelleninfiltration, auf, also Erscheinungen, die an Syphilis denken lassen. 
Goebel (Breslau). 


34) G. Donks. Zur Diagnose und Behandlung der Leberverletzungen. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXII. p. 307.) 

D. publiziert aus dem Berlin-Friedrichshainer Krankenhause sieben Fälle von 
Leberverletzung, die sämtlich laparotomiert, und von denen drei geheilt wurden. 
Von den letzteren war je einer durch Schuß bzw. durch Hufschlag gegen den 
Leib und Überfahren verletzt. 

Abgesehen von der Schußverletzung, die den linken Leberlappen betroffen 
hatte, war der Sitz des Leberrisses fünfmal der rechte Leberlappen und hauptsäch- 
lich stets dessen obere Oberfläche, nur einmal der linke Lappen. lIsolierte Risse 
an der konkaven Seite der Leber fanden sich nie. Von symptomatischen Erschei- 
nungen fehlten nie die Spannung und Schmerzhaftigkeit der Bauchdecken. Die 
Behandlung bestand in zwei Fällen in tiefgreifenden Catgutähten, sonst stets in 
Tamponade. Von letzterer wurde nie Nachteil beobachtet, und da eine Nach- 
blutung nach ihr nie auftrat, wird sie von D. bestens empfohlen. Der Tod der 
vier erlegenen Pat., die übrigens auch binnen 4 Stunden nach dem Unfall operiert 
wurden, beruhte auf zu schwerer Verletzung bzw. bereits stattgefundener zu starker 
Blutung. Frühzeitige Laparotomie bei Verdacht auf Leberrisse ist ebenso gerecht- 
fertigt bzw. nötig wie bei allen übrigen Zerreißungen von Unterleibsorganen oder 
bei geplatzter Extra-uterin-Schwangerschaft. Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 





Entgegnung auf den Artikel des Herrn Prof. 
E, Goldmann: „Zur offenen Wundbehandlung 


von Hauttransplantationen‘ 
(Zentralblatt fiir Chirurgie 1906 p. 793). 
Von 
Dr. Alfred Weischer in Hamm i. W. 


Aus dem Satze Brüning's: »das Sekret, wie es besonders bei alten granulieren- 
den Wunden reichlich gebildet wird, hat, wenn es nicht gleich einirocknet, jeden- 
falls guten Abfluß«, habe ich sicher nicht allein geschlossen, daß die offene Wund- 
behandlung sich auch »für große, stark sexernierende, nicht ganz eiterfreie Wunden« 
eignete; denn die alten gramulierenden Wunden scheiden nicht ein seröses, sondern 
ein mehr oder weniger mit Eiler gemischles Sekret ab. 

Gerade für diese Fälle habe ich meine Methode empfohlen, da sie erstens die 
infizierten, oberflächlichen Granulationsschichten entfernt und zweitens durch die 
feuchten Kochsalxkompressen die Gerinnung des neu sich bildenden Sekretes am besten 
verhindert, so daß es leicht in den Verband aufgenommen werden kann. 

Ob sich für diese Wunden die offene Wundbehandlung nach Herrn Prof. E. 
Goldmann, d.h. das Auflegen der Transplantationsläppchen auf die unberührte 
Granulationsfläche ohne jede weitere Bedeckung besser eignet, wie meine Methode, 
kann nicht theoretisch, sondern nur praktisch entschieden werden. 


Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man 
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- 
handlung Breitkopf & Härtel, einsenden. 


Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig, Nürnbergerstraße 36/38. 


Zentralblatt 
CHIRURGIE 


F. u Boram, F, Kinig, E. Richter, 





Dreiunddreißigster Jahrgang. 


Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei halbjähriger 
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten. 


Nr. 36. Sonnabend, den 8. September. 1906. 














Inhalt: 1) Schäfer, Svenson und v. der Osten-Sacken, Die Wirkung der japanischen 
Kriegswaffen. — 2) Borst, Geschwülste. — 3) Schwarz u. Chevrier, Osteoperiostale Lipome. 
— 4)Thesing, Muskelhypertrophie als Unfallfolge. — 5) Meyer, Zur Regeneration von Lymph- 
drüsen. — 6) Taylor, Zur Wirkung der Réntgenstrahlen. — 7) Budde, Nahseide. — 8) Beck, 
Deckung von Schädellücken. — 9) Gomperz, Mittelohrentzündung. — 10) Hammerschlag, 
Trigeminusneuralgie. — 11) Mouret, 12) Freer, Resektion der Nasenscheidewand. — 13) Del- 
saux, Nasennebenhöhleneiterung. — 14) Donati, Ostitis purulenta der Wirbelsäule. — 
15) Schlesinger, Basedow. — 16) Frey, Anästhesierung des Kehlkopfes. — 17) Otten, Lun- 
genkrebs. — 18) Murphy, Zur Amputatio mammae. 

I. L. Grünwald, Pharyngotomia suprahyoidea. — II. C. Lauenstein, Die nachträgliche 
Entfernung eingewachsener oder eingeklemmter Gazestreifen. (Original-Mitteilungen.) 

19) Reinhard, Zur Tamponfrage. — 20) Schlesinger, Myositis gonorrboica apostematosa. 
— 1) Putti, Deformitäten durch Muskelangiom. — 22) Nordmann, 23) Lossen, Stauungs- 
hyperämie. — 24) Lop, Tetanus. — 25) Jirotka, 26) Albers-Schönberg, 27) Peters, 28) Wo- 
darz, 29) Jungmann, Röntgenologisches. — 30) Trivas, Anosmie nach Schädelbruch. — 
31) Laflte-Dupont, Meningitis nach Labyrinthitis. — 32) Bouain, Meningealh&morrhagie nach 
Mastoidoperationen. — 33) Haasler, Hirngeschwulst. — 34) Uchermann, Thrombose des Si- 
nus occipitalis. — 35) Baurowicz, Nasenmuschelcyste. — 36) Onodi, Empyem des Sinus 
maxillaris. — 37) Bichaton, Mukokele des Sinus maxillaris. — 38) Botey, Rhinolith. — 
39) Brindel, 40) Duverger, Nasengeschwülste. — 41) Colller, Wangennaevus. — 42) Cheatle, 
Zungensarkom. — 43) Ledinger, Mandelgeschwulst. — 44) Daptas, Retropharyngealabszeß. 
— 45) Urunuela, Intubation bei Kehlkopffraktur. — 46) Wendeborn, Kehlkopfstenosen und 
-Defekte. — 47) Polyäk, Stauungshyperämie bei Erkrankungen der oberen Luftwege. — 
— 48) Mader, Röntgentherapie in den oberen Luftwegen. — 49) Bogoljubow, Epiglottis- 
cysten. — 60) Johnson, 51) Henricl, 52) Moure, Bronchoskopie. — 53) Jouffray, Asphyxie 
bet Kropfoperationen. — 54) Mauclaire und Zesas, Herzmassage. — 55) v. Navratil, Echino- 
kokkus des Mediastinums. — 56) Küppers, Sterilisierapparat. — 57) Relnecke, Arterien- 
klemme. 





1) F. Schäfer, E. Svenson und E. v. der Osten-Sacken, 
Über die Wirkung der japanischen Kriegswaffen im mand- 
schurischen Feldzuge. 

(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXIX. Hft. 4.) 


Die Verff. untersuchten die in die Front zurückgekehrten Ver- 
wundeten bei einem Teile der russischen Feldarmee. Die Verwundeten 
wurden einzeln, wenn nötig entblößt, vorgeführt und nach einem ver- 


36 


962 | Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 


abredeten Modus examiniert, u. a. auch über Transport und Verband. 
Über jeden Untersuchten wurde eine Zählkarte aufgestellt. Vor allem 
wollte man sehen, was aus den Verwundeten wird, die man bisher 
nur in frischem Zustande der Verletzung beobachtet hatte, um einen 
Gesamteindruck von der Wirkung der japanischen Geschosse zu er- 
halten. Zu diesem Zwecke mußten bei dieser Gelegenheit auch die 
Verlustlisten der einzelnen Regimenter zusammengestellt werden. Das 
statistische Material derselben bildet den vorliegenden ersten Teil der 
gemeinsamen Arbeit, während der zweite Teil die Ergebnisse der 
körperlichen Untersuchungen bringen soll. Die großen Schlachten des 
russisch-japanischen Krieges werden als blutige, ja als mörderische 
bezeichnet. Allein die vielfach vertretene Annahme, daß ganz uner- 
hörte, beispiellose Massenverluste eingetreten seien, wird als unhaltbar 
angesehen, da z. B. auch in dem deutsch-französischen Kriege größere 
und kleinere Truppenverbände von gleichen Verlusten betroffen worden 
seien. Sicher scheint dagegen zu sein, daß die Gefährdung des ein- 
zelnen Mannes durch das feindliche Feuer in dem mandschurischen 
Kriege erheblich größer war als 1870/71 auf deutscher Seite. Die 
Offiziere hatten durchweg viel höhere Verluste als die Mannschaften. 
Die Zahl der Gefallenen verhielt sich bei dem Armeekorps der Verff. 
zu der Zahl der übrigen Verwundeten wie 1:5,5. Auffallend niedrig 
dagegen war der Prozentsatz der nachträglich ihren Wunden Erlegenen, 
viel geringer als es aus früheren Kriegen bekannt ist. Die allgemeine 
Wundprognose war so günstig wie in keinem Kriege zuvor. Was die 
Wiederherstellung der Dienstfähigkeit betrifft, so wurden 3 Monate 
nach der Schlacht bei Mukden etwa die Hälfte aller Verwundeten 
wieder in der Front vorgefunden, nach der Verff. Ansicht ein glänzen- 
des Zeugnis für den miltärischen Wert des russischen Soldaten. Die 
Verwundungen durch Nahewaffen haben eine geringe Rolle gespielt. 
Noch mehr gilt das von den Verwundungen durch blanke Waffen 
allein. Bajonettwunden waren sehr selten. Die landläufige Ansicht, 
daß Artillerieverletzungen im allgemeinen schwerer und lebensgefähr- 
licher seien als Gewehrverletzungen, ließ sich nicht aufrecht erhalten. 
Regionär fielen ?/; aller Verwundungen auf die Extremitäten. Sonst 
war die Reihenfolge: Kopf, Hals, Brust und Rücken, Bauch und 
Becken. Die Hälfte aller tödlichen Wunde entfiel auf den Kopf, 
während die Extremitäten hier nur mit 2% beteiligt sind. Etwa 70% 
der Verwundeten konnten das Schlachtfeld zu Fuß verlassen. 

Die Verff. halten es für wünschenswert, daß alle Verwundeten 
auf den Hauptverbandplatz kommen, damit dort die leitenden Organe 
die weiteren Bestimmungen, besonders eine geordnete Evakuierung 
anordnen können, anderenfalls eine große Willkür mit unabsehbaren 
Folgen in dieser Hinsicht auftreten würde. Bei dem allgemeinen 
Charakter der Verwundungen waren operative Eingriffe und besonders 
blutstillende Operationen auf den Verbandplätzen in verschwindendem 
Umfange notwendig. E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 963 


2) Borst. Über Wesen und Ursachen der Geschwülste. 
(Würzburger Abhandlungen aus dem Gesamtgebiete der praktischen Medizin.) 
Würzburg, A. Stuber’s Verlag (C. Kabitzsch), 1906. 


Das Wachstum der Geschwülste zeichnet sich von vornherein vor 
allen anderen Formen des Wachstums durch seine vom ersten Anfang 
an hervortretende Selbständigkeit und Unabhängigkeit (» Autonomie«) 
aus. Es unterscheidet sich dadurch prinzipiell von den regenerativen, 
hyperplastischen, entzündlichen Wachstumsvorgängen. Die Entdiffe- 
renzierung der Geschwulstzellen, die Abnahme der funktionellen, die 
Zunahme der vegetativen Kräfte in den Geschwulstzellen erfolgt auf 
einer pathologischen Linie. 

Was die Atiologie der Geschwülste betrifft, so nimmt B. an, daß 
die Keime, welche event. später zu Geschwülsten werden, primär quali- 
tativ abnorm sind; es muB eine primäre, auf krankhaften inneren Ver- 
hältnissen der Zellen beruhende Disposition für die Entstehung aller 
Geschwülste angenommen werden. Diese Disposition kann ererbt sein, 
wenn nämlich die atypische Qualität der Zellen auf einer Variation 
des Keimplasmas beruht; häufiger ist sie individuell, während der 
Entwicklung erworben. Diese angeborene Grundlage ist eine durch 
die mannigfaltigsten endo- und exogenen Momente hervorgerufene 
pathologische Variation des Idioplasmas der betreffenden Zellen. 

Für eine infektiöse Natur der Geschwülste spricht nichts, Ge- 
schwiilste sind nie infektids. Bei der Metastasenbildung und »Ver- 
impfung« von Geschwiilsten handelt es sich stets um Verschleppung 
von Zellen der ersten Geschwulst, die nun zu neuen Geschwiilsten 
auswachsen. Traumen, Reize der verschiedensten Art können, aber 
nur bei vorhandener Disposition, Geschwulstentwicklung auslösen, nie 
aber deren eigentliche Ursache sein. 

Weder die Cohnheim’sche Theorie der embryonalen Zellverlage- 
rung, noch die Theorie Ribbert’s von der Keimausschaltung im post- 
fötalen Leben können befriedigen; derartige Vorkommnisse können 
aber als Gelegenheitsursachen bei bestehender Disposition in Betracht 
kommen. 

Die Theorie des Verf.s kann auch die primäre Multiplizität von 
Geschwülsten erklären, es kann ja das gleiche auslösende Moment 
mehrere zur Geschwulstbildung disponierte Zellen bzw. Zellkomplexe 
zugleich treffen. W. v. Brunn (Rostock). 





3) Schwarz et Chevrier. Des lipomes ostéopériostiques. 
(Revue de chir. Ann. XXVI. Nr. 1—3. 

Unter den Lipomen nehmen die dem Knochen aufsitzenden in 
mancher Hinsicht eine Sonderstellung ein, schon durch ihre größere 
Seltenheit. Doch zeigen sie manche Eigenheiten, die eine genauere 
Bearbeitung dieser Gruppe der Fettgeschwülste rechtfertigen. Durch 
ihren oft recht tiefen Sitz, ihre Anheftung an den Knochen in mehr 
oder minder großer Ausdehnung, ihre häufigen Beziehungen zu anderen 

36* 


964 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 


Organsystemen — Gelenken, großen Gefäßen und Nerven —, ihre 
Fähigkeit, selbst den Knochen zum Schwinden zu bringen, oder durch 
schnelles Wachstum, besonders in der Kindheit, sogar die Gesamt- 
ernährung zu beeinträchtigen, werden sie zu weitaus ernsteren Neu- 
bildungen als die Lipome im allgemeinen. 

Verff. nehmen zur Atiologie naturgemäß nur unentschieden Stel- 
lung, geben für eine Reihe von periostalen Lipomen den kongenitalen 
Ursprung zu, bezweifeln ihn für andere, sehr spät aufgetretene. Auch 
die von anderen Autoren angegebene Beziehung zur Epiphysenlinie 
haben Verff. nur für eine beschränkte Anzahl feststellen können. 

Die Differentialdiagnose kann recht große Schwierigkeiten machen, 
besonders wenn das Lipom, wie es bei Kindern vorkommt, schnelles 
Wachstum zeigt. Doch solle man sich in solchen Fällen, wenn auch 
der Ernährungszustand der Befallenen reduziert erscheint, nicht vom 
Eingriffe, vor allem der Probeexzision abhalten lassen und in jedem 
Falle gründlich und vollständig exstirpieren, um Rückfälle zu ver- 
meiden. 

Des weiteren wird die Differentialdiagnose mit dem Sitze der 
Geschwulst die Abgrenzung von anderen, der Gegend eigentümlichen 
Neubildungen — Adenomen, Encephalomen, Angiomen, Dermoiden, 
Echinokokken usw. — verlangen. Die Kasuistik der bisher veröffent- 
lichten Fälle wird durch eine ganze Reihe von Beobachtungen ver- 
mehrt, die gelegentlich einer Diskussion in der Soc. de Chirurgie 
mündlich mitgeteilt wurden. 

So gibt die Arbeit eine ziemlich abgerundete Darstellung des 
Stoffes. Christel (Metz). 





4) E. Thesing. Muskelhypertrophie als Unfallfolge, 
(Med. Klinik 1906. p. 678.) 

T. hat früher auf das Vorkommen teilweiser Muskelhypertrophie 
neben Schonungsatrophie nach Unfallverletzungen der Beine hinge- 
wiesen. Doch kommt im gleichen Zusammenhange auch die Hyper- 
trophie allein vor, als Ausdruck übernormaler Arbeitsanstrengungen 
zur Erreichung des gewöhnlichen Arbeitserfolges und damit einer 


unfallbedingten Mehrabnutzung des Körpers. 
Georg Schmidt (Berlin). 





5) Meyer. An experimental study on the recurrence of 
lymphatic glands and the regeneration of lymphatic vessels 
in the dog. 

(Bull. of the Johns Hopkins hospital 1906. Juni.) 

M. hat an zwei Hunden mesenteriale, an sechs Hunden die popli- 
tealen Lymphknoten, zum Teil zugleich auch das umgebende Fett- 
gewebe entfernt. Eine Regeneration ist nach Ansicht des Verf.s 
nicht eingetreten. M. hat die Tiere nach 7 bis zu 161 Tagen getötet, 
die ganze Gegend der Operationsstelle in Serien- bzw. Stufenschnitte 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 965 


zerlegt und diese untersucht. Höchstens an ganz jungen Individuen 
hält er eine Regeneration in beschränktem Umfange für möglich. 
Bei acht Hunden unterband bzw. resezierte er große Lymph- 
stämme; auch nach 91 Tagen war von Regeneration nichts zu be- 
merken. | W. v. Brunn (Rostock). 





6) Taylor. The effect upon glandular tissue of exposure 
to the X-rays. 
(Annals of surgery 1906. Hft. 3.) 

T. verwirft die Betrahlung der Geschwülste mit Röntgenstrahlen 
in allen Fällen, in welchen eine radikale Operation möglich ist. Die 
Haut und das Fettgewebe werden durch die Bestrahlung hart, die 
Neubildungen härten sich und lassen sich aus ihrer Umgebung schlecht 
ausschälen, so z. B. tuberkulöse Drüsen am Halse; die durch die nach- 
her nötig gewordene Operation gesetzte Operationswunde heilt erheb- 
lich schlechter als die von unbestrahltem Gewebe. Die Bestrahlung 
soll nach T. nur in operablen Fällen und in den übrigen als Nach- 
behandlung nach der Operation zur Verhütung von Rezidiven an- 
gewandt werden. Herhold (Altona). 





7) Budde. Über die chemische Untersuchung chirurgischer 


Nähseide. 
(Deutsche militärärztliche Zeitschrift 1906. Mai.) 

B. bestimmte chemisch den Feuchtigkeitsgehalt der drellierten und 
der geflochtenen Seide (Turner), ferner deren Aschebestandteile, den 
Gehalt an Seidenbast und Seidenfibroin. Er kommt zu folgenden 
Schlüssen: 1) Für sehr alte chirurgische Nähseiden kann nur ein 
Festigkeitsprüfer entscheiden, ob sie noch genügende Haltbarkeit be- 
sitzen, weil es unbegrenzt haltbare Nähseiden nicht gibt. 2) Chirur- 
gische Nähseiden, die weniger als 19% Seidenbast oder mehr als 
71% Seidenfibroin enthalten, sind nur beschränkt haltbar. Die ge- 
flochtenen Seiden (Turner) haben deshalb geringere Haltbarkeit, weil 
ihr der Seidenbast entzogen ist, und Schutz gegen Lufteinflüsse fehlt. 
3) Das Sterilisieren einer chirurgischen Nähseide durch Auskochen 
mit einer Sodalösung ist nicht zu empfehlen, weil Soda der Seide den 
Bast entzieht und schädigend auf die Festigkeit wirkt. 4) Auch das 
Einwicklungspapier spielt beim Aufbewahren von Seide insofern eine 
Rolle, als die meisten Handelspapiersorten Sulfite enthalten, die zer- 
setzend auf die Gewebe einwirken. Herhold (Altona). 





$) C. Beck. Über eine neue Methode der Deckung von 
Schädeldefekten. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXX. Hft. 1.) 
Zur Deckung von Schädellücken, bei denen es vornehmlich 
darauf ankommt, Verwachsungen mit der Gehirnoberfläche zu ver- 


966 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 


meiden, empfiehlt B., die Temporalfascie zu verwenden. Er schildert 
die Operation und den Erfolg bei einem Fall, in dem er dies Verfahren 
angewendet hat. Der Lappen wird von der Umgebung der Lücke 
hergenommen und so umgestülpt, daß das Periost nach außen, die 
Fascie nach innen zu liegen kommt. E. Siegel (Frankfurt a. M.). 





9) B. Gomperz. Pathologie und Therapie der Mittelohr- 
entzündungen im Säuglingsalter. 
Wien, Josef Säfar, 1906. 


In einer ausführlichen, auf eigener Erfahrung und gründlicher 
Literaturkenntnis basierenden Monographie behandelt Verf. das obige 
Thema. Chirurgisch erwähnenswert ist, wie auch hier die Versuche, 
die Parazentese einzuschränken, als fast abgetan angesehen werden. 
Mit Recht warnt Verf. vor Anwendung von Hammer und Meißel bei 
Eimpyemoperationen von Kindern unter 6 Monaten und empfiehlt 
dringend, langsam präparierend vorzugehen, um so ein unvorher- 
gesehenes Eindringen in die Schädelhöhle zu vermeiden. Die Jodo- 
formbehandlung bei der Warzenfortsatztuberkulose möchte Ref. doch 
nicht missen. Wenn auch die moderneren Antiseptika, wie Isoform, 
Vioform usw., bei der Nachbehandlung von Warzenfortsatzoperationen 
wegen des Niederhaltens allzu üppiger Granulationsbildung vorzuziehen 
sind, so hat sich doch die Anwendung des Jodoforms, speziell auch 


Jodoform-Glyzerins, allerorten bewährt. 
F. Alexander (Frankfurt a. M.). 





10) R. Hammerschlag. Behandlung der Trigeminusneuralgie 


mit Perosmiumsäure. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXIX. Hit. 4.) 


Die Osmiumsäure ist schon seit 20 Jahren in Gebrauch bei 
Trigeminusneuralgien. Die Literatur über das Mittel ist freilich eine 
relativ geringe. Die großen chirurgischen Operationen bis zur Exstir- 
pation des Ganglion Gasseri waren aber eine zu bedeutende Kon- 
kurrenz für das nicht stets sicher wirkende Medikament. Indessen 
rechtfertigten die Tatsache, daß z. B. Garré auch nach der Ganglion- 
exstirpation ein Rezidiv erlebte, wie die hohe Mortalität des Eingriffes 
selbst in geschicktester Hand die Versuche, die man neuerdings wieder 
mit der. Injektion von Osmiumsäure macht. Verf. hat selbst acht 
Fälle seit 1898 mit diesem Medikament behandelt. Er verwandte eine 
1%ige Lösung und injizierte bei acht Fällen bloß ins Foramen intra- 
orbitale und mentale auf subkutanem Wege. Ein Fall wurde bloß 
gebessert, bei den anderen sind die Schmerzen 4 Monate bis 4 Jahre 
ausgeblieben. Nach Ansicht des Verf.s liegt es mit der Therapie für 
die Trigeminusneuralgie heutzutage so, daß wir dasjenige Mittel für 
das geeignetste ansehen müssen, das auf einfachste Art den Eintritt 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 967 


der Rezidive am weitesten hinausschiebt. Die rezidivfreie Zeit, nicht 
die sog. Heilung entscheidet. Diesen Anforderungen geniigt am besten 
die Osmiumsäure. Die Rezidive treten sowohl nach operativen Ein- 
griffen, wie nach Einspritzungen von Osmiumsäure ein, wenn die Ner- 
ven sich regeneriert haben. Die Amerikaner haben den Versuch 
gemacht, dies dadurch zu verhüten, daß sie das Foramen ovale oder 
rotundum mit Metallplatten, mit sterilem Wachs oder mit Gummi- 
gewebe verlegten. Verf. selbst macht einen ähnlichen Vorschlag mit 


Paraffininjektion, den er aber bisher am Menschen nicht erprobt hat. 
E. Siegel (Frankfurt a. M.). 





11) J. Mouret. De la résection sous-muqueuse du squelette 


de la cloison nasale déviée. 
(Rev. hebdom. de laryngol., d’otol. et de rhinol. 1905. Nr. 43.) 

Verf. beschreibt sein Verfahren, welches er ohne Kenntnis der 
Methoden von Krieg, Bönninghaus und Killian sich in mühevollen 
Versuchen ausgebildet und an zahlreichen Fällen erprobt hat. Zur 
Ausführung des Schleimhautschnittes wendet er den Galvanokauter an, 
erhält die Schleimhaut der konvexen Seite und verzichtet, wie wohl 
die meisten Rhinologen, auf die Anlegung von Nähten. Im übrigen 
vermeidet er die Konstruktion von speziell hierfür allein geeigneten 
Instrumenten. Die Beseitigung von Verdickungen des Septums genügt 
meist nicht, die dieselbe begleitende Verbiegung müsse auch entfernt 
werden. Verf. gibt dann eine Übersicht über die möglichen Devia- 
tionen, an denen Vomer, Lamina perpendicularis und Knorpel allein 
oder kombiniert teilnehmen können. Die Häufigkeitsskala der beob- 
achteten Deviationen war nach seiner Erfahrung folgende: 

1) Luxation des unteren und vorderen Knorpelrandes; 

2) Deviation und Luxation an der Vomer-Knorpelgrenze; 

3) seitliche Verkrümmung des Knorpels (gebogen, winklig, S-férmig) ; 

4) Deviation mit Beteiligung aller drei Komponenten (Vomer, 
Knorpel und Lamina perpendicularis); 

5) Deviation an der Knorpel-Siebbeingrenze ; 

6) Luxation der Knorpel-Siebbeingrenze. 

Die genaue Beschreibung der submukösen Resektion bietet wenig 
Abweichungen von den deutschen Methoden, speziell der Killian’schen. 


Verf. hält die submuköse Injektion des Anästhetikum für überflüssig. 
F. Alexander (Frankfurt a. M.). 





12) O. Freer. Die submuköse Fensterresektion der Nasen- 
scheidewand, nach eigener Methode ausgeführt. 
(Archiv für Laryngologie u. Rhinologie Bd. XVIII. Hft. 1.) 

Von der Killian’schen Methode unterscheidet sich diejenige des 
Verf.s vor allem durch die Lage und Form des Schleimhautschnittes. 
Während Killian und mit ihm Hajek und Menzel einen geraden, 
ziemlich vertikalen, dicht hinter dem Naseneingang unter allen Verhält- 


968 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 


nissen ausführen, zieht F. je nach der Form der Verbiegung es vor, 
den Schnitt event. auch als Lappenschnitt auf den vorstehenden 
Partien der Scheidewand zu führen. Verf. erläutert genau seine Me- 
thode, für die er ein reichhaltiges Instrumentarium konstruiert hat; 
besonders praktisch erscheint die kräftige Zange, welche die Anwen- 
dung des Meißels entbehrlich machen soll. 

F. Alexander (Frankfurt a. M.). ° 





13) V. Delsaux. La cure rationnelle des suppurations mul- 
tiples des cavites annexes des fosses nasales. Présentation 
de malade guérie. 

(Revue hebdom. de laryngol., d’otol. et de rhinol. 1906. Nr. 8.) 

Bei kombinierten Nebenhöhleneiterungen, die endonasalen Maß- 
nahmen getrotzt, führt D. folgende Operation aus: Schnitt von der 
Mitte der Augenbraue am inneren Augenwinkel entlang bis zur Naso- 
labialfalte, Eröffnung der Stirnhöhle im innersten Winkel ihrer unteren 
Wand, von da ausgehend Resektion ihrer vorderen und unteren Wand, 
Entfernung des lateralen Teiles des Nasenbeines und aufsteigenden 
Kieferfortsatzes; bis hierhin wird die Nasenschleimhaut geschont. 
Dann wird am hängenden Kopfe die Schleimhaut durchtrennt und das 
ganze Siebbein entfernt, event. auch die vordere Keilbeinhöhlenwand; 
sodann wird mit einer schneidenden Zange die Highmorshöhle an 
ihrem vorderen, oberen, inneren Winkel eröffnet und die vordere und 
innere Wand entfernt. Hierauf folgt eine gründliche Auskratzung, 
lockere Tamponade und Naht. Die Entstellung soll minimal sein. 
Verf. führt fünf derartig operierte Fälle an. Wenn die Entstellung 
tatsächlich so minimal ist, so würde das Verfahren eine Vereinfachung 
der Killian’schen Methode bedeuten und wegen seiner breiten Über- 
sichtlichkeit den Vorzug verdienen. Übrigens ist Grumert schon 
ähnlich vorgegangen. (Zeitschrift für Augenheilkunde Bd. XII.) 

F. Alexander (Frankfurt a. M.). 





14) M. Donati. Über die akute und subakute Osteomyelitis 
purulenta der Wirbelsäule. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXIX. Hft. 4.) 

Verf. veröffentlicht die Krankengeschichte eines Falles von Osteo- 
myelitis purulenta subacuta, den er selbst beobachtet und operiert hat. 
Als Eitererreger fand er den Staphylokokkus pyogenes albus. Lokali- 
siert war der Prozeß im linken Wirbelbogen, Bogenhals und im 
Körper des zweiten und dritten Brustwirbels. Nach Inzision des 
Abszesses und Entfernung mehrerer unregelmäßiger Sequester gingen 
die Kompressionserscheinungen, die von seiten des Rückenmarkes vor- 
her bestanden hatten, zurück und es trat völlige Heilung ein ohne 
Deformität der Wirbelsäule mit Restitution des Ganges und der 
Reflexe. Im Anschluß an diese Beobachtung und an ein eingehendes 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 969 


Studium der in der Literatur vorhandenen Fälle gibt Verf. eine 
Monographie über das Leiden. Aus der Betrachtung scheidet er alle 
Fälle von Kreuzbeinosteomyelitis aus. 

Die eitrige Osteomyelitis ist beim männlichen Geschlechte häufiger 
als beim weiblichen, da das erstere häufiger Traumen erleidet, die 
unter den Ursachen eine Rolle spielen. Betroffen ist vornehmlich das 
zweite Lebensdezennium. Die Eintrittspforte der Erkrankung ist bei 
einer größeren Zahl von Fällen ein eitriger lokaler Prozeß, meist weit 
entfernt von der Wirbelsäule. Bei dem weiblichen Geschlecht ist 
häufiger der Brustteil, beim männlichen der Lendenteil der Wirbelsäule 
betroffen. Bei der Halswirbelsäule ist ein Unterschied bezüglich der 
Geschlechter nicht nachweisbar. Ein einziger Wirbel ist öfters befallen 
als mehrere zu gleicher Zeit, im Gegensatze zur tuberkulésen Osteo- 
myelitis. Mit Vorliebe sind die Wirbelbögen und die Fortsätze be- 
fallen; seltener die Wirbelkörper. Am häufigsten sitzt die Osteo- 
myelitis in den Dornfortsätzen, weniger oft in den Bogenschenkeln, 
am seltensten in den Querfortsätzen. Der entzündliche Prozeß kann 
bloß das Periost oder dieses und die oberflächlichsten Knochenlamellen 
befallen, oder aber ausgedehnter sein. Die Sequesterbildung ist nicht 
konstant. Der Abszeß bricht sich meist nach hinten Bahn, kann aber 
auch in den Wirbelkanal durchbrechen und das Rückenmark kompri- 
mieren. Bei der Osteomyelitis der Wirbelkörper kommt es häufig zu 
pyämischen Vorgängen, zu Metastasen in den Knochen, Gelenken und 
Eingeweiden. 

Am häufigsten ist die akute Form der Wirbelosteomyelitis, deren 
Verlauf in einzelnen Fällen außerordentlich rasch und stürmisch sein 
kann. Die subakute Osteomyelitis ist seltener und hat meist einen 
günstigen Ausgang im Gegensatze zur akuten, die sehr häufig tödlich 
verläuft. Am schwersten sind die Fälle, die sich im Wirbelkörper 
abspielen. Die Symptome sind natürlicherweise von der Lokalisation 
in der Wirbelsäule abhängig und für Hals-, Brust- und Lendenteil 
sehr verschieden. 

Die Diagnose kann sehr schwierig sein, weil oft Allgemein- 
symptome in den Vordergrund treten, oder eine Komplikation, wie 
Pneumonie, Pleuritis, das Krankheitsbild beherrscht. Am wichtigsten 
ist für die Diagnose der spontane oder auf Druck hervorgerufene 
Schmerz an der Wirbelsäule, die Schmerzhaftigkeit bei Bewegung der 
letzteren, und die vom Kranken zur Immobilisierung derselben ange- 
nommene Lage. 

Die Therapie des Leidens kann nur eine chirurgische sein. Der 
Eingriff besteht in frühzeitiger Eröffnung des Abszesses, event. Aus- 
kratzung des Knochens, Abtragung nekrotischer Knochenteile oder 
freier Sequester und gegebenenfalls Eröffnung des Rückgratkanales, falls 
Zeichen von Ausbreitung des Eiters auf diesen vorhanden sind. Die 
Heilung ist oft eine langwierige, da sich noch weitere Sequester ab- 
stoßen können. Manchmal ist ein erneuter Eingriff erforderlich. 

E. Siegel (Frankfurt a. M.). 
36** 


970 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 


15) H. Schlesinger (Wien). Die Therapie der Basedow- 


schen Krankheit. 
(Wiener klin. Rundschau 1906. Nr. 17.) 

Es dürfte für den Chirurgen interessant sein, in einer Zeit, die 
uns unter Kocher’s Führung in der chirurgischen Therapie und In- 
dikationsstellung weit vorwärts gebracht hat, einmal von sachkundiger 
Seite die internen Mittel gegen dies Leiden zusammengestellt zu finden. 
Für den Chirurgen wird es wesentlich sein, daß man mit immer 
größerem Nachdruck vor der Anwendung der Thyreoideapräparate 
warnt. Aber auch die zahllosen anderen Mittel werden in dem vor- 
liegenden Vortrage fast durchweg mit der Kritik versehen, daß sie 
»in einzelnen Fällen«e oder unter gleichzeitiger Anwendung von All- 
gemeinbehandlung und Vermeidung von Schädlichkeiten Besserung 
gebracht, oder auch versagt haben. Jedenfalls werden die Mittel ihren 
Wert behalten beim akuten Stadium und in leichten Fällen. Aber 
es ist doch sehr fraglich, ob man so weit gehen darf, wie S., der die 
Operation für die schwersten Fälle aufbewahrt wissen will. Er sagt: 
»Die Operation ist anzuraten in den Fällen, in welchen die Krankheit 
völlige Erwerbsunfähigkeit hervorruft, in welchen der Kranke die Be- 
seitigung des Leidens wünscht, selbst wenn er die Gefahren der Ope- 
ration kennt. Sind einzelne, besonders schwere Erscheinungen vor- 
handen, wie sehr schwerer Exophthalmus mit drohender Keratitis, sehr 
große Struma mit oder ohne Stenosensymptomen, beginnende Kachexie, 
schreiten die Symptome trotz entsprechender interner Therapie weiter 
fort, so ist ebenfalls eine Operation zweckmäßig.« — Ich glaube, wenn 
uns die interne Medizin nur diese Fälle zuweisen wollte, dann kämen 
wir freilich nicht weit mit der chirurgischen Therapie. 

S. gibt zum Schluß der Hoffnung Ausdruck, daß es in absehbarer 
Zeit mit Hilfe gefahrloser Methoden gelingen wird, den M. Basedowi 
rasch zu heilen. Schmieden (Bonn). 





16) G. Frey. Über regionäre Anästhesierung des Kehlkopfes. 
(Archiv für Laryngologie u. Rhinologie Bd. XVII. Hit. 2.) 

Nach ausgiebigen Vorversuchen an der Leiche mit Methylenblau- 
injektionen gelang es Verf., am Liebenden den Kehlkopf durch peri- 
neurale Injektion des Ramus internus des N. laryngeus sup., welcher 
die meisten sensiblen Fasern führt, zu anästhesieren. Die Injektions- 
stelle liegt zwischen großem Zungenbeinhorn und oberem Horn des 
Schildknorpels etwa 3 cm von der Mittellinie. Eine 1—1,5 ige Lösung 
von Kokain mit einem geringen Zusatz von Adrenalin genügte voll- 
ständig; und zwar wurden auf jeder Seite 1 ccm injiziert. Die Wahr- 
scheinlichkeit, die Arteria laryngea superior anzustechen, ist nicht 
groß, da dieselbe wohl meist ausweicht, wenn man in ihre Nähe kommt, 
und man hier außerdem nicht bis auf die Membrana thyreo-hyoidea, 
wo die Arterie liegt, vordringt. Eine Pinselung des Velum und der 
Rachenwand genügen dann, um das ganze Kehlkopfgebiet unempfind- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 971 


lich zu machen. Die Anästhesie beginnt nach 5—20 Minuten, meist 
vergehen 2—3 Stunden bis zum Wiedereintritt der Reflexerregbarkeit. 
Mit der Anästhesie trat zugleich eine sehr starke Anämie der Schleim- 
haut auf; Verf. läßt es dahingestellt sein, ob dies eine Adrenalin- 
wirkung auf das Sympathicusgeflecht der Arteria laryngea selbst sei 
oder eine Reizung der Vasokonstriktoren, die im N. laryngeus liegen; 
25 Versuche an Pat. mit den verschiedensten Kehlkopfsaffektionen 
dienten zur Erprobung der Methode; durch systematische Sondierung, 
Milchsäurepinselung, Kauterisation, Entfernung von Papillomen wurde 
der Beweis der Brauchbarkeit der Methode geliefert. Verf. glaubt dem 
Verfahren auch für die Bronchoskopie einen hohen Wert beimessen 
zu dürfen. Die genauen Einzelheiten der Technik sind im Originale 
nachzulesen. F. Alexander (Frankfurt a. M.). 





17) Otten. Zur Röntgendiegnostik der primären Lungen- 
karzinome. 
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. IX. Hft. 6.) 

Verf. hat seine Erfahrung an 21 autoptisch untersuchten Fällen 
gesammelt, von denen 13 an Lebenden der Untersuchung mit Röntgen- 
strahlen unterworfen wurden. Letztere ergab, daß die Lokalisation 
und Art der Ausbreitung der primären Lungen- bzw. Bronchial- 
karzinome eine wechselnde ist. Am häufigsten scheinen diejenigen 
Neubildungen vorzukommen, die einen Lappen einnehmen, in zweiter 
Linie solche, die am Hilus einseitig kleinere oder größere solide In- 
filtrationen hervorrufen, mit herdförmiger Ausbreitung in der Um- 
gebung, endlich jene Form, die der multiplen, herdförmigen entspricht. 
Differentialdiagnostisch kommen vor allem Mediastinalgeschwülste im 
engeren Sinne, Aneurysmen der Aorta, endlich Tuberkulose, Gangrän, 
Abszesse, Bronchiektasien, Pleuraschwarten in Frage; beachtenswert 
ist, daß die Lungenspitzen bei den Oberlappenkarzinomen verhältnis- 
mäßig frei bleiben. 

Wenn es auch nicht gelingen dürfte, ein primäres Lungen- 
karzinom allein mit Hilfe der Röntgenstrahlen frühzeitig zu diagnosti- 
zieren, so gibt doch das Röntgenogramm über die genaue Lokalisation, 
die Art der Ausbreitung und den Umfang einer solchen Neubildung 
den sichersten Aufschluß. 

Die Arbeit ist durch zahlreiche instruktive Röntgenbilder illustriert. 

Gaugele (Zwickau). 





18) J. B. Murphy. Axillary and pectoral cicatrices following 
the removal of the breast, axillary glands and connective 
tissue for malignant or other diseases. 

(New York and Philadelphia med. journ. 1906. Januar 6.) 

M. empfiehlt zur Vermeidung störender Narbenverhältnisse an 
der Achselgegend nach Ausräumung bei Amputatio mammae die 
Deckung der bloßgelegten Gefäße und Nervenstämme mit einem 


972 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 


Muskellappen. Venöse Stauung, Lymphödem am Arm, Schmerzen 
im Verlauf der Armnerven sind bedingt durch die Verwachsung der 
Gefäße und Nerven mit Narbenmassen, die sich besonders reichlich 
dann entwickeln, wenn ein freier Raum in der Achselhöhle nach der 
Operation bestehen bleibt. Die spätere Abduktionshemmung wird 
ferner wesentlich durch die früher allgemein übliche Feststellung des 
Armes am Brustkorb nach der Operation begünstigt. Deshalb ver- 
bindet auch M. in mäßiger Abduktionsstellung des Oberarmes (ca. 60°) 
mit dem Erfolg, daß die Kranken 3—4 Monate nach der Operation 
mit der Hand bis über den Scheitel greifen können. Die Muskel- 
plastik nimmt er in der Regel so vor, daß er nach Entfernung der 
Pectoralisfascie und des größten Teiles des Muskels seine untere 
Partie an der Brust ablöst, distalwärts aber im Zusammenhang läßt; 
er erhält so einen länglichen Lappen, der nach dem Proc. coracoid. 
zu in die Achselhöhle eingeschlagen und mit einigen Stichen so an- 
genäht wird, daß er die Nerven und Gefäße deck. Man kann auch 
den Lappen aus dem Latissimus oder dem Subscapularis bilden. Er- 
höhung der Rezidivgefahr durch Verwendung des Pector. major. 
fürchtet M. nicht; die Rezidive bilden sich in der Fascie, nicht aber 
in der Substanz des Muskels selbst. Zunächst besteht eine Verdickung 
in der Achselhöhle, die aber durch Atrophie des Muskels bald ver- 
schwindet. Lengemann (Bremen). 


Kleinere Mitteilungen. 
I. 


Pharyngotomia suprahyoidea. 
Von 
Dr. L. Grünwald in Bad Reichenhall-München. 


In der mir heute zu Gesicht gekommenen Nr. 29 des Zentralblattes beschreibt 
Herr Prof. Spisharny einen Fall, den er der in der Überschrift bezeichneten 
Operation unterzogen hat, und nimmt an, daß dies der erste derartige am leben- 
digen Menschen unternommene Eingriff sei. 

Ohne Kenntnis von dem Vorschlage Jeremitsch’s habe ich dieselbe Opera- 
tion bereits vor über 3 Jahren an einem alten Manne wegen eines Sarkoms der 
Epiglottis ausgeführt, und zwar ebenfalls in der Erwägung, die Nn. laryng. sup. 
zu schonen und die Operationsgegend besser zugängig zu machen. Unbeschadet 
anderweitiger Mitteilungen dürfte dies also die erste Operation ihrer Art ge- 
wesen sein. 

Wie ich in einer eben unter der Presse befindlichen Arbeit über Kehlkopf- 
tuberkulose bereits zu berichten in der Lage war (p. 126), ist der Schnitt auch be- 
züglich der Übersicht dem subhyoidalen vorzuziehen; am auffälligsten war mir, 
wie ich hier hinzufügen möchte, die bequeme Freilegung der Tonsillen. 

Ich habe die Operation ebenfalls ohne Tracheotomie bei gesenktem Kopfe 
vorgenommen. 

Eine Kleinigkeit möchte ich noch erwähnen: In meinem Falle sank der Kehl- 
kopf, da die das Zungenbein nach oben ziehenden Muskeln durchschnitten waren, 
auch nach der Etagennaht noch nach unten. Ich habe mir dadurch geholfen, daß 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 973 


das Zungenbein mit einem starken doppelten Seidenfaden umstochen und mittels 
Matratzennaht, die über eine submental gelegte Gazerolle geknotet wurde, nach 
oben fixiert wurde. 


I. 


Die nachträgliche Entfernung eingewachsener 
oder eingeklemmter Gazestreifen. 


Von 
Oberarzt Dr. Carl Lauenstein in Hamburg. 


Dr. M. Mori aus Japan empfiehlt in Nr. 33 d. Bl. zu dem Zwecke, ein- 
gewachsene oder eingeklemmte Gazestreifen nachträglich aus Wundkanälen zu 
entfernen, eine neue Curette, die ihm mehrere Male gute Dienste getan hat. Das 
von ihm angeschlagene Thema hat in der Tat eine praktische Bedeutung, so daß 
es wohl wert ist, weiter besprochen zu werden. Solche Gazestreifen oder Hüllen 
Mikulicz’scher Tampons, wie man sie nach Bauchhöhlenoperationen und be- 
sonders nach Operation von gonorrhoischen Adnexerkrankungen einlegen muß, 
haften oft sehr fest. Aber ich habe noch niemals Mißerfolge erlebt in der Ent- 
fernung. Der einfache Zug genügt in solchen Fällen deshalb nicht, weil er auf 
alle Haftungsstellen des Gazestückes in seinem ganzen Lager auf einmal wirkt. 
Wir verwenden seit vielen Jahren einen sehr einfachen Handgriff, der uns nie im 
Stiche gelassen hat, das ist das Herausdrehen des Gazestreifens. Wir fassen das 
hervorstehende Ende des Gazestreifens oder Tampons mit einer Spencer-Wells- 
schen Arterienklemme und drehen diese Klemme langsam und kontinuierlich um ihre 
Längsachse. So wird die Gaze in ihrem Kanale schrittweise gelöst, und zwar in 
umgekehrter Richtung eines Zuges an dem herausstebenden Gazeende. Der Theorie 
genau entsprechend, daß jede Umdrehung des Gazestreifens eine beschränkte Zone 
löst, und daß diese Lösung gleichmäßig in die Tiefe fortschreitet, hat sich die 
Praxis dieses Handgriffes durch lange Jahre mir bewährt. Ich möchte daher 
empfehlen, in Fällen, wo ein einfacher Zug nicht ausreicht, den Gazestreifen aus 
seinem Kanale zu entfernen, vor Anwendung des Mori’schen Instrumentes erst 
noch zu versuchen, ihn herauszudrehen. Ich füge hinzu, daß meiner Erfahrung 
nach das beste Material für Gazedrainage solche Gazestreifen sind, die man sich 
nicht selbst schneidet, sondern die zwei gewebte und infolgedessen nicht fasernde 
Kanten baben. Alle Verbandstoff-Fabriken liefern derartige sehr praktische, streifen- 
artige Gazestücken in verschiedenen Breiten. 


17. August 1906. 


19) F. Reinhard. Zur Tamponfrage. 
(Med. Klinik 1906. p. 735.) 

R. führt in die Wundöffnungen einen oder mehrere gedrehte und mit Karbol- 
wasser gut getränkte Stiele von Verbandwatte ein, deren etwas aufgedrehtes 
Außenende auf der umgebenden Haut mit aufliegt (»Watte-Pilz-Tampon«). Der 
Tampon bleibt vollkommen schlüpfrig, klebst niemals an, läßt sich schmerz- 


los entfernen. Der Eiter läuft an seinen Seiten heraus. 
Georg Schmidt (Berlin). 


20) Schlesinger. Myositis gonorrhoica apostematosa. 
(Deutsche militärärztl. Zeitschrift 1906. Juni.) 

Bei einem Kanonier traten 1 Monat nach einer gonorrhoischen Infektion am 
rechten Unterarm und an der rechten Wade in den Muskeln liegende knotige Ver- 
dickungen ein. An der Wade führte die Verhärtung zur Vereiterung, so daß eine 
Spaltung notwendig wurde. In dem aus diesem Muskelabszeß entleerten Eiter 
wurden Gonokokken nachgewiesen. Herhold (Altona). 


974 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 


21) V. Putti. Die primären Muskelangiome als Ursachen von Defor- 
mitäten. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXIX. Hit. 4.) 

Verf. veröffentlicht die Krankengeschichte von zwei Pat. mit primären Muskel- 
angiomen, welche sich als die Ursache von Deformitäten erwiesen. Im ersten Falle 
hatte Pat. seit frühester Jugend Schmerzen in der Wade. Er suchte dann erst 
chirurgische Hilfe auf, als der Prozeß sich auf den ganzen Gastrocnemius ausbrei- 
tete, durch Retraktion der Achillessehne eine Equinusstellung des Fußes hervor- 
rief und neben Erschwerung des Ganges die Schmerzen ins Unerträgliche steigerte. 
Beim zweiten Falle hatte die Geschwulst die Muskulatur des Fußes, den Gastro- 
cnemius und den Glutaeus maximus in Mitleidenschaft gezogen. Die Funktions- 
störung der Extremität war also noch eine größere. In beiden Fällen erwies sich 
bei der Operation das Muskelgewebe fast ganz in einen mit Blut vollgesogenen 
Schwamm verwandelt. Die histologische Untersuchung entsprach den von früher 
bekannten Befunden. Auffällig war eine mächtige Neubildung von Bindegewebe 
und der Reichtum an Kapillaren. E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


22) O. Nordmann. Erfahrungen über Stauungshyperämie bei akuten 
Entzündungen. 
(Med. Klinik 1906. p. 751.) 


N. berichtet unter Mitteilung zahlreicher Krankengeschichten über 60—70 Fälle 
der Körte’schen Abteilung in Berlin. Die Technik war genau die von Bier 
angegebene. Auf sorgfältige Pflege der Haut in der Umgebung der Wunden 
wurde besonders geachtet. Der Arzt selbst hat die Lage der Stauungsbinde 
dauernd zu prüfen. Wichtig ist eine häufige Untersuchung des Urins auf Eiweiß, 
um eine Nierenschädigung durch Bakteriengifte, die von den nicht breit geöffneten 
Entzündungsherden her aufgesaugt werden, rechtzeitig zu erkennen und sofort den 
Eiter völlig zu entleeren. 

Bei beginnenden Entzündungen liegt der Hauptwert in der Linderung der 
Schmerzen, bei Panaritien außerdem in der Ersparung breiter Schnitte und der 
lästigen und quälenden Ausstopfung der Wunden, bei Sehnenscheideneiterungen 
schließlich noch in der Wiederherstellung voller Gebrauchsfähigkeit. Schmerz- 
stillung und gutes funktionelles Ergebnis treten ebenso deutlich bei akuten Gelenk- 
infektionen hervor. Weiterhin wurden gute Erfolge bei vereiterten komplizierten 
Knochenbrüchen erzielt; derartige Verletzungen konnten dank der Stauung in 
letzter Zeit ganz konservativ behandelt werden; nur ist etwaigen Sekretverhaltungen 
usw. durch kleine Einschnitte Abfluß zu verschaffen. 

Mißerfolge ergaben sich bei der Stauung der Fascienphlegmonen, vermutlich, 
weil die hierbei an sich ungünstigen Ernährungsverhältnisse eine Stauungshyper- 
ämie nicht aufkommen lassen. Das Saugverfahren für Abszesse, Furunkel, Naht- 
sticheiterungen, Mastitis versagte nur in einem Fall eines großen Nackenkarbunkels, 
der schließlich herausgeschnitten werden mußte. Eine Osteomyelitis des Schien- 
beines und Oberschenkelknochens wurde durch lange Zeit fortgesetzte Stauung 
nicht beeinflußt. Die im Innern des Knochens befindlichen Eiterherde scheinen 
der Stauungshyperämie nicht zugänglich zu sein. Auch vermag die örtliche Stau- 
ungsbehandlung ja nichts gegen die Allgemeininfektion der Blut- und Lymphwege 
bei der Osteomyelitis. 

Bei Entzündungen am Schädel wurde aus Furcht vor Kreislaufsstörungen im 
Gehirn nicht gestaut. 

Wenn auch das eigentlich Wirksame des Stauungsverfahrens noch unbekannt 
ist, so bringt es doch praktische Erfolge und ist deshalb kritisch weiter zu be- 
nutzen, allerdings nicht in der ärztlichen Praxis. Wohl aber kann die Saug- 
behandlung ambulant durchgeführt werden. 

Von der prophylaktischen Stauungshyperämie bei frischen Verletzungen rät 
N. ab, weil sie öfter zu stärkerer Absonderung führt und damit die Heilung unter 
dem trockenen Blutschorfe verhindert, weil sie häufig überflüssig ist, den Arzt 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 975 


übermäßig belastet, und weil schließlich bei eintretender Infektion die sofort 
angewandte Stauung immer noch früh genug kommt, selbst wenn es sich um 
infizierte Sehnenscheiden und Knochenbrüche handelt. 

Georg Schmidt (Berlin). 


23) W. Lossen. Bier’sche Stauungsbehandlung bei Sehnenscheiden- 
phlegmonen und anderen akuten Entzündungen. 
(Med. Klinik 1906. p. 650.) 


Im Gegensatz zu den Mißerfolgen bei der bisherigen Behandlung der Sehnen- 
scheidenphlegmonen heilten unter der seit 1Jahr angewandten Stauungshyperämie von 
12 Fällen der Bardenheuer’schen Abteilung in Köln 10 mit voller oder nahezu voller 
Beweglichkeit und halber bis voller Kraft; 1 Fall heilte mit halber Beweglichkeit; 
1 Fall, in welchem gleichzeitig Nekrose des Grundgliedes bestand, führte zur Ab- 
stoßung der Sehne. Darunter waren 7 schwere V-Phlegmonen; bei 6 wurde volle, 
bei 1 halbe Beweglichkeit erzielt. Auch bei beginnenden Gelenkvereiterungen 
gelingt es in der Regel, der Eiterung Einhalt zu tun und (bei 7 von 9 Fällen) 
volle oder nahezu volle Beweglichkeit zu erzielen. Ein schwerer Mißerfolg war 
unter Stauung und kleinem Einschnitt bei einer Schultervereiterung nach Messer- 
stich zu verzeichnen; erst ausgedehnte Schulterresektion brachte die schwere Sepsis 
zur Heilung. Teilweise sehr günstige Ergebnisse werden bei Osteomyelitis be- 
richtet (9 Fälle), gute bei Parulis (10) und Karbunkeln (16), wobei gestaut und 
gesaugt wurde. Erfreuliches wurde ferner gesehen bei phlegmonöser Schleimbeutel- 
entzündung (7), großen Abszessen und vereiterten Hämatomen (4, Dauer 11 Tage), 
Phlegmonen (8, Dauer 10 Tage), vereiterten Achseldrüsen (9, Dauer 18 Tage), 
Lymphangitis, Lymphadenitis (7, Dauer 10 Tage), Panaritien, vereiterten Wunden, 
Fadenfisteln, Ekzem usw. 

Weniger gut wirkte die Stauung bei Leistenbubonen, besonders den noch nicht 
völlig vereiterten, bei Panaritium osseum, Thrombophlebitis; ungünstig bei drohen- 
der Hautnekrose zweier ausgedehnter, diffus infiltrierender Panaritien und bei 
zwei Fällen diabetischen Brandes. 

In allen anderen, im ganzen 127, stationär behandelten septischen Entzün- 
dungen war der Nutzen namentlich hinsichtlich der Abkürzung der Behandlungs- 
dauer nnd der Wiederherstellung der Gebrauchsfähigkeit unverkennbar. 

Die Eiterherde wurden durch kleine, auch mehrfache Schnitte und, wenn nötig, 
von da aus durch stumpfe Ablösung der Haut- und Muskelzwischenräume ausgiebig 
eröffnet. Beim Nachlassen des Stauungs- und Entzündungsödems zog man Heiß- 
luftbehandlung bis 60° und Lichtbäder zu Hilfe. Georg Schmidt (Berlin). 


24) Lop (Marseille. Tetanus suraigu, consecutif & l’emploi preventif 
de serum antitetanique. 
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXII. p. 184,) 


L. berichtet über einen Fall, bei dem im Anschluß an eine stark beschmutzte 
Fingerverletzung trotz sofort (1 Stunde 10 Minuten) nach dem Unfall eingeleiteter 
und mehrfach wiederholter Behandlung mit trockenem Tetanusserum, 8 Tage nach- 
her Tetanuserkrankung auftrat, die nach 36 Stunden zum Tode des Pat. führte. 
Er hat weitere acht Fälle zusammenstellen können, in denen trotz prophylaktischer 
Seruminjektion Tetanus ausbrach, und wirft die Frage auf, ob nicht vielleicht 
sogar die Tetanuserkrankung erst eine Folge der Serumanwendung gewesen sein 
könnte, und ob die Serumbehandlung nach bereits erfolgter Infektion überhaupt 
noch wirksam sei. 

Tuffier macht in der Diskussion darauf aufmerksam, daß bei der Anwendung 
des pulverisierten Serums auf Wunden ein impermeabler Verband nötig sei, weil 
sonst die Resorption von der Wundfläche aus eine zu geringe sei, und Bazy führt 
gegen die Annahme, daß durch das Serum selbst die Infektion verursacht sein 
könnte, an, daß er trotz regelmäßiger Anwendung prophylaktischer Injektionen 
nie habe Tetanus auftreten sehen. Thümer (Chemnitz). 


976 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 


25) Jirotka. Die Dosierung der Röntgenstrahlen. 
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. IX. Hft. 6.) 

Die meisten bisher geübten Methoden zur Bestimmung der Bestrahlungsquan- 
tität beruhen auf direkter Strahlenmessung. Wie Gaiffe, so hat auch J. die 
Strahlenmenge aus der Messung der elektrischen Größen festzustellen gesucht und 
gibt als Regel an: »Ein und dieselbe Röntgenröhre gibt, Anschluß an ein und 
dasselbe Induktorium und gleiche Frequenz vorausgesetzt, bei gleichem numeri- 
schen Werte des Produktes und Spannung, Stromstärke und Zeit praktisch ein und 
dieselbe wirksame Strahlenmenge.<« Nach diesem Gesetz ist es leicht, jedesmal 
genau dieselbe Strahlenmenge zu erreichen; auch kann man den Zahlenwert der 
einzelnen Faktoren variieren, wenn nur der numerische Wert des Produktes aus 
den drei Faktoren gleich bleibt. Gaugele (Zwickau). 


26) Albers-Schönberg. Eine neue Methode der Orthophotographie. 
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. IX. Hft. 6.) 

Um die Fehler bei den bekannten Methoden der Orthoröntgenographie zu ver- 
meiden, gibt Verf. eine neue Methode an. Diese besteht darin, daß Pat. auf einem 
vor des Verf.s Bleikistenblende mit eingestelltem Längsschlitz angebrachten fahr- 
baren Sitz an der Blendenöffnung vorbeigeschoben wird, während auf seiner Brust 
eine mit Film und doppeltem Verstärkungsschirm armierte Kassette befestigt ist. 
Aus Kontrollversuchen mit einer Bleiplatte ersah Verf., daß auf diese Weise ein 
absolut exaktes, scharfrandiges Bild erreicht werden kann; die Exaktheit der Masse 
beschränkt sich aber nur auf den queren Durchmesser. Will man auch exakte 
Längsmaße bekommen, muß eine zweite Aufnahme gemacht werden, die sich von 
der ersten dadurch unterscheidet, daß Pat. hierbei ruhig sitzt, während die Blei- 
kistenblende mit Röhre und eingestelltem Querschlitz von oben nach unten bewegt 
wird. 

Durch Kombination dieser beiden Aufnabmemethoden, mittels Längs- und 
Querspalt, ist eine absolut exakte mechanische Herzgrößenbestimmung möglich. 

Gaugele (Zwickau). 


27) Peters. Ein neuer Blendenschutzkasten. 
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. IX. Hft. 6.) 

Verf. beschreibt einen von der Firma Max Kohl in Chemnitz gelieferten 
Schutzkasten. Derselbe ähnelt im wesentlichen Levi-Dorn, soll aber vor diesem 
eine Reihe nicht zu unterschätzender Vorzüge haben, so die Anwendung der Iris- 
blende und die praktische Aufhängung des Kastens in einem sehr leicht zu hand- 
habenden fahrbaren Stativ. Ferner gestattet der Apparat eine gute Beobachtung 
der Röhre während des Betriebes; seine Bedienung soll sehr einfach sein. 

Gaugele (Zwickau). 
28) Wodarz. Über Röntgenschutzhandschuhe. 
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. IX. Hft. 6.) 

Verf. warnt davor, die gebräuchlichen Schutzhandschuhe aus Leder oder Stoff, 
welche auf den Streckflichen der Finger und der Hand übereinandergreifende 
Bleiplatten oder Bleisalze enthalten, für einen genügenden Schutz zu halten. Verf. 
hat im Jahre 1900 eine erhebliche Verbrennung seiner Finger durch Röntgen- 
strahlen erfahren, die jedoch wieder ausheilte.. 5 Jahre später begann er erst 
wieder von neuem mit Röntgenstrahlen zu arbeiten; trotzdem er oben genannte 
Schutzhandschuhe benutzte, traten nach einiger Zeit wieder neue Verbrennungs- 
erscheinungen auf. Gaugele (Zwickau). 


29) A. Jungmann. Beitrag zur Technik der Röntgenbestrahlung. 
(Wiener klin. Rundschau 1906. Nr. 12.) 
Verf. beschreibt ein von ihm erfundenes Hängestativ für Röntgenröhren, das 
die Nachteile der bisher üblichen Stative zu vermeiden sucht. 
Schmieden (Bonn). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 977 


30) Trivas. Deux cas d’anosmie totale consécutive & un traumatisme 
du crane. 
(Revue hebdom. de laryngol., d’otol. et de rhinol. 1905. Nr. 46.) 


In beiden Fällen handelte es sich um Schädelbasisbrüche infolge Radfahr- 
unfällen. Im ersten schwand die Anosmie nach 3—4 Monaten, im zweiten entzog 
sich Pat. der weiteren Beobachtung. Verf. vertritt die Ansicht, daß es sich meist 
um einen Blutergu8 in der Umgebung der Olfactorii handle; sowohl die Wieder- 
herstellung, sowie der dauernde Verlust des Riechvermögens ließen sich hiermit 
in Einklang bringen, einmal die rasche Resorption mit folgender Restitutio ad 
integrum, im anderen Falle verzögerte Resorption bzw. Organisation mit folgender 
Atrophie. Eine Zerreißung scheine ihm weniger wahrscheinlich. Bergmann 
betont übrigens sehr wohl diese Möglichkeit in seiner bekannten Monographie der 
Kopfverletzungen. F. Alexander (Frankfurt a. M.). 


31) J. A. Lafite-Dupont. Méningite dans un cas de labyrinthite 
fongueuse. Trepanation du labyrinthe. Craniectomie. Guérison. 
Paralysie faciale consécutive, suture du faciale 4 l’hypoglosse. 
(Revue hebdom. de laryngol., d’otol. et de rhinol. 1905. Nr. 52.) 


Vor 1/, Jahre war Pat. wegen einer seit der Kindheit bestehenden Eiterung 
anderwärts radikal operiert worden, ohne daß es zu einer Heilung kam. Verf. 
nahm noch eine Operation vor, entfernte den damals stehen gebliebenen Amboß 
und schabte einige mit Granulationen erfüllte Zellen aus; die Epidermisierung er- 
folgte langsam, nachdem der Ernährungszustand des Pat. sich wesentlich gehoben 
hatte. Bald darauf klagte Pat. über zeitweise auftretendes Erbrechen und Schwindel, 
die Epidermis hob sich hier und da von der Unterlage ab. Schließlich erfolgte 
ein äußerst heftiger Anfall von Schwindel und Erbrechen; dazu ungleiche Pupillen, 
trüber Liquor mit Leukocyten und Diplokokken. Verf. eröffnete den horizontalen 
Bogengang und das Vestibulum, die er voll Granulationen fand, und legte die 
Meningen der mittleren und hinteren Schädelgrube frei, ohne dieselben verändert 
za finden. Nach 5 Monaten Epidermisierung vollendet. Nach 9 Monaten An- 
legung der Facialis-Hypoglossusanastomose; die Zeit, die seit derselben verstrichen, 
ist zu kurz, um ihren Wert zu beurteilen. Hier haben wir also wieder einen Fall, 
wo mit Ausschaltung des primären Herdes die Meningitis zurückging. 

F. Alexander (Frankfurt a. M.). 


32) A. Bouain. De l’hemorrhagie méningée comme conséquence de 
la compression du sinus lateral dans les interventions sur l’apophyse 
mastoide. 

(Revue hebdom. de laryngol., d’otol. et de rhinol. 1905. Nr. 46.) 

Im ersten Falle erfolgte die Hirnhautblutung bei einem O54jahrigen Pat. 
55 Tage nach der Operation, bei der der Sinus infolge Zerstörung seiner knöchernen 
Wand breit freigelegt werden mußte; die Heilung hatte bis dahin ungestörte 
Fortschritte gemacht. Im zweiten Falle, der genauer beschrieben ist, war der 
Mittelohrprozeß fast abgelaufen, und es wurde auf einen Herd im Warzenfortsatze 
gefahndet. Die Operation wurde mit Doyen’scher Fraise und Curette ausgeführt; 
hierbei erfolgte eine profuse Blutung aus dem Sinus. Antrum nicht gefunden; in 
der Nähe der Spitze ein kleiner Eiterherd freigelegt. Nach 14 Tagen Lähmung 
der anderen unteren Extremität; breite Präparation der Regio tempero-occipitalis; 
Sinus hierselbst unversehrt und von normalem Aussehen; Aufsuchen des kleinen 
Antrum, oberhalb und hinten vom Gehörkanal Inzision der Dura und Entleerung 
zahlreicher Gerinnsel. 3 Tage später Tod. 

Verf. meint, daß derartige Fälle öfter vorkämen, als man nach der Literatur 
glauben könnte; man müsse sich mehr daran gewöhnen, zum Nutzen der Gesamt- 
beit unglücklich verlaufene Fälle zu veröffentlichen. Wesentlich sei, daß beide 
Pat. in vorgeschrittenerem Alter (54 und 62 Jahre) standen und bei der geringeren 


978 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 


Elastizität derartige Zirkulationsstörungen schwerer ausgeglichen würden. Wenn 
B. aber glaubt, bei Anwendung der Fraise Sinusverletzungen stets vermeiden zu 
können, so mag zugestanden werden, daß im vorliegenden Falle die Anwendung 
der Curette gewiß ein Fehler war; aber Ref. vertritt die Ansicht, daß Hammer 
und Meisel immer noch der Fraise vorzuziehen sind in Rücksicht auf die variable 
Lage des Sinus. F. Alexander (Frankfurt a. M.). 


33) Haasler. Diagnostische Hirnpunktion und Trepanation bei Hirn- 
tumor. 
(Arch. internat. de chir. Vol. III. Fase. 1.) 


Die Diagnose der nach klinischen Erscheinungen vermuteten und nach funk- 
tionellen Störungen lokalisierten Hirngeschwulst wurde im vorliegenden Falle durch 
die Punktion bestätigt. Außerdem gab die nach Neisser’s Vorschrift ausgeführte 
Punktion Aufschluß über den cystischen Bau und die Größe der Geschwulst, wenn 
auch der histologische Nachweis des Chondroms vor der Operation nicht möglich 
war. Die Gefahr der Hirnpunktion ist weniger die Infektionsmöglichkeit als die 
Blutung. Auch bei Verwendung stumpfer Nadeln und sorgfältiger Auswahl der 
Punktionsstelle ist eine Verletzung der Piavenen nicht völlig zu vermeiden. Außer- 
dem kann Blutung eintreten infolge Druckverminderung nach ausgiebiger Flüssig- 
keitsaspiration. H. entleerte in zwei Sitzungen zusammen über 20 ccm Flüssigkeit. 
Die Blutung beschränkte sich auf flache Hämatome zwischen Pia und Geschwulst- 
oberfliche und auf geringfügige Blutergiisse ins Geschwulstgewebe und in die 
Hohlräume der Cysten. Doch ist bemerkenswert, daß selbst bei dieser gefäßarmen 
Geschwulst die Punktion eine, wenn auch belanglose Blutung gesetzt hatte. Pat. 
wurde durch die Operation von seinen Paresen, Krampfanfällen und seiner 
Sprachstörung befreit und war nach 5 Monaten völlig arbeitsfähig. 

Revenstorf (Hamburg). 


34) V. Uchermann. Cas de thrombose infectieuse du sinus occipital. 
(Revue hebdom. de laryngol., d’otol. et de rhinol. 1905. Nr. 45.) 


Der merkwiirdige Verlauf rechtfertigt einige anamnestische Angaben, die fir 
die Beurteilung wesentlich erscheinen dürften. Die 18jährige Pat. hatte vor 
4 Jahren einen Abszeß am Zahnfleisch rechts oben; derselbe brach in den Gehör- 
kanal durch, dazu kam ein Drüsenabszeß hinter und ein solcher unter dem rechten 
Obre. Vollkommene Heilung. Vor wenigen Tagen schmerzhafte Schwellung hinter 
dem Ohr und am Hals hinter dem Kopfnicker mit Schüttelfrost; kein Ohrenfluß. 
Warzenfortsatz etwas druckempfindlich, Trommelfell nur leicht gerötet. Bei der 
Operstion kommt man auf einen hinten und unterhalb nach der Schädelbasis zu 
gelegenen Abszeß. Schleimhaut des Warzenfortsatzes hyperämisch, an der Spitze 
einige vereiterte Zellen. Erneute Schüttelfröste und Temperaturen bis 41,6° er- 
fordern einen zweiten Eingriff. Der bei der ersten Operation als normal befundene 
Sinus wird weiter freigelegt, ebenso die Jugularis, ohne daß jedoch irgend etwas 
Pathologisches gefunden wird. Nach 2 Tagen Tod. Bei der Autopsie fand sich 
eine Thrombose des Sinus occipitalis bis zum Conflucus und der Cervicalvenen, 
sowie Hirnödem. Der Infektionsweg war also durch die am meisten peripher 
gelegenen Zellen gegangen. Mit Recht betont Verf., daß eine Freilegung und Er- 
öffnung bis zum Conflucus vielleicht einen anderen Ausgang herbeigeführt hätte 
wenn eine Diagnose im Bereich der Möglichkeit gelegen hätte. Jedenfalls ist der 
Verlauf ein sehr merkwürdiger und wohl kaum je beobachtet worden. 

F. Alexander (Frankfurt a. M.). 


35) A. Baurowieg. Eine Cyste der unteren Nasenmuschel. 
(Archiv für Laryngologie und Rhinologie Bd. XVIII. Hft. 2.) 
Den einzigen Fall, den Verf., außer dieser Beobachtung, in der Literatur fest- 
stellen konnte, veröffentlichte Bobone 1905 in der italienischen Literatur. Die 
Cyste lag auch hier im hinteren Teile des unteren Schwellkörpers. Nachdem sie 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 979 


sich nach oben geöffnet und ein gelbliches Sekret entleert, bildete sich ein sub- 
periostaler Fistelgang, der vorn an der unteren Muschel zum Vorschein kam. Von 
diesem aus entfernte Verf. die vorderen 2/;, der unteren Muschel und konnte so 
zur breiten Eröffnung der Cyste vordringen. F. Alexander (Frankfurt a. M.). 


36) A. Onodi. Empyéme du sinus maxillaire compliqué d’exophthalmie, 


de diplopie et d’amaurose. 
(Revue hebdom. de laryngol., d’otol. et de rhinol. 1905. Nr. 52.) 

Nach Erwähnung der Augenaffektionen im Gefolge von Kieferhöhleneiterung 
berichtet O. über einen von ihm beobachteten Fall: Es handelte sich um ein 
ziemlich akutes Empyem mit Exophthalmus, Doppelsehen, Amaurose und heftigen 
Schmerzen; Resektion der mittleren Muschel, Entfernung mehrerer Polypen und 
mehrfache Ausspülungen führten zu einer vollkommenen Restitutio ad integrum. 

F. Alexander (Frankfurt a. M.). 


37) Bichaton. A propos de deux cas de mucocèle du sinus maxillaire. 
(Revue hebdom. de laryngol., d’otol. et de rhinol. 1906. Nr. 3.) 

Nach einer kritischen Literaturübersicht über die serösen und speziell cystischen 
Erkrankungen der Kieferhöhle berichtet Verf. über zwei Fälle, von denen besonders 
der erste ungemein charakteristisch erscheint. Geringe Auftreibung an der Fossa 
canina, starke blasige Vorwölbung im mittleren Nasengange mit medialwärts 
gedrängter mittlerer Muschel; Eröffnung der Knochenblase und Entfernung ihrer 
Wände führt zur Entleerung einer bräunlichen Flüssigkeit und weiter zu voll- 
kommener Heilung. Im zweiten Falle war die Auftreibung am Nasenboden und 
nach dem Alveolarfortsatz zu; Eröffnung von der Fossa canina, Entleerung einer 
ähnlichen Flüssigkeit, Anlegung einer nasalen Gegenöffnung. Die Lage ließ im 
zweiten Falle zwar an eine paradentäre Cyste denken, doch fehlte die hierfür 
typische und wenn auch noch so dünne Scheidewand gegen das Lumen der Kiefer- 
hohle. Zum Schluß finden sich noch einige differentialdiagnostische Erörterungen. 

F. Alexander (Frankfurt a. M.). 


38) B. Botey. Un cas de rhinolithe de 110 grammes. 
(Revue hebdom. de laryngol., d’otol. et de rhinol. 1906. Nr. 9.) 

Der 42jährige Pat. hatte seit 4 Jahren Beschwerden, die äußere Nase war 
mißstaltet, und war es zur stückweisen Entfernung des Steines nötig,‘ sublabial 
einzugehen und die Nase emporzuklappen. Das Konkrement hatte das Septum 
perforiert und beiderseits die mittlere wie untere Muschel teilweise usuriert. Verf. 
erwähnt, daß der schwerste bisher publizierte Rhinolith 76 g wog. Ref. konnte 
dies nach der Seifert’schen Veröffentlichung im Heymann’schen Handbuch 
bestätigen. F. Alexander ‘Frankfurt a. M.). 


39) Brindel. Un cas de kyste osseux de l'arrière fosse nasale gauche. 
Dilatation ampullaire d'une cellule ethmoïdale postérieure. 
(Revue hebdom. de laryngol., d’otol. et de rhinol. 1906. Nr. 12.) 

Bei der rhinoskopischen Untersuchung waren beide Mandeln nicht verändert, 
die harte Geschwulst saß vor der Keilbeinhöhle und verlegte die Choane; Ein- 
brechen der knöchernen Wandung und Resektion derselben schaffen eine freie 
Nasenatmung. Der Sitz der Knochenblase war im vorliegenden Fall ein äußerst 
selten beobachteter. F. Alexander (Frankfurt a. M.). 


40) I. Duverger. Epithelioma cylindrique de la fosse nasale droite 
ayant détruit la masse laterale de l’ethmoide sans interesser les cavites 
annexes de la face. 

(Revue hebdom. de laryngol., d’otol. et de rhinol. 1906. Nr. 8.) 


b7jähriger Mann, der über Kopfweh und Nasenverstopfung seit 5—6 Jahren 
klagt; in den letzten Monaten kam hierzu noch blutiger, mit festen Stücken ver- 


980 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 


mischter Ausfluß. Bei der von außen vorgenommenen Operation zeigte sich, daß 
die hühnereigroße Geschwulst von den hinteren Siebbeinzellen ausgegangen war. 
Seit der Operation sind 4 Monate verflossen. Verf. betont als typisch für bösartige 
Nasengeschwülste das Mißverhältnis zwischen den geringen Beschwerden einer- und 
der tatsächlich viel größeren Ausdehnung der Geschwulst andererseits, wie er sich 
bei der Operation von außen zu präsentieren pflegt. 

F. Alexander (Frankfurt a. M.). 


41) M. Collier. Naevus of cheek. 
(Medical press 1906. Juni 27.) 


Bei einem 8jährigen Knaben hatte an der Innenseite der rechten Wange ein 
kleiner Naevus bestanden, der sich allmählich vergrößerte und zuletzt die ganze 
rechte Wange einnahm. Die Außenseite war von dünner Haut bedeckt; die Innen- 
seite zeigte ein Konvolut dunkelblauer, mehr oder weniger weiter, prall gefüllter 
Venen. Durch Druck konnte der Naevus bedeutend verkleinert werden; nach Auf- 
hören des Druckes nahm er sofort wieder seine ursprüngliche Größe an. Pulsation 
war nicht vorhanden. C. legte an der Innenseite der rechten Wange sechs Liga- 
turen in senkrechter Richtung an, die etwa die Hälfte der Dicke umfaßten. In 
der 1. Woche danach nahm die Schwellung unter geringen Schmerzen etwas zu. 
Am Ende der 3. Woche war die rechte Wange bedeutend verkleinert und zeigte 
ziemlich derbe Konsistenz. Die Verschiedenheit beider Gesichtshälften war nur 
noch gering. Erhard Schmidt (Leipzig). 


42) L. Cheatle. A case of sarcoma of the tongue. 
(Medical press 1906. Juli 4.) 


Hine 52jährige Frau zeigte an der rechten Seite der Zunge zwischen mittlerem 
und hinterem Drittel eine rundliche, umschriebene, derbe Geschwulst unter der 
Schleimhaut, die, allmählich gewachsen, vor 6 Wochen zum ersten Male von der 
Pat. bemerkt worden war. Es bestand keine Lymphdrüsenschwellung. Die Ober- 
fläche der Zunge zeigte normales Aussehen. Die Geschwulst wurde exstirpiert. 
Sie war von gleichmäßiger Konsistenz und erwies sich mikroskopisch als Spindel- 
zellensarkom. Erhard Schmidt (Leipzig). 


43) Ledinger. Gestielte maligne Geschwulst der Tonsille. 
(Archiv für Laryngologie und Rhinologie Bd. XVIII. Hft. 1.) 


Die gestielte Geschwulst saß am unteren Pole der nicht veränderten Mandel. 
Die histologische Untersuchung ergab ein Endothelioma carcinomatodes.. Kurz 
vorher exstirpierte Inguinaldrüsen ergaben das gleiche Bild bei der mikroskopi- 
schen Untersuchung. Im Laufe der nächsten Monate traten inguinale und retro- 
peritoneale Geschwülste auf; nach einem Jahre Tod. Durch das Fehlen der Sektion 
war es nicht möglich, die primäre Geschwulst zu bestimmen. Mit Redut betont 
Verf., es sei praktisch wichtig, zu wissen, daß gestielte Rachengeschwülste nicht 
immer, wie man bisher annehmen zu müssen glaubte, gutartig seien. 

F. Alexander (Frankfurt a. M). 


44) N. Daptas. De l'abcès rétro-pharyngien chez les enfants et chez 


les adultes. 
(Revue hebdom. de laryngol., d’otol. et de rhinol. 1906. Nr. 16.) 


Die allgemeinen Ausführungen über den Retropharyngealabszeß bieten nichts 
Neues. Der ausführlich beschriebene Fall betraf einen 65jährigen Mann, der der Er- 
stickung nahe dem Verf. zugeführt wurde; zur Ausführung der nötigen Tracheotomie 
konnte Pat. nicht einmal hingelegt werden; plötzliches Aussetzen der Atmung verbot 
eine regelrechte Ausführung der Tracheotomie; T. machte im Spatinm hyo-thyreoid. 
eine Inzision, führte durch dieselbe eine dünne Kanüle und konnte so die Atmung 
wieder herstellen. Am folgenden Tage Eröffnung eines kolossalen retropharyngealen 
Abszesses. Derselbe füllte sich mehrmals wieder, besonders in seiner unteren 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 981 


Tasche und machte die Abtragung der tiefer gelegenen Teile der Abszeßwand er- 
forderlich. Während der langen Behandlungsperiode war die Einlegung einer 
Schlundsonde durch die Nase für längere Zeit notwendig. Die Atiologie ist un- 
bekannt, Schießlich erfolgte Heilung; nur die Stimme blieb rauh. 

F. Alexander (Frankfurt a. M.). 


45) E. Uruüuela. De l’intubation appliquee & certaines fractures du 
] 


(Revue hebdom. de laryngol., d’otol. et de rhinol. 1905. Nr. 51.) 

Nach kurzer Besprechung der wesentlichsten Symptome der Kehlkopffrakturen 
berichtet Verf. über drei Fälle: 

1) Bruch des Schildknorpels durch einen Fußtritt in die Halsgegend bei einem 
30jährigen Manne; Ruhe, flüssige Nahrung, Eis, Kokain führten zur Heilung. 

2) Bruch des Ringknorpels infolge Tritt eines Maulesels; ein Bruchstück sprang 
in das Innere des Kehlkopfes vor; hier war die Intubation sehr förderlich für die 
Heilung. 

3) 60jähr. Mann mit Schildknorpelbruch infolge Fall von einem Wagen mit hoch- 
gradiger Asphyxie und Blutung; hier war die Tracheotomie notwendig, es resul- 
tierte eine narbige Stenose. Eine systematische Intubierung war nicht ausführbar, 
weil Pat. auf dem Lande wohnte. — Seitdem hat sich Verf. in 4 weiteren Fällen 
die Intubation glänzend bewährt. Sollte die Tracheotomie oder Thyreotomie erfor- 
derlich sein, so empfiehlt Verf. dringend die Reposition der Bruchstücke und baldige 
Einführung einer Tube. F. Alexander (Frankfurt a. M.). 


46) R. Wendeborn. Ein Beitrag zur operativen Behandlung der 


Larynxstenosen und -defekte. 
Inaug.-Diss., Kiel, 1906. 

Bei einem 8 Jahre alten Knaben, der 2 Jahre lang eine Kanüle getragen, und 
bei dem nach einem Unfalle durch Überfahren Husten und Atemnot sich ver- 
schlimmert hatten, wurde mit bestem Erfolge die v. Mangoldt’sche Plastik aus- 
geführt. Erster Akt: Einpflanzung einer mit Perichondrium bedeckten Rippen- 
knorpelscheibe unter die Kinn-Halshaut. Zweiter Akt (5 Wochen später): Einpflan- 
zung dieser Knorpelscheibe in den strikturierten Kehlkopf, nach vorhergegangenem 
Umklappen eines Hautlappen. Ohne weitere Intubation war die Atmung voll- 
kommen frei. F. Alexander (Frankfurt a. M.). 


47) L. Polyäk. Über die Anwendung der Hyperämie als Heilmittel 
nach Bier bei Erkrankungen der oberen Luftwege. 
(Archiv für Laryngologie und Rhinologie Bd. XVIII. Hft. 2.) 

Verf. will durch seine Veröffentlichung auf Grund recht ermutigender Ver- 
suche zu weiterer Prüfung anregen. Am besten waren die Erfolge bei akuten 
Affektionen (Nebenhöhleneiterungen, Schnupfen, Tonsillitis usw.). Bei phlegmonöser 
Tonsillitis, Parotitis, Angina Ludovici wurde daneben noch eine kleine Inzision an- 
gelegt. Chronische Katarrhe mit Krustenbildung, Bursitis pharyngea wiesen mäßige 
Besserung auf, jedoch ist die Zeit hierfür noch zu kurz. Bei acht Fällen von Kehl- 
kopftuberkulose kam es nie, wie Verf. befürchten zu müssen glaubte, zu stärkerem 
Ödem und demzufolge Erstickungsgefahr; immer hält er es für ratsam, alle Vor- 
bereitungen für eine eventuelle Tracheotomie zu treffen. Schluckbeschwerden und 
Heiserkeit wurden gemildert. Zur Beurteilung des Heilwertes ist die Zeit zu kurz, 
immerhin schien eine objektive Abnahme der krankhaften Veränderungen bemerkbar 
zu sein. Im großen und ganzen dürfte die Stauung zur allgemeinen und dauern- 
den Hyperämisierung sich mehr eignen und nur gelegentlich das Saugen eine Er- 
gänzung bilden. Um die einzelnen Partien des Rachens usw. zugänglich zu 
machen, hat Verf. einige entsprechend geformte Saugapparate angegeben. Unbe- 
dingt notwendig sei eine genaue ärztliche Kontrolle, besonders am Anfange der 
Stauung. F. Alexander (Frankfurt a. M.). 


982 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 


48) I. Mader. Uber Röntgentherapie in den oberen Luftwegen. 
(Archiv für Laryngologie und Rhinologie Bd. XVIL Hft. 1.) 

Verf. ist bei seinen Versuchen, die Röntgentherapie für sein Gebiet nutzbar zu 
machen, nach mannigfachen Bemühungen zur Konstruktion einer hierfür geeigneten 
Röhre gelangt, welche es ermöglicht, die einzelnen Teile von Kehlkopf und Rachen 
zu bestrahlen. Die Erfolge waren recht ermutigend besonders in einem Falle, wo 
es gelang, ein Karzinom, dessen Natur durch mikroskopische Untersuchung sicher- 
gestellt war, an der hinteren Rachenwand zur Vernarbung zu bringen. Die genaue 
Beschreibung der Technik erleichtert dem Leser die Nachprüfung wesentlich. 

F. Alexander (Frankfurt a. M.). 


49) W. Bogoljubow. Epiglottiscysten. 
(Russ. Archiv für Chirurgie 1905. [Russisch.)) 

Die große Seltenheit der Epiglottiscysten — ca. 11/3% aller Kehlkopf- 
geschwülste — wird die ausführlichere Mitteilung einer Krankengeschichte recht- 
fertigen. 

Seit 5 Jahren ungefähr fühlte sich der jetzt 42jährige Bauer beim Schlucken 
fester Speisen behindert und klagte über Husten und Veränderung der Stimme. 
Bei einfacher Inspektion des Mundes war nichts zu sehen. Bei Hustenstößen aber 
erschien hinter dem Zungengrund eine gelbliche, auf der Oberfläche gefäßreiche 
Geschwulst in der Größe eines Hühnereies, die mit breitem Stiele der Vorder- 
fläche des Kehldeckels aufsaß. Bei Erstickungsanfällen half Pat. sich dadurch, 
daß er heftig hustete, wodurch die Geschwulst samt der Epiglottis vom Aditus 
fortgeschleudert wurde. 

Rasumowski entfernte die Geschwulst auf dem Wege der Pharyngotomia 
subhyoidea. Pat. wurde völlig geheilt und war auch 2 Jahre später gesund. 

Die Cyste hatte eine birnenförmige Gestalt, dünne Wände und gleichmäßigen 
weißen Inhalt, ähnlich einem Atherom (Fett, Cholesterin). Die innere Fläche war 
grau-weiß, glänzend. Im Stiele fanden sich Lymphfollikel, in der Wand, in der 
Nähe des Stieles, Gruppen von »Schleimdrüsen« und Kanäle verschiedener Größe, 
die mit ein- bis mehrschichtigem Zylinderepithel ausgekleidet und stellenweise von 
lymphoiden Elementen und Drüsen umgeben waren. Die innere Auskleidung der 
Cyste wurde besorgt durch eine Epithelschicht, die bald einfach, bald mehrschichtig, 
bald homogen war. In letzteren Partien waren mit sehr starker Vergrößerung ge- 
legentlich Endothelzellen zu erkennen. 

B. hält die Cyste, besonders auf Grund des Befundes der Zylinderepithelien, 
die früher die ganze Cyste ausgekleidet hätten, für eine branchiogene. 

V. E. Mertens (Breslau). 


50) C. Johnsen. Kasuistischer Beitrag zur Würdigung der Broncho- 
skopie. Nagel in der rechten Lunge mittels Bronchoskopie diagnosti- 
ziert und extrahiert. 

Inaug.-Diss., Kiel, 1905. 

Ein 2,5 cm langer Sattlernagel hatte 11 Monate im rechten Hauptbronchus 
gelegen; nach Ausführung der tiefen Tracheotomie gelang die Extraktion beim 
zweiten Versuch mittels einer Urethralzange mit fast rechtwinklig nach abwärts 
gebogenem Handgriff. Die lange Killian’sche Fremdkörperzange bereitete 
Schwierigkeiten, um den Widerstand bei der Extraktion der Fremdkörper zu über- 
winden. Verf. stellt dann noch 24 aus dem Zeitraume 1904/05 gesammelte 


bronchoskopische Fremdkörperfälle zusammen. 
F. Alexander (Frankfurt a. M). 


51) Henrici. Ein bronchoskopischer F'rremdkörperfall. 
(Archiv fiir Laryngologie und Rhinologie Bd. XVIII. Hft. 2.) 


Nach mehrmaligen vergeblichen Versuchen gelang es Verf. bei einer 62jährigen 
Frau, ein Knochenstück, dessen Maße 1,4 :0,8: 0,4 cm betrugen, aus dem linken 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 983 


Hauptbronchus mit Killian’s graziler Bohnenzange zu extrahieren; der Fremd- 
körper hatte 4 Monate in der Lunge gesteckt und eine mäßige Bronchitis mit 
Atemnot unterhalten. Wegen ausgesprochener Enge der Glottis hatte das zerleg- 
bare Killian'sche Leitungsrohr sich nicht bewährt, ebenso hinderte das Rohrende, 
bis Verf. dasselbe keilförmig abschrägte und sich hierdurch die Einführung wesent- 
lich erleichterte. Der Fremdkörper lag 32 cm von der Zahnreihe entfernt. 

F. Alexander (Frankfurt a. M.). 


52) E. J. Moure. Corps étrangers des bronches et bronchoscopie. 
(Revue hebdom. de laryngol., d’otol. et de rhino). 1906. Nr. 6.) 


Verf. berichtet über zwei Fälle, die in Rücksicht auf die erst im Werden be- 
griffene Indikationsstellung für Anwendung der oberen bzw. unteren Broncho- 
skopie wertvoll erscheinen. 

1) 63jähriger Mann, der vor 20 Tagen einen Schweineknochen verschluckt 
hatte; Durchleuchtung ohne Ergebnis; deutliche Symptome einer eitrigen rechts- 
seitigen Lungenerkrankung in der Schulterblattgegend. Nach vorausgegangener 
Tracheotomie gelingt es bei zweimaligem Eingehen, zwei Knochenstücke von un- 
regelmäßiger Gestalt zu extrahieren; nach der Operation kam es noch zu einer 
Infektion der Trachealwunde, und es vergingen 6 Wochen bis die ausgedehnte 
Lungenaffektion zur vollkommenen Ausheilung kam. 

2) 6öjährige Frau, die angeblich vor 5 Monaten einen Rindsknochen verschluckt 
hatte. Die linke Lunge wies zahlreiche physikalische Veränderungen auf, dagegen 
gab Pat. an, in der rechten Brustseite Schmerzen zu empfinden. Eine Durch- 
leuchtung ist nicht erwähnt. Bei dem guten Zustande der Pat. wurde der natür- 
liche Weg zur Bronchoskopie gewählt; in sitzender Stellung gelang die Einführung 
der Röhre in den rechten Bronchus bis über die zweite Teilungsstelle; da die 
Einführung in den linken Bronchus nicht sofort gelingt und Pat. Zeichen von Er- 
müdung bietet, wird von weiteren Maßnahmen Abstand genommen. Pat. erkrankt 
am folgenden Tage unter den Zeichen einer schweren Pneumonie und stirbt nach 
10 Tagen; die Sektion zeigt einen dreieckigen Knochen im linken Bronchialbaum. 
Die Lokalisation der Schmerzempfindung entsprach also nicht der Seite, wo der 
Fremdkörper saß. 

Der Fall beweist dem Verf., daß ergebnislose Versuche doch nicht immer so 
harmlos sind wie von vielen Seiten bisher angenommen wurde. 

M. möchte auf Grund dieser und seiner sonstigen Erfahrungen folgende Grund- 
sätze aufstellen: Bei Kindern Anwendung der Narkose und Einführung am hängen- 
den Kopf. Bei Erwachsenen wolle man zwischen frischen und veralteten Fällen 
mit ausgedehnten Lungenveränderungen scheiden; bei ersteren ist die obere 
Bronchoskopie sitzend oder in Seitenlage (Ösophagoskopiestellung) zu versuchen, 
bei Fällen dagegen, wo der Fremdkörper schon längere Zeit verschluckt ist und 
der Zustand demgemäß kein so günstiger, soll man tracheotomieren und die 
untere Bronchoskopie ausführen. Die zunehmende Erfahrung wird gewiß allmäh- 
lich die Indikation für die beiden Methoden immer mehr präzisieren, und es ist 
dem Verf. zu danken dafür, daß er diesen unglücklich verlaufenen Fall so ausführ- 
lich publiziert hat. F. Alexander (Frankfurt a. M.). 


53) M. P. Jouffray. Du calibrage et de la suspension de la trachée 
ramollie au cours des opérations pour goitre suffocant. 
(Province méd. 1906. Nr. 14.) 

Verf. hat bei zwei Fallen von Asphyxie im Verlaufe von Kropfoperationen 
durch Exothyreopexie und durch Aufhängen der kollabierten Trachea den Luft- 
weg wieder hergestellt. 

_ Die von J aboulay empfohlene Exothyreopexie will Verf. nur fiir eine der- 

Indikation in Anspruch nehmen und auch dann nur, wenn eine säbelscheiden- 
rormige Luftröhre vorliegt, deren Längsdurchmesser ein dorso-anteriorer ist. In 
einer zweiten Sitzung wird dann der vorgelagerte Knoten exzidiert. Ist die Luft- 


984 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 


röhre erweicht, dann rät Verf. die Suspension, d. h. er knüpft dieselbe seitlich an 
beide Sterno-cleido-mastoidei und vorn an den Thyreo-hyoideus an, um ein Kolla- 
bieren zu verhindern. A. Hofmann (Karlsruhe). 


54) P. Mauclaire et D. G. Zesas. Le massage direct du coeur dans 
le collapsus chloroformique. 
(Arch. internat. de chir. Vol. III. Fasc. 1.) 


Lebrreiche Zusammenstellung der bisher veröffentlichten Fälle von direkter 
Herzmassage im Chloroformkollaps. Unter 30 Fällen wurde 10mal die »subdia- 
phragmatische« Methode, 4mal die »transdiaphragmatische« Methode und 16mal 
die Thorakotomie ausgeführt. Die Thorakotomie hatte 15 Mißerfolge und einen 
Erfolg. Unter den Mißerfolgen waren drei Fälle, in denen die Wiederbelebung des 
Herzens für 5 bzw. 8 und 24 Stunden gelang, fünf Fälle, in denen der Wieder- 
beginn der Herztätigkeit vorübergehend zu beobachten war, und sieben Fälle, in 
denen Herzkontraktionen nicht angeregt werden konnten. Die transdiaphragma- 
tische Methode hatte in allen vier Fällen ein ungünstiges Ergebnis. Die sub- 
diaphragmatische Methode (Laparotomie, rhythmisches Zusammenpressen des Her- 
zens zwischen Zwerchfell und Sternum) hatte 6mal vollen Erfolg, 4mal MiGerfolg, 
in zwei Fallen nach voriibergehender Wiederkehr der Herzkontraktionen. Diese 
einfache Statistik läßt die diaphragmatische Methode als die empfehlenswerteste 
erscheinen. Die klinischen Erfahrungen ermuntern jedenfalls, bei schwerer Chloro- 
formsynkope, wenn andere Mittel versagen, die direkte Herzmassage zu versuchen. 

Revenstorf (Hamburg). 


55) D. v. Navratil. Primärer Echinokokkus des Mediastinums (Ope- 
ration — Heilung). 
(Med. Klinik 1906. Nr. 23.) 


Von den vier bisher bekannten und kurz erwähnten Fällen starb einer in- 
folge Durchbruchs in den Herzbeutel, drei an Erstickung infolge Durchbruchs in 
die Luftröbre. Verf. bringt die Krankengeschichte eines fünften Falles. Die seit 
4 Jahren bestehende Geschwulst in der Kehlgrube machte den Eindruck eines tief- 
sitzenden Kropfes oder einer Kropfcyste. Die Operation (Dollinger) bestand in 
örtlicher Betäubung, Querschnitt und Freilegung der Geschwulst, Entleerung des 
Cysteninhaltes durch Punktion, worauf die vorher bedrohliche Atemnot schwand, 
Entfernung des Cystensackes. Offene Wundbehandlung. 6 Wochen später Ent- 
lassung des Geheilten. Georg Schmidt (Berlin). 


56) L. Küppers. Sterilisier- und Desinfizierapparat fiir Arzte und 
Laien. 
(Med. Klinik 1906. Nr. 23.) 

Neun Abbildungen. Uber offenem Feuer schwebt ein Wasserkessel. Uber 
diesen ist ein Hohldeckel gestülpt, in dessen Hohlraum ein Instrumentensieb und 
ein Verbandmittelbehälter hängt, durch welche der Wasserdampf hindurchtritt. 
K. rühmt seinem Apparate praktische Einfachheit und handlichen Betrieb nach. 

Georg Schmidt (Berlin). 


57) K. Reinecke. Arterienklemme nach Péan-Kéberle. 
(Arztl. Polytechnik 1906. Marz.) 
Tangential angeordnete Sperrvorrichtung, die durch einfachen Druck, ohne 


Voneinanderheben der Griffe, gelést wird, ist die Verbesserung, die R. angebracht 
hat. Abbildung im Original. E. Fischer (Straßburg i. E.). 


Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man 
an Prof. RE. Richter in Breslau (Kaiser WilhelmstraGe 115), oder an die Verlags- 
handlung Brestkopf & Härtel, einsenden. 





Druck und Verlag von Breitkopf & & Härtel in Leipzig, Nürnbergerstraße 36/38. 


Zentralblatt 
CHIRURGIE 


herausgegeben 
E. v Beman, F, Kini, E Bitte 





Dreiunddreißigster Jahrgang. 


Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei 
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten. 


Nr. 37. Sonnabend, den 15. September. 1906. 











Inhalt: 1) Billroth-Winiwarter, Allgemeine Chirurgie. — 2) Ebstein und Schwalbe, 
Chirurgie des praktischen Arztes. — 3) Carpi, Zur Hämatologie. — 4) Ross, Die opsonische 
Theorie. — 5) Luckett, Tetanus. — 6) Pasteur und Courtould, Pneumokokkengelenkentzün- 
dung. — 7) Murphy, Ankylose. — 8) Tuppinger, Röntgenographische Differenzierung. — 
9) Jacobi, 10) Neisser und Jacobi, Dermatologische Atlanten. — 11) Morlchau-Beauchant, 
Die umschriebenen akuten Ödeme. — 12) Touchard, Sklerodermie. — 13) Bryan, Schädel- 
bruch. — 14) Strasser, Gehirnpräparation. — 15) Mills, Hirngeschwülste. — 16) Unterber- 
ger, Verletzungen des Ductus thoracicus. — 17) Macewen, Zur Lungenchirurgie. — 18) Jo- 
nes, Komplikationen von Schulterverrenkung. — 19) Ehebald, Kahnbeinbruch. — 20) Harry, 
Psoashamatome. — 21) Gross, Lymphangiektaste der Leiste. — 22) Flint, Knieresektion. — 
23) Pätzold, Genu valgum. — 24) Bunge, Tragfähige Amputationsstümpfe. 

I. C. Bayer, 1) Dorsale Fixation des Armes bei Schlüsselbeinbruch. 2) Protektivesilk als 
Deckmittel für den Darm bei peritonealer Tamponade. — II. C. Israel, Erhaltung des Weich- 
teilnasengerüstes bei Oberkieferresektion und die Vorteile dieser Operationsmethode. (Ori- 
ginal-Mittellungen.) 

25) Hunt, Abszeß mit Protozoen. — 26) Alessandri, Neubildung um einen Unterbin- 
dungsfaden. — 27) Grünberger, Tetanus. — 28) Zur Röntgentherapie. — 29) Borchgrevink, 
30) Dold, Lokalanästhesie. — 31) Velel und Hartmann, Pockenähnlicher Ausschlag bei Diph- 
therie. — 32) Brault, 33) Le Play und Déhu, Melanodermie bei Pedikulosis. — 34) Runge, 
Xanthoma tuberosum. — 365) de Beurmann und Gougerot, Schleimhautkeloide. — 36) Andry, 
Uleus rodens beim Kind. — 37) Imhofer, 38) Springer, Tonsillitis. — 89) Ramm, Atlasver- 
renkung. — 40) Tubby, Torticollis. — 41) Nakayama, Membranbildung im Kehlkopf. — 
in Muller und Speose, Schilddrüsenkrebs und Sarkom. — 43) Zeman, Ösophagotomie. — 
44) Fullerton, Verletzung des Ductus thoracicus. — 45) Mackenzie, Lipom des Herzbeutels. 
— 46) Schulz, Mangel der a — 47) Puttl, Subluxation der Hand. — 48) Frie- 
del, Schnellender Finger. — 49) Kern, Aneurysma popliteum. — 50) Hoffa, Rintgenbilder 
nach Sauerstoffeinblasung in das Kniegelenk. — 51) Draudt, Knietuberkulose. — 52) Pelle- 
grini, Bandverknöcherung am Knie. — 53) Ottendorf, Amniotische Einschnürung am Unter- 
schenkel. — 54) Dambrin, Zerreißung der Achillessehne. — 55) Stegmann, Ersatz des Fer- 
senbeines durch das Sprungbein. — 56) Sommer, Fersenbeinbrüche. — 57) Toussaint, 
Traumatische Osteochondrome. — 58) Baroni, Mal perforant du pied. — 59) Eckstein, Her- 
stellung von Fußabdrücken. — 60) Hohmann, Plattfuß. — 61) Lepuyer, Schlüsselbeinbruch. 
— 62) Irish, Intermittierendes Hinken. 


— — —— — — — — — 
1) Billroth-Winiwarter. Die allgemeine chirurgische Pa- 


thologie und Therapie in 51 Vorlesungen. 16. Auflage. 979 S. 
Berlin, Georg Reimer, 1906. 
Eine neue Auflage des alten Standardwerkes zur Einführung in 
die Chirurgie! Und wie ist die Aufgabe gelöst! Vor mir liegt zum 
37 


986 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 


Vergleich die 14. Auflage (1889). Man muß staunen, wie der noch 
Lebende der beiden Verfasser es verstanden hat, das Buch den viel- 
fach veränderten, modernen Anschauungen anzupassen, und wie orga- 
nisch die Neuerungen dem Ganzen angepaßt sind. Der Umfang ist 
der gleiche geblieben. Dasjenige, was an dem Buche besonders 
schätzenswert und erfrischend ist, die Berücksichtigung der Entwick- 
lung unserer Wissenschaft und Kunst, die historische Darstellung, ist 
unverändert geblieben, und einen eigenen Reiz gewährt es, die alten 
Krankengeschichten der Billroth’schen Klinik als Paradigmata heran- 
gezogen zu sehen. . 

Das Buch nennt sich ein Handbuch für Studierende und Arzte. 
Ich möchte es vor allem als ein Handbuch für den chirurgischen 
Spezialisten bezeichen, für dessen Arbeit es unentbehrlich erscheint. 
Die Kapiteleinteilung ist im großen und ganzen dieselbe geblieben, 
einige nur sind zusammengezogen und durch ganz neue ersetzt, so hat 
die Tuberkulose der Knochen eine besondere Besprechung erfahren. 
Auch die Abbildungen sind um einige vermehrt. Leider sind die alten 
schematischen Bilder, insbesondere die histologischen (Entzündung) 
beibehalten. Hier hätte Ref. doch lieber eine Ersetzung durch natür- 
liche Zeichnungen gesehen. Als das Werk in erster Auflage erschien, 
waren die Anforderungen an die pathologische Histologie und die 
Voraussetzungen, die für ihre Kenntnis bei Studierenden und Arzten 
gemacht werden konnten, sehr viel geringer. Jetzt ist das anders. 
Wir sind nicht bessere, aber natürlichere Darstellungen der Gewebs- 
strukturen gewohnt, und auch derjenige, der sich weniger in die patho- 
logische Anatomie vertieft hat, versteht, sie zu lesen. Ich glaube, daß 
neben den schematischen — die ich auch nicht missen möchte — zum 
besseren Verständnis auch noch gute Bilder pathologisch-anatomischer 
Vorgänge angebracht wären. 

Wenn wir einmal kritisieren wollen, so sei noch darauf aufmerksam 
gemacht, daß einige moderne Methoden doch wohl noch hätten näher 
erörtert werden können, so die Skopolaminnarkose, die Rückenmarks- 
anästhesie, von der Verf. überhaupt abrät, die Bunge’sche Ampu- 
tationstechnik. 

Doch das tut dem hervorragenden Werke sicher keinen Abbruch. 
Hoffen wir, daß es weiterhin manchen Adepten in unsere hehre Kunst 
einführt und den Ruhm der Wiener Schule der Nachwelt erhält. 

Goebel (Breslau). 


— — — — 


2) Ebstein und Schwalbe. Chirurgie des praktischen Arztes 
mit Einschluß der Augen-, Ohren- und Zahnkrankheiten. 
(Ergänzungsband zum Handbuch der praktischen Medizin). 
I. Hälfte. 
Stuttgart, Ferdinand Enke, 1906. 


Die Herausgeber des Handbuches der praktischen Medizin haben 
bei der zweiten Auflage die Darstellung der Chirurgie aus dem Zu- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 987 


sammenhang des ganzen Werkes herausgenommen und als besonderen 
Ergänzungsband erscheinen lassen; und zwar ist dieser Band abwei- 
chend von der herkömmlichen streng topographischen Anordnung der 
chirurgischen Lehrbücher, analog dem Handbuch, nach Organsystemen 
gegliedert. Das ist entschieden ein glücklicher Gedanke, wie uns die 
Lektüre der vorliegenden I. Hälfte des Werkes beweist. A. Fraenkel 
(Wien) gibt die Einleitung, Anästhesierung, allgemeine Wundbehand- 
lung, Chirurgie der Schädelknochen und ihrer Decken und der Wirbel- 
säule; Tilmann die Chirurgie des Nervensystems, und in Verbindung 
mit Kayser die der Muskeln und Sehnen; Hess die Augenkrank- 
heiten; Kümmel!’ die Ohrenkrankheiten; Leser die Chirurgie des 
Gesichtes; Scheff die Zahnkrankheiten und Garrd die Chirurgie des 
Halses und der Brust. 

Die Fülle des Gebotenen, trotz der Knappheit der Darstellung, 
ist enorm, so daß sich das Buch bei seinem, trotz zahlreicher Abbil- 
dungen billigen Preis (8 .4), sicher viele Freunde erwerben wird. 
Wenn man will, so könnte man höchstens wünschen, daß die Therapie, 
die doch bei dem Praktiker meist die Hauptrolle spielt, etwas mehr 
hätte berücksichtigt werden sollen. Vielleicht ließe sich dies auf 
Kosten der Literaturangaben erreichen, auf welche der praktische Arzt 
nicht so großen Wert legen wird. 

Dem hervorragenden Werke, an dem eine Reihe unserer bedeu- 
tendsten und erfahrendsten Forscher mitarbeiten, ist zum Besten der 
leidenden Menschheit eine große Verbreitung zu "wünschen: besonders 
dürfte es geeignet sein, der chirurgischen Therapie unter unseren 
inneren Kollegen immer mehr Zuneingung zu verschaffen. 

Goebel (Breslau). 


— — — — 


3) Carpi. Studio sulla formula ematologica. 
(Dissertation, Milano, F. Vallardi, 1905. Olinica chirurgica 1905. Nr. 11.) 


Diese fleibigo Arbeit, welche aus dem pathologisch-chirurgischen 
Universitätsinstitut Muscatello’s zu Pavia hervorgegangen ist, teilt 
sich in einen allgemeinen und speziellen Abschnitt. Der erstere 
enthält zunächst ein Kapitel über die normale Hämatologie des Men- 
schen mit ihren physiologischen Schwankungen. Das zweite Kapitel 
ist der Eosinophilie und Jodreaktion der Leukocyten gewidmet, und 
im dritten Kapitel wird die Technik besprochen. Alle Kapitel zeugen 
von einem gründlichen Studium der Materie. 

Der individuelle Wert der Arbeit liegt im zweiten, speziellen 
Abschnitte, welcher die eigenen Untersuchungen von 122 Fällen wieder- 
gibt. Verf. beginnt mit einem Falle von Leukämie, und hieran reiht 
sich die Besprechung des übrigen Materiales. Dieses gruppiert ©. 
folgendermaßen. 1) Entzündungen (Septikopyämie, Entzündungen der 
Knochen und Gelenke, der serösen Häute, der Harn- und der Gallen- 
wege); 2) Tuberkulose; 3) Affektionen der Schilddrüse; 4) gutartige 
und bösartige Geschwülste; 5) traumatische Affektionen. Den Schluß 

37% 


988 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 


der Besprechung bildet noch eine tabellarische Übersicht seiner Ka- 
suistik und ein Literaturverzeichnis von 141 Nummern. 

Durch diese Untersuchungen konnte Verf. die früheren Forschungs- 
ergebnisse zum Teil bestätigen, zum Teil erweitern. Danach bildet 
‘die vollständige hämatologische Untersuchungsmethode ein sehr wert- 
volles Hilfsmittel unserer klinisch-chirurgischen Diagnostik; Prüfung 
einzelner Komponenten des Blutes, wie der Leukocytenkurve bei Ent- 
zündungen, ist nur ausnahmsweise von ausschlaggebendem Wert. Die 
Blutuntersuchung überhaupt hat nur im Vereine mit dem übrigen 
diagnostischem Rüstzeug ihre Bedeutung. 

Für die Diagnose von Wert ist nach Verf. die Leukocytenkurve 
bei Eiterungen; hier gibt sie auch differentialdiagnostische Fingerzeige 
der Tuberkulose und den Neubildungen gegenüber. Bei lokalisierter 
und unkomplizierter Tuberkulose fand Verf. als gewissermaßen ty- 
pischen und charakteristischen Blutbefund: Chloroanämie, geringe 
‘Leukocytose oder Leukocytenarmut, geringe Eosinophilie, Abnahme 
der polynukleären Leukocyten, also Lymphocytose. Auch bei Ge- 
schwülsten scheint die Blutuntersuchung die Differentialdiagnose zwi- 
schen gutartigen und bösartigen Prozessen zu unterstützen. Bei 
Karzinom findet man schwere Anämie nach dem Typus der chloro- 
tischen, kombiniert mit leichterer Hyperleukocytose, und zwar vorwie- 
gend eine Vermehrung der mononukleären Lymphocyten im Beginne 
der Erkrankung und der polynukleären Zellen bei vorgeschrittenen 
Fällen. Beim Sarkom scheint sich eine polynukleäre Hyperleukocytose 
und Eosinophilie einzustellen bei normalem oder wenig unter die Norm ` 
sinkendem Befund an den roten Blutzellen. 

Prognostisch bietet die Leukocytenkurve in ihrem Ansteigen und 
Abfallen, auch nach C.’s Beobachtungen, einen gewissen Anhalt für 
den Ausgang in Eiterung oder Resolution, und danach wird eine hohe 
und ständig steigende Leukocytenkurve zur Operation drängen. Bei 
der Tuberkulose ist eine Zunahme des Hämoglobingehaltes und der 
roten Blutzellen, die Neigung zur normalen Höhe der Leukocytenkurve 
und die Vermehrung der eosinophilen Zellen als günstiges Symptom 
anzusehen. Bei Geschwülsten, speziell beim Karzinom, deutet ein 
progressives Sinken des Befundes an den roten Blutzellen unter die 
INorm, sowie eine progressive polynukleäre Hyperleukocytose auf ein 


Fortschreiten und eine Verallgemeinerung des Prozesses hin. 
119 Most (Breslau). 





Ái @. Ross. An address on the opsonic theory and its 

-19b9. practical application to medicine and surgery. 

ddios (Brit. med. journ. 1906. Juli 7.) 

I ds dürfte von Interesse sein, eine neue Methode, bakterielle Er- 

aüngen zu erkennen und behandeln, kennen zu lernen, von der zur- 

slim der englischen Literatur viel die Rede ist. Denn es ist nicht 

aoe daB sie in Kiirze auch bei uns nachuntersucht werden 
A Es sei darum gestattet, an der Hand der Arbeit von R. einige 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 989: 


Erläuterungen über die »opsonische Theorie« von Wright und Dou- 
glas zu geben. 

Die beiden englischen Gelehrten gehen aus von der Mets — 
koff’schen Theorie der Phagocytose. Sie konnten 1903 experimentell 
durch künstliche Trennung der Zellelemente vom Blutserum nach- 
weisen, daß die Leukocyten allein keine Phagocytose bewirken, sondern 
dazu der Mithilfe des Blutserums bedürfen. Sie schlossen daraus auf 
das Vorhandensein eines besonderen Körpers im Blutserum, der die 
Leukocyten zur Phagocytose befähigt. Weitere Forschungen ergaben 
als Eigenschaften dieses Körpers, daß er nicht etwa als Reiz auf die 
ohne Serum ohnmächtigen Leukocyten wirkt, sondern daß er sich mit 
den Mikroorganismen, die jeweilig vorhanden sind, verbindet und sie 
zur Phagocytose vorbereitet, sie gleichsam fähig macht, von den Leuko- 
cyten aufgenommen zu werden. Daher der Name »Opsonin«, den sie 
diesem angenommenen Körper geben (von: rò dwor = die gekochte 
oder sonstwie am Feuer zubereitete Speise. Griechisches Wörterbuch 
von Pape. Ref... Die Opsonine verbinden sich chemisch mit den 
Mikroorganismen, und erst dann gewinnen die Leukocyten die Kraft. 
zur Phagocytose. Das jeweilige Maß an beobachteter Phagocytose 
entspricht also der Menge der vorhandenen Opsonine in irgendeinem 
Plasma und nicht, wie man bisher meinte, der lebendigen Tätigkeit. 
der Leukocyten. Fernere Eigenschaften der Opsonine sind ihre Zer- 
störbarkeit durch Hitze ven 60° C in 10 Minuten; ihre Unterscheidbar- 
keit von Bakteriolysinen, Agglutininen, Antitoxinen; ihre hochent- 
wickelte Spezifizität: Individuen mit der halben Menge der zur 
Bekämpfung einer tuberkulösen Infektion nötigen Opsonine besitzen 
z. B. die normale Menge von Opsoninen gegenüber Staphylokokken. 

Zur Feststellung der Menge an Opsoninen im Blute, z. B. eines 
Pat. mit Staphylokokkenfurunkulose, vermengen wir in einer Pipette 
gleiche Mengen vom Blutserum des Pat. mit einer Emulsion von 
Staphylokokken in Kochsalzlésung und Leukocyten ohne Plasma. 
Diese Mischung kommt bei 37° auf 15 Minuten in den Brutschrank. 
Eine zweite Pipette enthält dasselbe, nur statt des Serums aus dem 
Blute des Pat. Blutserum eines gesunden Menschen. Das gefärbte 
Blutpraparat wird untersucht und die durchschnittliche Zahl von 
Staphylokokken, die einer von einer bestimmten Anzahl Leukocyten 
in sich aufgenommen hat, durch Zählung festgestellt. Dieser Durch- 
schnitt der von einem weißen Blutkörperchen gefressenen Staphylo- 
kokken heißt der »phagocytische Index« des Serums: er wird für das 
normale und für das jeweilige pathologische Serum bestimmt. Da bei 
dieser Untersuchungsanordnung das Serum das einzige Veränderliche 
ist, während Leukocyten und Staphylokokken sich gleich bleiben, so 
bedeutet das Verhältnis der beiden phagocytischen Indices zugleich. 
das Verhältnis der Menge an Opsoninen für den betreffenden Mikro- 
organismus im Serum des kranken und im Serum des gesunden 
Menschen. Dieses Verhältnis der beiden phagocytischen Indices, d.h. 
das Verhältnis der Durchschnittszahl von Mikroorganismen, die ein 


990 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 87. 


Leukocyt »gefressen« hat im gesunden und im pathologischen Serum, 
heißt der »opsonische Index<. Wenn z.B. ein Kranker einen opso- 
nischen Index von 0,5 für Staphylokokken hat, so bedeutet das die 
Verminderung der normalen Opsoninmenge, die nötig ist zur erfolg- 
reichen Bekämpfung der Staphylokokken, auf die Hälfte. — Es hat 
sich herausgestellt, daß bei lokaler Begrenzung bakterieller Erkran- 
kungen, z. B. bei Furunkulose, tuberkulösen Lymphdrüsen, der opso- 
nische Index unter der Norm, bei allgemeiner Erkrankung das eine 
Mal über, das andere Mal unter der Norm liegt. 

Um nun die fehlenden Opsonine zu vermehren, versieht Wright 
den Pat. mit einer entsprechenden Menge abgetöteter Mikroorganismen 
der gleichen Art durch Einspritzung. Diese bakterielle Suspension 
nennt er »Vaccine«. Nach der Einverleibung tritt ziemlich gesetz- 
mäßig zunächst eine Verminderung des opsonischen Index auf (»nega- 
tive Phase«); 24 Stunden später beginnt der Aufstieg (»positive Phase«) 
und geht über den normalen Index hinaus (»Hochflut«), worauf der 
Abstieg beginnt. Die zweite Einspritzung soll auf keinen Fall während 
der negativen Phase gemacht werden. 

Der diagnostische Wert der Opsonintheorie tritt hervor bei der 
Unterscheidung der miliaren Tuberkulose von der ulzerösen Endokar- 
ditis, vom Typhus, von allgemeiner gonorrhoischer Infektion; bei der 
Differentialdiagnose von Lungengeschwülsten, chronischer Bronchitis, 
Bronchiektasien einerseits und der Lungenphthise andererseits; bei der 
Diagnose der Art von peritonealen oder pleuralen Ergüssen. Für alle 
diese Fälle bringt Verf. lehrreiche Beispiele. Der therapeutische Wert 
soll den Berichten zufolge bemerkenswert sein bei der chirurgischen 
Tuberkulose und bei der Lungenphthise im Beginn. Wright selbst 
glaubt, daß insbesondere bei lokal begrenzten chirurgischen Tuber- 
kulosen die Behandlung mit Tuberkulin (T. R.) bei sorgfältiger Be- 
obachtung des tuberkulo-opsonischen Index bald die allgemein an- 
erkannte sein wird. Auch hierfür bringt Verf. mehrere Beispiele von 
guten Erfolgen. Weber (Dresden). 





5) W. H. Luckett. Fourth of july injuries, with especial 
reference to the prophylaxis and management of tetanus. 
(Amer. journ. of surg. 1906. Juli.) 

L. betont vor allem die Gefährlichkeit der Taschenpistolen. An 
einem Tage kamen über 60 Fälle von Verletzung mit diesen (meist 
Handwunden) ins Hospital. Verf. empfiehlt Erweiterung und Aus- 
kratzung der Wunden (vor allem Entfernung des Pfropfes) und Des- 
infektion entweder mit reiner Karbolsäure und Alkohol, oder 20. iger 
oder reiner Jodtinktur; nachher feuchten Jodoformgazeverband und 
täglichen Verbandwechsel. Prophylaktisch werden 10 ccm Tetanus- 
antitoxin intramuskulär injiziert, die stets den Ausbruch des Tetanus 
verhinderten. Dagegen sah Verf. einen schweren Tetanus bei einer 
Frau, die die Injektion verweigerte und nur mit Einstäuben eines 


_ Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 991 


pulverisierten Antitoxins in die Wunde behandelt war. Besonders ge- 
fährlich sind Wunden zwischen I. und II. Metacarpus, da sich hier 
der N. medianus verästelt. Die größte Anzahl Tetanusfälle sah Verf. 
nach einem 4. Juli, dem 8 Tage schweren Regenwetters vorausgegangen 
waren. Die Symptome treten 2 Tage bis 2 Wochen nach der Ver- 
letzung auf, abhängig von klimatischen Einflüssen, der Nähe eines 
Nerven und der Resistenz des Kranken (und Virulenz der Bakterien? 
Ref... Einmal sah Verf. einen Krampf des Orbicularis palpebrarum, 
so daß das Auge nur mit der größten Schwierigkeit geöffnet werden 
konnte. Von der endoneuralen Injektion des Tetanusantitoxins hält 
L. nicht viel. Es käme ihm das vor, als wenn die Stalltür geschlossen 
würde, nachdem das Pferd ausgerissen ist. Die intraspinale Injektion 
von Magnesiumsulfat nach Meltzer scheint verheißungsvoll zu sein. 
Für die Behandlung des ausgebrochenen Tetanus wählt L. die intra- 
spinale Injektion von 10—20 ccm Antitoxin täglich oder öfter. Da 
das Serum fast unmittelbar nachher im Urin erscheint, sollen große 
Dosen oft gegeben werden; auch ein Hautausschlag bildet keine Kon- 
traindikation. Von dem hochtoxischen Liquor cerebrospinalis wird 
dabei möglichst viel entleert. Goebel (Breslau). 


6) W. Pasteur und L. Courtould. Primary pneumococcal 
(Lancet 1906. Januar 23.) 

Die primäre Pneumokokkenarthritis ist äußerst selten. Bei Er- 
wachsenen waren unter 56 berichteten Fällen nur 2 primär, und außer 
dieser einen Statistik finden sich nach Verf. nur noch im ganzen 2 
weitere Fälle in der Literatur niedergelegt. Im kindlichen Alter 
finden wir dem gegenüber die primäre Pneumokokkenarthritis weitaus 
häufiger; so wurde sie unter 38 Fällen 6mal als primär gefunden. 
Bei Kindern spielen Kombinationen mit Otitis media, Conjunctivitis 
(Cagnani), mit follikulérer Stomatitis (Ockmar) und katarrhalischer 
Angina (Bichat und Coffert) eine bedeutsame Rolle. 

Was die Pathologie der primären Pneumokokkenarthritis angeht, 
so nimmt Verf. als Entstehungsursache kleine, unbeachtete, wohl meist 
auf den Schleimhäuten gelegene Rhagaden, die die Eintrittspforte für 
den Erreger bilden, an. 

Auffallend sind die Fälle, wo die Pneumokokkengelenkaffektion 
der Pneumokokkenlungenaffektion vorausging, wie solche Fälle von 
Leroux und Raw berichtet werden. Hier ist entweder die Lungen- 
affektion sekundär, oder die Gelenkerkrankung wird schon manifest, 
während die Lungenkrankheit noch im Inkubationsstadium liegt. 

Die primäre Pneumokokkenarthritis ist gewöhnlich auf ein Gelenk 
beschränkt, sie kann andererseits natürlich generalisiert werden. In 
Anbetracht dessen, daß die sekundäre Pneumokokkenarthritis meist 
eine Teilerscheinung ausgesprochener Septhämie ist, gestaltet sich die 
Prognose quoad vitam bei der primären Form wesentlich günstiger. 

H. Ebbinghaus (Dortmund). 





992 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 


7) J. B. Murphy. Ankylosis. Arthroplasty — clinical and 
experimental. 
(Journ. of the amer. med. assoc. 1905. Mai 20, 27, Juni 3.) 

In dieser auf dem amerikanischen Chirurgenkongreß zu St. Louis 
1904 vorgetragenen Arbeit empfiehlt M. auf Grund von Tierversuchen 
und einer Reihe von ihm ausgeführter Operationen bei Ankylosen die 
Zwischenpolsterung eines Fascienmuskellappens, der auch noch eine 
Lage Fettgewebe enthält. M. hat nach solchen Operationen normal 
bewegliche Gelenke mit einem deutlichen, Gelenkschmiere enthaltenden 
Gelenkspalt erhalten. 

Bei Besprechung der zu Ankylose führenden Gelenkerkrankungen 
trennt M. von dem gewöhnlichen monoartikulären Rheumatismus die 
primäre hämatogene fibröse Arthritis, die, ohne urethralen Ursprungs 
zu sein, eine akute Infektion der Synovialmembran darstellt, Wochen 
und Monate dauert und zur Nekrose des Endothels und der subendo- 
thelialen Gebilde führt. Sie endet mit fibröser Ankylose und Ver- 
wachsung der Kapsel. Die periartikulären Gebilde, Sehnen u. dgl. 
sind dabei gewöhnlich nicht beteiligt. Einen ganz anderen klinischen 
Verlauf nimmt wieder die trockene fibröse Arthritis, bei der keine 
septische Intoxikation vorliegt, und die ohne Erguß im Gelenk verläuft, 
auch keinen beständigen Schmerz verursacht. Nur bei Bewegungen 
ist Empfindlichkeit vorhanden, die Bewegungsfähigkeit wird mehr und 
mehr beschränkt, bis sie ganz aufhört. Es hat sich dann eine fibröse 
Verwachsung der benachbarten Gelenkflächen ausgebildet. — Diese 
beiden Arten sind wieder verschieden von der traumatischen fibrösen 
Arthritis nach intraartikulären Frakturen. Diese endet mit vollkom- 
mener Verklebung der Gelenkflächen. Sie ist häufig im Schulter-, 
Ellbogen- und Kniegelenk. Auch ohne Fraktur kann eine trauma- 
tische fibröse Arthritis sich ausbilden ; 8—10 Tage nach einem leichten 
Trauma beginnen Schmerzen, die 3—4 Wochen lang zunehmen. Nach 
etwa 12 Wochen kann sich eine vollständige Ankylose ausgebildet 
haben. Es scheint hier eine Bindegewebsbildung in den Gelenken 
vorzuliegen, die mit Keloidbildung in Vergleich zu setzen ist. Glück- 
licherweise eignen sich diese Gelenke am besten für arthroplastische 
Operationen; die periartikulären Gewebe sind nicht erkrankt. — Die 
am meisten zerstörende Form ist die hämatogene eitrige Arthritis. 
Bei der typhösen Form ist die gemischte (pyämische und typhöse) von 
der rein typhösen Infektion zu trennen. Die erstere spielt sich, ebenso 
wie die skarlatinöse Arthritis, meist im Hüftgelenk ab und führt in 
über 50% der Fälle zu gleichzeitiger Verrenkung. Die leichteren 
skarlatinösen eitrigen Entzündungen benötigen einfache Drainage und 
führen dann oft zu vollständiger Ausheilung des Gelenkes. Dagegen 
ist nach pyämischen Entzündungen die knöcherne Ankylose häufig. 

Bei der gonorrhoischen Entzündung trennt M. die chronische, 
schmerzhafte und trockene Form, dann die akute und subakute seröse 
Entzündung, und schließlich die gemischte Infektion. Die erstgenannte 


Zentralblatt fir Chirurgie. Nr. 37. 993 


Form erstreckt sich über Monate und selbst Jahre, sie führt zu pla- 
stischer adhäsiver Synovitis. Die seröse Synovitis verläuft schneller 
und führt nicht zu Ankylose. Die gemischte Infektion endet mit 
Eiterung, synovialer Nekrose, fibröser oder knöcherner Ankylose ohne 
Erkrankung der periartikulären Gewebe. 

Die tuberkulösen Arthritiden sind größtenteils sekundär von einem 
meist in der Höhe der Diaphysen-Epiphysengrenze gelegenen Knochen- 
herde her. Unter 128 Fällen von Kniegelenkstuberkulosen konnte bei 
126 der Ursprung im Knochen nachgewiesen werden. — Primäre 
ossifizierende Arthritis ist selten, ist nicht entzündlicher Art und führt 
stets zu knécherner Ankylose. Allzulange Fixation eines Gelenkes 
führt zu fibröser synovialer Verklebung. 

Um ankylotische Gelenke zu mobilisieren, hat M. zunächst an 
Hunden Versuche angestellt. Er hat den Trochanter major durchsägt, 
das obere Fragment nebst Muskeln nach oben geschlagen, den 
Schenkelkopf verrenkt, den Knorpel aus der Pfanne und vom Schenkel- 
kopf entfernt und dann die Fascia lata eingenäht, so daß die mus- 
kuläre Oberfläche der Fascie die innere Oberfläche der Pfanne begrenzt. 
Die Ränder der Fascia lata wurden dann als Bedeckung des Schenkel- 
kopfes über diesem zusammengenäht, letzterer wieder reponiert, Tro- 
chanter und Haut darüber vernäht. Bei Tötung des Tieres nach 
1/, Jahr konnte freie passive Beweglichkeit nach jeder Richtung hin 
festgestellt werden. Man fand Atrophie der Muskeln, zwischen 
Schenkelkopf und Pfanne einen feinen Spalt mit weicher Begrenzung 
und angefüllt mit trüber klebriger Flüssigkeit, das Oberschenkelende 
von neugebildeter Synovialmembran begrenzt. Auch eine neue Gelenk- 
kapsel mit länglichen endothelialen Zellen hatte sich als innere Lage 
des umgebenden gefäßführenden Bindegewebes gebildet. 

Beim Menschen eignen sich von ankylotischen Gelenken zur 
Operation das Kiefer-, Hüft-, Schulter-, Ellbogen- und Kniegelenk. 

Bei Ankylosen der Kniescheibe kann ein Teil der Kniegelenkkapsel 
zur Überlagerung des Oberschenkels benutzt werden. In Fällen von 
Verwachsungen nach Sehnenscheidenentzündungen muß die Sehnen- 
scheide exstirpiert und die Sehne mit einer Lage von Binde- oder 
Fettgewebe oder einer Muskelaponeurose bedeckt werden. Bei Anky- 
losen infolge adhäsiver Synovitis mit Verwachsungen der Kapsel mit 
Kopf und Hals soll man die Kapsel und die mit ihr verbundenen 
Bänder exzidieren und Kopf und Hals mit einer Aponeurose oder mit 
Muskel bedecken. Auf die vollkommene Entfernung der Kapsel, beim 
Knie auch der Seitenbänder, ist daher großer Wert zu legen, da ein- 
fache Durchschneidung der Stränge selbst bei Muskelinterposition 
nicht genügt. Die interponierten Lappen erhalten von den Knochen- 
enden her sehr bald reichliche Ernährung. Am Kiefer- und Ell- 
bogengelenk hat die gründliche Entfernung der Kapsel besondere 
Schwierigkeiten. 

Gleichzeitig mit der Gelenkoperation sind je nach Bedarf Teno- 
und Myotomien bzw. Plastiken auszuführen. An der Quadriceps- und 


37+% 


994 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 


Tricepssehne wird man zur Vermeidung von Verwachsungen mit dem 
Knochen öfters Lappen von Fett- oder Muskelgewebe oder Aponeu- 
rosen der Nachbarschaft einlagern müssen. Knöcherne Verwachsungen 
der Gelenkenden müssen mittels Meißels durchtrennt werden, auch 
sind nach Bedarf störende Knochenvorsprünge zu entfernen. 

M. hat 12 Fälle von Ankylosen auf diese Weise operiert, deren 
Krankengeschichten er mitteilt. 

Besonders bemerkenswert ist Fall 4, in dem bei einem 12jährigen 
Knaben die nach einer Oberschenkelkopfnekrose erfolgte knöcherne 
Verwachsung im Hüftgelenk gelöst und nach Auslöffelung der Pfanne 
in diese ein Lappen der Fascia lata eingepflanzt wurde, der so groß 
war, daß er den neugebildeten Kopf ganz bedeckte. Es erfolgte 
Heilung mit sehr guter Beweglichkeit; ebenso in einem anderen Falle 
von Hüftgelenkvsersteifung bei einem 26jährigen Mädchen. Bei einem 
weiteren Falle von Tuberkulose wurde der Lappen der Fascia lata 
nach Resektion des Schenkelkopfes über den Rest des Halses genäht. 
Auch hier wurde Beweglichkeit erzielt, allerdings beschränkte. Die 
Freilegung der Hüftgelenke geschah stets mittels U-förmigen Haut- 
muskellappens. Bei gleichen Operationen am Ellbogen bediente sich 
M. auch der temporären Resektion des Olecranon. Beim Ellenbogen 
ist zu bemerken, daß die Gelenkkapsel an der Beugeseite des Ober- 
armes hoch hinaufgeht, der Fascienlappen also auch weit nach oben 
umgeschlagen werden muß. 

In den mitgeteilten 12 Krankengeschichten sind teilweise hin- 
sichtlich der Beweglichkeit vorzügliche Erfolge erreicht, besonders an 
Hüft- und Ellbogengelenken, weniger an Kniegelenken. 

Ein geschichtlicher Überblick über operative Mobilisation ver- 
steifter Gelenke beendet die äußerst lesenswerte Arbeit. 

E. Moser (Zittau). 





8) H. Tuppinger. Die Grenzen der radiographischen Diffe- 
renzierung. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLIX. p. 49.) 

Die sehr anschaulich geschriebene Arbeit gipfelt in folgenden 
Schlußsätzen: 

1) Gebilde von gleicher Durchlässigkeit heben im Röntgenbilde 
sich voneinander nicht ab, auch nicht, wenn sie pathologisch oder alien 
sind (absolute Grenze der Differenzierung). 

2) Um wahrnehmbar zu sein, müssen die Helligkeitsunterschiede 
im Bild einen gewissen Grad erreichen; dementsprechend müssen auch 
die Unterschiede in der Durchlässigkeit des Objektes von einer ge- 
wissen Höhe sein (relative Grenze der Differenzierung). 

3) Die menschlichen Teile außer Fett und Lunge sind äußerst 
wenig durchlässiger als Wasser (Perthes), also noch weniger vonein- 
ander selbst verschieden. 

4) Die relative Grenze wird niedrig gehalten durch 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 995 


a. große Dicke des Objektes, teils direkt, teils wegen der Se- 
kundärstrahlung ; 

b. harte Röhre, teils wegen der Absorptionsverhältnisse im Ob- 
jekt, teils wegen geringer Absorption in der photographischen Schicht, 
teils wegen der Sekundärstrahlen; 

c. die hochempfindliche Platte mit geringer Schwellenbreite. 

5) Die relative Grenze wird der absoluten genähert durch 

&. Dünnheit des Objektes, 

b. weiche Röhre, 

c. wenig empfindliche Platte und Verstärkung. 

Letztere beide Momente bedingen längere Exposition. 


6) Die Exposition ist begrenzt durch die Rücksicht auf Haut und 
Röhre. Dadurch wird der Gebrauch weicher Röhren und wenig 
empfindlicher Platten stark beschränkt. Reich (Tübingen). 





9) Jacobi. Supplement zum Atlas der Hautkrankheiten 
mit Einschluß der wichtigsten venerischen Erkrankungen. 
Wien, Urban & Schwarzenberg, 1906. 


Der Supplementband enthält noch bessere Wiedergaben als der 
Atlas selbst, so daB Verf. Recht hat, wenn er im Vorwort von dem 
»inzwischen sehr verbesserten Verfahren« (Dr. Albert-München) 
spricht. Namentlich von großem Wert für den Nichtspezialisten ist 
die Aufnahme zahlreicher Abbildungen von Syphilis. Man kann die 
Anschaffung dieses billigen und besten Atlas nicht warm genug 
empfehlen. Klingmüller (Kiel). 


10) Neisser und Jacobi. Ikonographia Dermatologica. Atlas 
seltener, neuer und diagnostisch unklarer Hautkrankheiten. 
Unter Mitwirkung zahlreicher in- und ausländischer Derma- 
tologen hrsg. von Neisser und Jacobi. 1. Lieferung. 
Wien, Urban & Schwarzenberg, 1906. 


Der Zweck dieses >periodisch erscheinenden Bilderwerkes« soll 
sein, gute, absolut naturgetreue Reproduktionen solcher Erkrankungen 
zu geben, welche neu, selten und ungekannt sind (Cases for diagnosis). 
Die Wiedergaben werden an der Hand von Moulagen nach dem 
Dr. Albert’schen Verfahren (München) hergestellt. Die erste Lie- 
ferung enthält: De Amicis, Un nouveau cas de ejale norvégienne 
ou croüteuse; Baum, Ein Fall von sog. Acne urticata; Baum, Ein 
Fall von sog. Urticaria perstans; Brooke, Varus nodulosus; Finger, 
Blastomycosis cutis chronica; Hallopeau, Sur un naevus lymph- 
angiomateux végétant de la hanche; Jadassohn und Lewandowski, 
Pachyonychia congenita; Pospelow, Ein Fall von Erythromelalgie; 
Neisser und Siebert, Ein Fall von lichenoider Eruption mit De- 
pigmentation. Die Abbildungen sind ausgezeichnet gelungen. Im 


* 


996 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 


Text sind die Krankengeschichten enthalten und die Besonderheit der 
Fälle kurz besprochen. Klingmiiller (Kiel). 





11) Morichau-Beauchant. Les oedemes aigus circonscrits 
de la peau et des muqueuses. 
(Ann. de dermat. et de syphil. 1906. p. 22.) 

Verf. teilt die akuten umschriebenen Odeme unter Hervorhebung 
ihrer nahen Verwandtschaft in drei Gruppen: 1) Die arthritischen 
Odeme treten bei arthritischen (Gicht und Gelenkrheumatismus) Men- 
schen auf als »weißes flüchtiges Ödem« oder in Form subkutaner 
Knoten, welche aber nur der Ausdruck eines tiefer sitzenden Ödems 
sind. 2) Die hämorrhagischen Ödeme (Oedöme peliosique, Purpura 
myelopathica, Purpura exanthematica) befallen jugendliche, neuro- 
arthritisch belastete Individuen und entwickeln sich am häufigsten an 
den Unterschenkeln unter Fieber, gastrischen Störungen und Gelenk- 
schmerzen. Sie sind flüchtig, rezidivieren manchmal, heilen immer aus. 

3) Die Quincke’sche Krankheit wird kurz in ihren bekannten Sym- 
ptomen besprochen. 

Verf. ist der Ansicht, daß in der Ätiologie dieser Krankheiten 
der »Neuroarthritismus« eine wesentliche Rolle spiele, und daß sie 
hervorgerufen werden durch anormale Zersetzungsvorgänge im Darm- 
tractus, also keine Angioneurosen darstellen. Klingmüller (Kiel). 





12) Touchard. Recherches anatomo-cliniques sur la scléro- 

Ä dermie généralisée. 

Thése de Paris 1906. 

Verf. kommt auf Grund seiner Untersuchungen zu folgenden 
Schlüssen: Die Veränderungen der generalisierten Sklerodermie, die 
als Sklerodaktylie beginnt, gehen von den Gefäßen aus. Die Gefäße 
sind von konzentrischen Schichten neugebildeter Zellen, welche auf 
Kosten des Bindegewebes gebildet sind, umgeben. Gleichzeitig zeigen 
die Endothelzellen der Gefäße eine Schwellung. Die Gefäßobliteration, 
welche ausnahmsweise im Beginne vorhanden ist, tritt nur auf, wenn 
die Fibrose der Haut ihr Maximum erreicht hat, und befällt gleich- 
zeitig Nerven und Gefäße. Sie ist die Folge, nicht die Ursache der 
Sklerodermie. Die Pigmentierungen, die sehr häufig im Verlauf auf- 
treten, scheinen für eine Beteiligung der Blutgefäßdrüsen zu sprechen, 
wie überhaupt klinisch und anatomisch sehr häufig Veränderungen 
der Blutgefäßdrüsen (Hypophysis, Thyreoides, Nebennieren) nachweis- 
bar sind. Klingmüller (Kiel). 





13) W. A. Bryan. Diagnosis of fracture of the skull. 
(Amer. journ. of surg. 1906. Juli.) 
Sehr lesenswerte, kurze Zusammenstellung der fiir die Diagnose 
wichtigen Symptome bei Schädelbrüchen. Es werden vor allem die 
Ursachen des Nichterkennens von Schädelbrüchen hervorgehoben. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 997 


Abducenslähmung bei Basalbrüchen fand Verf. im Gegensatz zu 
v. Bergmann nur hier und da. Die chemische Differentialdiagnose 
zwischen Serum und Zerebrospinalfliissigkeit und die Wichtigkeit 
später einsetzender Paralysen werden besonders betont. 

Goebel (Breslau). 





14) Strasser (Bern). Anleitung zur Gehirnpräparation. Zweite 
Auflage. 46 S. 
Jena, Gustav Fischer, 1906. 

Das, was wir über des Verf.s »Anleitungen zur Präparation des 
Halses und Kopfes« in Nr. 26 ds. Zentralblattes sagten, trifft auch 
für die vorliegende Anleitung im vollsten Maße zu. Das Büchlein ist 
ein praktischer und guter Wegweiser beim Studium und Zergliedern 
des Gehirnes und kann somit auch dem Praktiker, welcher dieses Ge- 
biet der Anatomie an der Hand von Präparaten repetieren will, durch- 
aus empfohlen werden. A. Most (Breslau). 





15) Mills. The focal diagnosis of operable tumors of the 
cerebrum. 
(Univ. of Pensylvania med. bull. 1906. April-Mai.) 

M. faßt in vorliegender Arbeit seine in zahlreichen früheren Ver- 
öffentlichungen mitgeteilten Ansichten über die Herddiagnose der 
operabeln Hirngeschwülste zusammen und berichtet gleichzeitig über 
einige neue Anschauungen und Beobachtungen. Die Allgemein- 
erscheinungen, Einteilung in physiologische Bezirke und diesen ent- 
sprechende Operationsbezirke, der Unterschied zwischen den Funktionen 
der rechten und linken Hirnhälfte, die Differenzierung kortikaler und 
subkortikaler Geschwülste, die Symptomatologie der Geschwülste je 
nach dem Sitz, die Quellen der Fehldiagnosen bei der Herddiagnose 
der Hirngeschwülste werden unter Einfügung zahlreicher eigener Be- 
obachtungen ausführlich erörtert. Die von M. auf Grund reicher 
eigener Fälle gewonnenen Anschauungen weichen vielfach von den 
bisherigen ab. (2 Abbildungen.) Mohr (Bielefeld). 





16) Unterberger. Über operative Verletzungen des Ductus 
thoracicus. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVI. Hft. 3.) 

Im Anschlu8 an einen in der Garré’schen Klinik beobachteten 
Fall von operativer Durchschneidung des Ductus thoracicus mit nach- 
folgender Chylorrhée, die unter Tamponade innerhalb 14 Tagen zum 
Versiegen kam, gibt die Arbeit eine Ubersicht iiber die anatomischen 
Verhältnisse und Varietäten des groBen lumbothorakalen Lymphstam- 
mes und eine Kasuistik von dessen operativen Verletzungen mit 
29 Fällen. 

Das konstanteste und typische Symptom der Verletzung des 
Ductus thoracicus bildet die Chylorrhöe Der Säfteverlust kann ein 


993 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 


enormer werden, so daß die Pat. stark abmagern, heftigen Durst, 
große Mattigkeit, Kopfschmerz und kleinen, frequenten Puls, mitunter 
auch Fieber bekommen. Infolge der Varietäten im Verlauf ist eine 
Verletzung des Ductus auch in der rechten Supraclaviculargrube 
möglich. 

Die Therapie der Ohylorrhöe kennt drei Wege: Die Naht des 
Ductus ist in allen Fällen, wo sie technisch überhaupt ausführbar ist, 
wie bei seitlichen Schlitzen, zweckmäßig, wenn auch die Erhaltung der 
Lichtung dabei fraglich ist. In allen Fällen soll die Unterbindung 
versucht werden. Die Tamponade ist eine Aushilfe, wenn das ver- 
letzte Gefäß nicht zu fassen und zu unterbinden ist, führt aber eben- 
falls zum Ziel. Tritt die Chylorrhöe erst einige Zeit nach der Opera- 
tion auf, so hat deren Intensität darüber zu entscheiden, ob die Wunde 
geöffnet und eine Unterbindung versucht oder aber nur ein Druck- 
verband nach Tamponade angelegt wird. Reich (Tübingen). 





17) Macewen. On some points in the surgery of the lung. 
(Brit. med. journ. 1906. Juli 7.) 

Mannigfache Beobachtungen an Verletzten und bei Operationen 
haben Verf. überzeugt, daß die Lunge bei Eröffnung der Pleura 
durchaus nicht so vollständig kollabiert, wie immer angenommen wird, 
sondern daß der Grad des Kollapses von verschiedenen anderen 
Umständen außer dem Luftdruck einerseits und der Lungenelastizität 
andererseits abhängt. So kann man das Zusammenfallen der Lunge 
vermindern bzw. ihre Wiederausdehnung erleichtern, wenn man Pleura 
parietalis und visceralis künstlich wieder in nahe Berührung miteinander 
bringt. Es genügt sogar das Bedecken der Lungenpleura mit feuchtem 
Verbandsstoff, um die Ausdehnung in die Wege zu leiten. Solche 
Mittel, die beiden Pleurablätter miteinander in Berührung zu bringen, 
hat Verf. in vielen schweren Fällen mit Erfolg angewandt: Rücken- 
lagerung oder Lagerung mehr auf die Seite der eröffneten Pleura, 
Zusammendrücken des Thorax, starkes Pressenlassen bei geschlossener 
Glottis, gleichzeitiges Hinaufdrängen des Zwerchfelles vom Bauch her 
mit Handedruck, Pleurapunktionen bei schwerem traumatischem Pneumo- 
thorax oder Rippenresektion mit Lungennaht bei Einrissen im Lungen- 
gewebe. Alle diese Mittel dienten ihm mit Erfolg dazu, die beiden 
Pleurablätter miteinander in Berührung zu bringen und die Ausdeh- 
nung der teilweise zusammengefallenen Lunge so einzuleiten und zu 
erhalten. Sie sind aber nur so lange erfolgreich, als die Pleurablätter 
in annähernd normalem Zustande sich befinden, vor allem noch nicht 
zu stark ausgetrocknet sind durch langdauernde Berührung mit Luft. 
Die Kraft, die solcherweise die aneinander gebrachten Pleurablätter 
zusammenhält, ist die molekuläre Kohäsion und die Kapillarität, eine 
Lehre, die Verf. seit nunmehr 30 Jahren vertritt. Diese Kraft ist die 
Hauptursache für die Aufrechterhaltung der Lungendehnung und für 
die Wiederausdehnung der zusammengefallenen Lunge, wie ihn ein- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 999 


wandsfreie Beobachtungen an Verletzungen gelehrt haben; der atmo- 
sphärische Druck kommt erst in zweiter Linie in Betracht. 

Die Kraft der Kohäsion mag an einem gegebenen Punkte der 
Pleura unbedeutend sein, durch die Verteilung über die großen Pleura- 
flächen erreicht sie eine beträchtliche und maßgebende Höhe. Sie 
wird ganz bedeutend gesteigert durch die unterstützende Kraft der 
Kapillarität, die der serösen, dünnen Flüssigkeitsschicht zwischen den 
Pleurablättern innewohnt. Alle jene obengenannten, vom Verf. bei 
zufälligen oder operativen Wunden der Pleura verwendeten Mittel, zu 
denen er auch das von ihm nicht benutzte Vorziehen und Einnähen 
der Lunge in die Brustwandöffnung rechnet, dienen dazu, die aus- 
einander gewichenen Pleurablätter miteinander in Berührung zu bringen 
und unter Benutzung der gegebenen Kohäsions- und Kapillaritätskraft 
in Berührung zu erhalten. Weber (Dresden). 





18) R. Jones. Remarks on certain injuries commonly asso- 
ciated with displacement of the head of the humerus. 
(Brit. med. journ. 1906. Juni 16.) 

Die häufigste Komplikation von Brüchen im oberen Humerusende 
ist die Schulterverrenkung. In der großen Mehrzahl der Fälle treten 
beide Verletzungen gleichzeitig ein entsprechend ihrer häufigsten Ver- 
anlassung: Sturz auf die Schulter. Stets muß die Verrenkung so früh 
als möglich eingerichtet werden, bevor man den Knochenbruch in An- 
griff nimmt. Ihr Bestehenbleiben gibt äußerst ungünstige Verhältnisse. 
Die Einrichtung kann leicht, sehr schwierig, ganz unmöglich sein, je 
nach KapselriB und Kopfstellung. Wegen der Verschiedenartigkeit 
der anatomischen Verhältnisse ist es unmöglich, eine bestimmte Me- 
thode der Einrichtung als stets brauchbar hinzustellen. Verhältnis- 
mäßig günstig erschien dem Verf. starker Zug am senkrecht erhobenen 
Arm mit oft sehr kräftigem Druck auf das verrenkte und gebrochene 
Kopfende. Mißlingt die Einrichtung, so kommen nach Aufsaugung 
des Blutergusses zwei Eingriffe in Frage: die Resektion des Kopfes 
für veraltete Fälle mit Zeichen von Druck oder Stauung, die Opera- 
tion von McBurney für frische Fälle vor Heilung der Fraktur. Sie 
besteht im Einschneiden auf das obere Ende des Bruches und Ein- 
richtung mit Hilfe eines kräftigen Hakens, der in ein besonders aus- 
gebohrtes Loch eingesetzt wird. Die Fraktur wird am besten mit 
Extension im Sitzen behandelt; Drahtnähte hält J. auf Grund seiner 
Erfahrungen an mehreren Hunderten von Fällen für unnötig. — Der 
Arbeit sind 26 recht gute Röntgenbilder beigegeben. 

Weber (Dresden). 


19} Ehebald. Der isolierte, subkutane Kahnbeinbruch im 


Handgelenk auf Grund von 17 Beobachtungen. 
(Archiv für Orthopädie, Mechanotherapie und Unfallchirurgie Bd. IV. Hft. 3.) 
Verf. veröffentlicht 17 Fälle von Kahnbeinfrakturen. Bei den 
verschiedenen Gelegenheitsursachen ist der Mechanismus des Bruches 





1000 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 


kein einheitlicher. Die langgestreckte Form, die oft variierende Ge- 
stalt dürfte diesen Handwurzelknochen vor den anderen zum Bruche 
prädisponieren. Auch der Umstand, daß die Krümmung der Gelenk- 
fläche des Kahnbeins zum Radius in radioulnarer Richtung eine stär- 
kere ist als die der Radiuspfanne dürfte nicht ohne Einfluß auf das 
leichtere Brechen dieses Knochens sein. 

Der Bruchspalt, der entweder ganz oder wenigstens zum größten 
Teil ein intrakapsulärer ist, durchsetzt das Kahnbein fast immer 
mehr oder weniger quer zu seiner Längsachse, am häufigsten ziemlich 
genau in der Mitte des Knochens. Selten zerbricht das Kahnbein in 
drei Stücke, dagegen findet man häufig einen oder mehrere kleine 
Splitter in der Nähe des Bruchspaltes. Die Bruchflächen sind meist 
glatt, bisweilen auch zackig und beide Fragmente ineinander verkeilt. 
Eine Dislokation ist sehr oft nachzuweisen, und zwar ad latus; nie ad 
peripheriam und ad axin. 

Um das wichtigste Symptom, den genau lokalisierten Bruchschmerz, 
hervorzurufen, setzt man am besten den Daumen in die Tabatiere, 
den Zeigefinger und Mittelfinger in die Mitte der Beugeseite des Hand- 
gelenkes am Ursprung des Daumenballens dagegen. Hierdurch be- 
kommt man das Keilbein gut zwischen die Finger und kann durch 
einen heftigen Druck intensiven Bruchschmerz hervorrufen. 

Bei Frakturen ohne Dislokation kann bei frühzeitiger Immobili- 
sation der Hand möglicherweise knöcherne Heilung erzielt werden. 
Bei stärkerer Dislokation der Bruchstücke, wie bei veralteten Brüchen 
ist die Entfernung des proximalen Bruchstückes indiziert. 

Verf.s Ansicht, daß vor der Einführung der Röntgenstrahlen 
isolierte Kahnbeinbrüche niemals sicher erkannt wurden, kann Ref. 
nicht beipflichten, da in der Jenenser Klinik bereits vor der Aufstel- 
lung des Röntgenapparates Frakturen des Kahnbeines allein aus den 
klinischen Symptomen diagnostiziert sind. Hartmann (Kassel). 





20) M. Harry. Psoashämatome bei Hämophilie. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVII. Hft. 3.) 

Den aus der Literatur zusammengestellten 17 Fällen von teils 
traumatischen, teils hämophilen Psoashämatomen reiht Verf. drei Fälle 
von Psoashämatomen bei Himophilie aus der Garré’schen Klinik an. 

Diese entstehen meist langsam als eine die Fossa iliaca ausfiil- 
lende, prallelastische bis derbe Geschwulst, die Flexionskontraktur und 
Beweglichkeitsbeschränkung in der Hüfte bedingt. Mitunter bestehen 
heftige Schmerzen und Fieber. Die Diagnose kann nur durch Aus- 
schluß von tuberkulösen und osteomyelitischen Abszessen, von Lues, 
Cysten, Echinokokken und bösartigen Geschwülsten, speziell Sarkom, 
gestellt werden und wird erst durch die charakteristische Anamnese 
der Hämopbilie gesichert. Die Probepunktion mit Aspiration von 
altem Blut kann zwar zur Diagnose verhelfen, ist aber wegen der 
Blutungsgefahr recht bedenklich. — Meist bilden sich die Hämatome 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 1001 


spontan zurück, um aber in periodischen oder unregelmäßigen Inter- 
vallen wieder aufzutreten. — Ein operativer Eingriff, wie Inzision und 
Ausräumung, ist auch im postakuten Stadium durchaus kontraindiziert 
wegen der Verblutungsgefahr und großen Unsicherheit der Erfolge. 
Außer der üblichen, gegen die Hämophilie gerichteten Medikation 
(Gelatine, Chlorkalzium, Adrenalin) hat sich die Therapie auf Aus- 
gleich der Kontrakturstellung und Anwendung resorptiver Mittel 
(Eisblase, feuchte Umschläge, Alkoholkompressen) zu beschränken. 
Reich (Tübingen). 





21) H. Gross. Die Lymphangiektasie der Leiste und andere 


Folgeerscheinungen der Lymphstauung. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXIX. Hft. 4.) 

Die vorliegende Arbeit enthält den Schlußbeitrag des Verf. über 
seine Studien, welche die Lymphektasie der Leiste betreffen. In der 
Hauptsache ist auch sie eine umfangreiche Kritik der nicht ganz un- 
bedeutenden und jedenfalls schwer zu bearbeitenden Literatur der 
seltenen Erkrankung. Die Einzelheiten der Literaturangaben und 
Schlußfolgerungen des Verf. aufzuzählen, würde den Rahmen eines 
Referates überschreiten. Interessenten sei die Lektüre der Original- 
arbeit empfohlen. E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


22) Flint. A new method of excision of the knee without 
opening the joint. 
(Annals of surgery 1906. Hft. 3.) 
Verf. glaubt, daß die jetzt bei der Resektion des tuberkulösen 
Knies geübte Methode der Exzision der kranken Synovialis einmal 


Fig. 2. 





f 


N 


—P 
| 


durch die dabei vorhandene starke Blutung und dann durch die Aus- 
streuung tuberkulösen Materials über die Wunde Nachteile habe. Er 


1002 Zentralblatt für Chirurgie Nr. 37. 


schlägt deswegen vor, die Kondylen der Tibia und des Oberschenkels 
ohne Eröffnung des Kniegelenks zu entfernen. Nach Aufklappen des 
Gelenkes durch einen viereckigen Hautlappen wird die Quadriceps- 
sehne durch einen hufeisenförmigen Schnitt mit der Konvexität nach 
unten durchtrennt (x), von diesen gehen zwei Seitenschnitte (y) nach 
abwärts. Jetzt wird die obere Hälfte der Quadricepssehne nach oben 
und die untere mit der Bursa nach unten geklappt, wodurch der 
Oberschenkel freigelegt wird. In der punktierten Linie f wird die 
Säge eingesetzt und nun das Schienbein mit schräg nach oben gerich- 
teten Zügen durchsägt und die Weichteile von der hinteren Fläche 
entfernt bei starker Beugung des Beines. Die Säge gleitet dann hin- 
ter die Kondylen des Oberschenkels und durchsägt diese zunächst von 
hinten nach vorn, dann von vorn nach hinten. Es werden auf diese 
Weise in einem Stück (u) die Kondylen der Tibia und des Ober- 
schenkels mitsamt der Kniescheibe ohne Eröffnung des Kniegelenk- 
spaltes entfernt. Herhold (Altona). 


23) Pätzold. Zur Frage der Osteotomie des Genu valgum 


‚adolescentium. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVIL Hit. 3.) 

Bis 1901 wurde in der Königsberger Klinik bei dem Genu valgum 
ausschließlich die Osteotomie am Oberschenkel vorgenommen. Die 
Nachuntersuchung derartiger Fälle ergab, daß diese Osteotomie in 
allen den Fällen kontraindiziert war, in denen der Gelenkspalt vor 
der Operation horizontal stand und die Verkrümmung hauptsächlich 
in der Tibia ihren Sitz hatte. Es resultierte dann eine funktionell 
nicht bedeutungslose Schrägstellung der Gelenkspalte und eine bajonett- 
förmige Knickung an der Operationsstelle, die auch durch Knochen- 
transformation nie ganz ausgeglichen wird. Auf Grund dieser Er- 
kenntnis wurde seit 1901 prinzipiell als Ziel des operativen Eingriffes 
eine Horizontalstellung der Gelenkspalte ins Auge gefaßt: ist diese 
von lateral oben nach medial unten geneigt, so ist der Oberschenkel 
Sitz der Verkrümmung und daher Angriffspunkt der Operation; ist 
sie horizontal, so handelt es sich um eine Verkrümmung des Schien- 
beines, das dann zu osteotomieren ist. 

Der Messung des Kniebasisoberschenkel- resp. Schienbeinwinkels 
kommt eine geringe Bedeutung zu, schon wegen der Schwierigkeit 
einer exakten Bestimmung, sodann, weil der Kniebasisoberschenkel- 
winkel auch bei normalen Beinen wechselnd ist. Die Verkrümmung 
der Schienbeindiaphyse scheint viel häufiger zu sein als die des Ober- 
schenkels (während bisher allgemein das Gegenteil angenommen wurde) 
und findet vielleicht ihre Erklärung in dem längeren Bestand der 
Tibiaepiphyse im Vergleich zu derjenigen des Femur. 

In ätiologischer Beziehung ist Verf. geneigt, die lymphatisch- 
chlorotische Konstitutionsanomalie am ehesten als Ursache der Ver- 
krümmung anzuschuldigen. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 1003 


Mit den beschriebenen Grundsätzen der Osteotomie beim Genu 
valgum wurden durchweg günstige Resultate erzielt. Betrifft die Ver- 
krümmung beide Knochen in gleichem Grade, so wird in erster Linie 
das Schienbein durchmeißelt, schon deshalb, weil am Unterschenkel 
eine Verkürzung sich stets vermeiden läßt, nicht aber ausnahmslos am 
Oberschenkel. Eventuell ist an beiden Knochen zweizeitig zu osteo- 
tomieren. Steht bei der Schienbeinosteotomie die Fibula der Korrektur 
im Wege, so wird sieim unteren Drittel gleichfalls durchtrennt. Verf. 
glaubt nicht, daß Peroneuslähmung häufiger sei bei der Osteotomie 
des Unter- als des Oberschenkels und zieht in Erwägung, ob es nicht 
zweckmäßiger wäre, an Stelle des Gipsverbandes nach der Operation 
einen Zugverband zu wählen. Reich (Tübingen). 





24) Bunge. Zur Technik der Erzielung tragfähiger Diaphysen- 


stiimpfe ohne Osteoplastik. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVII. Hft. 3.) 

Die Beobachtung eines nach Bier osteoplastisch gedeckten Unter- 
schenkelstumpfes, der trotz Ausstoßung des Knochendeckels tragfähig 
wurde und blieb, führte Verf. zu der Überzeugung, daß die Bedeckung 
des Stumpfendes mit einem in normalem Zusammenhang mit dem 
Periost stehenden Knochenlappen nicht unerläßlich ist, sondern Trag- 
fähigkeit sich durch jede Methode erzielen läßt, welche die Bildung 
schmerzhafter Knochenwucherungen hintanhält und eine narbenfreie 
Unterstützungsfläche liefert. 

Dies erreicht Verf. durch Herstellung eines »nackten Knochen- 
endes« nach der von ihm eingeführten Methode, deren Technik kurz 
folgende ist: Großer vorderer, kleiner hinterer Hautlappen; zirkuläre 
Umschneidung des Periosts, welches distalwärts zurückgeschoben wird; 
Absetzung der Knochen etwas unterhalb des periostalen Zirkelschnittes; 
Ausräumung des Markes auf 2—3 mm; die Fibula wird 2 cm höher 
durchsägt als die Tibia. 

Diese Methode lieferte in 11 von 12 Fällen vorzüglich tragfähige 
Stiimpfe; bei einem waren Neurome Ursache der schlechten Funktion. 

Gegenüber der Bier’schen Östeoplastik hat die Methode den 
Vorzug technischer Einfachheit bei günstigen Heilungsverhältnissen. 
Die Markausräumung führt nicht zu Stumpfnekrose. Eine methodische 
Stumpfübung nach Hirsch ist überflüssig, da schon nach 14 Tagen 
(nach Heilung der Wunde) eine spontane Schmerzlosigkeit des Stumpf- 
endes eintritt, die zu direkter Belastung in der provisorischen Prothese 
befähigt. Die einzige Übung besteht darin, daß der Stumpf mitunter 
im Bett aufgestützt wird, wenn Pat. aus anderen Gründen nicht früh- 
zeitig aufstehen kann. Die Methode legt zweckmäßig die Narbe hinter 
die Unterstiitzungsfliche. Die Herstellung eines Muskelpolsters hält 
Verf. für überflüssig, da es doch bald atrophiertt. Auch Sehnen- 
deckung ist nicht notwendig, da die Haut allein hinreichend wider- 
standsfähig wird. | 


1004 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 


Zwar bleiben auch hier seitliche Periostwucherungen nicht immer 
aus, allein sie fallen nicht in die Unterstützungsfläche und sind daher 
für die Funktion bedeutungslos.. Gewöhnlich wird das Knochenende 
durch eine glatte medulläre Knochenproduktion abgeschlossen. 
Knochenatrophie war trotz direktem Gange nicht immer zu vermissen. 

Die Methode liefert also auf technisch einfache Weise und ohne 
jede Nachbehandlung dauerhaft tragfähige Unterschenkelstümpfe und 
läßt sich mit Vorteil auch für die Oberschenkelamputation verwenden. 

Reich (Tibingen’. 


Kleinere Mitteilungen. 


I. 
Zur Nachprüfung. 
Von 


Prof. Dr. Carl Bayer in Prag. 


1) Dorsale Fixation des Armes bei Schlüsselbeinbruch. 


In zwei Fällen von Fraktur des Acromialendes des Schlüsselbeines erzielte ich 
tadellose Koaptierung der Bruchenden durch Fixation des Vorderarmes quer über 
den Rücken. Ein Pflasterzug über die Clavicula, den Humeruskopf und über 
diesen zum Rücken verlaufend extendierte das Acromislende und drängte den 
Humeruskopf nach hinten; ein zweiter Streifen, den ersteren kreuzend, verlief von 
der Schulterhöhe über die Frakturstelle, den Brustkorb, das Olecranon und über 
den Rücken zur Schulterhöhe zurück; ein dritter Streifen endlich umfaßte als 
Schleife das Carpalende des Vorderarmes, verlief über den Rücken, die Schulter- 
höhe, die Frakturstelle und endete vorn in .der Pectoralisgegend.. Der Arm mit 
Freilassung der Hand wurde in dieser Lage mittels Bindentouren nach Desault 
fixiert. Die einzige Unbequemlichkeit dieses Verbandes besteht darin, daß der 
Kranke nicht auf dem Rücken liegen kann; bei seitlicher Lagerung des Körpers 
jedoch mit leichter Neigung zur Bauchlage stört der Vorderarm am Rücken gar 
nicht. Ahmt man die beschriebene Armhaltung nach, so kann man sich von dem 
kräftigen Zuge, den sie auf die Clavicula ausübt, leicht überzeugen. 


2) Protektivesilk als Deckmittel für den Darm bei peritonealer Tamponade. 


Die Gefahren und Unannehmlichkeiten, welche Verklebung und Verfilzung von 
Gazestoffen mit der Serosa des Darmes bei deren Entfernung gelegentlich des Ver- 
bandwechsels später nach der Operation verursachen, haben mich veranlaßt, in 
einem jüngst operierten Falle von eitriger Appendixperitonitis nach Entfernung 
des Wurmfortsatzes und Entleerung des Exsudats die Bauchhöhle folgendermaßen 
zu versorgen: 

Blind- und Dünndarm wurden mit einem schürzenartig über sie geklappten 
Stück (in Glyzerin sterilisierten und in sterilem Wasser abgewaschenen) Protektive- 
silk zurückgehalten und die subcoecale Nische mit Jodoformgaze tamponiert. Der 
freie Rand der Protektiveschürze wurde mittels einer Sutur am Hautwundrande 
fixiert. Der Tamponwechsel einige Tage nach der Operation gelang auffällig leicht 
und war auch für den Kranken ohne Qual. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 1005 


I. 


Erhaltung des Weichteilnasengerüstes bei Oberkieferresektion 
und die Vorteile dieser Operationsmethode. 
Von 


Dr. med. Carl Israel, 
Direktor des Landkrankenhauses Hersfeld. 


Wer das unangenehme Gefühl empfunden hat, welches durch das Eindringen 
von Speiseteilen in die Gebiete der Nasenhöhle erzeugt wird, hat wohl immer ein 
Mitgefühl gehabt mit den armen Pat., denen durch Resektion eines Kiefers diese 
Nasenpartien schutzlos dem Eindringen von Speisen usw. preisgegeben sind. Ge- 
wiß läßt es sich ja für viele Fälle nicht anders machen, um das Karzinom des, 
Kiefers voll und ganz zu entfernen, und den Pat. muß das Bewußtsein, von einer 
drohenden Gefahr befreit zu sein, die Belästigung in der Sprachveränderung und 
in der Speisezufuhr ertragen helfen. Und doch gibt es eine große Mehrzahl von 
Fällen, in denen durch Entfernung der kranken Kieferteile geholfen werden kann, 
ohne daß jene eben beschriebenen Beschwerden einzutreten brauchen. 

Hierher gehören namentlich die vom Zahnfortsatz und von der äußeren Wand 
des Oberkiefers ausgehenden karzinomatösen oder sonstigen bösartigen Neubildungen. 
Die oben beschriebenen Belästigungen, welche nach üblicher Resektionsmethode 
eintreten, haben mich vor 2 Jahren veranlaßt, die Operation so auszuführen, daß 
das Schleimhautgerüst der Nase ganz erhalten wird. Ich habe nach der üblichen 
Methode den Schnitt geführt, genau wie ihn König angibt, habe aber nicht von 
der Apertura pyriformis aus den Proc. nasalis und nach unten den Proc. alveol. 
durchsägt, sondern habe von der Apertura pyriformis aus mir erst mit einem Ele- 
vatorium das gesamte Schleimhaut- und Periostgerüst am Boden und an der äußeren 
Wand der Nase abgelöst und, zwischen diese und die äußere Nasenwand die Stich- 
säge führend, nach oben und außen den Proc. nasalis und nach unten den Proc. 
alveol. durchsägt. Die Abdrückung des Kiefers geschah nach vollständiger üb- 
licher Durchtrennung seiner übrigen Verbindungen etwas mühevoller und lang- 
samer, sie gelang aber so, daß das ganze Weichteilgerüst der Nase erhalten blieb. 
Die Heilung ging glatt von statten, und hatte ich die Freude, nicht das geringste 
Teilchen der erhaltenen Nase nekrotisch werden zu sehen; es dauerte die Verwach- 
sung der Backenschleimhaut mit der in der Mitte durchtrennten Gaumenschleim- 
haut länger, weil sie einen weiteren Weg zu überwinden hatte als bei Verheilung 
mit der Schleimhaut der ganz geöffneten Nasenhöhle. Und verheilt hatte ich den 
Eindruck, daß die Mundhöhle auf der operierten Seite etwas verengt und nicht so 
hoch sei. Dafür aber fehlte die geringste Sprachstörung, und es konnten keine 
Speisen in die Nasenhöhble. 

Jetzt nach 2 Jahren habe ich mich von dem Zustande der damaligen Pat. 
überzeugt und kann ich zu meiner Freude berichten, daß die Nasenhöhle etwas 
geschrumpft und kleiner aussieht als die gesunde; daß sie voll für Luft durch- 
gängig ist, daß die Mundhöhle auf der ehemals kranken Seite ebenso weit geworden 
ist wie auf der gesunden, daß die Frau gar keine Sprachstörungen zeigt und in 
jeder Weise gesund und nicht im geringsten entstellt ist. 

Damals habe ich kurz nachher in einem zweiten Falle in gleicher Weise das 
Weichteilnasengerüst erhalten, und verlief auch hier die Heilung glatt und ohne 
Störung. Leider trat nach 1/; Jahr ein Rezidiv in den Partien zwischen dem 
Boden der Augenhöhle und den Abgangsteilen des Proc. pterygoid. ein, so daß 
diese Pat. nur kurze Zeit den Vorteil dieses Operationsverfabrens hatte. 

Jedenfalls beweisen diese zwei Erfahrungen, daß in geeigneten Fällen die Er- 
haltung des Weichteilnasengerüstes nicht nur möglich und leicht auszuführen ist, 


1006 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 


sondern auch den Pat. die größten Vorteile gewährt, da weder Sprachstörungen, 
noch das Eindringen von Speiseteilen in die sonst restierenden Nasenräume, noch 
die chronisch entzündlichen Affektionen des hinteren Rachenraumes statthaben 
können. 


25) E. H. Hunt. Flagellated protozoa in a perineal abcess. 
(Lancet 1906. Juli 28.) 

Verf. wies in dem frischen Eiter eines perinealen Abszesses ein Flagellaten- 
protozoon nach, das er neben den vorhandenen Streptokokken als Ursache der 
Eiterung anspricht. Das Protozoon ist in 4 Figuren in der Arbeit demonstriert. 

Verf. betont die Wichtigkeit der Untersuchung des frischen Eiters in solchen 
Fällen, da derartige Lebewesen seiner Ansicht nach im Eiter, der bereits einige 
Stunden gestanden hat, in ihren Eigenschaften (Bewegung usw.) nicht mehr studiert 
werden können oder überhaupt mit den üblichen Färbemitteln nicht mehr nachzu- 
weisen sind. H. Ebbinghaus (Dortmund). 


26) Alessandri. Neoformazione a tipo progressivo intorno ad un corpo 
estraneo. 
(Bullettino della R. accad. med. di Roma 1905. XXXI. p. 87.) 


Das Merkwürdige des mitgeteilten Falles liegt darin, daß sich um einen Seiden- 
faden eine langsam wachsende, fibröse Geschwulst entwickelt hatte, die klinisch 
zur Annahme eines Fibroms oder Fibrosarkoms berechtigte. Dem 40jährigen Pat. 
war 3 Jahre zuvor ein Leistenbruch radikal operiert worden. Wundheilung per 
primam intentionem; eine leichte, langsam zurückgehende Hodenschwellung kom- 
plizierte allerdings den postoperativen Verlauf, und im Anschluß daran erinnert 
sich Pat., eine schnurartige Verdickung unterhalb der Operationsnarbe gefühlt zu 
haben. Vor 3 Monaten bemerkte er die Geschwulst, die seitdem an Größe zu- 
nahm. Die Operation ergab eine limonengroße, nicht abgekapselte, mit Bauch- 
muskulatur und Bauchfell verwachsene, narbig fibröse Geschwulst, in deren Zentrum 
ein Unterbindungsfaden von einer kleinerbsengroßen, etwas trübe Flüssigkeit ent- 
haltenden Höhle umschlossen wurde. A. Most (Breslau). 


27) Grünberger. Ein Fall von Tetanus traumaticus mit Ausgang in 
Heilung unter Antitoxin- und Blaulichtbehandlung. 
(Prager med. Wochenschrift 1905. Nr. 18.) 

Eine kräftige Frau erkrankte 3 Tage nach einer Verletzung der rechten Ferse 
mit einer Nadel an einem schweren Tetanus. 3 Tage nach dem Auftreten der 
ersten Starrkrampfsymptome erhielt die Pat. 100 Antitoxineinheiten Behring’s 
Serum subkutan; diese Einspritzung wurde im Verlaufe der Krankheit noch 10mal 
wiederholt, außerdem öfter Urethan (bis zu 21 g) gereicht. Vom 4. Krankheitstag 
ab wurde die Frau in einem Zimmer, dessen einziges Fenster blaue Glasscheiben 
hatte, untergebracht. Genau 4 Wochen nach Beginn des Tetanus waren alle seine 
Erscheinungen beseitigt, es trat völlige Heilung ein. Das blaue Licht hatte eine 
subjektiv wohltuende und beruhigende Wirkung auf die Kranke, weshalb Verf. zur 
Anwendung dieses Hilfsmittels in jedem ähnlichen Fall auffordert. 


Gutzeit (Neidenburg). 
28) Radiotherapie. 


Société française de dermatol. et de syphiligr. Séance du 15 Mars 1906.' 
(Ann. de dermat. et de syph. 1906. p. 338 ff.) 
Aus der ausgedehnten Diskussion über Art der Applikation, Auswahl der Fälle 
für die Röntgenbestrahlung usw. seien nur die Statistiken mitgeteilt: 
Mancel Penard (Thèse 1905): 
208 Fälle von Epitheliom: 146 definitiv geheilt = 67,5%, 
53 gebessert = 26,7 %, 
9 verschlimmert = 85%. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 1007 


Bisserié et Mezerette: 
186 Falle von Epitheliom: 142 geheilt = 160%, 
41 gebessert, 
3 ohne Erfolg. 
Gaston et Decrossas: 
57 Falle von Epitheliom: 27 geheilt = 47,0%, 
4 teilweise geheilt, 
9 verschlimmert, 
13 nicht wiedergekommen. 
Balzer et Fleig: 
7 Fälle von Epitheliom: 3 geheilt, 
4 gebessert. 
1 Fall von Sarkom (Rezidiv in einer Operationsnarbe): geheilt. 
1 Fall von Prostatahypertrophie: bedeutende Besserung. 
Klingmüller (Kiel). 
29) O. Borchgrevink. Lokalanaesthesi. 
Vortrag in der med. Gesellschaft in Christiania am 25. April 1906. 
(Norsk Mag. for Laegevid. 1906. Nr. 8.) 


Zusammenfassende Darstellung der Lokalanästhesie an der Hand von 2000 Fällen, 
die innerhalb der letzten 4 Jahre im Reichshospital zu Christiania behandelt wurden. 
Bei Besprechung der Lumbalanästhesie äußert sich Verf. über die Ursachen, welche 
gelegentlich zu Vergiftungserscheinungen Veranlassung geben. Die Erfahrungen 
deuten darauf hin, daß es rein physikalische Gesetze sind, nach denen das Anästhe- 
sierungsmittel sich im Subduralraume verbreitet. Bei Trendelenburg’scher 
Lagerung kann die zentralwärts fließende Injektionsflüssigkeit durch direkte Ein- 
wirkung auf die Zentren der Medulla oblongata gefahrdrohende Symptome herbei- 
führen. Seit Mai 1905 versuchte B. 40mal die Spinalanästhesie, darunter 29mal 
mit Erfolg, d. i. 27,59 MiBerfolge. 25mal wurde Stovain (8mal ohne Erfolg) an- 
gewandt, 16mal Novokain (3mal ohne Erfolg). In 2 Fällen führte auch eine aber- 
malige Einspritzung von Stovain bzw. Novokain die Anästhesie nicht herbei. Ver- 
giftungen sah Verf. sehr selten, weil er die Beckenhochlagerung nicht anwendet. 
In 2 Fällen erlebte er eine »konträre Wirkung« des Stovains: es trat eine ungewöhnlich 
hartnäckige Blasenlähmung auf. B. vermutet, daß in einem Falle die Lähmung 
durch eine zu starke Konzentration des Anästhesierungsmittels veranlaßt worden 
sei. Novokain-Suprareninlösung wirkt intensiver und führt daher leichter zu Ver- 
giftungserscheinungen als Stovain. Für Bauchoperationen rät B. die Lumbal- 
anästhesie nur im Notfall anzuwenden. Bei abdominellen Eingriffen und bei Ope- 
rationen am Hodensack ist die Schleich’sche Infiltrationsmethode der Spinal- 
anästhesie an Wirkung und Sicherheit überlegen. 


Diskussion: T. Bull erzielte unter 8 Fällen von Spinalanästhesie 3mal keine 
oder ungenügende Wirkung. Er beobachtete ferner 3mal Blasenlähmung. In 
2 Fällen war die Blasenlähmung die einzige Folge der Lumbalinjektion, Anästhesie 
wurde nicht erreicht. Bei Nervenleidenden rat B., von der Lumbalanästhesie ab- 
zusehen. 

Borchgrevink: Die Mißerfolge bei Lumbalinjektionen sind wahrscheinlich 
häufiger, als nach den vorliegenden Veröffentlichungen anzunehmen ist. Auch die 
Blasenlähmungen haben in der Literatur nur oberflächliche Berücksichtigung ge- 
funden. Revenstorf (Hamburg). 


30) Dold. Alypin als Lokalanästhetikum. 
(Med. Korrespondenzblatt d. württemberg. ärztl. Landesvereins 1906. Juni 30.) 
D. berichtet über 50 im Marienhospitale zu Stuttgart unter lokaler Alypin- 
snästhesie operierte Fälle. Unter anderem wurden 22 Kröpfe mit Alypin operiert, 
wobei nur die Haut und das Unterhautzellgewebe infiltriert wurde; nur in drei 
dieser Fälle mußte wegen lebhafter Schmerzäußerungen noch eine leichte Ather- 


1008 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 


narkose hinzugefügt werden; die verbrauchten Mengen schwankten zwischen 0,1 und 
0,4g. Die Radikaloperation einer Hydrokele und eine Enterostomie wurden völlig 
schmerzlos ausgeführt, mehrere andere größere Operationen nahezu schmerzlos. 
Nachwirkungen wurden in keinem Falle beobachtet, auch bei länger dauernden 
Operationen (bis zu 40 Minuten) hielt die anästhesierende Wirkung an. 

Alypin ist demnach ein sicher wirkendes Lokalanästhetikum, an Wirksamkeit 
dem Kokain ebenbürtig, jedoch viel weniger giftig als dieses. 


Mohr (Bielefeld). 


31) Veiel und Hartmann. Ein Fall von septischer Diphtherie mit 
pockenähnlichen Erscheinungen auf der Haut. 
(Med. Korrespondenzblatt d. württemberg. ärztl. Landesvereins 1906. Juni 16.) 


Der Krankheitsfall, der einen 19jährigen Mann betraf, war dadurch bemer- 
kenswert, daß dem Auftreten des charakteristischen diphtherischen Belags im 
Rachen ein pockenähnliches, pustulös-hämorrhagisches Exanthem der äußeren Haut 
und Rachenschleimhaut vorausging, eine Reihenfolge des Auftretens, welche bisher 
nicht beobachtet wurde. Mohr (Bielefeld). 


32) Brault. Quelques cas de phthiriases anormales. 
(Ann. de dermat. et de syph. 1906. p. 70.) 

Verf. berichtet über einen Fall von Melanodermie der Haut und Schleimhaut 

bei Pediculi vestimentorum. Die Beteiligung der Schleimhaut ließ an Morbus Ad- 


dison denken. Die mikroskopische Untersuchung der Nebennieren gab aber keine 
Anhaltspunkte für Addison. Klingmiiller (Kiel). 


33) Le Play et Déhu. Un cas de maladie des vagabonds. 
(Ann. de dermat. et de syph. 1906. p. 141.) 


Verff. beschreiben gleichfalls einen Fall von ausgedehnter Pigmentierung mit 
Beteiligung der Schleimhäute bei Pediculosis. Klingmüller (Kiel). 


34) Runge. Uber einen Fall von Xanthoma tuberosum multiplex. 
Inaug.-Diss., Straßburg i. E., 1905. 

Kurze Besprechung der Literatur und kritische Betrachtung der Hypothesen 
über die Atiologie. Mitteilung eines Falles: 32jähriger Reisender, erbliche Be- 
lastung nicht vorhanden, Potator; Lebervergrößerung, multiple Xanthome an Ell- 
bogen, Handrücken, Rücken und Nacken. Die mikroskopische Untersuchung ergab 
das seltene Bild eines perifollikulären Xanthoma tuberosum multiplex. 


Klingmüller (Kiel). 


35) de Beurmann et Gougerot. Chéloides des muqueuses. 
(Ann, de dermat. et de syph. 1906. p. 151.) 


Verff. beschreiben bei einem mit zahlreichen Keloiden der Haut befallenen 
Mann ein reines Schleimhautkeloid, welches sich aus einem Teil eines vielleicht 
syphilitischen Geschwüres auf der Schleimhaut der Unterlippe entwickelt hatte. 


Klingmiiller (Kiel). 


36) Andry. Ulcus rodens chez une fillette de 3 ans. 
(Ann. de dermat. et de syph. 1906. p. 379.) 

Bei einem 3jährigen Mädchen bestand seit 8 Monaten an der Nasenwurzel eine 
gelbrote, ovaläre, indolente, erbsengroße Geschwulst, die sich nicht infiltriert an- 
fühlte und mit einer sich zeitweise abstoßenden Schuppe bedeckt war. Die mikro- 
skopische Untersuchung ergab die Struktur eines gewöhnlichen Ulcus rodens. 


Klingmüller (Kiel). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 1009 


37) Imhofer. Zur Behandlung der Tonsillitis chronica. 
(Prager med. Wochenschrift 1905. Nr. 22.) 


38) Springer. Instrument zur Massage der Tonsillen und zur Kom- 
pression derselben nach Tonsillotomie. 
(Ibid.) 

I. hat zum Ausdrücken von Pfröpfen oder Sekret aus chronisch entziindeten 
Gaumenmandeln ein Instrument konstruiert, das an einem Stiel eine um eine 
quere Achse drehbare, 2 cm lange Walze von 1,3 cm Durchmesser trägt. Es ist 
auch zum Verkleinern solcher hypertrophischer Tonsillen geeignet, die sich mehr 
flächenhaft zwischen den Gaumenbögen ausdehnen und deshalb schwer exstirpieren 
lassen. Verf. glaubt mit seiner Erfindung dem Hartmann’schen Mandelquetscher 
(vgl. d. Bl. 1905 p. 125) eine für den praktischen Gebrauch zweckmäßigere Form 
gegeben zu haben. 

Schon bevor Hartmann’s und I.'s Instrumente bekannt waren, benutzte S. 
eine Zange, die aus zwei mit englischem Schloß verbundenen, durch eine Cre- 
maillére stellbaren gekreuzten Branchen besteht, deren eine in einen gebogenen 
Schaufelhaken ausläuft, während die andere eine in einer Gabel sich drehende 
Metallwalze nach Art der Knapp’schen Rollpinzette trägt. Zur Massage dient 
die geschlossene Zange oder die Walzenbranche allein, wobei man mit dem Schaufel- 
haken die Mandel von hinten stützen kann. Zur Blutstillung nach Tonsillotomie 
wird die Zange so angelegt, daß der Schaufelhaken die Mandel von hinten um- 
greift, während die Walze sich an das vordere Gaumensegel legt. 

Beide Instrumente sind abgebildet. Gutzeit (Neidenburg). 


39) M. Ramm. Ein Fall von Atlasluxation mit Abbruch des Zahn- 
fortsatzes des Epistropheus. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVII. Hft. 3.) 


Kasuistische Arbeit, welche einen seltenen Fall von traumatischer Verrenkung 
des Atlas nach vorn mit geringer Rotation und Bruch des Zahnes des Epistropheus 
beschreibt. 

Die Verrenkung war durch Fall aus der Höhe auf den Hinterkopf bei nach 
vorn gebeugter Halswirbelsäule zustande gekommen. Außer der typischen De- 
formität der Halswirbelsäule bestanden Schluckbehinderung und Beschränkung der 
Kieferbewegung. Die erst 1/ Jahr nach dem Unfall auftretende Rückenmarks- 
kompression führte, wie bei den meisten derartigen Fällen, zum Tode. 

Reich (Tübingen). 


40) Tubby. A clinical lecture on torticollis, or wry-neck. 
| (Brit. med. journ. 1906. Juni 16.) 


Verf. bringt über Entstehung, Pathologie, Einteilung der verschiedenen Arten 
des Torticollis nichts Neues, dagegen dürften einige Angaben über die von dem 
bekannten Orthopäden geübte Behandlung von Interesse sein. 

Die subkutane Tenotomie verwirft er als entweder gefährlich oder unwirksam. 
Er führt die offene Durchschneidung aus mit einem 2 Zoll langen Schrägschnitt 
am vorderen Rande des Kopfnickers. Diese Narbe bleibt auch späterhin linien- 
formig und in der vorderen Halsfalte gut verborgen. Auch die unter dem Muskel 
liegenden, sich anspannenden Stränge der tiefen Halsfascie müssen sorgfältig durch- 
trennt werden zur Vermeidung eines Mißerfolges. Zur Nachbehandlung legt T. 
in überverbesserter Stellung des Kopfes eine Gipsschiene an, die von der Stirn 
über Kopf und Rücken bis zum Becken reicht und 2—3 Wochen liegen bleibt. 
Übungen und eine Halskravatte sichern im Laufe von 3 Monaten das Ergebnis. 

Bei den spastischen Formen des Torticollis, die meist in wechselnder Weise 
bald auf einer, bald auf beiden Seiten den Sternocleidomastoideus, Trapezius, die 


1 Zu beziehen von Waldek & Wagner in Prag. 


1010 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 


Splenii usw. befallen, spielen nervöse Belastung im Vereine mit schweren Gemüts- 
erregungen eine ursächliche Rolle. Dementsprechend ist die arzneiliche Therapie 
von wechselndem Erfolge. Bei schweren Fällen ist die beste Operation die von 
Gardner (Adelaide) und Keen (Philadelphia) vorgeschlagene Resektion der Rami 
posteriores der ersten vier Cervicalnerven mit großem Lappenschnitt von der Pro- 
tuberantia occipitalis zum Proc. mastoideus und von da zum Proc. spinosus des 
6. Halswirbels. Nur durch diese eingreifende Operation ist es möglich, eine 
Wiederkehr des Krampfes, wie sie sonst nach einfacher Resektion des N. acces- 
sorius die Regel ist, zu verhindern. Weber (Dresden). 


41) Nakayama. Kongenitale Membranbildung an der hinteren Wand 
des Larynx. 
(Prager med. Wochenschrift 1905. Nr. 21 u. 22.) 


Bei der Sektion der Leiche eines 68jährigen Mannes wurden zwei Querfalten 
von symmetrischer Ausbildung an der hinteren Kehlkopfwand entdeckt, die zu 
Lebzeiten keine Symptome gemacht hatten. Die eine war membranartig, 2 cm 
lang, lag 1 cm unter den wahren Stimmbändern und sprang 1/3 cm gegen die 
Kehlkopflichtung vor; die andere war zarter, schwimmhautartig, 1/, cm lang, am 
hinteren Ende der wahren Stimmbänder gelegen. Narben waren im Kehlkopfe 
nicht vorhanden. Verf. bringt eine Abbildung und eine genaue anatomische und 
mikroskopische Beschreibung der Falten, die er mit Bruns auf eine mangelhafte 
Lösung der von Roth beschriebenen embryonalen epithelialen Verklebung im 
Anfangsteile des Luftrohres zurückzuführen geneigt ist. In der Literatur fand er 
nur drei ähnliche Beobachtungen, in denen jedoch die Hautbildung nur einfach war. 


Gutzeit (Neidenburg). 


42) Muller and Speese. Malignant disease of the thyroid gland. 
(Univ. of Pennsylvania med. bulletin 1906. Juni.) 


Verff. berichten über acht Fälle von Karzinom der Schilddrüse und ein Sar- 
kom unter genauerer Mitteilung des pathologisch-anatomischen Befundes. In 
fünf Fällen wurde entweder Verkalkung oder Cystenbildung in der Geschwulst 
beobachtet. Bei einem Pat. trat eine Perforation der Luftröhre von 2 cm Durch- 
messer dicht unterhalb des Kehlkopfes ein. Bei einem weiteren Pat. fand sich 
nach Exstirpation der entarteten Drüse ein länglicher Tumor, welcher unterbunden 
und entfernt wurde, und als die thrombosierte Jugularis interna sich herausstellte. 
Verff. stellen 117 Literaturfälle von bösartiger Geschwulstbildung in der Schild- 
drüse zusammen, schildern auf Grund dieser Fälle das Krankheitsbild und kommen 
zu folgenden Zusammenfassungen: Die bösartige Erkrankung der Schilddrüse ist 
selten, besonders in Nordamerika. Frauen werden häufiger als Männer befallen 
(3:2), 53% der Erkrankungen treten zwischen dem 40.—60. Lebensjahr auf. Nur 
11% der Sarkome betrafen Pat. im Alter unter 30. In der Mehrzahl der Fälle ging 
Kropf voraus, meist von langer Dauer (über 10 Jahre. Adenokarzinome und 
Rund- und Spindelzellensarkome sind die häufigsten Formen. Das papilläre Cyst- 
adenokarzinom ist die am wenigsten bösartige Form und bietet die günstigste 
Prognose. Metastasen finden sich am häufigsten in den Lungen und in den 
Knochen, besonders im Schädeldach und Unterkiefer. Das Karzinom infiltriert 
die Umgebung auf dem Wege der Blutgefäße, und das Sarkom breitet sich häu- 
figer als gewöhnlich auf dem Lymphwege aus. 


Der Fall von Sarkom der Schilddrüse betraf eine 5Ojährige Frau; harte Ge- 
schwulst der Schilddrüsengegend mit ausgedehnter Erkrankung der Halsdrüsen bis 
unterhalb des Brustbeines. 3/, Jahr nach der Operation Rezidiv in den Lymph- 
drüsen, das noch zweimal entfernt wurde. Später innere Metastasen, Tod 1 Jahr 
7 Monate nach der ersten Operation. Mikroskopisch Spindelzellensarkom. (Zahl- 
reiche Abbildungen.) Mohr (Bielefeld). 


‘Zentralblatt fir Chirurgie. Nr. 37. 1011 


43) J. Zeman (Jungbunzlau). Die laterale Osophagotomie bei Fremd- 
kérpern des Osophagus. 
(Wiener klin. Rundschau 1906. Nr. 20 u. 21.) 


Verf. gibt zunächst eine Übersicht über die Chirurgie im Halsteile der Speise- 
röhre und kennt aus der Literatur 376 Fälle von lateralem Speiseröhrenschnitt. 
Der erste seiner von Kopfstein operierten Fälle war durch verhältnismäßig tiefen 
Sitz des Fremdkörpers, außerdem durch Kombination mit einem Kropfe schwierig 
gestaltet. Es wurde einer Geisteskranken eine verschluckte Roßkastanie entfernt. 
Im zweiten Falle war es ein Gebiß auf der Höhe der Thoraxapertur bei einem 
Kellner. In beiden Fällen erfolgte günstige Heilung. Die primäre Naht der Speise- 
röhrenwunde ließ kurze Zeit nach der Operation einige Tropfen flüssiger Speise 
durch; die äußere Wunde war in beiden Fällen größtenteils offen gehalten worden. 

Schmieden (Bonn). 


44) Fullerton. Wound of thoracic duct; ligature; recovery. 
(Brit. med. journ. 1906. Juni 16.) 


Bei der Entfernung tuberkulöser Lymphdriisen aus der linken Fossa supra- 
clavicularis wurde der Ductus thoracicus 1 Zoll von der Vene entfernt verletzt. 
Sofort füllte sich die tiefe Wunde mit Chylus, der bald zu einem weichen, grauen 
Klumpen gerann. Die Unterbindung des zuführenden Teiles erzeugte eine schnell 
entstehende, gespannte, 1/3 Zoll im Durchmesser betragende Anschwellung; das 
andere Ende teilte sich in drei Aste, die einzeln in die Vene mündeten, und deren 
Klappenspiel durch Sondierung gezeigt werden konnte. Unterbindung. Ganz ge- 
ringe Kost, größte Ruhe, Ausbleiben von Erbrechen führten glatte Heilung herbei 
durch Bildung eines kollateralen Lymphkreislaufes. Weber (Dresden). 


45) V. Mackenzie. A case of lipoma of the pericardium. 
(Brit. med. journ. 1906. Juli 14.) 


Wegen der außerordentlichen Seltenheit von Interesse. Das Lipom fand sich 
im an und für sich fettreichen Perikard eines im Delirium tremens gestorbenen 
56jährigen Mannes. Es ragte als ovale Masse hängend, 23/4 Zoll lang, 11/3 Zoll 
breit ins Perikard hinein und lag auf dem linken Herzohre. 
Weber (Dresden). 


46) Schulz. Ein Fall von angeborenem Mangel beider Kappen- 
muskeln. 
(Deutsche militärärztliche Zeitschrift 1906. Juni.) 


Der bei der Einstellung des betreffenden Mannes auffallende Befund war fol- 
gender: Die Wülste der Kappenmuskeln fehlen beim Anblick von hinten, die Ober- 
grätengruben sind vertieft, die Schulterblätter stehen höher als normal; beim 
Heben der Arme fällt die mangelhafte Feststellung der Schulterblätter auf, die 
beim Erheben zur Wage- und Senkrechten weit nach außen gleiten, wahrscheinlich 
infolge des von dem sehr stark entwickelten M. serratus ant. maj. ausgeübten Zuges. 
Trotz dieses Fehlens des M. trapezius war der Betreffende stets ein guter Turner 
gewesen, worauf auch die im übrigen kräftig entwickelte Muskulatur des Körpers 
hinwies. Während der Ausbildung stellte sich beim Gewehrstrecken und Anschlag- 
üben ein auffallendes Zittern der Arme ein, so daß der Mann schließlich doch 
als dienstunbrauchbar aus dem militärischen Dienst entlassen werden mußte. 

Herhold (Altona). 


47) V. Putti. La deformità di Madelung. 
(Arch. internat. Vol. III. Fasc. 1.) 


P. untersuchte einen Fall jener Deformität des Handgelenkes, die Madelung 
im Jahre 1878 als spontane Subluxation der Hand nach vorn beschrieben hatte, 
radiographisch. Er kommt zu dem Schluß, daß die Madelung’sche Deformität 


1012 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 


alg ein professionales Leiden angesehen werden muß. Die Erkrankung tritt auf. 
bei Personen, welche unter Belastung des Handgelenkes mit einem Teile ihres 
Körpergewichtes häufig dorsale Flexionsbewegungen im Radiokarpalgelenk auszu- 
führen gezwungen sind. Die Folge dieser übermäßigen Arbeit des einseitig be- 
lasteten Gelenkes ist ein ungleichmäßiges Wachstum des Radiusepiphysenknorpels 
und sekundär eine Knochenverbiegung. Bei dem Pat. bestand gleichzeitig ein 
Cubitus valgus. P. erklärt beide Deformitäten aus den gleichen Ursachen. Die 
funktionellen Störungen und subjektiven Klagen des Pat. wurden beseitigt durch 
die schräge Osteotomie des Radius. 

Die Madelung’sche Deformität des Handgelenkes ist kürzlich auch von 
Sauer röntgenographisch untersucht worden. Unter dem klinischen Krankheits- 
bilde verbergen sich offenbar verschiedenartige Knochen- und Gelenksveränderungen. 
(Vgl. das Referat der Sauer’schen Arbeit in Nr. 13 d. Zentralbl.) 

Revenstorf (Hamburg). 


48) Friedel. Ein Fall von schnellendem Finger. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXX. Hft. 1.) 


Der Fall weist eine seltene Entstehungsursache auf. Durch eine Stichver- 
letzung war ein Stückchen der Sehne des Flexor digitorum sublimis halb abgetrennt 
worden. Dasselbe drängte sich bei der Beugung des Zeigefingers in die Sehnen- 
scheide desselben hinein und hakte sich fest. Nach Resektion dieses Sehnen- 
stückchens funktionierte der Finger wieder normal. 

E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


49) Kern. Aneurysma popliteum mit Gangrän des Fußes. 
(Deutsche militärärztliche Zeitschrift 1906. Hft. 1.) 


Das Aneurysma der Kniekehle machte sich 2 Monate vor seinem Fühlbar- 
werden durch andauernde Schmerzen im Unterschenkel und durch 6 Wochen nach 
Einsetzen der Schmerzen beginnende Gangrän des Fußes bemerkbar. Der aneurys- 
matische Sack wurde nach Abbinden der Arterie in nächster Nähe des Adduktoren- 
schlitzes ausgeschält und 6 Tage später der nunmehr ganz brandig gewordene Fuß 
nach Pirogoff-Günther abgesetzt. Ungestörter Heilungsverlauf. Eine Ursache 
für die Entstehung des Aneurysmas konnte K. nicht feststellen; er glaubt nicht, 
daß Zerrungen der in der Kniekehle fixierten Arterie infolge des militärischen 
Dienstes die Ursache seien, da Kniekehlenaneurysmen bei den Mannschaften des 
Heeres recht selten sind. Herhold (Altona). 


50) Hoffa. Über Röntgenbilder nach Sauerstoffeinblasung in das 
Kniegelenk. 
(Berliner klin. Wochenschrift 1906. Nr. 28.) 


Die Sauerstoffeinblasung nach Werndorff und Robinsohn wird, nachdem 
durch die Konstruktion des Wollenberg-Dräger-Apparates die Technik eine 
überaus einfache, schnell zu erledigende und ungefährliche geworden ist, in der 
Hoffa’schen Klinik sehr häufig angewendet. Der vorliegenden Abhandlung sind 
12 Röntgenbilder zugrunde gelegt, die im Text erklärt werden. Für jeden, der 
sich noch nicht lange mit der Sauerstoffeinblasung beschäftigt hat, wird dieser 
Beitrag sehr willkommen sein, weil die Deutung der durch das neue Verfahren ge- 
wonnenen Bilder sehr erleichtert, wird. | 

Interessant ist die bei einem an primär chronischem Rheumatismus erkrank- 
ten Kniegelenk gemachte Beobachtung, daß nach Sauerstoffeinblasung die vorher 
sehr heftigen Schmerzen schwanden und die Beweglichkeit freier wurde. 

Die Methode ist nicht besonders schmerzhaft; sie läßt sich ambulant ausführen. 
Die Resorption des Sauerstoffes erfolgt in 24—48 Stunden; nur in einem Falle von 
Hämarthros war der Sauerstoff noch ca, 8 Tage im Gelenke nachzuweisen. — 
Irgendwelche Komplikationen sind bei zahlreichen Einblasungen nie beobachtet 
worden. Langemak (Erfurt). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 1013 


51) M. Draudt. Zur Behandlung der Kniegelenkstuberkulose mit be- 
sonderer Berücksichtigung der Resektion. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVII. Hit. 3.) 


Unter den 252 wegen Kniegelenkstuberkulose von Garr& behandelten Pat. 
waren 146 männlichen, 106 weiblichen Geschlechts. 

Bezüglich des Krankheitsbeginnes steht das Alter von 1—5 Jahren (64) obenan; 
von da bis zum 15. Jahre nahm die Häufigkeit nur wenig ab, um nach dem 
25. Jahre erheblich zu fallen. Der Verlauf ist in dem ersten und späten Lebens- 
alter akuter als in der Zwischenzeit. 

In 37,73 der Fälle wurden Traumen ätiologisch angeschuldigt. In 82 Fällen 
erwies die Operation den synovialen, in ca. 20 Fällen den ostalen Ursprung des 
Leidens; der Rest gehört der gemischten Form an. 

Konservativ war die Behandlung bei frischen Fällen ohne Fisteln und mit gutem 
Allgemeinzustand. In allen anderen Fällen, oder wenn die konservative Behand- 
lung in kurzer, allerdings individuell schwankender Zeit nicht zu merklicher Bes- 
serung führte, trat die Operation in ihr Recht. 

Unter den 34 konservativ mit wöchentlichen Jodoform-Glyzerininjektionen und 
Streck- oder Kontentivverbänden behandelten Fällen werden 60% gute, 40% 
schlechte Resultate berechnet neben 6 Todesfällen; außerdem finden sich unter den 
203 Resektionsfällen noch 66 Mißerfolge der konservativen Therapie eingerechnet. 

Bei Kontrakturen wurde meist der Gersuny’sche Zugverband mit Erfolg 
benutzt; in allen renitenten Fällen führte gewaltsames Redressement zum Ziele, so 
daß Verf. die Tenotomie für überflüssig hält und sogar behauptet, daß auch bei 
knöcherner Ankylose ohne Keilresektion stets auszukommen sei. 

Die Resektion wurde stets unter Blutleere in Äthernarkose, in letzter Zeit 
auch mit Spinalanalgesie ausgeführt. Fast ausschließlich wurde der Textor’sche 
Schnitt gewählt. Im extrakapsulären Vorgehen sieht Verf. keinen Vorzug. 
Knochenherde wurden stets plombiert, die Drainage möglichst beschränkt. Im 
übrigen wich Technik und Nachbehandlung nicht vom Üblichen ab. Bei Pat. über 
50 Jahren wurde prinzipiell die primäre Amputation ausgeführt, im ganzen 18mal. 
Die sekundäre Amputation wurde in 6 Fällen notwendig. 

Von den Resektionen fiel die Hälfte vor das 15. Lebensjahr; die Mortalität 
der Resektion berechnet sich auf 2,2%. 

Von den 167 reseziert entlassenen Pat. hatten 123 eine Primärheilung zu ver- 
zeichnen, bei 37 wurde eine Auskratzung der Fisteln und in 7 Fällen Nachresek- 
tion wegen Rezidivs notwendig. 

Bezüglich der funktionellen Endresultate berechnet Verf. aus den schriftlichen 
Nachrichten der Pat., daß von den resezierten Kniegelenken 53,7% gerade, 33,3% 
mäßig krumm und 12,9% sehr krumm (unter 150°) waren bei einer Beobachtungs- 
dauer von 1 Jahr in 15 Fallen, von 2—5 Jahren in 72 Fallen, von 6—10 Jahren 
in 37 Fallen. Verkürzung des Beines wurde in 17,09% nicht berichtet, in 69,23 9 
überschritt sie nicht 5 cm, in 6,83% blieb sie unter 10 cm und in 0,85% schwankte 
sie von 10—15 cm. 

Verkürzungen bis 5 cm sind meist durch die Operation als solche bedingt und 
funktionell ohne Belang; bei stärkeren Verkürzungen sind Wachstumsstörungen, 
die vor oder nach der Operation begonnen haben, mit im Spiele. 

Verf. glaubt sich zu dem Schluß berechtigt, daß seine Statistik an Güte der 
Resultate alle bisherigen übertreffe. Beich (Tübingen). 


52) Pellegrini. Ossificazione traumatica del legamento collaterale 
tibiale dell’ articolazione del’ ginocchio sinistro. 
(Clinica moderna XI. 1905.) 

Die Beobachtung Verf.s zeigt das seltene und interessante Vorkommnis einer 
Knochenneubildung in einem Gelenkbande nach einmaligem Trauma und, wie die 
mikroskopische Untersuchung unzweideutig zu erweisen scheint, ist der Knochen 
‘durch Metaplasie aus dem Bindegewebe entstanden. — Es handelte sich um einen 


1014 Zentralblatt. für Chirurgie. Nr. 37. 


36jährigen Mann, der aus 2 m Höhe mit der Innenseite des linken Knies auf einen 
eisernen Behälter auffiel. Die Verletzung wurde als Kontusion angesprochen und 
behandelt. 5 Monate später sah Verf. den Pat. und konstatierte palpatorisch und 
röntgenographisch im Ligamentum laterale internum des linken Knies eine läng- 
liche, harte, unempfindliche Geschwulst, die nicht mit den Skelettknochen zusam- 
menhing. Die Exstirpation ergab eine taubeneigroße Knochenneubildung inner- 
halb der Bandmassen. Mikroskopisch war ein allmähliges Übergehen des fibrösen 
Gewebes in Knochen und Knorpel zu verfolgen; Osteoblasten lagen im Zentrum 
der Knochenneubildung, Anzeichen, welche auf eine Absprengung von Periost oder 
Skelett hinweisen konnten, fehlten vollkommen. A. Most (Breslau!. 


53) @. Ottendorf. Operative Heilung einer amniotischen Abschnürung 
am Unterschenkel. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXIIL p. 233.) 


Eine Beobachtung und Operation aus der Vulpius’schen Klinik in Heidelberg. 
Das betreffende Kind war mit teils völligem, teils partiellem Defekt einiger Finger 
und Zehen, außerdem mit einer tiefen zirkulären Furche in den Weichteilen des 
rechten Unterschenkels behaftet, unterhalb welcher Haut und Unterhautzellgewebe 
plump verdickt erscheinen; auch bestanden auf dieser Seite Klumpfußstellung und 
Zehendefekte. An dem eben neugeborenen Kinde hatten in den verschiedenen 
Abschnürungsfurchen noch einzelne amniotische Fäden gelegen, die aber weder mit 
den Eihäuten, noch mit dem Kindskörper verwachsen waren. Die im Alter von 
1 Jahr eingeleitete Behandlung bestand in partieller Exzision hyperplastischer 
Hautteile aus dem Fußrücken, deren Fett besonders reich an Bindegewebe war, 
und in Exzision des Schnürringes aus dem Unterschenkel. Letztere wurde auf 
zwei Sitzungen verteilt. Jedesmal wurde auf beiden Rändern der Furche ein 
Schnitt um die halbe Peripherie des Unterschenkels gezogen und diese Inzisionen 
durch Querschnitte, welche die ganze Hautbedeckung der Furche durchsetzten, 
miteinander vereinigt. Dann Exzision des so umschnittenen Lappens bis zum 
Grunde der Einschniirung, was bei der Diinnheit der Haut in der Tiefe und ihrem 
festen Anliegen an den Knochen nicht leicht war. Schließlich Zusammenfügen 
der Hautwunden und tiefe Nähte. Gute Heilung, so daß 1/, Jahr später nur noch 
eine schmale, ringförmige Narbe, nicht eingezogen, vorlag. Auch die orthopädische 
Behandlung des Fußes ergab ein gutes Resultat. 

Das Operationsverfahren ist auch mehrfach in Frankreich von Reclus, Re- 
dard u. a., sowie in Deutschland von Fürst, Wolff und v. Mikulicz ausgeführt, 
worüber kurz referiert wird. Zum Schluß Literaturverzeichnis von sieben Nummern. 

Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


54) Dambrin. Les ruptures sous-cutandes du tendon d’Achille. 
(Province med. 1906. Nr. 26.) 

Verf. berichtet über einen Fall von subkutaner Zerreißung der Achillessehne, 
bei einem Akrobaten entstanden im Moment, als er einen Luftsprung machen 
wollte. Was den Mechanismus der Verletzung anlangt, so unterscheidet Verf. 
Fille, die sich beim Turnen und Springen im Augenblicke des AbstoBens ereignen, 
ferner solche, die durch Fall auf die Füße entstehen und schließlich solche, die 
durch einen Fehltritt hervorgerufen sind. Verf. redet der Naht der Sehne das 
Wort. Im vorliegenden Falle hat er einen seitlich aufklappbaren Lappen gebildet 
und die Sehne mit Draht genäht. Es erfolgte vollständige Heilung. 

A. Hofmann (Karlsruhe). 


55) Stegmann. Ersatz des exstirpierten Calcaneus durch Drehung 
des Talus. 
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. IX. Hft. 6.) 


Verf. gibt eine Operationsmethode an, das Fersenbein durch das Sprungbein 
zu ersetzen, um die üblen Folgen des Verlustes des ersteren einigermaßen auszu- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 1015 


gleichen, namentlich bei Tuberkulose des Fersenbeines, dann bei Osteomyelitis und 
bei frühzeitig diagnostiziertem Sarkom. Er benutzt den Schnitt von Landerer 
zur Exstirpation des Fersenbeines; dann wird nach stumpfer Lösung der Verbin- 
dungen zwischen Talus und Os naviculare der Talus mit Hilfe des Elevatoriums 
ohne viel Kraft luxiert und derartig gedreht, daß das Caput tali nach unten und 
hinten, die Trochles nach vorn gerichtet ist. Die Heilung wurde in dem Falle 
von S. durch Fistel- und Sequesterbildung verzögert, das Endresultat ist aber ein 
sehr gutes, die Form der Ferse anscheinend beinahe normal, wie die beigelegten 
Röntgenogramme zeigen. Gaugele (Zwickau). 


56) E. Sommer. Uber Calcaneusfrakturen. 
(Wiener med. Presse 1906. Nr. 25.) 

Mitteilung zweier charakteristischer Fälle von Fersenbeinbruch. Im ersten 
frischen Falle fand sich bei der Röntgenographie ein Kompressionsbruch des 
Knochens in seinem oberen Anteil. In dem zweiten Falle wies das erst nach 
Jahresfrist angefertigte Röntgenbild keine groben Veränderungen mehr auf, nur 
fand sich ungefähr in der Mitte des Knochens ein über dessen ganze Projektions- 
fläche parallel zur Epiphysenkuppe verlaufender starker, breiter Streifen, den 
man am normalen Knochen nicht zu sehen gewohnt ist. 

Paul Wagner (Leipzig). 


57) Toussaint. Ostéochondrome traumatique du fémur et de l’astragale. 
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXII. p. 190.) 


T. berichtet über zwei Fälle, in denen sicher beobachtet erst nach einem 
Trauma, in dem einen Falle 7 cm oberhalb des Condylus internus femoris, in dem 
anderen am Talushalse, Knorpelgeschwülste aufgetreten waren, die, dem Knochen 
breit und fest aufsitzend, nicht im Bereiche der Gelenkkapsel mehr lagen und trotz 
ihrer Größe und Härte und deutlichen Tastbarkeit keinen Schatten auf dem 
Röntgenbilde erkennen ließen. Die eine der Geschwülste konnte entfernt und 
Pat. dauernd geheilt werden. Für die Operation stellt T. die Forderung der Ab- 
wesenheit jedweder entzündlichen Reizerscheinungen auf. 

Thümer (Chemnitz). 


58) G. Baroni. La cura dell’ ulcera perforante del piede collo stira- 
mento dei nervi plantari. 
(Gazz. degli ospedali e delle clin. 1906. Nr. 84.) 

Eine 62jährige Frau leidet seit 4 Jahren an ihrem linken Fuß, der ein Pes 
varus mit fehlender zweiter und dritter Zehe ist, an einem Geschwüre des äußeren 
Randes, das eine blutig-seröse Flüssigkeit absonderte und einen harten, indolenten 
Rand hatte. Das Bein derselben Seite ist schwächer als das rechte; die verschie- 
denen Sensibilitätsempfindungen sind daselbst herabgesetzt, und die Schweißsekre- 
tion ist vermehrt. Das Geschwür wurde abgekratzt und der N. plantaris externus 
durch 5 Minuten langes Aufheben über die Wunde gedehnt. Darauf erfolgte 
schnelle Heilung, die nach 3 Jahren noch standhielt. Dreyer (Köln). 


59) Eckstein. Eine neue Methode zur Herstellung von Fußabdrücken. 
(Archiv für Orthopädie, Mechanotherapie und Unfallchirurgie Bd. IV. Hit. 3.) 


Zur Herstellung von Fußabdrücken hat E. einen rechteckigen Kasten kon- 
struiert, in den eine dünne Gummiplatte eingespannt ist. Unter dieser Platte be- 
findet sich ein Stempelkissen, das die darüber liegende Gummiplatte mit Farbe 
versieht. Entfernt man mittels einfachen Mechanismus das Kissen und legt einen 
Papierbogen durch einen seitlichen Schlitz unter die Gummiplatte, so gewinnt man 
beim Aufsetzen des Fußes auf die Gummiplatte einen genauen Abdruck des Fußes 
mittels der Stempelfarbe auf dem Papier. Der Abdruck selbst zeigt die stärkere 
oder schwächere Belastung einzelner Fußpartien sehr genau durch intensivere oder 
geringere Färbung. Hartmann (Kassel). 


1016 Zentralblatt für Ohirurgie. Nr. 37. 


60) G. Hohmann. Fortschritte in der PlattfuBbehandlung. (Aus dem 
orthopädischen Ambulatorium der klg. Universität München. Prof. 
Dr. Lange.) 

(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 20.) 


H. beschreibt die Technik des Gipsabgusses, der von dem redressierten und 
belasteten, in seinem vorderen Teile fest zusammen genommenen Plattfuß her- 
gestellt wird (s. d. Zentralblatt 1897 p. 1181), und sodann die der Einlagen, welche 
aus Lange’s Ambulatorium nicht immer wie früher aus Zelluloid-Stahldraht (s. d. 
Zentralblatt 1903 p. 576), sondern vielfach aus Korkstahldraht gefertigt werden. 
Zur Verwendung kommen hierzu 4-6 mm dicke Korkplatten, die in Wasser 
gekocht werden, bis sie ganz weich sind. Sie werden auf das Gipsmodell model- 
liert, nachdem an diesem je nach Bedürfnis auf die zu entlastenden Stellen an der 
Unterfläche des Fersenbeines und den Köpfchen der Mittelfußknochen entsprechend 
zugeschnittene Filzstückchen angenagelt worden sind, und nach Trocknung mit 
Drahtnetz, Stahldrähten und Längsgurten, die mit Zelluloid verbunden sind, ver- 
stärkt. Der äußere Rand, der ein Abgleiten des Fußes nach außen verhindern 
soll, wird als Gurt angesetzt. Die Einlagen werden lang und kurz gefertigt, die 
kurzen bei Schmerzen in der Ferse (Periostitis), die langen bei Schmerzen an den 
Capitula der Metatarsen verwendet. Kramer (Glogau). 


61) Lequyer. Lesion du plexus brachial consécutive à une fracture 
claviculaire. 
(Gaz. méd. de Nantes 1906. Nr. 15.) 


L. beobachtete nach einem Schlüsselbeinbruche mit Verschiebung des äußeren 
Bruchstückes nach vorn eine Atrophie mehrerer Muskeln des Armes und fast völ- 
lige Aufhebung der Funktion desselben. Betroffen waren nur Muskeln, die von 
den beiden vorderen Bündeln des Plexus brachialis innerviert werden; ferner be- 
stand teilweise Anästhesie im Bereiche der Hand. Es handelte sich demnach um 
eine teilweise Lähmung des Plexus brachialis durch Druck des hinter dem 
Schlüsselbein stark entwickelten Callus. Derselbe wurde ungefähr 1/2 Jahr nach 
dor Verletzung entfernt, jedoch wurden die motorischen und sensiblen Störungen 
nur in geringem Grade besser. 

Nach den bisherigen Erfahrungen ist in ähnlichen Fällen nur von einer sehr 


frühzeitigen Operation Erfolg zu erwarten. Mohr (Bielefeld). 
62) Irish. Intermittent claudication, due to angiosclerosis of the 
extremities. 


(Albany méd. annals 1906. Juli.) 


I. hat im Hinblick auf das Krankheitsbild des intermittierenden Hinkens 
Untersuchungen über die Häufigkeit der fühlbaren Pulsation in den Fußarterien 
an 80 Individuen angestellt. Bei 60 von diesen Krankheitsfällen verschiedenster 
Art war die Pulsation stets fühlber, dagegen waren die Resultate bei den übrigen 20, 
welche ausgeprägte Zeichen von Arteriosklerose darboten, sehr verschieden; bei 10 
fehlte die Pulsation in einer oder in beiden Fußarterien. 

I. berichtet schließlich über eine eigene Beobachtung bei einem 89jährigen 
Pat.; die Fußpulsation war an beiden Tibialis posticae zu fühlen, jedoch links be- 
deutend schwächer als rechts; an der Dorsalis pedis war sie auf der rechten Seite 
schwach vorhanden, fehlte auf der linken. Die Krankheitserscheinungen betrafen 
das linke Bein. Mohr (Bielefeld). 


Originslmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man 
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- 
handlung Breitkopf & Härtel, einsenden. 

TEE er SEE SEES u 
Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig, Nürnbergerstraße 36/38. 


Zentralblatt 
CHIRURGIE 





herausgegeben 
E. vu Borgman, F, Kinig, E Rite, 





Dreiunddreißigster Jahrgang. 


Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei halbjähriger 
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten. 


Nr. 38. Sonnabend, den 22. September. 1906. 














Inhalt: 1) Coopieret, Schädelverletzungen. — 2) Esteves, 3) De Schweinitz, Hirnechino- 
kokken. — 4) Frazier, Hirngeschwiilste. — 5) Broeckaert, Ozaena. — 6) Bunge, Darm- 
zerreißungen. — 7) Gauthier und Pinatelle, Gastrostomie bei Peritonitis. — 8) Malcolm, 
Appendicitis. — 9) Murray, 10) Ebener, 11) Baldwin, Herniologisches. — 12) Mayo Robson, 
Magenkrebs. — 13) Evans, Gastrostomie. — 14) Devé, Echinokokkenrezidive. — 15) Pels- 
Leusden, Papilläre Gallenblasenwucherungen. — 16) Dos Santos, Chronische Pankreatitis. 
— 17) Calabrese, Prostatektomie. — 18) Morris, Harnsteine. 

M. Borchardt, Zur Technik der Trepanation. (Original-Mitteilung.) 

19) Alessandri, Umschriebene Tuberkelgeschwulst der Bauchdecken. — 20) Cuff, Aktino- 
mykose der Bauchdecken. — 21) Miles, Perforierendes Magen- und Duodenalgeschwür. — 
2) Rubritius, Subkutane Darmrupturen. —. 23) van Schuylenburch, 24) Gelpke, Appendici- 
tis. — 25) Alessandri, 26) Delkeskamp, 27) Pólya, Herniologisches. — 28) Gibson, Magen- 
geschwür und Magenkrebs. — 29) Wallis, Gastrojejunostomie. — 30) Goyanes, Darmstenose. 
— 31) Smith, Thrombose der Gekrösgefäße. — 32) Chavannazy, Magen-Dickdarmfisteln. — 
33) Petermann, Mastdarmkrebs. — 34) Lederer, Hämorrhoiden. — 35) Stieda, Zur Chirurgie 
der Gallenwege. — 36) Rogers und Wilson, Leberabszeß. — 37) Chaput, Echinokokken- 
behandlung. — 38) Kopfstein, Pankreascyste. — 39) Dos Santos, Paukreaszerreißung. — 
40) Müller, Bauchgeschwülste. — 41) Vance, 42) Porter, Gekrösgeschwülste. — 43) Bate, 
Periurethralabszeß. — 44) Thomson, Prostataaushiilsung. — 45) Thelemann, Blasenverlet- 
zung. — 46) Böhme, Gonorrhée und Bilharziaerkrankung. — 47) Parker, Harnleiterstein. — 
51} Kelly, Harnleiterstriktur. — 49) Klose, Harnleitercyste. — 650) André, Pyelitis. — 
51) Watson, Beidseitige Nephrostomie. — 52) Cohn, Nierenfistel. — 53) Bogoljuboff, Neben- 
nlerengeschwulst. — 54) Lapointe, Nebennierengeschwulst. — 55) Sellei, Spermatokele. — 
56) Bland-Sutton, Eierstockskrebs. 





1) M. P. Coopieret. Les plaies pénétrantes du crane par 


la voie orbitaire. 
Thèse de Paris 1905. 

Zusammenstellung von 85 Fällen — 5 eigene Beobachtungen — 
von Gehirnverletzungen durch Perforation des Schädelgrundes von der 
Augenhöhle her. Die Prognose dieser Verletzungen ist sehr ungünstig. 
Denn es sind 82% Mortalität meist infolge von Infektion und hier- 
durch hervorgerufener Meningitis. Um so auffallender ist hiergegen 
die geringe Neigung der Chirurgen, aktiv operativ vorzugehen, um so 
möglichst günstige Bedingungen zur Bekämpfung der Infektion zu 
schaffen. Denn die meisten haben sich darauf beschränkt, den Fremd- 

38 


1018 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 


körper zu entfernen, die Wunde zu drainieren. Nur mal ist sofort 
trepaniert worden — 3 Heilungen. — Wenn auch diese Zahl zu klein 
ist, um schon daraus bindende Schlüsse ziehen zu können, empfiehlt 
Verf. doch auf dieselbe hin, im Stirnbein eine Trepanationsöffnung 
anzulegen, um von hier aus besser und freier an die Knochenverletzung 
der Orbita herankommen zu können, dieselbe zu übersehen und Splitter 
zu entfernen, vor allem aber auch um so doppelt drainieren zu können. 
Coste (Breslau). 


2) Esteves. Quistes hidaticos cerebrales. 
(Rev. de la Sociedad medica Argentina 1906. Nr. 78.) 

E. schlug im Jahre 1899 bereits vor, die Echinokokkuscysten des 
Gehirns nicht mehr radikal zu operieren, sondern sie nach geschehener 
Trepanation einfach zu punktieren und die Membran zurückzulassen. 
Dieser Vorschlag fand keine allgemeine Zustimmung. Fränkel modi- 
fizierte ihn 1902 dahin, daß er riet, in die entleerte Höhle Glyzerin- 
Formalin zu injizieren, um die vorhandenen Tochterblasen sicher 
abzutöten. In seiner neuen ausführlichen Arbeit nimmt E. diese 
Erweiterung seines ursprünglichen Vorschlages an und bespricht die 
großen Gefahren einer totalen Exstirpation. Die Echinokokkencysten 
des Gehirns kommen der schwierigen Diagnose halber stets erst dann 
zur Operation, wenn sie eine sehr beträchtliche Größe erreicht und 
sich bis in nächste Nähe eines Seitenventrikels ausgedehnt haben. Ein 
Durchbruch in den Ventrikel bei Extrahierung der Cystenwand ist 
daher fast unvermeidlich. Bleibt aber die Cystenwand zurück, so fällt 
diese Gefahr fort, und wird nun die entleerte Cyste mit einer anti- 
septischen Lösung gefüllt, so verringert sich hierdurch noch in hohem 
Grade die weitere Gefahr, die das Leben durch das plötzliche Zu- 
sammensinken großer Hirnmassen bedroht. E. empfiehlt eine Mischung 
von Glyzerin, Wasser und Formalin im Verhältnis von 3:1: 0,001 
zur Injektion. Anschließend werden vier Krankengeschichten aus- 
führlich wiedergegeben, die ein 61/,jähriges Mädchen, einen 5jährigen 
Knaben, ein 8jähriges Mädchen und einen iljährigen Knaben be- 
treffen. Die beiden ersten Kranken starben an den unmittelbaren 
Folgen der Operation, die dritte ging nach 1'/, Jahren an einem 
Rezidiv zugrunde, der vierte Pat., der vor 1 Jahr operiert wurde, ist 
bisher gesund geblieben. Im Verlaufe der Krankengeschichten nimmt 
E. Gelegenheit, auf die interessante, übrigens auch früher von Tripier 
schon festgestellte Tatsache hinzuweisen, daß die einmal durch Druck 
geschädigte Hirnstelle auch nach Beseitigung der Kompression ein 
Locus minoris resistentiae bleibt; bei der geringsten körperlichen Ver- 
stimmung, beispielsweise einer leichten Enteritis, können halbseitige 
Krämpfe ausgelöst werden, die den früher bestandenen durchaus 
gleichen. Stein (Wiesbaden). 





Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 1019 


3) De Schweinitz. The ocular symptoms of tumor of the 


cerebrum. 
(Univ. of Pennsylvania med. bulletin 1906. April-Mai.) 

S. erörtert in vorliegender Arbeit nur die Veränderungen an der 
Papille und die Gesichtsfeldveränderungen, welche durch Hirn- 
geschwülste hervorgerufen werden können. Was den Einfluß einer 
Operation auf die Neuritis optica oder Papillitis anlangt, so schließt 
S. aus seinen eigenen Beobachtungen an operierten Fällen folgendes: 
Nach einer Trepanation mit Eröffnung der Dura oder nach Entfernung 
der Geschwulst treten an der Papille in den ersten 10—14 Tagen 
gewöhnlich keine Veränderungen auf, dann aber geht die Neuritis in 
6—8 Wochen vollständig zurück. Die Sehkraft ist dann oft besser 
wie vor der Operation, in anderen Fällen bleibt sie dieselbe oder wird 
schlechter. Die besten Erfolge fanden sich in dieser Hinsicht, wenn 
ein sehr starker intrakranieller Druck beseitigt wurde, und die Papillen- 
veränderungen noch nicht allzulange bestanden hatten. In einzelnen 
Fällen werden Neuritis optica und Sehkraft zunächst nach der Ope- 
ration schlechter, jedoch nur vorübergehend. S. empfiehlt daher, um 
die Sehkraft zu erhalten, die möglichst frühzeitige palliative Trepa- 
nation, falls die Exstirpation unmöglich ist. Mohr (Bielefeld). 





4) Frazier. Remarks upon the surgical aspects of operable 
tumors of the cerebrum. 
(Univ. of Pennsylvania med. bulletin 1906. April-Mai.) 

F.’s Bemerkungen über die Behandlung der Hirngeschwülste be- 
treffen hauptsächlich Technisches. Für die Kraniotomie (besonders in 
der motorischen Zone) hält F. an der vorhergehenden kraniometrischen 
Bestimmung der Zentralfurche fest, da sonst der zu bildende Haut- 
Muskel-Knochenlappen viel zu groß genommen werden muß oder die 
Stelle der Geschwulst überhaupt nicht trifft. F. legt großen Wert 
darauf, daß der Narkotiseur sich ebenso streng desinfiziert wie der 
Operateur. Vor und während der Operation wird häufig der Blut- 
druck gemessen. Vordrängen des Gehirns in die Duralinzision fehlt 
in einzelnen Fällen von Hirngeschwulst. F. drainiert stets für 
1—2 Tage durch zwei Gegenöffnungen vor und hinter dem Lappen. 
Im allgemeinen stehen die Operierten am 3.—4. Tage nach der Ope- 
ration auf. Ist die Geschwulst nach Eröffnung der Dura nicht in der 
Rinde sichtbar, so führt F. stets einen bis mehrere Untersuchungs- 
schnitte ins Gehirn bis wenigstens 1 cm Tiefe. Als Narkotikum für 
Hirnoperationen hält F. nur den Ather für geeignet. Blutungen aus 
dem Knochen werden zweckmäßig durch Tamponade mit Horsley’s 
Wachsmasse gestillt. Die von Crile zwecks Blutstillung empfohlene 
temporäre Unterbindung beider Carotiden ist nach F.’s Erfahrungen 
gefährlich; er unterbindet nur im äußersten Notfall, und dann nur 
eine Carotis communis. Fällt der Blutdruck erheblich, so wird eine 

38* 


1020 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 


Kochsalz-Adrenalinlösung (1 : 50000) eingespritzt. Die Kontrolle des 
Blutdruckes während der Operation mit der Stanton’schen Modifi- 
kation des Riva-Rocci’schen Instrumentes gibt den besten Überblick 
über den Zustand des Pat.; sie entscheidet, ob die Operation ein- 
oder zweizeitig gemacht werden soll. In vielen Fällen wurde der 
Blutdruck erhöht gefunden, jedoch fehlt diese Erscheinung bei kleinen 
oder langsam wachsenden Geschwülsten. Nach operativer Beseitigung 
einer intrakraniellen Drucksteigerung wurde ein Fallen des Blutdruckes 
festgestellt, auch dann, wenn die Dura nicht eröffnet oder nach Er- 
öffnung sofort wieder vernäht wurde. F. erwähnt noch eine ganze 
Reihe weiterer interessanter Beobachtungen bezüglich des Blutdruckes 
vor, während und nach der Operation. Die Pulsfrequenz während 
der Operation war ganz unabhängig vom Blutdruck. Zur Durch- 
trennung des Knochens zieht F. das Cryer’sche Spiralosteotom allen 
anderen Instrumenten vor. Dasselbe ist ähnlich wie das Sudeck’sche 
konstruiert. F. erörtert schließlich die kraniometrische Bestimmung 
einer Reihe von typischen Schädeleröffnungen, um gewisse, gut abgrenz- 
bare Zonen der Hirnoberfläche freizulegen; in zahlreichen Abbildungen 
von Leichenpräparaten werden die betreffenden Zonen dargestellt. 
Fußend auf Froriep’s Untersuchungen über die Lagebeziehungen 
zwischen Großhirn und Schädeldach, hält F. an der Zuverlässigkeit 
der Kraniometrie, besonders der Methode von Anderson-Makin 
fest. Im einzelnen wird die Lagebestimmung und Technik folgender 
Öffnungen erörtert: präfrontal, frontal, parietal, motorische Zone, 
occipital, parietotemporal. Diesen sechs Zonen entsprachen sechs 
typische Eröffnungen des Schädels. F. führt für jede derselben als 
Beispiel eine Krankengeschichte an. Mohr (Bielefeld). 





5) Broeckaert. Traitement de l’ozene. Valeur curative 
des injections de paraffine et de l'intervention chirurgicale. 
Bruxelles, Hayez, 1906. | 


Die Paraffininjektionen haben sich im Laufe der letzten Jahre 
einen, wie es scheint, dauernden Platz in der Behandlung der so hart- 
näckigen Ozaena erobert. Von Moure und Brindel vor 4 Jahren 
zuerst empfohlen und von B. weiter ausgebildet, hat sich die Methode 
allenthalben außerordentlich bewährt. B., welcher das vom Ref. in 
zahlreichen Publikationen empfohlene Paraffin in kaltem Zustande zur 
Injektion in die untere Muschel verwendet, geht in der vorliegenden 
Schrift auf die Technik der Injektion nicht näher ein; er beschäftigt 
sich vielmehr mit der Pathologie und Atiologie der Ozaena im allge- 
meinen, und mit der Wirkungsweise der Paraffininjektionen auf die 
krankhaften Prozesse im besonderen. Verf. versteht unter Ozaena 
eine durch folgende drei Symptome charakterisierte Entzündung der 
Nasenschleimhaut. 1) Eitrige Sekretion mit Neigung zur Bildung von 
grünen resp. braunen Krusten; 2) Atrophie der Schleimhaut und der 
Muscheln; 3) charakteristischer Fötor. Er hat Stücke der exzidierten 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 1021 


Schleimhaut in systematischer Weise der mikroskopischen Untersuchung 
unterworfen und glaubt auf Grund derselben behaupten zu sollen, 
daß es sich in der Hauptsache um eine entzündliche Infiltration der 
oberen Schichten des Schleimhautepithels handelt, die schließlich zu 
einer Atrophie resp. Sklerose führt. Diese Infiltration wird durch das 
Auftreten von massenhaften Rundzellen herbeigeführt, die teils Leuko- 
cyten sind, teils dem Endothel der Gefäße entstammen sollen. Sie 
erleiden teilweise degenerative Veränderungen, und u. a. treten dann 
auch sog. Mastzellen auf. Die Drüsen verfallen einer fettigen Dege- 
neration infolge von Kompression. Die Gefäße veröden durch End- 
arteriitis bzw. Endophlebitis obliterans. Periost und Knochengewebe 
atrophieren. Am meisten ist von dem krankhaften Prozeß die untere 
Muschel befallen; am wenigsten leidet die Siebbeingegend. — Atio- 
logisch spielt wahrscheinlich die von Zweifel zuerst angegebene große 
Weite der Nasenlichtung eine Rolle, die entweder angeboren ist oder 
in einer Hemmung der Weiterentwicklung der unteren Muscheln be- 
steht. B. glaubt nicht, daB es sich bei der Ozaena um eine spezifisch 
syphilitische Erkrankung handelt, hält aber für möglich, daß Syphilis 
ebenso wie Tuberkulose eine Prädisposition für Ozaena schafft, daß 
diese also eine parasyphilitische bzw. paratuberkulöse Erkrankung ist; 
dabei spielt nach seiner Meinung die Tuberkulose eine häufigere Rolle 
wie die Lues. 

Zur Behandlung mit Paraffininjektionen eignen sich alle Fälle 
mit Ausnahme solcher, bei denen die Muscheln so gut wie vollständig 
geschwunden sind, bei denen also Injektionen in dieselben sich ver- 
bieten. — Die Behandlung ist mit großer Konsequenz und Geduld 
durchzuführen, da der Erfolg oft längere Zeit auf sich warten läßt. 
Von den 39 in den letzten Monaten behandelten Pat. wurden 24 
geheilt, 8 bedeutend gebessert, 4 mit nachfolgender Operation gebessert, 
3 blieben unverändert. — Unter den früher publizierten Fällen sind 
jetzt solche, deren Heilung 3 und 4 Jahre anhält. Die heilsame 
Wirkung der Injektionen von Paraffin erklirt B. 1) durch eine Verklei- 
nerung der Lichtung der Nasenhöhle, wodurch die Stagnation des 
Sekretes und in der Folge die Krustenbildung verhindert wird; 2) spielt 
die durch das Paraffin bedingte Kompression und Verödung der das 
Sekret liefernden Drüsen eine Rolle; und 3) führe die durch das als 
Fremdkörper wirkende Paraffin hervorgerufene reaktive Entzündung 
schließlich eine schnellere Sklerosierung der Schleimhaut und damit 
das natürliche Ende des krankhaften Prozesses herbei. — Für die 
extremen oben erwähnten Fälle bleibt nur die radikale chirurgische 
Behandlung. Diese besteht in der Wegnahme des Siebbeines und der 
Muscheln, wenn nötig auch der inneren Wand des Sinus maxillaris, 
die Eröffnung der Keilbeinhöhle, endlich die Auskratzung der letzteren 
und der Oberkieferhéhle. — Wenn die Fälle es irgendwie erlauben, 
soll man aber versuchen, auch hier die untere Muschel zu erhalten 


und durch Paraffininjektionen sekundär zu vergrößern. 
Stein (Wiesbaden). 





1022 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38, 


6) Bunge. Zur Pathogenese der subkutanen Darmrupturen. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVI. Hft. 3.) 

Zu obigem Thema bringt die Arbeit eine referierend-kritische 
Besprechung. 

Eine subkutane Darmruptur kann zustande kommen 1) durch 
Zeerquetschung, 2) Abriß durch Zug, 3) Berstung durch Erhöhung 
des Innendruckes. 

Der Mechanismus der Zerquetschung ist am häufigsten, am ein- 
fachsten zu erklären und am wenigsten umstritten: der Darm wird 
zwischen einem äußeren Gegenstand und einer festen Unterlage im 
Körper selbst, meist der Wirbelsäule, nach Einstülpung der Bauch- 
decken zerquetscht. J 

Der Abri8 des Darmes erfolgt durch Uberdehnung der Darmwand 
in ihrer Längsachse. Maßgebend hierbei ist die Richtung der Gewalt- 
einwirkung, welche meist in schräger oder frontaler Richtung erfolgt, 
sowie die Fixation der betroffenen Darmschlinge, welche in den 
physiologischen Fixationspunkten, also besonders dem Mesenterium 
gegeben ist. Die Gewalt kann dabei sowohl die Fixationsstelle selbst 
treffen, oder entfernt davon einwirken. Auch ohne direktes Trauma 
kann der Darm bei Fall aus der Höhe dann an seinem Mesenterial- 
ansatz abreißen, wenn im Moment des Auffallens der durch seinen 
Inhalt beschwerte Darm die Bewegung in der Fallrichtung beibehält. 

Viel weniger klargestellt ist die Pathogenese der Darmruptur 
durch Berstung. Ist eine Darmschlinge nach oben und unten geknickt, 
durch Gas oder Flüssigkeit gedehnt, der intraabdominelle Druck im 
Moment der Verletzung durch reflektorische Bauchdeckenspannung 
erhöht, so kann bei direkt einwirkendem Stoß die Darmschlinge platzen, 
weil ihr Innendruck noch höher wird als der erhöhte intraabdominelle 
Druck. Daß bei einseitigem Darmverschluß der Darminhalt nach 
dieser Richtung vor dem Trauma mit solcher Gewalt ausweicht, daß 
der Darm platzt, hält Verf. für wenig wahrscheinlich bei der enormen 
Dehnungsfähigkeit des Darmes, der meist geringen Breite der einwir- 
kenden Gewalt und dem Gegendruck von Bauchmuskulatur und be- 
nachbarten Darmschlingen. Eine Berstungsruptur durch bloße Er- 
höhung des Innendruckes dürfte dann für ausgeschlossen gelten, wenn 
der Bauchraum allseitig abgeschlossen wäre. Hat aber eine Darm- 
schlinge Gelegenheit zum Ausweichen nach einer Stelle geringeren 
Druckes, so ist damit die Vorbedingung zum Platzen durch erhöhten 
abdominellen Druck gegeben. Eine derartige Ausbuchtungsstelle stellt 
normalerweise der Ureterschlitz dar, und damit ist die Erklärung für 
die sog. spontanen Mastdarmrupturen geliefert. Noch häufiger bieten 
allerdings inguinale, crurale oder perineale Bruchpforten dem Darm 
Gelegenheit zum Ausweichen und damit die Voraussetzung zur Ber- 
stungsruptur. 

Diese theoretischen Ausführungen werden durch mehrere Kranken- 
geschichten illustriert. Beich (Tübingen). 





- Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 1023 


7) Gauthier et Pinatelle. De la gastrostomie dans certaines 


formes de péritonite. 
(Province méd. 1906. Nr. 24.) 


Jaboulay hatte vor einem Jahre die Gastrostomie zur Bekampfung 
der peritonitischen Magendilatation empfohlen. Die Gefahren einer 
solchen beruhen in dem erschöpfenden Erbrechen, in der Verdrängung 
der Brusteingeweide und der Intoxikation. Die Verff. präzisieren nun 
die Indikationsstellung, indem sie die Gastrostomie mit der Entero- 
stomie in Parallele stellen und verlangen, daB man bei diffuser Blähung 
und mäßigem Erbrechen enterostomieren, aber bei lokalisierter Blähung 
im Epigastrium und bei heftigem Erbrechen gastrostomieren soll. Bei 
drei Fällen eitriger Peritonitis wurde neben den bisher üblichen Ein- 
griffen gastrostomiert. Ein Fall verlief tödlich, die beiden anderen 
lassen deutlich den günstigen Einfluß dieses Eingriffes erkennen. 


Die Technik der Operation besteht in der Anlegung einer ein- 
fachen Magenfistel mit Einlage eines Katheters. Am 2. Tage schon 
wird Nahrung durch den Mund und durch die Fistel eingeführt, wo- 
nach der Katheter abgeklemmt wird. Nach einigen Tagen wird dann 
die Fistel wieder geschlossen, vorausgesetzt, daß weder kotige noch 
gallige Massen entleert werden. Die Entleerung ist sehr reichlich und 
darf nicht davon abhalten, Nahrung einzugießen. 

A. Hofmann (Karlsruhe). 


8) J. D. Malcolm. Appendicitis and gangrene of the ver- 


miform appendix considered as separate diseases. 
(Lancet 1906. Juli 28.) 


Verf. will in der Arbeit beweisen, daB die Appendicitis, die von 
der Schleimhaut des Wurmfortsatzes ausgeht, und die Krankheit, die 
in Bildung eines gangränösen Herdes in der Wand des Wurmfortsatzes 
mit Perforation besteht, verschiedene Affektionen sind, wenn schon 
sie unter einem ähnlichen klinischen Bilde verlaufen. 


Auch im Wurmfortsatze können nach Verf. Gewebsnekrosen ein- 
treten, die an sich ohne Krankheitssymptome verlaufen und die nur 
durch ihre Folgezustände in die Erscheinung treten, also ähnlich, wie 
bei seniler Gangrän, bei perforierendem Magen- oder Duodenalgeschwür, 
in der Wand einer Eierstocksgeschwulst, bei einem Uterusmyom usw. 
Verf. meint, daß, wenn die nekrotischen Partien das Produkt einer 
Entzündung wären, Fieber vorher bestehen müßte und alle dem 
Wurmfortsatze benachbarten Gewebe lebhaft vaskularisiert und öde- 
matös gefunden werden müßten. Nach den pathologisch-anatomischen 
Statistiken von Kelly und Hurdon war bei 86 Todesfällen infolge 
von Appendicitis 25mal akute Gangrän vorhanden. Was die Behand- 
lung bzw. die exakte Diagnose der beiden Formen der Wurmfortsatz- 
erkrankungen angeht, so weist Verf. auf die Schwierigkeiten der 
letzteren hin. Zusammenfassend ist er der Meinung, daß alle Fälle 


1024 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38, 


von Appendicitis, die sehr akut beginnen oder in denen dringliche 
Symptome sich plötzlich ausbilden, sofort operiert werden sollten. 
H. Ebbinghaus (Dortmund). 





9) Murray. The etiology and treatment of oblique in- 
guinal hernia. 
(Brit. med. journ. 1906. Juni 16.) 

Die Anwesenheit eines angeborenen Sackes ist die Hauptursache 
für die Entstehung eines Leistenbruches in jedem Lebensalter. — Bei 
der Mehrzahl der Säugetiere bleibt der Proc. vaginalis peritonei wäh- 
rend des ganzen Lebens offen, aber es bestehen feste Beziehungen 
zwischen dem ÖOffenbleiben des Processus und der Körperhaltung der 
Tiere. Bei Vierfüßern ist die Verbindung mit der Bauchhöhle ganz 
frei, bei Vierhändern mit teils aufrechter, teils wagerechter Körper- 
haltung ist der Proc. vaginalis sehr eng, bei den höheren Affen gleiten 
die Hoden 2 bis 3 Tage vor der Geburt in den Hodensack, und der 
Scheidenfortsatz ist für gewöhnlich vollständig verschlossen. Die 
Seltenheit des Austretens von Eingeweiden in ihn bei Vierfüßern hat 
ihren Grund in der hohen Lage des Leistenkanales und dem sphinkter- 
artig wirkenden Abschluß der Bruchpforte durch die Muskelumgren- 
zung. Kommt nun bei Haustieren ein Leistenbruch vor, so handelt 
es sich nach allgemeiner Ansicht der Fachleute um das Austreten von 
Eingeweide in einen angeborenen Bruchsack. — Bei 100 wahllos 
daraufhin geprüften Leichen von Personen, die nie Anzeichen einer 
Hernie im Leben geboten hatten, fand sich ein Bruchsack mit offenem 
Fortsatz in 21 Fällen. — Bei kleinen Kindern genügt für gewöhnlich 
zur völligen Heilung eine hohe Abbindung und Entfernung des Bruch- 
sackes. Diese klinischen, anatomischen und vergleichend-anatomischen 
Tatsachen sind dem Verf. genügend beweisend für seine Lehre, daß 
beim gewöhnlichen Leistenbruch der Sack stets angeboren ist, und daß 
die Entstehung eines Bruches abhängig ist von der Weite der Ver- 
bindung zwischen Fortsatz und Bauchhöhle und von der Stärke des 
muskulösen Sphinkterschlusses. 

Für die Behandlung ergibt sich Folgendes: Bei kleinen Kindern 
kann ein Bruchband den offenen Processus so stark verengern, daß 
es einer Heilung im Erfolg gleichkommt, aber eine Verwachsung 
kommt auf diese Weise nicht zustande. Zuverlässiger ist die mög- 
lichst hohe Abbindung des Bruchsackes und seine Entfernung. 

Bei 60 Operationen an Kindern von 2 Monaten bis 5 Jahren 
hatte M., mit Ausnahme eines Rückfalles, vollen Erfolg. 

Flaschenkinder operiert er ungefähr im 3. Monate, Brustkinder 
nicht vor dem 8., um keine Unterbrechung in der Nahrung eintreten 
zu lassen. 

Beim Erwachsenen legt er in gleicher Weise den Hauptwert auf 
möglichst hohe Abbindung des Bruchsackhalses und einfachen Ver- 
schluß der Aponeurose mit Ubereinanderschieben der Schnittrinder. 
— In fünf Fällen von großen Brüchen mit umfangreicher Bruchpforte 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 1025 


legte er mit Erfolg eine Art »inneres Bruchband« vor die Bruchpforte, 
bestehend in einer dünnen Gummiplatte mit kleiner Durchlaßpforte 
für den Samenstrang, die durch Cremaster und Aponeurose gedeckt 
wird. In einem dieser Fälle mußte er die Platte wegen Fistelbildung 
wieder entfernen, die anderen vier verrichten schwere Arbeit ohne Be- 


schwerden. Weber (Dresden!. 





10) A. Ebener. Über ektopische Inguinalhernien. Mit 
besonderer Berücksichtigung der superfiziellen Form und 
einem Beitrag zur Kasuistik derselben. 

(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVII. Hft. 3.) 

An Stelle der verwirrenden Bezeichnungen für die aus ihrem 
gewöhnlichen Bett in die Bauchwand verlagerten Leistenbrüche schlägt 
Verf. den prägnanten Gattungsnamen Herniae ektopicae inguinales 
vor, erläutert an der Hand schematischer Zeichnungen deren verschie- 
dene topographischen Unterarten und bespricht die einzelnen Theorien 
über die Entstehung derselben. 

Für die spezielle Form der superfiziellen Leistenbrüche wird eine 
Kasuistik von 23 Fällen zusammengestellt und eine eigene Beobachtung 
beschrieben. 

Weitaus am häufigsten sind die abdominalen, seltener die cruralen, 
und sehr selten die perinealen Formen der superfiziellen Leistenbrüche. 
Der Bruchsack entspricht in der Regel einem offenen Peritonealdiver- 
tikel, das für die Mehrzahl der Fälle eine bilokuläre Entwicklung 
nimmt. Der Bruch ist fast stets ein äußerer und direkter. Für die 
Entstehung der Hernia superficialis congenita kommt in jedem Fall 
ein mangelhafter Descensus testiculi mit gleichzeitiger mangelhafter 
Entwicklung der betreffenden Skrotalhälfte in Betracht. 

Reich (Tübingen). 





11) A. Baldwin. The radical cure of femoral hernia. 
(Lancet 1906. Juli 21.) 

Verf. gibt eine, dem Ref. recht rationell erscheinende Operations- 
methode der Schenkelbriiche an. Er zieht durch eine oberhalb des Liga- 
mentum Pouparti angebrachte Offnung den freipräparierten Sack durch 
den Bruchkanal hindurch und oben heraus. Dann wird der Bruchsack 
der Länge nach durch einen Faden gerafft und wieder in den Kanal 
zurückgezogen. Der Faden wird dann um die Zwischenwand zwischen 
der früheren Bruchpforte und der neuen Öffnung geknotet. Der zu- 
sammengeraffte Bruchsack füllt so den ganzen Cruralkanal aus und 
wirkt hier als Puffer. 

Wie aus den sechs guten Skizzen in der Arbeit hervorgeht, ist 
die Methode leicht und sicher auszuführen. Es bleiben anderwärtige 
Versuche abzuwarten, um zu sehen, ob sie tatsächlich die guten rezidiv- 
freien Erfolge gibt, wie sie der Autor ihr nachrühmt. 

H. Ebbinghaus (Dortmund). 


38+*+ 


1026 Zentralblatt fiir Chirurgie. Nr. 38. 


12) A. W. Mayo Robson. The treatment of cancer of the 


stomach. 
(Lancet 1906. August 18.) 

An der Hand instruktiver Fälle seiner großen Praxis betont der 
bekannte Verf. folgendes: Es ist überaus wünschenswert, eine Früh- 
diagnose des Magenkarzinoms zu machen, um die radikale Behandlung 
am erstmöglichen Termin einleiten zu können. Um die Diagnose zu 
sichern oder zu befestigen, kann eine Probelaparotomie nötig werden; 
eine solche kann im Frühstadium der Erkrankung mit keiner oder 
nur sehr geringer Gefahr für den Pat. ausgeführt werden. Eine 
Probelaparotomie ist selbst bei fühlbarer Geschwulst noch wünschens- 
wert, um sich zu vergewissern, ob Radikal- oder Palliativbehandlung 
einzusetzen hat. Wo die Geschwulst zur radikalen Behandlung zu 
ausgedehnt ist, da ist die Gastroenterostomie eine Operation, die bei 
ihrer relativen Ungefährlichkeit (bei Verf. 3,3% Mortalität) wohl 
geeignet ist, das Leben des Kranken zu verlängern und erträglicher 
zu machen. Es ist möglich, daß umfangreiche Geschwülste des Pylorus 
(Geschwüre mit Verwachsungen usw.) nach der Gastroenterostomie 
verschwinden und die bereits fiir Karzinom gehaltene Krankheit heilt. 
In Fällen von Karzinom der Cardia oder des ganzen Magens ist die 
Gastro- bzw. Jejunostomie auszuführen. Wo eine Radikaloperation 
ausgeführt werden kann, vermag die gründliche Entfernung des Krank- 
heitsherdes hier ebenso gut völlige Heilung herbeizuführen, wie die 
Operation des Brustkrebses, Uteruskrebses usw. 

Was die momentane Gefahr der partiellen Gastrektomie angeht, 
so beträgt die Mortalität an der Operation 14—16%; ca. 14% der 
Fälle, die die Operation überstehen, haben nach den von Verf. an- 
geführten Daten Aussicht, definitiv (d.h. über 4 Jahre) rezidivfrei zu 
bleiben. 

Derartige kurze übersichtliche Arbeiten von berufener Feder, wie 
die hier vorliegende, dürften wohl am besten geeignet sein, der viel- 
fach auch heute noch in internen Kreisen gegenüber der operativen 


Behandlung des Magenkrebses herrschenden Skepsis zu begegnen. 
H. Ebbinghaus (Dortmund). 





13) W. Evans. Senn’s Gastrostomie. 
(Medical press 1906. Juni 20.) 

E. öffnet den Bauch links der Mittellinie dicht unterhalb des 
Rippenbogens in Längsrichtung durch einen etwa 5 cm langen Schnitt. 
Durch eine etwa 1.cm lange, ungefähr 8 cm von der großen Kurvatur 
entfernte Offnung in der Vorderwand des Magens wird ein Gummi- 
schlauch eingeführt und durch eine Catgutnaht befestigt. E. legt 
darauf vier Tabaksbeutelnähte, die von einander etwa 1/; cm entfernt 
sind, durch Serosa und Muscularis der Magenwand um die Öffnung 
herum an und stülpt so diesen Teil der Magenwand mitsamt dem 
Gummischlauch allmählich ein. Die darauf angelegten Bauchnähte 


Zentralblatt für Ohirurgie. Nr. 38. 1027 


fassen die Muscularis des Magens mit. E. rühmt dieser Methode 
größte Einfachheit und Schnelligkeit nach, ferner die Vorteile, daß 
ein Durchsickern des Mageninhaltes vermieden werde und dem Pat. 
noch auf dem Operationstische, wenn nötig, Nährmaterial eingeflößt 
werden könne. f Erhard Schmidt (Leipzig). 


14) Devé. Des récidives hydatiques post-opératoires. 
(Revista de la soc. med. Argentina 1906. Nr. 78.) 

Die in Art einer Monographie angelegte Arbeit behandelt in aus- 
führlichster Weise die vielumstrittene Frage der Rezidive nach Opera- 
tion der Echinokokkencysten. Früher pflegte man unter »Rezidiv« 
bei dieser Krankheit jedes Wiederauftreten einer Cyste nach irgend- 
welcher voraufgegangenen Medikation zu verstehen, bestand diese nun 
in interner Behandlung oder in Punktion oder in Operation. Heute 
darf man mit Recht von einem Rezidiv nur dann noch sprechen, wenn 
einmal eine Operation voranging, und wenn zwischen der sekundär 
entstandenen ÜUyste und der primär vorhanden gewesenen ein lokaler 
Zusammenhang sich strickt nachweisen läßt. Was die Atiologie der 
Rezidive betrifft, so hat man nach D. bisher immer nur auf Stücke 
der Uystenmembran sowie eigentliche Tochterblasen sein Augenmerk 
gerichtet, während mit Unrecht die spezifischen mikroskopischen kleinen 
Teile des Cysteninhaltes total vernachlässigt wurden. Dieser scolices- 
haltige »sable hydatique« ist aber die Hauptursache der Rezidive. 
D. führt zur Bekräftigung dieser Tatsache zahlreiche Tierversuche, 
sowie eine große Anzahl aus der Literatur gesammelter klinischer 
Fälle an. Die wahren Rezidive dürfen jedoch nicht mit den Pseudo- 
rezidiven verwechselt werden, die dann auftreten, wenn sich beispiels- 
weise einige Zeit nach einer operativen Verödung einer Lebercyste 
ein groBer Abszeß bildet, der nach Ausstoßung von Membranteilen 
schnell ausheilt. Hier handelt es sich um zurückgebliebene sekundär 
vereiterte Teile der primären Cyste. Auch die nach voraufgegangener 
Operation einer Lebercyste oft späterhin beobachteten multiplen Cysten 
der Bauchhöhle usw. dürfen nicht als Rezidive der Operation aufgefaßt 
werden. Vielmehr waren in den allermeisten Fällen die Keime bereits 
vor der betreffenden Operation in die Bauchhöhle gelangt; »denn die 
spontane Ruptur der Leberechinokokkuscysten in die Bauchhöhle ist ein 
häufiges, fast könnte man sagen, ganz allgemeines Ereignis«. Folgender 
Fall scheint dies zu beweisen: »Eine frühere operierte Pat. kommt 
nach 9 Jahren mit einer Lebercyste wieder. Sie wird wieder operiert 
und nach 24 Tagen als geheilt entlassen. 14 Tage vor ihrem Eintritt 
ins Spital hatte diese Kranke plötzlich heftige Schmerzen im Bauch, 
Übelkeit, Atemnot, Ohnmachtsgefühl; während der ganzen Nacht war 
sie sehr aufgeregt; endlich fühlte sie »etwas in ihrem Leib hinab- 
rutschen«. Dann beruhigte sich alles, und die Geschwulst wurde etwas 
kleiner. Wahrscheinlich wird diese Frau in einigen Jahren multiple 
Cysten im Bauch aufweisen; und doch wird von einem »Rezidiv« im 
engeren Sinne nicht die Rede sein können.« 


* 


1028 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 


Die wahren Rezidive haben ihre Ursache 1) in unvollständiger 
Operation der Primärcyste; 2) in unvorsichtiger Operationsweise; 3) in 
unglücklichen Znfällen bei der Operation. In den beiden letzten 
Kategorien handelt es sich um sekundär auftretende multiple Cysten, 
der weitaus häufigste Fall des Rezidivs überhaupt. D. nennt dies 
»échinococcose«. Sie kommt zustande durch Ausstreuung des multiple 
Keime enthaltenden mikroskopisch feinen »Hydatidensandes« (s. 0.) in 
die Wunde oder deren Umgebung; denn dieser Sand wird durch die 
gewöhnlichen Antiseptika in seiner Lebens- und Proliferationsfähigkeit 
nicht im mindesten beeinflußt. D. ist geneigt, überhaupt alle Rezidive, 
auch die unter 1) fallenden, auf Rechnung des »sable hydatique« zu 
setzen. 

Die Behandlung der Rezidive bei Echinokokkuscysten hat ihren 
Schwerpunkt in der Prophylaxe, d.h. in der zweckmäßigen Technik 
der Primäroperation. D. hat aus den letzten Jahren ca. 30 un- 
bestreitbare Fälle, ca. 1% der Öperierten, gesammelt, von denen 
manche hätten vermieden werden können. Er bestreitet ganz ent- 
schieden die Richtigkeit der von Arce (Argentinien) aufgestellten 
Statistik, die Rezidive nur bei 1,03°%;,, der Operationen annimmt. 
Das einzige Mittel zur Vermeidung der Sekundärechinokokkose besteht 
nach D. in Injektion einer genügend keimtötenden Lösung in die 
Cyste vor deren Eröffnung. Er verwendet zu diesem Zweck eine 
1%ige Formollésung, die 5 Minuten lang im Innern der Cyste ver- 
bleiben soll. Ausgedehnte Tierexperimente mit Kontrollversuchen 
haben dem Verf. gezeigt, daß dadurch alle Scolices sicher abgetötet 
werden. Die Verwendung der starken Formollösung bringt weder 
eine Intoxikationsgefahr mit sich, da die Absorption in der fibrösen 
Cystenwand nur sehr gering sein !kann, noch wird die Heilung der 
Operationswunde irgendwie ungünstig beeinflußt. Eine Kontraindika- 
tion für {diese Methode besteht jedoch für die Cysten des Gehirns 
und der Lunge. Verf. empfiehlt hier !die einfache Austupfung der 
Cyste mit Gaze, die mit der obigen Lösung getränkt ist. Für die 
multilokulären Formen, wie sie in Knochen, Muskeln usw. aufzutreten 
pflegen, wird die sorgfältige Exstirpation mit nachfolgender Aus- 
schabung empfohlen; darauf Irrigation der Wunde mit !1/, iger For- 
mol-, 1/,°/giger Sublimat- oder 1%iger Chlorzinklösung; zum Schluß 
Austupfung mit 5%igem Formol oder 10 gigem Chlorzink. 

Stein (Wiesbaden!'. 
15) Pels-Leusden. Uber papillire Wucherungen in der 
Gallenblase und ihre Beziehungen zur Cholelithiasis und 
zum Karzinom. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXX. Hft. 1.) 

Verf. hat auf dem Chirurgenkongreß 1904 (cf. d. Zentralbl. Nr. 27 
Beilage p. 107; einen Pat. mit mehrfachen papillären Geschwülsten 
der Gallenblase vorgestellt. Es hatten langdauernde heftige Gallen- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 1029 


steinkoliken mit schwerem Ikterus und Lebervergrößerung bestanden. 
Bei der Autopsie im Jahre 1905 zeigten sich am Übergang des 
Gallenblasenepithels in die äußere Haut noch reichlich papilläre 
Wucherungen. In den abführenden Gallengängen waren dagegen’ 
nicht, wie vermutet worden war, weitere Papillome. Wider Erwarten 
aber zeigt sich in der Nähe der Papilla duodenalis ein eingekeilter 
Gallenstein. | 

Nach der Einsicht, die P.-L. in die Literatur einschlägiger 
Fälle genommen hat, scheinen derartige Geschwülste selten zu sein. 
Sein besonderes Interesse wandte Verf. ihrer pathologischen Anatomie 
zu. Seine eigenen diesbezüglichen Untersuchungsergebnisse schließen 
sich im wesentlichen den Resultaten an, die Aschoff auf Grund 
eines größeren Materials gewonnen hat. Er ist der Ansicht, daß es 
bei chronischen Gallensteinleiden sehr häufig in der Schleimhaut der 
Gallenblase zu atypischer Epithelwucherung in der Tiefe und zu 
papillären Wucherungen an der Oberfläche kommt. Neben dem 
mechanischen Reiz durch die Konkremente selbst sind bakterielle 
Reize und der Reiz infolge der Gallenstauung als Ursache dafür an- 
zusprechen. Auf Grund dieser Epithelwucherungen kommt es leicht 
zur Entwicklung eines Karzinoms, so daß es sich auch bei weniger 
fortgeschrittenen Fällen von Cholelithiasis empfiehlt, die chronisch 


entzündliche Gallenblase mit fortzunehmen. 
E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


16) R. Dos Santos. Aspecto cirurgico das pancreatites chro- 


nicas. 234 S. 6 Abb. 
Lissabon, Libanio da Silva, 1906. 

S. teilt die chronischen Pankreaserkrankungen nach ihren Sym- 
ptomen in vier Abteilungen. Erste Gruppe: Chronische Pankreatiten 
mit gleichzeitigem Choledochusverschluß, der durch Gallensteinbildung 
oder Katarrh bedingt sein kann. Fühlbare Geschwulst kann die Folge 
der Steinbildung sein. Fehlende Steinbildung verleitet leicht zu der 
Annahme eines Pankreaskarzinoms. Die Differentialdiagnose ist ohne 
Probelaparotomie äußerst schwierig, wenn nicht rasche Abmagerung, 
ausgesprochene Anämie, Ascites oder Metastasen eine bösartige Ge- 
schwulst wahrscheinlich machen. Ascites allein kann auch Begleit- 
erscheinung der chronischen Pankreatitis sein. Irrtümer sind leicht 
möglich. S. beschreibt einen von ihm beobachteten Fall, in dem 
rasche Abmagerung und die Symptome des Choledochusverschlusses, 
Ikterus, Fettstühle und mangelhafte Eiweißausnutzung auf das Pankreas 
hinwiesen und eine Geschwulst vor der Wirbelsäule gefühlt wurde, 
die man als ein Karzinom des Pankreaskopfes ansprach. Die Sektion 
ergab aber, daß eine chronische indurative Pankreatitis vorlag. 

Die zweite Gruppe umfaßt die Pankreatiten mit den Symptomen 
der Pylorus- oder Duodenalstenose. Sitzt die Stenose oberhalb der 
Papille, so ist die Striktur des Zwölffingerdarmes von der selteneren 
Pylorusverengerung nicht zu unterscheiden. In vier veröffentlichten 


1030 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 


Fällen, die wegen Pylorusstenose operiert wurden, fand sich eine 
Duodenalstenose. Bei einem Pat. des Verf.s, bei welchem ein Duodenal- 
geschwür, das zur Striktur geführt hatte, diagnostiziert war, fanden 
‘sich zwar zwei Geschwüre an der Magenwand, statt des Duodenal- 
geschwüres indes eine chronische Pankreatitis.. Bei den infrapapillären 
Verengerungen entleert sich ein Teil der Galle in den Magen. Pan- 
creas annulare als Ursache der Stenose ist ebenfalls nicht zu diagno- 
stizieren. 

Die dritte Gruppe umfaßt bisher vier Beobachtungen. Gemein- 
sam ist diesen Fällen der Schmerz, der dem Krankheitsbild einen be- 
sonderen Charakter verleiht, bei Abwesenheit von Erscheinungen der 
Darmstenose und des Choledochusverschlusses. 

Die vierte Gruppe endlich bilden chronische Driisenerkrankungen, 
bei welchen die klinischen Symptome nicht erkennen lassen, daß eine 
Pankreatitis vorliegt. 

Seitdem die Reaktion von Cammidge bekannt wurde (Lancet 
1%4 p. 782, 1905 p. 1951), hat S. alle ihm zugänglichen Fälle von 
Pankreaserkrankungen (36 Fälle) untersucht, kommt aber zu dem 
Schluß, daß diese Reaktion kein Mittel zur Unterscheidung chroni- 
scher Pankreatitis von Karzinom darstellt, da das Ergebnis der Unter- 
suchung in 12 Fällen zu falschen Schlußfolgerungen führte. 

Die Behandlung richtet sich nach den Symptomen. Von den mit 
Choledochusverschluß komplizierten Fällen wurden behandelt mit An- 
legung einer Gallenblasenfistel 38 (davon starben 4), mit Eröffnung 
der großen Gallenwege und Drainage 20 (davon starben 3), mit Ab- 
leitung der Galle in den Magen oder Darm vermittels Cholecystentero- 
stomie 27 (davon starben 9), mit Anlegung einer Anastomose zwischen 
Gallenwegen und Magen-Darmkanal 8 (davon starben 4) und mit ein- 
facher Laparotomie 11 (davon starb 1). 

Zur Beseitigung der Pylorus- oder Duodenalstenose wurde die 
Gastrostomie unter 6 Fällen viermal ausgeführt. Verf. operierte nach 
dieser Methode einen Fall von Pancreas annulare (Tod am 9. Tage 
an Pneumonie). Bemerkenswert war, daß es sich in diesem Falle 
nicht um kongenitale Mißbildung !handelte, sondern daB eine chro- 
nische Pankreatitis die Krümmung des Organs bewirkt hatte. 

Zur Behandlung schmerzhafter Pankreatiden empfiehlt Verf., wenn 
die Cholecystotomie die Beschwerden nicht beseitigt, die partielle Re- 
sektion der Driise. Durch Versuche an Tieren überzeugte er sich, 
daß die A. und V. splenica sowie die A. mesenterica geschont wer- 
den muß, wenn Nekrosen vermieden werden sollen. Unterbindung der 
A. pancreatico-duodenalis kann Gangrän des Duodenums zur Folge 
haben. Die Gefahr der Fettnekrose läßt sich durch lockeres Knüpfen 
der Unterbindungen verringern. Sorgfältigste Blutstillung ist nötig, 
wenn eine Vereinigung der Teilstücke des Pankreas nicht möglich ist. 
Man sucht die Drüse am besten auf mittels Durchtrennung des Lig. 
gastro-colicum, bei günstigen anatomischen Verhältnissen kann man 
auch das Lig. gastro-hepaticum einschneiden. Soll drainiert werden, 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 1031 


so empfiehlt sich die Anlegung einer Gegenöffnung in der Lenden- 
gegend, damit die Peritonealhöhle durch Naht wieder geschlossen wer- 
den kann. : 

Im zweiten Teile der Arbeit sind die bisher operierten 131 (dar- 
unter 2 bisher nicht veröffentlichte) Fälle von chronischer Pan- 
kreaserkrankung zusammengestellt. Das Literaturverzeichnis umfaßt 
179 Nummern. Revenstorf (Hamburg). 


17) Calabrese. Emiprostatectomia nei casi di ipertrofia 


prostatica. 
(Ref. nach Morgagni 1906. Nr. 29. Aus Policlinico 1906. Juli 1.) 

Ruggi, dessen jetzige Anschauungen über die Prostatektomie C. 
wiedergibt, exstirpiert nur noch einen Lappen, und zwar gewöhnlich 
den äußeren und hinteren Teil des linken Lappens, um die Ductus 
ejaculatorii und das Veru moretanum zu schonen. Die in der Prostata 
verlaufenden Nerven .haben nach Ruggi einen wesentlichen Einfluß 
auf die Erektion. Die Operation beginnt mit einem 2 cm vom After 
entfernt bleibenden Schnitt und schont die der Erektion dienende 
Muskulatur möglichst. Dreyer (Köln). 


18) H. Morris. On the X-ray shadows of cystic and xanthin 


oxyde calculi. 
(Lancet 1906. Juli 21.) 

Der bekannte Verf. tritt hier der nach seiner Erfahrung vielfach 
verbreiteten Ansicht entgegen, daß Xanthin- und Cystinsteine bei der 
Röntgendurchleuchtung keine Schatten gäben. An der Hand von 
acht in der Arbeit aufgenommenen Röntgenbildern der verschieden- 
artigsten Blasen- und Nierensteine beweist er das gerade Gegenteil 
und führt die geringe Durchlässigkeit für Röntgenstrahlen auf den 
Schwefelgehalt dieser Steine zurück. Ein Harnsäurestein gibt, ver- 
glichen mit einem Xanthin- oder Cystinstein, nur einen äußerst 
schwachen Röntgenschatten. H. Ebbinghaus (Dortmund). 


Kleinere Mitteilungen. 


Zur ‘Technik der Trepanation. 
Von 
M. Borchardt in Berlin. 


Wer oft Gelegenheit hat, Trepanationen auszuführen, wird zugeben, daß das 
bisber bekannte Instrumentarium noch mancher Verbesserungen bedarf. Neben 
dem noch heute vielfach angewendeten Hammer und Meißel ist vor allen Dingen 
die Dahlgren’sche schneidende Knochenzange, die Kreissäge und Sudeck’s 
Fräse beliebt. In unserer Klinik wurde in den letzten Jahren namentlich die 
v. Bergmann’sche Kreissäge benutzt, die wegen ihrer Breite gestattet, die Tiefe 
der Sägefurche zu übersehen. Es haften aber auch ihr beträchtliche Mängel an. 


1032 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 


Die Blutungen aus den Knochen sind zeitweilig sehr stark; der Operateur zieht 
die Säge gegen sich hin und ist bald so mit Blut bespritzt, daß er überhaupt nicht 
mehr sehen kann. 


Der mechanische Schutz der Dura durch Vorrichtungen, die gleichzeitig mit 
der Kreissäge zwischen harter Hirnhaut und innerer Knochenfläche vorwärts be- 
wegt werden, ist ein unsicherer. Es gelingt dieser Schutz noch am leichtesten mit der 
bekannten Sudeck’schen Fräse, die von vielen Chirurgen für das beste Trepana- 
tionsinstrument gehalten wird. 

Wir haben sie wiederholt, 

Fig. 1. wie auch die Gaylord’sche 

— Fräse angewendet, haben aber 

bei dicken, harten Schädeln 

mit beiden Instrumenten stets 
Fiasko erlebt. 

Das Instrument, welches ich 
zur Trepanation empfehlen 
möchte, ist eine, mit wenigen 
Schneiden versehene, zylin- 
drische Fräse mit scharfer 
Spitze. Die Fräse sitzt in 
einem metallischen Hund- 
griffe, dessen Auflagefläche 
durch einen Metallring be- 
werkstelligt wird; derselbe 
dient gleichzeitig als Schutz- 
vorrichtung fir die Tiefenwir- 
kung der Fräse, deren Spitze 
aus dem Ringe herausragt. 
Die Länge der aus der Schutz- 
vorrichtung herausragenden 
Schneidefläche kann beliebig 
von 3 bis 10 mm verlängert 
werden, und die Länge der 
herausragenden Spitze läßt 
sich an einer Skala ablesen. 
Am Handgriff ist für Daumen 
und Zeigefinger noch eine be- 
sondere Stütze zur leichteren 
Führung des Instrumentes an- 
gebracht. 

Soll z. B. eine große Hemi- 
kraniektomie ausgeführt wer- 

<. den, so werden zuerst nach 
'. Umscheidung des Weichteil- 
lappens in üblicher Weise im 
ganzen vier Löcher bis auf die 
Dura gebohrt, mit Kugelfräsen 
von8—9mm Durchmesser, und 
so die Dicke des Schädels be- 
stimmt; dann wird die Pflug- 
fräse eingesetzt und so ein- 
gestellt, daßsiezwar Ex- 
terna und Diploe, aber nicht die Interna durchischneidet. 

Beifolgende Figur zeigt die Fiihrung des Instrumentes, das so leicht wie ein 
Bleistift oder eine Schreibfeder zu handhaben ist. Von Loch zu Loch wird das 
Instrument vorwärts geschoben und gräbt nach Art eines Pfluges eine 
Furche in den Knochen. 





Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 1033 


Die Blutung dabeiist äußerst gering, und da der Operateur die Fräse vor 
sich her, d. h. von sich weg schiebt, wird er weder durch Blut noch durch Säge- 
späne auch nur im geringsten geniert. 

Die Interna wird mit scharfem oder stumpfem Meißel mit zwei bis drei 
Schlägen durchschlagen, oder mit der Sudeck-Fräse spielend durchschnitten. 

Es wird also prinzipiell mit der Pflugfräse nur Externa und 
Diploe durchschnitten. 5 

Mit diesem Instrumentarium gelingt es, die größten Öffnungen 
in noch so dicken Schädeln in wenigen Minuten herzustellen. 

Fig. 2. 


Anlegung der Boh 


rlöcher. 


of! 











Fig. 4. 
Verschiedene Fräsen. 


"i we 


i 





Es eignet sich die Frase auch vorziiglich zu osteoplastischen Operationen an 
Schädel- wie an Röhrenknochen. 

Bei der König-Müller’schen Schädelplastik ist ja die Herstellung der 
Furche mit Hammer und Meißel der langweiligste und schwierigste Akt. Mit 
unserer Fräse kann man jede Furche ziehen so tief man will. 

Zum Abmeißeln der Knochenschale habe ich mir noch besondere Schälmeißel 
konstruieren lassen, deren Form aus beifolgender Abbildung ohne weiteres ersicht- 
lich ist. 

Das Instrumentarium wird von der Firma W. A. Hirschmann, Berlin, 
Ziegelstraße 30, hergestellt. 


1034 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 


19) Alessandri. Miosite tubercolare circoscritta del piccolo obliquo 
e del transverso con sintomi di compressione del sigma colico. 
(Bulletino della R. accad. med. di Roma 1905. XXX.) 


Der interessante, in der Literatur nur wenige Analoga bietende Fall ist 
folgender: Ein 38 jähriger Tischler, welcher bereits früher an einer Lymphadenitis 
cervicalis und an einer Tuberkulose des linken Zeigefingers gelitten hatte, erkrankte 
etwa 1!/o Jahr zuvor mit wiederholt auftretenden Anfällen von heftigen Leib- 
schmerzen, bis vor 2 Monaten blutige Stühle auftraten, die einige Tage anhielten. 
Fast gleichzeitig bemerkte Pat. eine nußgroße, wenig empfindliche, glatte und 
härtliche Geschwulst einwärts von der Spina anterior superior sinistra, die langsam 
zu Limonengröße heranwuchs. Pat. hatte abends leichte Temperatursteigerungen 
(37,7%, litt an hartnäckiger Verstopfung und kam dabei allmählich herunter. Bei 
Aufblähung des Darmes vom Mastdarm aus mußte die Luft erst ein Hindernis über- 
winden, ehe sie in der Flexur aufstieg. Die Operation ergab eine gut abgegrenzte 
tuberkulöse Geschwulst im Obliquus abdominis, die bis an das Peritoneum vor- 
gedrungen war, sich in die Bauchhöhle gegen die Flexura iliaca vorwölbte. Die 
Bauchhöhle selbst war unversehrt; nirgends Verwachsungen. Exstirpation der 
Geschwulst. Reaktionsloser Verlauf. 

(Leider enthält die Mitteilung keine Daten über das spätere Befinden des Pat., 
was nach Ansicht des Ref. doch wichtig wäre, auch um zu sehen, ob die parietale 
Geschwulst die alleinige Ursache der beschriebenen Darmstörungen war.) 

A. Most (Breslau). 


20) A. Cuff. A case of actinomycosis of the abdominal wall pro- 
duced by an infected foreign body which had — from the in- 
testine. 

(Brit. med. journ. 1906. Juli 21.) 


Bei der Laparotomie eines 46jährigen Mannes, der eine seit 6 Monaten be- 
stehende, langsam wachsende Geschwulst der Blinddarmgegend aufwies, fand man 
eine Geschwulst, die im wesentlichen den Bauchmuskeln und dem Bauchfell an- 
gehörte, und deren ausgedehnte Verwachsung mit dem Colon ascendens leicht 
gelöst werden konnte bis auf eine kleine Stelle festerer Verwachsung. Die Unter- 
suchung ergab Aktinomyces und in einem Erweichungsherd ein Stückchen einer 
Weizenähre. Das Hineingelangen dieser Ahre erklärt C. aus der Gewohnheit des 
Pat., ständig ein Stückchen Strohhalm im Munde zu haben zur Säuberung eines 
kariösen Zahnes. Weber (Dresden). 


21) A. Miles. Perforated gastric and duodenal ulcers. Some obser- 
vations based on a personal esperience of forty-six cases operated 
upon. 

(Med. press 1906. Juli 18.) 


Von 36 Pat. mit Magen- und 10 mit Duodenalgeschwiir waren 20 männlichen 
und 26 weiblichen Geschlechts. Das Alter schwankte zwischen 15t/, und 
55t/. Jahren. Die Prognose war günstiger bei jugendlichen Individuen. Nicht 
selten trat kurz vor der Perforation eine Zeit anscheinender Besserung ein; in an- 
deren Fällen vergrößerten sich die Verdauungsbeschwerden, sowie Schmerz und 
Druckempfindlichkeit. Die Frage, ob körperliche Anstrengung, Trauma, Nahrungs- 
aufnahme den letzten Anstoß zum Durchbruch geben, läßt sich nicht mit Sicher- 
heit beantworten. In einzelnen Fällen läßt sich ein Zusammenhang nachweisen, 
in den meisten nicht. In 8 Fällen war der Magen gefüllt, in 7 leer, bei 13 Pat. 
enthielt er mäßige Mengen Speisebrei. Der Sitz des perforierten Geschwüres war 
gewöhnlich in der vorderen Wand nahe der Pars pylorica und der kleinen Kur- 
vatur. So fanden sich ventral 33 Magen- und 9 Duodenalgeschwiire, dorsal 
3 Magen- und 1 Duodenalgeschwiir. Unmittelbar nach der Perforation lassen 
Schmerzen und sonstige Symptome sehr oft an Intensität nach, so daß die Diagnose 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 1035 


schwankend und der rechte Zeitpunkt zu chirurgischem Eingreifen versäumt wird. 
Schmerz und Druckempfindlichkeit sind in der Regel am Orte des Geschwüres am 
größten; in 2 Fällen wurde der Rücken angegeben. Eine Lokalisation unterhalb 
des linken Schlüsselbeines, wie sie von einzelnen Autoren angegeben wird, hat M. 
nie gefunden. Die subjektiven Symptome bei perforiertem Geschwür gleichen 
vollkommen denen bei Durchbruch des Wurmfortsatzes. Erbrechen trat selten, 
Starre der Bauchdecken regelmäßig und sehr frühzeitig ein. In einzelnen Fällen 
fand sich eine umschriebene, schwache Dämpfung in der Nabelgegend, hervor- 
gerufen durch einen Flüssigkeitserguß in die Bursa omentalis bei Durchbruch eines 
Geschwüres der hinteren Magenwand. 

Bei der Operation macht M. den Bauchschnitt in Längsrichtung an der Stelle 
der größten Druckempfindlichkeit. Zur Auffindung der Perforationsstelle ist es 
in seltenen Fällen nötig, den Magen zu eröffnen. M. schließt das Geschwür durch 
eine Czerny-Lembert’sche Naht und bedeckt es mit einer Netzfalte. Die Ex- 
zision des Geschwüres hält er nicht für günstig. Die Bauchhöhle wird darauf aus- 
gespült und das kleine Becken drainiert. Eine lokale Drainage wendet M. nicht 
mehr an, vielmehr erhöht er das Kopfende des Bettes und bewirkt so einen Ab- 
fluß des Sekretes ins kleine Becken. Für die Nachbehandlung kommen Kochsalz- 
einläufe und -infusionen zur Anwendung. Eine geringe Flüssigkeitsmenge kann 
durch den Mund bereits 24 Stunden nach der Operation gegeben werden. Als 
Komplikationen sah M. temporäre Magenfisteln, Pneumonie, Parotitis, Phlebitis, 
Bronchitis und einen Fall von Beckenabszeß. Die Prognose ist um so günstiger, 
je früher die Operation stattfindet. Füllung des Magens, Sitz der Perforation oder 
Initialerbrechen scheinen keinen Einfluß zu haben. Heilungen und Todesfälle 
zeigten folgendes Verhältnis: 

Operation innerhalb der ersten 12 Stunden 14 Heilungen, 3 Todesfälle (18%). 


> zwischen 12 und 24 > 5 > 4 > (4496). 
> > 24 und 36 > 3 > 3 > (50%). 
> später als | 36 > 1 > 11 > (92%). 


Erhard Schmidt (Leipzig). 


22) Rubritius. Über subkutane Darmrupturen. 
(Prager med. Wochenschrift 1905. Nr. 27—29.) 


R. berichtet über das gesamte einschlägige Material der Wölfler’schen 
Klinik seit 1895. Von insgesamt 15 Fällen, deren Krankengeschichten ausführlich 
mitgeteilt werden, wurden 7 vor Ablauf der ersten 12 Stunden und 3 vor Ablauf 
der ersten 30 Stunden nach der Verletzung eingeliefert; in 2 Fällen war die Ver- 
letzung 2 Tage, in 3 Fällen schon 4 Tage alt. An 13 Kranken wurde unmittelbar 
nach der Einbringung die Laparotomie vorgenommen, 5 davon wurden geheilt; 
2mal wurde trotz der auf Darmruptur gestellten Diagnose nicht mehr operiert 
Imal hochgradiger Kollaps +, 1mal diffuse Peritonitis mit schwerem Kollaps +). 
Die kontundierende Gewalt wirkte in 14 Fällen umschrieben auf den Leib ein, imal 
mit breiter Angrifisfläche. 14mal lag eine Verletzung des Dünndarmes, imal eine 
ZerreiBung der vorderen Wand des Blinddarmes vor. Nur 2mal handelte es sich 
um typische Abreißungsrupturen: die erste betraf fast den ganzen Umfang der 
Flexura duodeno-jejunalis, die zweite bestand in einer vollständigen Abreißung des 
Dünndarmes neben zwei anderen Darmverletzungen. Bei 12 Fällen lagen Durch- 
quetechungen des Darmes vor (11mal je eine, Imal drei kleine Perforationen). In 
zwei dieser Falle war je eine freie Hernie vorhanden; in dem einen wirkte das 
Trauma gegen das Bruchband, in dem anderen gegen die in den Bruchsack aus- 
getretenen Eingeweide. Nur ein einziges Mal wurde eine Berstungsruptur bei 
gleichzeitig bestehender freier Hernie im Sinne Bunge’s (vgl. ds. Blatt 1904, Be- 
richt über den Chirurgenkongreß p. 53) beobachtet. Der betreffende Kranke hatte 
gemeinsam mit einem anderen Arbeiter einen schweren Balken getragen und war 
beim Gehen gestolpert, wobei ihn der fallende Balken gegen die Nabelgegend traf. 
Sein seit 20 Jahren bestehender linksseitiger, irreponibler Leistenbruch wurde wäh- 
rend des Fallens größer und war nicht mehr auf seine frühere Größe zu redu- 


1036 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 


zieren; es stellte sich Aufstoßen, Stuhl- und Windverhaltung ein. Bei der 4 Tage 
nach dem Unfalle vorgenommenen Herniolaparotomie fand sich im Bruchsacke nur 
trübseröses Bruchwasser. Unweit der Bruchpforte lag ein taubeneigroßer Kot- 
abszeß in einem Konvolut von Dünndarmschlingen, deren eine ein bohnengroßes 
Loch aufwies. 

Bei sämtlichen Fällen kam es sofort nach der Verletzung zu Kotaustritt in die 
freie Bauchhöhle. Es konnten alle Stadien dar entstehenden und fortschreitenden 
Peritonitis bei der Laparotomie beobachtet werden. Nur 2mal fanden sich abge- 
sackte peritonitische Herde; doch erlag der eine dieser Kranken einer fortschrei- 
tenden Bauchdeckenphlegmone trotz der Eröffnung des Herdes. 

Die Symptome der Darmruptur sind zu scheiden in die primären der Darm- 
perforation und die sekundären der Perforationsperitonitis. Die ersteren sind be- 
sonders wichtig, weil sie eine Frühdiagnose und rechtzeitige Operation ermöglichen. 
Es sind dies nach den Erfahrungen an den beobachteten Fällen: der schwere 
Kollaps vergesellschaftet mit Angstlichkeitsgefühl und oberflächlicher, frequenter 
Atmung, die intensive Druckschmerzhaftigkeit des Bauches, eine brettharte Span- 
nung der Bauchdecken und das bald nach der Verletzung auftretende, wiederholte 
Erbrechen und Aufstoßen. 

Die an der Wölfler’schen Klinik übliche Behandlung der Darmrupturen ist 
sowohl im Frühstadium als bei ausgesprochener Peritonitis die allgemein gebräuch- 
liche Spülungen der Bauchhöhle werden nur bei sicher bestehender allgemeiner 
Bauchfellentzändung dann vorgenommen, wenn die stark geblähten Darmschlingen 
eine Austrocknung mit Kompressen unmöglich machen. 

Gutzeit (Neidenburg). 


23) J. M. A. van Schuylenburch. Faecaalsteenen en hun rol bij 
appendicitis. 
Inaug.-Diss., Amsterdam, 1906. 


Verf. hat die Frage der Rolle von Kotsteinen bei Appendicitis an dem Ma- 
teriale der Klinik von Prof. Lanz studiert. Etwa 13% aller exstirpierten Wurn- 
fortsätze enthielt Kotsteine.e Die mikroskopische Untersuchung machte einige 
- Mühe, gelang aber schließlich nach sehr vorsichtiger Zelloidineinbettung. Während 
Kot als Inhalt des Wurmfortsatzes für physiologisch gehalten werden muß, ist 
Kotsteinbildung entschieden pathologisch. Die Kotsteine sind konzentrisch ge- 
formte Gebilde, deren Kern in Verf.s Präparaten immer Pflanzenzellen enthielt. 
Die Kotsteinbildung soll von verschiedenen, meist auf Entzündung zurückzuführen- 
den Veränderungen der Appendix befördert werden. Verf. meint, daß die Rolle 
der Steine keine den Appendicitisanfall auslösende ist; ja sie üben sogar eine ge- 
wissermaßen schützende Wirkung auf die Wand aus, weil dieselbe über dem Steine 
mehr oder weniger gespannt und geglättet, und so die Ansiedlung von Bakterien 
in Krypten wenigstens im Aquatorialgebiete des Steines verringert wird. Eine 
primär arrodierende Wirkung des Steines konnte Verf. niemals feststellen. Gerät 
jedoch ein Kotstein enthaltender Wurmfortsatz in Entzündung, so wird die Ent- 
zündung durch den Stein bedeutend verschlimmert. Die Spannung im Aquatorial- 
gebiete führt leicht zu Gangrän, und schließlich wird der Heilungsprozeß verlang- 
samt, weil die Steine wie Fremdkörper in den zerstörten Schleimhautresten liegen 
bleiben. J. H. Zaaijer (Amsterdam). 


24) L. Gelpke. Beobachtungen über 153 operativ und 45 exspektativ 
behandelte Fälle von Appendicitis nebst 60 exspektativ behandelten 
Fällen aus der Privatpraxis. 

(Med. Klinik 1906. p. 704.) 

G. berichtet über das Material eines gemischten Hospitals (Liestal, Schweiz) 
unter Beibringung zahlreicher Krankengeschichten. Sterblichkeit 20%. Von den 
Komplikationen werden besonders besprochen: Durchbruch einer Wurmfortsatz- 
eiterung in die Blase mit ungewöhnlich langwierigem Verlaufe; chronische Brust- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38, 1037 


fellentzändung, ausgehend von einer verborgenen chronischen Appendicitis; Ver- 
lagerung des Wurmes gegen die Mitte der Bauchhöhle mit Eiterung über der 
Wirbelsäule, Durchbruch in die Pfortader, Pyämie, Leberabszessen und Tod; diffuse 
und allgemeine Bauchfellentzündungen. 

Seine Erfahrungen als Mediziner, Gynäkologe und Chirurg faßt G. in folgende 
Sätze zusammen: 

Die Blinddarmentzündung ist seit 1896 zehnfach häufiger geworden, wohl haupt- 
sächlich als Folge von Influenza. Verletzungen und Überanstrengung spielen eine 
sehr große Rolle und bedingen wahrscheinlich (neben anderen) die Häufigkeit und 
Gefährlichkeit der Anfälle in der Jugend. Den Anfang bildet der mechanische 
Verschluß des Wurmdarmes (Retentionscyste) ; der erste Anfall bedeutet häufig das 
Akutwerden eines latenten Zustandes infolge mechanischer Einwirkungen (Durch- 
bruch). Bei der Spontanheilung spielen die Verklebungen eine hervorragende 
Rolle durch Verhütung von Durchbrüchen und durch die Abtötung der Krankheits- 
keime von seiten der Kräfte des Blutes. Blinddarmentzündung und Cholecystitis, 
gedrehte Eierstockscyste, eingeklemmter Bruch haben ausgesprochene Ähnlichkeiten. 
Je zentraler der Wurm liegt, desto schlechter ist unter sonst gleichen Verhältnissen 
die Aussicht auf Heilung, desto häufiger Darmverschluß und Pyämie. Die Appen- 
dicitis ist bei Frauen ebenso häufig wie bei Männern, nur schwerer zu erkennen, 
und führt häufig zu Unfruchtbarkeit und Retroflexio uteri fixata. Alle ernsthaften 
Fälle sind im Frühstadium zu operieren. Der ausgesprochene Anfall ‘ist wie ein 
eingeklemmter Bruch zu behandeln. Die leichten, besonders in der Privatpraxis 
häufigen Fälle sind auf das Frühstadium eines etwaigen nächsten Anfalles zu ver- 
weisen. Da nach Abszeßeröffnung verhältnismäßig selten Rückfälle (5%) eintreten, 
sind diese Fälle nicht ohne weiteres in der fieberfreien Zeit radikal zu operieren; 
denn diese Operation kann manchmal gefährliche Schwierigkeiten bieten. 


Georg Schmidt (Berlin). 


25) Alessandri. Un nuovo caso di ernia inguinale bilaterale della 
vescica. 
(Bullettino della R. accad. med. di Roma 1905, XXXI. p. 45.) 


Verf. fiigt den wenigen (7) bisher bekannten, zum Teil noch unsicheren Fallen 
von doppelseitigem Leistenbruch, bei denen die Harnblase der Bruchinhalt war, 
eine weitere Beobachtung hinzu. Sie betraf einen 74jährigen Dienstmann, der das 
Hospital mit dem Wunsch aufsuchte, es möchten seine beiden Brüche radikal 
operiert werden. Symptome seitens der Blase bestanden nicht, hingegen war eine 
Prostatahypertrophie vorhanden und eine Gonorrhöe in der Anamnese. Bei der 
Besprechung der Atiologie macht A. darauf aufmerksam, daß die sicheren Fälle 
des besagten Leidens durchweg ältere Männer betrafen und solche, welche infolge 
von Strikturen u. dgl. Schwierigkeiten in der Blasenentleerung hatten. 


A. Most (Breslau). 


26) Delkeskamp. Zur Kasuistik der inneren Hernien, speziell der 
Hernia foraminis Winslowi. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVII. Hft 3.) 


Eine j junge Frau erkrankte kurz nach ihrer Entbindung unter Tisussvecheinangen, 
wobei die Gegend oberhalb des Nabels besonders vorgewölbt war. Die am 7. Krank- 
heitstage vorgenommene Laparotomie ergab, daß der ganze Dickdarm bis zur 
Flexura sigmoidea und ein Teil des Dünndarmes durch das Foramen Winslowi in 
die Bursa omentalis getreten und der Dickdarm durch das Lig. hepato-duodenale 
abgeklemmt war. Nach Lösung einiger Verwachsungen gelang die Befreiung der 
eingeklemmten, erholungsfähigen Darmschlingen, und Pat. genas nach glatter 
Primärheilung. 

Begünstigend für das Zustandekommen der Hernie war das Vorhandensein 
eines Mesenterium commune und eine abnorme Weite des Foramen Winslowi. Im 
übrigen war der Entstehungsmechanismus so zu denken, daß infolge der Raum- 


1038 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 


beengung durch den schwangeren Uterus die Darmschlingen in die Bursa omen- 
talis traten und alsbald nach der Geburt die Knickung über dem Lig. hepato- 
duodenale deshalb erfolgte, weil der Bruchinhalt mit der Entleerung des Uterus 
seine Stütze verlor. 

Die Diagnostik derartiger Fälle wird kaum jemals über die Vermutung hinaus- 
kommen. Die Reduktion der inkarzerierten Schlingen kann dann schwer werden, 
wenn sich der gestaute Inhalt nicht zuvor durch Druck entleeren läßt, da eine 
Spaltung des »Bruchringes« aus anatomischen Gründen untunlich erscheint; man 
müßte denn die Enterostomie und Darmentleerung der Reposition vorausschicken. 

Der mitgeteilte Fall ist der 13. in der Literatur überhaupt und der 2. durch 
Operation geheilte. Reich (Tübingen). 


27) E. A. Pölya (Budapest). Beiträge zur Kenntnis der retrograden 
Inkarzeration. 
(Wiener klin. Rundschau 1906. Nr. 6.) 


Verf. definiert zunächst nochmals den Begriff der retrograden Inkarzeration, 
welche in der Gangrän von Organen in der Bauchhöhle besteht, deren zuführende 
Gefäße in einer Bruchpforte mit eingeklemmt sind; oft kann dabei der eigentliche 
Bruchinhalt von Gangrän verschont sein. Seine zwei Fälle waren folgende: ein 
alter Mann-wurde an eingeklemmter rechter Hernie operiert, die den Blinddarm 
und seinen Anhang enthielt; nach Reposition des ersteren fand sich oberhalb in 
der Bauchhöhle eine 35 cm lange brandige Dünndarmschlinge, die reseziert wurde. 
Im zweiten Falle war eine karzinomatöse Eierstocksgeschwulst dadurch in der 
Bauchhöhle gangränös geworden, daß seine zuführenden Gefäße in einem Nabel- 
bruch mit eingeklemmt waren. 

Das einzelne über die gut beobachteten Fälle muß im Original nachgelesen 
werden. Schmieden (Bonn). 


28) Gibson. An address on the bordesland of medicine and surgery 
as exhibited in the stomach. 
(Brit. med. journ. 1906. Juli 28.) 

Längere Abhandlung über Diagnostik und Behandlung in 25 Fällen von chro- 
nischem Magengeschwür und Karzinom. Als gute Methode zum Nachweise der 
großen Kurvatur empfiehlt Verf. die Auskultation bei allmählich von unten herauf- 
steigender Erschütterung des Bauches durch die Ulnarseite der Hand: sobald die 
große Kurvatur erreicht ist, wird bei Magenerweiterung ein Plätschergeräusch hör- 
bar. Die verschiedenen Mittel zum Nachweise der Magengrenzen sind ausreichend 
und machen die Durchleuchtung des mit Wismutspeisebrei usw. angefüllten Or- 
ganes überflüssig. 

Die genaue chemische Analyse seiner 25 Fälle erlaubt folgende Sätze: Die 
durchschnittliche Azidität ist bei nicht bösartigen Erkrankungen viel höher als bei 
bösartigen, der Nachweis freier Salzsäure spricht sehr gegen Bösartigkeit, der 
Mangel daran nicht ebensosehr dafür; die organischen Säuren sind von recht un- 
bestimmter Bedeutung. 

Verf. empfiehlt als innerer Kliniker den Probebauchschnitt, wenn hartnäckige 
Beschwerden vom Magen her sich trotz interner Behandlung nicht bessern. In 
den meisten Fällen dieser Art wird man irgendeine Veränderung antreffen, die 
chirurgischer Hilfe bedarf. Weber (Dresden). 


29) Wallis. Three cases of gastro-jejunostomie. 
(Brit. med. journ. 1906. Juli 14.) 


Verf. berichtet kurz über drei Fälle von Gastroenterostomia retrocolica poste- 
rior, von denen der erste Interesse bietet, weil es sich um eine 91jährige Frau 
handelte, die den wegen gutartiger Stenose nötig gewordenen Eingriff glatt über- 
stand und geheilt wurde. Im zweiten Falle fand man bei der wegen heftiger 
Magenschmerzen unternommenen Operation eine große »Geschwulst« der kleinen 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 1039 


Kurvatur und des Pylorus, die als unzweifelhaft bösartig bei einer in kurzer Zeit 
vorzunehmenden zweiten Operation entfernt werden sollte. Dieser 1 Monat später 
ausgeführte Eingriff zeigte, daß die »Geschwulst« größtenteils verschwunden war. 
Statt ihrer fühlte man ein scharfrandiges Geschwür durch. Ganz ähnlich erwies 
sich im dritten Falle die »Geschwulst« bei der Sektion als ein großes Geschwür. 
In seiner Mitte verlief eine arrodierte Vene, die zum Verblutungstode geführt hatte. 
Weber (Dresden). 


30) Goyanes. Oclusion intestinal consecutive 4 una forma rara de 


estenosis del intestino. 
(Revista de med. y cir. pract. de Madrid 1906. Nr. 937.) 

Mitteilung einer bisher nicht beobachteten Form von Diinndarmstenose, fiir 
die G. den Namen »Ringförmige Fettstenose« (Estenosis anular lipomatosa) vor-' 
schlägt. Ein 42jähriger wohlgenährter Mann litt von Zeit zu Zeit an heftigen 
Magen-Darmbeschwerden, die mit Erbrechen und schmerzhaften Kolikanfällen 
einhergingen, bisher aber ohne dauernde Schädigung geblieben waren. Bei einem 
neuerlichen Anfalle trat vollkommener Darmverschluß ein, der durch die stärksten 
Abführmittel, die während dreier Tage gereicht wurden, nicht zu beheben war. 
Nunmehr verordnete ein Arzt ein hohes Klysma bestehend aus einer ganzen 
Siphonflasche voll sehr stark komprimierten künstlichen kohlensauren Wassers. 
Die Folge war Verschlimmerung des Zustandes; subnormale Temperatur, kleiner 
und frequenter Puls, Facies abdominalis usw. Pat. kam ins Krankenhaus und 
wurde sofort laparotomiert. — Zunächst fanden sich im kleinen Becken reichliche 
Kotmassen, als deren Austrittspunkt durch Einblasen von Luft in den Mastdarm 
eine große rißförmige Perforationsöffnung in der vorderen Mastdarmwand fest- 
gestellt werden konnte. Es war hier offenbar zu einer explosionsartigen Zer- 
reißung des Darmes durch die eingeführte Kohlensäure gekommen. — G. benutzt 
die Gelegenheit, um ausdrücklich vor der Einführung von Kohlensäure zur Be- 
hebung des Ileus zu warnen, die von anderen Autoren empfohlen wurde mit der 





Angabe, daß die Darmwandungen einem Drucke von 4—6 Atmosphären gewachsen 
seien. — Nach der Naht der Perforation wurde nach der eigentlichen Ursache des 
Darmverschlusses geforscht. Diese fand sich 50 cm vom Blinddarm entfernt in 
einem den Dünndarm vom Gekröse aus ringförmig umschließenden und einengen- 
den Fettwulst von 2cm Dicke. Oberhalb desselben war der Darm hochgradig 
gebläht, unterhalb leer und zusammengefallen. Nachdem eine Enteroanastomose 
angelegt war, fand sich 20—25 cm entfernt von der ersten Stenose eine zweite 
ganz gleichartige Hier wurde die Darmplastik nach Heineke-Mikulicz vor- 
genommen. Die longitudinale Inzision der stenosierten Darmstelle zeigte, daß die 
Darmlichtung bis auf Federkieldicke verkleinert war; die Schleimhaut erschien 
atrophisch, aber nicht geschwürig, die Muskelhaut war sklerosiert und die Serosa 
war vom Fettgewebe durchsetzt. — Nach Ausspülung und Drainage der Bauch- 


1040 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 


höhle wurde die Operation beendet. Pat. starb nach 20 Stunden. Eine Autopsie 
konnte nicht stattfinden. G. läßt unentschieden, ob es sich um eine primäre Er- 
krankung handelte, oder ob die Fettwucherung sekundär nach Ablauf vielleicht 
eines tuberkulös - ulzerösen Prozesses zustande kam. Gegen letztere Annahme 
sprach das Fehlen jeglicher anderer Krankheitssymptome. 

Stein (Wiesbaden). 


31) M. Smith. Thrombosis of mesenteric vessels. 
(Bristol med.-chir. journ. 1906. Juni.) 

Der betreffende Pat. erkrankte plötzlich mit allgemeinen Krankheitserschei- 
nungen und Leibschmerzen. Die Symptome nahmen zunächst 2 Wochen lang 
einen subakuten Verlauf, dann Zunahme der Schmerzen. Die Laparotomie ergab, 
daß der Dünndarm in 3 Fuß Länge dunkelrot verfärbt, jedoch nicht ödematös 
war. Der Versuch, den Darm zu resezieren, wurde nicht gemacht. Tod nach 
einer Woche. Die Sektion zeigte, daß die Arteria mesenterica superior und die 
Venen in ganzer Ausdehnung thrombosiert waren. Sonstige Veränderungen konn- 
ten weder am Herzen und an den Lungen, noch an den Arterien festgestellt wer- 
den. Eine Embolie lag demnach wahrscheinlich nicht vor. 

Mohr (Bielefeld). 


32) Chavannazy (Bordeaux). Traitement chirurgical des fistules gastro- 
coliques. 
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXII. p. 147.) 


C. fand bei der Operation eines 3ljährigen Mannes, der seit 11/, Jahren an 
Erbrechen, Verstopfung und Abmagerung gelitten und seit 1 Monat jeden 3. bis 
4. Tag reichlich schwarze kotige Massen erbrochen hatte, eine hühnereigroße Ge- 
schwulst nach links von der Mitte am Querkolon, die mit dem Magen fest ver- 
wachsen war und an der, wie die Autopsie später zeigte, eine für einen Finger 
gut durchgängige Kommunikationsöffnung zwischen Darm und Magen bestand; 
das Colon descendens war kollabiert, das Colon ascendens von normaler Weite. 
Da eine radikale Entfernung der Geschwulst unmöglich war, legte C. nur eine 
breite Anastomose zwischen Colon ascendens und descendens an. Erbrechen be- 
stand danach, wenn auch etwas spärlicher, fort, setzte aber nach Magenspülungen 
oft mehrere Tage lang aus. Obwohl die Bauchdecken in drei Etagen und noch 
überdies mit drei durchgreifenden Silberdrähten genäht waren, trat. trotz Fehlens 
von Fieber und entzündlichen Erscheinungen an der Wunde, 11 Tage nach der 
Operation spontan ein Dünndarmvorfall ein; sofortige Reposition; Tod nach 
4 Tagen. — C. hat in der Literatur nur 8 Fälle von Magen-Kolonfisteln beschrieben 
gefunden; er stellt die verschiedenen dabei aufgeführten Operationsmethoden zu- 
sammen und kommt zu dem Schluß, daß die Art des chirurgischen Eingriffes ab- 
hängig zu machen sei von dem Allgemeinzustande des Kranken und der Natur 
des Grundleidens. Bei sehr heruntergekommenen Kranken hält er nur die Jejuno- 
stomie unter lokaler Anästhesie für berechtigt. der nach Hebung ‘des Allgemein- 
zustandes eine zweite Operation folgen könne. Von der Exstirpation der Fistel mit 
folgender Naht des Magens und Kolons oder der Ausschaltung des dem Magen 
anhattenden Kolonteiles und folgender zirkulärer Darmnaht am Colon transversum 
erwartet er dauernde Erfolge nur dann, wenn nicht, wie in der Mehrzahl der 
beobachteten Fälle, Karzinome, sondern geschwürige Prozesse die Ursache für die 
Entstehung der Magen-Kolonfisteln waren; in einem Falle soll einfache Kolo- 
Kolostomie ein gutes Resultat geliefert haben. Thümer (Chemnitz). 


33) J. Petermann. Über Mastdarmkrebs. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXX. Hft. 1.) 


Die Arbeit enthält einen Bericht über die von Rotter vorgenommenen radi- 
kalen Mastdarmoperationen wegen Karzinom. Bei ca. 71% der beobachteten Fälle 
war ein radikaler Eingriff möglich. Die große Zahl inoperabler Fälle ist dadurch 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 1041 


bedingt, daß ein Teil von ihnen lange Zeit nicht von den behandelnden Ärzten 
durch den After untersucht worden war, bei einem anderen Teile die ersten Er- 
scheinungen überhaupt sehr spät auftraten, wenn an eine radikale Entfernung der 
Geschwulst nicht mehr zu denken war. Atiologisch ist zu bemerken, daß häufig 
das Karzinom auf Basis gutartiger Polypen entsteht. 

Bei der Auswahl der Fälle bilden Verwachsungen mit den Nachbarorganen 
im allgemeinen keine Kontraindikation für den Eingriff. Die primäre Kolostomie 
wurde nur bei starken Stenoseerscheinungen angelegt. In den letzten Jahren 
wurde der Mastdarm stets auf dorsalem Wege mit Steißbeinresektion freigelegt. 
Wenn möglich wurde der Sphinkter geschont; doch mußte die Geschwulst dann 
mindestens 3—4 cm oberhalb desselben sitzen. 

Verf. kann sich Witzel nicht anschließen, der prinzipiell die Amputation 
auch bei hochsitzendem Karzinom ausgeführt wissen will. Fast immer wird bei 
der Operation die Peritonealhöhle eröffnet, da man sonst selten den Darm 2 bis 
3 Querfinger von der Neubildung entfernt durchschneiden kann. Bei der Amputation 
wird in allen Fällen ein Anus glutaealis subcutaners angelegt, d.h. das Darmende 
durch einen seitlichen Schlitz der Glutäalhaut der linken Seite durchgezogen und 
die Lichtung ringsherum mit der Hautwunde vernäht. Bei der Resektion ist die 
Darmversorgung schwieriger. Wenn es möglich war, wurde die Durchziehungs- 
oder Invaginationsmethode angewandt, in den übrigen Fällen zirkuläre Naht mit 
Deckung der Rückseite des Darmes durch den Rotter’schen Lappen. In Fällen, 
wo die Ernährung des zentralen Darmendes zweifelhaft erschien oder aus anderen 
Gründen die Operation rasch beendet werden mußte, wurde auf die primäre Naht 
verzichtet und erst in 2—3 Wochen die Vereinigung vorgenommen. Von den 
Pat., welche die Operation überlebten, blieben 41% dauernd geheilt, doch be- 
rechnet man die Zahl der Dauerheilungen auf die sämtlichen Operierten einschließ- 
lich der letalen Fälle, so beträgt diese Zahl nur 28%. 

E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


34) O. Lederer. Uber die Dauerresultate der v. Langenbeck’schen 
Hämorrhoidenoperation. 
(Wiener klin. Rundschau 1906. Nr. 29.) 


Verf. tritt lebhaft für die in der Überschrift genannte Methode der Entfernung 
der Hämorrhoiden ein und weist die dagegen erhobenen Einwände zurück; er be- 
tont besonders in überzeugender Weise die Vorteile gegenüber den blutigen Ope- 
rationsmethoden. Er hat sich der Mühe unterzogen, das Material von 8 Jahren 
(115 Fälle) zu diesem Zwecke nachzuprüfen und kommt dabei zu folgendem Er- 
gebnis: 90% geheilt, 6,7% gebessert, 3,3% ungeheilt. Schmieden (Bonn). 


35) A. Stieda. Beitrag zur Chirurgie der Gallenwege. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVII. Hft. 3.) 


Die umfangreiche statistisch-kritische Arbeit bezieht sich auf 140 an 131 Pat. 
von Garr& von 1895—1905 an den Gallenwegen vorgenommene Operationen. Diese 
sind: Cystotomien 20; Resektionen der Gallenblase 2; Cystorhaphien 3; Cystosto- 
mien 22 (4 ohne nachweisbare Steinbildung, 1 bei Karzinom); Cysticotomien 4; 
Cystolysen 5 (1 bei Lithiasis); Abszeßinzisionen 4; Cystektomien 28 (darunter 4 
wegen Karzinom, 1 wegen Adbäsionen ohne Steine); Choledocho- bezw. Hepatico- 
tomien 36 (darunter 2 bei Echinokokken, 1 bei Narbenstenose); Hepaticusdraina- 
gen 5 (1 bei Karzinom der Gallengänge); Anastomosen 6 (1 Cysticoduodenostomie, 
1 Hepaticoduodenostomie, 1 Choledochoduodenostomie, 2 Cholecystenterostomien) ; 
Hepaticusnaht 1; Probeinzisionen 4. Auf Einzelheiten der umfassenden Arbeit 
einzugehen, verbietet der enge Rahmen eines Referates; doch ist die Lektüre des 
Originals mit seinen zahlreichen, beachtenswerten Erfahrungen sehr zu empfehlen, 
da sie einen Überblick auch über manche nicht überall geübte Operationsverfah- 
ren gibt. 

Als Resultat der Arbeit ergibt sich: 


1042 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 


Bei den Operationen am Reservoirsystem der Gallenblase sind bei positivem 
Steinbefunde je nach dem Inhalte der Gallenblase und dem anatomischen Ver- 
halten von Gallenblase und Cysticus die ideale Cystotomie oder die Cystektomie 
indiziert. — Die Cystostomie ist mehr oder weniger als eine Kompromißoperation 
anzusehen; sie tritt für die Cystotomie ein, falls man die Gallenblase erhalten will, 
aber nicht sicher ist, alle Steine entfernt zu haben, also besonders bei sehr zahl- 
reichen Steinen. Sie ist an die Stelle der Radikaloperation zu setzen, falls sich 
die Ektomie wegen schwieriger technischer Verhältnisse und eines schlechten All- 
gemeinzustandes des Pat. verbietet. — Bei den Operationen am Hauptausführungs- 
gange hat auch die Eröffnung mit anschließender Naht ihre Berechtigung. — In 
allen Fällen ohne Steinbildung ist möglichst radikal vorzugehen. — Hinsichtlich 
der allgemeinen Indikationsstellung ist ein Operieren im Anfalle zugunsten der 
nicht drainierenden Methoden wenn möglich zu vermeiden. — Bei den Karzinomen 
der Gallenblase hat die Palliativektomie (analog dem Magenkarzinom) unter Um- 
ständen ihre Berechtigung. — Die seltenen Karzinome im Bereiche des Haupt- 
ausführungsganges würden für eine radikale Heilung günstige Chancen bieten. 

Reich (Tübingen). 


36) Rogers and Wilson. Two cases of amoebic abscess of liver 
cured by aspiration and injection of quinine into the cavity without 
drainage. 

(Brit. med. journ. 1906. Juni 16.) 


Vor 4 Jahren wies R. nach, daß die in der Wand von Leberabszessen in 
Massen lebenden Amöben sicher und sehr schnell durch schwache Chininlösungen 
getötet werden, und schlug zur Behandlung solcher Abszesse in der Leber vor 
den Eiter durch Punktion zu entleeren und eine Chininlösung in die Abszeßhöhle 
einzuspritzen, da außer den Amöben sich fast nie andere Keime in den Abszessen 
befinden. Nach mehreren ergebnislosen Versuchen solcher Behandlung an Fällen 
von zufälliger Mischinfektion ist Verf. jetzt in der Lage, über zwei auffallende 
Erfolge zu berichten. Ein sehr akut entstandener Leberabszeß durch Amöben- 
infektion, dessen Diagnose durch eine Hyperleukocytose und durch die mit Röntgen- 
strahlen nachweisbare Aufhebung der Verschieblichkeit der rechten Zwerchfell- 
kuppel bestätigt ward, wurde zwischen 8. und 9. Rippe etwas nach außen von der 
rechten Mammillarlinie punktiert und mit einer Lösung von Chininum muriaticum 
ausgefüllt. Heilung in 3 Wochen und nach 7!/, Monaten noch festgestellt. 

Ein chronisch entstandener Abszeß nach mehrfachen Hepatitiden wurde in 
gleicher Weise diagnostiziert und behandelt. Heilung ebenso schnell und dauernd. 

Weber (Dresden). 


37) Chaput. Guérison des kystes hydatiques par linjection de quel- 
ques gouttes de formol concentré. 
(Bull. et mém. de la soc de chir. de Paris T. XXXII. p. 179.) 


C. gibt die Krankengeschichten von sechs Fällen, in denen er durch Injektion 
von reinem Formol in Echinokokkencysten Heilung erzielt hatte; mit einer Pravaz- 
spritze punktiert er die Blasen, aspiriert 1—2 ccm der Flüssigkeit, um sicher zu 
sein, daß die Nadel sich innerhalb der Cyste befindet und um die Wand der letz- 
teren etwas zu entspannen, und injiziert dann 1—2 ccm 40xige Formollösung. Bei 
Laparotomien zieht er, um Infektion der Bauchhöhle zu vermeiden, die Punktions- 
spritze erst zurück, nachdem an einer benachbarten Stelle mit einer zweiten Spritze 
das Formol injiziert war und 1—2 Minuten auf den Cysteninhalt eingewirkt hatte. 
Beim Zurückziehen umgibt er die Nadel mit einer formolgetränkten Kompresse; 
nach 1—2 Tagen konnten die so behandelten Pat. wieder umhergehen. 

Potherat tritt C.'s Auffassung entgegen, daß das Verfahren vollkommen neu 
sei und stellt fest, daß in gleicher Weise Baccelli, wenn auch mit 10/wigem 
Sublimat statt mit Formol, Echinokokkencysten behandelt habe. Quénu hilt 
C.’s Beobachtungen nicht für genügend lang, da noch nach 2—3 Jahren sekundäre 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 1043 


Echinokokkusblasen auftreten könnten. Weiterhin kommt Quénu anf die Frage 
der Behandlung vereiterter Echinokokkuscysten zuriick und betont, daß er keines- 
wegs fiir alle Falle die Naht der Wundtasche empfehlen wolle, sondern nur dann 
von breiter Spaltung und Offenhaltung der Höhle abraten zu können glaube, wenn 
bei gutem Allgemeinzustande der Pat. das Fehlen von Fieber und Schmerzen die 
Annahme rechtfertige, daß der Eiter steril sei, oder kulturell der Nachweis dessen 
geführt sei; er rät aber dann, die Nahtlinie der Leber an das parietale Bauchfell 
anzuheften und ein Drainrohr in die Wunde einzulegen. In zwei Fällen, deren 
Krankengeschichte er kurz angibt, erzielte er so Heilung per primam. 
Thümer (Chemnitz). 


38) W. Kopfstein (Jungbunzlau). Cystis pancreatica. 
(Wiener klin. Rundschau 1906. Nr. 12.) 


Es handelte sich in dem interessanten Fall um eine echte traumatische 
Pankreascyste, deren Ursache, Schlag mit einer Wagendeichsel, 12 Wochen zurück- 
lag. Es folgte schwere Kachexie mit Erbrechen, zuletzt ileusartige Symptome, die 
den Eingriff in extremis notwendig machten. Die 12 Liter Flüssigkeit haltige Cyste 
wurde eingenäht; an Exstirpation war nicht zu denken. (Langsame völlige Heilung.) 
Zwei Bilder veranschaulichen die Lage der Cyste in der Bursa omentalis. 

Den zweiten Teil der interessanten Mitteilung bilden diagnostische und thera- 
peutische Besprechungen über die Cysten des Pankreas. Schmieden (Bonn). 


39) R. dos Santos. Feridas e rupturas traumaticas do pancreas. 
(Polytechnia 1906. Nr. 4.) 


Unter den 73 Fällen von Pankreasverletzungen, die S. aus der Literatur zu- 
sammengestellt hat, handelte es sich nur in 12 Fällen um isolierte Drüsenverletzung 
(Schußwunden); in den übrigen Fällen waren gleichzeitig benachbarte Organe durch 
die Gewalteinwirkung betroffen worden. Zur Blutstillung empfiehlt S. die Unter- 
bindung, zur Ableitung des Pankreassaftes die Tamponade. Indikation zur Resek- 
tion des abgerissenen Schwanzteiles der Drüse ist nicht die Mitbeteiligung des 
Ductus Wirsungianus, sondern die Gefahr einer mangelhaften Blutversorgung des 
abgetrennten Drüsenstückes. Zur schonenden Vereinigung der Drüsenwunde ver- 
wendet S. nach dem Vorschlage von Ceccherelli feine Darmnadeln. Bei Katzen, 
denen S. 1—2 cm lange Stücke aus dem mittleren Teile des Pankreas resezierte, 
heilten die genähten Schnittflächen des Drüsenkörpers ohne Komplikation. 

Bevenstorf (Hamburg). 


40) F. Müller. Über Gefäßgeräusche in der rechten Hälfte des Epi- 
gastriums. Kasuistischer Beitrag zur Diagnose der Tumoren des 
oberen Bauchraumes. 

(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVI. Hit. 3.) 

Bei drei Fällen von Geschwülsten, welche, in der Gegend des Leberhilus 
sitzend, zu einer Kompression der großen Gefäße geführt hatten, war in der 
rechten Hälfte des Epigastrium ein Gefäßgeräusch von etwas wechselndem Cha- 
rakter nachweisbar. Dieses bisher wenig beobachtete Phänomen kann, besonders 
bei einem sonst unklaren Symptomenbilde, die Diagnose einer Geschwulst in der 
Gegend des Leberhilus ermöglichen. Beich (Tübingen). 


41) Vance. Solid tumors of the mesentery with report of a case. 
(Annals of surgery 1906. Nr. 3.) 


42) Porter. Chylus cyst of the mesentery. 


(Ibid.) 
V., der einen Fall von fester Gekrösgeschwulst mit unglücklichem Ausgang 
operierte, vermochte aus der Literatur 27 Fälle zu sammeln; 9 von ihnen waren 
Fibrome, 7 Sarkome, 2 Myxome, 2 Lipome und die übrigen je imal eine der an- 


1044 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 


deren Geschwulstarten, Karzinome, Lymphangiome usw. Durch Operation geheilt 
wurden 16, es führten zum Tode 11 (40%). Die Ursachen der Entstehung konnten 
meist nicht angegeben werden, Trauma wurde zuweilen beschuldigt. Diese festen 
Geschwülste sitzen gewöhnlich zwischen den Falten des Dünndarmgekröses, meistens 
werden sie mit der Zeit bösartig. Eine Diagnose ist vor der Eröffnung der Bauch- 
höhle kaum mit Sicherheit zu stellen, namentlich sind Verwechslungen mit Eier- 
stockscysten häufig. Alle Gekrösgeschwülste bedürfen möglichst frühzeitiger Ope- 
ration. 


P. operierte wegen einer Chyluscyste des Mesenteriums eine 22jährige Pat., 
die am 6. Tage nach der Operation starb. Nach den aus der Literatur gesam- 
melten Erfahrungen können diese zwischen den Gekrösfalten gelegenen Cysten ent- 
stehen: 1) aus erweiterten, 2) aus infolge Traumas geplatzten Chylusgefäßen, 3) aus 
Lymphdrüsen. Sie sind uni- oder multilokulär und innen mit Endothel ausge- 
kleidet, letzteres mit Ausnahme der durch Platzen eines Chylusgefäßes entstandenen 
Cysten. Die Diagnose ist sehr schwer. Die Symptome bestehen in Bauch- 
schmerzen und Darmverstopfung, die sich bis zum Deus steigern kann. Die Art 
der Operation richtet sich nach den gegebenen Verhältnissen. Gestielte Cysten 
werden exstirpiert, in einigen Fällen kann die Enukleation ausgeführt werden, in 
einer dritten Reihe von Fällen endlich muß man sich mit Spaltung und Naht des 
Sackes ans Peritoneum parietale begnügen. Die Furcht, daß eine Chylusfistel 
zurückbleibt, ist unbegründet. Herhold (Altona). 


43) Bate. A case of peri-urethral abscess with the formation of 
calculi. 
(Brit. med. journ. 1906. Juli 21.) 


In einem chroniseh entstandenen Abszeß an der unteren Seite der Peniswurzel, 
der sich an Stelle einer seit 6 Jahren geschlossenen Fistel langsam gebildet hatte, 
fand man bei der Öffnung im Eiter 14 facettierte Steine. Keine Verbindung mit 
der Harnröhre nachweisbar, keine Striktur. Die Steine bestanden aus oxalsaurem 
Kalk. Weber (Dresden). 


44) W. Thomson. A further series of enucleations of the prostate. 
(Brit. med. journ. 1906. Juli 14.) 


An der Hand von 18 neuen Fällen von Aushülsung der hypertrophischen 
Prostata im Alter von 54—76 Jahren empfiehlt Verf. wiederum den suprapubischen 
Weg als den besten. Die Erfolge waren vorzüglich: die Blase wurde ohne 
Schwierigkeit entleert, die im Blasenanteile zerrissene Harnröhre gab keinen Anlaß 
zur Störung, die normale Harnentleerung wurde vollständig hergestellt. 

Zuweilen, besonders bei Schwierigkeiten, infolge zu engen Drains die Blase 
gründlich während der Nachbehandlung zu reinigen, verursachen Phosphatsteine 
und flächenhafte Inkrustationen Störungen nach der Operation. Es muß durch 
großes, weites Rohr Sorge getragen werden für regelmäßige Fortschaffung von Se- 
dimenten durch Spülungen mit Borwasser, und zwar sowohl vom Katheter wie 
vom suprapubischen Drain aus. Ableitung des Urins geschieht durch Heberdrai- 
nage mit rechtwinklig gebogenem Glasrohre. — Die Infektion des prävesikalen 
Raumes vermeidet Verf. meist durch Befestigung der Blasenwundränder an die 
Recti. Große Vorsicht ist beim Ausschälen der Prostata vonnöten zur Vermeidung 
einer Mastdarmverletzung. Die Beckenhochlagerung ist bei alten Leuten zu ver- 
meiden wegen der Beengung von Herz und Lunge. Zur Verhütung schwerer Blu- 
tung wird 2 Tage lang vor dem Eingriff Chlorkalzium gegeben. — Von den 18 Ope- 
rierten starb einer an Atherbronchitis, einer an Peritonitis, einer an Beckenphleg- 
mone, einer an Sepsis, einer nach 1/4 Jahr an Lungengangrän. Mit Abzug des 
letzten Todesfalles finden wir also eine Sterblichkeit von vier auf 18 Operierte. 

Weber (Dresden). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 1045 


45) Thelemann. Kasuistischer Beitrag zur intraperitonealen Pfählungs- 
verletzung der Blase. 
(Deutsche militärärztliche Zeitschrift 1906. Mai.) 

Ein 9 Jahre alter Knabe fiel mit dem Gesäß aus relativ niederer Höhe auf 
einen spitzen Kalkstein. Am anderen Morgen hart gespannte Bauchdecken, leichtes 
Fieber, Loch in der vorderen Mastdarmwand; Urin war seit der Verletzung nicht 
mehr abgeflossen. Durch das Mastdarmloch wurde eine Kornzange nach oben 
eingeführt, wonach sich Urin entleerte und eine links von der Blase vorher vor- 
handene Dämpfung verschwand. 

Statt der sonst üblichen Laparotomie machte Verf. die Sectio alta und nähte 
den an der hinteren Blasenwand sitzenden Riß schichtweise (Schleimhaut mit Cat- 
gut), hierauf die vordere Operationswunde der Blase. Tamponade der hinteren 
Blasengegend durch den After. Günstiger Heilungsverlauf; auch der Mastdarmriß 
heilte ohne Naht. Herhold (Altona). 


46) Böhme. Ein Fall von Gonorrhöe und Bilharziaerkrankung (Kap- 
Hämaturie). 
(Zentralblatt für die Krankheiten der Harn- und Sexualorgane Bd. XVII. Hft. 4.) 


Kasuistischer Beitrag. Ein 19jähriger junger Mann, der seit seinem 14. Le- 
bensjahre an Bilharziose erkrankt ist, erwirbt eine Gonorrhöe. Durch Gebrauch 
von Gonosan und mehrere Janet-Spülungen verschwinden die Symptome beider 
Erkrankungen und haben sich laut brieflicher Mitteilung des Pat. 1/3 Jahr später 
auch noch nicht wieder gezeigt. 

Den bisher günstigen Verlauf des Falles erklärt sich Verf. durch die seit 
Jahren fehlende Möglichkeit einer Reinfektion mit Bilharziose. (Of. Referat dieses 
Blattes 1906 p. 294.) 

Zur Morphologie der Bilharziaeier bemerkt Verf, daß er durch Zusatz von 
1/io Volumen einer 10xigen Formalinlösung (Formaldehyd. solut. Ph. G. IV 
1:10 Aqua) zum Harn die Eier 3 Monate lang halten konnte, ohne daß sie platzten. 
Während dieser Zeit war eine Vergrößerung im Querdurchmesser der ovalen 
Körper zu konstatieren. Magensack des im Ei liegenden Embryo und die als 
Drüsen aufzufassenden zwei kugelförmigen Gebilde treten durch dieses Konser- 
vierungsverfahren deutlich hervor. Grunert (Dresden). 


47) R. Parker. Large calculus of ureter, removed by suprapubic 
cystotomy. 
(Brit. med. journ. 1906. Juli 21.) 


Ein 49jähriger Mann, ohne irgendwelche Harnbeschwerden, wird wegen einer 
walnußgroßen, harten Geschwulst, vom Mastdarm aus fühlbar, laparotomiert. 
Durchleuchtung hatte einen dichten, ovalen Schatten über der Symphyse ergeben. 
Da der Stein allem Anscheine nach im Harnleiter ganz dicht an der Blasenmün- 
dung lag, hoher, querer Blasenschnitt von neuer Inzision aus und Entfernung des 
harten, unebenen, 3,8:3,1:2,5 cm großen Steines aus dem Endteile des rechten 
Harnleiters transvesikal. Das Wesentliche des Falles ist die Größe des Steines, 
die Methode seiner Entfernung, das Fehlen von Symptomen des Harnleiter- 
verschlusses. Der Harnleiterkatheterismus, der wohl die Diagnose ermöglicht 
hatte, ist anscheinend nicht gemacht worden. Weber (Dresden). 


48) Kelly. Two cases of stricture of the ureter; two cases of hydro- 
nephrotic renal pelvis successfully treated by plication. 
(Bulletin of the Johns Hopkins hospital 1906. Juni.) 

Im ersten Falle handelte es sich bei einer älteren Frau um eine Striktur am 
Blasenende des rechten Harnleiters. Cystoskopisch konnte man beobachten, wie 
allmählich eine hier lose in die Blase hineinhängende Geschwulst an Größe zu- 
nahm, durchscheinend wurde und schließlich nach Entleerung einer größeren Harn- 


1046 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 


menge in die Blase wieder kollabierte. K. gelang es, eine Branche einer besonders 
konstruierten langen, feinen Zange in die Harnleitermündung einzuführen und die 
Cyste im Momente der Füllung längs zu spalten; die Pat. genas vollständig, was 
durch cystoskopische Untersuchung bestätigt wurde. 

In einem anderen Falle bestand bei einem 42 Jahre alten Mann eine Striktur 
des linken Harnleiters dicht unterhalb des dilatierten Nierenbeckens. K. inzidierte 
dieses und dehnte die Striktur mit Metallkathetern; dann Schluß der Wunde im 
Nierenbecken. Pat. ist seit 6 Jahren ganz geheilt. 

In zwei weiteren Fällen bestand bei Damen von 48 bzw. 31 Jahren eine Hydro- 
nephrose der Wanderniere. 

Im ersten Falle war die rechte Niere allein betroffen; Verf. verkleinerte das 
Nierenbecken durch Raffnähte und befestigte das Organ an der letzten Rippe mit 
Erfolg. 

Im zweiten Falle bestand die Affektion auf beiden Seiten; zugleich war leichte 
Pyelonephritis vorhanden. K. hat hier in derselben Sitzung folgende Eingriffe 
vorgenommen: Dilatation und Ausschabung des Uterus, Dammplastik, Exstirpation 
des Wurmfortsatzes, Entfernung der entzündeten Adnexe rechterseits, Verkürzung 
und Fixation der Ligg. rotunda, Raffung beider Nierenbecken und Nephropexie 
beiderseits. Der Erfolg war ein guter. W. v. Brunn (Rostock). 


49) Klose. Ein auf intravesikalem Wege durch das Operationscysto- 
skop geheilter Fall einer Harnleitercyste. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXX. Hft. 1.) 


Verf. diagnostizierte die Harnleitercyste aus dem cystoskopischen Befunde, 
dessen Bilder der Arbeit beigegeben sind. Die Cystenwand wurde mittels eines 
gefensterten Brenners kauterisiert. 4 Tage darauf wurde die verschorfte Stelle mit 
einem starken Harnleiterkatheter durchstoßen. In diese Öffnung konnte der 
Katheter leicht eingeführt und von da weiter in den Harnleiter geschoben werden, 
Der Erfolg war ein günstiger. Die Schmerzen und das Druckgefühl hörten auf 
und ebenso die Beschwerden, über die Pat. vorher beim Urinlassen geklagt hatte. 
Bei einer späteren Untersuchung zeigte sich die operativ gesetzte Öffnung in der 
Cyste erhalten, so daß jetzt zwei Öffnungen für den aus dem betreffenden Harn- 
leiter herabkommenden Urin vorhanden sind. E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


50) André. Traitement des pyélites par les lavages du bassinet. 
(Province méd. 1906. Nr. 29.) 

Die von Bozeman inaugurierte Auswaschung des Nierenbeckens hatte sich 
bis heute keiner groBen Beliebtheit zu erfreuen und blieb das Besitztum einiger 
weniger urologisch geschulter Chirurgen. Die Beobachtungen des Verf.s, welche 
sich auf sechs Pyelitiker erstrecken, ermutigen zu neuen Versuchen. In allen Fallen 
wurde Besserung, in zwei vollständige Heilung, in zwei weiteren fast der Heilung 
gleichstehende Besserung erzielt. Was die Indikationsstellung betrifft, so will 
Verf. die ganz leichten, auf Harndesinfizientien zurückgehenden Pyelitiden, wie die 
ganz schweren mit Pyonephrosen komplizierten Fälle von der Ausspülung des 
Beckens ausgeschlossen wissen. Gegenstand der Behandlung soll die aszendierte 
gonorrhoisch oder durch Colibazillen provozierte Pyelitis sein. 

A. Hofmann (Karlsruhe). 


51) Watson. A method of permanent drainage of both kidneys through 
the loin in connection with bilateral nephrostomy. 
(Annals of surgery 1906. Nr. 3.) 

Verf. hatte im Dezemberheft der Annals of surgery (ref. in d. Zentralblatt 
1906 Nr. 10) vorgeschlagen, bei ausgedehnten Blasengeschwülsten vor der Exstir- 
pation der Blase eine beiderseitige Nephrostomie anzulegen und sich nicht auf eine 
Einpflanzung der Harnleiter in den Mastdarm einzulassen. Jetzt beschreibt er 
unter Beifügung einzelner Photographien einen Fall, in welchem ein Mann mit 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 1047 


beiderseitiger Nephrostomie 11 Jahre zu leben vermochte. Zum Auffangen des 
in der Lendengegend abgesonderten Urins bedarf es eines Flaschenapparates, den 
schematisch die beifolgende Skizze erörtern mag. 








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Ein weicher Katheter A wird in die Nierenfistel eingeführt, an ihn schließt 
sich eine harte Kautschukröhre B, welche durch den Schlitz C eines Hartgummi- 
schildes D hindurchgeht und in dem Aufsatz einer Flasche J mündet. Diese 
Flasche, welche nach vorn zu eine ikonkave Fläche hat, um dem Rücken besser 
anzuliegen, wird vermittels eines durch zwei seitliche Öffnungen F des Gummi- 
schildes gehenden breiten Bandes in der Lendengegend festgehalten. Am unteren 
Rande dieses Bandes befindet sich noch ein Haken, welcher in die Ose K der 
Flasche einhakt. Herhold (Altona). 


52) T. Cohn. Heilung einer Nierenfistel nach Pyonephrotomie in der 
Schwangerschaft durch Ureterenkatheterismus. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVII. Hit. 3.) 


Bei einer früher gesunden Frau entstand im 3. Monate der ersten Schwanger- 
schaft (also ungewöhnlich früh) eine rechtsseitige Pyelitis, welche durch Nephro- 
tomie entleert wurde. An den operativen Verschluß der Nierenfistel konnte erst 
gegangen werden, nachdem der seit 51/a Monaten bestehende Harnleiterverschluß 
durch Katheterismus hatte beseitigt werden können. Der Verschluß der Fistel 
war alsdann von dauerndem Erfolg, und 2 Jahre nach der Operation entleerten 
beide Harnleiter normalen Urin. 

Bei der an sich schon relativ günstigen Prognose der Schwangerschaftspyelitis 
ist ein Versuch mit konservativer Behandlung und Harnleiterspülungen angezeigt. 
Führen diese nicht zum Ziel, oder ist der Fall besonders schwer, so ist die Nephro- 
tomie angezeigt, zumal da auch bei großen Eitersäcken das erhalten gebliebene 
Parenchym häufig zu normaler Funktion zurückkehrt. Die zurückbleibende Nieren- 
fistel wird seltener eine Indikation zur Nephrektomie oder zu eingreifenden plasti- 
schen Operationen abgehen, seitdem sich der Harnleiterkatheterismus als ein Mittel 
erwiesen hat, die Unwegsamkeit des Harnleiters in vielen Fällen dauernd zu be- 
seitigen. Reich (Tiibingen). 


1048 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 


53) Bogoljuboff. Zur Chirurgie der Nebennierengeschwiilste. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXX. Hft. 1.) 


Verf. veröffentlicht die Krankengeschichte einer Pat., die wegen einer Bauch- 
geschwulst operiert wurde. Bei dem Eingriffe wurde die retroperitoneal gelegene 
Geschwulst mit der Niere exstirpiert. Die mikroskopische Untersuchung erwies, 
daß es sich um ein Adenoma suprarenale enchondromatodes handelte. Zurzeit, 
7 Jahre nach der Operation, ist Pat. völlig gesund. B. stellt im Anschluß an 
seine Beobachtung die bisherige Literatur über operative Eingriffe an der Neben- 
niere zusammen. Von 35 Patienten, bei denen die Exstirpation der Nebennieren- 
geschwülste ausgeführt worden war, starben 20. 

E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


54) A. Lapointe. Tumeur maligne de la capsule surrenale. 
(Bull. et mém. de la soc. anat. de Paris 1905. November.) 


Bei einem 19monatigen Kinde, bei welchem die Zeichen einer Nierenerkrankung 
fehlten, wurde eine linksseitige, mit dem Zwerchfelle verwachsene Neubildung ent- 
fernt. Die Aorta abdominis war dabei verletzt und unterbunden worden. Tod 
nach 2 Stunden. Die von der Geschwulst umhüllte Niere stand in keiner Ver- 
bindung mit derselben. 

Histologisch war es eine alveoläre Geschwulst; ob die Geschwulstzellen jedoch 
epithelialer oder bindegewebiger Natur waren, ließ sich nicht entscheiden. Die 
Drüsenmetastasen hatten denselben Bau. Neugebauer (Mährisch-Ostrau). 


55) Sellei. Über Spermatokele. 
(Zentralblatt für die Krankheiten der Harn- und Sexualorgane Bd. XVII. Hft. 4.) 


Drei Fälle von Spermatokele, von denen zwei operiert, der dritte punktiert 
. wurden, und bei denen allen Spermatozoen gefunden wurden. Verf. will die De- 
finition, daß man unter Spermatokele eine cystische Neubildung verstehe, welche 
mit dem Hoden resp. Nebenhoden zusammenhängt und mit einer Sperma enthal- 
tenden Flüssigkeit gefüllt ist, dahin abgeändert haben, daß die Spermatokele in 
erster Reihe als eine cystische Neubildung des Nebenhodens betrachtet werden 
muß. Seine Fälle sprechen dafür. Grunert (Dresden). 


56) Bland-Sutton. A clinical lecture on secondary (metastatic) carci- 
noma of the ovaries. 
(Brit. med. journ. 1906. Mai 26.) 


Bereits vor 20 Jahren äußerte Verf. den Verdacht, eine große Anzahl doppel- 
seitiger Ovarialkarzinome könnten Metastasen einer unentdeckten Neubildung in 
Magen oder Brustdrüse sein. Neueste Beobachtungen im Sektionshause lehren, daß 
Brustdrüsen- und Magenkrebse in 10% der Fälle Metastasen in den Eierstöcken 
machen. Diese Beobachtung erhärtet Verf. durch drei operierte Fälle, in denen 
gleichzeitig oder bald nach der Entfernung großer doppelseitiger Ovarialkarzinome 
Erscheinungen eines Krebses in der Brustdrüse und im Kolon auftraten. Solche 
Fälle lehren, daß der Operateur bei doppelseitigen bösartigen Eierstocksgeschwülsten 
sorgfältig Darm und Magen auf die Primärgeschwulst untersuchen muß. Verf. 
erklärt sich das Befallensein der Ovarien durch eine Art von Krebsdissemination, 
durch Loslésung von Zellen der primären Geschwulst, die allmählich, der Schwere 
und dem peritonealen Saftstrome folgend, in die Beckengegenden gelangen. (?) 

Weber (Dresden). 





Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man 
an Prof. B. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- 
handlung Breitkopf & Härtel, einsenden. 













Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig, Nürnbergerstraße 36/38. 


Zentralblatt 
CHIRURGIE 


herausgegeben 
E. von Bergmam, F. König, E. Richter, 





Dreiunddreißigster Jahrgang. 





Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei halbjähriger 
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten. 


Nr. 39. Sonnabend, den 29. September. 1906. 


Inhalt: 1) Leser, Spezielle Ohirurgie. — 2) Mouchet, Cathelin, Iselin, Devralgne, Del- 
herm, Klinisch-therapeutisches Handbuch. — 3) Loeb, Geschwulstwachstam. — 4) u. 5) Fran- 
genheim, Lokalisation der tierischen Parasiten. — 6) Crile und Dolley, Chirurgische Blut- 
verluste. — 7) Grashey, Fremdkörper und Röntgenstrahlen. — 8) Bruhns, Röntgenbehand- 
Jung bei Hautkrankheiten. — 9) Abbe, Radiumwirkung. — 10) Mestral, Händedesinfektion. 
— 11) v. Herff, Catgutsterilisation. — 12) Cred6, Prophylaktische Antisepsis, — 13) Cum- 
mins und Stout, Adrenalin. — 14) Müller, Stovain. — 15) Bier, 16) Dönitz, Rückenmarks- 
anästhesie. — 17) Thelihaber, 18) v. Stubenrauch, Verminderung der Infektionsmöglichkeit 
bei Operationen in der Bauchhöhle. — 19) Aiquier, Interkostaler Bauchbruch. — 20) Lacasse, 
Nabelbruch. — 21) Leven und Barret, Der Magen beim Erwachsenen und Kind. — 22) Holz- 
knecht, Röntgenoskopie des Magens. — 23) Montprofit, Gastrektomie. — 24) Fisk, Hyper- 
trophische Pylorusstenose. — 25) Terrier, Drainage der Gallenwege. 

L A. Hofmann, Zwei Modifikationen der Matratzennaht. — II. V. Manninger, Über retro- 
grade Darminkarzeration. (Original-Mitteilungen.) | 

26) Freie Vereinigung der Chirurgen Berlins. — 27) Treutleln, Kriegschirurgisches aus 
Japan. — 28) Crile und Hill, Vielfache Riesenzellensarkome. — 29) Moldovan, Angeborene 
Hautsarkome und -Fibrome. — 30) Köhler, Traumatisches Ödem. — 84) Chiarl, Urimische 
Dermatitis. — 32) Giimer und Stegmann, 33) Steln, 34) Alexander, 35) Fischer und Schou, 
Röntgenologisches. — 36) Deetz, 37) Becker, 38) König, 39) Landow, 40) Roeder, Rücken- 
marksanästhesie. — 41) Kuhn, 42) Grube, 43) Uffenrode, Hyperämiebehandlung. 


enteo 











1) E. Leser. Die spezielle Chirurgie in 60 Vorlesungen. 
7. Aufl. 
Jena, Gustav Fischer, 1906. 

Das Erscheinen einer 7. Auflage muß an sich als Empfehlung 
gelten. Durch sein vortrefflich angelegtes Register (vgl. die einzelnen 
Rubriken, z. B. Atiologie, Behandlung, Prognose, Symptome usw.) 
wird das Werk zu einem handlichen Ratgeber für den Praktiker. 

Sehr zu bedauern ist, daß noch zahlreiche ganz »undeutliche« 
Réntgenbilder sich vorfinden, wie z. B. p. 663 und 777. 

V. E. Mortens (Breslau). 


39 


1050 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 


2) Manuel de clinique et de thérapeutique spéciales. Deuxieme 
série. 1) Chirurgie orthopédique par Mouchet. 2) Voies 
urinaires par Cathelin. 3) Gynécologie par Iselin. 4) Ob- 
stétrique par Devraigne, Electro-radiothérapie par Del- 
| herm. 
Paris, Paulin, 1906. 

1) Nicht ein ausführliches Handbuch der orthopädischen Chirurgie, 
sondern lediglich ein möglichst kurzer und klarer Uberblick über das 
für den Praktiker notwendige Wissenswerte soll der erste Teil sein. 
Wer sich ausführlich orientieren will, ist auf die Monographien von 
Berger, Kirmisson usw. hingewiesen. Diese Kürze ist jedoch so 
weitgehend, daß ein Arzt, der wirklich orthopädisch behandeln will 
und sich deshalb mit Stichworten über Diagnose und Therapie nicht 
begnügen kann, gezwungen ist, andere ausführliche Bücher daneben 
zu haben. So erledigt Verf. beispielsweise die Frage der Sehnen- 
transplantation mit den Worten: Die Nikoladoni’sche Methode be- 
steht darin, auf den gelähmten Muskel einen benachbarten gesunden 
Muskel überzupflanzen. Diese Methode scheint keine guten Dauer- 
resultate zu liefern und ist deshalb von den meisten französischen 
Chirurgen verlassen. Es ließen sich ähnliche Beispiele noch mehrere 
hinzufügen. 

2) Verf. zerlegt die Chirurgie der Harnwege in zwei Teile, die 
sog. kleine und einfache Chirurgie und die großen chirurgischen Ein- 
griffe an Niere, Harnleiter, Blase und Prostata. Während für letz- 
teres Kapitel die Tätigkeit des praktischen Arztes sich darauf be- 
schränken wird, die Fälle zu beobachten und gewissermaßen diagnostisch 
für die Operation vorzubereiten, muß er die erstere praktisch beherr- 
schen. Dementsprechend überwiegt in diesem Teile die Therapie, die 
Schilderung der Symptome und Diagnose. Hier findet der Arzt alles, 
was zum Katheterismus gehört, die Desinfektion, den Akt des Kathete- 
risierens selbst in seinen einzelnen Handgriffen und schließlich die 
notwendige Nachbehandlung usw. (Dauerkatheter). Die Sondierung, 
Instillation, Cystoskopie und Harnleiterkatheterismus sind genau be- 
schrieben. Ausführlich verweilt Verf. bei der von ihm mit Albarran 
zusammen angegebenen Therapie der Enuresis nocturna bei Kindern, 
wo er die Lumbalpunktion und Injektion von Kokain empfiehlt. Die 
Methode ist daher genau beschrieben und die Erfolge besprochen. 
Schädliche Folgen sah er nie. Von kleinen Operationen sind genauer 
angegeben die Blasenpunktion und Urethrotomia interna. Den Schluß 
bildet eine tabellarische Zusammenstellung der internen und lokalen 
Mittel bei der Behandlung der Cystitis. 

3) Die Röntgenbehandlung des Karzinoms will Verf. nur auf die 
oberflächlichen Formen beschränkt wissen, während er vor der Anwen- 
dung bei tiefer sitzenden Karzinomen ausdrücklich warnt. 

Coste (Breslau). 





Zentralblatt far Chirurgie. Nr. 39. 1051 


3) Loeb. Further investigations into the growth of tumors. 
(Univ. of Pennsylvania med. bull. 1906. Juli.) 

L. transplantierte Stücke einer drüsenähnlichen, karzinomatösen 
Geschwulst der Submaxillardrüse einer japanischen Maus auf andere 
Mäuse. Im Verlaufe der Transplantationen wuchsen nun außer Ge- 
schwülsten, die der ursprünglichen ähnlich im Bau waren, auch Spin- 
delzellensarkome, obwohl in der ursprünglichen Geschwulst keine sarko- 
matösen Stellen gefunden werden konnten. Das Spindelzellensarkom 
wurde bereits in der zweiten Generation gefunden; demnach ist lange 
fortgesetzte Transplantation von Bindegewebe nicht wesentlich für die 
Entstehung eines Sarkoms. Transplantation normalen Epithels oder 
Bindegewebes durch mehrere Generationen hindurch verursachte keine 
deutliche Steigerung des Wachstums. 

Die beiden Geschwulstarten, indem sie sich Seite an Seite ent- 
wickelten, folgten denselben Wachstumsvariationen, welche in den 
verschiedenen Generationen für die Art des Wachstums charakteristisch 
waren; beide erlangten gleichmäßig im Verlaufe der Übertragungen 
eine vermehrte Virulenz. Diese Vermehrung des Wachstums beruht 
auf einer direkt stimulierenden Wirkung entweder auf die beiden ge- 
sunden Zellformen oder auf einen Mikroorganismus, welcher möglicher- 
weise die Ursache der beiden Geschwulstformen ist. In letzterem 
Falle ist anzunehmen, daß derselbe, bereits in der drüsenähnlichen 
Geschwulst vorhandene Mikroorganismus sekundär das Bindegewebe 
ergreift und ein sarkomatöses Wachstum desselben verursacht. In- 
dessen kann auch eine Umwandlung der Karzinomzellen bisher noch 
nicht sicher ausgeschlossen werden. 

Das Wachstum des Sarkoms wurde allmählich stärker als das 
der drüsenähnlichen Form, so daß im Verlaufe weiterer Übertragungen 
wahrscheinlich das Sarkom allein weiter gewuchert sein würde. 

Die vorliegenden Beobachtungen machen einen ähnlichen Ursprung 
für die sarkomatösen Strukturen, welche man in Mischgeschwülsten 
der Schilddrüse beim Menschen und bei Tieren findet, wahrscheinlich; 
in beiden Fällen scheint die drüsenähnliche Geschwulst die primäre 
. zu sein und ein sekundäres sarkomatöses Wachstum in dem umge- 
benden Bindegewebe hervorzurufen. Mohr (Bielefeld). 





4) P. Frangenheim (Altona). Die chirurgisch wichtigen 
Lokalisationen des Echinokokkus. 
(Sammlung klin. Vorträge Nr. 419/420.) 


5) Derselbe. Die chirurgisch wichtigen Lokalisationen der 
tierischen Parasiten mit Ausnahme des Echinokokkus. 
(bid. Nr. 424.) 

_ Durch Prof. Lexer veranlaßt, gibt Verf. in den Vorträgen einen 
Überblick über die chirurgisch wichtigen Lokalisationen der tierischen 
Parasiten, über die Häufigkeit des Vorkommens derselben, wobei frü- 


39* 


1052 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 


here Statistiken durch F. vervollständigt werden, über die durch die 
Parasiten in Geweben und Organen hervorgerufenen pathologisch- 
anatomischen Veränderungen, die klinischen Bilder und die Diagnose 
der verschiedenen Erkrankungen. 

Im ersten Vortrage werden so die Echinokokken der Knochen, 


der Haut und Muskulatur, Schilddrüse, Brustdrüse, Lungen und Pleura, 


des Zirkulationsapparates, der Leber, Niere, Milz, des Pankreas, 
Bauchfells, Mesenteriums und Netzes, der Beckenhöhle (Geschlechts- 
teile), der Augenhöhle, des Gesichts, des Schädelinnern und Wirbel- 
kanals geschildert. 

Der zweite Vortrag handelt von den Lokalisationen des Cysti- 
cercus (in der Haut und Muskulatur, im Auge, Gehirn und Wirbel- 
kanal, im Knochen), des Ascaris lumbricoides (Ileus, Verstopfung des 
Ductus choledochus usw.), des Oxyuris vermicularis (Appendicitis), 
Trichocephalus dispar (Appendicitis), Eustrongylus gigas (Nierenbecken- 
verstopfung usw.), der Filariaden, Distomaarten und Arthropoden. 

Jedem einzelnen Abschnitt ist ein sorgfältiges Literaturverzeichnis 
beigefügt. Die beiden Vorträge werden durch die Zusammenstellung 
all’ der durch die tierischen Parasiten veranlaßten chirurgischen Affek- 
tionen gewiß manchem willkommen sein. Kramer (Glogau). 





6) Crile and Dolley. Clinical and experimental observations 
on surgical hemorrhage. 
(Surgery, gynecol. and obstetr. Bd. II. Nr. 1.) 

Versuche an 61 Hunden ergaben etwa folgendes: Rasches Ver- 
bluten wirkt viel stärker auf den Abfall des Blutdruckes als lang- 
samer Verlust der gleichen Blutmenge. Dies hat seinen Grund teilweise 
in der schnelleren Einwirkung der Blutleere in ersterem Fall auf das 
Zirkulationszentrum. Der Zustand dieses Zentrums ist namentlich 
wichtig für die Wirkung therapeutischer Eingriffe: bei solcher Schädi- 
gung, daß es nur noch wenig reagiert, sind Stimulantien wirkungslos. 
Am leichtesten ist seine Schädigung durch Infusion von Salz- oder 
Locke’scher Lösung zu bekämpfen, und nach deren Anwendung 
wirken dann Mittel wie Strychnin wieder. Chok schädigt das Zirku- 
lationszentrum sehr stark. Die Gefäßmuskulatur ist für den Blutdruck 
wichtiger als die Herzkraft. Durch Adrenalin läßt sich bedeutende 
Blutdruckerhöhung am verblutenden Tier erzielen, sie ist aber nur 
vorübergehend, und es kann plötzliches Versagen des Herzens ein- 
treten. Bei intravenöser Kochsalzinfusion ist allmähliches Vorgehen 
nötig, da bei zu schnellem Einlaufenlassen und bei zu großer Menge 
Herzdehnung eintritt. Zu viel Salzlösung wird schnell in Form peri- 
tonealer und pleuraler Exsudate ausgeschieden. Einwicklung der Glied- 
maßen und des Rumpfes (Autotransfusion) ist sehr wirksam. Sauer- 
stoffeinatmungen können bei hochgradiger Blutleere noch lebensrettend 
wirken, weil auch der Sauerstoff das Zirkulationszentrum wieder zur 
Reaktion auf andere Reize befähigt. Zwei Fälle von schweren Blu- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 1053 


tungen beim Menschen werden mitgeteilt, bei welchen Wickelungen 
von Rumpf und Gliedmaßen lebensrettend wirkten. Bei einem der Pat. 


wurde nachher mit Erfolg die Art. anonyma unterbunden. 
Trapp (Bückeburg). 





7) R. Grashey. Fremdkörper und Réntgenstrahlen. (Aus 


der Münchener kgl. chir. Klinik.) 
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 26.) 

Der Nachweis eines Fremdkörpers hängt ab von der Dichtigkeit 
desselben, deren Verhältnis zur Dichtigkeit des betreffenden Körper- 
teiles, von seiner Gesamtdicke im Vergleich zur Gesamtdicke des von 
denselben Strahlen getroffenen Körpergewebes, von seiner Entfernung 
von der bildgebenden Fläche, von der Qualität der Röntgenstrahlen 
und des schattenzeichnenden Mediums usw. Schwierig ist es zu sagen, 
ob kein Fremdkörper vorhanden ist; leichter schon ist mit Hilfe eines 
Testkörpers auszuschließen, daß ein bestimmter Fremdkörper vorliegt. 
Metallsplitter sind in den Extremitäten wohl immer nachweisbar, selbst 
solche von !/,, mg, Glas- und Porzellansplitter von der Größe eines 
Reiskorns in der Höhe des Handgelenkes noch gut sichtbar, im Fin- 
ger auch kleinere noch aufzufinden, Steinsplitter mit wenigstens einem 
größeren Durchmesser erkennbar. Holzsplitter und Stoffteilchen sind 
nicht zu differenzieren, Gummidrains dagegen nachzuweisen. Luft- 
röhre, Bronchien und Auge sind günstig für die Untersuchung Zur 
Lokalisation des Fremdkörpers sind bestimmte Methoden notwendig, 
über die G. sehr genaue Anweisungen gibt; sie müssen in der Arbeit 
nachgelesen werden, ebenso Verf.s Ausführungen über das bei Ope- 
rationen zur Entfernung von Fremdkörpern einzuschlagende Verfahren, 
bei dem die Funktion des Operateurs und die des Röntgenologen in 
Rücksicht auf die Asepsis zu trennen sind. Selbstverständlich soll 
nicht jeder röntgenographisch nachgewiesene Fremdkörper durch 
Operation entfert werden; die Folgen des operativen Eingriffes müssen 
zu den Beschwerden, die der ‘Fremdkörper verursacht, in richtigem 
Verhältnis stehen. Kramer (Glogau). 





8) C. Bruhns. Die Indikationen der Röntgenbehandlung 
bei Hautkrankheiten. 
(Berliner klin. Wochenschrift 1906. Nr. 6.) 

Verf. faßt das Ergebnis seiner Ausführungen in folgende SchluB- 
sätze zusammen: 

Unsere heutigen Erfahrungen in der Röntgentherapie der Haut- 
krankheiten zeigen, daB wir bei einer Anzahl von Hautkrankheiten 
mit der Bestrahlung ausgezeichnete Erfolge dort erreichen, wo unsere 
bisherigen übrigen Behandlungsmethoden oft im Stich gelassen oder 
in viel langwierigerer Weise zum Ziele geführt haben. Diese guten 
Wirkungen der Röntgenbestrahlung sind besonders bei chronischem, 
trockenem Ekzem, Neurodermitis circumscripta chronica, Pruritus 


1054 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 89. 


localis, Lichen ruber verrucosus, Favus, Sycosis parasitaria und non 
parasitaria, chronischer Furunculosis nuchae, Aknekeloid, Psoriasis, 
Hyperhidrosis, multiplen Verrucae juveniles, teilweise bei bösartigen 
Geschwülsten, bei Mycosis fungoides und Rhinosklerom zu beobachten. 
Bei einigen anderen Hauterkrankungen (Lupus erythematodes u. a.) 
sehen wir manchmal, aber viel weniger regelmäßig, gute Erfolge der 
Röntgenbehandlung. 

Bei vorsichtiger Anwendung, unter Heranziehung der jetzt vor- 
handenen, zur Kontrolle dienenden Hilfsmittel kann man schädigende 
Wirkungen der Röntgenstrahlen soweit sicher vermeiden, daß diese 
Behandlungsweise auch bei relativ unbedeutenden, dafür geeigneten 
Hauterkrankungen wegen ihrer ausgezeichneten Wirkungen sehr emp- 
fohlen werden kann. Langemak (Erfurt). 





9) Abbe. Radium in surgery. 
(Journ. of the amer. med. assoc. 1906. Juli 21.) 

Seit 3 Jahren verwendet A. Radium als Heilmittel bei den ver- 
schiedensten Erkrankungen, von denen hier hauptsächlich die bösartigen 
Geschwülste aller Art, Lupus und Kropf interessieren. A. gebraucht 
verschiedene Radiumpräparate, von 300000—1800000 Aktivität. Auf 
alle Arten degenerierender Zellen wirkt das Radium kräftig ein, auch 
auf solche, welche Röntgenstrahlen widerstehen. Selbst lange be- 
stehende Geschwülste und lupöse Affektionen reagieren noch gut auf 
Radiumbestrahlung, und mehrfach hat Verf. jahrelang bestehende 
Hautkrebse zu völliger Heilung gebracht. Bei Krebsen der Schleim- 
haut hat sich Radium weniger wirksam erwiesen, öfters eher Ver- 
schlimmerung bewirkt. Dagegen wirkte es auf skirrhösen Brustkrebs 
auffällig gut, wie auch mikroskopische Untersuchung später operativ 
entfernter Geschwülste zeigte. Ganz besonders aber rühmt Verf. die 
Wirkung auf verschiedene Arten von Sarkom. Riesen- und Rund- 
zellensarkome, Angio- und Spindelzellensarkome wurden mit bestem 
und schnell eintretendem Erfolge behandelt, ebenso ein Teil später 
auftretender Metastasen; einige Pat. sind über 1 Jahr rückfallsfrei. 
Gute Erfolge hatte A. auch bei einigen Basedowkröpfen (7 Fälle). 
Einer davon zerfiel teilweise, wodurch die stark beengte Luftröhre 
frei wurde. Auch gutartige Geschwülste, z. B. Warzen, sind leicht 
zu beseitigen. In allen Fällen wurden die Narben sehr gut, zart und 
weich. Verf. faßt seine Beobachtungen folgendermaßen zusammen: 
1) Die Radiumwirkung gleicht der der Röntgenstrahlen. 2) Jedoch 
bestehen gewisse Unterschiede; manche nicht durch Röntgenstrahlen 
heilbare Affektionen werden durch Radium beseitigt. 3) Radium läßt 
sich in für Röntgenstrahlen unzugänglichen Hohlräumen anwenden. 
4) Heilend wirkt es bei Lupus und Hautkrebsen. 5) Bei 40 Fällen 
innerer Krebse versagte es. 6) Bei einer Anzahl anderer chirurgi- 
scher Erkrankungen verspricht es ebenfalls Erfolge. 

Trapp (Bückeburg). 





Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 1055 


10) Mestral. Contribution à Tétude de la désinfection des 
mains. 
(Arch. prov. de chir. 1906. Nr. 6.) 

M. hat eine große Reihe von Versuchen mit den verschiedensten 
üblichen Desinfektionsmitteln zur Händedesinfektion — Alkohol, Ather, 
Seifenspiritus, Ammoniak, Lysol, Sublimat, Sublamin und übermangan- 
saures Kalium — teils allein, teils untereinander kombiniert, nach 
dem Vorgehen von Hägler angestellt und ist der Hauptsache nach 
zu folgenden Schlüssen gekommen: Eine absolute Sterilisation der 
Hände ist mit keinem Mittel — weder allein, noch mit anderen kom- 
biniert — zu erreichen. Als beste Desinficientia haben sich 70. iger 
Alkohol und Sublimat bewährt; letzteres übertrifft zweifellos das von 
einigen Seiten sehr empfohlene Sublamin. Gummihandschuhe will M. 
am besten nur bei septischen Operationen angewendet wissen; sollen 
sie auch bei aseptischen gebraucht werden, so rät er, zum Schutz 
gegen Einreißen u. dgl. Zwirnhandschuhe darüber zu ziehen. Doch 
meint er, daB hierdurch das feine Gefühl der Finger zu sehr beein- 
trächtigt wird, und daB deshalb die Handschuhe am besten ganz 
weggelassen werden. Ref. benutzt seit Jahren bei allen aseptischen 
Operationen doppelte Handschuhe und hat stets auch die technisch 
schwierigsten zu Ende führen können. Freilich dauert es eine Zeit, 
bis man sich daran gewöhnt hat. Müller (Dresden). 





11) O. v. Herff (Basel). Zur Frage der Catgusterilisation. 
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 27.) 

v. H.’s Untersuchungen der physikalischen Eigenschaften des Cat- 
guts nach der Sterilisation haben ergeben, daß die Festigkeit desselben 
durch alle Mittel, Jod, Sublimat, vor allem durch Wasser, durch 
Kochen sowohl in Cumol wie in Wasser geschädigt, die Dehnung 
durch Wasser gesteigert wird. Eine Zunahme der Dehnung um 50% 
und mehr macht das Knüpfen der Catgutfäden unsicher. Einfaches 
keimfreies Catgut ist das Cumolcatgut; ihm ist auch an Festigkeit 
überlegen das zugleich keimtötende Jodcatgut, in Alkohol (95 %ig) 
aufbewahrt, das große Widerstandsfähigkeit besitzt. 

Kramer (Glogau). 





12) Crede. Prophylaktische Antisepsis. 
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 24.) 

Neben den prophylaktischen aseptischen Maßnahmen hält C. in 
jedem Falle einer Gewebsschädigung auch die prophylaktisch-antisep- 
tische Behandlung der Wunde für notwendig und hierzu das Collargol 
für das geeignetste Mittel, das sich auch durch seine Ungiftigkeit, 
Billigkeit und Haltbarkeit auszeichnet. Es verursacht keinerlei Schmer- 
zen, ist völlig reizlos, in Serum leicht lösbar, vernichtet, in Wunden 
als Pulver (3:97 Milchzucker), Tablette, Stäbchen oder in 1%iger 


1056 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 


Lösung eingebracht, eingedrungene Keime, beugt dadurch jeder ent- 
zündlichen Reaktion vor und stellt in oft geradezu überraschender 
Weise normale oder fast normale Verhältnisse wieder her. 

Kramer (Glogau). 





13) Cummins and Stout. Experimental arteriosclerosis by 


adrenalin inoculations and the effect of potassium iodide. 
(Univ. of Pennsylvania med. bull. 1906. Juli.) 

Verff. injizierten Tieren intravenös Adrenalinlösungen und stu- 
dierten die Wirkung des Jodkali auf die in einzelnen Fällen experi- 
mentell erzeugte Arteriosklerose. Nach diesen Versuchen ist Jodkali 
vermutlich imstande, der Entwicklung von Arteriosklerose nach Adre- 
nalineinspritzungen vorzubeugen, während es gegen ausgebildete Ar- 
teriosklerose der Tiere wirkungslos zu sein scheint. 

Mohr (Bielefeld). 


14) B. Müller (Hamburg). Stovain als Anästhetikum. 
(Sammlung klin. Vorträge Nr. 428.) 

M., welcher über die Wirkung des Stovains auf die Blutgefäße 
eine Reihe von Versuchen an F'röschen angestellt, auch sonst das 
Anästhetikum in bezug auf die beste Art seiner Verwendung und 
seiner Giftigkeit genauer geprüft hat, berichtet hierüber in ausführ- 
licher Weise im vorliegenden Vortrage. Nach M. bewirkt das Mittel 
geringe Dilatation der Gefäße, besitzt geringe aseptische Wirkung 
und wird am besten in sterilisierbaren !/,—1%igen Lösungen mit 
0,6—0,7% NaCl-Gehalt, durch welches dieselben osmotisch indifferent 
gemacht werden, angewendet, da solche keinen Injektionsschmerz her- 
vorrufen. Auch mit Suprarenin, das zuerst eingespritzt werden muß, 
läßt sich das Stovain kombinieren und wirkt in dieser Kombination 
viel stärker anästhetisch, wie auch die Esmarch’sche Blutleere sehr 
erheblich zur Unterstützung der Anästhesie beiträgt. Auf das Herz 
hat es keinen nachteiligen Einfluß; der Puls bleibt unverändert. Auch 
sonst fehlen alle Neben- und Nachwirkungen (vgl. die bei der Lum- 
balanästhesie mit dem Stovain gemachten Erfahrungen einzelner Chi- 
rurgen; Ref.); nur große Dosen können schwer die Nieren schädigen ; 
solche Wirkung bleibt aber aus, wenn die Dosis von 0,1 nicht über- 
schritten wird. M. hat im allgemeinen nur 0,05 g Stovain im Einzel- 
falle verwendet. Kramer (Glogau). 








15) Bier. Zur Geschichte der Rückenmarksanästhesie. 
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 22.) 

Gegenüber den von Corning (Neuyork) erhobenen Prioritäts- 
ansprüchen weist B. nach, daß jener Autor allerdings im Jahre 1885 
ein Verfahren beschrieben habe, bei schmerzhaften neurologischen 
Leiden gelöste Arzneistoffe in die unmittelbare Nähe des Rücken- 
markes zu bringen, um sie von dort durch die Blutgefäße nach dem 
Mark führen zu lassen, daß Corning im Jahre 1894 in einer zweiten 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 1057 


Arbeit auch die Absicht ausgesprochen habe, Medikamente direkt in 
den Lumbalsack einzuspritzen, daß aber Corning’s Versuche und 
Ideen gänzlich unbeachtet und unbekannt geblieben, eine Opera- 
tion unter Rückenmarksanästhesie vor B. von Niemandem ausgeführt 
worden war. Wenn auch Corning zweifellos die Vorarbeiten für 
die Rückenmarksanästhesie gemacht hat, so ist doch erst von Quincke 
durch seine Lumbalpunktion der Weg gewiesen worden, der für die 
Anästhesierung des Rückenmarkes gewählt werden mußte. B. miBt 
diesem Autor, durch den er auf die Idee des Verfahrens gekommen, 
deshalb auch das weit größere Verdienst zu, nimmt aber gegenüber 
der aus den Berliner chirurgischen Kliniken geltend gemachten Auf- 
fassung für sich die Erfindung und Einführung der Rückenmarks- 
anästhesie in vollem Umfange in Anspruch. Kramer (Glogau). 





16) Dönitz. Wie vermeidet man Mißerfolge bei der Lum- 
balanästhesie? (Aus der kgl. chirurgischen Universitätsklinik 
Bonn.) 

(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 28.) 

Da die Erfolge der Lumbalanästhesie in höchstem Maße von der 
Beachtung aller technischen Einzelheiten abhängig sind, gibt D. noch- 
mals eine Schilderung derselben, wie sie sich in der Bier’schen Klinik 
besonders bewährt haben. 

Die Normaldosis des verwendeten Stovains beträgt 0,04, mit wel- 
cher Menge man auszukommen suchen muß; die Beckenhochlagerung 
bei der Ausführung der Lumbalanästhesie erleichtert dies, ebenso wie 
die Verdünnung des Anästhetikums mit großen Liquormengen. Indes 
ist es bei Anwendung der Beckenhochlagerung notwendig, die Aus- 
breitung der Anästhesie nach der Injektion zu prüfen und den Grad 
der Hochlagerung zu modifizieren. Für hochgehende Anästhesien ist 
wegen der Gefahr der Atmungslähmung, die auch in der Bonner 
Klinik einmal beobachtet wurde, das Tropakokain (0,05 pro dosi mit 
10 ccm Liquor) dem Stovain vorzuziehen; auch das Novokain wirkt 
zu stark auf die motorischen Nervenwurzeln, wenn auch nicht so er- 
heblich, wie Stovain und Alypin. Bei starker psychischer Erregung 
des Kranken wird ihm zwecks suggestiver Wirkung die Athermaske 
vorgehalten und etwas Ather darauf getropft. 

Die Technik der Punktion betreffend, ist es notwendig, genau in 
der Mittellinie zwischen 1. und 2. Lendenwirbel bei sitzender Stellung 
des Kranken einzustechen, um den Arachnoidealsack in der Mitte zu 
treffen, ferner vor dem Anstechen der Dura den Mandrin zu entfer- 
nen, damit der hervorsprudelnde Liquor anzeigt, daß sich die Nadel 
im Arachnoidealsacke befindet. Auf diese Weise wird das Anstechen 
der Cauda-Nervenfasern und von Gefäßen und das Einspritzen der 
anästhesierenden Lösung zwischen die Fasern der Cauda mit ihren 
Folgen (Halbseitenanästhesie usw.) am ehesten vermieden. Nach der 
Injektion wird der Kranke für Operationen am Damm flach gelegt, 

gor" 


1058 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 


oder sofort die Beckenhochlagerung vorgenommen; und zwar um so 
stärker, je höher die zum ÖOperationsfelde gehörigen Segmente liegen. 
1—2 Minuten nach der Einspritzung werden die Reflexe geprüft, 
Knie- und Cremasterreflex für Operationen unterhalb des Leisten- 
bandes, die drei Bauchreflexe für höhere Anästhesien; für die Leisten- 
gegend soll der untere und mittlere, ev. auch der obere geschwunden 
sein. 2 bis 3 Minuten nach der Injektion Prüfung auf beginnende 
Analgesie. In 5 Minuten ist die Anästhesie vollständig. 

In einem Nachtrage wird über einen Todesfall, den ersten unter 
mehr als 1000 Lumbalanidsthesien der Bier’schen Klinik, nach In- 
jektion von 0,13 (!) Tropakokain mit 10 ccm bei einem 75jährigen 
Manne mit Peniskrebs berichtet; es war nach den oben angegebenen 
technischen Vorschriften nicht verfahren worden! 

Kramer (Glogau). 





17) A. Theilhaber. Ein Verfahren zur Verminderung der 


Infektionsmöglichkeit bei Operationen in der Bauchhöhle. 
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 23.) 


18) v. Stubenrauch. Das Theilhaber’sche Verfahren zur 
Verminderung der Infektionsmöglichkeit bei Operationen in 


der Bauchhéhle. 
(Ibid. Nr. 25.) 

Die Erfahrung, daß von unterbundenen Organstielen (des Hier- 
stockes, Gebärmutter usw.) im Bauch bäufiger Infektion des Bauchfells 
erfolgt, wie von Peritonealinzisionen der Bauchdecken oder von Peri- 
tonealverletzungen bei Bruchoperationen usw., hat T. veranlaßt, zur 
Verminderung der Infektionsmöglichkeit besondere Aufmerksamkeit 
auf den Akt der Stielunterbindung selbst zu lenken, bei welchem, wie 
Verf. meint, die Hauptgefahr der Infektion besteht. Er befürwortet 
deshalb vor der Unterbindung aller Stiele nochmals eine neue Des- 
infektion der Hände des Operateurs und Assistenten und der Stiele 
selbst und die Unterbindung mit vorher nicht berührten Nadeln und 
Fäden und führt hierauf seine günstigen Resuitate bei in dieser Weise 
operierten Fälle zurück. 

v. S. hält die Deckung der Stiele mit erosa für das Haupt- 
moment der Prophylaxe, das Theilhaber augenscheinlich nicht be- 
rücksichtigt (Theilhaber wendet es, wo es nur möglich ist, an; 
Münchener med. Wochenschrift 1906 Nr.27, Ref.); das Abwaschen 
der Stiele hat keinen Zweck, da ein nur kurze Zeit auf Wunden 
appliziertes Antiseptikum nicht bakterientötend wirkt. Außerdem ist 
v. 8. der Meinung, daß schon seit langem viele Operateure sich 
während einer länger dauernden Operation wiederholt desinfizieren 
und ebenso besondere Aufmerksamkeit der aseptischen Ausführung 
der Ligaturen und Naht widmen. Kramer (Glogau). 





Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 1059 


19) Alquier. Contribution à l'étude de la hernie intercostale 


abdominale. 
Thèse de Paris 1906. 

A. behandelt in seiner Arbeit das seltene Krankheitsbild des wah- 
ren interkostalen Bauchbruchs, der stets die Folge irgendeines Trau- 
mas, niemals durch angeborene Bildungsfehler bedingt ist. Er liegt 
auf der linken Seite und ist vom 6.—10. Interkostalraum gewöhnlich 
vor der mittleren Axillarlinie beobachtet worden. Ein eigentlicher 
Bruchsack besteht nicht, und gewöhnlich ist der Inhalt mit den tie- 
feren. Gewebsschichten der Bruchpforte in der Haut verwachsen. Eine 
Heilung ist nur durch einen operativen Eingriff zu erzielen, während 
die Behandlung mit Bandagen nur in Ausnahmefällen Anwendung 
finden soll. Neun ausführliche Krankengeschichten sind der Arbeit 
beigegeben. Müller (Dresden). 





20) Lacasse. Contribution a l’étude des hernies ombilicales 


dites congénitales. 
These de Paris 1906. 

L. spricht den sog. »angeborenen Nabelbruch« der Neugeborenen 
und Kinder für ein erworbenes Leiden an, das in den ersten 14 Le- 
benstagen nach dem Abfall der Nabelschnur in die Erscheinung tritt 
und bei Knaben häufiger wie bei Mädchen ist. Als prädisponierende 
Momente sieht er eine gewisse angeborene Schwäche infolge vorzeiti- 
ger Geburt und eine fehlerhafte Ernährung an. Da im allgemeinen 
eine große Neigung zur Spontanheilung besteht, rät L., mindestens 
bis zur Entwöhnung, zur einfachen Bandagebehandlung, die um so 
besser ist, je einfacher sie ist. Müller (Dresden). 


21) G. Leven und G. Barret. L’estomac du nourrisson. 


Forme, limite inférieure, mode de remplissage et d'évacuation. 
(Presse méd. 1906. Nr. 63.) 

Verff. haben vergleichende röntgenoskopische Untersuchungen des 
Magens beim Erwachsenen und Kinde angestellt und sind zu folgen- 
den Resultaten gelangt. 

1) Form und Lage. Beim Erwachsenen hat der Magen eine 
deutlich senkrechte Lage mit einem rechten und linken Rande, ent- 
sprechend der großen und kleinen Kurvatur. Ein großer Teil des 
Magens ist im rechten Hypochondrium enthalten, nur der Pylorus 
überragt etwas die Medianlinie nach rechts hin. 

Beim Kinde ist der Anblick ein ganz anderer, indem die Magen- 
höhle eine deutlich transversale Lage, die große Kurvatur den unteren, 
fast horizontal verlaufenden Rand auf dem Bilde einnimmt. Ein gro- 
Ber Teil des Magens erstreckt sich über die Mittellinie nach rechts 
unter die Leber, von welcher er teilweise überdeckt wird. 

2) Untere Grenze. Im Normalzustande reicht der untere Ma- 
genrand beim Erwachsenen bis zum Nabel oder bis in die Nähe des- 


1060 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 89. 


selben; der Pylorus, der den tiefsten Punkt bildet, bleibt festliegend 
oder verschiebt sich sehr wenig, während beim Säugling der tiefste 
Punkt durch die mittleren Teile der großen Kurvatur gebildet wird 
und seine Lage innerhalb weiter Grenzen ändert. In gefülltem Zu- 
stande reicht dieselbe bis zum Nabel, um sich dann ziemlich hoch 
hinaufzuheben; in manchen Fällen überschreitet die untere Magen- 
grenze sogar den Nabel. 


3) Fiillungsart. Der Magen des Erwachsenen paßt sich fast 
genau dem Inhalte an, und nur bei bestehender Dilatation geschieht 
die Füllung wie diejenige eines großen Beutels mit präformierter 
Höhle. Dieser für den Erwachsenen pathologische Vorgang ist aber 
für den Säugling normal. Sowie man eine kleine Menge Flüssigkeit 
einführt, entfaltet sich der Magen in seiner ganzen Ausdehnung, und 
man sieht die Flüssigkeit sich am unteren Rande in horizontaler 
Schicht ansammeln; der übrige Teil des Magens ist mit Luft erfüllt 
und erscheint als eine klare Zone, die sich deutlich von den dunklen 
Massen der Bauchorgane abhebt. Mit der Vermehrung der Flüssig- 
keitsmenge wird auch die Luftmenge kleiner, indem das obere Flüssig- 
keitsniveau in stetiger Weise sich erhebt. 


4) Entleerung der Milch. Einige Minuten nach dem Saugen 
bleibt der Magen des Säuglings unbeweglich, dann zieht er mit einem 
Male sich fast bis zur kugeligen Form zusammen, während die Luft- 
kammer verschwindet oder kaum sichtbar bleibt. In diesem Zustande 
verharrt der Magen lange Zeit, wahrscheinlich bis zu seiner vollstän- 
digen Entleerung; man bemerkt das Wiederauftreten der Luftkammer, 
und der Übergang zum Zustande der Leere erfolgt in langsamer Weise. 
Beim Erwachsenen ist die Kontraktion des ganzen Magens nur aus- 
nahmsweise zu beobachten, hingegen sieht man immer Zusammen- 
ziehungen der pylorischen Gegend. 

5) Dauer des Milchaufenthaltes im Magen. Die Unter- 
suchungen der Verff. wurden bei Säuglingen von 2—16 Monaten an- 
gestellt, die entweder Muttermilch oder Kuhmilch, gemischt mit Wasser 
in Mengen von 80—175 ccm, erhalten hatten. Es zeigte sich, daß bei 
denselben die Entleerung der Milch 1?/,—2 Stunden dauerte. Wie es 
scheint, besteht in dieser Beziehung kein Unterschied zwischen 
Muttermilch und mit Wasser verdünnter Kuhmilch. 

E. Toff (Braila). 


22) Holzknecht (Wien). Über die radiologische Untersuchung 

des Magens im allgemeinen und ihre Verwertung für die 

Diagnose des beginnenden Magenkarzinoms im besonderen. 
(Berliner klin. Wochenschrift 1906. Nr. 5.) 

Der durch Wismutzusatz zu den Speisen röntgenologisch nach- 
weisbare Ausguß der Magenlichtung ließ Verf. nach eingehendem 
Studium zu der Ansicht gelangen, daß der normale Magen sehr selten 
ist, daß er klein und so gelegen ist, daB der Pylorus sein tiefster 





Zentralblatt fir Chirurgie. Nr. 39. 1061 


Punkt ist. Die weitaus meisten Gesunden tragen einen längs- 
gedehnten Magen mit mehr oder minder großer Hubhöhe auf Grund 
von genereller Enteroptose. 

Nach Schilderung der Details der Magenverdauung im Schirm- 
bilde werden die pathologischen Veränderungen kurz gestreift und die 
wichtigsten Gruppen der Symptomatologie der Verdickung der Magen- 
wand aufgeführt. Einzelheiten der sebr interessanten Beobachtungen 
können im Referate nicht wiedergegeben werden, hervorgehoben sei 
nur, daß die Schirmuntersuchung von eminent praktischer Bedeutung 
für die zweifelhaften Fälle von Karzinom ist, da eine ganze Reihe 
von nicht tastbaren Karzinomen röntgenologisch nachgewiesen und 
operativ entfernt werden konnte. Die röntgenologische Untersuchung 
des Magens, bringt vielleicht, wenn erst ihre Bedeutung in die breite 
Masse der Arzte eingedrungen ist, was erfahrungsgemäß sehr langsam 
geht, weil die Praktiker viel zu wenig lesen, endlich dem Chirurgen 
die Karzinome rechtzeitig zur Operation und trägt dazu bei, die 
Röntgenstrahlen als diagnostisches Hilfsmittel häufiger zu benutzen, 
als es bisher geschieht. Langemak (Erfurt). 





23) A. Montprofit. Manuel opératoire de la gastrectomie. 
(Arch. prov. de chir. 1906. Nr. 3 u. 5.) 

M.’s Arbeit ist eine zusammenfassende Studie aller Magenopera- 
tionen. Im ersten Teile werden die allgemeinen operativen Gesichts- 
punkte erörtert, im zweiten, speziellen Teile gibt M. eine Beschreibung 
der allgemein üblichen und bekannten Operationsmethoden — Pylor- 
ektomie, Gastrektomie, Resektion usw. Bei der Vereinigung von Ma- 
gen und Darm bedient er sich am liebsten der Gastroenterostomia 
posterior nach v. Hacker oder der Anastomose in Y-Form nach 
Roux. Einen Darmknopf wendet er nie an. Zahlreiche instruktive 
Abbildungen erläutern die einzelnen Methoden. Müller (Dresden). 





24) Fisk. Hypertrophic stenosis of the pylorus in infants. 
(Annals of surgery 1906. Juli.) 

Die Symptome der hypertrophischen Pylorusstenose bei kleinen 
Kindern bestehen in Erbrechen, das gewöhnlich in der 2.—3. Lebens- 
woche zuerst eintritt, und in rapider Abmagerung. Das Erbrechen 
erfolgt explosiv, das Erbrochene enthält keine Galle, die Zunge ist 
stets rein; gewöhnlich sind Erscheinungen von Magenerweiterung am 
Bauch sichtbar und eine harte Geschwulst in der Pylorusgegend fühl- 
bar. Pathologisch-anatomisch ist die Lichtung des Pförtners durch 
die Verdickung der zirkulären Muskulatur, welche die Schleimhaut 
faltig emportreibt, sehr stark verengt, so daß nur eine dünne Sonde 
hindurch geht. F. glaubt nicht, daß diese verdickte Muskulatur durch 
Pylorospasmus bedingt sei, sondern daß es sich um eine angeborene 
Anlage handle. Von 71 aus der Literatur gesammelten und operierten 
Fällen endeten 33 = 46,5% tödlich, genasen 38 = 53,5%. 


1062 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 


Verf. zieht dort die Pyloroplastik allen anderen Eingriffen vor, 
wo sie leicht und gut auszuführen ist. Als zweite Operationsmethode 
kommt die hintere Gastroenterostomie in Frage, ohne Murphyknopf. 
Die mechanische Erweiterung des Pylorus wird verworfen. Die Haupt- 
sache ist im übrigen, daß man mit dem operativen Eingriffe nicht so 
lange wartet, bis die Widerstandskräfte des Kindes durch Abmage- 
rung zu sehr geschwächt sind. Herhold (Altona). 


25) Terrier. Sur le drainage des voies biliaires. 
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXII. p. 204.) 

T. berichtet eingebend über 6 neue Fälle von Choledochotomie 
mit Hepaticusdrainage, von denen 5 wegen eines Choledochussteines, 
einer wegen Cholangitis operiert wurden. Nach einem kurzen histori- 
schen Überblick der Operationsmethode nimmt T. für sich in Anspruch, 
als erster in allen Fallen von Choledochotomie, auch wenn die Naht 
möglich gewesen wäre, die Drainage empfohlen zu haben; der Ref. 
Quénu teilt mit T. die Ansicht, daß jede Cholangitis mit Drainage 
zweckmäßiger als mit anderen Methoden behandelt wird, und hält die 
Drainage nach Exstirpation der entzündeten, steinhaltigen oder nicht 
steinhaltigen Gallenblase für sehr zweckmäßig, geht aber nicht so weit, 
bei jeder Cholecystektomie die Üholedochusdrainage anzuschließen, 
oder bei jeder Choledochotomie die wenig oder gar nicht veränderte 
Gallenblase mit zu entfernen. Thümer (Chemnitz). 


Kleinere Mitteilungen. 
I. 


Zwei Modifikationen der Matratzennaht. 
Von 


Dr. Arthur Hofmann, 
I. Assistenten der chirurgischen Abteilung des stadt. Krankenhauses in Karlsruhe 
(Prof. Dr. v. Beck). 


A. Gekreuzte Matratzennaht. 

Die gekreuzte Matratzennaht wird auf ganz ähnliche Weise wie die 
gewöhnliche ausgeführt. Wie bei dieser wird zunächst viermal ein- und aus- 
gestochen (vgl. Fig. 1). Nun wird das eine Fadenende um die Schlinge a, welche 
bei der einfachen Matratzennaht parallel dem Wundrande läuft, herumgeführt (vgl. 
Fig. 2), und darauf werden die Fadenenden zum Knoten vereinigt. 

Auf diese Weise umschlingen sich die sonst parallel ziehenden Fadenstrecken 
zu einem Kreuze (vgl. Fig. 3). 

Der Zweck der Naht ist, als Entspannungsnaht zu wirken. Die Vorteile be- 
ruhen in einer geringeren Spannung der Wundränder und der damit verbundenen 
besseren Ernährung des jungen Narbengewebes; ferner in der Vermeidung ever- 
tierter Wundränder. 

Um eine Inversion der Wundränder zu vermeiden, darf der Knoten nicht in 
der Mitte des Fadenkreuzes liegen, sondern er muß über dem ersten Einstiche 
geknüpft werden. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 1063 


Die geringe Spannung der Wundränder gibt sich schon daran zu erkennen, 
daß man dieselben mit viel geringerem Kraftaufwande zum Schluß bringt. 


Fig. 1. Fig. 2. 


— 


A! i | 


Let 





Unter der Serosa mit dem Wundrande parallel 
laufende Strecke des Fadens b. 


B. Einstülpende Matratzennaht. 

Die einstülpende Matratzennaht stellt gleichfalls eine Entspannungs- 
nabt dar und kann bei Fisteln und Löchern des Darmes Verwendung finden. 

Nachdem an beiden Ecken einer Darmfistel die Nähte gelegt — nicht geknüpft — 
sind, führt man an der Stelle der größten Spannung je einen Faden zu beiden 
Seiten der Fistel parallel mit dem Wundrand und ca. 1 cm von demselben ent- 
fernt durch die Serosa-Muscularis ein und aus (vgl. Fig. 4 5 und b,). Darauf wer- 
den die gegenüberliegenden Fadenenden b und b, zuerst auf der einen, dann auf 
der anderen Seite zum Knoten vereinigt. 

Man könnte die ganze Naht, ähnlich wie die Ringnaht, mit einem einzigen 
Faden ausführen; die beiden Knoten haben jedoch den ganz bestimmten, für diese 
Naht charakteristischen Zweck, ein Durchschneiden der Fäden leichter zu vermeiden. 

Diese Naht stülpt ferner im Gegensatz zu der gewöhnlichen Matratzennaht 
die Wundränder ein und vermag gerade dadurch der Neigung der Darmschleim- 
haut zur Eversion zu begegnen. 


om 


1064 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 


I. | 
Aus dem neuen St. Johannis-Spital in Budapest. Direktor: Dr. Endre Ludvik.) 


Über retrograde Darminkarzeration. 
Von 
Dr. Vilmos Manninger, suppl. Primararzt. 


Ein Fall retrograder Darminkarzeration, den ich vor einigen Monaten beob- 
achtete, bietet mir Gelegenheit, eine kurze Notiz den Ausführungen Dr. Emil 
Haim’s (d. Bl. 1906 Nr. 35) anzuschließen. 

Der Fall ist folgender: St. O., 56 Jahre, Taglöhner, aufgenommen am 14. April 
1906. Rechtsseitiger, seit Jahren bestehender Leistenbruch. Anamnestisch nichts 
Wichtiges. Vor 14 Stunden stellten sich starke Leibschmerzen ein, Erbrechen, 
Stuhl- und Windverhaltung. Der Bruch vergrößerte sich. Taxisversuche negativ. 
Der behandelnde Arzt sandte Pat. am nächsten Morgen in das Spital. 

Elendes Allgemeinbefinden. Großer, prall-elastischer Leistenbruch rechts, auf 
Druck nicht empfindlich. Bauchwand in der rechten Ileocoecalgegend bretthart 
gespannt, auf Druck ungemein empfindlich. Leichte Dämpfung. Die Gegend der 
Bruchpforte nicht besonders empfindlich. Temperatur 37,7°C. Puls 132, klein, 
leicht unterdrückbar. Erbrechen fäkulent. Zunge trocken. 

Die Differenz zwischen dem lokalen Befund und dem Allgemeinbefinden war 
zu auffallend, um an eine einfache Inkarzeration denken zu können. Wahrschein- 
lichkeitsdiagnose: Hernia incarcerata, Appendicitis destructiva. 

Bei der sofort vorgenommenen Herniotomie (in Lumbalanästhesie) stellt sich 
heraus, daß das Coecum und ein ca. 15 cm langes Ileumstück im Bruchsacke liegt. 
Am Coecum starke Veränderungen, die Ileumschlinge mäßig verändert. In der 
Bruchpforte liegt ein zweites, ca. pflaumengroßes, blauschwarzes, prall gefülltes 
Stück Darm. Nach Erweiterung der Bruchpforte ergießt sich aus der Bauchhöhle 
massiges, blutiges Exsudat. Erweiterung der Bauchöffnung. In unmittelbarer 
Fortsetzung des erwähnten inkarzerierten Darmstückes folgt eine ca. 1 m lange 
Dünndarmschlinge mit weit fortgeschrittener Gangrän. Die Schlinge liegt in der 
Fossa coecalis (Waldeyer). Der Dickdarm zieht über dieselbe hinweg. Nach 
Lösung der fibrinösen Verklebungen liegt ein ca. 11/; m langes Darmstück vor 
uns (untere Ileumschlingen und Coecum), dessen größter Teil hochgradige Gangrän 
aufweist. Ausnahme davon bildet bloß das ca. 15 cm lange, unterste Ileumstück, 
welches im Bruchsacke lag, und dessen Fortsetzung bauchwirts. Resektion der 
Dünndarmschlinge und des Coecum. Verschluß des Kolon, End-zu-Seit-Vereinigung 
mit Naht. Zigarrettendrain in die Bauchhöhle, sonst Verschluß der Wunde. 

Ungestörter Verlauf bis 2. Mai. Die per primam vereinigte Wunde zeigt an 
der Stelle der Drainöffnung Rötung, Fluktuation; Fieber 39,7°. Sticheiterung. 
Saugapparat nach Bier-Klapp, zweimal täglich 3><5 Minuten. Vom 4. Mai ab 
glatter Verlauf. Am 23. Mai geheilt entlassen. 

Interessant ist der Befund an den Schnürstellen. Im ganzen waren vier aus- 
gesprochene Schnürringe vorhanden: einer am Coecum, einer an der zuführenden 
Ileumschlinge, einer entsprechend dem Darmwandbruch, und einer an der im 
Bauche befindlichen zuführenden Ileumschlinge, an der Eintrittsstelle in die Fossa 
coecalis (Waldeyer). Besonders interessant war es, daß die aus der subcoecalen 
Bauchfelltasche austretende Schlinge, die von dort in den Bruchsack eintrat, keinen 
Schnürring aufwies und ähnliche Veränderungen zeigte als die im Bruchsacke selbst 
befindliche Schlinge (der Beweis, daß nicht eine Incarceratio interna — in der 
Bauchfelltasche — vorlag). 

Entsprechend diesem Befunde waren bloß in dem der stark veränderten Schlinge 
entsprechenden Mesenterium Thrombosen nachweisbar. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 1065 


Der Fall beweist: 

1) daß neben retrograder Inkarzeration starke Einklemmung einer oder beider 
Schlingen im Bruchsacke zustande kommen kann (das Coecum und der Darmwand- 
bruch zeigten beginnende Gangrän). Es gibt also »zwei Darmschlingen im ein- 
geklemmten Bruche«. Daß hierbei den ernährenden Gefäßen eine eminent große 
Rolle zukommt, liegt auf der Hand. Das rapide Auftreten der Gangrän kann man 
bloß hiermit erklären. 

2) daß die Erklärung Klauber'’s, Pupovac’s und Haim's nicht für alle 
Fälle genügt. In unserem Falle war von der einen Schlinge bloß ein Stück Darm- 
wand im Bruchsacke, die Mesenterialgefäße dieses Darmabschnittes also sicher 
nicht tangiert. Und doch war die Gangrän besonders an dem sich hier an- 
schließenden Darmteil am meisten vorgeschritten, während die unterste Ileum- 
schlinge (die aus der Fossa coecalis austretende Schlinge) die am wenigsten ge- 
schädigte war. Eine absolut einwandsfreie Erklärung dieser recht komplizierten 
Verhältnisse zu geben, ist — glaube ich — nicht gut möglich. Doch spielt außer 
der Beteiligung der Mesenterialgefäße sicher die Distension der Verbindungs- 
schlinge eine große Rolle (im Sinne Kocher’s). 

Disgnostisch wichtig halte ich für die Fälle retrograder Brucheinklemmung 
das in sämtlichen publizierten Fällen besonders hervorstechende Verhalten der ent- 
sprechenden Bauchhälfte. Stark gespannte Bauchmuskeln und intensivster Schmerz 
auf Druck nebst mehr oder minder ausgeprägter Dämpfung sind die Kardinal- 
.symptome (differentialdiagnostisch schwer abscheidbar Appendicitis destructiva cum 
hernia incarcerata bei rechtsseitigem Leiden). 

Die Divergenz des lokalen Befundes und der Allgemeinerscheinungen zwingen 
uns das Messer in die Hand, so daß wohl kein denkender Arzt Taxis versuchen 
wird. 

Den Schlußsätzen Haim’s muß man in allem beipflichten. 


26) Freie Vereinigung der Chirurgen Berlins. 
157. Sitzung vom 9. Juli 1906. 
Vorsitzender: Exz. v. Bergmann. 


Exz. v. Bergmann: Fall von Ösophagusdivertikel. 

v. B. berichtet über ein vor 4 Tagen operiertes Osophagusdivertikel, das an 
der rechten Halsseite entwickelt und mit der Diagnose Struma zugewiesen worden 
war; es bestand Kompression des Osophagus. Die Moglichkeit der Expression, 
die Sondierung ergaben die Diagnose, die Aufnahme eines Rontgenbildes bei 
Wismutfüllung gab über Größe und Lage des Divertikels eine richtige Vorstellung; 
es erstreckte sich nicht hinter die Clavicula. _Exstirpation des Sackes bei ein- 
geführter Sonde, sofort fortlaufende Naht des Ösophagus und Übernähung. Bisher 
glatter Verlauf. 3 = 

Herr Katzenstein: Über die Anderung des Magenchemismus nach 
Gastroenterostomie, zugleich ein Beitrag zur Wirkung dieser Ope- 
ration beim Ulcus ventriculi und Karzinom. . 

K. hat, um die nach Gastroenterostomie eintretenden Anderungen des Magen- 
chemismus zu studieren, bei einer Anzahl von Hunden Magenfisteln angelegt und 
den diesen entnommenen Saft vor und nach der Gastroenterostomie auf seine 
chemische Zusammensetzung und Verdauungskraft untersucht. 

Folgende Tatsachen wurden gefunden: 

1) Nach den verschiedenen Arten von Gastroenterostomie tritt reichlich Galle 
und Pankreassaft in den Magen, zuerst dauernd, später bestimmten Phasen der 
Verdauung folgend. 

2) Durch das Einfließen alkalischen Darmsaftes wird die Azidität des Magen- 
inhaltes wesentlich herabgesetzt, einmal infolge chemischer Umsetzung, dann auch 
infolge geringerer Salzsäureproduktion; es besteht auch eine geringere Azidität in 
Zeiten, wo Galle und Pankreassaft nicht im Magen nachweisbar sind. 


1066 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 


3) Pepsin wird wirkungslos in neutraler Reaktion; das Pankreastrypsin wird 
durch vorübergehende saure Reaktion nur geschwächt; die Diastase und das Fett- 
ferment wirken auch in schwach saurer Reaktion, allerdings schwächer als in 
neutraler bzw. alkalischer. Daher ist die Verdauung nach Gastroenterostomie 
wesentlich von den Pankreasfermenten abhängig. 

4) Die Absonderung des Pankreassaftes und der Galle kann reflektorisch durch 
Einbringen von Fett in den Magen erhöht werden. 

6) Wir haben es daher in der Hand, die Azidität im Magen nach der Gastro- 
enterostomie herabzusetzen. 

K. erörtert den Einfluß, den man danach auf das Ulcus und Carcinoma ven- 
triculi von der Gastroenterostomie zu erwarten hat. 


Herr Wolff (Potsdam): Splenektomie bei Anaemia splenica in- 
fantum gravis. 

W. bespricht den Heilerfolg, den er bei einem 1!/sjährigen Kinde mit An- 
semia splenica infantum gravis durch Exstirpation der Milz erreicht hat. Das 
Kind war mit 1!/, Jahren unter zunehmender Kachexie erkrankt; die enorm ver- 
größerte Milz füllte die linke, zum Teil die rechte Leibeshöhle aus; leichte Leber- 
schwellung, geringer Ascites. Blutbefund: 467000 Erythrocyten, 37800 Leuko- 
cyten. Unter den roten zahlreiche kernhaltige, Normo- und Megaloblasten, Poi- 
kilooytose, polychromatophile Degeneration. Die Vermehrung der weißen betraf 
die Lymphocyten mehr als die Polynukleären, die Mastzellen in geringerem Grade; 
in jedem Gesichtsfeld einige eosinophile Zellen; leichte Rachitis. Danach war ein: 
ungünstiger Verlauf sicher zu fürchten; deshalb Splenektomie, die bislang noch 
nicht angewendet war, und die mit peinlicher Blutersparnis glatt ausgeführt wurde. 
Der Effekt des Eingriffes, der ein 500 g schweres, 19: 11 cm großes, derbes Organ 
zutage förderte, war frappant. Nach 10 Tagen Gewichtszunahme von 13 auf 
15 Pfund, da die vorher daniederliegende Ernährung sich sehr günstig gestaltete; 
die Zahl der roten Zellen war auf das Fünffache gestiegen, die Leukocyten be- 
trugen 36000 (1:69 gegen vorher 1:12), Hämoglobingehalt 51% gegen vorher 
40%. Der Erfolg hat Stand gehalten; jetzt, 1 Jahr p. op., wird das Kind in sehr 
gutem Gesundheitszustande vorgestellt. Der Blutbefund ist allerdings noch nicht 
völlig normal, 2665600 rote, 26800 weiße (1:103,; auch morphologisch ist das 
Blutbild noch nicht normal. Das ausgezeichnete Allgemeinbefinden läßt aber die 
Heilung gesichert erscheinen. 

W. bittet wegen der prinzipiellen Wichtigkeit in gleichen und ähnlichen Fällen 
von Anaemia splenica infantum (Anaemia pseudoleucaemica v. Jaksch's) in gleicher 
Weise von der Splenektomie Gebrauch zu machen. 

Diskussion. Herr Israel berichtet über einen Fall kürzlich von ihm er- 
folgreich exstirpierter mannskopfgroßer Milzcyste bei einem jungen Manne, der 
unter Schwindelerscheinungen und Magenbeschwerden (wahrscheinlich durch Blu- 
tung in die Cyste) erkrankte und einen den Magen nach rechts verdrängenden, 
den linken Rippenbogen vorwölbenden Tumor hatte, der als Milztumor oder Echino- 
kokkus des linken Leberlappens zu deuten war; die Cyste enthielt 3 Liter bräun- 
licher, cholestearinhaltiger Flüssigkeit. Nach der Operation trat eine auffallende 
Erniedrigung der Pulsfrequenz ein, und die vergrößerte Schilddrüse schwoll auf- 
fallend schnell ab; sie vergrößerte sich danach wieder etwas und blieb dann 
stationär. I. erinnert an den Fall von Crede, wo nach Milzexstirpation bei 
Anaemia splenica mit dem Schwinden der Anämie auch die vorherige Vergrößerung 
der Schilddrüse schwand. Eine Zählung der Blutzellen hat in Is Fall erst vom 
Tage nach der Operation an stattgefunden; vom 4. Tag an erfolgte eine absolute 
Vermehrung der roten Zellen; während das Verhältnis der weißen zu den roten 
zunächst 1:32 war, war es am 11. Tage 1: 500. 

Herr Coenen: Osteoplastik bei Pseudarthrosen. 

C. stellt zwei durch Osteoplastik geheilte Pseudarthrosen des Unterschenkels 
vor. Das Müller’sche Verfahren der Autoplastik war hier nicht anwendbar 
wegen der starken Atrophie des unteren Fragmentes, das nach oben spitz zulief. 
Deshalb wurde das Verfahren von Reichel angewandt, das darin besteht, daß 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 1067 


man einen breiten, gestielten Haut-Periost-Knochenlappen vom gesunden Schien- 
bein auf die Pseudarthrose des anderen pflanzt. Im ersten Fall eines 9jährigen 
Mädchens, das seit frühester Kindheit eine vielfach vergeblich operierte Pseud- 
arthrose des linken Unterschenkels hatte, wurde am rechten Unterschenkel ein 
Lappen mit lateraler Basis gebildet und dieser bei einwärts gerollten Beinen und 
aufeinander gelagerten Unterschenkeln am äußeren Rande der die Pseudarthrose 
des anderen Beines freilegenden Wunde fixiert. Erhaltung dieser Stellung im 
Gipsverbande, dann Durchschneidung des Stieles und Überpflanzung des Lappens. 
4 Wochen später wurde der gut granulierende Lappen in eine über der Pseud- 
arthrose gemeißelte Knochenmulde der beiden Fragmente geklappt. Glatte Heilung. 
Es bildete sich im Bereiche des Knochenlappens neuer Knochen, der die über 
8 Jahre beweglich gewesenen Fragmente fest miteinander verschweißte. Nach 
1/4 Jahr Entlassung mit Gehgipsverband; jetzt läuft die Pat. ohne Stützapparat 
mit erhöhter Sohle. Der zweite Pat., ein lbjähriger Schüler, hatte eine ähnliche 
Pseudarthrose, die in derselben Weise operiert wurde; auch hier trat völlige Hei- 
lung und Konsolidation ein; Pat. kann über 3 Stunden ohne Beschwerden laufen. 
Die recht beträchtliche Verkürzung blieb natürlich in beiden Fällen unbeeinflußt, 
wurde aber leicht durch eine hohe Sohle korrigiert. (Demonstration der Röntgen- 
bilder.) 

Herr Schultze: Meniscusabreißung. 

S. stellt einen operativ mit voller Funktion geheilten Fall von Zerreißung des 
Meniscus medialis vor. Bei dem Pat., der sich die Verletzung zuzog, indem er 
mit dem Knie nach innen in Valgusstellung bei stark auswärts rotiertem Unter- 
schenkel umknickte, wurde ein zungenförmiger, 2 cm breiter, aus dem Knorpel 
herausgerissener Lappen exstirpiert; nach 8tägiger Fixation in der Schiene Ex- 
tension und Bewegungen; Entlassung nach 15 Tagen. Betreffs des Mechanismus 
der Verletzung glaubt S. mehr an eine direkte Zerquetschung des Knorpels 
(Schlatter), als an eine Zerreißung durch Zerrung an den Fixationspunkten der 
Menisci an der Tibia (Bruns), die dort nur stattfinden könnte durch die Aus- 
strahlungen der Sehnen in die Kapsel und die Menisci selbst, also für den Me- 
niscus lateralis durch den Musc. popliteus und für den Meniscus medialis durch 
den Musc. sartorius und semitendinosus. 

Diskussion. Herr Wolff stellt einen frischen Fall von Meniscuszerreißung 
im Kniegelenke vor; Herr Hoffa zeigt Röntgenbilder, die bei Sauerstoffeinblasung 
von solchen Verletzungen aufgenommen sind. 


Herr Sticker: Spontane und postoperative Implantations- 
tumoren. | 

S. bespricht die Entstehungsmöglichkeit sekundärer Tumoren durch Implanta- 
tion von außen her. Die dagegen verschiedentlich erhobenen Bedenken sind durch 
zahlreiche, mit Erfolg ausgeführte Geschwulstübertragungen widerlegt. Daß solche 
Tumoren so selten vorkommen, dafür bat das Experiment Aufschluß gegeben. 1) Im- 
plantiert man in ein Organ eine Anzahl Tumorzellen, so kommt es meist zur Aus- 
bildung eines einzigen Knotens; dieser wächst nur durch Propagation; Metastasen 
in benachbarten Lymphdrüsen oder entfernten Organen bleiben zuerst vollständig 
aus. Bei doppelter Implantation, sei es in dasselbe oder in verschiedene Organe, 
entsteht an jedem Ort ein solitärer Knoten. 2) Nach Entwicklung eines Implanta- 
tionstumors gelingt eine zweite, dritte oder vierte Implantation nie. — Es ist also 
eine simultane multilokuläre Implantation möglich, eine pluritemporäre erfolglos. 
3) Bei Exstirpation des Implantationstumors gelingt eine Implantation an anderer 
Stelle, dieselbe mag einfach oder multipel, an demselben Tag oder später vor- 
genommen werden; sie ist auch erfolgreich, wenn an der ersten Implantationsstelle 
absichtlich oder unabsichtlich von neuem implantierte Zellen ein Rezidiv entstehen 
lassen. 4) Wird der Implantationstumor nur teilweise exstirpiert, und wächst das 
zurückgelassene Stück unbehelligt weiter, so bleibt jede nachfolgende Implantation 
ohne Erfolg. Damit stimmen die empirischen Beobachtungen bei spontan ent- 
standenem Krebs überein; auch hier bleibt der maligne Tumor lange solitär, erst 
später treten Tochtergeschwülste auf. Man sagt, Blut und Lymphe besitzen eine 


1068 Zentralblatt fir Chirurgie. Nr. 39. 


Zeitlang Eigenschaften, durch welche etwaige in sie gelangende Tumorzellen ver- 
nichtet werden. S. hat diese Vorstellung dahin erweitert, daß der Geschwulst- 
bildungsprozeß ein doppeltes Zonengebiet entstehen läßt, von denen die Tumor- 
zone mit Angriffsstoffen erfüllt ist, welche seiner allmähligen Ausbreitung die Wege 
ebnen, während die andere, das übrige Körpergebiet umfassende Zone mit Abwehr- 
stoffen erfüllt ist. Solange diese Geschwulstzone und eine als Gegenwirkung sich 
darstellende Immunzone vorhanden ist, solange wächst der Tumor zwar in seinem 
Gebiete weiter, vergrößert auch sein Gebiet, die Entstehung aber eines zweiten 
Tumors in entfernten Organen ist weder auf dem Blut- oder Lymphwege, noch 
durch Implantation möglich. Dieser Spannungszustand kann plötzlich aufgehoben 
werden, sei es durch spontanes Verschwinden der Antistoffe beim Eintritte der 
Krankheit in die zweite Phase, die der allgemeinen Metastasierung, sei es durch 
konsekutive Eliminierung nach operativer Entfernung des Primärtumors. S. ver- 
sucht diese Vorstellung auf die sog. Impfkarzinome (Kontakt-, Narbenkarzinome 
zu übertragen und ihre Entstehung durch Implantation verstehen zu lernen. 


Diskussion. Herr Milner spricht sich gegen die Häufigkeit der Impf- 
karzinome aus; bei der Mitteilung solcher Fälle habe es oft an der nötigen Kritik 
gefehlt. 


Herr Borchardt: Zur Operation retromaxillärer Tumoren. 

B. bespricht die in den letzten Jahren in der v. Bergmann’schen Klinik zur 
Operation gelangten Nasen-Rachentumoren einschließlich der breit aufsitzenden 
Fibrome. Er erörtert die Nachteile und Vorteile der verschiedenen in Anwendung 
gekommenen Operationsmethoden; bevorzugt wird in der v. Bergmann'schen 
Klinik die Herstellung des Zuganges zum Operationsgebiete durch temporäre halb- 
seitige oder auch doppelseitige Oberkieferresektion nach v. Langenbeck unter 
Anwendung des Weber’schen Schnitte. Es werden mehrere mit gutem kosme- 
tischen Resultate geheilte Pat. vorgestellt. 


Diskussion. Herr Rotter empfiehlt die Anwendung der Kuhn’schen 
Tubage bei derartigen Operationen. 


Herr Rumpel: Knochentumoren im Röntgenbilde. 

R. führt mit dem Projektionsapparat eine Anzahl Röntgenbilder der verschie- 
densten Knochentumoren und sonstigen Knochenerkrankungen vor — Exostosen, 
Cysten, Enchondrome, Sarkome, osteomyelitische, tuberkulöse Prozesse — und hebt 
bei den einzelnen Affektionen die für dieselben charakteristischen Merkmale des 
Ursprunges, der Begrenzung usw. hervor. Richard Wolff (Berlin). 


27) A. Treutlein. Kriegschirurgisches aus Japan. 
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 25.) 


T. hat Gelegenheit gehabt, in den Hospitälern von Tokio einen Teil der dort 
untergebrachten Verwundeten des letzten japanisch-russischen Krieges zu sehen 
und sich davon zu überzeugen, daß die Wirkung des Infanteriegeschosses der 
Russen und Japaner eine relativ humane gewesen war, während die Artillerie- 
verletzungen einen schrecklichen Eindruck hervorriefen. Von neueren kriegs- 
chirurgischen Erfahrungen hebt er die Operation traumatischer Aneurysmen, die 
Erzielung tragfähiger Amputationsstümpfe und den Ersatz zerstörter Nervenpartien 
durch Kalbsarterien hervor. Die Radikalexzision der Aneurysmen ergab günstige 
Resultate in bezug auf das Ausbleiben von Gangrän, wenn etwa 14 Tage lang vor 
der Operation täglich 2—3mal je eine viertel Stunde Digitalkompression der aneurys- 
matischen Gefäßpartie vorgenommen war; hierdurch wurde die Herstellung eines 
geregelten Kollateralkreislaufes ermöglicht. — Die Nachbehandlung von Amputa- 
tionsstümpfen mittels Massage, Klopfen, Geh- und Stehübungen nach Hirsch 
erhöhte die Tragfähigkeit derselben außerordentlich, Bemerkenswert ist besonders 
der Erfolg in einem Falle von Amputation beider Oberarme und Oberschenkel; 
der betreffende Offizier, der außerdem noch vier Brustschüsse erhalten hatte, konnte 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 1069 


sich ohne fremde Hilfe in den als künstlicher Gliedersatz benutzten hohlen Holz- 
säulen fortbewegen. — Die von Foramitti empfohlene (s. d. Bl. 1904 p. 1086) 
Umschließung genähter Nerven mittels gehärteter Kalbsarterien hatte glänzende 
Resultate durch Beseitigung der Lähmung und Atrophie. — Erwähnt sei schließ- 
lich noch die erfolgreiche Verwendung von Perubalsam zur Vermeidung sekun- 
därer Wundinfektionen. Kramer (Glogau). 


28) Crile and Hill. Report of case of multiple giant cell sarcoma. 
(Surgery, gynecology and obstetrics III, 1.) 


Bei einem 22jährigen Mädchen, dessen Mutter syphilitisch war, fanden sich 
Geschwülste an einer ganzen Anzahl Knochen in den verschiedensten Körper- 
gegenden, die schon längere Zeit schmerzten. Von den Geschwülsten ragte nur 
eine an dem linken Schambeine nach außen vor, während alle anderen durch syste- 
matische Röntgenuntersuchung entdeckt wurden. Da antisyphilitische Kur erfolg- 
los, wurde zunächst die größte Geschwulst des Schienbeines ausgemeißelt; nach 
Heilung, die durch Jodkaligebrauch beschleunigt wurde, besserte sich das Allge- 
meinbefinden sehr, während die Geschwülste teilweise wuchsen, wenn auch sehr 
langsam. Später Spontanfraktur des rechten Oberschenkels. Untersuchung der 
entfernten Geschwulst ergab Riesenzellensarkom. Die Röntgenbilder zeigten scharf 
umschriebene Stellen in den befallenen Knochen, welche auf die Markhöhle be- 
schränkt waren. Trapp (Bückeburg). 


29) Moldovan. Über kongenitale Sarkom- und Fibrombildung der 
Haut. 
(Prager med. Wochenschrift 1905. Nr. 29 u. 30.) 


Verf. beschreibt vier Fälle: 1) Ein halbmannsfaustgroßes, gestieltes, exkoriier- 
tes, stark blutendes Spindelzellensarkom an der linken Wade eines neugeborenen 
Knaben; 2) ein kavernöses Fibrom von Hühnereigröße in der Gegend des rechten 
Warzenfortsatzes, das ebenfalls bei einem neugeborenen Knaben beobachtet wurde; 
3: ein erbengroßes Fibrom des Nasenrückens bei einem 3jährigen Mädchen und 
4) ein bereits einmal rezidiviertes Fibrom von Walnußgröße über dem rechten 
äußeren Knöchel eines 7 Monate alten Knaben. Gutzeit (Neidenburg). 


30) Köhler. Ein Fall von traumatischem Ödem. 
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 25.) 


Nach einem leichten Schlage des zweiten Fingers gegen die Tischkante, der 
keine äußere Wunde, keinen Bruch oder Verrenkung zur Folge hatte, entwickelte 
sich bei dem 21jährigen Mann, einem Phthisiker, eine hochgradige Anschwellung 
der Hand und des Vorderarmes mit deutlicher Anästhesie des letzteren; nach 
2 Monaten war die Gebrauchsfähigkeit des Armes noch nicht normal. Pat. hatte 
4 Jahre vorher einen Hieb über den Kopf mit 2 Tage andauernder Bewußtlosig- 
keit erlitten, so daß ein Zusammenhang dieser Verletzung mit der Lokalneurose 
am Arme nicht auszuschließen war. Kramer (Glogau). 


31) Chiari. Über einen Fall von urämischer Dermatitis. 
(Prager med. Wochenschrift 1905. Nr. 36.) 


Bei einer urämischen 30jährigen Frau wurden auf der Haut neben zahlreichen 
Akneknötchen eigentümliche, bis kronenstückgroße, etwas erhabene, mehr oder 
weniger scharf begrenzte, teils trüb braunrote, teils livid verfärbte Infiltrate beob- 
achtet, die stellenweise zerfielen, sich mit Borken bedeckten und Eiter absonderten. 
Sie hatten makroskopisch und histologisch große Ahnlichkeit mit den bei der Sek- 
tion untersuchten Infiltraten der Mund-, Rachen- und Dickdarmschleimhaut. C. 
fährt deshalb sämtliche Infiltrate auf die gleiche toxische Wirkung aus dem Harn 
stammender, auf Haut und Schleimhaut ausgeschiedener Giftstoffe zurück. 

Gutzeit (Neidenburg). 


1070 Zentralblatt fir Chirurgie. Nr. 39. 


32) Gilmer und Stegmann. Ein Universalröntgenuntersuchungstisch. 
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. X. Hft. 1.) 

Verf. hat einen neuen Tisch konstruiert, der sich insofern von den bisherigen 
unterscheidet, als punctum fixum und mobile vertauscht sind; d. h. die Röhre ist 
unbeweglich, das zu untersuchende Objekt dagegen beweglich. Auch besitzt dieser 
Tisch den Vorzug, daß der Untersuchende den Strahlenwirkungen nicht ausgesetzt 
ist, wie dies bei den Orthodiagraphen stets der Fall ist; auch ist der Tisch billiger 
als das Holzknecht'sche Trochoskop. 

Ein Mangel ist die Unmöglichkeit, im Stehen zu untersuchen. 

Gaugele (Zwickau). 


33) A. E. Stein (Wiesbaden). Plastische Röntgenbilder. 
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 31.) 

Eine plastische Kopie eines Röntgenogramms wird nach Schellenberg da- 
durch erhalten, daß man von der Originalplatte ein Diapositiv herstellt, dieses, um 
weniges verschoben, in nassem Zustande, Schicht auf Schicht, auf das Original- 
negativ aufquetscht, trocknen läßt und dann die so hergestellte Doppelplatte 
kopiert. S. gibt nun zur Vereinfachung des Verfahrens folgende Technik an: 
Von dem Originalnegativ wird im Kopierrahmen eine Kontaktkopie auf Negativ- 
bromsilberpapier fiir Gummidruck gemacht; das erhaltene Papierdiapositiv wird, 
trocken geworden, durch Bestreichen der Riickseite mit einer Mischung von Rizi- 
nusöl und Alkohol (1:2) transparent gemacht, nun im Kopierrahmen Schicht auf 
Schicht mit der notwendigen Verschiebung auf das Originalnegativ gelegt, mit 
photographischem Papier bedeckt und kopiert. Die erhaltene Kopie ist das fertige 
plastische Röntgenbild. Was die praktische Bedeutung einer solchen angeht, warnt 
S. vor Überschätzung derselben und vor Täuschungen in der Diagnostik bei An- 
wendung der plastischen Röntgenphotographie. Kramer (Glogau). 


34) Alexander. Erzeugung plastischer Röntgenbilder. 
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. X. Hft. 1.) 

Verf. hat in der Sitzung des zweiten Röntgenkongresses ein äußerst plastisches 
Bild des Fußskelettes vorgezeigt, ohne aber über die Herstellung des Bildes ge- 
nauere Angaben zu machen. 

Die Erzeugung solcher plastischen Bilder beruht, wie Verf. heute angibt, auf 
verschiedener Durchleuchtung des betreffenden Körperteiles mit nachfolgender 
Kombination der Plattenbilder und den dieser Kombination folgendem Weiter- 
verfahren. letzteres ist in dem Originale nachzulesen. Das vom Verf. beigelegte 
Bild läßt sowohl die Knochen als auch die Weichteile sehr scharf und plastisch 
hervortreten. Gaugele (Zwickau). 


35) Fischer und Schou. Angiosarcoma maxillae inferioris, mit Röntgen- 


strahlen behandelt. 
(Nordisk Tidskrift for Terapi 3. Jahrg. p. 229.) 

Die Verff. teilen einen Fall obiger Art mit, der ein 8jähriges Mädchen betraf, 
das 4 Monate vor der Aufnahme eine Geschwulst an dem linken Kieferwinkel 
zeigte, welche bei mikroskopischer Untersuchung eines exzidierten Stückes (Kiefer- 
resektion wurde von den Eltern untersagt) sich als Angiosarkom erwies. Das Re- 
sultat der Behandlung, das aus beigegebenen Photogrammen ersichtlich ist; war 
ein überraschend günstiges: Zwar bildete sich eine Röntgendermatitis im Verlaufe 
der Behandlung aus, aber diese heilte schließlich unter entsprechender Behandlung 
vollständig; gleichzeitig fing aber die Geschwulst an, zu verschwinden, und war 
zuletzt kaum mehr als eine Verdickung der Kiefer nachweisbar. 

Die Beobachtung erstreckte sich über 2 Jahre. Zur Zeit der Publikation war 
eine neue Verdickung bemerkbar; ob sie von einem Rezidiv oder einem durch- 
brechenden Zahne herrührte, blieb unentschieden — jedenfalls wurde eine neue 
Behandlungsperiode eingeleitet. Hansson (Cimbrishamn). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 1071 


36) E. Deetz. Erfahrungen an 360 Lumbalanästhesien mit Stovain- 
Adrenalin (Billon). (Aus der Rostocker chir. Klinik.) 
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 28.) 


Von den 360 Kranken (41 im Alter von 71!/,—14, 52 von 14—20, 149 von 
20—40, 84 von 40-60, 16 von 65—70 und 13 von über 70 Jahren) hatten nach 
den mit Lumbalanästhesie ausgeführten Operationen, über deren Art Tabellen 
Aufschluß geben, 189 weder Neben- noch Nachwirkungen, 31 während der Opera- 
tionen über Erbrechen oder Übelkeit zu klagen; 1 bekam einen Ohnmachtsanfall, 
1 Pat. (von 72 Jahren) mit akuter Peritonitis starb im Anschluß an die Injektion 
von 0,06 (!) Stovain an Atmungslahmung. An Kopfschmerzen litten 50, darunter 
8 schwer, 1 Pat. über 14 Tage, ein anderer leidet noch jetzt schon seit 6 Wochen 
daran. Unter weiteren 39 Fällen von Anästhesie bekam 1 Pat. am 13. Tage eine 
Abducenslähmung. Bei Operationen an der unteren Extremität kamen auf 126 
4 Versager, bei Bauchoperationen mußte in 23 Fällen noch die Allgemeinnarkose 
hinzugefügt werden; auffallend gut vertrugen 9 Thoraxpatienten die Anästhesie. 
Wiederholte bakteriologische Kontrolluntersuchungen des bezogenen Stovains, sehr 
peinliche Technik nach Bier sind unbedingt notwendig. Kramer (Glogau). 


37) E. Becker. Operationen mit Rückenmarksanästhesie. (Aus dem 
städt. Krankenhause in Hildesheim.) 
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 28.) 

B. berichtet unter Beschreibung der Bier’schem Technik bei der Lumbal- 
anästhesie über 135 Fälle, in denen er diese mit Stovain-Epirenan (Riedel) — 
0,02—0,104 (!), im Durchschnitte mit 0,056 Stovain — ausgeführt hat. Neben- 
erscheinungen waren nicht ganz selten, am häufigsten ein Zustand, dem der See- 
krankheit ähnlich, Nachwirkungen (Erbrechen, Temperatursteigerungen, Nacken- 
steifigkeit, Kopfschmerz) blieben meist aus, Imal trat Abducens- und Okulomotorius- 
parese am 11. Tage auf, 2mal wurden bedrohliche Zustände beobachtet. In einer 
Reihe von Fällen war die Anästhesie nicht vollständig; 12 waren Versager. Im 
übrigen bestätigt B. das günstige Urteil anderer Chirurgen über die Stovain- 
anästhesie. Kramer (Glogau). 


38) F. König (Altona). Bleibende Rückenmarkslähmung nach Lumbal- 
anästhesie. 
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 23.) 

Bei einem 35jährigen Manne mit subkutaner Zerreißung der Kniescheibe samt 
Seitenbändern war am 8. Tage nach dem Unfalle zur Ausführung der blutigen 
Naht die Lumbalanästhesie mit Riedel’schem Stovain (0,06!) in typischer Weise 
ausgeführt worden. Seitdem kehrten die erloschenen Funktionen etwa vom Nabel 
abwärts nicht mehr zurück; es blieb das ganze Gebiet nach unten vom 7. Dorsal- 
wirbel tot wie bei einer Totalläsion des Rückenmarkes. Unter den gewöhnlichen 
Folgeerscheinungen ging Pat. nach 3 Monaten zugrunde. In der durch Lumbal- 
punktion gewonnenen Spinalflüssigkeit fanden sich vereinzelte rote Blutkörperchen, 
wenige mono- und polynukleäre Leukocyten, keine Bakterien; die Obduktion ergab 
auffallend starke Erweichung des Rückenmarkes, nirgends Eiterherde, keine eitrige 
Meningitis, nur Verwachsungen. — Da eine Infektion auch nach dem Befund aus- 
zuschließen war, muß angenommen werden, daß es sich um eine toxische Wirkung 
des Stovain gehandelt hat. Kramer (Glogau). 


39) M. Landow. Ein Fall von doppelseitiger Abducenslähmung, ver- 
bunden mit außergewöhnlich heftigen und lange anhaltenden Nacken- 
schmerzen nach Rückenmarksanästhesie. 

(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 30.) 


Im vorliegenden Falle waren 2,5 ccm einer 5% igen Novokain-Suprareninlésung 
zur Lumbalanästhesie verwendet worden (außerdem vorher eine Skopolamin-Morph.- 


1072 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 


Injektion und wegen ungenügender Anästhesie Chloroformnarkose!); die Lähmung 

stellte sich am 7. Tage nach der Operation (wegen Mastdarmfistel und Hämor- 

rhoiden) ein, mit ihr die sehr heftigen Kopf- und Nackenschmerzen, die über 

4 Wochen andauerten und sich immer nur bei Tieflagerung des Kopfes besserten. 
| Kramer (Glogau). 


40) P. Roeder. Zwei Fälle von linksseitiger Abducenslähmung nach 
Rückenmarksanästhesie. (Aus der chir. Abteilung des Krankenhauses 
der jüdischen Gemeinde zu Berlin. Prof. J. Israel.) 
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 23.) 

In den beiden Fällen war 0,04 g Stovain und 0,00013 g Epirenan in 1,25 ccm 
Flüssigkeit in den Lumbalsack eingespritzt worden; die Abducenslähmung trat bei 
beiden Pat. am 12. Tage p. op. auf, ging aber innerhalb weniger Wochen wieder 
völlig zurück. Daß Blutungen im Kerngebiete des Abducens als Ursache der 
Lähmung anzusehen seien, dagegen spricht das späte Auftreten der letzteren nach 
der Spinalpunktion; viel wahrscheinlicher ist die Annahme einer toxischen Wir- 
kung des Stovains auf den Abducens, der von jeher als ein Locus minoris resi- 
stentiae angesehen worden ist. Kramer (Glogau). 


41) F. Kuhn (Kassel). Technisches zur Bier’schen Stauung. 
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 21.) 

Die von K. empfohlene Stauungsklammer erlaubt, kurze Stücke von Gummi- 
binden zu benutzen und den Druck genau zu dosieren und zu regulieren; sie 
zeichnet sich durch Einfachheit der Konstruktion und Billigkeit des Preises aus. 
— An den Saugglocken hat K. eine zweckmäßige Anderung angebracht; sie tragen 
oben einen Stiel mit seitlichem Loch auf den ein dasselbe Loch führender konischer 
Stopfen paßt. Auf diesen wird der Saugballon aufgestülpt, so daß das Loch im 
Stopfen freibleibt; durch eine Drehung des Stopfens läßt es sich luftdicht ab- 
schließen. Eine Marke an der Glocke bezeichnet die Richtung, wo das Loch in 
der Röhre sitzt. Die Einrichtung ermöglicht es, mit einem Balle für viele Glocken 
auszukommen. Kramer (Glogau). 


42) K. Grube (Neuenahr). Die Anwendung der Hyperämie nach 
Bier bei einigen Erkrankungen der Diabetiker. 
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 29.) 

G. ist in der Lage, im Gegensatze zu Colley über günstige Erfolge der 
Saugbehandlung bei Furunkulose der Diabetiker zu berichten. Bei diabetischem 
Fußgeschwür und umschriebener -gangrän brachte die heiße Luft, der der Fuß 
täglich eine Stunde lang in einem Heißluftkasten ausgesetzt war (60—65° C.), den 
Pat. große Linderung der Schmerzen und führte zu Heilung der Geschwüre. 

Kramer (Glogau). 


43) W. Uffenrode. Kritische Bemerkungen über die Sondermann’sche 
Saugmethode bei Erkrankungen der Nasennebenhöhlen. (Aus der kgl. 
Poliklinik für Ohren- und Nasenkranke in Göttingen.) 
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 24.) 

Auf Grund seiner klinischen Erfahrungen und Leichenuntersuchungen bestreitet 
U., daß mit dem Sondermann’schen Verfahren das Sekret aus den Nasenneben- 
höhlen vollkommen entfernt, eine genaue topische Diagnose gestellt, der Apparat 
sicher sterilisiert werden könne. Bessere Resultate liefert bei gleichzeitiger Spü- 
lung die Bier’sche Stauung bei akuten und subakuten Fällen. 
Kramer (Glogau). 


Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man 
an Prof. B. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- 
handlung Breitkopf & Härtel, einsenden. 


Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig, Nürnbergerstraße 36/38. 


Zentralblatt 
CHIRURGIE 


| Bee uber 


E. von Bergmann, T. König, E, ‚Richter, 


in Berlin, 





'Dreiunddreißigster Jahrgang. 





Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei halbjähriger 
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten. 
(Earn EEE EEE EEE EEE EEE EEE EEE TEE SEES 


Nr. 40. Sonnabend, den 6. Oktober. 1906. 





Inhalt: C. Lauenstein, Zur Bedeutung der spitzwinkligen Stellung des Kniegelenkes in 
Fällen von Beugekontraktur des Hüftgelenkes durch schwere Koxitis. (Original-Mitteilung.) 

1) Barthélemy, Kleinhirnerkrankungen. — 2) Brühl und Politzer, Obrenheilkunde. — 
3) Krotoschiner, Einseitige Labyrintherkrankungen. — 4) Heine, Otogene Meningitis. — 
5) Neumann, Antrotomien und Radikaloperation. — 6) Goyanes, Lidplastik. — 7) Kalllus, 
Geruchs- und Geschmacksorgan. — 8) Onodi, Die Nasennebenhöhlen. — 9) Schmiegelow, 
Nasen- und Augenkrankheiten. — 10) Onodi und Rosenberg, 11) Brindel, 12) Mouret und 
Toubert, 13) Heermann, 14) Börger, Krankheiten der Nase und ihrer Nebenhöhlen. — 
15) Broca, Angeborene Halsfistel. — 16) Gerhardt, Speiseröbrenstenose. — 17) Sauerbruck 
und Hascker, Cardiaverschluß der Speiseröhre. 

Lengfellner, Kurze Mitteilung über Versuche mit Zelluloideinlagen in Verbindung mit 
Filz und Gummi. (Original-Mitteilung.) 

18) Schmieden, Zur Hyperämiebehandiung des Kopfes. — 19) Valentin, 20) Hoffmann, 
21) Henrici, 22) Heine, 23) Freytag, Otologisches. — 24) Koelireutter, Extraktion eiserner 
Fremdkörper aus Nase und Ohr. — 25) Doering, Schiefhals. — 26) Opokin, Retropharyngeal- 
abszesse. — 27) de Riba, Resektion der großen HalsgefiBe und des Vagus. — 28) Kobylinski, 
Kehlkopfpapillome. — 29) Cohn, Thymustod. — 30) Castex, Tracheotomie. 





Zur Bedeutung der spitzwinkligen Stellung des 
Kniegelenkes in Fällen von Beugekontraktur des 
Hüftgelenkes durch schwere Koxitis. 

Von 
Oberarzt Dr. Carl Lauenstein in Hamburg. 

Es gibt selbst in den großen Städten heutzutage noch Fälle 
schwerer Koxitis, die dem Chirurgen erst zu Gesichte kommen, nach- 
dem sie schon ein oder mehrere Jahre bestanden haben. Das hervor- 
stechendste Symptom dieser längere Zeit unbehandelten oder doch 


längere Zeit ohne Extension gebliebenen Fälle ist die Beugekontraktur 
des Hüftgelenkes, meist verbunden mit Adduktion und Innenrotation 


40 


1074 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40. 


wechselnden Grades. Die Kinder, die diese Stellung der kranken 
Hüfte bieten, haben für gewöhnlich dauernd auf der gesunden Seite 
gelegen, das erkrankte Bein ist durch sein Eigengewicht, abgesehen 
von der Beugung, herangezogen und nach innen gedreht. Macht man 
an diesen Kranken die Thomas’sche Probe, indem man den gesunden 
Oberschenkel so stark wie möglich beugt, so tritt der Grad der Beuge- 
kontraktur auffällig hervor. Je stärker die Beugung des erkrankten 
Hüftgelenkes, desto stärker beugt sich das gleichseitige Knie. Bei 
. starker Beugekontraktur des Hüftgelenkes steht nicht selten das zu- 
gehörige Knie in spitzem Winkel. Diese spitzwinklige Stellung des 
Kniegelenkes ist abhängig von der Erschlaffung des Streckapparates 
des Unterschenkels, andererseits direkt veranlaßt durch die Anspan- 
nung der Unterschenkelbeuger. Um so merkwürdiger ist es, daß eine 
unangenehme gelegentliche Folge dieses Abhängigkeitsverhältnisses der 
Stellung zwischen Hüft- und Kniegelenk in den bekannten Lehr- und 
Handbüchern der Chirurgie und Orthopädie keine Erwähnung findet. 
Vielleicht hängt dies damit zusammen, daß in der Tat einzelne Chi- 
rurgen die starke Beugekontraktur nur selten oder vielleicht nie ge- 
sehen haben. Wo die Koxitis frühzeitig durch Extension oder mit 
Gipsverband (bei gestrecktem Knie) behandelt wird, da kommt es 
weder zu den stärkeren Graden der Beugekontraktur am Hüftgelenke, 
noch zu der entsprechenden Beugestellung des zugehörigen Knie- 
gelenkes. 

Ist diese Beugekontraktur des Hiiftgelenkes durch eine schwere 
ostale Tuberkulose mit Abszeßbildung verursacht, so wird eine ratio- 
nelle Behandlung nur in der Entfernung alles Erkrankten — also der 
Resektion — bestehen können. Hat man bei der Operation nun so 
viel vom oberen Femurende entfernt, daB es gelingt, den Oberschenkel 
in die Stellung zu bringen, d. h. zu strecken resp. zu abduzieren, so 
ist damit nur die fehlerhafte Stellung des Hüftgelenkes, nicht aber 
die Beugestellung des Kniegelenkes beseitigt. Gerade diese Schwierig- 
keit, die in der Beugestellung des an sich gesunden Kniegelenkes liegt, 
die eine, wenn auch sekundäre, aber doch nicht unwesentliche Bedeu- 
tung hat, finde ich in der Literatur nirgends erwähnt. Ich möchte 
daher die Aufmerksamkeit darauf lenken. 

Diese Beugestellung des Knies, bedingt durch die lange Zeit 
fortgesetzte einseitige Innervation der Beugemuskulatur des Unter- 
schenkels, bei fehlendem Gegenzuge der Streckmuskeln, ist oft so fest, 
daß sie nicht rasch nachgeben kann. Wer nun nach der Resektion 
der kontrakturierten Hüfte, in der Überzeugung, die Ursache der 
Kontrakturstellung beseitigt. zu haben, das Bein, also auch das Knie- 
gelenk gleich zu strecken sucht, sei es um Extension oder Gipsverband 
anzulegen, der kann die unangenehme Erfahrung machen, daß der 


durch den langen Nichtgebrauch atrophierte Oberschenkelknochen ein-: 


bricht. Und zwar tut er dies immer nur an einer bestimmten Stelle, 
das ist die Gegend der unteren Epiphysenlinie. Es tritt hier durch 
die Hebelwirkung des passiv gestreckten Unterschenkels plus der spitz- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40. 1075 


winklig oder überhaupt nur winklig mit ihm im Kniegelenk verbun- 
denen unteren Femurepiphyse eine traumatische Epiphysenlösung ein. 

Es sei mir gestattet, ein kürzlich erlebtes Beispiel anzuführen, 
das mir eine bereits weiter zurückliegende Erfahrung wieder lebhaft 
in die Erinnerung rief: 


bjähriger Knabe R. M., seit 3 Jahren an rechtsseitiger Koxitis leidend, zeigt 
rechtwinklige Beugekontraktur des Oberschenkels verbunden mit einer Adduktions- 
stellung von etwa 20 und einer Innenrotation von etwa 15°. Großer Trochanter 
3cm über der Nelaton’schen Linie. Im oberen Drittel des Oberschenkels, nach 
außen vom Sartorius, eine länglich ovale, undeutlich fluktuierende Schwellung 
(Senkung). Passive Streckung des Oberschenkels unmöglich, Gelenk auf Druck sehr 
schmerzhhaft. Spitzwinklige Stellung des rechten Knies. 

Bei der Operation wurde erst der Senkungsabszeß geöffnet. Der seröse Eiter 
enthielt zahlreiche reiskörperchenähnliche Fibringerinnsel.e. Durch einen feinen 
Kanal stand er mit der Hinterseite des Gelenkes in Verbindung. Das Gelenk zeigte 
schwere Zerstörung, indem der Kopf schon größtenteils fehlte und der Knorpel 
des oberen Pfannenabschnittes vollkommen zerstört war. Um die Beugekontraktur 
beseitigen zu können, mußte der Femurschaft noch 2 cm unterhalb des großen 
Trochanter abgetragen werden. Der das Bein dirigierende Assistent übte wohl 
nur einen mäßigen Zug am Unterschenkel aus, aber er reichte hin, den Schaft 
des Femur in der Epiphysenlinie einzuknicken. Anlegung eines Gipsverbandes bei 
gestrecktem Hüft- und nahezu rechtwinklig gebeugtem Kniegelenk. 


Noch ein anderes Beispiel füge ich an, das ich schon vor 7 Jah- 
ren erlebte: 


Knabe O. F. operiert am 31. Januar 1900. Seit etwa 11/2 Jahren krank. 
Linker Oberschenkel in extremer Beugestellung bei geringer Außenrotation. Großer 
Trochanter 2 cm über der Nelaton’schen Linie. Im Gelenke breiiger Eiter, Kopf 
in seinem oberen Teile fast vollkommen zerstört. In der Pfanne der Knorpel ge- 
löst. Großer Trochanter mit fortgenommen. Richtigstellung des Oberschenkels, 
volle Streckung und mäßige Abduktion. Es zeigt sich, daß bei den Manipula- 
tionen des Beines die untere Femurepiphyse sich gelöst hat, weil das 
Knie auch spitzwinklig stand. Gipsverband. 


Dies Ereignis der Infraktion des J— an oder dicht 
über der unteren Epiphysenlinie ist eine Folge der beiden zusammen- 
wirkenden Ursachen, der sekundären Beugestellung des Knies und 
der Atrophie des Knochens, die ihrerseits wieder hervorgerufen und 
begünstigt wird durch den langen Nichtgebrauch der Extremität. Man 
wird ihm nur dadurch vorbeugen können, daß man zunächst nach der 
Resektion lediglich die abnorme Stellung des Oberschenkels korrigiert 
und das Kniegelenk fürs Erste in seiner alten Stellung läßt. Zu 
diesem Zwecke wird man den Verband, den man wählt, sei es der 
Streck- oder Gipsverband, zunächst bei gebeugtem Kniegelenk anlegen 
müssen. 

In allen den Fällen, wo die Einknickung des Femur eintritt, wird 
man zweckmäßigerweise sich zur Nachbehandlung des gefensterten 
Gipsverbandes bedienen. Einen Nachteil habe ich bei dem zweiten meiner 
angeführten Fälle von der akzidentellen Verletzung nicht gesehen, 
vielmehr ist das Femur ungestört zur Konsolidation gelangt. 





40* 


1076 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40. 


1) M. Barthélemy. De la valeur du syndrome cérébelleux 
et en particulier des troubles oculaires. 
(Arch. prov. de chir. 1906. Nr. 5 u. 6.) 

B. hat aus der Literatur 61 einwandsfreie Fälle von Kleinhirn- 
affektionen auf den Wert der sog. Kleinhirasymptome durchforscht 
und als Resultat seiner Untersuchung gefunden, daß es keine für 
Kleinhirnaffektionen typische Symptome gibt. Diagnostisch am wich- 
tigsten sind, wo sie vorhanden, die Augensymptome — einseitiger 
Strabismus, Stauungspapille. Doch fehlen sie leider häufig. Vier 
Fälle, die klinisch als Kleinhirnerkrankungen imponierten, beschreibt 
Verf., doch konnte in keinem der strikte Nachweis geführt werden, 
daß das Kleinhirn wirklich der Sitz der Krankheit war. In dem 
einen Falle, der zur Operation kam, wurde das Kleinhirn gesund ge- 
funden. Müller (Dresden). 


2) G. Brühl unter Mitwirkung von A. Politzer. Grundriß 
und Atlas der Ohrenheilkunde. 2. Aufl. 1905. 
(Lehmann’s med. Handatlanten Bd. XXI.) 

Die Vorzüge der meisten Lehmann’schen Atlanten: ausgezeich- 
nete Abbildungen, begleitet von einem trotz der Knappheit inhaltreichen 
Text, sind allgemein anerkannt. Das vorliegende B.’sche Buch besitzt 
diese Eigenschaften in ganz besonderem Maße; daß es nach wenigen 
Jahren in zweiter Auflage erscheint, beweist am besten, daß es auch 
entsprechende Verbreitung gefunden hat. 

Das Werkchen besteht aus zwei Teilen: dem eigentlichen, 
47 Tafeln mit 265 farbigen Abbildungen enthaltenden Atlas, und dem 
347 Seiten mit 163 Textbildern umfassenden Grundriß. Letzterer 
erscheint in der neuen Auflage zum Teil völlig umgearbeitet, ersterer 
um 8 Tafeln vermehrt. Die Ergebnisse der letzten Jahre auf dem 
Gebiete der Pathologie und Ohrchirurgie sind ausführlich berücksichtigt. 

Hinsberg (Breslau). 








3) Krotoschiner. ber den Nachweis von Gleichgewichts- 


störungen bei einseitigen Labyrintherkrankungen. 
(Zeitschrift für Obrenheilkunde Bd. LI. p. 396.) 

Nach Operationen am Ohr sieht man nicht selten plötzlich eine 
tödliche Meningitis einsetzen, deren Ausgangspunkt meist, wie wir 
durch neuere Forschungen wissen, eine nicht diagnostizierte Labyrinth- 
eiterung bildet. Diese Erfahrung einerseits, andererseits die Tatsache, 
daß wir die Gefahren der Labyrintheiterung durch operative Eröffnung 
des inneren Ohres sehr herabmindern können, machen es dringend 
wünschenswert, daß möglichst vor jeder Ohroperation festgestellt wird, 
ob und wie weit das Labyrinth erkrankt ist. 

Die Diagnose ist leicht, wenn zur Zeit der Untersuchung typi- 
sche Reizsymptome: Schwindel, Nystagmus neben Taubheit bestehen. 
Diese Reizsymptome können jedoch, wenn sie überhaupt vorhanden 


Zentralblatt für Chirurgie Nr. 40. 1077 


waren, völlig schwinden, in anderen Fällen sind sie überhaupt nicht 
vorhanden gewesen oder wenigstens nur schwach ausgebildet. Gerade 
diese »latenten« Labyrintheiterungen sind aber anscheinend die ge- 
fährlichsten. K. hat sich deshalb die Aufgabe gestellt, zu unter- 
suchen, wie weit sich bei solchen Fällen schon vor der Operation die 
Labyrintherkrankung erkennen läßt. 

K. hat zu diesem Zwecke 14 Pat. der Breslauer Ohrenpoliklinik, 
bei denen eine einseitige Labyrinthaffektion vorlag, sehr genauen 
Gleichgewichtsprüfungen unterzogen. Untersucht wurde die Fähigkeit 
der Gleichgewichtserhaltung auf horizontaler und auf schiefer Ebene, 
ferner die Fähigkeit, mehr oder weniger komplizierten Gang bezw. 
Hüpfversuche auszuführen, teils mit offenen, teils mit geschlossenen 
Augen. Dabei ließen sich bei fast sämtlichen Pat. deutliche Aus- 
fallserscheinungen nachweisen, d. h. sie konnten Ubungen, die der 
normale Mensch ohne Schwierigkeit ausführt, gar nicht oder nur 
schlecht ausführen. ; 

Ferner wurden bei denselben Personen Versuche auf der Dreh- 
scheibe vorgenommen, um festzustellen, wie weit der bei normalen 
Menschen dabei auftretende Drehschwindel und Nystagmus durch 
einseitige Labyrintherkrankung beeinflußt wird. Dabei wurden typische 
Störungen, wie man sie nach den Mitteilungen anderer Untersucher 
hätte erwarten können, nicht gefunden. 

Eine genaue Analyse des Hörvermögens ergab in der Regel Taub- 
heit auf dem labyrinthkranken Ohre, doch war bei einzelnen Pat. mit 
sicherer Erkrankung des Vestibularapparates noch ein mehr oder 
weniger großer Hörrest vorhanden — ein Beweis dafür, daß bei der 
Erkrankung von Vestibulum und Bogengängen die Schnecke verschont 
bleiben kann (umschriebene Labyrintheiterung). 

K. kommt zu dem Schlußresultat, daß sich auf Grund der stati- 
schen Ausfallserscheinungen und der Hörstörung in der Regel auch 
die latente Laby:inthitis ziemlich sicher diagnostizieren läßt. Der 
Arbeit sind einige 'l'afeln mit »Ichnogrammen«, d.h. Aufzeichnungen 
der Gangspur labyrinthkranker Pat., die deutliche Störungen erkennen 
lassen, beigegeben. Hinsberg (Breslau). 





4) B. Heine. Die Prognose der otogenen Meningitis. 
(Berliner klin. Wochenschrift 1906. Nr. 4.) 


Die Prognose der Meningitis serosa bzw. der Meningo-Encephalitis 
serosa ist eine günstige, wenn bei Erkrankung des Schläfenbeines der 
operative Eingriff rechtzeitig gemacht wird. Von der abgekapselten 
Form der eitrigen Meningitis sind sicher schon Fälle geheilt worden, 
von der akut fortschreitenden wahrscheinlich ebenfalls. Jedenfalls ist 
es mit größter Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß sie heilbar ist. 
Die Prognose der allgemeinen eitrigen Meningitis ist absolut ungünstig. 

Langemak (Erfurt). 





1078 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40. 


5) H. Neumann. Antrotomien und Radikaloperationen in 
Lokalanästhesie. 
(ZeitschrifY für Ohrenheilkunde Bd. LI. p. 178.) 

Die Freilegung des Antrum mastoideum läßt sich nach subkutaner 
und subperiostaler Kokainlösung mit Adrenalinzusatz (verwendet wur- 
den von N. 5 ccm 1%iger Kokainlösung + 12 Tropfen Adrenalin 
+ 3 ccm physiologischer NaCl-Lösung) völlig schmerzlos ausführen. 
Auch die Radikaloperation verläuft unter Lokalanästhesie schmerzlos, 
wenn der Gehörgang infiltriert wird. | 

N. gibt genaue Vorschriften fiir die Erzielung der lokalen An- 
ästhesie. Hinsberg (Breslau). 





6) Goyanes. Fridioplastia. Nueva operacion reparadora.. 
(Rev. de med. y cirurg. pract. de Madrid 1905. Nr. 901.) 

G. empfiehlt eine plastische Operationsmethode zum Ersatze des 
oberen Augenlides, die er Phridioplastie nennt, von »weıdıog« Augen- 
braue und nAcossıv. Dieselbe besteht darin, daß ein gestielter Lappen 
mit der Basis an der Nasenwurzel aus der Haut oberhalb der Augen- 
braue der gesunden Seite gebildet und durch Stieldrehung auf die 
kranke Seite verlagert wird. Der entstehende Defekt wird sekundär 
durch Lappenverschiebung aus der Stirnhaut gedeckt. — Die Resul- 
tate sind nach beigefügten Bildern recht gut. Stein (Wiesbaden). 





7) E. Kallius. Geruchsorgan (Organon olfactus) und Ge- 
schmacksorgan. 2708. 110 Abbildungen im ‘Text. 
Jena, Gustav Fischer, 1905. 

Das K.’sche Werk bildet die 13. Lieferung des Handbuches der 
Anatomie des Menschen, herausgegeben von Bardeleben. 

Der größere Teil ist der Nase gewidmet (242 S.). In ihm ist die 
makroskopische und mikroskopische Anatomie der Nase und ihrer 
Nebenhöhlen, wie ihre Entwicklung ausführlich besprochen. Für den 
Chirurgen dürfte in erster Linie das die Konfiguration der Nasenhöhle 
selbst und die der Nebenhöhlen enthaltende Kapitel von Interesse sein. 
Von den Abbildungen seien besonders die Reproduktionen von Me- 
tallkorrosionspräparaten der gesamten Nasenhohlräume, von v. Brunn 
stammend, hervorgehoben; sie sind außerordentlich instruktiv. Ferner 
sei auf das Kapitel über die Entwicklung und vergleichende Anatomie 
der Nase hingewiesen, in dem die Forschungen der letzten Jahre aus- 
führliche Berücksichtigung gefunden haben. 

Der Abschnitt über das Geschmacksorgan behandelt in der Haupt- 
sache den mikroskopischen Bau der verschiedenen, den Geschmack 
vermittelnden Organe. Hinsberg (Breslau). 





Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40. 1079 


8) Onodi. Die Nebenhöhlen der Nase. 
Wien, A. Hölder, 1905. 

Die letzten Jahre haben uns eine Reihe ausgezeichneter anatomi- 
scher Darstellungen von Nase und Nasennebenhöhlen gebracht; ich 
erinnere nur an die Werke bzw. Atlanten von Zuckerkandl, Hart- 
mann und Killian. Das vorliegende Werk reiht sich diesem würdig 
an Auf 124 Tafeln in Großquartformat sind fast ebensoviel ana- 
tomische Präparate in mustergültiger Weise reproduziert, durchgehends 
in natürlicher Größe und meist nach photographischen Aufnahmen; 
ein kurzer Begleittext hebt jeweils die wichtigen Punkte hervor. Die 
Abbildungen wirken fast sämtlich außerordentlich plastisch. Durch 
geschickte Schnittführung und geeignete Präparationsmethoden (auch 
die im Killian’schen Atlas verwandte Präparation der durch Formalin 
gehärteten Nebenhöhlenschleimhaut wurde zum Teil benutzt) ist es 
dem Autor gelungen, auch sehr komplizierte Verhältnisse ‘klar zu 
illustrieren. Besonderer Wert ist auf die Darstellung der topographi- 
schen Beziehungen zwischen Nase und den benachbarten Organen 
gelegt, ebenso auf die der zahlreichen Variationen. Einige typische 
Operationen (Eröffnung der Stirn- und der Kieferhöhle) sind durch 
Serien von Figuren erläutert. 

Der Atlas kann demnach warm empfohlen werden. Der Preis 
(4 20) ist in Anbetracht der vorzüglichen Ausstattung nicht hoch zu 
nennen. | Hinsberg (Breslau). 





9) E. Schmiegelow. Beitrag zur Beleuchtung der Be- 
ziehungen zwischen Nasen- und Augenkrankheiten. 
(Archiv für Laryngologie Bd. XVIII. Hft. 3.) 

Im Anschluß an zwei bemerkenswerte Beobachtungen und unter 
Anführung der neuesten Literatur über den in Rede stehenden Gegen- 
stand empfiehlt S. energisch und nach Ansicht des Ref. mit vollem 
Recht ein viel innigeres Zusammenarbeiten zwischen Ophthalmologen 
und Rhinologen. Nicht nur die Fälle, wo dem Pat. Nasenbeschwerden 
zum Bewußtsein kommen, nein alle diejenigen, welche überhaupt für 
die Möglichkeit eines Zusammenhanges in Betracht kommen, gehören 
vor das Forum der Rhinologie. Jeder erfahrene Nasenarzt weiß heut- 
zutage, eine wie minutiöse Untersuchung dazu gehört, um latente Eite- 
rungen der hinteren Nebenhöhlen — und gerade diese kommen vornehm- 
lich in Betracht — zu diagnostizieren. Der Fortschritt, welchen die 
Erkenntnis und Behandlung der Nebenhöhleneiterungen gerade in den 
letzten Jahren gemacht, wird sich auf diesem Gebiete immer mehr 
bemerkbar machen, und es ist vor allem unsere Aufgabe, die Allge- 
meinheit der Augenärzte darauf hinzuweisen. 
= Im ersten Falle handelte es sich um eine retrobulbäre Neuritis, 
die sich im Anschluß an eine akut entstandene Entzündung im Sinus 
sphenoidalis und in den Cellulae ethmoidales entwickelte. H. war auch 
hier erstaunt über das Mißverhältnis, das zwischen dem ante- und 


1080 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40. 


postoperativen Bilde der Nasenhöhle bestand. Erst nach Eröffnung 
der Höhlen trat die reichliche Eiterung zutage. 

Im zweiten Falle wurde eine doppelseitige Neuritis optica, die 
sich im Laufe von 21/, Jahren entwickelt hatte, durch Eröffnung eines 
doppelseitigen Keilbein-Siebbeinempyems wesentlich gebessert. 

F. Alexander (Frankfurt a. M.). 


10) Onodi und Rosenberg. Die Behandlung der Krank- 


heiten der Nase und des Nasenrachens. 
Berlin, Oscar Coblentz, 1906. 

In den rhinologischen Unterrichtskursen werden, wie die Verf. 
beobachtet haben, in der Regel die Untersuchungstechnik und die 
Erkennung der Nasenkrankheiten in erster Linie berücksichtigt, 
während die Therapie meist kürzer behandelt wird. 

Das vorliegende Buch soll die dadurch entstehende Lücke aus- 
füllen. Es setzt deshalb die Diagnostik im allgemeinen als bekannt 
voraus, um einen möglichst umfassenden Überblick über die heute 
gebräuchlichen rhinologischen Behandlungsmethoden zu geben. 

Dieser Zweck ist von Verff. in ausgezeichneter Weise erreicht, 
das Buch kann deshalb jedem, der Rhinologie betreibt, bestens 
empfohlen werden. Es ist anregend geschrieben, die eigene An- 
schauung der Autoren, die auf jahrelangen Erfahrungen basiert, ist 
überall klar zum Ausdruck gebracht. 

Besonders angenehm berührt den Ref. der gemäliigt konservative 
Standpunkt und die strenge Indikationsstellung bei endonasalen Ein- 
griffen, vor allem auch bei der Behandlung der Nebenhöhlenerkran- 
kungen. Gerade das ist ein Gebiet, auf dem heute durch kritikloses 
Operieren viel gesündigt wird. 

Die Ausstattung des Buches ist gut. Die Abbildungen, die zum 
Teil dem O.’schen Atlas (Nebenhöhlen der Nase) entnommen sind, 
sind instruktiv. Hinsberg (Breslau). 





11) Brindel. Paraffine solide et paraffine liquide dans la 


prothese nasale. 
(Revue hebdom. de laryngol., d’otol. et de rhinol. 1906. Nr. 23.) 

Die Anwendung soliden oder, wie Verf. sagt, halbflüssigen Paraf- 
fins, wie es Broeckaert empfohlen, und das überall viel Anklang 
gefunden hatte, weil die Unzuträglichkeiten des warmen Einspritzens 
wegfielen, möchte Verf. nur bei subkutaner Einverleibung oder bei 
nicht atrophischer Schleimhaut gelten lassen. Bei Atrophie übt das 
kalte Paraffin bei seiner geringen Ausbreitungsfähigkeit einen zu starken 
Druck auf einen ganz beschränkten Raum aus und führte zweimal zu 
einer Nekrose der darüber liegenden Schleimhaut. Daher empfiehlt 
Verf., die Verwendung kalten Paraffins auf äußere Deformitäten und 
Fälle von »Üoryza spasmodique« zu beschränken. 

_ F. Alexander (Frankfurt a. M.). 





Zentralblatt fiir Chirurgie. Nr. 40. 1081 


12) J. Mouret et J. Toubert. Traitement des déviations de 
la cloison des fosses nasales. 
‘Revue hebdom. de laryngol., d’otol. et de rhinol. 1906. Nr. 20.) 

Die vervollkommnete Technik dieser Operation durch das von 
Killian modifizierte Krieg’sche Verfahren hat der Verbiegung der 
Nasenscheidewand in den letzten 2 Jahren sehr viel Beachtung ge- 
bracht. Man hat besser gelernt, die einzelnen Arten der Verbiegungen 
nach ihrer Form und der Beteiligung der einzelnen in Betracht kom- 
menden Komponenten (Knorpel, Vomer, Lamina perpendicularis) ge- 
nauer zu klassifizieren. Eine derartige Übersicht in anatomischer 
Hinsicht geben auch die Verff. und fügen dem eine Art historischer 
Übersicht über die jeweils bei den einzelnen Formen angewandten 
Verfahren bei. Die wichtigsten Verbiegungen werden genauer erläu- 
tert und ihre Behandlung an der Hand von Zeichnungen beschrieben. 
Im allgemeinen. zeigt sich, daß wir in der submukösen Resektion ein 
geradezu universelles Verfahren besitzen, das wohl bald alle anderen 
Methoden verdrängt haben dürfte. Verff. beschreiben ihre Technik; 
sie ziehen zur Durchtrennung der Schleimhaut den Galvanokauter vor 
und halten. (wie Ref.)"das Killian’sche Spekulum für unnötig. Falls 
nicht zwingende Gründe vorliegen, operieren sie nicht vor dem 
15. Lebensjahre. F. Alexander (Frankfurt a. M.). 





4 


13) Heermann (Essen). Zur konservativen Behandlung der 


Nasennebenhöhleneiterungen. 
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 24.) 

Bei akuten Oberkieferhöhleneiterungen, die stinkend werden, 
durchstößt H. die seitliche Wand des unteren Nasenganges und führt 
einen 6— cm langen Seidenkatheter in die Oberkieferhöhle ein, durch 
den letztere ausgespült wird. Bei den chronischen Eiterungen muß 
eine breite Kommunikation zwischen Kieferhöhle und Nase geschaffen 
und zu diesem Zwecke die intranasale Entfernung der seitlichen Wand 
des unteren Nasenganges nach Aufklappen der unteren Muschel vor- 
genommen werden; nach dem Eingriff wird Oberkieferhöhle und un- 
terer Nasengang mit Vioformgaze tamponiert, nach 4 Tagen der 
Tampon gewechselt, die untere Muschel in ihre alte Lage zurück- 
gebracht und durch einen Tampon festgehalten. Mit der Entleerung 
des Eiters bildet sich die wulstige Schwellung der Kieferhöhlen- 
schleimhaut bald wieder zurück; eine Auskratzung derselben ist, sofern 
nicht ausgedehntere Karies der Wände besteht, überflüssig und eher 
nachteilig. — Zur Eröffnung der Keilbeinhöhle und des Siebbein- 
labyrinths bedient sich H. mit bestem Erfolg einer besonders kon- 
struierten (H. Pfau, Berlin) Zange mit verschiedenen Ansätzen. Die 
Stirnbeinhöhle eröffnet er nach Abtragung des vorderen Endes der 
mittleren Muschel von dem ausgeräumten Siebbeinlabyrinth aus, wobei 
die Stirnzellen nach vorn eingedrückt werden. — Für die Nach- 


1082 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40. 


behandlung kommt die Saugmethode mit dem Muck’schen Saug- 
gläschen in etwas modifizierter Form mit größtem Nutzen in Anwen- 
dung. Kramer (Glogau). 





14) Börger. Bisherige Erfahrungen mit einer Modifikation 
der Friedrich’schen Operation der chronischen Kiefer- 
höhlenempyeme. 

(Archiv für Laryngologie Bd. XVIII. Hft. 3.) 

Im vergangenen Jahre hatte Denker im Archiv für Laryngo- 
logie eine Kombination der Luc-Bönninghaus’schen Methode mit 
der von Kretschmann und Friedrich publiziert, über die Ref., 
bereits auf eigene Erfahrungen gestützt, in diesem Zentralblatte be- 
richten konnte. Verf. hat nun die gleiche Operation, die er modifi- 
zierte Friedrich’sche nennt, in sechs Fällen ausgeführt. Nur in einem 
Falle, wo ein reines Kieferhöhlenempyem vorlag, erfolgte prompte 
Heilung. Die übrigen Fälle boten, weil sie mit Siebbein-Keilbein- 
höhleneiterungen kompliziert waren, bei der Nachbehandlung große 
Schwierigkeiten. Ref. hat in derartigen Situationen es vorgezogen, 
möglichst zuerst die Siebbein-Keilbeineiterungen einer endonasalen _ 
Behandlung zu unterziehen; dies hat den doppelten Vorteil, daß man 
erstens nach Ausheilung dieser Eiterungen oft sieht, daß Kieferhöhlen- 
eiterungen sich danach einer konservativeren Bebandlung wesentlich 
zugänglicher zeigen, und zweitens, wenn man doch noch gezwungen ist, 
radikal zu operieren, die Heilungsbedingungen für die Kieferhöhle be- 
deutend günstiger liegen. Bei diesem Vorgehen würde Verf. auch 
Ursache habe, den Wert der Denker’schen oder modifizierten Frie- 
drich’schen Operation wesentlich höher anzuschlagen. Endlich wäre 
noch zu erwähnen, daß das Siebbein von der breit eröffneten Kiefer- 
höhle aus recht gut angreifbar ist. Alle oralen Methoden sind mi- 
lich und werden immer mehr verschwinden. 

F. Alexander (Frankfurt a. M.). 





15) Broca. Procédé opératoire pour fistule congénitale la- 


terale du cou. 
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXIIL. p. 222.) 

B. empfiehlt bei angeborenen lateralen Halsfisteln, die über den 
Kieferwinkel emporreichen, unter Umschneidung der Fistelöffnung den 
unteren Teil des Fistelganges zu exstirpieren, dann aber von einem 
zweiten, hinter dem aufsteigenden Kieferaste angelegten Schnitt aus den 
nach oben durchgezogenen Fistelgang weiter zu verfolgen und auszulösen ; 
als Vorteil seiner Methode bezeichnet er neben einem sehr günstigen 
kosmetischen Resultate die bessere anatomische Übersicht an der 
Stelle, wo der Fistelgang oberhalb des großen Zungenbeinhornes das 
Gefäß-Nervenpaket kreuzt. Thümer (Chemnitz). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40. 1083 


16) D. Gerhardt (Jena). Zur Therapie der Ösophagus- 
stenosen. 
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 27.) 

G. hat die in der Naunyn’schen Klinik geübte Morphiumthera- 
pie bei Osophagusstenosen mit großem Nutzen in mehreren Fällen 
angewandt. Eine ganze Anzahl von Pat., die fast gar nicht mehr 
schlucken konnten, empfanden nach Gebrauch von Morphiumtropfen 
(1%), dreimal am Tage vor der Aufnahme der flüssigen Nahrung, 
sehr wesentliche Erleichterung; das Schluckvermögen stellte sich wie- 
der her, die Schmerzen ließen nach, so daß die Pat. an Körper- 
gewicht zunahmen. Wenn es sich um eine absolute Verengerung oder 
Verlegung der Lichtung der Speiseröhre durch Geschwulstmassen 
handelt, wird freilich auch die Morphiumwirkung versagen, während 
sie sich da, wo ein Muskelkrampf der Speiseröhre das Haupthindernis 
für das Schluckvermögen ist, durch Beseitigung desselben aufs beste 
bewähren und die Sondenbehandlung ersetzen wird. 

Kramer (Glogau!.. 


— ee 


17) Sauerbruch und Haecker. Zur Frage des Cardiaver- 


schlusses der Speiseröhre. 
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 31.) 


Nach S. und H. mub außer dem Cardiaringmuskel- noch eine 
Einrichtung bestehen, die für den Abschluß vom Magen zur Speise- 
röhre von besonderer Bedeutung ist. Normalerweise ist der Magen 
von der Atmosphäre luftdicht abgeschlossen. Dieser Verschluß ist 
aber nicht durch den oberen Verschluß der Speiseröhre allein bedingt. 
Die Cardia öffnet sich reflektorischh wenn unterhalb der Hilusnähe 
die Sonde auf die Wand drückt. Die Kommunikation besteht nur 
von der Speiseröhre zum Magen, nicht aber umgekehrt. Bei Hunden, 
bei denen Stücke bis 7 cm aufwärts von der Cardia entfernt waren, 
blieb doch ein Abschluß von Magen und Speiseröhre bestehen, so 
daß also neben dem durch den Ringmuskel bedingten Abschluß noch 
eine rein mechanische, als Ventilwirkung aufzufassende Einrichtung in 
Betracht kommen muß. Borchard (Posen). 


Kleinere Mitteilungen. 


Kurze Mitteilung über Versuche mit Zelluloideinlagen 
in Verbindung mit Filz und Gummi. 
Von 


Dr. med. Lengfeliner, 
Assistent der Hoffa’schen Klinik. 


Was das Modell betrifft, worüber ich alle Einlagen anfertige, so sei voraus 
erwähnt, daß ich dasselbe nie durch einen Gipsbinden-, sondern stets durch Gipsbrei- 
abdruck gewinne. Daß ich natürlich einen Plattfußpatienten nicht aufrecht in 
Gipsbrei treten lasse, wobei der letzte Rest des Gewölbes schwindet, ist selbstver- 


1084 Zentralblatt fiir Chirurgie. Nr 40. 


ständlich. Aber lassen Sie einmal einen Plattfußpatienten aufrecht hineintreten und 
vergleichen Sie das dadurch gewonnene Modell mit dem vom gleichen Fuße ge- 
wonnenen Gipsbindenmodell. Sofort fällt natürlich der Mangel des Gewölbes ins 
Auge. Andererseits aber haben Sie die Formen des individuellen Fußes ın ent- 
schieden besserer Weise wiedergegeben, als das beim Gipsbindenabdruck der Fall 
sein kann. Wer Augen hat, muß ohne weiteres zugeben, daß dies der Fall ist. 
Nie wird man nach Vorgehen von Lange durch Belastung bei Gipsbindenabdruck 
die gleichen plastischen, individuellen Formen gewinnen können, wie sie der Bild- 
hauerabdruck in so trefflicher Weise wiedergibt. Die Unbrauchbarkeit des Bild- 
hauerabdruckes liegt also nur im Mangel des Gewölbes. Jedermann muß es klar 
sein, daß es der ideale Abdruck wäre, wenn dieser eine Übelstand vermieden 


Fig. 1. Fig. 2. 





Cipsbreiabdruck nach Herausnahme Anlegung der Gummi- bezw. Filzplatte. 
| der Füße. 


Fig. 3. Fig. 4. 





Form des Kork- bezw. Gummimodells. Anlegung des Gummipositivs. 


werden könnte. Und das ist sehr leicht. Man läßt den Pat. nicht stehen, sondern 
sitzen mit zwanglos herunterhängenden Beinen. Hierauf nimmt man ein Bein in 
die Hand und setzt es in mäßig redressierter Stellung in den Gipsbrei, wo man 
es so lange festhält, bis die Stellung gesichert ist. Hierdurch habe ich durchwegs 
der Natürlichkeit entsprechendere Gewölbe erhalten, wie das bei Gipsbinden- 
abdrücken der Fall ist. Die plastisch-individuellen Vorteile bleiben natürlich er- 
halten. Die Modelle sind durchwegs: besser als die durch Gipsbindenabdrücke ge- 
wonnenen mit Redressement und Belastung, abgesehen davon, daß Redressement 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40. 1085 


und Belastung nie harmonierende Faktoren werden können, vielmehr das eine stets 
auf Kosten des anderen gehen muß. 

Der gewonnene Abdruck wird sodann ausgegossen und ausgehauen. 

Außerdem sei vorausgesagt, daß ich bei keiner Einlage mehr Draht verwende, 
der nur zu häufig durchrostet und sich nach innen einkerbt, sondern stets die von 
Hoffa angegebenen Stahlbänder. 

Ferner ersetze ich durchwegs den Korkklotz durch einen Gummiklotz. 

Was den einen Versuch betrifft, so besteht er darin, den immer wiederkeh- 
renden Klagen der Pat., sie könnten den Druck der Einlagen nicht vertragen, 
gleich vorzubeugen. 

Dies erreichte ich durch Anlegen einer größeren Filz- oder Gummiplatte, die 
dem ganzen inneren Rande und dem ganzen Gewölbe angelegt wird. Filz wurde. 
in kleineren Plättchen bereits mit Erfolg verwendet, um die Druckschmerzen zu 
verhindern. Dabei wurde Filz an der betreffenden Stelle mit Zelluloid an der Ein- 
lage befestigt. Aber wenn Filz mit dem Fuß in Verbindung kommt, ist die Ein- 
wirkung von Schweiß eine unangenehme, außerdem leidet bald die Elastizität des 
Filzes darunter. Dies vermeide ich durch die Art der Technik. Auf das Modell 
kommt zuerst eine Lage Nessel, dann eine Lage Trikot, dann wird erst die Filz- 
platte oder Gummiplatte angelegt. Darauf zwei Stahlbänder in Längsrichtung. 
Drei Schichten Zelluloid und ein Gummiklotz daruntergesetzt. Die Gummiplatte 
soll nicht dicker als 2 mm sein. Vorteilhaft ist es auch, bei der gleichen Einlage 
eine Filz- und Gummiplatte zusammen zu verwenden. 

Die Resultate waren ganz befriedigend. 

Zum zweiten Versuche veranlaßte mich die Tatsache, daß ich einem schweren 
Plattfuß bei ganz schweren Leuten oft ganz machtlos gegenüberstand. Jede Stahl-, 
jede Zelluloideinlage wurde heruntergedrückt. Ich formte nun ein Positiv des 
Gewölbes des durch Gipsbreiabdruck gewonnenen Modelles, und zwar in einer 
Weise, daß ich dasselbe mit Innen- und Brandsohlenrand versah. Zunächst be- 
nutzte ich dazu Kork. Die geringe Elastizität des Korkes, das leichte Brechen 
desselben und das umständliche und zeitraubende Herstellen des Positivs ließen 
mich zu einem anderen Stoffe übergehen. Versuche mit künstlichem Gummi fielen 
leider nicht zu meiner Befriedigung aus. Ich fertigte nun aus einer großen Reihe 
von Gipsmodellen Zwischenpositive aus Gips an und ließ mittels Stahlformen diese 
Positive aus Gummi herstellen (durch Frangois Fonrobert, Berlin W., Frie- 
drichstr. 61). i 

Eines dieser Positive paßt durchwegs; kleine Korrekturen können durch Weg- 
schneiden oder Hinzukleben gemacht werden. Das Positiv besitzt wieder einen 
inneren und einen Brandsohlenrand. 

Man braucht sich nur auf solch ein Gummipositiv zu stellen, und man ist 
überzeugt, daß der Pat. gezwungen ist, auf dem äußeren Fußrande zu gehen. 

Das Positiv kann übrigens wie es ist zur Verwendung kommen. Man schiebt 
es zu diesem Zweck unter den Strumpf oder versieht es mit Gummiband. 

Technik. Nessel, Trikotage. Anlegung des Positivs; drei Schichten Zelluloid. 
Da die Einlage nicht leicht ist, empfiehlt es sich, durchwegs die Whitmann’sche 
Form zu wählen, wobei der Bügel mit einem Stahlbande versehen wird. Den Fersen- 
rand lasse ich stehen. 

Auch mit dieser Einlage hatte ich gute Erfolge. 


18) V. Schmieden. Ein neuer Apparat zur Hyperämiebehandlung 
des Kopfes. (Aus der chir. Universitätsklinik zu Bonn.) 
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 31.) 

Um auch am Kopfe durch Anwendung des Saugverfahrens eine noch lebhaftere 
Hyperämie erzielen zu können, als sie durch die Stauungsbinde erreicht wird, wird 
in Bier's Klinik ein neuer Apparat verwendet, der folgendermaßen konstruiert 
ist. Auf einem vierbeinigen Gestell ruht eine in ihrer Mitte eine runde Öffnung 


1086 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40. 


tragende Holzplatte, auf dieser über der Öffnung luftdicht eine große Glasglocke. 
Von unten her wird durch das Loch der Kopf des Pat. in letztere eingeführt und 
der Hals durch eine zusammenziehbare Mosetigbattistkrawatte lose abgedichtet. 
Der so geschlossene Raum der Glasglocke, durch welche an einer Stelle ein aus- 
kochbares Atmungsrohr in den Mund des mit verstopfter Nase auf einem Dreh- 
sessel sitzenden Pat. hineingeführt wird, wird durch ein zweites in die Glocke 
mündendes Rohr ausgepumpt. Wird dies in langsamer und vorsichtiger Weise 
gemacht, so hat Pat. selbst bei lebhafterer Blutfülle des Kopfes kaum Beschwer- 
den; schlimmstenfalls kann er sofort das ihn mit der Außenluft verbindende Mund- 
stück loslassen, wodurch die Luftverdünnung alsbald unterbrochen wird. Damit 
die Beobachtung von außen bei starkem Beschlagenwerden der Innenseite der Glocke 
mit Schweiß nicht gestört werde, ist in der Glocke ein Schälchen mit Seifenpulver 
aufgehängt, das die Feuchtigkeit an sich zieht. Die Dauer der einzelnen Sitzung 
soll 1/,—3/4 Stunde betragen; in dieser Zeit wird immer 5 Minuten (Sanduhr) lang 
gesaugt und dann ungefähr ebensolange das Saugen unterbrochen. Event. kann 
Pat, selbst die Saugpumpe mit seinen Händen bedienen oder die Luftverdünnung 
mit einem Tretbalg mit dem Fuß vornehmen. S. erhofft mit dem Apparate, be- 
sonders bei Gesichtslupus, günstigere Resultate als mit der Stauungsbinde erzielen 
zu können. Kramer (Glogau). 


19) Valentin. Uber Othämatom des rechten Ohres bei schweizerischen 
Schwingern. 
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. LI. p. 141.) 

Verf. beobachtete bei ca. 5% der an einem Schwingfest teilnehmenden 
Schwinger (das Schwingen ist eine Art von Ringkampf) rechtsseitige Othämatome, 
die dadurch zustande kommen, daß der Betreffende durch einen Stoß mit der 
rechten Kopfseite den Gegner niederzudrängen sucht. Ähnliche, berufsmäßige 
Othämatome wurden schon früher bei altrömischen und japanischen Ringkämpfern, 
bei Salto-mortale-Fängern usw. beobachtet. Hinsberg (Breslau). 


20) R. Hoffmann. Die Noma des Ohres. 
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. LI. p. 366.) 

Die Noma tritt, wenn auch bedeutend seltener als an der Wange, zuweilen auch 
in der Umgebung des Ohres auf. H. beschreibt drei solche Fälle aus der Mün- 
chener Ohrenklinik und stellt, davon ausgehend, zusammen, was über die Noma 
im allgemeinen und speziell die des Ohres bekannt ist. MHinsberg (Breslau). 


21) Henrici. Weitere Erfahrungen über die Tuberkulose des Warzen- 
fortsatzes im Kindesalter. 
(Zeitschrift fiir Obrenheilkunde Bd. LI. p. 126.) 

Verf. hat in einer früheren Arbeit den Nachweis zu bringen gesucht, daß die 
Warzenfortsatztuberkulose im Kindesalter relativ häufig sei (ca. 1/5 aller Mastoidi- 
tiden bei Kindern), daß sie meist auf hämatogenem Wege, ohne Vermittlung der 
Paukenhöhle, entstehe, und daß die Prognose meist relativ günstig sei, da die Ent- 
fernung des tuberkulösen Knochens meist gelinge. 

H. berichtet nun in der vorliegenden Arbeit über sechs weitere Fälle der ge- 
nannten Erkrankung, die im allgemeinen seine früheren Anschauungen bestätigen. 

Hinsberg (Breslau). 


22) B. Heine. Isoform zur Nachbehandlung der Radikaloperation. 
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. LI. p. 200.) 
H. hat mit 3%iger Isoformgaze bei Radikaloperationen gute Erfahrungen ge- 
macht. Er rühmt ihre granulationsbeschränkende und antiseptische Wirkung. 
Nach der einfachen Antrumaufmeißelung hat sich H. Isoform nicht bewährt, da 
hier die zur Ausfüllung der Wunde notwendige Granulationsbildung aufgehalten 
wurde, Hinsberg (Breslau). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40. 1087 


23) R. Freytag. Zur Prognose der operativen Eröffnung des eitrig 
erkrankten Labyrinths. 
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. LI. p. 341.) 


Das eitrig erkrankte Labyrinth bildet sehr häufig den Ausgangspunkt für töd- 
liche Komplikationen (Meningitis, Hirnabszeß). Die Mortalität der Labyrintheite- 
rung beträgt ca. 15—20%. Um sie zu vermindern, hat man in den letzten Jahren 
versucht, das Labyrinth nach Eröffnung vom Mittelohre her zu drainieren. F. stellt 
nun alle ihm bekannten Fälle von Labyrintheröffnung, insgesamt 102 Fälle, zusam- 
men. Bei diesem Materiale war die Mortalität infolge eines schädlichen Einflusses 
des Eingriffes selbst gering (ein Todesfall. Die Sterblichkeit betrug für die ope- 
rativ behandelten Fälle von Labyrinthitis, sofern nicht schon vor der Operation 
eine tödliche Komplikation vorhanden war, 4,5%. Die Prognose der Erkrankung 
wurde also durch die Operation wesentlich gebessert. 

In einem Anhange berichtet F.' über die an der Breslauer Ohrenpoliklinik be- 
obachteten Fälle von Labyrintheiterung. | Hinsberg (Breslau). 


24) Koellreutter. Die Extraktion eiserner Fremdkörper aus der Nase 
und dem Ohre mittels des Mellinger’schen Innenpolmagneten. 
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. LI. p. 431.) 


Anlaß zu den geschilderten Versuchen gab das Abbrechen eines Meißels im 
Nasenseptum. Das abgebrochene Stück, das allen anderen Extraktionsversuchen 
trotzte, konnte mühelos vermittels des genannten Magneten extrahiert werden. 
Ebenso leicht folgten eiserne oder eisenhaltige Fremdkörper, die an Präparaten und 
am Lebenden ins Ohr eingeführt wurden, dem Zuge des Magneten. 

Hinsberg (Breslau). 


25) Doering. Die Behandlung des Caput obstipum. 
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 27.) 


In der Klinik Braun’s kamen in den letzten 10 Jahren 35 Fälle von Schiefhals 
zur Beobachtung. Alle bis auf einen — nach der Wullstein’schen Methode ope- 
rierten — Fall wurden mit offener Durchschneidung des Kopfnickers behandelt, 
wobei besonderes Gewicht darauf gelegt wurde, daß lateral vom Muskel gelegene, 
verkürzte Partien des Platysma, der Halsfascie oder gelegentlich auch des Trape- 
zius entweder gedehnt oder, wenn dies nicht genügte, durohtrennt wurden. Nach 
Heilung der Wunde erfolgte sofort die Anlegung einer Zelluloidkrawatte, Massage 
und orthopädische Übungen wurden angewandt, dagegen von einer energischen Re- 
dression der Halswirbelsäule während der Operation Abstand genommen. Von den 
35 Operierten hatten 27 eine völlig freie Beweglichkeit nach allen Seiten erlangt, 
fünf zeigten eine geringe Einschränkung in der Neigung des Kopfes nach der ge- 
‚sunden Seite zu. Ein Fall wurde nach der Methode Wullstein ebenfalls mit 
gutem Erfolg operiert, über zwei war eine Nachricht nicht zu erlangen. Die se- 
kundären Veränderungen, namentlich die Gesichtsatrophie, sind wesentlich, zurück- 
gegangen. Wenn man bedenkt, daß die Pat. gewöhnlich nach 3 Wochen aus der 
Klinik entlassen wurden und es ihrem eigenen Belieben doch schließlich. verblieb, 
ob sie die Krawatte ein halbes Jahr tragen wollten oder nicht, so muß man die 
Resultgte Braun’s als ausgezeichnete betrachten. Borchard (Posen). 


26) A. A. Opokin. Zur Bakteriologie der Retropharyngealabszesse. 
- (Russki Wratsch 1906. Nr. 29.) 


Der AbszeB wurde bei einer 55 Jahre alten Frau beobachtet, verlief chronisch 
(3 Monate), wurde durch den Mund gespalten und heilte nach einem Monat aus. 
Die mikroskopische und bakteriologische Untersuchung ergab als Ursache den 
langen Diplostreptokokkus (Menschikow) oder Streptokokkus mitior seu viridans 
(Schottmüller). Außer diesem Falle wurden von W. K. Menschikow noch 
vier Fälle von Retropharyngealabszeß mit dem Diplostreptokokkus als Krankheits- 


1088 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40. 


erreger beschrieben (Russki Wratsch 1905 Nr. 16 p. 523). Vielleicht muß daher 
dieser Mikroorganismus als spezifische Ursache solcher Abszesse angesehen werden. 
E. Gückel (Wel. Bubny, Poltawa). 


27) J. de Riba. Caso clinico de reseccion del haz vasculo nervioso 
del cuello por carcinoma. 
(El crit. catol. en las cienc.. med. Barcelona 1906. Nr. 100.) 

Mitteilung eines Falles von vollkommen ungestört verlaufener Resektion der 
linksseitigen Halsgefäße wegen Karzinoms bei einem 50jährigen Manne. Der Fall 
bietet deshalb Interesse, weil auch der Vagus mit reseziert wurde, ohne besondere 
Ausfallserscheinungen herbeizuführen. | Stein (Wiesbaden). 


28) T. L. Kobylinski. Zur Frage von der operativen Therapie mul- 
tipler Kehlkopfpapillome im Kindesalter (ein Fall von Laryngofissur). 
(Russki Wratsch 1906. Nr. 30.) 

Es handelte sich um einen 4jährigen Knaben, der sich gut laryngoskopieren 
ließ, aber bei jedem Versuch, ein Instrument zum Entfernen der Geschwulst durch 
den Mund einzuführen, mit Brechbewegung reagierte. 5 Monate lang mühte sich 
K. ab, den Knaben ans Instrument zu gewöhnen, doch vergeblich. Darauf mußte 
wegen Atemnot tracheotomiert werden. 4 Monate später machte Fedorow 
(Petersburg) die Laryngofissur und entfernte die Geschwülste. 15 Tage nach der 
Operation fand man bei der Laryngoskopie ein hirsekorngroßes Rezidiv im Inter- 
arytaenoidalraume, das nach 10 Tagen die Größe eines Hanfkornes erreichte. Man 
legte ein Tracheotomierohr ohne obere Öffnung ein, und nach 11/3 Monaten war 
das Rezidiv verschwunden. Nun wurde ein gefenstertes Rohr eingelegt, und da 
Pat. mit geschlossener äußerer Öffnung desselben gut atmete, dasselbe 21/2 Monate 
später endgültig entfernt. Die Wunde schloß sich bald, und nach weiteren 2 Mo- 
naten kann der Knabe laufen und spielen ohne Atemnot. Die Stimme ist nicht 
klangvoll, doch völlig vernehmlich und wird mit der Zeit immer besser. Die 
früher. vorhandene Bronchitis ist geschwunden und auch der Allgemeinzustand viel 


besser geworden. E. Gückel (Wel. Bubny, Poltawa). 
29) Cohn. Ein Fall von Tracheostenose und plötzlichem Tode durch 
Thymusschwellung. 


(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 35.) 
Bei dem 8 Monate alten Kinde trat unter Stenosenerscheinungen der Tod ein. 
Bei der Sektion fand sich ein 20 g Eiter enthaltender Abszeß der Thymus. 
Borchard (Posen). 


30) A. Castex. La laryngotomie sans canule. 
(Revue hebdom. de laryngol., d’otol. et de rhinol. 1906. Nr. 18.) 


Um die Unzuträglichkeiten, welche die Trachealkanüle und das Décanulement . 
mit sich bringen, zu vermeiden, zeigt sich allenthalben das Bestreben, die Laryngo- 
tomie so auszuführen, daß man möglichst nach Ausführung der Operation bzw. 
Entfernung der Neubildung usw. die ganze Wunde schließt. Verf. hat dies zwei- 
mal ausgeführt; einmal kam es zu einem Hautemphysem mit Temperatursteige- 
rungen, und die untersten Nähte mußten wegen eines kleinen Abszesses entfernt 
werden; C. ist daher geneigt, im untersten Wundwinkel unter die Haut ein 
Drain zu legen. Ein drittes Mal wurde aus Furcht vor Glottisödem eine Kanüle 
nach 24 Stunden entfernt. Die Indikation zur Laryngotomie bildeten Epitheliome, 
Tuberkulome und Kondylome, welche hochgradig die Atmung behinderten. 

F. Alexander (Frankfurt a. M.). 


Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man 
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- 
handlung Breitkopf & Härtel, einsenden. 


Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig, Nürmbergerstraße 36/35. 


Zentralblatt 
CHIRURGIE 


E. von Bergmann, F. König, 5, Richter, 





Dreiunddreißigster Jahrgang. 


EEE EEE EEE E a EY 
Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei halbjähriger 
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten. 
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Nr. 41. Sonnabend, den 13. Oktober. 1906. 





Inhalt: P. Flori, Die chirurgische Behandlung der akuten Appendicitis im Intermediär- 
stadium. (Original-Mitteilung.) 

4) Ledderhose, Blutlauf in den Hautvenen. — 2) Otten, Bakteriologische Blutuntersu- 
chungen an der Leiche. — 3) Darewe, Behandlung mit apne — A) Schlefterdecker, 
Das Netz. — 5) Polssonnier, Perforationsperitonitis. — 6) McCarty, Zur Histologie des 
Wurmfortsatzes. — 7) Karrenstein, 8) Aschofl, 9) Kümmell, Appendicitis. — 10) Warabjow, 
Traumatische Leistenbriiche. — 11) Donati, Direkter Leistenbruch der Frau. — 12) Froelich, 
Angeborene Pylorasstenose. — 13) Mummery, Kolitis. 

14) Haggard, KongreBbericht. — 15) Ladenburger, Operationen an Säuglingen. — 
16) Schkarin, Rückbildung "von Neubildungen. — 17) Lang, Lähmungen nach Lumbal- 
anästhesie. — 18) Balacescu, Kampfernaphthol gegen kalte Abszesse. — 19) Salomon, Dia- 
gnostische Bauchpunktion. — 20) Grusdew, Fremdkörper in der Bauchhöhle. — 21) Wnukow, 
22) Miles, Perforationsperitonitis. — 23) Friedrich, Bauchaktinomykose. — 24) Schweizer, 
25) Seelig, Divertikel am Wurmfortsatz. — 26) Mayet u. Bourganel, 27) Mc Gavin, 28) Wre- 
den, Herniologisches. — 29) Poppert, 30) Könlg, Callöses Magengeschwür. — 31) Baradulin, 
bs. — 32) Ringel, 33) Karpa, 34) Edmunds, 35) Martin, 36) Pieth, Darmverschluß. 
— 37) Leube, Pseudotuberkulose im Dickdarm. — 38) Trinkler, 39) Poppert, Mastdarmkrebs. 
— 40) Wertel, Milzresektion. — 41) Donati, Lebergeschwilste. — 42) Schlesinger, Gallen- 


= 


blasen-Bronchusfistel. — 43) Lejars, Drainage der Gallenwege. — 44) Tuffier, Epitheliom 
der Gallenwege. — 45) Terrler, Zur Pankreaschirurgie. 
Berichtigung. 





(Aus der chirurgischen Klinik in Modena.) 


Die chirurgische Behandlung der akuten Appendicitis 
im Intermediärstadium. 
Von 
Prof. Paolo Fiori. 


Die Frühoperation bei akuter Wurmfortsatzentzündung ist nunmehr 
fast einstimmig angenommen, die weitläufigen Erörterungen des vor- 
letzten deutschen Chirurgenkongresses (April 1905) haben sie ent- 
scheidend sanktioniert. 


41 


1090 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 


Der Zeitpunkt für die Frühoperation liegt zwischen der 36. und 
der 72. Stunde. Der 3. Tag jedoch wird von einigen als schon zum 
zweiten Stadium gehörig betrachtet: Die Mortalität für die ganze Zeit 
schwankt zwischen O und 18,6%; am 3. Tage kann sie auf 36% 
steigen (Körte). 

Für die zweite Periode, nach Ablauf des 3. Tages, wird die 
Enthaltung oder zuwartende Behandlung von allen Chirurgen ange- 
raten. Selbst W. Hagen verglich letzthin (ds. Bl. 1906 Nr. 15), 
mit Sprengel übereinstimmend, die Mortalität (34,7%) der Intervall- 
operation mit der viel geringeren der Spätbehandlung in der 6. Woche. 
Vorher schon (Beitr. z. klin. Chirurgie Bd. XLVI) schrieb der Verf.: 

»Vom 3. Tage an ist eine zuwartende Behandlung in den nicht 
progredienten Fällen berechtigt, wenn wir die Kranken ständig zu 
überwachen imstande sind, um mit dem Eintreten irgendeines alar- 
mierenden Zwischenfalles sofort eingreifen zu können. Es erscheint 
daher dringend geboten, solche Kranke sofort einem Krankenhaus 
oder einer Klinik zuzuführen. 

Fälle mit progredienter Tendenz oder allgemein septischen Er- 
scheinungen sind auch nach den ersten beiden Tagen zu operieren, 
und zwar je früher, desto besser.« 

Und seine zweite Mitteilung (ds. Bl. 1. c.) schließt Hagen mit 
den Worten: 

»Wir können uns nicht entschließen, eine Operation zu empfehlen, 
die uns eine Mortalität von 35% ergeben hat. Über all unserem 
chirurgischen Handeln steht als oberstes Gesetz: Nil nocere.« 

Er gibt damit dem Gedanken der meisten Chirurgen Wort: Die 
Intervalloperation setze die Kranken der Gefahr der septischen 
Entzündung aus. 

Dieser Ansicht widerspricht Biondi, der auf dem letzten italie- 
nischen Chirurgenkongreß (Oktober 1905) und in einer folgenden 
Mitteilung (Policlinico Sez. pratica 1906 Nr. 2) die Notwendigkeit des 
chirurgischen Eingriffes auch im zweiten Stadium behauptet, auf seine 
eigenen Erfolge sich stützend: vier Todesfälle unter 53 nach dem 
3. Tage operierten Fällen von eitriger Appendicitis. 

Diese sehr günstigen Erfolge sollten Beachtung finden und uns 
an die Worte Dieulafoy’s erinnern: »Abwarten bis die Appen- 
dicitis abgeklungen ist, heißt die Kranken der Todesgefahr 
aussetzen«. 

Auch ich habe mich dieses Jahr mit der wichtigen Frage be- 
schäftigt und habe zehn Pat. mit akuter Appendicitis zwischen dem 
3. und 17. Krankheitstage operiert, nämlich: 

1 Fall am 3. Tage, mit Verklebungen und geringem fibrösem Exsudat; 

2 Fälle am 4. Tage, einer mit an der Spitze durchlöchertem Wurmfortsatz 
und fibrinös-eitrigem Exsudat; 

2 Fälle am 5. Tage, der eine mit frei im Peritoneiin befindlichem brandigem, 
der andere mit freiem eiterhaltigen Wurmfortsatz; 


2 Fälle am 6. Tage, der eine mit Empyem der Appendix, der andere mit Gan- 
grän der Basis des Wurmes; 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 1091 


1 Fall am 9. Tage, mit phlegmonöser Appendix, keinem Exsudat, starken 
Verklebungen; 

1 Fall am 11. Tage, mit pericoecalem Abszeß, Brand des Wurmfortsatzes 
und Perforation des Blinddarmes; 

1 Fall am 17. Tage, mit Gangrän der Appendix, doppelter Blinddarmperfo- 
ration, großem Abszeß,. 

Die Zahl der Fälle ist nicht groß, aber fast alle waren sehr schwer: unter 
den Kranken starb nur einer, am 9. Tage nach dem Anfall operiert, 5 Tage nach. 
der Operation. Bei der Aufnahme war die Temperatur 36,8 und schwacher Puls 
von 108, der Leib außerordentlich aufgetrieben, in der Dleocoecalgegend sehr stark 
druckempfindlich; Verstopfung, keine Winde, etwas Erbrechen. Sofort Operation: 
bei der Eröffnung des Leibes findet man starke Verklebungen des Blinddarmes 
und des Wurmfortsatzes mit dem Peritoneum; Wurm Ödematös, verdickt, ver- 
größert, injiziert. Resektion desselben, Drainage, partielle Bauchdeckennaht. An 
den 2 folgenden Tagen leichte subjektive Besserung, der Leib aber immer stärker 
geschwollen, sehr stark gespannt; keine Ausleerung. Am 3. Tage Erbrechen; 
Temperatur 37,5; Magenausspülung; das Brechen läßt nach; der Schwächezustand 
aber schreitet fort; Tod am 5. Tage. — Sektion: Bauchhöhle frei; keine 
Peritonitis; starker Meteorismus; Dünndarm leicht injiziert; Coe- 
cumnaht hat fest gehalten. Todesursache: Ileus paraliticus? 

Die anderen neun Kranken sind alle rasch genesen; unter diesen befand sich 
ein Pat. mit eitriger diffuser Peritonitis infolge gangränöser Appendicitis. Blind- 
darmnaht, Bauchhöhlenauswaschungen mit Kochsalzlösung. Heilung in 33 Tagen. 

Bei zwei Kranken (am 5. und 6. Tage operiert) lag der erheblich ödematöse, 
verdickte, vereiterte Wurmfortsatz ganz frei in der Bauchhöhle, fehlte jede Ver- 
klebung. Resektion des Wurmes, Drainage. Heilung in 20—24 Tagen. — Ebenso 
schnelle Heilung in zwei anderen Fällen (am 11. und 17. Tage operiert), wo sich 
eine oder mehrere Durchbohrungen vorfanden bei gleicher Behandlung. 

Alle zur Heilung führenden Fälle verliefen ohne große Zwischenfälle. 


Solche Resultate erscheinen mir zweifellos überaus ermutigend, 
wenn wir auf die Schwere der Fälle Rücksicht nehmen und uns über- 
zeugen, daß bei den geheilten Fällen — 90% — die so befürchtete 
septische Verbreitung im Bauchfelle nach der Operation 
immer ausblieb. 

Im übrigen möchte ich mich gegen die bisher vielfach angenom- 
mene Meinung aussprechen, daß bei Appendicitis stets eine sie ab- 
grenzende Periappendicitis bestehen müsse, die die Gefahr des Ab- 
wartens einschränke. 

Meine Fälle stimmen in dieser Beziehung mit denen von Routier, 
Nelaton, Tuffier, Sprengel, Riedel, Legueu, Biondi überein, 
und gestatten meine Ansicht, daß der Vorschlag des gewaffneten Zu- 
wartens mehr auf theoretischer als praktischer Grundlage beruht, 
Auch die Symptomatologie täuscht nicht selten. 

Zwei meiner gefährdetsten Kranken kamen zu Fuß in meine 
Klinik. Ich habe Kranke mit schweren Veränderungen des Wurm- 
fortsatzes operiert, die physiologischen Puls zeigten, frei von Fieber 
und Druckempfindlichkeit des Leibes waren. Diese Pat., Fälle, die 
nur leicht erkrankt erschienen, wären, sich selbst überlassen, mit aller 
Wahrscheinlichkeit zugrunde gegangen. 

Andererseits ist es nicht richtig, daß eine auf den Wurmfortsatz 
und seine Umgebung beschränkte Entzündung während des ganzen 

41* 


1092 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 


Zeitraumes der zuwartenden Kur auf ihren Herd beschränkt bleiben 
soll; vielmehr sind die Fälle nicht selten, wo der entzündliche Prozeß 
wieder aufflackert, sich lokal weiter verbreitet und entfernte Metastasen 
veranlaßt. Die Erinnerung an solche Fälle, die ich vor mehreren 
Jahren beobachtete, als die zuwartende Behandlung noch unbeschränkt 
herrschte, steht mir nur zu deutlich vor Augen. Dazu kommen noch 
andere traurige Möglichkeiten: z. B. die Entleerung des Wurmfort- 
satzabszesses in umliegende Organe. 

Für die zweite Periode können wir wiederholen, was wir über die 
erste Periode sagten, nämlich: Der appendicitische Anfall und der 
anatomisch-pathologische Prozeß können sich zurückbilden und auch, 
indem sie sich ein- oder mehrmals mit dem Typus der Appendicitis 
»à rechutes« wiederholen, allmählich immer weniger gefährlich werden. 
Das ist richtig; aber es ist auch klar, daß bei jedem neuen Anfalle die 
Gefahren des ersten Anfalles sich wiederholen und auch steigern 
können. Wenn wir unter solchen Verhältnissen operieren müssen, 
werden wir wenigstens den Gewissensbiß empfinden, einen Zustand bei 
den Kranken verlängert zu haben, von dem ein früherer operativer 
Eingriff ihn längst hätte befreien können. _ 

Auf Grund solcher Erfahrungen und Überlegungen bin auch ich 
geneigt, mit Biondi die Richtigkeit des Eingriffes im Intermediär- 
stadium zu behaupten. 

In Fällen von Eiterbildung oder Blinddarmdurchbohrung ziehe 
ich vor, gleich bei der Abszeßeröffnung den Wurmfortsatz zu unter- 
suchen und zu entfernen und die Blinddarmperforation zu nähen 
(Arnsperger, Czerny, Biondi), sofern nicht ganz besondere Um- 
stände solche Eingriffe zu gefährlich (z. B. bei Anwesenheit vieler fester 
Verwachsungen) gestalten. 

Besonders wichtig ist die Behandlung der Operationswunde: die 
Bauchwunde darf niemals vollständig geschlossen werden, wenn auch die 
Entzündung nur umschrieben erscheint; denn die einfachste seröse Infil- 
tration kann zu Eiterbildung führen, auch wenn im Augenblicke der 
Operation noch kein Eiter vorhanden war. Darum ist die Drainierung 
eine absolute Notwendigkeit. 

In Fällen, in denen die Adhäsionen fehlen und der Wurmfortsatz 
sehr verändert ist, lagere ich das operierte Darmstück in die Wunde 
und umgebe es mit aseptischer Gaze. Mit diesem Verfahren war ich 
immer zufrieden. 

Natürlich ist die größte Sorgfalt zur Erzielung günstiger Erfolge 
absolut notwendig. Dank derselben wird das Messer des Chirurgen 
bei der Heilung einer der gefährlichsten Krankheiten einen bemerkens- 
werten Fortschritt zu verzeichnen haben. Die von Biondi und mir 
selbst erzielten Resultate scheinen das mir zur Genüge zu beweisen. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 1093 


1) Ledderhose. Studien über den Blutlauf in den Haut- 
venen unter physiologischen und pathologischen Bedingungen. 
(Mitteilungen a. d. Grenzgebieten d. Medizin u. Chirurgie Bd. XV. Hft. 3 u. 4.) 


An der unteren Extremität schwellen bei tiefer Inspiration die 
Venen an, bei Exspiration ab; an der oberen Extremität ist das um- 
gekehrt, hier fallen bei tiefen Einatmungen die Venen zusammen, 
schwellen bei Ausatmung an. Diese Verschiedenheit ist eine zweck- 
mäßige Einrichtung für gleichmäßiges Einfließen des Blutes in den 
rechten Vorhof. Es findet also an den Venen der oberen und unteren 
Extremität bei den Atmungsphasen teils eine Rückstauung, teils ein 
leichteres Abfließen des Blutes statt. Diese Rückstauung wird durch 
die Venenklappen nicht aufgehalten, entgegen der jetzt allgemein herr- 
schenden Ansicht wird die Wirkung des hydrostatischen Druckes in 
den Venen durch die Klappen in keiner Weise beeinflußt, d. h. der 
von der Blutsäule auf die Gefäßwand und die Venenwurzeln ausgeübte 
Druck wird durch sie nicht abgeschwächt. Die Venenklappen werden 
in den meisten Fällen, zumal bei den Verrichtungen des gewöhnlichen 
Lebens, nicht in Anspruch genommen. Ihre physiologische Bedeutung 
besteht darin, daß sie Wehre darstellen, die den Hauptstrom etwas 
aufhalten, das Einströmen des Blutes aus den Seitenbahnen in den 
proximal von der Klappe gelegenen Hauptteil der Bahn erleichtern 
und Rückstauen in die Seitenbahnen verhindern; denn in der Regel 
befindet sich distal von einem venösen Seitenast eine Klappe. 

Kann somit die herrschende Lehre von der Funktion der Venen- 
klappen in wesentlichen Punkten nicht aufrecht erhalten werden, so 
müssen auch die bisherigen Anschauungen über die Entstehung der 
Varicen und die Bedeutung der üblichen Behandlungsmethoden einer 
Revision unterzogen werden. Die Unterbindung der Saphena wirkt 
dadurch günstig auf Varicen ein, daß bei den Bewegungen der Beine, 
zumal während des Gehens, weitgehende Entleerung der Varicen in 
die tieferen Unterschenkelvenen stattfindet; die dadurch herbeigeführte 
Entlastung der Venenwand läßt allmählich deren infolge von Über- 
dehnung verloren gegangene Elastizität wenigstens teilweise wieder 
zurückkehren. Auch andere Begleitphänomene der Varicen, wie über- 
reiche Blutungen bei Verletzungen, Ödeme, Ekzeme, Geschwürs- 
bildungen, werden aus neuen Gesichtspunkten erklärt. Ursache der 
Varicenbildung ist angeborene Schwäche der Venenwände infolge un- 
regelmäßiger Ausbildung und Anordnung der sie zusammensetzenden 
Elemente. Die Hypertrophie der Media ist als Arbeitshypertrophie 
aufzufassen durch Anstrengungen der muskulären Elemente, den In- 
halt den wechselnden Druck- und Spannungsverhältnissen anzupassen. 

Haeckel (Stettin). 





1094 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 


2) M. Otten. Über bakteriologische Blutuntersuchungen an 
der Leiche. (Aus dem pathol.-anatom. Institut des Eppen- 
dorfer Krankenhauses. 

(Virchow’s Archiv Bd. CLXXXIV. p. 284.) 


Von 200 Blutproben, die im Durchschnitte 16—24 Stunden nach 
dem Tode aus dem rechten Ventrikel entnommen waren, erwiesen 
sich nur 84 = 42 % steril. Von den anderen enthielten 102 Proben 
nur eine Bakterienart, 14 zwei Arten. Mehr als zwei verschiedene 
Kulturen konnten aus keiner Blutprobe gezüchtet werden. Ferner 
waren unter diesen 102 Fällen von Bakteriämie 43mal bei der vitalen 
Blutuntersuchung dieselben Mikroorganismen gefunden worden. 

Es folgt dann ein ausführlicher Bericht über die Befunde bei 
den einzelnen Bakterienarten, der im Original nachzulesen ist. Am 
Schluß seiner Mitteilung betont Verf., daß die Entnahme des Leichen- 
blutes aus dem rechten Herzen ebenso zuverlässig ist, wie die aus den 
peripheren Venen, und daß die im Blute von frischen Leichen gefun- 
denen Bakterien, d. h. von solchen, die innerhalb der letzten 36 bis 
48 Stunden nach dem Tode untersucht wurden, nicht postmortal, 
sondern schon zu Lebzeiten des betreffenden Individuums ins Blut ge- 
langt sind. Doering (Göttingen). 





3) O. Darewe. La thérapeutique par hyperémie. 
(Gaz. des hôpitaux 1906. Nr. 82.) 


In objektiver, sachlicher Weise bespricht D. Wesen und Technik, 
Indikationen und Kontraindikationen der Behandlung mit Hyperämie. 
Aus den Fällen, die er anführt, geht hervor, was Bier immer betont 
hat: daß man Chirurg bleibt, auch wenn man mit der Saugglocke 
oder mit der Stauungsbinde arbeitet. D. erwähnt auch ausführlich 
die Einwände Lexer’s auf dem diesjährigen Chirurgenkongreß, behält 
sich aber eine Kritik derselben vor, da man erst die Publikation der 
wissenschaftlichen Unterlagen für die ablehnende Haltung Lexer’s 
abwarten müsse. 

In vier Punkten (hauptsächlich topographischer Art) schränkt D. 
die Anwendung der Methode ein, bekennt sich aber im übrigen als 
ihr überzeugter Anhänger. Bei allen Arten von Entzündungen, be- 
sonders aber denen der Gelenke, hat sie ihm »exzellente« Dienste 
geleistet. Ref. unterschreibt auf Grund seiner eigenen Erfahrungen 
aus vollster Überzeugung die Schlußworte des D.’schen Artikels: 
»— — ľhyperémie artificielle a acquis une importance et une vogue 
méritée, qui ne fera que croître à l'avenir «. 

V. E. Mertens (Breslau). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 1095 


4) Schiefferdecker. Über einen Fall von rudimentärem 
großem Netz beim Menschen und über die Bedeutung des 


Netzes. 
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 25.) 

Nach Mitteilung eines Falles von rudimentärer Ausbreitung des 
großen Netzes, bei welchem nur der Teil oberhalb des Kolon ausge- 
bildet war, geht S. in dem äußerst interessanten und lesenswerten 
Aufsatz auf die verschiedene Bedeutung in normalen und pathologi- 
schen Zuständen ein. Das Netz ist ein Regulator für die Blutmenge 
in den Eingeweiden, ein gutes Resorptionsorgan, es wirkt schützend 
durch die Bildung einer gefäßhaltigen Bindegewebskapsel und die 
phagocytäre Tätigkeit seiner umgewandelten Endothelzellen. Es hat 
neben rein physiologischen Funktionen noch wichtigere Funktionen 
für pathologische Fälle. Die Gefäße des Netzes können sich unter 
Umständen an der Ernährung von dem Netz ursprünglich durchaus 
fremder Geschwülste beteiligen. Die Ursache zu der Verbindung mit 
dem Netze muß von den betreffenden Organen ausgehen. 

Borchard (Posen). 





5) G. Poissonnier. La traitement de la péritonite par per- 


foration dďd'ulcère gastrique par la gastrostomie temporaire. 
(Arch. prov. de chir. 1906. Nr. 7.) 

In Fällen von Geschwürsdurchbruch, in denen ein Verschluß der 
Öffnung aus dem einen oder dem anderen Grunde nicht möglich ist, 
empfiehlt P., die Perforationsöffnung in die Bauchwunde zu nähen, 
bzw. durch diese nach außen abzuleiten — gastrostomie de nécessité. 
Als Indikationen für dieses Vorgehen gibt er schlechten Allgemein- 
zustand, der einen längeren Eingriff verbietet, Unmöglichkeit oder 
Unsicherheit der Naht an und führt als besonderen Vorteil an die 
Möglichkeit der frühzeitigen Ernährung und das Vorbeugen der akuten 
Magendilatation. Kontraindiziert ist diese Behandlung nur bei Sitz 
der Perforationsstelle in der Nähe des Pylorus; für diese Fälle hält 
P. die Gastroenterostomie für zweckmäßiger. 

Von 10 nach obiger Methode behandelten Fällen sind 3 geheilt, 
davon 2, die sich in verzweifeltem Zustande befanden. Bei 3 von 
den 7 Gestorbenen trat der Tod außerdem am 7.—10. Tage nach der 
Operation ein, unter Erscheinungen, die eine allgemeine Peritonitis 
als ausgeschlossen erscheinen ließen, was bei zweien auch die Sektion 
bestätigte. 

Die Krankengeschichten der zehn aus der französischen, engli- 
schen und deutschen Literatur entnommenen Fälle bilden den größten 
Teil der Arbeit. Müller (Dresden). 





1096 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41, 


6) W. ©. McCarty. Beiträge zur normalen und patho- 
logischen Histologie des Wurmfortsatzes. 
i (Virchow’s Archiv Bd. CLXXXV. p. 483.) 

Die umfangreiche Arbeit befaßt sich mit der Beschaffenheit des 
Wurmfortsatzes im Kindesalter, der Beschaffenheit des Wurmfortsatzes 
bei Erwachsenen und seinen Veränderungen, die er im Laufe des 
Lebens erleidet, und mit der Obliteration des Processus vermiformis. 
Sie enthält nichts Neues. Doering (Göttingen). 





7) Karrenstein. Ist die Blinddarmentzündung bei Männern 
oder bei Frauen häufiger? 
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 32.) 

K. glaubt zahlenmäßig bewiesen zu haben, daß die meistverbrei- 
tete Ansicht, daß die Frauen seltener als Männer an Blinddarment- 
zündung erkranken, falsch ist. Sind sie denselben schädigenden wie 
disponierenden Ursachen wie die Männer ausgesetzt, so erkranken sie 
eben so häufig. Borchard (Posen). 





8) Aschoff. Ist eine chronische Entzündung des Wurm- 
fortsatzes die Vorbedingung für den akuten Anfall? 
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 25.) 

Nachdem vor 2 Jahren A. auf die Bedeutung der genaueren 
Untersuchung des Wurmfortsatzes für die Erkennung des Wesens 
der Appendicitis hingewiesen und vor allen Dingen gegen die Vor- 
stellung einer chronischen, schleichenden Entzündung des Wurmfort- 
satzes als Vorbedingung des akuten Anfalles Front gemacht hatte, 
hat Oberndorfer betont, daß fast alle Menschen an einer chroni- 
schen obliterierenden Appendicitis leiden, die den Boden für die 
akuten Anfälle vorbereitet. A. leugnet ebenso wie Sprengel die 
Appendicitis chronica und granulosa Riedel’s. Auf Grund seiner 
Erfahrungen hält er viele der von Oberndorfer geschilderten Bilder 
der submukösen Granulationsgewebebildung für normale Erscheinungen, 
andere für hyperplastische Prozesse des hämatopoetischen Apparates. 
Der Beweis für die Existenz einer chronischen obliterierenden Entzün- 
dung, auf deren Boden erst die akuten Schübe einsetzen, ist in kei- 
ner Weise erbracht. Borchard (Posen). 





9) Kümmell. Resultate der Frühoperation bei Appendicitis. 
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 33.) 

Unter Hinweis auf die erzielten günstigen Resultate mit der Früh- 
operation beantwortet K. die Frage, was wir mit der Frühoperation 
erreichen, dahin, daß wir durch sie die momentane Gefahr nach Mög- 
lichkeit beseitigen und den Pat. dauernd von einem schweren Leiden 
befreien. Mit der zuwartenden Behandlung geht der Pat. größere 
Gefahr ein und muß sich, will er dauernd, d. h. durch Operation im 
Intervall, geheilt sein, einem viel längeren Krankenlager unterwerfen. 

Borchard (Posen). 





Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 1097 


10) A. A. Warabjow. Zur Ätiologie und Anatomie trau- 


matischer (resp. künstlicher) Leistenbrüche. 
(Russ. Archiv für Chirurgie 1906. [Russisch.)) 

Wie zahlreich die Methoden der Selbstverstümmelung sind, die 
die russischen Juden anwenden, um vom Militärdienst frei zu kommen, 
weis jeder, der längere Zeit in Königsberg oder Breslau Chirurgie 
getrieben hat. In der vorliegenden Arbeit handelt es sich um die 
Erzeugung von Hernien zu gedachtem Zwecke. Alle 7 Pat. sind 
jüdische Soldaten und wurden im Jahre 1903 in wenigen Monaten 
beobachtet (allein drei im Februar). Da die Leute den wahren Sach- 
verhalt natürlich zu verheimlichen suchen, bedarf es anatomischer 
Merkmale zur Erkennung der Natur der Hernie. Ein Bruch erscheint 
»verdächtig«, wenn er nicht in das Skrotum hinabreicht und im Lie- 
gen sofort verschwindet, die Ränder des äußeren Leistenringes uneben 
sind, wenn sich Narbenstränge oder gar frische Infiltrate finden, wenn 
die ganze Vorwölbung höckrig ist usw. 

Zum Schluß wird hervorgehoben, daß die Technik der Hernien- 
erzeugung in letzter Zeit derartige Fortschritte gemacht hat, daß es 
immer schwerer wird, der Wahrheit auf den Grund zu kommen, i. e. 
vor der Operation. V. E. Mertens (Breslau). 


11) M. Donati. Sull’ ernia inguinale diretta nella donna. Contri- 
buto clinico e ricerche anatomiche intorno alle formazioni 


limitanti il canale inguinale nei due sessi. 
(Arch. per la scienze med. T. XXIX. Nr. 10.) 

Verf. hat, angeregt durch die Operation eines direkten Leisten- 
bruches bei einer Frau, diese seltene Bruchform genauer studiert. 
In der Literatur fand er nur drei mitgeteilte Fälle von Hernia 
inguinalis directa beim Weibe. Um die Ursache dieser Seltenheit zu 
ergründen, hat D. an 52 — 31 weiblichen und 21 männlichen — 
Leichen anatomische Untersuchungen ausgeführt. Diese ergaben, daß 
die hintere Wand des Leistenkanales, besonders die Gegend der 
Foveola inguinalis interna, im Durchschnitte beim Weibe bedeutend 
widerstandskräftiger ist als beim Manne. Dies wird vornehmlich be- 
wirkt durch Faserzüge, die von der hinteren Fascie des Transversus 
abdominis ausgehen und nach unten und außen verlaufen. Diese 
Lamina pubo-transversalis, wie sie Verf. nennt, fand sich in 60% der 
weiblichen und nur in 14% der männlichen Leichen. Dazu kommt 
noch, daß sich gerade bei der Frau Endfasern des Obliqus internus 
und Transversus über den äußeren Rand der Lamina pubo-trans- 
versalis hinweg zu den epigastrischen Gefäßen hinziehen. So besteht 
statt des beim Manne für gewöhnlich vorhandenen schwächeren Punktes 
an dieser Stelle beim Weibe festeres Gewebe, das einem Vortreten der 


Eingeweide im Sinne der Hernia inguinalis directa entgegensteht. 
A. Most (Breslau). 





— 


41** 


1098 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 


12) Th. Froelich. Om pylorusstenose hos spaedbarn. 
(Norsk Mag. for Laegevid. 1906. Nr. 9.) 


F. rät, wenn auch Heilungen bei interner Behandlung beobachtet 
sind, die Operation der angeborenen Pylorusstenose nicht allzulange 
hinauszuschieben. Pyloroplastik und Loreta’s Operation geben bessere 
Resultate als die Gastroenterostomie. Operation bringt dauernde Hei- 
lung. Der älteste bekannte Fall ist vor ca. 6 Jahren operiert. 
Revenstorf (Hamburg). 





13) L. Mummery. The surgical aspects of colitis. 
(Practitioner 1906. August.) 

Verf. unterscheidet zwei Arten von Kolitis: die primäre Kolitis, 
wobei es sich um eine mehr oder weniger diffuse Erkrankung des Kolon 
handelt, und eine sekundäre Kolitis, bei der ein umschriebenes Leiden 
innerhalb oder außerhalb des Dickdarmes vorliegt oder aber die Kolitis 
als Teilerscheinung einer allgemeinen Erkrankung auftritt. 

Die Diagnose ist in den einzelnen Fällen nicht immer leicht; 
stets soll man bei Diarrhöen, kolikartigen Darmschmerzen, Abgang 
von Blut oder Schleim durch den After auch bei jüngeren Individuen 
an bösartige Neubildung denken und dementsprechend seine Unter- 
suchung anstellen, wobei das Sigmoidoskop vielfach wichtige Dienste 
leistet. An der Hand einzelner Fälle und Photogramme wird dies 
erläutert. Zum Schluß stellt Verf. folgende Sätze auf: 1) Bei jeder 
Kolitis soll eine genaue Untersuchung des Bauches, des Mastdarmes 
mittels Sigmoidoskops, sowie des Kotes gemacht werden, ehe man 
eine Behandlung einleitet. 2) Ist die Kolitis Folge einer Nachbar- 
erkrankung (Wurmfortsatz, Niere, Gallenblase usw.), so soll der primäre 
Erkrankungsherd operativ beseitigt werden. 3) Bei Kolitis infolge 
bösartiger Neubildung muß möglichst frühzeitig operiert werden. 4) Bei 
lokaler Erkrankung (Tuberkulose, Aktinomykose) ist lokale Behand- 
lung, eventuell Operation zu empfehlen (Kolotomie, Enteroanastomose). 
5) Wirkliche Kolitis behandelt man am besten diätetisch, kombiniert 
mit Irrigationen. 6) In sehr hartnäckigen Fällen, die allen palliativen 
Mitteln trotzen, gelten als beste Methoden zur Erzielung der Heilung 
die temporäre Coecotomie, Kolotomie oder Enteroanastomose. 

Jenckel (Gottingen). 


Kleinere Mitteilungen. 


14) W. 8. Haggard. Transactions of the southern surgical and 
gynecological association. Vol. XVII. XVII. session. 


J. 8. Horsley eröffnet die Reihe der chirurgischen Vorträge mit der Be- 
sprechung einer Methode, sehr enge und ungleich weite Darmlichtungen zur Ver- 
einigung zu bringen. Es ist eine End-zu-End-Vernähung mit fortlaufender Naht, 
wobei ein Zwickel aus jeder Darmlichtung herausgeschnitten wird, so daß die 
Anpassung der Darmschlingen unter rechtem Winkel zustande kommt. Die Ein- 
wände in der Diskussion, daß die fortlaufende Naht die Anastomosenöffnung zu 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 1099 


eng gestalten könne, weist H. zurück, weil er gerade deswegen die Darmlichtungen 
möglichst weit mache. Im übrigen verweist H. auf seine Wachsausgüsse derartig 
vernähter Hundedirme, und fihrt die enge Offnung, die der Murphyknopf habe, 
dagegen ins Feld. (Redner berücksichtigt nicht, daß die enge Lichtung des 
Murphyknopfes nur vorübergehend die Darmlichtung verengt. Ref.) 


Talley berichtet über acht Fälle von Ileus. Darunter befindet sich eine vier- 


fache Invagination. T. empfiehlt frühzeitige Operation, auch bevor eine spezielle 
Diagnose gestellt werden kann. 


Die Brüder Mayo haben in den Jahren 1894—1904 1000 Gallenoperationen 
ausgeführt mit einer Gesamtsterblichkeit von 5%. Betraf die Erkrankung nur 
die Gallenblase, so betrug die Sterblichkeit 2,44%, bei Choledochusoperationen 
11,7%. Bei chronischer Cholecystitis exstirpiert M. die Gallenblase. Eine absolut 
trübe Prognose bieten diejenigen Fälle, bei welchen die Leber ihre Tätigkeit ein- 
gestellt hat, und bei denen in der Gallenblase nur eine wasserklare Flüssigkeit zu 
finden ist. Rezidive wurden nicht beobachtet. 

Hall hat ein Rezidiv nach 8 Jahren operiert. 

Mayo gibt der damals noch nicht vollkommenen Technik die Schuld daran. 


J. W. Long redet der Enterostomie als lebensrettendem Eingriffe das 
Wort. Er betrachtet seine acht Fälle unter den Gesichtspunkten der mechanischen 
Verstopfung, der diffusen Peritonitis, der Darmperforation und der Fistelbildung 
zwecks Ernährung. 


Stone und McMurtry wenden sich beide gegen den Mißbrauch von Ab- 
führmitteln vor und nach Laparotomien bei Peritonitis. Es wird oft dadurch der 
Darmparalyse und dem Ileus nur Vorschub geleistet. Zur Ableitung von Exsudaten 
sind sie gänzlich zwecklos. Das beste Mittel ist die absolut flüssige Nahrung in 
den ersten Tagen. Dabei soll man sich durch das Fehlen der Peristaltik nicht 
gleich einschüchtern lassen und erst in der zweiten Hälfte des 2. Tages es mit 
einem Einlaufe versuchen. 


Nicolson empfiehlt Zelluloidplatten bei Schädeldefekten aufs wärmste. Er 
hat bei fünf Fällen von Jackson’scher Rindenepilepsie die Lücke während der 
Operation gedeckt. Den Wagner’schen Lappen hält er bei diesen Operationen 
nicht für geeignet, weil man nie vorher wissen kann, wieviel man von dem Schädel- 
dache noch resezieren muß, um zu erkrankten Bezirken zu gelangen. Die Zelluloid- 
platten liegen noch zu kurze Zeit, um darüber ein endgültiges Urteil zu fällen. 


Balloch bespricht den chirurgischen Eingriff bei der traumatischen Knie- 
gelenkssynovitis und gelangt zu folgenden Schlüssen: Man soll mit konservativen 
Maßnahmen keine Zeit verlieren. 3 Wochen sind lange genug, um sich ein Urteil 
über den weiteren Verlauf zu bilden. Die Arthrotomie ist eine ungefährliche Ope- 
ration. Frühzeitiger Eingriff gibt bessere Prognose als jede andere Behandlung. 


Oliver berichtet über das Zusammentreffen von Typhus und Perityphlitis, 
sowie über die Schwierigkeit der differentiellen Diagnose beider Erkrankungen, 
namentlich wenn die Vorgeschichte fehlt und Pat. mit einer Perforation eingeliefert 
wird. Q. ist kein Anhänger einer probatorischen Laparotomie und auch keiner 
einer wirklich typhösen Appendicitis. Von letzterer Erkrankung werden zwei Fälle 
erwähnt. Die typhöse Ulzeration des Wurmes und die Infiltration des mit der 
Umgebung verbackenen Netzes vermögen gerade wie bei der genuinen Appendicitis 
eine Dämpfungszone hervorzurufen. 

In der Diskussion weist Murphy darauf hin, daß er acht Fälle von typhöser 
Appendicitis beobachtet hat, von denen er die ersten drei operierte. Zwei Tat- 
sachen scheinen ihm differentialdiagnostisch von Wichtigkeit: Bei der Wurmfortsatz- 
erkrankung geht das Fieber dem Anfalle nicht voran, und die Schmerzen treten 
bei der typhösen Form am 3., 4. und 5. Tag auf. 


Sherrill bespricht die Behandlung der akuten diffusen Peritonitis und stellt 
als obersten Grundsatz auf, so früh als möglich chirurgisch einzugreifen. Virulenz 


1100 Zentralblatt für Chirurgie Nr. 41. 


und Kräftezustand sind die beiden Faktoren, die das Schicksal des Kranken be- 
stimmen. 

Die lebhafte Diskussion, die sich an den Vortrag anschließt, behandelt 
namentlich die Frage der Reinigung und Drainage der Peritonealhshle. Es be- 
teiligen sich hauptsächlich Murphy, Finney, C. H. Mayo und Haggard. Die 
Ansichten über Irrigation und Austupfen gehen auseinander. Einig sind sich alle 
darin, daß drainiert werden muß und alle Eingriffe so schonend wie möglich vor- 
genommen werden müssen. 


Murphy bringt eine neue Operationsmethode in Gestalt einer Resektion des 
Nierenbeckens bei Hydronephrose. Für diese Pyelektomie gibt M. kein bestimmtes 
Operationsverfahren an, sondern individualisiert in jedem Falle. Gewöhnlich 
schneidet er über der stärksten Vorwölbung ein und geht dann bis zum Nieren- 
rande. Er macht ferner darauf aufmerksam, daß rechtsseitige Hydronephrosen 
eine Appendicitis vortäuschen können. 


Young berichtet über neun Fälle von Blasendivertikel. Ätiologisch kamen 
angeborene Klappenbildung, Strikturen, Verletzung und Prostatahypertrophie in 
Betracht. Der Druck eines Divertikels auf den Harnleiter spielt eine große Rolle. 
Die mikroskopischen Befunde der Divertikelwand zeigen äußerst wechselnde For- 
men. In keinem Falle feblt die Muskulatur. Die Operation geschieht je nach 
den Verhältnissen extra- oder intravesikal.e Wenn der Harnleiter in ein Divertikel 
einmündet, so macht Y. die Einpflanzung des Harnleiters mit Schonung des 
Klappenapparates, d. h. er schneidet nicht den Harnleiter durch, sondern er um- 
schneidet den um die Harnleitermündung gelegenen Bezirk und pflanzt dann diesen 
nach Abtragung des Divertikels in die Blasenwand ein. 


Young hat in den 2 vergangenen Jahren 75 Fälle von Prostatahypertrophie 
auf perinealem Weg operiert, und alle machten eine Rekonvaleszenz durch. Zwei 
starben nach dem 9. Tage an Komplikationen. Y. gibt der perinealen Methode 
den unbedingten Vorzug. Er macht parallel zueinander jederseits zwei Längs- 
schnitte durch die Prostatakapsel. Dadurch will er die Ducti ejaculatorii schonen 
und nach seinen Beobachtungen die sexuelle Potens erhalten haben. Y.legt durch 
seine Inzisionen zwei Drains ein, mit denen er eine Dauerspülung 12—24 Stunden 
lang aufrecht erhält. Danach werden die Drains entfernt. Die Tamponade wird 
am 3. Tage weggelassen; am 4. Tage steht Pat. auf. Schon nach 1 Woche will 
Y. den perinealen Abfluß des Urins beseitigt haben. 

Caldwell bespricht die Indikation der Resektionen tuberkulöser Gelenke. 
Seine Grundsätze sind im großen und ganzen die bekannten. Die Altersgrenze für 
die Kniegelenksresektion setzt C. auf 50 Jahre fest. Doch hat er auch jenseits 
dieser Grenze zwei Heilungen zu verzeichnen. 

Mixter berichtet über drei Fälle von Magenobliteration nach Verätzung. 
Einmal wurde die Gastroenterostomie mit Erfolg ausgeführt, einmal die Duodeno- 
stomie; der dritte Fall kam nicht zur Operation. 

Bosher bespricht die Dermoidcysten und Fisteln am SteiB. 

In der Diskussion erwähnt Denegre einen Fall von Dermoidcyste, die doppelt- 
mannskopfgroß war und bis zur Kniekehle beiderseits herunterhing. Pat. starb 
infolge der Operation. 

Stokes bespricht sechs Fälle tuberkuléser Peritonitis. Die Operation soll 
lediglich in der Eröffnung der Peritonealhöhle bestehen. Drainage ist nur dann 
angebracht, wenn Eiter oder Darmperforation vorhanden sind. 

Gaston erwähnt eine Schußverletzung der Luftröhre bei einem 8jährigen Mäd- 
chen, die durch Tracheotomie geheilt wurde. 

Byford desinfiziert nach der Methode von Fürbringer, doch bält er den 
Alkohol für nicht unbedingt notwendig und legt auf die mechanische Reinigung 
sowie auf die Vermeidung von eitrigen Wunden den Hauptwert. Handschuhe 
wendet er höchstens bei seinen Assistenten an. Eine glatte Haut besitzt große 
Vorzüge. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 1101 


In dieser Hinsicht erwähnt C. H. Mayo, daß man Gummihandschuhe in Eiter 
tauchen könne und sie nach tüchtigem Abspülen nicht in allen Fällen, aber doch 
oft steril finden würde. 


Murfree spricht über die eingeklemmten Brüche im allgemeinen und verlangt 
so früh wie möglich Operation. 

Denegre erwähnt zwei Fälle von Karzinom des Wurmfortsatzes, die operiert 
wurden, aber zum Tode führten. 


G. Brown bespricht einen Fall von Zwerchfellbruch, bei dem das ganze Netz 
und ein großer Teil des Magens in den Pleuraraum eingetreten waren. Tod. 


Haggard erwähnt einen Fall von Meningokele, die bei der Geburt gänseei- 
groß war und in 4 Monaten die enorme Größe von zwei Kindsköpfen dieses 
Alters erreichte. Operation: Abtragung der Cyste. Tod nach 2 Tagen. In der 
Cystenwand befand sich Zentralnervengewebe. 


Haggard empfiehlt sodann die Drainage des Douglas bei diffuser Peritonitis. 


B old: Demonstration eines neuen Operationstisches, eines Irrigationsspekulums, 
eines Cul-de-sac-Perforateurs und einer Invaginationsnadel fiir den Wurmfortsatz. 


Royster sterilisiert seine Messer, indem er dieselben vor der Operation 10 Mi- 
nuten lang in 95x%igen Alkohol legt. 


Manton: Zwei Fälle von tuberkulöser Peritonitis. 


Richardson: Ein Fall von embolischer Gangrän beider Femorales mit töd- 
lichem Ausgange. 


Jordan: Zwei Schußverletzungen des Magens. Ein Pat. genas und bot die 
Eigentümlichkeit, daß nur eine Einschußöffnung vorhanden war. 


Doughtya: a. Ein Fall von suprapubischer Prostatektomie. b. Ein Fall von 
Peritonealcyste. Beide genasen. 


Hunner bespricht die Bedeutung der Blasenuntersuchung bei Frauen. 
A. Hofmann (Karlsruhe). 


15) H. Ladenburger. Operationen an Säuglingen. 
(Vereinsblatt pfälzischer Arzte 1906. Februar.) 


Verf. will bei Säuglingen nur die Witzel’sche Athertropfnarkose angewendet 
wissen. Instrumente sollen stets trocken benutzt und jede antiseptische Flüssig- 
keit vom Operationsfelde ferngehalten werden. Weiter betont Verf. die Schwierig- 
keit des Sauberhaltens des Verbandes, besonders wegen der Spannungsverhältnisse 
der zu vereinigenden Weichteile. (Die kolossale Nachgiebigkeit der kindlichen 
Haut unterschätzt Verf. Ref.) Als Nahtmaterial will Verf. nur Jodcatgut gelten 
lassen, besonders da eine Entfernung der Nähte der äußeren Haut dann fortfällt. 
Mit seiner Ansicht über die Bruchoperation bei Säuglingen dürfte Verf. bei der 
Mehrzahl der Chirurgen auf Widerspruch stoßen. Zum Schluß teilt er zwei Ope- 
rationen an Säuglingen (Exstirpation eines 31/, Pfund schweren embryonalen 
Nierensarkoms bei einem ljährigen Kinde und Radikaloperation eines Nabelschnur- 
bruches 5 Stunden nach der Geburt) mit, die beide tédlich verlaufen sind. 

Grosse (Kassel). 


16) Schkarin. Zur Kenntnis der Riickbilduhg von Neoplasmen nach 
operativen Eingriffen. 
(Prager med. Wochenschrift 1906. Nr. 37 u. 38.) 

Die Rückbildung von Geschwülsten nach Arsenik-, Röntgen- oder Radium- 
behandlung und nach Infektionskrankheiten ist schon häufig beobachtet und be- 
schrieben worden. Nur spärlich in der Literatur sind solche Fälle berichtet, bei 
denen ein operativer, selbstverständlich nicht radikaler Eingriff den Anstoß zum 
Beginn eines Rückbildungsvorganges in bösartigen Neubildungen gab. S. teilt 
zwei hierher gehörige Beobachtungen mit: Bei einem 6jährigen Mädchen mit einem 


1102 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 


Rundzellensarkom des Jejunum und zahlreichen knolligen Metastasen im Bauch- 
fell und den mesenterialen Lymphdrüsen wurde 4 Tage nach der Probelaparotomie 
die Sektion gemacht. Dabei stellte sich heraus, daß nur noch die Lymphdrüsen, 
welche regionär zur Primärgeschwulst gehörten, etwas vergrößert waren. Während 
die mikroskopische Untersuchung eines bei der Operation gewonnenen Stückchens 
vom Peritoneum parietale keine degenerativen Veränderungen erkennen ließ, fanden 
sich bei der Sektion überall ausgedehnte, besonders fettige Zerfallserscheinungen 
in den Geschwulstzellen. 

In dem zweiten Falle, der einen jährigen Knaben betraf, ergab die Laparo- 
tomie zahlreiche, den ganzen Bauch erfüllende, knollige, bis kleinfaustgroße Ge- 
schwülste. Ein Teil des großen Netzes wurde zur mikroskopischen Untersuchung 
exzidiert, die ein kleinzelliges Rundzellensarkom von alveolärem Bau nachwies. In 
den nächsten 14 Tagen schwanden sowohl die Geschwülste im Bauch als auch 
mehrere Hautknoten der Brustwand und geschwollene Lymphdrüsen am Hals und 
in den Achseln; dann setzte ein erneutes Wachstum der Geschwülste ein, das 
schließlich 4 Wochen nach der Operation zum Tode des Kindes führte. Eine 
Sektion unterblieb; der Ausgangspunkt der zahlreichen Geschwülste hat anschei- 
nend nicht ermittelt werden können. Gutzeit (Neidenburg). 


17) Lang. Lähmungen nach Lumbalanästhesie mit Novokain und 
Stovain. 
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 35.) 


In den beiden mitgeteilten Fällen handelte es sich um Augenmuskellähmungen, 
welche 11 Tage nach der Einspritzung des Novokains in den Lumbalsack began- 
nen und sich innerhalb von 12—20 Stunden zur Paralyse steigerten. Beim ersten 
Falle gesellte sich außerdem zur rechten Paralyse am 18. Tage noch eine Parese 
des linken Abducens. Bei beiden Fällen trat nach ungefähr 10 Tagen eine all- 
mähliche Rückbildung ein. L. glaubt, daß es sich um eigenartige toxische Spät- 
wirkung des Novokains handelt. 

Des weiteren teilt L. einen Fall mit, in welchem nach Anwendung von Stovain 
eine Peroneuslähmung, die nach etwa 12 Wochen zurückging, sowie eine Atrophie 
des rechten Thenar einstellte. Borchard (Posen). 


18) Balacescu (Bukarest). Die Behandlung der kalten Abszesse mit- 
tels Einspritzungen von Naphtholum camphoratum. 
(Chirurgische Gesellschaft in Bukarest. Sitzung vom 31. Mai 1906.) 


B. hat mehrere Fälle von lokaler Tuberkulose nach der Methode von Calot 
mit Einspritzungen von Kampfernaphthol in die Abszeßhöhle behandelt und sehr 
gute Resultate erzielt. Es wurde nicht nur bei Knochen- und Gelenkcaries Hei- 
lung erzielt, sondern auch Lymphdrüsentuberkulosen können auf diese Weise ohne 
Operation und ohne entstellende Narbenbildung behandelt werden. Diese, bekannt- 
lich von Calot angegebene, Behandlungsmethode kann also nur wärmstens emp- 
fohlen werden. E. Toff (Braila). 


19) H. Salomon. Die diagnostische Punktion des Bauches. 
(Berliner, klin. Wochenschrift 1906. Nr. 2.) 


Verf. hat das von Adolf Schmidt zur Verwendbarkeit der intraperitonealen 
Infusion von Kochsalz- und Nährlösungen konstruierte Instrument modifiziert, um 
die Probepunktion der Bauchhöhle gefahrlos zu gestalten. Der Apparat, welcher 
vom Instrumentenmacher Cassel (Frankfurt a. M.) geliefert wird, besteht aus einer 
kurzen, nur die Haut durchstechenden scharfen Gleitnadel und einer stumpfen 
Hohlnadel, die durch die Gleitnadel hindurchgeführt wird und Muskel, Fascie und 
Peritoneum stumpf durchbohrt. Durch eine seitliche Öffnung am Ende der stumpfen 
Hohlnadel wird ein feiner Katheter nach Art der Harnleiterkatheter hindurch- 
geleitet, der von einem Mandrin gesteift wird. Das Instrument wurde erst in 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 1103 


einigen Fällen angewendet, zeigte seine Brauchbarkeit besonders in einem Falle 
von Durchwanderungsperitonitis bei Typhus. Wie die Obduktion ergab, betrug 
die Gesamtexsudatmenge nur 100 ccm, eine Flüssigkeitsansammlung, die durch 
andere klinische Untersuchungsmethoden nicht nachweisbar ist, die sich aber cyto- 
diagnostisch und bakteriologisch verarbeiten lässt. Die diagnostische Punktion, 
die Verf. zwischen Nabel und Blase in der Mittellinie oder an den seitlichen Par- 
tien des Bauches, besonders linkerseits, auszuführen empfiehlt, soll sich zunächst 
auf Fälle von Peritonitis zweifelhafter Ursache, oder wo es sich darum handelt, 
die Differentialdiagnose zu stellen zwischen Perforationsperitonitis und einer Kolik 
von seiten des Harnleiters oder der Gallenblase, oder zwischen einem nervösen 
Schmerzanfalle beschränken. Auch bei Fällen von etwaigem perforiertem Magen- 
geschwür und von geplatzter Tubarschwangerschaft wird sie die Diagnose sichern. 
Langemak (Erfurt). 


20) W. S. Grusdew. Zur Frage von den Fremdkörpern in der 
Bauchhöhle und von dem Verhalten des Bauchfells zu denselben. 
(Russki Wratsch 1906. Nr. 30.) 


G. entfernte bei einer 58 Jahre alten Bäuerin eine vor 7 Jahren zurückgelas- 
sene, 22 cm lange Terrier’sche Klemme; das erste Jahr nach der damaligen 
Operation fühlte sich Pat. gesund, dann traten Schmerzen auf, und vor 3 Monaten 
perforierte die Spitze der Klemme die vordere Bauchwand rechts vom Nabel. Die 
Branchen lagen im hinteren Douglas. G. entfernte das Instrument durch hintere 
Köliotomie. Die Branchen waren von einer 1—1,5 mm dicken, sehnigen Haut 
umschlossen, die im Zentrum bloß aus geschichtetem sklerosiertem Bindegewebe 
bestand, in den peripheren Lagen längliche Zellen mit großen ovalen Kernen, ferner 
runde, vielkernige und einzelne Riesenzellen, sowie spärliche Gefäße enthielt. Da 
das Bauchfell und die Darmschlingen im Douglas nicht verwachsen waren, so ist 
anzunehmen, daß die Reizung des Bauchfells nur vorn — an der Spitze — zu 
Verklebungen führte, hinten — an den Branchen — nur zu Ablagerung an den 
Fremdkörper selbst. Als Mittel zur Vermeidung des Zurücklassens von Fremd- 
körpern empfiehlt G. das von ihm geübte Spülen der Bauchhöhle nach jeder Ope- 
ration mit physiologischer Lösung, wobei die das Instrument einführende Hand 
einen eventuell vergessenen Fremdkörper finden muß, wie es dem Verf. einmal 
passiert ist. E. Gückel (Wel. Bubny, Poltawa). 


21) W. W. Wnukow. Zwei Fälle von akuter perforativer Peritonitis, 
geheilt durch Bauchschnitt. 
(Russki Wratsch 1906. Nr. 27.) 

Die Fälle wurden in Prof. Fedorow’s Klinik in Petersburg operiert. 

Der erste Pat., 29 Jahre alt, verschluckte vor 10 Tagen, zwecks Selbstmordes, 
zahlreiche Schnitzel einer Blechdose. Vor 2 Tagen plötzliche Schmerzen im 
Unterleibe (Perforation); 62 Schnitzel waren durch den After abgegangen. Sofort 
nach Eintritt ins Krankenhaus — am 3. Tage der Krankheit — Laparotomie in 
der Linea alba. Ein verlöteter Dünndarmknäuel wurde hervorgezogen, in, dessen 
Mitte Eiter und zwei Perforationsöffnungen im Darme gefunden; die eine Öffnung 
wird erweitert und 7 Schnitzel entfernt; Naht der Öffnungen, Anlegen von vier 
Schnitten durch die Bauchwand: je eine hinten am Ende der 12. Rippe und vorn unten, 
über dem Lig. Pouparti, Einführen von Drains durch diese Löcher, hinten zwischen 
Leber (resp. Milz) und Zwerchfell, sowie nach vorn unten; durch die Öffnungen 
über dem Poupart’schen Bande nach oben längs dem Dickdarm bis zur Leber und 
zum Magen; durch die mediane Wunde wurde ein Mikulicztampon eingelegt. 
Spülen der Bauchhöhle mit 9/iger NaCl-Losung von 40° O, bis die Flüssigkeit 
klar abfließt. 500,0 Kochsalzlösung subkutan. Glatter Verlauf; nach 3 Monaten 
geheilt. 

Der zweite Pat., 41 Jahre alt, erkrankte an Peritonitis nach einer Punktion des 
Bauches, die rechts mitten zwischen Nabel und Spina ant. sup. ausgeführt wurde ; 


1104 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 


dabei wurde eine mit der Bauchwand verwachsene Dünndarmschlinge angestochen, 
deren Inhalt sich in die Bauchhöhle entleerte. Schon nach sechs Minuten 
starke Schmerzen, nach 15 Minuten Erbrechen. Operation nach 4 Stunden. 
Schnitt rechts schräg über die Punktionsöffnung, links wird symmetrisch eine 
zweite Öffnung gemacht. Da die angewachsene Stelle des Darmes verengt ist, 
werden der zu- und abführende Schenkel durch eine Enteroanastomose verbunden. 
Hinten an den Enden der 12. Rippen werden noch 2 Öffnungen angelegt, die 
Bauchhöhle mit heißer Kochsalzlösung gespült und Drains eingeführt (durch die 
vorderen Schnitte tiefe Tampons). Da der Darm nicht zu reponieren war, mußte 
er punktiert werden; die Punktionswunde, sowie die erste Stichwunde, die die 
Peritonitis veranlaßte, wurden genäht. 1000 cem Kochsalzlösung subkutan. Verlauf 
gut. Am Ende des zweiten Monats bildete sich an der Stelle der Anastomose eine 
Darmfistel mit Sporn. Daher 3 Monate später Laparotomie, Ablösung des Darmes. 
Naht der Fistelöffnung im Darme, Naht der Bauchwunde. Glatte Heilung. Am 
Ende des 7. Monats nach der ersten Operation geheilt entlassen. 
E. Qückel (Wol. Bubny, Poltawa). 


22) A. Miles. Observations on perforated gastric and duodenal ulcer, 
based on a personal experience of forty-six cases operated upon. 
(Edinb. med. journ. 1906. August u. September.) 

Kurze, interessante, statistische Arbeit auf Grund der Beobachtung von 
46 Fällen von Perforationen bei 36 Magen- und 10 Duodenalgeschwüren. Was 
das Geschlecht der Pat. anlangt, so ist auch Verf. der Meinung, daß das Geschwiir 
unzweifelhaft häufiger beim weiblichen Geschlechte vorkommt, als beim männ- 
lichen, und infolgedessen bei Weibern öfter Perforationen erlebt werden; doch tritt 
die Perforation auch bei Männern verhältnismäßig oft auf; denn von 36 perforierten 
Magengeschwüren betrafen 25 das weibliche, 11 das männliche Geschlecht, ja beim 
Duodenalgeschwür überwiegt bei weitem das männliche Geschlecht, indem von 
10 Fällen 9 das männliche, nur einer das weibliche betrafen. Die jüngste ope- 
rierte Pat. war 151/., die älteste 551/. Jahre alt. 22mal trat die Perforation des 
Magengeschwüres bei Pat. ein, die jünger als 30 Jahre waren (3 Männer, 
19 Weiber), 14mal bei älteren (3 Männer, 6 Frauen). Beim Duodenalgeschwiire liegt 
das Alter zwischen dem 19. und 64. Lebensjahre, die einzige weibliche Person war 
21 Jahr alt. Von 14 über 30 Jahre alten Kranken, die wegen perforierten Magen- 
geschwüres operiert wurden, blieben nur 4 am Leben, während von den 22 unter 
30 Jahre alten 15 geheilt wurden. Von den 5 Todesfallen bei perforiertem Duo- 
denalgeschwür waren 4 Männer über 40 Jahre alt, einer stand im Alter von 
19 Jahren, während von den 5 geheilten eine Person 52 Jahre alt war, die übrigen 
4 unter dem 40. Lebensjahre standen. Sowohl bei Perforation des Magen-, als 
auch des Duodenalgeschwüres beträgt die Sterblichkeit 50% ; die besten Aussichten 
für die Erhaltung des Lebens sind vorhanden, wenn innerhalb der ersten 12 Stunden 
nach der Perforation die Operation ausgeführt werden kann (Sterblichkeit 26,3%), 
zwischen 12 und 24 Stunden beträgt die Sterblichkeitsziffer schon 44,4%, zwischen 
24 und 36 Stunden 50%, nach 36 Stunden 91,7%. 

Ein Trauma konnte nur verhältnismäßig selten als Ursache der Perforation 
nachgewiesen werden. Was den Sitz des Geschwüres anlangt, so überwiegt bei 
weitem die vordere Wand (Magengeschwüre: 33 an der vorderen, 3 an der hinteren 
Wand; Duodenalgeschwüre: 9 an der vorderen, 1 an der hinteren Wand). Mehr- 
fache Perforation erlebte Verf. nur Imal bei einem 20jährigen Mädchen, wo das 
Geschwür an der vorderen Wand übernäht war, bei der Autopsie sich aber auch an 
der hinteren Wand eine Perforation vorfand. Die Perforationsöffnungen an der 
hinteren Wand pflegten stets größer zu sein als an der vorderen. Das Operations- 
verfahren bestand gewöhnlich in Einstülpung und Übernähung des Geschwüres 
(zwei Etagen). Zur Sicherung wurde, wenn möglich, ein Netzzipfel noch über- 
genäht. Nur in 2 Fällen exzidierte Verf. das Geschwür (beide Pat. starben). So- 
bald die Befürchtung vorlag, daß durch die Einstülpung und Übernähung die 
Lichtung sehr verengt würde, führte Verf. entweder die Pyloroplastik oder aber, 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 1105 


wenn der Zustand des Pat. es erlaubte, die Gastroenterostomia retrocolica posterior 
aus. Großes Gewicht legt M. auf die Auswaschung des Bauches nach Schluß der 
Perforationsöffnung. In jedem Falle soll durch suprapubischen Schnitt das Becken 
freigelegt und das Cavum Douglasii mit Hilfe einer langen Tube mit steriler 
warmer Kochsalzlösung resp. warmem abgekochten Wasser gehörig ausgespült 
werden. Zu diesem Zwecke verwendet Verf. lange Glasdrains, die nach allen 
Richtungen hin vom Laparotomieschnitt aus eingeführt werden (Milz-, Nieren-, 
Leber-, linke und rechte Diacalgegend) und den Abfluß erleichtern. Die Perfora- 
tionsstelle wurde nur in zweifelhaften Fällen, speziell beim Duodenalgeschwür, zur 
Sicherheit mit einem Jodoformgazestreifen versehen, im übrigen die Laparotomie- 
wunde bis auf die Drainöffnung für den Douglasraum geschlossen. Am 2. Tage 
nach der Operation wurde die Drainage entfernt. Jenckel (Gottingen). 


23) Friedrich. Uber die Häufigkeit und operative Prognose der 
Bauchaktinomykose des Menschen. 
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 31.) 

In 3 Jahren kamen an der Greifswalder chirurgischen Klinik unter 600 Lapa- 
rotomien — darunter rund 200 wegen Blinddarmerkrankung — sechs resp. acht 
Fälle von Aktinomykose vor, so daß, da alle diese unter dem mehr oder minder 
ausgesprochenen Bilde der Blinddarmentzündung verliefen, 3 resp. 4% der Blind- 
darmerkrankungen durch den Strahlenpilz bedingt waren. In keinem der Fälle 
war vor der Aufnahme in die Klinik die Diagnose gestellt worden, sondern in fünf 
von acht war Blinddarmentzündung angenommen. Es setzte bei vier Pat. die Er- 
krankung ganz akut, unter dem typischen Bilde der Perityphlitis ein. Dagegen 
traten Symptome, welche wir unter peritonitischer Reizung zusammenfassen, auf- 
fallend zurück. In den anderen Fällen braucht der erste »Blinddarmanfall«< kaum 
Resistenzen zu hinterlassen, und dann stellt sich nach und nach eine immer größer 
werdende, sehr derbe, fast oder ganz schmerzlose Entzündungsgeschwulst ein. Hier- 
neben Bewegungsstörungen im rechten Bein, ausgesprochener Kräfteverfall. Von 
den acht Fällen — bei denen 2mal die spezifischen Pilze, trotz des typischen klini- 
schen Bildes, nicht gefunden werden konnten — sind sieben am Leben geblieben. 
Wenn F. auch einen therapeutischen Versuch mit Jod unter dauernder Überwachung 
des Kranken für gerechtfertigt hält, so steht er doch auf Grund seiner bakterio- 
logischen und klinischen Erfahrungen auf dem sicher von allen, die die Erkran- 
kung häufiger gesehen haben, zu billigenden Standpunkte, nach Möglichkeit alles 
Kranke bis in das Gesunde auszuschneiden. So hat er z. B. bei einer 54jahrigen 
Pat. den ganzen aufsteigenden Dickdarmteil an seiner Außen- und Rück- 
wand freigelegt, um alles Kranke radikal zu entfernen. In einem anderen Falle 
mußte das ganze krankheitsverdächtige Darmgebiet nach radikaler Entfernung alles 
Kranken durch Dünndarm- und Dickdarmanastomose ganz ausgeschaltet werden. 

Borchard (Posen). 


24) B. Schweizer. Uber Divertikelbildung bei Appendicitis. 
(Virchow’s Archiv Bd. CLXXXV. p. 278.) 

Verf. beschreibt einen von ihm im Intervall exstirpierten Wurmfortsatz, dem 
im proximalen Drittel auf der konvexen Seite ein mehr als kirschgroßes Anhängsel 
breitbasig aufsaß. Die Kommunikationsöffnung zwischen Divertikel und Wurm 
war erbsengroß und scharfrandig. Der Inhalt beider Gebilde bestand aus einer 
mit Fibrinflocken vermischten schleimig-eitrigen Flüssigkeit. Ein Kotstein fehlte. 
Die mikroskopischen Befunde, sowie die Erörterungen über die Entstebung der- 
artiger Ausbuchtungen, sowie ihre pathologische Wichtigkeit müssen im Original 
nachgelesen werden. Doering (Göttingen). 


25) Seelig. False diverticula of the vermiform appendix. 
(Annals of surgery 1906. Juli.) 
Gelegentlich einer Operation fand S. am exstirpierten Wurmfortsatz ein 
falsches Divertikel, welches nur aus der Schleimhaut, Subserosa und Serosa ge- 


1106 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 


bildet wurde, während die Muscularis fehlte. Während die idiopathischen Diver- 
tikel des Fortsatzes gewöhnlich am Gekrösrande desselben ihren Sitz haben, lag 
dieses gegenüber am konvexen Rande. Verf. ist der Ansicht, daß diese Divertikel 
eine Folge stattgehabter Entzündung sind und durch teilweise Einschmelzung der 
Wand hervorgerufen werden, während die am mesenterialen Rande entstehenden 





Divertikel. 


idiopathischer Natur sind, da hier an der Stelle des Eintritts der Gefäße ein natür- 
licher Locus minoris resistentiae sich befindet. Hervorgerufen werden beide durch 
den im Innern des Wurmfortsatzes herrschenden Druck. Diese Divertikel haben 
lediglich anatomisches Interesse. Herhold (Altona). 


26) H. Mayet et F. Bourganel. Hernie inguinale congénitale étranglée, 
contenant un diverticule de Meckel, chez un prématuré de six 
semaines. 

(Arch. de méd. des enfants 1905. September.) 


Das betreffende 6 Wochen alte Kind wurde 3 Wochen vor dem normalen 
Schwangerschaftsende geboren und hatte einen umfangreichen eingeklemmten 
Leistenbruch, der vor 2 Tagen sich bereits einmal eingeklemmt hatte, durch miib- 
same Taxis aber reponiert werden konnte. 

Die vorgenommene Operation zeigte im Bruchsacke eine eingeklemmte Diinn- 
darmschlinge und neben derselben ein 9 cm langes Diverticulum Meckeli, welches 
reseziert wurde. Die Operation wurde nach der Bassini’schen Methode aus- 
geführt, der Divertikelstumpf mit dem Glüheisen verschorft, und konnte innerhalb 
3 Wochen Heilung erzielt werden. E. Toff (Braila. 


27) L. McGavin. Seven cases of hernia treated by the implantation 
of a prepared filigree of silver wire. 
(Practitioner 1906. August.) 


Bei sieben Hernien hat Verf. mit gutem Erfolge große Bruchpforten durch 
Silberdrahtgeflecht verschlossen. Er will nur solche Fälle in dieser Weise behandelt 
wissen, bei denen die sonstigen gebräuchlichen Operationsmethoden keinen Dauer- 
erfolg versprechen. Einmal handelte es sich um einen großen postoperativen 
Bauchbruch mit vielen Verwachsungen und großer Bruchpforte bei einer 4öjährigen 
Frau, dann um eine sehr starke Diastase der Musculi recti mit Enteroptose bei 
einer 50jährigen Frau, wo durch Einführung eines 9 Zoll langen, 4 Zoll breiten, 
mit 50 Schlingen auf jeder Seite versehenen Drahtgeflechtes völlige Heilung erzielt 
wurde. Die übrigen Fälle (zwei Männer, zwei Weiber) betrafen Leistenbrüche. 

Peinlichste Asepsis ist Grundbedingung, das Geflecht soll erst direkt vor der 
Anwendung dem Sterilisator entnommen werden; außerdem wird sorgfältige Blut- 
stillung empfohlen, um die Wunden ohne Drain schließen zu können. Bei Bauch- 
brüchen empfiehlt Verf., das Drahtnetz nicht nach dem Vorschlage von Bartlett 
zwischen Bauchfell und Muskulatur zu legen, da bei der notwendigen Lösung der 
um die Bruchpforte herum gelegenen Verwachsungen zu leicht eine diffuse Blutung 
auftritt, sondern zwischen Muskulatur und hintere Muskelscheide. Alle Operationen 
wurden mit Gummihandschuhen ausgeführt. Zur Naht in der Tiefe verwandte 
G. Catgut mit recht gutem Erfolge, während er die Hautwunde mittels Michel- 
scher Klemmen schloß. Vor den Hagedorn'schen Nadeln wird gewarnt, da sie 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 1107 


zu leicht zu Blutungen im — gemebe führten; man soll lieber abgerundete 
Nadeln anwenden. Jenckel (Gottingen). 


28) K. K. Wreden. Radikaloperation des Nabelbruches. 
(Russki Wratsch 1906. Nr. 30.) 


Um auch große Bruchpforten gut verschließen zu können, operiert W. auf 
folgende Weise. Nach sorgfältigem Abpräparieren des Fettes von der Aponeurose 
in der Gegend des Bruchhalses wird letzterer (Aponeurose und Bauchfell) 2 cm vor 
dem Bruchring durchschnitten und durch zwei seitliche Einschnitte (bis zum Ring) 
in einen oberen und unteren Lappen geteilt. Der untere wird unter den oberen 
genäht, der obere darüber gelegt und angeheftet. Nun wird die Rectusscheide 
längs dem lateralen Rande gespalten und das vordere Blatt vom Muskel abpräpariert 
(auf beiden Seiten); der so gebildete Lappen wird herübergeschlagen und an den 
medialen Rand der Rectusscheide der anderen Seite angenäht; der Lappen der 
anderen Seite wird über den ersten gelagert und ebenfalls angeheftet. Endlich 
wird die Haut genäht. W. machte die Operation 8mal, und 2-—-10 Monate nachher 


war die Narbe fest. E. 6ückel (Wel. Bubny, Poltawa). 
29) Poppert. Chirurgische Behandlung des chronischen callösen 
Magengeschwiires. 


(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 28.) 


P. stellt in der medizinischen Gesellschaft in Gießen drei Fälle von callösem 
Magengeschwür vor, die er teils mit Exzision (zwei) der ausgedehnten indurierten 
Partie, teils mit Resektion (eine) des Pylorus behandelt und geheilt hat. 

Borehard (Posen). 


30) König. Durch Gastroenterostomie geheiltes callöses penetrierendes 
Magengeschwiir. 
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 33.) 


K. stellt im Hamburger ärztlichen Verein einen äußerst interessanten Fall von 
prinzipieller Bedeutung vor, in welchem er wegen schwerer Magenblutung vor 
einem Jahr operierte. Es fand sich eine harte Geschwulst an der kleinen Kurvatur, 
die auf die hintere wie vordere Magenwand in je 5-Markstückgröße übergrifff und 
in der Mitte einen tiefen Krater fühlen ließ. Eine Entfernung war nicht angängig. 
Deshalb Gastroenterostomie. Es ging dem Pat. gut. Nach Monaten trat ein 
Bauchbruch ein, der Beschwerden machte, und bei der Operation desselben fand 
K. nsch Lösung ausgedehnter Netzverwachsungen, daß die frühere Geschwulst 
gänzlich geschwunden war. Es bestanden nur noch ein paar Ve 
zwischen Leber und kleiner Kurvatur. Borchard (Posen). 


31) G. J. Baradulin. Einige Blutveränderungen bei an Magenkrebs 
Leidenden (Verdauungsleukocytose). 
(Russki Wratsch 1906. Nr. 28.) 


B. untersuchte das Blut von 10 Pat. 13mal. Nur 5mal war der Hämoglobin- 
gehalt 50—55. Die Zahl der Leukocyten war imal 9600, 5mal 10—15000, 4mal 
15—20000, 3mal noch höher (bis 23000. Mit dem Fortschreiten der Krankheit 
nimmt die Zahl der polynukleären Leukocyten zu, der Lymphocyten ab (erstere 
bis 92,4%, letztere bis zum Minimum 6,8%). Verdauungsleukocytose wurde nur 
2mal beobachtet (Vermehrung der Leukocytenzahl um 1100 und 1200). B. unter- 
suchte die Verdauungsleukocytose bei 5 weiteren Krebskranken, wo die Brustdrüse, 
der Mastdarm, der Oberkiefer und das Bauchfell vom Krebs befallen waren. 2mal 
— in leichteren Fallen — fand er wahre Leukocytose nach dem Essen, 3mal — 
bei sehr geschwächten Pat. — fehlte sie, und war in einem Falle die Zahl der 
Leukooyten sogar nach dem Essen geringer als vorher. B. glaubt daher, daß das 
Karzinom unabhängig von der Lokalisation die Verdauungsleukocytose verhindern 


1108 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 


kann. Die Untersuchung der Verdauungsleukocytose kann die Diagnose zwischen 
Magenkrebs und Magengeschwür sicherstellen. 
E. Gtckel (Wel. Bubny, Poltawa). 


32) Ringel. Über akuten mechanischen Ileus. 
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin u. Chirurgie Bd. XVI. Hft. 2.) 


R. bezeichnet als akuten mechanischen Ileus das, was man sonst Strangula- 
tionsileus nennt; er berichtet über 27 Fälle, die er im Eppendorfer Krankenhaus 
operiert hat; es handelte sich 4mal um Invagination, 19mal um Abschniirung durch 
Strange, 3mal um Volvulus, {mal um Hernia obturatoria; von den Pat. starben 
14 = 51,8% Mortalität. Bei den Gestorbenen fand sich meist bei der Operation 
schon Peritonitis. Bei Gangrän des Darmes empfehlt R. Resektion, nicht An- 
legung eines Kunstafters. Für die Reposition der Därme bewährte sich folgender 
Handgriff: die ganzen eventrierten Därme werden allseitig in eine große, sterile 
Serviette gehüllt, die ringsherum unter den Rand der Bauchwunde geschoben und 
hier vom Assistenten fixiert wird, so daß der Darm in der Serviette wie in einem 
Bruchsack liegt. Dann wird die Reposition in derselben Weise ausgeführt, wie 
man eine mobile Hernie zurückbringt, indem man von allen Seiten gleichmäßig 
gegen den Bruchsack bzw. die Serviette einen sanften Druck ausübt. Bei dieser 
Methode hat Verf. niemals ernste Schwierigkeiten gehabt, den Darm schnell zu- 
rückzubringen und die Bauchhöhle zu schließen. Haeckel (Stettin). 


33) P. Karpa. Zwei Fälle von Dünndarmatresie. 
(Virchow’s Archiv Bd. CLXXXV. p. 208.) 


Bei einem 4 Tage alt gewordenen Kinde, das unter Darmverschlußerscheinungen 
gestorben war, fand sich bei der Autopsie eine hochgradige sackartige Erweiterung 
des obersten Duodenalabschnittes. 4,5 cm hinter dem Pylorusring war das Duo- 
denum vollkommen verschlossen. In der Gegend des blinden Endes zeigte sich 
eine Klappe, unter welcher ein Gallengang einmündete. Vom Mittelstück des Duo- 
denum fand sich gar nichts, auch nicht einmal ein fibröser Rest. Das Duodenum 
begann erst wieder mit der Einmündung des Choledochus, der eine typische 
Vater’sche Papille bildete. Die blinden Enden des Duodenum lagen dicht neben- 
einander. Der gesamte übrige Darm war normal. Der Choledochus gab unterhalb 
der Vereinigung von Hepaticus und Cysticus einen nach links verlaufenden 
schmalen Ast ab, der sich, wie erwähnt, in den oberen blinden Abschnitt des 
Duodenum einsenkte. Erklärt wird die Mißbildung durch die Annahme, daß sich 
wahrscheinlich an der Einmündungsstelle des Choledochus eine Einschnürung ent- 
wickelt hat, und daß dann unter der Einwirkung des Zuges der beiden nach ver- 
schiedenen Richtungen auswachsenden Darmenden der Gallengang gespalten und 
in die beiden Zweige auseinander gezogen ist. 

Im zweiten Falle handelt es sich um eine in früher Embryonalzeit entstandene 
Invagination des Diinndarmes. Es fand sich im distalen Darmende ein 22 mm 
langes nekrotisches Intussusceptum, das an einer Stelle mit der Darmwand fest 
verwachsen war. Der zuführende wie der abführende Darmabschnitt endigte 
blindsackförmig, und zwischen beiden fand sich eine mehrere Zentimeter lange 
Darmlücke, in deren Bereich das Mesenterium mit scharfem Rand endete Aus 
der starken Ausdehnung des proximalen Darmblindsackes und aus dem freien 
scharfen Rande des Mesenteriums in der Darmlücke wird auf ein Zustandekommen 
des Prozesses in früher Fötalzeit geschlossen. Ahnliche Fälle sind bisher nur von 
Chiari und Braun beobachtet worden. Doering (Göttingen). 


34) A. Edmunds. Intestinal obstruction in children: a clinical study. 
(Practitioner 1906. August.) 


Beschreibung eines seltenen Falles von Dünndarmverschluß bei einem 3jährigen 
Madchen durch ein Meckel’sches Divertikel, bei dem sich offenbar durch den 
Zug eines an der Spitze des Divertikels ansetzenden fibrösen Bandes die mesen- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 1109 


teriale Seite des Darmes spornartig vorgestülpt hatte und zur Verlegung der 
Lichtung führte. Das Kind war 6 Tage vorher von einer Droschke quer über 
den Leib gefahren worden, und glaubte man infolgedessen zuerst an eine durch 
dieses Trauma bedingte Erkrankung; bei der Operation zeigten sich aber keinerlei 
diesbezügliche Veränderungen. Verf. glaubt trotzdem, daß der an der Spitze des 
Divertikels haftende solide Strang durch Entzündung entstanden sei, während doch 
die Wahrscheinlichkeit viel größer ist, daß der Strang durch die obliterierten 
Vasa omphalo-mesaraica gebildet wird (Ref). Leider ist in der Arbeit nicht an- 
gegeben, wohin der Strang von der Kuppe des Divertikels aus führte. Die Re- 
sektion des Darmstückes und axiale Vereinigung der Enden mittels Naht führten 
völlige Heilung herbei. Jenckel (Gottingen). 


35) G. Martin. Ein Fall von Kaiserschnitt bei Adhäsionsileus. (Aus 
dem städt. Krankenhause zu Frankfurt a. M. Prof. Dr. Rehn.) 
(Miinchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 22.) 

Bei der Laparotomie wurde eine Dünndarmschlinge samt Gekröse mit der Ge- 
bärmutter, an der vor ca. 5 Jahren eine Myomotomie ausgeführt worden war, 
verwachsen und infolge der Schwangerschaft um 180° gedreht, sowie in dem spalt- 
förmigen Raume zwischen dem nach dem Fundus uteri sehenden Mesenterium und 
dem Uterus eingeklemmt und geknickt gefunden; sie wurde unter Wegnahme 
der äußeren Uterusschicht losgetrennt, was eine sehr starke Blutung aus der Uterus- 
wundfläche zur Folge hatte. Dieselbe stand nach Entleerung des Uterus durch den 
Kaiserschnitt, der außerdem durch den Schwächezustand der Frau und die Rück- 
sicht auf die Notwendigkeit rascher Wiederherstellung der Darmpassage durch 
Vergrößerung des freien Bauchraumes für die stark geblähten Darmschlingen an- 
gezeigt war. — Bemerkenswert ist noch, daß schon während der vorausgegangenen, 
aber frühzeitig beendeten zwei Schwangerschaften Verschlußsymptome leichterer 
Art vorhanden waren, die sich bei der letzten zum schweren Ileus gesteigert hatten. 
— Heilung. Kramer (Glogau). 


36) V. Pleth. A case of colo-sigmoidostomy for constipation &c. 
(St. Paul med. journ. 1906. Juli.) 

Bei einer 42jährigen Frau, die an hartnäckiger Verstopfung litt, konstatierte 
Verf. eine frei bewegliche Geschwulst, deren Lage etwa dem unteren Rande der 
Mitte des Colon transversum entsprach. Nach energischem Abführen konnte die 
Geschwulst nicht mehr gefühlt werden. Verf. dachte eine zeitlang an eine Cyste 
des großen Netzes, die geplatzt sei und sich langsam wieder fülle Heftige 
Schmerzen veranlaßten ihn aber zu laparotomieren, und da entpuppte sich die 
vermeintliche Geschwulst als der mittlere Teil des Colon transversum, der V-förmig 
ausgesackt und mit Kotmassen gefüllt war. Nach Zerdrücken und Wegstreichen 
der Kotmassen, machte Verf. eine Anastomose zwischen Kolon und Sigmoid mittels 
McGraw'’scher elastischer Ligatur. Heilung. Levy (Wiesbaden). 


37) M. Leube. Pseudotuberkulose im Dickdarm (encystierte Amöben). 
(Virchow’s Archiv Bd. OLXXXV. p. 517.) 

Ein durch Operation entferntes scheinbar karzinöses Mastdarmgeschwür erwies 

sich bei der mikroskopischen Untersuchung als Pseudotuberkulose, hervorgerufen 

durch Einwanderung von Amöben in die Darmwand. Die histologischen Details 


müssen im Original nachgelesen werden. Doering (Göttingen). 
38) N. Trinkler. Zur Technik der Exstirpation des karzinomatösen 
Mastdarmes. 


(Russ. Archiv für Chirurgie 1906. [Russisch.]) 
T. schlägt vor, in Fällen, wo schon vorher ein Kunstafter angelegt war, den 
Mastdarm so hoch als möglich zu durchtrennen und das zentrale Ende blind zu 
verschließen. Dadurch wird die sehr große Wunde >aseptisch« gemacht, und man 


1110 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 


ist aller Sorgen bezüglich der Unterbringung des zentralen Endes enthoben. Vor 
allen Dingen aber kann im Falle des Rezidivs nicht wieder eine Stenose resp. ein 
Verschluß der Darmlichtung zustande kommen. V. E. Mertens (Breslau). 


39) P. Poppert (GieBen). Zur Frage der Erhaltung des Schließmus- 
kels bei der Exstirpation des Mastdarmkrebses. 
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 31.) 


P. ist auf Grund seiner Erfahrungen in der Lage, die Überlegenheit der Re- 
sektion des Mastdarmes gegenüber der einfachen Amputation desselben bei Krebs 
zu bestätigen. Unter 28 Operationen der ersteren Art war nur eine tödlich ver- 
laufen (3,6%), während bei 35 Amputationen drei Todesfälle (je ein Fall an Herz- 
schwäche, Pneumonie und Jodoformintoxikation) zu beklagen waren (8,6% Morta- 
lität), ein Resultat, das im Gegensatz zu dem anderer Statistiken, z. B. der v. Berg- 
mann’schen und Wölfler’schen Klinik, steht. Auch die funktionellen Erfolge 
waren in P.’s Klinik sehr günstige. Von 20 Fällen mit zirkulärer Darmnaht 
heilten zehn per primam mit vollkommener Funktion des Darmrohres; sechsmal 
kam es zu einer vorübergehenden Kotfistel, vier Pat. wurden mit einer kleinen 
Fistel entlassen. Das Hochenegg’sche Verfahren mit Hindurchführung des 
Mastdarmstumpfes durch den von der Schleimhaut entblößten Afterteil und mit 
Anheftung an der äußeren Haut erwies sich als ein einfacher und bequemer Ersatz 
der Darmnaht in Fällen, wo die Neubildung dicht oberhalb des Sphinkters saß 
und das obere Darmende ohne zu starke Spannung durch den Muskelring hin- 
durchgezogen werden konnte; der muskuläre Verschluß war meist ein befriedi- 
gender, wenn auch die Kontinenz für Darmgase und dünnen Stuhl bisweilen un- 
sicher blieb. In drei Fällen von Amputation mit Anlegung eines Anus glutaealis 
war einmal infolge Neigung zu Durchfällen völlige Inkontinenz, zweimal nur re- 
lative Kontinenz für festen Stuhl. Auch die Endresultate in bezug auf dauernde 
Heilung sprechen nicht gegen die Resektion in deh Fällen, in welchen der 
Sphinkterteil gesund ist und deshalb erhalten werden darf. Von 17 seit 3 Jahren 
geheilten Fallen unter 60 Radikaloperationen waren acht Amputstionen und neun 
Resektionen, unter letzteren ein Fall von Heilung seit 15 Jahren, einer von Yjäh- 
riger, drei von 7jähriger Dauer. . P. bestreitet nicht, daß die Wundverhältnisse bei 
der Amputation sich wesentlich einfacher gestalten, daß bei der Resektion die Ge- 
fahr der Wundinfektion und Kotphlegmone durch Undichtwerden der Naht besteht; 
aber er ist der Meinung, daß sich derselbe durch entsprechendes Vorgehen mit 
einem hohen Grade von Sicherheit begegnen lasse, und stellt sich aus all diesen 
durch eigene Erfahrung gestützten Gründen auf die Seite derer, die eine grund- 
sätzliche Bevorzugung der Amputation gegenüber der Resektion verwerfen. 

Kramer (Glogau). 


40) B. W. Wertel. Milzresektion. 
(Russ. Archiv für Chirurgie 1906. [Russisch.]) 


Vor 5 Jahren fiel die nunmehr 38jährige Pat. von einer Treppe. Vor einem 
Jahre fühlte sie eine Verhärtung im Leibe, während sie bis dahin nur links stän- 
dige Schmerzen gehabt hatte. Seit 3 Monaten wurde der Leib stärker. Bei der 
Untersuchung fand sich eine über die Mittellinie und fast ins kleine Becken 
reichende Geschwulst in der linken Bauchhälfte, die in ihrem unteren Teile prall- 
elastisch, im oberen fest war. Trotz Mangels einer exakten Diagnose wurde auf 
den dringenden Wunsch der Pat. operiert. 

Schnitt in der Medianlinie. Es fand sich im unteren Pole der Milz eine von 
Milzgewebe iiberzogene kugelige Geschwulst. Da die Milz sonst normal erschien, 
wurde nur der untere Teil reseziert. Die Blutung wurde durch Matratzennähte 
beherrscht, der Stumpf, da die Blutung nicht ganz stand, mit Netz übernäht. Die 
genaue mikroskopische Untersuchung ergab, daß die Geschwulst eine Blutcyste war. 
Der Verlauf wurde durch Malaria und Fadeneiterung verzögert. Pat. verließ das 
Krankenhaus 1/, Jahr nach der Operation in gutem Zustande. 

V. E. Mertens (Breslau), 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 1111 


41) M. Donati (Torino). Ipernephroma maligno del fegato. 
(Arch. per le scienze med. 1905. XXIX.) 


Die 36jahrige Pat. bemerkte seit 6 Monaten eine rasch wachsende Geschwulst 
in der Gegend der Gallenblase. Zuerst klein, beweglich und schmerzlos, wurde 
sie später spontan und auf Druck stark empfindlich, erreichte eine Größe von zwei 
Fäusten, veranlaßte Kachexie und Fieber. In der Vermutung, ein Empyem der 
Gallenblase zu finden, wurde zunächst die zweizeitige Eröffnung des Sackes 
beschlossen. Als man jedoch bei der zweiten Operation (Inzision der Geschwulst) 
nur Blut mit nekrotischen Fetzen erhielt, wurde sofort die Exstirpation der Ge- 
schwulst ausgeführt (Prof. Calvini). Dabei wurden zwei Dritteile des rechten 
Leberlappens abgetragen nach elastischer Abschnürung in der Nähe des Hilus, 
Glatter Wundverlauf. Pat. nahm an Gewicht zu und befand sich ein halbes Jahr 
nach der Operation noch wohl. Das entfernte Leberstück wog über 370g und 
enthielt eine weiche, über die Schnittfläche herausquellende Neubildung, die sich 
gegen das sie allerseits umschließende Lebergewebe mit einer Art Kapsel abgrenzte. 
Mikroskopisch erwies sie sich als ein von einem versprengten Keim ausgehendes 
Hypernephrom mit bösartigem Charakter. Verf. fand in der Literatur nur einen 
analogen Fall. Eine Tafel mit vier Abbildungen erläutert den histologischen 
Befund. A. Most (Breslau). 


42) Schlesinger. Zur Kenntnis der Gallenblasen-Bronchusfisteln in- 
folge von Cholelithiasis. 
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XVL Hit, 2.)' 


Zu den wenigen — 39 — bisher bekannten Fällen von Fistelbildung zwischen 
Gallenwegen und Bronchus fügt S. einen neuen, dessen Krankengeschichte und 
Obduktionsbefund mitgeteilt wird. Eine steinhaltige Gallenblase war perforiert 
und hatte zu einem subphrenischen Abszeß geführt; dieser war in die Lunge durch- 
gebrochen. Daneben bestand Lungentuberkulose. Die Fistel bestand viele Monate 
hindurch, das Lungengewebe war in ihrer Bahn nicht schwer verändert. 

Haeckel (Stettin). 


43) Lejars. Le drainage des voies biliaires. 
(Bull. et mem. de la soc. de chir. de Paris T. XXXII p. 150.) 


L. knüpft seino Mitteilungen an eine Veröffentlichung Quénu’s über Duodeno- 
tomia explorativa und Choledocho-Enterostomie. Letztgenannte Operation bezeich- 
net er bei den Fällen, in denen allein er ihre Ausführuug für berechtigt und emp- 
fehlenswert hält, nämlich bei karzinösen oder narbigen Strikturen des Choledochus, 
als technisch recht schwierig; er führt die Krankengeschichte eines Falles genauer 
an, bei dem er nach Spaltung des Duodenums und Bougierung (Nr. 5) des Chole- 
dochus vom Vater’schen Divertikel aus einen durch Verwachsungen bedingten 
Verschluß desselben dauernd zum Verschwinden gebracht hatte. 

Zur Ergänzung seiner früher veröffentlichten Beobachtungen über Hepaticus- 
drainage führt L. die Kranken- und Operationsgeschichten von Gallensteinkranken 
an, bei denen er nach Entleerung und genauer Revision der großen Gallenwege, 
(wobei ihm der von Kehr angegebene Bajonettschnitt vorzügliche Übersicht ver- 
schaffte) Gallenblase und Ductus cysticus exstirpierte, den gespaltenen Choledochus 
nach Bedarf durch einige Nähte vereinte und den Hepaticus drainierte. Die Drains 
wurden durchschnittlich am 8.—12. Tage entfernt. 

Völlige Heilung nach 4—6 Wochen. Thümer (Chemnitz). 


44) Tuffier. Epithélioma du confluent cystico-hépatique. 
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXII. p. 156.) 

T. berichtet über drei Fälle von Verschluß der großen Gallenwege an der 
Vereinigungsstelle des Ductus cysticus und bepaticus durch eine Neubildung. Die 
Geschwulst war in allen Fällen klein, hart, höckerig, Pankreaserkrankung bestand 
dabei nicht, so daß die Geschwulst als Drüsenmetastase hätte aufgefaßt werden 


1112 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 


können. Auch war die Geschwulst nicht mit ihrer Umgebung verwachsen. Als 
charakteristisch gerade für diese Geschwülste bezeichnet T. das gleichzeitige Vor- 
handensein einer prall gefüllten Gallenblase, deren Inhalt jedoch klar und farblos 
sein kann, und eines auf Daumendicke erweiterten Ductus hepaticus, der bei der 
Operation schon zu Verwechslungen mit der Vena portae Anlaß gegeben hat. Der 
Befund am Kranken bietet dasselbe Bild wie bei Pat. mit Verschluß des Chole- 
dochus durch Pankreasgeschwülste, nur mit dem Unterschiede, daß der Ikterus lang- 
samer zunimmt, und daß die vergrößerte und häufig fühlbare Gallenblase farblose, 
nicht gallige Flüssigkeit enthält. Entsprechend dem verschiedenen Stande der 
Bauchchirurgie wurden die drei von T. beobachteten Fälle verschieden behandelt: 
bei dem ersten im Jahre 1893 operierten Kranken wurde der Leib nach Feststel- 
lung des Befundes wieder geschlossen, bei dem zweiten später beobachteten Falle 
wurde der Hepaticus in das Duodenum eingepflanzt; Pat. ging nach einigen Tagen 
infolge von Insuffizienz der Naht zugrunde. Im dritten Falle, dessen Kranken- 
geschichte ausführlich gegeben wird, wurde wegen bestehenden hohen Fiebers in- 
folge einer infektiösen Cholangitis nur die Hepaticusdrainage ausgeführt, nach der 
Pat. sich schnell erholte und völlig beschwerdefrei geblieben ist, so daß er die vor- 
geschlagene sekundäre Exstirpation der Geschwulst und Einpflanzung des Hepaticus 
in das Duodenum bisher abgelehnt hat. 

In der anschließenden Diskussion verteidigt Hartmann seinen Standpunkt, 
daß Schrumpfung der Gallenblase entzündliche Veränderungen zur Ursache habe, 
wie sie durch den Reiz von Fremdkörpern (Gallensteinen) hervorgerufen würde, 
während Delbet betont, daß nicht die Art des Hindernisses in den Gallenwegen 
‘(Neubildung oder Stein), sondern sein Sitz ausschlaggebend sei für die Entstehung 
einer hydropischen Schwellung oder einer Schrumpfung an der Gallenblase. 

Thümer (Chemnitz). 


45) Terrier. Pancréatite chronique. Rétention biliaire par compression 
probable du cholédoque. Oblitération du cystique. 
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXII. p. 164.) 


T. gibt ausfiihrlich die Kranken- und Operationsgeschichte eines 38jahrigen 
Pat. wieder, der an einer Geschwulst des Pankreaskopfes und Verschluß des Ductus 
cysticus und Ductus hepaticus durch die genannte Geschwulst, in der die Gallen- 
gange eingebettet lagen, gelitten hatte. Welches die Todesursache des Pat. war, 
der am 3. Tage nach Ausfiihrung der Hepaticusdrainage unter hohem Fieber und 
Blutbrechen starb, ist aus den Angaben T.’s nicht zu entnehmen. Der Fall ist 
dadurch besonders interessant, daß durch genaue Stuhluntersuchungen das völlige 
Fehlen der Galle im Darm und eine beträchtliche Verminderung des Pankreas- 
saftes nachgewiesen werden konnte, woraufhin (neben dem jahrelangen Vorhanden- 
sein von Zucker im Urin) schon vor der Operation die Diagnose auf primäre Pan- 
kreaserkrankung und sekundären Verschluß des Ductus hepaticus gestellt wurde. 
Die Diagnose fand bei der Laparotomie ihre Bestätigung. Der Technik der Stuhl- 
untersuchung nach René Gaultier und ihrer hohen klinischen Bedeutung widmet 
T. am Schluß seiner Ausführungen eine eingehende Besprechung. 

Thümer (Chemnitz). 





Berichtigung. 
P. 1000 2.14 v. o. lies »wie< statt >nie«. 
Dem Referat ist der Satz hinzuzufügen: Das Os naviculare bipartitum der 
Anatomen existiert nicht. 
P. 1018 Z. 14 v. o. lies Franke statt Fränkel. 


Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man 
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- 
handlung Breitkopf & Härtel, einsenden. 


Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig, Nürnbergerstraße 36/38. 


Zentralblatt 
CHIRURGIE 


herausgegeben 
F. vun ‚Bergmann, F. inig, E. Richter, 





Dreiunddreißigster Jahrgang. 





Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei halbjähriger 
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten. 


Nr, 42. Sonnabend, den 20. Oktober. 1906. 











Inhalt: 1) Frangenhelm, Myositis ossificans und Callus. — 2) Liek, Heteroplastische 
Knochenbildung. — 3) Ferrarini, Immobilisierte Muskeln. — 4) Witzel, Wenzel, Hacken- 
bruch, Schmerzverhütung in der Chirurgie. — 5) Lenormant, Herzmassage in der Chloro- 
formsynkope. — 6) Meyer, Rettungs- u. Krankenbeförderungswesen. — 7) Neudörfer, Kryo- 
skopie. — 8) Weinberg, Orthocystoskopie. — 9) Vogel, Hämaturie. — 10) Nicoll, 14) Gold- 
berg, Prostatachirurgie. — 12) Leedham-Green, Mechanismus des Blasenverschlusses. — 
13) Kimla, Malakoplakie der Harnblase. — 14) Küttner, Nierenchirurgie. — 15) Rautenberg, 
Folgen des zeitweisen Harnleiterverschlusses. — 16) Sträter, Angeborene Nierendystopie. — 
17) Legueu, 18) Flori, Wanderniere. — 19) Herxhelmer, Oystenbildungen der Niere. — 
20) Jungano, Unterbindung der Nierenarterie. — 21) Jungano, Unterbindung der Nieren- 
vene. — 22) Reynold und Wadsworth, Nierenfettlipome. — 23) Batut, Hodentuberkulose. 
— 24) Lydston, Anastomosierang des Ductus deferens. 

J. M. A. Gevers Leuven, Ein Fall von Luxation des unteren Endes der Ulna. (Original- 
Mitteilung.) 

25) Krüger, Osteoarthropathie hypertrophlante pneumique. — 26) Huet, Plötzliches Er- 
scheinen latenter Tuberkulose. — 27) Levin, 28) Hoffa, Antituberkuloseserum Marmorek. — 
29) Stucky, Rektale Athernarkose. — 30) Goidschmidt, Endoskopie der Harnröhre. — 
31) Weinstein, MiBbildung am Urogenitalapparat. — 32) Morton, 33) Cohn, 34) André, Zur 
Prostatachirurgie. — 35) Göbell, Röntgenschattengebende Harnleiterkatheter. — 36) Bazy, 
Intermittierende Hydronephrose. — 37) Casper, Nieren- und Nierenbeckenblutungen. — 
38) Minkowski, Perirenale Hydronephrose. — 59) Cuturi, Einseltige chronische Nephritis. — 
40) Monod und Loumeau, 41) Jaegy, 42) Gallina, Nierengeschwülste. — 43) Jacobsohn, 
Stichverletzung der schwangeren Gebärmutter. 





1) Frangenheim. Über die Beziehungen zwischen der 
Myositis ossificans und dem Callus bei Frakturen. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXX. Hft. 2.) 


Auf Grund seiner Untersuchungen an einem Priparate von Myo- 
sitis ossificans traumatica und am Callus bei verschiedenen Ober- 
schenkelhalsbrüchen kommt F. zu der Ansicht, daß sowohl die Myo- 
sitis ossificans traumatica und ihre sog. traumatische Form, die als 
Reit- und Exerzierknochen bekannt ist, wie die echten traumatischen 
Osteome und schließlich der Callus — besonders der parostale —, von 
geringen Abweichungen abgesehen, sehr ähnliche Befunde aufweisen. 
Bezüglich ihrer Entstehung haben sie das gemein, daß sie sich bei 


42 


1114 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 


Menschen finden, die zu einer abnormen Knochenbildung prädisponiert 
sind. Besonders zu erwähnen ist, daß am Oberarm Muskelverknöche- 
rungen sehr oft durch Fall auf den Ellbogen nach Verrenkung beider 
Vorderarmknochen nach hinten entstehen, also ohne eine direkte 
traumatische Einwirkung auf den später ossifizierenden Muskel, wohl 
lediglich nach Zerreißung der Muskelsubstanz und durch partiellen 
Muskelabriß. Bei Frakturen nimmt F. nicht selten eine Beteiligung 
des intermuskulären Bindegewebes an der Knochenbildung an, und 
hält infolgedessen die Ossifikation als von diesem Gewebe ausgehend für 
sichergestellt. Infolgedessen erscheinen auch die Muskelverknöche- 
rungen nicht als so selten wie bisher angenommen wurde, und es ist 
mit Sicherheit anzunehmen, daß diese traumatischen Muskelverknöche- 
rungsprozesse nicht zu den echten Neubildungen zählen, zu denen sie 
noch von manchen Autoren gezählt werden. Auf Grund zahlreicher 
Röntgenogramme bei verschiedenen Knochenbrüchen hält sich Verf. 
schon jetzt für berechtigt, zu behaupten, daß bei allen Frakturen, die 
starke Callusbildung aufweisen, an dem Zustandekommen des letzteren 
neben dem Periost auch die umgebenden Weichteile beteiligt sind. 
E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


2) E. Liek. Experimenteller Beitrag zur Frage der hetero- 
plastischen Knochenbildung. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXX. Hft. 2.) 

Während man früher die Entstehung von Knochen an Stellen, 
an denen normalerweise kein Knochengewebe vorkommt, auf embryo- 
nale Verlagerungen zurückführte, ist in der jüngsten Zeit eine ganze 
Reihe einwandsfreier Beobachtungen veröffentlicht worden, welche 
beweisen, daß unter gewissen Bedingungen überall, wo Bindegewebe 
vorhanden ist, Knochen entstehen kann. Man hat in fast allen 
Organen fernab von osteogenem Gewebe gelegentlich Verknöcherungen 
angetroffen. Einen sicheren Weg, experimentell heteroplastische 
Knochenbildung zu erzielen, zeigten Sacadosti und Frattin. Sie 
wiesen nach, daß in verkalkten Kaninchennieren fast regelmäßig sich 
Knochen bildet. In vorliegender Arbeit will Verf. eine Nachprüfung 
dieser Versuche und die Erörterung einiger unerörtert gebliebener 
Fragen geben. Die Verkalkung der Kaninchenniere ist auf einfache 
Weise durch Unterbindung der Nierengefäße zu erreichen. L. hat 
dies bei 16 Tieren ausgeführt. Bei denjenigen, welche innerhalb der 
ersten 20 Tage untersucht wurden, zeigte sich, daß sich in dieser 
Zeit vornehmlich regressive Prozesse — Nekrose und Verkalkung — 
in der Niere ausbilden. Nur in einem Versuche war der Beginn pro- 
gressiver Vorgänge zu erkennnen; d. h. von der verdickten Kapsel 
her schob sich junges zellreiches Gewebe zwischen die nekrotischen 
verkalkten Kanälchen. Bei einer zweiten Gruppe von Tieren, die 
bis zum 93. Tage nach der Gefäßunterbindung lebten, sah man eine 
ausgedehntere Verkalkung als in früheren Stadien. Der anfänglichen 
Vergrößerung ist jetzt eine Schrumpfung der Niere gefolgt. Im 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 1115 


Vordergrunde des mikroskopischen Bildes steht die Resorption der 
verkalkten Massen durch junges zellreiches Bindegewebe. Von der 
Kapsel wie vom Hilus her wuchert zell- und gefäßreiches Gewebe 
zwischen die Kalkplatten. Die Zellen lösen den Kalk auf, vielfach 
unter Bildung von Riesenzellen. Nach 41 Tagen sind schon Anfänge 
der Knochenbildung vorhanden. Echter Knochen wurde jedoch erst 
bei den Kaninchen gefunden, welche zwischen dem 94. und 300. Tage 
untersucht wurden. In all diesen Fällen war er dann vorhanden. 
Zunächst tritt er in der Gegend des Hilus in Form zierlicher spon- 
giöser Bälkchen auf, die echtes Knochenmark umfassen. Die Grund- 
substanz ist in Lamellen angeordnet. Die nach dem Knochenmark 
gelegene Fläche der Bälkchen zeigt regelmäßig Osteoblastenbesatz. 
Ebenso häufig findet man in Lakunen gelegene Osteoklasten. Nach 
der Peripherie zu geht der Knochen an vielen Stellen direkt in 
Bindegewebe über. Der Knochen entsteht dort, wo junges zellreiches 
Bindegewebe auf verkalktes Gewebe trifft. Die Zellen lösen den 
Kalk auf und wandeln sich zum Teil in Knochenzellen um. Der 
gelöste Kalk wird zum Aufbau der Interzellularsubstanz verwandt; 
das Knochenmark entsteht ebenfalls aus Bindegewebe. Bei den am 
längsten lebenden Tiere fand sich neben den geschilderten Befunden 
schon ausgedehnte Knochennekrose, die Knochenhöhlen leer, die 
Zwischensubstanz körnig getrübt, keine Osteoblasten und Osteoklasten, 
leere Havers’sche Kanäle. Das Schicksal des neugebildeten Knochens 
scheint demnach Auflösung und Zerfall zu sein. 

Verf. ist der Ansicht, daß seine Versuche nicht nur beweisen, 
daß Bindegewebe sich bei Anwesenheit von Kalk in Knochen um- 
wandeln kann, sondern daB dieser Vorgang bei bestimmter Versuchs- 
anordnung regelmäßig eintritt. E. Siegel (Frankfurt a. M.). 





3) Ferrarini. Sopra la composizione chimica dei muscoli 


degli arti sottoposti ad immobilizzazione. 
(Arch. di ortopedia 1906. Nr. 2 u. 3.) 

Immobilisierte Muskeln erleiden, wie andere Veränderungen, auch 
solche ihrer chemischen Zusammensetzung. Experimente wurden an 
Kaninchen gemacht. Der Wassergehalt der Muskeln steigt. Der 
Salzgehalt sinkt um ca. '/,%, proportional der Dauer der Immobili- 
sierung. Die Wasservermehrung hängt ab von der Stase und dem Ödem, 
das durch den immobilisierenden Verband erzeugt wird. Die Salz- 
verminderung hat wohl die gleiche Ursache, teilweise liegt ihr aber 
auch eine wirkliche chemische Umsetzung im Muskelfleische zugrunde, 
über deren Natur Hypothesen zurzeit noch unnütz sind. 

E. Pagenstecher (Wiesbaden). 


1116 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 


4) O. Witzel, F. Wenzel, P. Hackenbruch. Die Schmerz- 


verhütung in der Chirurgie. 
München, J. F. Lehmann, 1906. 

Witzel bespricht in einem kurzen Vorworte die Narkose im all- 
gemeinen und gibt vorzügliche, sehr beherzigenswerte Ratschläge zur 
Ausführung derselben. , 

Wenzel beschreibt in ausführlicher Weise die Athertropfnarkose, 
wie sie seit 1902 in der Bonner Klinik ausschließlich angewandt wird, 
wobei die »forcierte« Reklination des tiefgelagerten Kopfes von größter 
Wichtigkeit ist. 

Wenzel betont weiter die Wichtigkeit der Vorbereitung zur 
Narkose (die leider noch so häufig außer Acht gelassen wird; Ref.). 
Hierzu gehören vor allem Entleerung des Darmes, Regulierung der 
Herztätigkeit durch Verabreichung von Digitalis oder Strophanthus, 
nach Wenzel am zweckmäßigsten ein Gemisch beider. 

Hackenbruch’s Ausführungen im Endteile des Buches be- 
treffen die Lokalanästhesie mit ihrer Entstehungsgeschichte und heu- 
tigen Technik, deren Details im Original nachgelesen werden müssen. 

Grosse (Kassel). 


5) Ch. Lenormant. Le massage du coeur chez l'homme 


en particulier dans la syncope chloroformique. 
(Revue de chir. 1906. Nr. 3.) 

Zu den operativen Maßnahmen am Menschen, die sich nur müh- 
sam Eingang in die Praxis verschaffen, gehört die Massage des bloß- 
gelegten Herzens zur Wiederbelebung. Die Gründe sind einleuchtend: 
Der bisherigen Erfolge sind sehr wenige, und jeder trägt Bedenken, 
einen an sich nicht gefahrlosen Eingriff ohne zureichende Vorbereitung 
dennoch vorzunehmen, wo die landläufigen Wiederbelebungsmittel — 
Injektionen, künstliche Atmung usw. — nicht zum Ziele führten. 

Inzwischen haben wertvolle Tierversuche von Prus, Battelli 
und d’Halluin uns manche wertvolle Bereicherung der Erfahrungen 
gebracht, auf Grund derer erneute Versuche auch am Menschen Be- 
rechtigung erlangen. So ist erwiesen, daß selbst 45 Minuten nach 
definitivem Herzstillstand die Massage des freigelegten Herzens 
mit gleichzeitiger künstlicher Atmung volle Wiederbelebung bewirken 
kann. Ein absolutes Hindernis bilden fibrilläre Kontraktionen der 
Muskulatur, die, einmal vorhanden, sich höchstens durch stark ge- 
spannte Ströme — doch nur ausnahmsweise — in geregelte Pulsa- 
tionen umformen lassen. Das scheint auch für das menschliche Herz 
zu gelten, obgleich ausreichende Mitteilungen fehlen. 

Der Zugang zum Herzen kann auf direktem Wege durch die 
klassischen Schnittführungen — innerer oder äußerer Scharnierlappen 
— oder vom Bauch her durchs Zwerchfell (Mauclaire) gewählt wer- 
den. Ist es im ersten Falle der fast unvermeidliche Pneumothorax, 
der sowohl die künstliche Atmung hindert, als auch an sich den 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 1117 


Kranken gefährdet, so erschwert bei abdomino-transdiaphragmaler 
Massage der unzugängliche Spalt im Zwerchfell die Naht, und somit 
sind beide Wege nur dann empfehlenswert, wenn die Lage der Sache 
— Öperationen im entsprechenden Gebiet — sie vorschreibt. An- 
derenfalls empfiehlt es sich — nach Lane, Cohen u. a. —, einfach 
das Herz von unten her durch das schlaffe Zwerchfell zu ergreifen 
ohne Eröffnung des Herzbeutels (bzw. Zwerchfells) und von der Brust 
aus sich entgegen zu drücken. Die Methode ist schnell und gefahr- 


los auszuführen und hat vier Erfolge — einen dauernd geheilten — 
aufzuweisen. Ganz zu verwerfen ist nach L. die elektrische Reizung 
des bloßgelegten Herzens. Christel (Metz). 





6) G. Meyer. Das Rettungs- und Krankenbeförderungs- 
wesen im Deutschen Reiche. III. Ergänzungsband zum 
Klinischen Jahrbuch. Mit 10 Kurventafeln und 4 Karten. 
287 S. 
Jena, Gustav Fischer, 1906. 

Das im Jahre 1901 begriindete Zentralkomitee fiir das Rettungs- 
wesen in Preußen veranlaßte im Jahre 1903/04 mit Unterstützung der 
Behörden Erhebungen über die in Deutschland vorhandenen Einrich- 
tungen für das Rettungs- und Krankenbeförderungswesen, einschließ- 
lich des Meldewesens und Samariterunterrichtes. Die Ausarbeitung 
des gesamten Materiales — es gingen 11746 ausgefüllte Fragebogen 
ein — wurde M. übertragen. Wenn die Beantwortung der gestellten 
Fragen zum Teil auch ungleichmäßig und mißverständlich erfolgt war, 
so konnte Verf. doch einen ausgezeichneten Überblick über die vor- 
handenen Einrichtungen geben. Die Ergebnisse der Umfrage werden 
außerdem noch durch Tafeln, Tabellen und Karten übersichtlicher 
gemacht. 

Eine besondere Zusammenstellung gibt M. für die Einrichtungen 
in den Städten mit mehr als 100000 Einwohnern. 

Der Bericht zeigt, daß wir von einer einheitlichen Organisation 
und gleichmäßigen Ausbreitung des Rettungs- und Krankenbeförderungs- 
wesens in Stadt und Land noch weit entfernt sind. Das Gegenteil 
wäre vornehmlich auch im Interesse aller chirurgischen Kranken, für 
deren Wohl und Wehe die erste Wundversorgung und der Trans- 


port häufig ausschlaggebend sind, nur zu wünschen. 
Gutzeit (Neidenburg). 





7) Neudörfer. Zur Frage der Kryoskopie und ihrer Technik. 
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XVI. Hft. 1.) 

Wenn der Wert der Kryoskopie für die funktionelle Nierendia- 
gnostik noch so sehr verschieden beurteilt wird, so rührt dies nach 
N. davon her, daß oft eine ganz falsche Technik angewandt wird. 
N., voll überzeugt von dem hohen Werte dieser Untersuchungsmethode, 
schildert daher eingehend die auf der Kümmell’schen Abteilung 


1118 Zentralblatt ftir Chirurgie. Nr. 42. 


geübte Technik. Er beschäftigt sich sodann mit den Arzten, die die 
Kryoskopie für wertlos halten, und widerlegt besonders Kapsammer’s 
Ansichten. Eine Reihe von Fällen wird aufgeführt, in denen schon 
allein aus der kryoskopischen Blutuntersuchung auf schwere Nieren- 
veränderungen geschlossen werden konnte. Entgegen Koranyi zeigt 
N., daB Cyanose keinen Einfluß auf die Blutkonzentration hat. Im 
Fieber wird bei normalen Nieren der Gefrierpunkt des Blutes um 
0,02—0,03 nach oben hin verschoben. Bei größeren Geschwülsten 
der Bauchhöhle, die nach Koranyi durch Eiweißzerfall Erniedrigung 
der Blutkonzentration herbeiführen sollen, fand N. stets normalen 
Gefrierpunkt, ebenso bei Schwangeren. Haeckel (Stettin). 





8) J. Weinberg (Dortmund). Die Orthocystoskopie. 
(Miinchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 31.) 

Das Prinzip der von W. beschriebenen Vorrichtung besteht darin, 
daB die durch den Cystoskop-Prismenspiegel bewirkte Umkehrung des 
Blasenbildes durch eine zweite Spiegelung am Trichterende wieder 
aufgehoben, also das cystoskopische Bild wieder aufrecht gemacht 
wird (»Orthocystoskopie<). Aus optisch-mechanischen Griinden ge- 
gestattet die Vorrichtung indes nur die Besichtigung des Blasenbodens 
und der angrenzenden Partien mit den Harnleitermündungen, so daß 
auch der Orthoureterenkatheterismus ermöglicht ist. Die Vorzüge der 
Orthocystoskopie bestehen in der durch sie bewirkten Erleichterung 
der Erlernung der cystoskopischen Technik und des Ureterenkathete- 
rismus. Kramer (Glogau). 





9) J. Vogel. Über Hämaturien. 
(Berliner klin. Wochenschrift 1906. Nr. 16.) 

Die gut orientierende knappe Zusammenstellung eignet sich nicht 
zum Referat. Es sollen nur kurz einige weniger bekannte Tatsachen 
wiedergegeben werden. 

Die Cystoskopie gibt häufig Aufschluß über die Quelle der Blu- 
tung, doch dürfen die anderen Methoden der Harnuntersuchung des- 
halb nicht vernachlässigt werden. 

Während der Schwangerschaft können sehr erhebliche Blutungen 
auftreten, die auf Stauungen im kleinen Becken zurückzuführen sind. 
Auch Geschwülste und Eiteransammlungen, die die Zirkulation im 
kleinen Becken hochgradig beeinträchtigen, können ebenso wie die 
Prostatahypertrophie zur Hyperämie der Schleimhaut und dadurch 
zur Hämaturie führen. Varicen der Blasenschleimhaut sind unbestritten 
beobachtet, ebenso bedeutende Blutungen aus ihnen. Außer Bettruhe 
leistete die Injektion von 100 g 2%iger Gelatinelösung in einem Falle 
des Verf.s gute Dienste. Außer Traumen, Gonorrhöe, Blasensteinen, 
Geschwülsten, Tuberkulose, Fremdkörpern werden in ätiologischer 
Beziehung Blasenparasiten genannt. Langemak (Erfurt). 





Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 1119 


10) Nicoll. The present position of prostatic surgery. 
(Brit. med. journ. 1906. August 11.) 

Der Erfolg einer Prostatektomie hängt ab von der Ausschälung 
der Drüse aus ihrer Kapsel, von der genügenden Entfernung der den 
Weg sperrenden Driisenmasse und vom Vorhandensein einer mit 
Schleimhaut ausgekleideten Harnröhre, die verschont geblieben sein 
oder sich neugebildet haben kann. Der erste Schritt bei der Prostat- 
ektomie besteht in der suprapubischen Eröffnung der Blase, zur 
genauen Feststellung der Diagnose auf bimanuellem Wege: ein Finger 
in der Blase, ein Finger im Mastdarm. Darauf wird in Steinschnitt- 
lage mittels umgekehrt Y-förmigen Darmschnittes die Prostata aus 
ihrer Kapsel ausgehülst unter Schonung und Schutz der Blasen- 
schleimhaut durch die Hand in der Blase und der Harnröhre durch 
eine Metallsonde Die Dammwunde wird tamponiert, die Blasenwunde 
um ein dickes Gummirohr vernäht, ohne Dauerkatheter. Mit diesem 
»kombinierten submukösen Vorgehen« ist es möglich, in 70% der 
Fälle die Prostata auszuschälen ohne Schädigung der Blasen- oder 
Harnröhrenschleimhaut. Bei zähen, fibrösen Drüsen ist es nötig, dem 
aushülsenden Finger mit irgendeinem schneidenden Instrument zu 
Hilfe zu kommen. Trotzdem heute die Neigung besteht, die intra- 
vesikale Ausschälung als Operation der Wahl bei der Prostatektomie 
hinzustellen, hält Verf. sein »kombiniertes, submuköses Vorgehen« für 
angezeigt bei alten, geschwächten Leuten wegen der geringen Blutung, 
wegen der Fernhaltung von Urin und der Vermeidung von Phosphat- 
niederschlägen in der großen Wunde, wegen der schnellen Wieder- 
herstellung der Miktion. — Die heute übliche Enukleation der Prostata 
von der Blasenwunde aus mit dem Finger, während die Finger der 
anderen Hand vom Mastdarm her den Gegenhalt bieten, ist ursprünglich 
von McGill angegeben worden, wie Verf. in längerer Polemik mit 
Nachdruck insbesondere gegenüber Freyer und anderen »Nach- 
entdeckern« betont. — Die Sterblichkeit der Prostatektomie ohne An- 
sehung der Methode und des Operateurs berechnet N. zu 5 bis 7%. 
Bei seinen eigenen ersten 48 Fällen hatte er 8% Sterblichkeit, bei 
den zweiten 25 sogar 25%, bei den dritten 38 Fällen 51%. 

Weber (Dresden). 





11) Goldberg. Die Anzeigen zur Radikaloperation der Pro- 


statiker. 
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 32.) 

In einem sehr lesenswerten Aufsatze bespricht G. obige Frage 
nach allen Richtungen. Besteht bei Prostatikern keine Harnverhaltung, 
so ist jede Operation der Prostatahypertrophie durchaus kontraindi- 
ziert. Bei akuter Retention ist die Prognose mit Radikaloperation 
weit schlechter als ohne Operation. Unmöglichkeit des Katheterismus 
bei akuter, kompletter Retention erfordert Punktion. Lebenbedrohende 
Blutung bei akuter Retention erfordert, wenn sie bei Ruhigstellung 


1120 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 


der Harnblase durch den Verweilkatheter nicht aufhört, die Eröffnung 
der Blase zwecks Ausräumung der Gerinnsel und Tamponade Bei 
chronischer Retention ohne Distension ist für diejenigen, welchen es 
beim Selbstkatheterismus andauernd subjektiv und objektiv gut geht, 
. die Radikaloperation nicht angezeigt. Der selbständige Wille solcher 
Prostatiker, vom Katheter befreit zu werden, berechtigt den Arzt, 
nachdem er den Pat. ausreichend aufgeklärt hat, zur Radikaloperation. 
Bei dauernder und hochgradiger Erschwerung des Katheterismus durch 
anatomische Verhältnisse ist die Radikaloperation angezeigt. Sie ist 
es ferner bei einer trotz ausdauernd sachkundig und kunstgerecht an- 
gewandter Palliativtherapie; demnach nicht stationärer, sondern pro- 
gressiver Retention und Infektion. Ist aus anderen Gründen die 
Kastration angezeigt, so lasse man es zunächst bei der Kastration 
bewenden. Prostatiker mit chronischer inkompletter Retention und 
chronischer Distension sind ohne Behandlung in ständiger Lebens- 
gefahr, können durch kunstgerechte Katheterbehandlung außer Gefahr 
gebracht werden, können durch Prostatokaustik oder Prostatektomie 
sehr gebessert, falls noch keine Infektion, Kachexie oder Uräfie be- 
steht und alle sonstigen Verhältnisse günstig liegen, sogar geheilt wer- 
den, dürfen aber zur Zeit einer entstehenden Infektion unter keinen 
Umständen radikal operiert werden. Borchard (Posen). 





12) Leedham-Green. On tbe vesical sphincter and the 


mechanism of the closure of the bladder. 
(Brit. med. journ. 1906. August 11.) 

Betreffs des Vorganges der Urinentleerung stellte Finger die 
Theorie auf, daß der eigentliche Sphincter vesicae internus viel zu 
schwach sei, um den Druck einer sich füllenden Blase zu tragen, 
dieses Amt vielmehr dem Sphincter vesicae externus und Compressor 
urethrae überlasse. Sobald die Blase sich durch Füllung anfange zu 
dehnen, gebe allmählich der Blasenhals und der Sphincter internus 
nach, so daß Urin in den hinteren Teil der Pars prostatica eintrete 
und die Blase durch Bildung eines »Halses« eine Birnenform an- 
nehme. 

Gestiitzt auf Durchleuchtungen wismutgefiillter Blasen am 
Lebenden bestreitet L. entschieden die Richtigkeit dieser Lehre. In 
jedem Füllungszustande der Blase behielt diese eine ovale Form bei 
und zeigte keine Andeutung von »Hals« oder von Birnenform. Selbst 
bei stärkerer Füllung, die nur durch große Kraftanstrengung der 
Hilfsmuskeln des Pat. ertragen werden konnte, blieb die Schatten- 
absetzung der Blase gegen die Harnröhre scharf und ohne Andeutung 
eines »Halses«. 

L. schließt daraus, daß beim Verschluß der Blase dem Sphincter 
internus die Hauptrolle zufällt. Weber (Dresden). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 1121 


13) R. Kimla. v. Hansemann’s Malakoplakia vesicae uri- 
nariae und ihre Beziehungen zur plaqueförmigen Tuberku- 


lose der Harnblase. 
(Virchow’s Archiv Bd. CLXXXIV. p. 469.) 

Im Gegensatze zu v. Hansemann, Landsteiner, Störk u. a. 
ist Verf. der Ansicht, daß die Malakoplakie in manchen Fällen durch 
den Koch’schen Bazillus verursacht werde. Da eine makroskopische 
Unterscheidung der plaqueförmigen Tuberkulose der Harnblase und 
der Malakoplakie nicht möglich, betont K. die Notwendigkeit, jeden 
derartigen zur Beobachtung gelangenden Fall genau bakteriologisch 
zu untersuchen, um an der Hand einer größeren Untersuchungsreihe 
die Frage nach den Beziehungen der Tuberkulose zur Malakoplakie 
definitiv lösen zu können. Doering (Göttingen). 





14) Küttner. Was ergibt sich für den praktischen Arzt aus 


den Fortschritten der Nierenchirurgie? 
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 1—3.) 

In kürzerer, knapperer und doch gründlicherer Form ist wohl 
selten aus der Reihe der chirurgischen Erkrankungen das Wissens- 
werteste hervorgehoben worden. Für den praktischen Arzt, für den der 
Aufsatz in erster Linie bestimmt ist, ist die Veröffentlichung von 
großer Bedeutung, da sie eine genaue Orientierung über Diagnose und 
Indikationsstellung bei jeder einzelnen Krankheitsform gibt. Aber auch 
der Spezialkollege wird nicht ohne Befriedigung und Gewinn die Lek- 
türe aus der Hand legen. Nach eingehender Besprechung der Dia- 
gnose, der diagnostischen Hilfsmittel und kleinen Erleichterungen bei 
der Untersuchung Nierenkranker behandelt K. die Therapie und In- 
dikationsstellung bei offenen Verletzungen, bei subkutanen Verletzungen 
der Niere, bei beweglicher Niere, Sackniere (aseptische und infizierte 
Uronephrose, Pyonephrose), Steinniere, Nierentuberkulose, bösartigen 
Nierengeschwülsten, eitrigen Entzündungen der Niere und des Nieren- 
beckens, paranephritischen Eiterungen, sowie schließlich die chirur- 
gische Behandlung der chronischen Nephritis. Ein eingehendes Referat 
würde einen zu großen Umfang annehmen. Es genügt aber nach 
obigem, auf diesen sehr lesenswerten, leicht zugänglichen Aufsatz 
hingewiesen zu haben. Borchard (Posen). 





15) Rautenberg. Die Folgen des zeitweiligen Ureter- 
verschlusses. 
(Mitteilungen a. d. Grenzgebieten der Medizin u. Chirurgie Bd. XVI. Hft. 3.) 
Alle Versuche, an Tieren chronische interstitielle nephritische 
Veränderungen zu erzeugen, analog denen der menschlichen Nephritis, 
sind bisher fehlgeschlagen. R. ist es gelungen, dieses wichtige Pro- 
blem zu lösen. Er unterband bei Kaninchen einen Harmleiter dicht 
an der Blase, pflanzte nach 2—6 Wochen den oberhalb der Unter- 
42%% 


1122 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 


bindung erweiterten Harmleiter in die Blase wieder ein und konnte 
nun vergleichen, wie sich der Urin durch Hinzutritt des aus der ge- 
schädigten Niere stammenden Anteiles gegenüber dem bis dahin nur 
aus der gesunden Niere abgesonderten verhielt. Es zeigte sich, daB 
die Tiere am Leben blieben, aber mit allen Zeichen einer chronischen 
interstitiellen Nephritis: Albuminurie, Zylinder, Herzhypertrophie. 
Wurden sie getötet und die geschädigte Niere untersucht, so bot 
dieselbe alle Veränderungen einer chronischen interstitiellen Nephritis 
dar. Das Nierenparenchym zeigt eine zunehmende Atrophie, an 
seine Stelle tritt Bindegewebsvermehrung. Aus diesem Zustande der 
Atrophie, die je nach der Dauer der Harnstauung verschieden hoch- 
gradig ist, erholt sich das Parenchym langsam und zeigt beträchtliche 
Regenerationserscheinungen; diese können bis zur Neubildung völlig 
normaler Harnkanälchen gehen. Allein das regenerierte Parenchym 
scheint nicht lebensfähig zu sein, es schwindet wieder. 

Wurde bei solchen Tieren die gesunde Niere exstirpiert oder 
auch nur deren Harnleiter unterbunden, so konnte meistens die 
geschädigte Niere allein nicht die ganze Arbeit leisten, die Tiere 
starben. Hatte aber die Harnstauung nur 3 Wochen oder kürzer 
gedauert, so blieben auch diese Tiere am Leben trotz dauernder 
Albuminurie; bei Abschluß der Arbeit lebte eines der Tiere bereits 
1 Jahr lang; ein anderes starb nach mehr als einem Jahr an Schwäche 
infolge eines Partus; die Autopsie ergab eine allgemeine hochgradige 
Arteriosklerose mit Hypertrophie des linken Ventrikels. 

Enthülsung der durch Harnstauung geschädigten Niere nach 
Edebohls vermochte den Zustand nach Nephrektomie der gesunden 
Niere nicht günstig zu beeinflussen. 

Die Resultate dieser Versuche sind höchst bemerkenswert, da sie 
zum erstenmal experimentell eine chronische interstitielle Nephritis 
erzeugten. Wie sich Fleischfresser gegen diese Eingriffe verhalten, 
muß noch näher erforscht werden. Die wenigen Experimente, welche 
R. an Katzen ausführte, zeigen zunächst nur, daß hier individuelle 
Verschiedenheiten der Tiere eine weit größere Rolle spielen als bei 
Kaninchen. Haeckel (Stettin). 





16) M. Sträter. Beiträge zur Pathologie und Therapie der 
kongenitalen Nierendystopie. 
(Deutsche Zeitschrift fir Chirurgie Bd. LXX XIII. p. 55.) 


Ein selbst beobachteter und sehr glücklich operierter Fall hat S. 
Anlaß zu dieser sehr fleißigen und verdienstlichen Spezialstudie über 
die Nierendystopie gegeben, in der 58 gut beobachtete Fälle des 
Leidens gesammelt und referiert werden, dann aber eine erschöpfende 
Allgemeinbesprechung der Affektion mit Berücksichtigung der Ana- 
tomie, Diagnose, des klinischen Verhaltens und der sehr wichtigen 
und vom Verf. um mancherlei rationelle Vorschläge bereicherten The- 
rapie gegeben wird. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 1123 


S.'s eigener Fall betrifft eine 34jährige Nullipara, von jeher an Dysmenorrhöe 
mit rechtsseitigen Leibschmerzen leidend. Da rechts von der Gebärmutter eine 
ungetähr hühnereigroße, feste, druckempfindliche Geschwulst fühlbar, wird eine 
intraligamentäre Eierstooksgeschwulst diagnostiziert und laparotomiert. Man findet 
die Adnexe beiderseits normal, den Uterus retroflektiert und nach links geschoben. 
Die gefühlte Geschwulst findet sich rechts von ihm im Lig. latum subperitoneal 
und erweist sich nach Entblößung durch Spaltung des Bauchfelles als dystopische 
Niere, während die linke durch Tastung an richtiger Stelle liegend nachzuweisen 
ist, Es gelingt, sie aus dem kleinen Becken subperitoneal auf die Hüftbeinschaufel 
zu verlagern ohne übermäßige Spannung ihrer Gefäße und des Harnleiters. Ver- 
nähung der Niere an das Bauchfell. Gazedrainage des subserösen Raumes für 
7 Tago. Glatte Heilung mit dauernder Beseitigung der früheren Beschwerden. 


Von der Allgemeinbesprechung des Leidens sei folgendes kurz 
angeführt. Die Nierendystopie tritt meist einseitig und links auf. Die 
beiden Geschlechter scheinen gleich häufig betroffen zu sein, doch 
macht sich die Affektion klinisch-pathologisch bei Weibern ungleich 
häufiger bemerkbar. Häufig sind gleichzeitige Mißbildungen der Ge- 
schlechtsteile, insbesondere fehlen oft Scheide, Uterus und Tuben ganz 
oder teilweise, während die Eierstöcke immer vorhanden sind. Man 
kann eine abdominale und pelvine Form der Dystopie unterscheiden, 
von denen die letztere häufiger ist. Stets retroperitoneal gelegen, ist 
die dystopische Niere meist ziemlich fixiert. Geringe Größenentwick- 
lung, Fehlen der Fettkapsel, eine mehr dem embryonalen Typus 
gleichende Art der Gefäßversorgung mittels multipler statt einfacher 
Gefäßzufuhr bedingen eine geringe Beweglichkeit. Eine völlig intra- 
ligamentäre Verlagerung der Niere hat S. außer in seinem Falle sonst 
nicht notiert gefunden. Das Organ ist häufig stark gelappt, auch 
sonst von fehlerhafter Form. Der Hilus findet sich oft auf der vor- 
deren statt auf der medialen Seite. Die klinischen Erscheinungen 
betreffend, ist zwischen dem Verhalten sonst unveränderter dystopischer 
Nieren und demjenigen von erkrankten (Hydro-, Pyonephrosis, Lithiasis 
usw.) zu unterscheiden. Durch Druck können schon die gesunden 
Organe allerhand gynäkologische Beschwerden und Verstopfung ver- 
anlassen, außerdem können sie bei Schwangerschaft und namentlich 
bei der Geburt die ernstesten Störungen herbeiführen. In der Diagnose 
des Leidens ist bislang noch nicht viel geleistet. Ein hier besonders . 
bemerkenswertes Merkmal wird die Messung der Harnleiterlänge bilden 
können, da Harnleiterverkürzung mit Wahrscheinlichkeit auf die Dys- 
topie schließen läßt. Einführung von Harnleiterkathetern, die mit 
Stahlmandrin versehen sind, gefolgt von Röntgenaufnahme, erscheint 
da plausibel. 

Besonders beachtbar scheinen die von 8. vertretenen therapeu- 
tischen Grundsätze. Er verwirft mit Recht die kritiklose Ektomie 
gesunder dystopischer Nieren. Bei siebenmal auf Grund von Verken- 
nung der Sachlage ausgeführten Nierenexstirpationen wurde zweimal 
die einzige vorhandene Niere exstirpiert. Statt der Ektomie ist die 
zweckmäßige Verlagerung und Annähung der Niere angezeigt, die 
außer S, auch Frank, Delore und Delaforge gelungen ist. Auch 


1124 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 


in geburtshilflichen Fällen der Not soll, was die Niere anlangt, kon- 
servativ verfahren werden — Perforation bei totem, Kaiserschnitt oder 
operative Beckenerweiterung bei lebendem Kinde. Prophylaktisch 
kommt auch die wiederholt mit Erfolg gemachte künstliche Frühgeburt 
in Frage. | 
Zum Schluß Literaturverzeichnis von 90 Nummern. 
| Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 





17) F. Legueu. Le rein mobile. 96 S. Mit 6 Textabbild. 
Paris, J.-B. Baillitre & fils, 1906. 

Der auf dem Gebiete der Nierenchirurgie wohlbekannte Autor 
gibt in dieser kleinen, fiir praktische Arzte berechneten Monographie 
eine gute, übersichtliche Darstellung der Pathologie und Therapie der 
beweglichen Niere. Er steht auf dem Standpunkte, daß die beweg- 
liche Niere keine lokale Erkrankung darstellt, sondern nur das lokale 
Zeichen einer Allgemeinerkrankung, die in einer Ernährungsstörung 
des fibrösen, muskulären und nervösen Systems besteht. Symptome 
dieser Allgemeinerkrankung können sich an den verschiedensten Körper- 
gegenden finden. Die Niere wird immer zuerst ergriffen und bildet 
oft den einzigen Krankheitsherd. 

Therapeutisch genügt in den meisten Fällen eine einfache zirku- 
läre Bandage, die auf die ganze vordere Bauchwand und dadurch 
auch indirekt auf die Niere einwirkt. Die operative Festlegung der 
Niere — Verf. empfiehlt die Methode von Guyon — ist nur in ganz 
besonderen Fällen zu empfehlen. Die operativen Indikationen gründen 
sich haupsächlich auf Schmerzen, auf dyspeptische und neurasthenische 
Beschwerden. Ehe man operiert, muß man sich natürlich vergewissern, 
daß die betreffenden Beschwerden auch wirklich durch die bewegliche 
Niere hervorgerufen werden. Bei Komplikation der beweglichen Niere 
mit intermittierender Hydronephrose ist ebenfalls die operative Fest- 
legung angezeigt. Aber nur dann, wenn das Nierenbecken nicht sehr 
stark ausgedehnt ist, genügt die Nephrorrhaphie;, bei sehr beträchtlicher 
Ausdehnung ist die Uretero-Pyeloneostomie indiziert. Bei der sog. 
Einklemmung einer beweglichen Niere kann man unter Umständen 
durch den Harnleiterkatheterismus ein sofortiges vollständiges Nach- 
lassen der Einklemmungserscheinungen erreichen. 

Paul Wagner (Leipzig). 





18) P. Fiori. Considerazioni cliniche sopra 30 casi di nefro- 
pessi. 
(Poliolinico, Ser. chir. 1906. No. 7.) 

Von ca. 100 Fällen von Wanderniere hat F. ca. 30 operiert. Er 
bespricht die Symptome und Komplikationen, die von seiten der Niere 
und anderer Organe eintreten können. Besonders wichtig erscheinen 
ihm die Darmerscheinungen. Der Dickdarm wird direkt in Mitleiden- 
schaft gezogen durch Verlagerung des Dickdarmwinkels oder Kompression 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 1125 


des Dickdarmes durch die Niere, die in einem Falle mit der Vorder- 
wand des Darmes verwachsen gefunden wurde. Die Angaben von 
Edebohls über die Häufigkeit einer gleichzeitigen Appendicitis chronica 
wird nicht bestätigt. Genitalerkrankungen sind meist selbständiger Natur, 
nur in einem kleinen Teile der Fälle bessern sie sich durch die Ope- 
ration. Genauer wird die Diagnose besprochen, insofern sie aus der 
Summe der Beschwerden herausschälen soll, ob die Niere die Ursache 
derselben ist. Hier wird besonders auf das Verschwinden der Be- 
schwerden im Liegen hingewiesen. 

Absolute Indikation zur Operation ist Komplikation mit Albu- 
minurie, Uronephrose, Blutung, Anfälle von Strangulation der Niere; 
sodann Erscheinungen von seiten des Darmes oder der Leber, als 
deren Ursache die Nierenverschiebung erkannt wird; ebensolche nervöse 
Störungen. 

Relative Indikation besteht bei Fällen, welche bei Bindenbehand- 
lung sich bessern, aber frei sind von Komplikationen vom Darm her. 

Kontraindiziert ist die Operation bei Splanchenoptose und meist bei 
Genitalbeschwerden. Als letztes Mittel dient die Operation in Fällen, 
die sonst auf keine Weise sich bessern. E. Pagenstecher (Wiesbaden). 





19) G. Herxheimer. Über Cystenbildungen der Niere und 
der abführenden Harnwege. 
(Virchow’s Archiv Bd. CLXXXV. p. 52.) 

H. beschreibt zunächst zwei Fälle von Cystennieren, die bei einem 
4jährigen Kind und einem 40jährigen Manne bei der Autopsie ge- 
funden waren. Nach der ausführlichen Schilderung des makroskopi- 
schen und mikroskopischen Befundes, dessen Einzelheiten sich für ein 
kurzes Referat nicht eignen, bespricht Verf. unter kritischer Berück- 
sichtigung der Literatur die Frage der Pathogenese dieses Leidens. 
Er schließt sich den Autoren an, die die Cystenniere als die Folge 
einer entwicklungsgeschichtlichen Hemmungsbildung auffassen, glaubt 
aber auch den geschwulstartigen Charakter der Cystenniere nicht ver- 
nachlässigen zu dürfen. Er schlägt vor, die Cystennieren einer Gruppe 
von Gebilden anzureihen, die, auch auf Mißbildungen beruhend, zu 
den Geschwülsten durchaus nahestehenden und in diese übergehenden 
Formen führen und die als besondere Gruppe neuerdings von Albrecht 
unter dem Namen »Hämatome« zusammengefaßt wurden. — Eben- 
falls durch entwicklungsgeschichtliche Hemmungen wird das Zustande- 
kommen der meisten Nierencysten erklärt; nur durch die gemeinsame 
Genese werden die Übergänge zwischen Cystennieren und Nierencysten 
verständlich. Ein sehr umfangreiches Literaturverzeichnis schließt den 
ersten Teil der Arbeit. 

Alsdann folgt eine genaue Beschreibung von zwei Fällen von 
Ureteritis cystica und einem Falle von Cystitis cystica, deren Einzel- 
heiten ebenfalls im Original nachgelesen werden müssen. In ätio- 
logischer Hinsicht schließt sich Verf. der Ansicht der meisten Autoren, 


1126 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 


daß die Cysten durch zentralen Zerfall der sog. Brunn’schen Zell- 
nester entstehen, an. Als auslösendes Moment kommt stets eine Ent- 
zündung in Betracht, doch darf diese keinen diphtherischen Charakter 
annehmen, da sonst eine Zerstörung des gesamten Epithels eintritt. 
Der Inhalt der Cysten besteht aus degeneriertem Zellmaterial; Schleim 
findet sich nicht. Ebenso unerwiesen ist die Anwesenheit von Para- 
siten in den Cysten. Ein umfangreiches Literaturverzeichnis ist auch 
diesem Abschnitt am Schluß beigefügt. Doering (Göttingen). 





20) M. Jungano. De la ligature de l’artere rénale. 

(Ann. des malad. des org. gén.-urin. 1906. Nr. 13.) 

Verf. hat experimentelle Untersuchungen an Hunden und Ka- 
ninchen angestellt und erstere bis zu 75 Tagen, letztere bis zu 4 Mo- 
naten nach der intraperitoneal angelegten Unterbindung der Nieren- 
arterie am Leben erhalten. Er hat bei diesen Untersuchungen gefunden, 
daB die Niere nirgends Zeichen von Restitutio ad integrum darbietet, 
und zwar weil von Anfang an das sezernierende Epithel zerstört ist. 
Es ist nicht nötig, daß die betreffende Niere nekrotisch wird und 
infolgedessen toxische Substanzen in die Zirkulation gelangen; vielmehr 
kann die betreffende Niere eine fibröse Umwandlung eingehen oder 
eine Art Verkalkungsprozeß erleiden. 

Im Falle einer traumatischen Verletzung der Nierenarterie beim 
Menschen empfiehlt Verf. mehr die Nephrektomie als die Unterbin- 
dung der Arterie; denn durch erstere werden sicherer Infektionen 
vermieden, die etwa durch das verletzende Instrument entstanden sein 
könnten, oder Intoxikationen, wenn nach der Unterbindung doch Ne- 
krose der Niere eintritt. Paul Wagner (Leipzig). 


21) M. Jungano. Ligature de la veine rénale. 
(Ann. des malad. des org. gén.-urin. 1906. Nr. 15.) 

Die experimentellen Untersuchungen über die Unterbindung der 
Nierenvene hat Verf. an Hunden und Kaninchen angestellt. Nach 
der Unterbindung der Nierenvene tritt sofort eine Volumsvermehrung 
der Niere ein, die ihren Höhepunkt meist am 2. oder 3. Tage erreicht. 
Es kommt dann in der Nierensubstanz zunächst zu Blutungen per 
diapedesin, dann zu Blutungen infolge Gefäßzerreißungen und zu In- 
farktbildungen mit mehr oder weniger ausgesprochener Zerstörung 
des Nierenparenchyms. Vom 4. Tage an beginnt ein Entzündungs- 
prozeß, der in der Hauptsache auf eine sehr intensive Neubildung 
von Bindegewebe hinausläuft und schließlich zu einer vollkommenen 
Degeneration der sezernierenden Nierensubstanz führt. Bei den Ka- 
ninchen kommt es niemals zur Bildung eines Kollateralkreislaufes, 
während dies bei Hunden der Fall sein kann; aber auch hier bleibt 
das Nierengewebe funktionsunttichtig. 

Handelt es sich um eine traumatische Verletzung der Nieren- 
vene beim Menschen, so wird man lieber die Nephrektomie machen; 





Zentralblatt für Obirurgie. Nr. 42. 1127 


denn bei der Unterbindung der Nierenvene setzt man den Organismus 
allen den Gefahren aus, die durch eine in Degeneration begriffene 
Niere hervorgerufen werden können. Bei der menschlichen Niere 
kann sich ein genügender Kollateralkreislauf von der Capsula adiposa 
aus entwickeln; wollte man also die Nierenvene unterbinden, so müßte 
man, um das Nierenfettgewebe möglichst zu schonen, sich den Weg 
zur Nierenvene transperitoneal bahnen. Dieser Weg ist aber zu ge- 
fährlich, um so mehr, als man doch nicht sicher ist, ob der Kolla- 
teralkreislauf genügt, die Funktion der Niere zu erhalten. 
Paul Wagner (Leipzig). 





22) Reynold and Wadsworth. Retroperineal perineal lipo- 
mata. 
(Annals of surgery 1906. Juli.) 

Verf. bespricht jene seltenen Lipome, welche sich als nicht un- 
beträchtliche Geschwülste im Nierenfett entwickeln. Dieselben gehören 
im allgemeinen zu den gutartigen Geschwülsten, selten entarten sie 
sarkomatés. Die durch sie hervorgerufenen klinischen Symptome be- 
stehen in Druck- und Schwergefühl, in neuralgischen Unterleibs- 
schmerzen, Störungen des Stuhlganges; zuweilen tritt Ascites oder 
Hautödem hinzu. Außerlich werden sie als runde Geschwulst gefühlt, 
die meistens das Gefühl schwacher Fluktuation hervorruft. Da das 
Colon transversum nach vorn von der Geschwulst liegt, ist der Schall 
über der Geschwulst tympanitisch. Die Diagnose ist kaum stellbar, 
Verwechslungen mit Ovariencysten und Echinokokken usw. sind leicht 
möglich. Die Geschwulst selbst hat eine dünne Kapsel, welche von 
der prärenalen Fascie gebildet wird. Diese ist nach vorn mit dem 
parietalen Peritoneum verbunden, hinten liegt sie auf der Lenden- 
muskulatur auf. Die Operation wird transperitoneal folgendermaßen 
vorgenommen: quere Spaltung des die Geschwulst überziehenden 
Bauchfelles, Durchtrennung der prärenalen Fascie im lateralen Drittel, 
da medial der Harnleiter und verschiedene Gekrösgefäße liegen, auch 
Pankreas und Duodenum verletzt werden könnten. Stumpfes Auslösen 
des Lipoms mit dem Finger. Ist die Geschwulst nicht in einem Stück 
zu entfernen, so wird sie von der laterale Seite zerkleinert. In der 
Literatur sind 49 operierte Fälle mit 48% Mortalität zu finden. Verff. 
selbst entfernten ein 15 Pfund schweres perirenales Lipom mit gün- 
stigem Ausgange bei einer 25jährigen Pat. Herhold (Altona). 





23) L. Batut. Traitement de la tuberculose du testicule. 
(Ann. des malad. des org. gén.-urin. 1906. Nr. 16.) 

Verf. bespricht zunächst die differentialdiagnostischen Schwierig- 
keiten zwischen sekundär luetischer, gonorrhoischer und tuberkulöser 
Epididymitis. Bei der operativen Behandlung der Hoden- und Neben- 
hodentuberkulose sind die Ansichten noch geteilt, ob man stets radikal 
vorgehen soll, oder ob man sich zunächst auf konservative Eingriffe 


1128 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 


beschränken kann. Verf. teilt eine Reihe von Krankengeschichten mit, 
in denen teils das radikale, teils das mehr konservative Verfahren 
zur Anwendung kamen. Paul Wagner (Leipzig). 


24) Lydston. A method of anastomosis of the vasa defe- 
rentia. 
(Annals of surgery 1906. Juli.) 

Da durch Traumen oder durch bei Operationen notwendige Re- 
sektion der Ductus deferens nicht selten in zwei voneinander abstehende 
Teile getrennt wird, und andererseits eine Vereinigung der durch- 
trennten Teile nachher wieder erwünscht ist, schildert Verf. das von 
ihm geübte Verfahren der Verbindung des durchtrennten Samenleiters. 
Das betreffende Ende wird rechtwinklig gebeugt und von der Schnitt- 
fläche aus eine dünne Nadel oder Sonde in die Lichtung eingeführt 





IN 
KR UL ‘ 


und 1'/, Zoll entfernt davon an der Umbiegestelle ausgestoßen (a). 
Bei c wird in die Nadel ein dicker Seidenfaden eingefädelt und nach 
d so weit durchgezogen, daß bei c noch ein 3 Zoll langes Stück hervor- 
sieht. Das bei d hervorragende Ende wird nun wieder mit einer 
Nadel durch das distal gebeugte Ende des Ductus deferens gezogen (b). 
Die an den Beugestellen hervorragenden Fäden c und f werden dann 
über dem Samenleiter geknüpft, und über die vereinigte Stelle noch 
einige feine Catgutfäden gelegt und leicht geknotet. Endlich wird 
der so vereinigte Samenleiter noch durch Fasciennähte mit einer Art 
Scheide umgeben. Herhold (Altona). 


Kleinere Mitteilungen. 


Ein Fall von Luxation des unteren Endes der Ulna. 


Von 
Dr. J. M. A. Gevers Leuven in Ede, Holland. 


Bekanntlich sind die Luxationen des unteren Endes der Ulna sehr selten. 
Tillmanns sagt davon in seinem Handbuch der speziellen Chirurgie folgendes: 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 1129 


Erstens die am häufigsten vorkommenden sind die Luxationen des unteren Endes 
der Ulna über die Cartilago triangularis, welche besonders bei kleinen Kindern 
beobachtet werden, wenn sie an der Hand gefaßt und in die Höhe gehoben werden. 
Die vollständigen Luxationen entstehen besonders durch forcierte Pro- und Supi- 
nation. Die Ulna luxiert entweder nach der Vola oder nach dem Dorsum oder 
auf die Innenseite der Handwurzel. 

Aus der Literatur hat er 48 vollständige traumatische Luxationen zusammen- 
gestellt. Davon waren 16 (12 einfache und 4 komplizierte) nach der Vola und 18 
(10 einfache und 8 komplizierte) nach dem Handrücken, endlich 9 auf die innere 
Seite der Handwurzel. In 5 Fällen war die Richtung der Luxation nicht an- 
gegeben. 

Der Fall, welcher von mir beobachtet wurde, ist einer, wobei das untere Ende 
der Ulna auf die volare Seite des unteren Endes des Radius zu liegen kam. 

Am 23. August d. J. wurde meine Hilfe angerufen für einen »zerbrochenen 
Pulse. Der Mann, Baumeister des Wasserturmes, unterstützte seinen rechten Unter- 
arm mit der linken Hand, die rechte konnte er weder pro- noch supinieren. Hand 
und Unterarm zeigten die Konfiguration der Fractura radii. Die volare Seite des 
Unterarmes hatte die typische Vorwölbung. Jedoch bei genauer Untersuchung 
stellte sich heraus, daß von einer Fractura radii keine Rede war, vielmehr an- 
scheinend eine unkomplizierte Luxation des unteren Endes der Ulna vorlag, wobei, 
wie ich oben schon erwähnt habe, die Ulna sich auf der volaren Seite des Radius 
befand. 

Der Unfall hatte sich auf folgende Weise zugetragen: Auf dem Terrain des 
Wasserturmes sollten mit einer Hißmaschine schwere Röhren aus einer Grube 
emporgehoben werden. Das Hißtau war so auf die Rolle A gewunden, daß diese 
sich in der Richtung (1) drehte. Der Baumeister, welcher bei der Arbeit assistierte. 
hatte selbst den Hebel B in der linken Hand. Mit der Rechten hielt er das freie 
Ende des Hißtaues fest. Als er die Maschine plötzlich hemmen wollte, versagte 
die Sperrklinke C. Die Rolle bewegte sich in entgegengesetzter Richtung (2). Die 
rechte Hand kam auf der Rolle in extreme Supination, wodurch die Ulna luxierte. 
Glücklicherweise stockte die Röhre, sonst hätte das Unglück weit ernstere Folgen 
gehabt. 


I Md Pate 


N 
“Na. 
NE] 
X 
Sp 
5: 
Y 
87 


AL 





Die Reposition gelang ziemlich einfach. Der Unterarm wurde rechtwinklig 
gegen den Oberarm gebeugt. Am Ellbogen wurde in proximaler Richtung am 
Unterarme gezogen. Ich selbst faßte mit meiner rechten Hand die Rechte des 
Pat. und zog distal. Mit dem Daumen meiner linken Hand drückte ich die Ulna 
auf ihre Stelle. Die Hand des Pat. zeigte nur einige Exkoriationen auf der dor- 
salen Seite. Die Nachbehandlung beschränkte sich nur auf diese letzte und leichte 
Massage des Pulses. Die Ulna bleibt in situ. 

Am Ellbogengelenk war nichts Pathologisches zu bemerken. 

September 1906. 


1130 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 


25) Krüger. Zur Kenntnis der Ostéoarthropathie hypertrophiante 
pneumique. 
(Virchow’s Archiv Bd. CLXXXV. p. 43.) 


Verf. beschreibt nach einer kurzen zusammenfassenden Schilderung des zuerst 
von Pierre Marie aufgestellten Krankheitsbildes einen neuen Fall dieses seltenen 
Leidens, das im Chemnitzer Krankenhause bei einer 52jährigen Frau beobachtet 
wurde. Bezüglich der Details des Betundes sowie auch der ausführlichen Beschrei- 
bung der Röntgenbilder sei auf das Original verwiesen. Hervorgehoben soll werden, 
daß vom Verf. in ätiologischer Hinsicht der Krankheitsprozeß nicht mit trophischen 
Neurosen, vor allen Dingen der Syringomyelie, in Zusammenhang gebracht wird, 
vielmehr versucht wird, sein Entstehen durch eine Intoxikation zu erklären, her- 
vorgerufen durch Resorption von jauchigen Zerfallsprodukten, wie sie bei Lungen- 
tuberkulose, jauchiger Pleuritis, Cystopyelonephritis und bösartigen Geschwülsten 
gelegentlich zustande kommt. Bei der betreffenden Pat. hatte es sich um eine 
bösartige Brustdrüsengeschwulst gehandelt, die in der Schilddrüse und im Unter- 
lappen der rechten Lunge Metastasen gebildet hatte. Doering (Göttingen). 


26) M. Huet. Tuberculose latente, réveillée subitement par une inter- 
vention sur un autre foyer tuberculeux. 
Thèse de Paris, @. Steinheil, 1906. 


H. berichtet über zwei Fälle von Hautlupus, bei denen im Anschluß an 
chirurgische Eingriffe (Kauterisation) die Tuberkulose an entfernten Stellen mani- 
fest wurde. Über beide Fälle, die Kinder betrafen, ist bereits auf dem letzt- 
jährigen Tuberkulosekongreß in Paris berichtet. Im ersten Falle traten jedesmal 
nach der zweimaligen Kauterisation eines Gesichtslupus unter Temperatursteigerung 
heftige Entzündungserscheinungen in der bisher völlig gesunden linken Hüfte ein, 
die sich das erste Mal im Laufe von 10 Tagen zurückbildeten, das zweite Mal aber 
zur koxitischen Versteifung des Gelenkes führten. Bei dem zweiten Falle bekam 
das Kind ebenfalls nach Kauterisation von Lupus am Hals Erstickungs- und keuch- 
hustenähnliche Hustenanfälle. Die Kauterisation wurde dreimal wiederholt, jedes- 
mal traten die Zufälle in bedrohlich steigendem Maß auf. Sie wurden auf exazer- 
bierende Bronchialdrüsentuberkulose zurückgeführt. Das Kind erlag nach Einsetzen 
einer rasch verlaufenden Lungenphthise einer allgemeinen Tuberkulose. Verf. lehnt 
für diese und ähnliche Fälle eine Metastasierung der Infektionskeime infolge des 
Eingriffes auf dem Blut- bezüglich Lymphwege ab und erklärt das Auftreten der 
neuen Herde dadurch, daß durch den Eingriff tuberkulöse Giftstoffe, ähnlich den 
injizierten Tuberkulinen, frei werden, und daß diese bereits vorher vorhandene 
latente Herde zu neuem Leben anfachen. In einem zweiten Teile berichtet er über 
Experimente, die er an Kaninchen zur Klärung dieser sehr interessanten Fragen 
angestellt bat, und gibt kurz die einzelnen Versuche wieder. 

Müller (Dresden). 


27) E. Levin. Behandlung der Tuberkulose mit dem Antituberkulose- 
serum Marmorek. 
(Berliner klin. Wochenschrift 1906. Nr. 4.\ 


28) A. Hoffa. Das Antituberkuloseserum Marmorek. 
(Ibid. Nr. 8.) 

L., welcher bei Lungentuberkulose einen günstigen Einfluß der Serumbehand- 
lung konstatieren konnte, unterzog auch 26 Kranke mit chirurgischer Tuberkulose 
dieser Heilmethode. 20 davon waren vorgeschrittene, 6 frische oder akute Fälle. 
Eine bedeutende Besserung wurde in ungefähr der Hälfte der Fälle konstatiert 
und daß die Besserung schneller und energischer durch das Serum Marmorek 
erzielt wurde, als es mit den bisher üblichen Mitteln der Fall war. Fisteln, die 
lange Zeit offen geblieben waren und sehr stark eiterten, reinigten sich und heilten. 
Auch bei multipler Tuberkulose wurden unzweifelhafte Besserungen beobachtet; 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 1131 


daneben fehlte es nicht an Mißerfolgen, z. B. wurden 4 Fälle von Lupus ohne 
Erfolg behandelt. 

Ob die Erfolge von Dauer sein werden, bleibt abzuwarten. Wenn das der 
Fall sein sollte, so glaubt Verf. behaupten zu können, daß Marmorek durch sein 
Serum den Kampf gegen die Tuberkulose in neue Bahnen lenkte. — 

H. behandelte ca. 40 Fälle aller Formen von Tuberkulose der Knochen und 
Gelenke, zum Teil viele Monate hindurch, seit 2 Jahren mit Marmorek’schem 
Antituberkuloseserum. Bei schweren, weit vorgeschrittenen Zerstörungen wurde durch 
das Serum kein Stillstand geboten. In vielen Fällen hatte das Serum einen ent- 
schieden guten Einfluß auf Temperatur, Allgemeinbefinden und den lokalen Krank- 
heitsprozeB. Abszesse heilten schneller als es gewöhnlich zu geschehen pflegt. 
Wenn auch die starke Serumlokalreaktion bei subkutaner Injektion in einem Drittel 
der Fälle störend wirkte, so hatte doch kein Pat. einen bleibenden Nachteil davon. 
Bei Einführung des Serums als Klysma trat keine Serumreaktion auf. 

H. hält es für wünschenswert, daß diesem wertvollen Heilmittel mehr Beach- 
tung geschenkt wird, damit durch größere Erfahrung die Indikationsstellung zur 
Anwendung des Serums präzisiert werden kann. Langemak (Erfurt). 


29) J. A. Stucky. Ether narcosis by rectum. Report of cases. 
(Amer. journ. of surg. 1906. September.) 


Die rektale Athernarkose wird besonders fiir Operationen an Mund und Nase 
empfohlen. Die vier von S. ausführlich beschriebenen Fille betrafen Empyeme 
der Highmors- und Stirnhöhle, Nasenpolypen usw. Die Anwendung geschah durch 
ein steifes Mastdarmrohr. Der Ather war in einer Flasche mit zuführendem Ge- 
bläse aufbewahrt. Die Flasche darf nicht ganz mit Ather gefüllt sein und soll in 
einem Gefäße mit etwa 30° C warmem Wasser stehen, damit der Ather, dessen 
Siedepunkt 37°C ist, leichter verdunstet. Sehr wichtig ist die Vorbereitung des 
zu Betäubenden. Verf. richtete sich nach den Vorschriften Cunningham's: 
2 Tage vor der Operation nur flüssige Diät; Abführen durch Kalomel (0,3), Salol 
und Natr. bicarbonicum, nach 8 Stunden ein Eßlöffel Rizinusöl; abends vor der 
Operation 50 g gesättigter Magnes. sulfur.-Lösung und morgens ein großes Seifen- 
wasserklistier, ein zweites direkt vor der Operation. Nur wenn der Mastdarm ganz 
leer ist, ist die Narkose möglich, Zu deren Unterstützung wurde Morphium (0,01) 
mit Strychnin (0,0015) gegeben; im Anfange waren auch meist einige Chloroform- 
inhalationen nötig. Dafür war aber auch der Gebrauch an Ather (weniger als 
30 bis zu 60 g) sehr gering, trotz Narkosen bis 50 Minuten Dauer. In den vier 
Fällen traten sehr geringe Nachwirkungen, gelegentlich etwas Tenesmus, Koliken 
und Abgang blutigen Schleimes auf. Schon 1—2 Stunden nachher konnten Flüs- 
sigkeiten und bald dann auch feste Nahrung verabreicht werden. Pat., die einmal 
durch den Mund, dann durch den’After ätherisiert waren, bevorzugten die Rektal- 
methode. Goebel (Breslau). 


30) H. Goldschmidt (Berlin). Die Endoskopie der Harnröhre. 
(Berliner klin. Wochenschrift 1906. Nr. 6.) 


Durch Injektion von Wasser in die Harnröhre vor Einführung des optischen 
Apparates, durch Vereinfachung des nach dem Prinzip des Nitze’schen Cysto- 
skops gebauten Instrumentariums ist es dem Verf. gelungen, ohne die Harnröhre 
übertrieben auszudehnen, Abschnitte von 4 cm Länge zu übersehen. Für die vor- 
dere Harnröhre wird ein gerades, ca. 18 cm langes Rohr, zur Besichtigung der hin- 
teren Abschnitte ein längeres Rohr benutzt und an dem viszeralen Ende eine zur 
leichteren Einführung in die Pars membranacea geeignete Krümmung angebracht. 
Das Abfließen des Wassers wird durch Umschnürung der vorderen Partie des 
Penis verhindert. 

Dieser vorläufigen Mitteilung wird eine genauere Beschreibung der mit dem 
neuen Instrumente sichtbaren Bilder folgen. Die Firma Louis & H. Löwen- 
stein liefert das Instrumentarium. Langemak (Erfurt). 


1132 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 


31) A. Weinstein. Über eine seltene Mißbildung am Urogenitalapparat. 
(Virchow's Archiv Bd. CLXXXV. p. 363.) 


Durch eine in der Blasenwand gelegene prall gefüllte Cyste, die wie eine 
Ausstülpung der Schleimhaut der Pars prostatica urethrae in die Blase hinein aus- 
sah, war es einerseits zu einem ventilartigen Verschluß des Harnröhrenabganges 
aus der Blase gekommen, dann aber auch zu einer Kompression der einmündenden 
Harnleiter. Infolgedessen ging das 3jährige Kind an einer doppelseitigen Hydro- 
nephrose zugrunde. Bei der Autopsie fand sich außer den bereits erwähnten Ver- 
änderungen eine Verdoppelung des rechten Harnleiters. Von diesen beiden Harn- 
leitern endigte jedoch der eine blind in der Wand des Nierenbeckens. Bezüglich 
der Details der Beschreibung wird auf das Original verwiesen. Fünf Abbildungen 
illustrieren die interessante Mißbildung. Doering (Göttingen). 


32) Morton. A series of cases in which collections of stones formed 
in the prostatic urethra. 
(Brit. med. journ. 1906. August 11.) 

In den drei Fällen, über die M. berichtet, handelte es sich um Steinansamm- 
lung in der Pars prostatica der Harnröhre. Die Steine lagen in der taschenförmig 
erweiterten Harnröhre. M. glaubt, daß sie dort auch entstanden sind. 

I. 35jähriger Mann, Behinderung beim Woasserlassen seit 15 Jahren, niemals 
völlige Verhaltung, einmal schmerzloses Blutharnen mehrere Wochen lang. Erst 
bei mehrfacher Sondenuntersuchung ließen sich mehrere Steine, die bei der ersten 
Sondeneinführung unentdeckt geblieben waren, nachweisen. Die Urethrotomie 
förderte mehrere Steine zutage, die in der Pars prostatica lagen. Von der Pro- 
stata war nichts zu finden. Es handelte sich um Phosphatsteine. Im Laufe der 
nächsten Jahre mußten noch sechsmal zahlreiche neue Steine entfernt werden. Am 
Damme blieb eine Fistel. 

II. 34jähriger Mann mit Fistel am Damme, herrührend von einer zur Ent- 
fernung von Harnröhrensteinen vorgenommenen Urethrotomie. Neuer Einschnitt 
entfernt zwei Steine aus der Pars prostatica. Dammfistel blieb ungeheilt. 

III. 63jähriger Mann mit Fistel am Damm und mehreren Steinen, die ziem- 
lich weit hinter einer Striktur in der sehr ausgeweiteten Pars prostatica lagen. 
Entfernung der teilweise aus Kalziumoxalat bestehenden Steine durch Urethro- 
tomie. Von der Prostata war nichts zu entdecken. Die Dammfistel blieb un- 
geheilt. 

In allen drei Fällen hinderte eine Striktur die natürliche Entleerung der Steine 
nach außen. 

Da in der Harnröhre sich nur Phosphatsteine bilden, so stammen Steine von 
anderer Zusammensetzung aus Blase oder Niere, wie in Fall III, und umgeben 
sich, durch eine Striktur an der Ausstoßung gehindert, in der Harnröhre mit einem 
Phosphatmantel. Durch ihr Wachstum können Harnröhrensteine die Prostata zum 
Schwinden bringen, wie in M.’s drei Fällen. M. glaubt, daß in Fall I und II 
die Erweiterung der Harnröhre hinter der Striktur das Primäre, die Steinbildung 
das Sekundäre war. — Die Sondenuntersuchung führt nicht immer zum Nachweise 
der Steine. Eine völlige Harnverhaltung durch Steine in der Harnröhre ist an- 
scheinend selten. Zur Vorbeugung gegen die Bildung neuer Steine ist es not- 
wendig, Strikturen dauernd zu beseitigen, damit im Fall einer Neubildung von 
Steinen diese in früher Zeit abgehen können. Weber (Dresden). 


33) J. Cohn. Zur Würdigung der Bottini’schen Operation. 
(Berliner klin. Wochenschrift 1906. Nr. 16.) 


Eine sehr sachliche Kritik, die überzeugend den Beweis erbringt, daß die 
Bottini’sche Operation noch immer bei der Behandlung der Prostatahypertrophie 
in Frage kommt und in einer großen Reihe von Fällen jeder anderen radikalen 
Behandlung vorzuziehen ist. Die Erfolge der Operation haben sich nicht nur durch 
Verbesserung des Instrumentariums, sondern namentlich durch die Anwendung der 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 1133 


Cystoskopie gebessert, durch die eine bessere Indikationsstellung, eine genauere 
Schnittführung eine Kontrolle des Erreichten ermöglicht wurde. 

Die Arbeit berichtet über Beobachtungen und Erfahrungen bei einigen 30 Fällen. 
In letzter Zeit wurde ganz ohne Anästhesie operiert, ohne daß die Pat. erheblich 
unter Schmerzen litten. Nach sorgfältiger Spülung der Blase werden vor Ein- 
führung des Instrumentes 100 g lauwarmen Borwassers eingefiillt. Die Finger- 
kontrolle vom Mastdarm aus wird bei Ausübung der Operation empfohlen. Nach 
der Operation ist für einige Tage stets Dauerkatheter einzulegen. — Der Erfolg 
trat nicht immer schon am 4. Tage nach Entfernung des Dauerkatheters ein; 
starker und sehr lästiger Tenesmus wurde beobachtet und war nur schwer zu 
lindern. Er zeigte sich aber gerade in den Fällen, die durch die Operation günstig 
beeinflußt wurden. Die mehr oder minder starke, schon während der Operation 
beobachtete Blutung kam nach Einführung des Dauerkatheters und Spülung mit 
Argentum nitricum 1: 1000 meist zum Stehen. Ein Todesfall infolge von Ver- 
blutung war zu beklagen. Die gefährlichen Blutungen treten erst nach einigen 
Tagen, wenn die Pat. zu urinieren beginnen, auf und sind durch Abstoßung des 
Brandschorfes zu erklären. Auch Fieberanfälle und Schüttelfröste wurden zur 
Zeit der Brandschorfabstoßung beobachtet. Bei einem Pat. konnte eine bedroh- 
liche Lungenembolie erfolgreich bekämpft werden. Ein Pat. mit Cystitis und Pye- 
litis ging nach der Operation zugrunde, seitdem werden Fälle mit Pyelitis von der 
Operation ausgeschlossen. Nicht alle anderen Pat. wurden durch die Operation 
vom Katheter befreit, sie wurden aber alle bisher nur einmal operiert, und kann 
eine Wiederholung des Eingriffes noch Besserung oder Heilung bringen. Eine 
weitere Gruppe ist als geheilt zu betrachten, und wenn auch von einer Dauer- 
heilung vorläufig nicht gesprochen werden kann, da nach der Bottini’schen Ope- 
ration unzweifelhaft Rezidive vorkommen, so betrachtet es Verf. doch mit Recht 
für einen großen Gewinn, wenn ein Pat. d—5 Jahre nach der Operation in nor- 
maler Weise urinieren kann. — Die Bottini’sche Operation wird, auch wenn die 
radikalere Prostatektomie sie mehr und mehr verdrängen sollte, ihr Recht behalten 
für die Fälle, in welchen der Pat. so geschwächt ist, daß ihm eine Narkose 
und ein langes Krankenlager nicht zugemutet werden kann. 

Langemak (Erfurt). 


34) André. Des prétendues recidives après la prostatectomie pour 
hypertrophie simple. 
(Ann. des malad. des org. génito-urin. 1906. Nr. 13.) 


Eine Reihe von Autoren hat behauptet, daß nach der Prostatektomie wegen 
einfacher Hypertrophie ein Rezidiv eintreten könne, d. h. daß die Reste der un- 
vollständig entfernten Drüse wieder hypertrophieren und eine Art neue Prostata 
erzeugen könnten mit allen den unangenehmen Folgeerscheinungen, derentwegen 
die erste Operation vorgenommen wurde. Verf. hat sich zuerst auch dieser An- 
sicht angeschlossen, ist aber jetzt durch die eigene Beobachtung von zwei angeb- 
lichen Rezidiven anderer Meinung geworden. In diesen beiden Fällen waren die 
Rezidive nach der totalen Prostatektomie wegen anscheinend einfacher Prostata- 
hypertrophie sichere Karzinomrezidive. Es hatte sich also auch bereits bei der 
Prostatektomie um beginnendes Karzinom gehandelt, das differentialdiagnostisch 
nur äußerst schwer oder überhaupt nicht von einfacher Hypertrophie zu unter- 
scheiden ist. In den sog. Rezidivfällen der anderen Autoren wird es sich wahr- 
scheinlich um ganz gleiche diagnostische Irrtümer handeln. Bei totaler Prostatek- 
tomie wegen wirklicher einfacher Hypertrophie ist ein Rezidiv ausgeschlossen. 

Paul Wagner (Leipzig). 


35) R. Göbell. Röntgenschattengebende Ureterenkatheter. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXIII. p. 396.) 


G. empfiehlt vom Instrumentenmacher Pohl in Kiel gelieferte Harnleiter- 
katheter, deren Lacküberzug mit Zusatz von Mennige oder Zinnober (Vermillon) 


1134 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 


präpariert ist. Jeder zweite Zentimeter ist schwarz lackiert. Die Instrumente 
geben auch bei fetten Menschen scharfe, die Zentimetereinteilung zeigende 
Röntgenbilder und machen die unangenehme Anwendung gewöhnlicher Katheter 
mit Bleimandrin vermeidbar. Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


36) Bazy. Hydronéphrose intermittente partielle. 
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXII. p. 248.) 

B. berichtet über einen Fall von Hydronephrose, den er bezüglich seiner Ent- 
stehung auf eine angeborene Mißbildung zurückführen zu müssen glaubt; bei der 
Spaltung der linksseitigen, mannskopfgroßen Geschwulst, die ihrer Trägerin schon 
seit etwa 8 Jahren mehrfach heftige Schmerzanfälle verursacht hatte, fand er den 
oberen Teil der Niere völlig gesund, dagegen war mehr als die untere Hälfte der 
Geschwulst zu einer großen, dünnwandigen, mit zahlreichen Buchten versehenen 
Tasche umgebildet, die mit dem Becken des oberen Teiles in keiner Verbindung 
stand. Da nun am gesunden Pol ein normal dicker und durchgängiger Harnleiter 
gefunden wurde, von dem kranken Bezirk aber auch ein derber, bindegewebiger, 
obliterierter Strang abging, glaubt B. eine Verschmelzung einer doppelt angelegten 
Niere annehmen zu müssen; der Fall kam zur Heilung nach Exstirpation der an- 
fangs nur gespaltenen und drainierten Geschwulst. 

Am Schlu8 warnt B. davor, bei der funktionellen Priifung der Nieren der 
chemischen Untersuchung des Urins allzugroßen Wert beizulegen, da er häufig bei 
den gleichen Pat. und unter dem gleichen Regime erhebliche Schwankungen in 
der Menge des Urins und der in ihm ausgeschiedenen Substanzen feststellen konnte, 
auch wenn die Nieren selbst gar nicht erkrankt waren. Zuverlässigere Resultate 
erhielt er durch die Kryoskopie und die Methylenblauprobe. 

Thümer (Chemnitz). 


37) Casper. Über ungewöhnliche Nieren- und Nierenbeckenblutungen. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXX. Hit. 2.) 

C. veröffentlicht eine Reihe interessanter Krankengeschichten, welchen gemein- 
sam ist, daß die Pat. an Nierenblutungen aus ungewöhnlicher Ursache litten. Bei 
den ersten vier Fällen handelte es sich um chronische Nephritiden. Die Diagnose 
konnte zweimal erst nach operativem Eingriff an herausgeschnittenen Nierenstück- 
chen erhärtet werden. Bei den beiden anderen Pat. ließ sich trotz des ungewöhn- 
lichen Verlaufes die Diagnose stellen und ein Eingriff vermeiden, den Verf. als 
äußerst schädlich bei solchen Fällen von Nephritis fürchtet. Jedenfalls beweisen 
die vorliegenden Beobachtungen aufs Neue, daß chronisch verlaufende, besonders 
parenchymatöse Nephritiden lange anhaltende und heftige Blutungen zu erregen 
vermögen, und daß im Gegensatz zur gewöhnlichen Erfahrung auch vorwiegend 
parenchymatöse Prozesse lange Zeit bestehen können, ohne daß Zylinder und Al- 
bumen im Harn auftreten. Die Blutung bei den genannten Fällen war einmal 
doppelseitig, dreimal einseitig. 

Verf. glaubt, daß man in den meisten dieser Fälle nach unseren heutigen Er- 
fahrungen die Diagnose zu stellen vermag. Bemerkenswert ist, daß diese Nephritis- 
formen ohne jede Beschwerde einhergehen, daß die Kranken sich absolut gesund 
fühlen. Allerdings wird manchmal die Differentialdiagnose gegenüber kleinen, 
nicht fühlbaren Nierengeschwülsten und Nierenbeckenpapillomen unmöglich sein, 
da auch diese keine Krankheitserscheinungen hervorzurufen brauchen. Der Harn- 
leiterkatheterismus und die funktionelle Nierenprüfung führen in diesen Fällen 
auch nicht zur Erkenntnis. In zweifelhaften Fällen wird man angesichts der 
schlechten Prognose bei bösartigen Geschwülsten, Hypernephromen usw. den Probe- 
schnitt nicht vermeiden können. 

Bei zwei weiteren Pat. bestanden Massenblutungen; die makroskopische und 
mikroskopische Untersuchung ergaben aber nur minimale Veränderungen. Da Verf. 
auf dem Standpunkte steht, daß den Namen Nephritis nur doppelseitige, diffuse, 
auf hämatogenem oder Iymphogenem Weg entstandene Entzündungen verdienen, 
so kann er auch die in der Literatur publizierten Fälle mit umschriebenen, mini- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 1135 


malen Veränderungen an dem Organe nicht als Nephritisfälle anerkennen. Viel- 
fach sind wohl jene Veränderungen auf die bei dem chirurgischen Eingriff unver- 
meidliche MißhandInng des Organes zurückzuführen gewesen. Außerdem ist zu 
bemerken, daß sich solche minimale Veränderungen fast in allen Nieren nicht ganz 
Junger Individuen finden. Mit Sicherheit sind also Blutungen nicht auf diese 
kleinen Befunde zurückzuführen. Bei seinen beiden eigenen Fällen kann C. mit 
Bestimmtheit nachweisen, daß jene Herde nicht die Blutausscheidung hervorgerufen 
haben, da der Sitz derselben nicht in der Nähe jener veränderten Partien lag. 
Eine Erklärung für die Blutungen kann Verf. allerdings auch nicht geben und 
schließt sich deshalb der Ansicht von Klemperer und Senator an, daß es 
essentielle Blutungen der Niere gibt, für die sich eine materielle Grundlage nicht 
findet. Zum Schluß bringt C. noch einen lehrreichen Krankenbericht, der beweist, 
daß eine Nephritis, ehe sie irgendwelche Urinveränderungen setzt, schwere Blu- 
tungen hervorrufen kann, und daß eine solche Nierenblutung sich in 7 Jahren 
nicht zu wiederholen braucht, so daß der Schluß falsch sei, eine Niere nach einer 
Operation als gesund zu betrachten, wenn auch keine Wiederholung der Blutaus- 
scheidung vorläufig auftrete. | E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


38) Minkowski. Uber perirenale Hydronephrose. 
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XVI. Hft. 2.) 


Bei einem 21jährigen Manne fand sich eine große Geschwulst der rechten 
Nierengegend, die zunächst für eine Hydronephrose gehalten wurde. Mehrfache 
Punktionen entleerten große Mengen von Flüssigkeit, die rasch wieder ersetzt 
wurde. Die wasserklare Flüssigkeit enthielt reichlich Harnstoff und etwas Eiweiß, 
reagierte alkalisch, während der Harn sauer war. Methylenblau ging nur in 
Spuren in den Cysteninhalt über, nach Benzoösäureeinfuhr trat keine Hippursäure 
auf, nach Phloridzininjektionen war nur ein geringer Zuckergehalt nachweisbar. 
Beim Harnleiterkatheterismus erwies sich der rechtsseitige Harnleiter durchgängig; 
der durch ihn abgesonderte Urin untersckied sich in nichts von dem linksseitigen. 
Bei der Operation fand sich, daß die Flüssigkeit zwischen Niere und Kapsel saß; 
die Niere sprang in den Cystenraum so vor, wie ein Hode in einen Hydrokelen- 
sack; ein Zusammenhang mit dem Nierenbecken bestand nicht. Nach Tamponade 
erfolgte Heilung. Es handelte sich also um eine Ansammlung lymphartiger Flüs- 
sigkeit zwischen Niere und Kapsel. Es sind nur wenige ähnliche Fälle bekannt, 
ganz gleich ist nur ein von Malherbe veröffentlichter. Statt der dafür ge- 
brauchten Bezeichnung einer »äußeren oder subkapsulären Hydronephrose« wird 
der Name »perirenale Hydronephrose« vorgeschlagen. Haeckel (Stettin). 


39) P. Cuturi. Sur un cas de néphrite chronique unilatérale con- 
sécutive & une grosse cellule vesicale. 
(Ann. des malad. des org. genito-urin. 1906. Nr. 17.) 


Der nach vielen Richtungen hin bemerkenswerte Fall betraf einen 54jährigen 
Kranken, bei dem sich wahrscheinlich im Alter von 28 Jahren im Anschluß an 
eine Verletzung ein Blasendivertikel gebildet hatte. Weitere begünstigende Um- 
stände bildeten hierbei eine Malaria und ein schweres typhöses Fieber. Dieses in 
der linken Blasenhälfte gelegene Divertikel war der Sitz schwerer infektiöser 
Eiterung, die schließlich auch zu einer Infektion der linken Niere führte. Die 
Freilegung des Organes ergab eine allseitige Vergrößerung desselben; am oberen 
Pole bestand eine ausgesprochene Perinephritis sowie eine sklerosierende Binde- 
gewebsentartung. Im übrigen war die Niere kongestioniert, nirgends eine Eiterung. 
Der Harnleiter war durchgängig. Catgutnaht des Nierenparenchyms; Drainage 
der Lendenwunde; bedeutende Besserung des lokalen und allgemeinen Zustandes. 

Ein ganz ähnlicher Fall, der auch pathologisch-anatomisch genau untersucht 
werden konnte, ist von Durrieux mitgeteilt worden. 

In der oben mitgeteilten Beobachtung hatte also die Infektion des Nieren- 
parenchyms nicht zu einer Eiterung, sondern nur zu einer im oberen Pole der 
linken Niere lokalisierten interstitiellen Nephritis geführt, die durch die Nephro- 


1136 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 


tomie günstig beeinflußt wurde. Auf diese Verhältnisse hat Albarran zuerst auf- 
merksam gemacht. Bemerkungen über einseitige Nephritis beschließen die Arbeit. 
Paul Wagner (Leipzig). 


40) E. Monod et E. Loumeau. Gros reins polykystiques. 
(Ann. des malad. des org. génito-urin. 1906. Nr. 17.) 

Genaue klinische und pathologisch-anatomische Krankengeschichte einer 32jäh- 
rigen Frau mit doppelseitiger cystéser Nierendegeneration. Eine hereditäre Be- 
lastung war nach keiner Richtung hin nachzuweisen; die Krankheitserscheinungen 
gingen auf mehrere Jahre zurück. Seit einem Jahr außerordentlich starke 
Schwäche, Magenstörungen usw.; Anfall von schwerstem Nasenbluten. Der Bauch 
wurde von zwei großen, rechts und links aus der Lendengegend entspringenden, 
harten, höckrigen Geschwülsten eingenommen. Niemals blutiger Urin; seit 1 Jahre 
Polyurie (2500-3000 g pro die). Urin trüb, eiweißhaltig, ohne sonstige charakte- 
ristische Bestandteile. In der Folge kam es zu zeitweiser Anurie mit urämischen 
Zuständen, zu Hämaturien mit heftigen kolikartigen Schmerzen, zu Azetonurie. 
Tod im urämischen Koma. 

Die bald nach dem Tode vorgenommene Autopsie ergab beiderseitige cystöse 
Nierendegeneration höchsten Grades; Leber und Milz ohne Cysten; dagegen waren 
beide Eierstöcke mit Cysten besetzt. Der genaue histologische Nierenbefund muß 
in dem mit Abbildungen versehenen Original nachgelesen werden. 

Die Verff. besprechen besonders die Beziehungen zwischen Sklerose und Cysten- 
bildung; sie sind überzeugt, daß die Krankheit kongenitalen Ursprunges ist und 
auf einer bisher noch nicht nachweisbaren »Malformation« beruht. Chirurgisch darf 
in solchen Fällen natürlich niemals eingegriffen werden. 

Paul Wagner (Leipzig). 


41) E. Jaegy. Kystombildung im Bereich eines Renculus. 
(Virchow’s Archiv Bd. OLXXXV. p. 268.) 

Im Gegensatz zu der meist beobachteten diffusen Kystombildung der Niere 
betraf in dem vom Verf. beschriebenen Falle die pathologische Veränderung nur 
einen einzigen Renculus, erreichte allerdings so bedeutende Größe, daß die Exstirpa- 
tion der Niere nötig wurde. Nierengewebe fand sich zwischen den einzelnen Cysten 
in keiner Gestalt. Die Niere wies starke embryonale Lappung auf. 

Doering (Göttingen). 


42) Gallina. Contributo allo studio dei tumori ghiandolari del rene. 
(Policlinico 1906. Ser. chir. Nr. 7.) 

G. beschreibt drei Nierengeschwülste, von denen er nach Albarran annimmt, 
daß sie vom Harnkanälchenepithel ausgehen, weil sie 1) keine scharfe Grenze gegen 
das gesunde Nierenparenchym aufweisen; 2) Übergänge von den normalen Nieren- 
epithelien zu den alveolär gelagerten mit großem Kern und blassem hellem Proto- 
plasma versehenen Geschwulstelementen zeigen. 

E. Pagenstecher (Wiesbaden). 


43) Jacobsohn. Stichverletzung des graviden Uterus. 
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 33.) 

J. berichtet über einen von Tietze mit Erfolg operierten Fall von Stich- 
verletzung des im 7. Monate schwangeren Uterus. In der Bauchhöhle war eine 
Menge Blut. Die Uteruswunde, in der die Eihäute lagen, wurde in zwei Reihen 
genäht, was bei der durch die teilweise Entleerung seines Inhaltes relativen Schlaff- 
heit des Uterus leicht gelang. Geburt eines lebenden Kindes, das !/, Stunde nach 
der Geburt starb. (In den Daten scheinen sich Irrtümer eingeschlichen zu haben.) 

Borchard (Posen). 


Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man 
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- 
handlung Breikopf & Härtel, einsenden. 





Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig, Nürnbergerstraße 36/38. 


Zentralblatt 
CHIRURGIE 


herausgegeben 
E. vu Bow, Fini, Rite 





Dreiunddreißigster Jahrgang. 


Wöchentlich eins Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei halbjähriger 
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten. 


Nr. 43. Sonnabend, den 27. Oktober. 1906. 








Inhalt: L. Kredel, Über Blutleere der Galea bei Schädeloperationen. (Original-Mittei- 

lung. 
A Homén, Bakteriengifte. — 2) Brunner, Ausscheidung von Mikrobien durch die Schweiß- 
driisen. — 3) Marshall und Macleod Neave, Antibakterielle Wirkung von Silberpräparaten. 
— 4) Goebel, Lugol’sche Lösung. — 5) Verhandlungen der deutschen Röntgengesellschaft. 
— 6) Blaschko, Radiumbehandlung. — 7) Apelt, Extra- und intradurales Himatom. — 
8) Frinkel, Infantile zerebrale Hemiplegie. — 9) Horsley, Operationen am Gehim. — 
10) Bromser, Mastoidoperation. — 11) Spitzy, 12) Bernhard, Anastomosenbildung zwischen 
peripheren Nerven. — 13) Ludloff, Auskultation der Wirbelsiule und des Beckens. — 
14) Finder, Kehlkopftuberkulose. — 15) de Quervaln, Thyreoiditis. — 16) Weir, Brustampu- 
tation. 

17) Morestin, Kopf- und Halsekchymosierang. — 18) Anton, Angeborener Choanenver- 
schluß. — 19) Mieck, Osteome der Kieferhéhle. — 20) Minelli, Lymphomatose der Speichel- 
und Trinendrisen. — 21) Macomber, Angeborene MundmiBbildung. — 22) Donati, Makro- 
chilie. — 23) Mayrhofer, Wangenfistel. — 24) Nélaton, Wirbelbruch. — 25) Lüders, Syringo- 
myelie. — 26) Oppenheim, Neubildungen im Umkreise des Riickenmarkes. — 27) Telford, 
Herztod vom Vagus aus. — 28) Schultze, Basedow’sche Krankheit. — 29) Wiget, Geschwülste 
mit Kautschukkolloid. — 80) Paterson, Ösophagoskopie und Bronchoskopie. — 31) Ribbert, 
ae nen dere el — 32) Naumann, 33) Burmelster, Oesophagotomia extern. — 

Castañeda, Aktinomykose des Halses. — 35) Groeber, Verlagerung der Luftröhre. — 
36) Picqué, Fremdkörper in der Luftröhre. — 37) Confortl, Stenosierung des Hauptbronchus. 
— 38) Maffre, Brustschuß. — 39) Burdach u. Mann, Brusthöhlengeschwülste. — 40) Jaquet, 
Mediastinalgeschwulst. — 41) Quénu, 42) de Fourmestraux und Liné, 43) Tschernlachowski, 
Herznaht. — 44) Mislowltzer, Mastitis. — 45) Barker, Aortenembolie. — 46) Klar, Ange- 
borene Osteodysplasie. — 47) Mce Kay, Ergotingangrăn. 





Uber Blutleere der Galea bei Schädeloperationen. 
Von 
L. Kredel in Hannover. 


Die Blutung bei Durchschneidung größerer Strecken der Kopf- 
schwarte ist immer eine ansehnliche, sie kann zuweilen, wie ich das 
bei Gehirnoperationen auch erlebt habe, eine über alles Erwarten große 
sein. Zwar ist das alles mit Fingerkompression, Unterbindungen und 
Umstechungen zu beherrschen, und deshalb hat die Blutstillungsfrage 
für Operationen an der äußeren Schädeldecke keine besondere Be- 


43 


1138 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 


deutung. Wenn dagegen bei Gehirnoperationen schon der einleitende 
Akt solche Verluste an Blut und Zeit mit sich bringt, so addiert sich 
das in fataler Weise zu den übrigen Gefahren, und darum bildet 
dieser Umstand eins der Motive, welche der zweizeitigen Methode 
bei Gehirnoperationen allmählich mehr Verbreitung verschafft haben. 
Sicher wird es sehr zur Förderung dieser wichtigen Eingriffe beitragen, 
wenn es gelingt, die Übelstände und die Zeitdauer des Voraktes 
immer mehr zu verringern. 

Ich habe mich neuerdings eines Verfahrens zur präventiven 
Blutleere der Galea bedient, welches auf einfache und rasche Weise 
so Gutes leistet, daß es Empfehlung verdient. Bevor man einschneidet, 
wird etwa 1!/, cm von der Schnittlinie entfernt eine große flach ge- 
bogene oder gerade Nadel durch die Kopfschwarte gestochen und am 
Knochen entlang, parallel dem zu führenden Schnitt auf eine beliebig 
lange Strecke, sagen wir 5—7 cm, durchgeführt, ehe sie ausgestochen 
wird. Bequemer noch und rascher geht es, wenn man bei langen Strecken 
in der Mitte einmal aussticht und dicht daneben, am besten rückläufig, 
von neuem einsticht. Der starke Seidenfaden, welcher auf diese 
Weise durchgeführt ist, wird nun über einer gebogenen Metallplatte 
(8. u.) so fest wie möglich angezogen und geknotet. Dasselbe geschieht 
auf der anderen Seite und so weiter hüben und drüben entlang der 
ganzen Strecke, welche der Schnitt durchmessen soll. Diesen kann 
man dann in einem Zuge bis auf den Knochen in ganzer Länge aus- 
führen; der Weg des Messers liegt zwischen zwei Mauern, die einen 
Abstand von ca. 1!/, cm haben. 

Erprobt habe ich dieses Verfahren gleich an derjenigen Stelle 
des Schädels, wo es am meisten zu leisten hat, nämlich bei Freilegung 
einer Kleinhirnhemisphäre und Exstirpation eines hühnereigroßen Tu- 
mors am linken Kleinhirn-Brückenwinkel. Hier hat aus dem ganzen 
Weichteilschnitte, der zugleich dicke Partien der Nackenmuskeln durch- 
setzte, nur die Art. occipitalis in dünnem Strahl gespritzt. Von den 
Schnittflächen rieselte kurze Zeit eine unbeträchtliche parenchymatöse 
Blutung, welche keiner Versorgung bedurfte, und die wenigen (4—5) 
Schieber, die zur Verwendung kamen, waren an den Schnittwinkeln 
nötig, wo seitlich aus den Muskeln einige Gefäße bluteten, welche 
der Schnürfaden nicht erreicht hatte. Der Zweck der präventiven 
Umstechungsnaht war also vollkommen erreicht. 

Die gebogenen Metallplatten, welche ich für die Galea verwandt 
habe, sind 1 cm breit, !/, cm dick, ihre Länge läßt sich beliebig vari- 
ieren; ich benutzte solche von 5 und 7” cm Länge. Damit sich die 
Platte dem Schädeldach einigermaßen anpaßt, muß sie eine gewisse 
Wölbung haben, welche sich auf der Abbildung nicht gut wiedergeben 
läßt. Ferner kann man sie je nach der Form des Hautschnittes ge- 
rade oder gekrümmt nehmen, doch empfehlen sich im allgemeinen 
starke Krümmungen nicht, weil bei ihnen der stark angezogene Seiden- 
faden die Sekante des Bogens bildet und die Platte infolgedessen 
nach der konkaven Seite kantet und auszugleiten droht. Man kann 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. . 1139 


dies jedoch sehr einfach dadurch verhindern, daß man in der Mitte 
der Platte eine Naht durch die Galea legt, welche die Platte nebst 
dem Schnürfaden umfaßt und an die Kopfhaut fixiert — freilich 
wieder ein kleiner Zeitverlust! Ich habe auf diese Weise 7 cm lange 
Platten mit der in Abbildung 2 wiedergegebenen Krümmung, welche 
völlig glatt gearbeitet sind, sehr gut verwenden können und habe 
bei diesen nur die Vorsorge getroffen, daß die Einkerbungen an bei- 
den Enden, welche den Faden aufnehmen sollen, ihre Spitze nicht in 
der Mitte des Plattendurchmessers, sondern mehr nach der konkaven 
Seite zu haben, damit der Faden weniger leicht abrutscht. Für 
die geraderen Formen wird eine Rinne zur Aufnahme des Fadens 





Fig. 1. (Natürl. Größe. 





Fig. 2. 


zweckmäßig sein (Abbildung 1}. Man wird gut tun, die Entfernung 
von Ein- und Ausstich um einige Millimeter kürzer zu wählen, als 
die Länge der Platte beträgt, damit die Haut in straffer Spannung 
umschnürt wird. 

Ich erblicke den wesentlichen Vorteil dieser Umstechungsmethode 
darin, daß sie die Haut nicht refft, sondern in ihrer natürlichen Lage 
fixiert, was bei osteoplastischem Verfahren für den Haut-Knochenlappen 
von Bedeutung ist; auch dürfte sie weniger Zeit kosten, als die vor- 
treffliche Art der Umstechung, welche Heidenhain? empfahl. 

Gelegentlich wird auch bei Weichteiloperationen die Anwendung 
dieser kleinen Apparate von Nutzen sein. Ich habe mir z.B. für 
die Exstirpation kavernöser Angiome bei Kindern kleine Platten von 
2—3 cm Länge anfertigen lassen und konnte damit diese kleine Ope- 
ration ohne jeden Blutverlust ausführen. 


1 Instrumentenmacher Nicolai, Leinstraße 33, Hannover, hat die Platten 
nach meiner Angabe angefertigt. 
2 Dieses Zentralblatt 1904. p. 249. 


1140 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 


1) Homön. Über den Einfluß der Bakteriengifte, ins- 
besondere der sog. echten Toxine, auf die verschiedenen 


Gewebe der menschlichen Organe. 
(Moderne ärztl. Bibliothek Hft. 26 u. 27.) 


Das 62 Seiten starke Heft enthält den dankenswerten Versuch, 
in knapper Darstellung die sich immer mehr ausbauende und be- 
deutungsvoller werdende Lehre von den Bakteriengiften auch dem 
Nichtvorgeschulten näher zu bringen. In kurzer Einleitung erörtert 
Verf. die verschiedenen Arten der Bakteriengifte und ihre Beziehungen 
zur tierischen Zelle im Lichte der Ehrlich’schen Theorie von den 
Seitenketten. Wir erfahren das Wesentliche über die sog. echten 
Toxine, über die minder giftigen Toxoide und Toxone und ihre Deri- 
vate, über die durch Untergang oder Auslaugung des Bakterienleibes 
frei werdenden Protoplasmagifte, die Endotoxine, über die durch 
Bakteriengifte entstehenden und als »chemisch differente Substanzen « 
zu betrachtenden Entartungs- und Zerfallsprodukte der Gewebs- 
zellen u. a. Unter möglichster Trennung der Lokal- und Fernwirkung 
bespricht Verf. in einem allgemeinen Teile die Veränderungen der 
einfachen Gewebe (Endothelzellen, Bindegewebe, Neuroglia) unter be- 
sonderer Berücksichtigung der Wirkung der echten Toxine; für Knorpel- 
und Knochengewebe glaubt Verf. besondere auf Toxinwirkung be- 
ruhende Veränderungen ausschließen zu können. 

In dem umfangreicheren speziellen Teile werden die durch Lokal- 
und Fernwirkung der Bakteriengifte — beide häufig genug nicht 
trennbar — hervorgerufenen Schädigungen der zusammengesetzten Ge- 
webe, d. h. der Organe, behandelt. Hier finden als Beispiele von Fern- 
wirkungen spezifischer Toxine die heute wohl am meisten erforschten 
Einflüsse des Botulinus-, des Tetanus- und des Diphtheriegiftes auf 
das zentrale und periphere Nervensystem eine eingehende Besprechung. 
Interessant ist die Hypothese der Entstehung der Amyloidentartung. 

Das Werkchen wird manchem willkommen sein. 

Goebel (Köln). 





2) C. Brunner. Zur Ausscheidung von Mikrobien durch 


die Schweißdrüsen. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXX. Hft. 2.) 

Verf. gibt eine Übersicht über die Literatur, die die Ausschei- 
dung der Mikroben aus dem Körper im allgemeinen und durch die 
Schweißdrüsen ins besondere behandelt. In ausführlicher Kritik ist 
ihm besonders daran gelegen, seine frühere Arbeit über die Ausschei- 
dung der Bakterien durch die Schweißdrüsen und deren positives Re- 
sultat gegenüber seinen Kritikern zu rechtfertigen und ihr Anerken- 
nung zu verschaffen. Er sucht deshalb im einzelnen die Widersprüche 
seiner Gegner zu analysieren und zu widerlegen und bleibt auf Grund 
seiner ausführlichen Besprechungen und bei Anschluß an die Ergeb- 
nisse seiner Arbeit, wie besonders eines Falles von Finger in Wien, 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1141 


bei seiner ehedem ausgesprochenen Meinung, daß die Mikrobien doch 
durch die Schweißdrüsen aus dem Blute ausgeschieden werden. 
E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


3) Marshall and Macleod Neave. The bactericidal action 


of compounds of silver. 
(Brit. med. journ. 1906. August 18.) 

Die Untersuchungen der Silberpräparate fanden statt im Auftrage 
der British Medical Association (Ausschuß für Therapie) und erstreckten 
sich auf ihre bakterientötende Wirkung bei gemischten Kulturen und 
Reinkulturen von Staphylokokkus pyogenes aureus. Jeder Versuch war 
begleitet von einem Kontrollversuch, der ausnahmlos nach 20 Stunden 
Bakterienwachstum zeigte. — Als Gesamtergebnis stellte sich heraus, 
daB die Silberzusammensetzungen nach ihrer bakterientötenden Wir- 
kung in drei Gruppen zerfallen: 1) in solche, die stark wirkend sind: 
zu ihnen gehören die meisten der untersuchten Präparate: Silbernitrat, 
Fluorsilber, Aktol, Itrol, Argentamin, Argentol, Albargin, Argonin, 
Ichthargan, Largin, Novargan, Protargol; 2) ein bedeutend schwächer 
wirkendes Präparat: Nargol; 3) zwei praktisch gar keine bakterien- 
tötende Wirkung besitzende Mittel: Argyrol und Collargol. Da ersteres 
20%, letzteres 86,6% Silber enthält, so geht daraus hervor, daß der 
Gehalt an Silber kein Maßstab ist für bakterientötende Wirkung. Die 
guten Erfolge, die an manchen Orten mit diesen beiden Mitteln 
klinisch gewonnen wurden, können also schwerlich ihrer bakterien- 
tötenden Wirkung zugeschrieben werden. Die Einzelheiten der Ver- 
suche müssen in der Urschrift eingesehen werden. Weber (Dresden). 





4) W. Goebel. Über die desinfizierenden Eigenschaften Lu- 


gol’scher Jodlésungen. 
(Zentralblatt fiir Bakteriologie usw. Bd. XLII. Hft. 1. Abt. I.) 

Verf. hat die keimtötenden Wirkungen des Jodes in Form der 
Lugol’schen Jodauflösung auf einige der hauptsächlichsten in Wasser, 
Nährbouillon und Ascitesflüssigkeit aufgeschwemmte pathogene Bak- 
terienarten untersucht. Wie alle chemischen Desinfektionsmittel, wirkt 
das Jod am kräftigsten in wäßriger Lösung. Verf. kommt zu dem 
Schluß, daß wir in der 0,02%igen Lugol’schen Jodlösung (0,5 Jod 
-+ 1,0 Jodkal. + 2500,0 steril. dest. Wasser) ein sehr kräftig und 
schnell wirkendes Desinfektionsmittel von stark desodorisierenden Eigen- 
schaften haben; er hält diese etwa sherryfarbene Lösung, der üble 
Eigenschaften fast völlig fehlen, zur Desinfektion physiologischer und 
pathologischer Hohlräume, zur Reinigung des Operationsfeldes und 


zur Händedesinfektion als Sublimatersatz eines Versuches für wert. 
(Selbstbericht.) 





1142 Zentralblatt ffir Chirurgie. Nr. 43. 


5) Verhandlungen der deutschen Röntgengesellschaft. Bd. II. 
116 S. 
Hamburg, Gräfe & Sillem, 1906. 

Bd. II enthält in ähnlicher Einteilung wie Bd. I die Verhand- 
lungen und Berichte des II. Kongresses der deutschen Röntgengesell- 
schaft. Über die einzelnen Vorträge ist schon in Nr. 18 ds. Blattes 
referiert worden. 

Auch der neue Band wird jedem Arzte, dem es nicht vergönnt 
war, an den Kongressen teilzunehmen, willkommen sein; zumal es sich 
die Verlagsbuchhandlung angelegen sein ließ, durch zahlreiche Illu- 
strationen den Wert des Werkes zu erhöhen. Gaugele (Zwickau). 





6) Blaschko. Erfahrungen mit Radiumbehandlung. 
(Berliner klin. Wochenschrift 1906. Nr. 8.) 

Das Radium hat sich als ein außerordentlich wirksames Mittel 
zur Beseitigung umschriebener, oberflächlich gelegener bös- und gut- 
artiger Geschwülste erwiesen, ferner als ein Mittel, das bei einer ganzen 
Reihe sonst hartnäckiger chronisch-entzündlicher Hautaffektionen in 
relativ kurzer Zeit eine vollkommene Rückbildung und Abheilung zur 
Folge hat. Außer Kankroiden und Warzen wurden Naevi und An- 
giome geheilt, selbst große behaarte und pigmentierte Naevi zum Ver- 
schwinden gebracht. Beim Lupus vulgaris eignet sich die Radium- 
behandlung besonders für kleinere umschriebene Herde und zur Nach- 
behandlung in allen den Fällen, die anderen Verfahren unterworfen 
wurden. Bei der Psoriasis wurden überraschende Erfolge erzielt. Die 
eigentliche Domäne sind die oft aller Therapie gegenüber so hart- 
näckigen alten lokalisierten Infiltrate, ferner die Psoriasis der Finger, 
der Hände und des Gesichtes. Ekzeme wurden im allgemeinen günstig 
beeinflußt, doch sind die Versuche noch nicht abgeschlossen. Bei 
Lupus erythematodes scheint das Radium sehr günstig einzuwirken. 
Lichen ruber planus wurde nicht oder nur sehr wenig, dagegen Lichen 
ruber verrucosus sehr gut beeinflußt. Die Hälfte der Fälle von Sy- 
cosis vulgaris heilte, die andere Hälfte nicht, doch wurde in diesen 
Fällen die Behandlung wohl nur nicht lange genug angewendet. Alo- 
pecia areata besserte sich nicht unter Radiumbehandlung. Bei hart- 
näckiger Nasenröte wurden vorzügliche Erfolge erzielt. Keloide wurden 
nicht zum Verschwinden gebracht, aber gebessert. 

Als Vorzüge der Radiumbehandlung gegenüber den Röntgen- 
strahlen werden genannt: Völlige Ungefährlichkeit, Transportfähigkeit, 
Verwendbarkeit an fast allen Körperstellen, Schmerzlosigkeit, Sauber- 
keit der Anwendung; dagegen wirkt sie nicht auf so große Strecken, 
auch nicht so in die Tiefe wie die durch Röntgenstrahlen. 

Langemak (Erfurt). 





Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 1143 


7) Apelt. Zum Kapitel der Diagnose des extra- und intra- 
duralen traumatischen und pachymeningitischen Hämatoms. 
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. X VI. Hft. 2.) 

Auf Grund der Studien von Naunyn und Schreiber, v. Berg- 
mann, Schulten, Hill, Kocher u.a. scheint dieLehre vom Symptomen- 
komplex, der bei Blutungen aus den Gefäßen der Dura im geschlossenen 
Schädel aufzutreten pflegt, ziemlich abgeschlossen zu sein. Allein 
Gesetze, die meist an der Hand klassischer Fälle mit Unterstützung 
des Experimentes geschaffen wurden, werden durch die sich allmählich 
mehrende Zahl sog. Ausnahmefälle wieder erschüttert; denn die Natur 
schematisiert nicht. So zeigt A. an zehn Fällen aus dem Material 
von Nonne’s Abteilung am Eppendorfer Krankenhause, wie unsicher 
die Diagnose auf Hämatome der Dura doch noch ist. Denn einmal 
kann das Hämatom Zentren komprimieren, die für uns feststellbare 
Reiz- oder Lähmungserscheinungen noch nicht aufweisen; ferner sind 
die wenigsten Fälle reine Fälle von Hirndruck; in den meisten besteht 
gleichzeitig ein Schädelbruch mit Zertrümmerung von Hirnsubstanz, 
bald auf der Seite des Traumas, bald auf der entgegengesetzten Seite. 
Meist ist außerdem eine Hirnerschütterung mit vorhanden. Oft kommen 
die Kranken erst im Stadium der Lähmung zur Behandlung, in dem 
die Diagnose schon sehr an Sicherheit abnimmt. Wichtige Symptome, 
wie die Stauungspapille, können wieder schwinden, oft besteht nicht 
gekreuzte, sondern kollaterale Hemiplegie; auch die Lumbalpunktion 
trägt zur Sicherung der Diagnose nur wenig bei. 

A. zeigt nun zunächst an einigen Fällen, wie ein vorhandenes 
Hämatom der Diagnose entgehen kann. Sodann werden Beobachtungen 
mitgeteilt, bei denen umgekehrt nach Traumen alle Zeichen eines 
Hämatoms sich entwickelten, während die Sektion nichts davon nach- 
wies; besonders kommt hier die Encephalomalakie als irreführend in 
Betracht. Haeckel (Stettin). 





8) J. Fränkel. Die infantile zerebrale Hemiplegie. 
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XV. Hft. 2—4.) 

Auf Hoffa’s Anregung berichtet Verf. zunächst über 60 Beob- 
achtungen von Krankheitsfällen in der Universitätspoliklinik für ortho- 
pädischeChirurgie in Berlin. Auf Grund einer hauptsächlich ätiologisch- 
klinischen Betrachtungsweise ist er zu dem Schlusse gelangt, daß die 
infantile zerebrale oder spastische Hemiplegie oder die zerebrale Kinder- 
lähmung immer einen Symptomenkomplex darstellt, dem eine vaskuläre 
Entstehung zugrunde liegt, und der den zerebralen Displegien oder der 
Little’schen Krankheit an die Seite zu stellen ist. In der Mehrzahl 
der Fälle liegen mehrere ätiologische Momente vor, sowohl aus der 
Zeit vor als auch aus der Zeit während und nach der Geburt. Er- 
wähnt werden: hereditäre Lues, Zirkulationsstörungen im Fötus, akut 
entzündliche Gefäßerkrankung (Encephalitis, Meningitis), Hämorrhagie, 
Embolie und Thrombose. Akute Infektionskrankheiten können durch 
Toxinwirkung Auslösung oder Verschlimmerung bewirken. 


1144 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 


Nach Besprechung der pathologischen Anatomie, der Symptomato- 
logie, Diagnose und Prognose schildert Verf. noch die an der Hoffa- 
schen Klinik übliche Therapie, z. B. Hoffa’s Pronatorplastik, welche 
darin besteht, daß der Pronator teres vom Condylus internus ab- 
getrennt und am Condylus externus festgemacht wird, der Pronator 
also ein Supinator wird. Um die Supination herzustellen, hat Verf. 
in zwei Fällen auch den M. flexor carpi ulnaris verwendet. Die Sehne 
des Muskels wird nach Loslösung vom Os pisiforme über die Streck- 
seite des Vorderarmes hinübergeführt und an der Facies volaris radii 
vernäht. Der M. extensor pollicis longus wird verkürzt. Verf. betont 
die krampflösende Wirkung der Sehnenplastik und die günstige Be- 
einflussung der choreatischen Erscheinungen. 

J. Biedinger (Würzburg). 


9) Sir V. Horsley. On the technique of operations on the 


central nervous system. 
(Brit. med. journ. 1906. August 25.) 

Die Arbeit gründet sich auf H.’s Erfahrungen am National hos- 
pital for paralysed seit 1886 und ausgewählte Fälle aus seiner übrigen 
Praxis. Seit dieser Zeit hat die operative Technik weniger Fortschritte 
gemacht als die Erkennung des Sitzes und der Art einer Erkrankung 
des Zentralnervensystems. Trotzdem ist das Ideal einer Diagnostik 
noch in weiter Ferne. Um ihm näher zu kommen, hilft uns die 
Autopsie am Lebenden schneller vorwärts als die an Leichen, weil 
letztere so gut wie immer inoperable Fälle schildert. Der fehler- 
reichen Diagnostik ist der noch immer weitverbreitete Irrtum zu dan- 
ken, der in der operativen Behandlung nur die letzte, äußerste Zu- 
flucht erblickt. 

Die wichtigste vorbeugende und lindernde Maßnahme, Anlegung 
einer genügend großen Öffnung in Schädel und Dura bei sonst in- 
operablen Fällen, beseitigt fast immer den vermehrten Hirndruck und 
damit Kopfschmerzen und Erbrechen. Da die im Schädelinneren 
herrschende, vermehrte Spannung die vornehmste, wenn auch vielleicht 
nicht die einzige Ursache für die Neuritis optica ist, so können wir 
durch frühzeitige Öffnung des Schädels — d. h. sobald die Neuritis 
optica erkannt worden ist — die Erblindung mit Sicherheit vermeiden, 
mit Ausnahwe der Fälle, wo der Tractus opticus selbst von der Neu- 
bildung ergriffen ist. Wenn Erblindung eintritt, so trifft die Verant- 
wortlichkeit den Arzt, der die Öffnung des Schädels nicht rechtzeitig 
angeraten hat. — Bei Geschwülsten im Schädelinnern beginnt die 
Neuritis optica mit wenig Ausnahmen auf der befallenen Seite, ein 
wichtiger Fingerzeig für den Ort des Eingriffes. 

Vor Ausführung des radikalen Eingriffes ist die Überlegung, 
wieviel Ausgleichung wir vom Gehirn nach Entfernung bestimmter 
Teile erwarten dürfen, von Wichtigkeit. Besondere motorische Funk- 
tionen stellen sich nicht wieder her, wenn ihr gesamter Rindenbezirk 


Zentralblatt ftir Chirurgie. Nr. 43. 1145 


entfernt ist; das gleiche gilt für die Bezirke der Sinnesorgane. Da- 
gegen sind höhere sensorische und intellektuelle Tätigkeit auf die 
Dauer nicht aufgehoben bei der Zerstörung irgendeines Teiles der 
Hemisphäre. Im ganzen haben Großhirn wie Kleinhirn eine ganz be- 
deutende Fähigkeit zum Ausgleich zerstörter Teile. Für das Kleinhirn 
und seine Geschwülste und für tiefsitzende Geschwülste ist das wichtig, 
wie H. an dem Beispiel eines vor 11 Jahren wegen einer großen 
cystenartigen Geschwulst des Kleinhirns operierten, jetzt ganz ge- 
sunden Mannes darlegt. Zur Erreichung solcher tiefsitzender Ge- 
schwülste ist es nötig, die Hälfte des Kleinhirns ganz bedeutend zu 
verschieben und oft durch Quetschung zu verletzen. H. sah nie 
dauernden Schaden davon und spricht sich daher gegen den Vor- 
schlag Frazier’s aus, einen Kleinhirnlappen in solchen Fällen ganz 
zu entfernen. 

Sehr wichtig für die Blutungsverhältnisse und die Technik ist 
eine gut passende Stütze für den erhöht gelagerten Kopf. Als Be- 
täubungsmittel kommt nur reines Chloroform in Betracht; Ather hält 
H. für ganz unzulässig bei Operationen am Zentralnervensystem wegen 
seines Einflusses auf die Blutung und auf die Nacherregungszustände. 
Ein schwerer Nachteil des Chloroforms, die plötzliche Lähmung des 
Atemzentrums, wie sie bei Hirndruck auch ohne Betäubungsmittel 
schon oft den Tod schlagartig herbeigeführt hat, wird am besten aus- 
geglichen durch eine genaue Dosierung des Chloroforms. Zur Er- 
zielung einer tiefen Narkose sind noch nicht 2% Chloroform in der 
Einatmungsluft nötig, zur Vermeidung des Schmerzgefühles viel weniger. 
H. benutzt zur Erreichung genau bekannter Mengenverhältnisse von 
Chloroform und Luft bzw. Sauerstoff den Apparat von Vernon 
Harcourt (siehe Abbildung) und richtet sich bei der Dosierung sorg- 
fältig nach der jeweilig nötigen Menge des Betäubungsmittels: vor der 
Operation und während der Herstellung des Weichteillappens gibt er 
2%, bei der Entfernung des Knochens 1%, etwas mehr bei dem Ein- 
schnitt in die Dura, unter 0,5% beim Operieren im Gehirn, 0,7—1% 
beim Schluß der Wunde. 

Eine 20jährige Erfahrung an Mensch und Tier hat H. die ge- 
waltige Bedeutung gelehrt, die eine Abkühlung des freiliegenden Ge- 
hirns als Ursache des Choks hat. Daher läßt er Gehirn und Rücken- 
mark, während sie offen liegen, beständig mit einer 115° F heißen 
Lösung von Sublimat 1: 10000 überrieseln. Diese Vorkehrung ver- 
mindert gleichzeitig die kapillare und arterielle Blutung. 

Es sollen so wenig wie möglich Gefäße unterbunden werden; wenn 
aber, dann möglichst entfernt von größeren Stämmen. Die Carotis- 
unterbindung lehnt H. ab. Kapillaren und kleine Arterien stehen 
auf Überrieselung mit 43,5—46° C heißer Lösung. Alle Knochen- 
blutungen stillt H. sofort und sicher durch Überstreichung und Ein- 
reibung mit Wachs, vorausgesetzt, daß das Periost gründlich entfernt 
war. Während der Chloroformdarreichung entsteht ein mäßiger Grad 
von Asphyxie, der die venöse Blutung unterhält. Ein schnelles, 

434% 


1146 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 


sicheres Mittel gegen diese Art Blutung ist die Einatmung von Sauer- 
stoff aus dem Harcourt-Apparat. 

Zur Vermeidung zu großer Chokwirkung operiert H. stets zwei- 
zeitig: Öffnung des Schädels und nach 5 Tagen Öffnung der Dura. 
Nach seinen Erfahrungen ist die Öffnung des Schädels von stärkerer 
Chokwirkung als der folgende Eingriff. 

Der Schädel soll mit möglichst wenig senkrecht gerichteter Kraft- 
aufwendung geöffnet werden. Nach langjährigem Durchproben aller 
möglichen Verfahren und Werkzeuge empfiehlt H. zunächst, eine kleine 
Knochenscheibe mit dem Trepan zu entfernen, mit einer gewöhnlichen 
Säge die zu entfernenden Stücke anzuritzen und mit großen Knochen- 
zangen die Knochen auszubrechen mit nach außen gerichteter Kraft- 
aufwendung. Da der Knochen meist nicht erhalten werden soll, und 
da die osteoplastischen Verfahren mit senkrecht auf den Schädel ge- 
richteter Kraft arbeiten, so spricht sich H. gegen diese Methoden aus. 

Die Gefahrenabstufung nach der Hirngegend, in welcher operiert 
wurde, ist ersichtlich aus folgender Tafel: 

Motorische Zentren 1 + auf 27 Eingriffe, 
Regio parietalis 1+ » 19 > 
Regio frontalis 1+ » 13 > 
Regio temporalis 1+ > 12 > 
Regio cerebellaris 1+ » 10 

Auch H. hat die große Neigung von Hirawandan zur Infektion 
erfahren müssen: er verlor 17 Fälle durch septische Erkrankungen, 
die meist während der Nachbehandlung bei drainierten mene auf- 
treten. Je weniger Drainage, um so besser. 

Um Geschwiilste der Basis zu erreichen, kann man das Hirn mit 
breiten Spateln bei vorsichtigem Druck sehr bedeutend heben und 
verdrängen ohne große Schädigung, wie H. zehn Eingriffe im Gebiete 
der Glandula pituitaria gelehrt haben. Man vermag bei gutem Lichte 
sich die Hirnschenkel, den Circulus Willisii, die Glandula pituitaria, 
die Carotis interna, den II. und III. Gehirnnerven zu Gesicht zu 
bringen. 

Umschriebene Geschwülste geben gute Endergebnisse, schlecht 
begrenzte mangelhafte, wie folgende Tafel über 55 Geschwülstexstir- 
pationen, deren Krankheitsverlauf verfolgt werden konnte, beweist: 

Gliome, Sarkome: 23 mit 20 Rückfällen in 2 Jahren; 

Endotheliome: 8 mit 1 Rückfall und 7 Dauerheilungen; 

Tuberkulome: 4 mit 2 Todesfällen an Meningitis tuberculosa und 

2 Dauerheilungen; 

Gummata: 8 ohne Rückfall; 

Fibrome: 4 ohne Rückfall; 

Cysten: 5 ohne Rückfall; 

Adenome und Adenosarkome der Glandula pituitaria: 3 mit 

1 Riickfall. 

In elf Fällen mit ausgeprägtem klinischen Bild einer Hirn- 

geschwulst, in denen H. nur den Schädel öffnete und wieder schloß, 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 1147 


nachdem er sich überzeugt hatte von der Inoperabilität der Geschwulst, 
bzw. in denen von der eigentlichen Geschwulst nichts zu finden war, 
gingen nach der Operation alle Erscheinungen wieder zurück. In 
allen Fällen hatte die Operation beträchtlichen Hirndruck ergeben. 
Weber (Dresden). 





10) Bromser. The modern mastoid operation. 
(Brit. med. journ. 1906. August 11.) 

B. arbeitet nur mit Hohlmeißel und Knochenzangen. Zur Stillung 
der flächenhaften Blutungen aus Knochen und Granulationen, zur 
Beseitigung von Knochenbröckeln empfiehlt er Wassersuperoxydlösung. 
Die retroaurikuläre Offnung schließt er nach 5—10 Tagen, wenn der 
Verlauf ohne Reaktion geblieben ist, durch Zuziehen einer schon bei 
der Operation gelegten Naht. Übermäßige und dann sehr störende 
Granulationsbildung ist oft die Folge von zulange dauernder Jodo- 
formanwendung. B. benutzt zur Tamponade Aluminiumazetatgaze und 
bläßt Aristol, Isoform oder Xeroform ein. Zur Atzung benutzt er 
10%ige Trichloressigsiure. Weber (Dresden). 





11) H. Spitzy. Aus den Grenzgebieten der Chirurgie und 
Neurologie. 
(Zeitschrift fiir orthopad. Chirurgie Bd. XV. Hft. 2—4.) 

Verf. setzt seine anatomisch-chirurgisch-neurologischen Studien, 
um brauchbare Operationsmethoden der Anastomosenbildung zwischen 
peripheren Nerven zu gewinnen, fort (s. Zentrallblatt fiir Chirurgie 
1905 Nr. 41). In der vorliegenden Arbeit beschäftigt er sich mit der 
Peroneus-Tibialis- und der Medianus-Radialisplastik. Seinen exakt 
wissenschaftlichen Arbeiten verdankt Verf. auch klinische Erfolge, 
über die er später berichten wird. J. Riedinger (Würzburg). 





12) Bernhard. Über Nervenpfropfung bei peripherischer 


Facialislähmung, vorwiegend vom neurologischen Standpunkte. 
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd XVI. Hft. 3.) 

Nachdem Zesas 1904 in den »Fortschritten der Medizin« alles 
zusammengestellt, was über Nervenpfropfung bei Facialislähmung be- 
kannt war, führt B. die seitdem neu hinzugekommenen Fälle auf und 
unterwirft die Resultate einer scharfen kritischen Beleuchtung, die um 
so wertvoller ist, als B. selbst drei operierte Kranke sehr lange, bis 
5 Jahre nach der Operation, verfolgen konnte. B. stellt zunächst fest, 
daß es in der Tat möglich ist, durch Anfügen des peripheren Facialis- 
stumpfes an den Hypoglossus oder Accessorius es dahin zu bringen, 
daß aktive Kontraktionen willkürlich in dem früher gelähmt gewesenen 
Facialisgebiet ausgeführt werden können, gleichgültig, ob man den 
Facialis nur seitlich an den angefrischten Accessorius resp. Hypoglossus 
angenäht, oder ob man die letzteren Nerven durchschnitten und an 
ihr zentrales Ende das periphere des Facialis angeheilt hat. Bei ersterer 


1148 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 


Methode hat man den Nachteil, daß bei Bewegungen im Facialisgebiet 
auch die vom Accessorius resp. Hypoglossus innervierten Muskeln mit- 
bewegt werden. In den meisten Fällen ist ferner erreicht worden, 
daß in der Ruhelage des Gesichtes die früher vorhandene Asymmetrie 
durch die Operation wesentlich gebessert wird dadurch, daß der Tonus 
der Gesichtsmuskeln wieder hergestellt wird. Allein eine vollkommene 
restitutio ad integrum wird nicht erzielt; von den drei von B. genauer 
untersuchten Leidenden konnte keiner aktiv das Auge der früher gelähm- 
ten Seite schließen; es entsteht ferner beim mimischen Spiele der Ge- 
sichtsmuskeln, beim Sprechen, Lachen usw. stets eine häßliche Asym- 
metrie, eine starke Verzerrung. Es besteht eben ein großer Unter- 
schied zwischen willkürlicher Kontraktion einzelner Gesichtsmuskeln 
und dem feinen asymmetrischen Spiele der Muskeln beider Gesichts- 
hälften bei Affekten. Wie Sternberg nachgewiesen hat, hängen 
diese beiden Dinge von verschiedenen zentralen Organen ab. 

Da Mitbewegungen der Zunge weniger störend sind, als solche 
in den Armmuskeln, so wird für die seitliche Anfügung des Facialis 
der Hypoglossus dem Accessorius vorzuziehen sein. Bei Durchtrennung 
des Accessorius und Hypoglossus zur Vereinigung ihrer zentralen Enden 
mit dem Facialis wird die vom durchtrennten Nerven innervierte Mus- 
kulatur gelähmt; da Lähmung des Trapezius oder Sternocleidomastoideus 
meist hinderlicher und die Atrophie dieser Muskeln entstellender ist, 
als die gleichen Folgen in einer Zungenhälfte, so wird auch für diesen 
Fall meistens die Anastomosierung des Facialis mit dem Hypoglossus 
derjenigen mit dem Accessorius vorzuziehen sein. Haeckel (Stettin). 


13) Ludloff. Die Auskultation der Wirbelsäule, des Kreuz- 
beins und des Beckens. (Aus der chirurgischen Klinik zu 


Breslau.) 
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 25.) 


Die Auskultation von Teilen der Wirbelsäule, welche sich bei 
der Perkussion als schmerzhaft erwiesen hatten, hat L. bemerkens- 
werte Aufschlüsse über die Ursache der Schmerzen ergeben. Bei den 
verschiedensten Bewegungen der Wirbelsäule hörte er an derselben 
mittels des Phonendoskops ein deutliches Knirschen und Krachen, be- 
sonders an der Grenze zwischen Kreuzbein und Lendenwirbelsäule, 
das auf eine umschriebene Arthritis deformans in den kleinen Wirbel- 
säulengelenken zurückzuführen war. Bei Nachprüfung dieser Stellen 
im Röntgenbilde ließen sich dann meist auch kleine Auflagerungen 
an den Gelenkgrenzen feststellen, die als Ursache dumpfer Druck- 
schmerzen, wie auch von Lumbal- und Sakralneuralgien anzusehen 
waren. Auch bei Occipitalneuralgien hat L. zweimal das Reibegeräusch 
im Gelenk zwischen Atlas und Hinterhaupt und Atlas und Epistro- 
pheus gefunden und durch einen entlastenden Verband, Massage und 
Medikomechanik Besserung herbeiführen können. Ebenso gutes leistet 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 1149 


die Auskultationsmethode in Fällen, bei denen die Folgen schwerer 

Gewalteinwirkungen auf die Lendenwirbelsäule und das Becken zurück- 

geblieben waren, so daß L. dieselbe wärmstens empfehlen kann. 
Kramer (Glogau). 


14) Finder. Die chirurgische Behandlung der Kehlkopf- 
tuberkulose. 
(Berliner klin. Wochenschrift 1906. Nr. 9.) 

Die vorliegende Arbeit ist ein gelungener Versuch einer objektiven 
Darstellung des gegenwärtigen Standes der Frage. Heilungen der 
Kehlkopftuberkulose kommen selten ganz spontan, häufiger allein unter 
Anwendung allgemein hygienischer Maßnahmen vor. Für die medika- 
mentöse Behandlung eignet sich am meisten die Milchsäure. Die nur 
noch in sehr beschränktem Maße angewandte Galvanokaustik stellt 
ein in seinen Wirkungen nicht absolut sicher zu dosierendes Mittel 
dar. Noch weniger hat sich die Elektrolyse in der Therapie der 
Kehlkopfschwindsucht Eingang verschaffen können. Die endolaryngeale 
Chirurgie wird da Erfolge zu verzeichnen haben, wo die Erkrankung 
räumlich beschränkt ist und die Zerstörung nicht allzu sehr in die 
Tiefe geht, vorausgesetzt, daß die tuberkulösen Veränderungen für 
Auge und Hand des Operateurs sicher erreichbar sind. Die operative 
Behandlung ist zweckmäßig mit der nachträglichen Applikation von 
Milchsäure zu kombinieren. Auch die Fälle von umschriebener Ge- 
schwulstbildung eignen sich ganz besonders für die endolaryngeale 
Operation. Der Grad des Lungenleidens ist nicht immer ausschlag- 
gebend fiir den Erfolg der Kehlkopfbehandlung. Kachektische und 
zu weit vorgeschrittene Fälle wird man selbstverständlich ausschließen, 
da ein günstiger allgemeiner Kräftezustand des Pat. für das Gelingen 
des chirurgischen Eingriffes notwendig ist. Die Heilungstendenz der 
einzelnen Individuen ist eine sehr verschiedene, sie zwingt manchmal 
in anscheinend günstig liegenden Fällen, von der endolaryngealen Be- 
handlung Abstand zu nehmen, ermöglicht andererseits in schwereren 
Fällen zuweilen wider Erwarten Erfolge. Die lokale Behandlung ist 
durch geeignete Hilfsmittel zu unterstützen: Tuberkulininjektionen, 
klimatische Kuren, Aufenthalt in Sanatorien und Lungenheilstätten. 
Die Behandlung der Lungen darf daneben nicht vernachlässigt wer- 
den. In verlorenen Fällen hat die instrumentelle Behandlung oft den 
Segen, den Pat. ihre letzte Lebenszeit wenigstens einigermaßen er- 
träglich zu machen, sie von der entsetzlichen Dysphagie zu befreien. 

Die Tracheotomie kommt bei Stenosen in Frage, wenn die endo- 
laryngeale Behandlung zur Beseitigung der tuberkulösen Granulationen 
nicht ausreicht. Die kurative Tracheotomie bei nicht vorhandener 
Stenose ist manchmal mit gutem Erfolg ausgeführt, wird aber nur 
noch selten bei Erwachsenen geübt, bei Kindern häufiger wegen tech- 
nischer Schwierigkeit der endolaryngealen Behandlung. Schwanger- 
schaft ist die denkbar verhängnisvollste Komplikation der Kehlkopf- 
tuberkulose. Neben Einleitung des Aborts ist von Kuttner wenigstens 





1150 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 


für Fälle in der zweiten Hälfte der Schwangerschaft mit gutem 
Allgemeinbefinden die Tracheotomie empfohlen. Die Laryngofissur 
wird sich nach Verf.s Ansicht nie Bürgerrecht bei Behandlung der 
Tuberkulose erwerben. Die Totalexstirpation wird allgemein verworfen. 
Langemak (Erfurt). 


15) de Quervain. Thyreoiditis simplex und toxische Reak- 
tionen der Schilddriise. 

(Mitteilungen aus den Grenzgebieten d. Medizin u. Chirurgie Bd. XV. Hft. 3 u. 4.) 

Im Anschluß an seine frühere Arbeit über denselben Gegenstand 
(ref. d. Bl. 1905 p. 440) verfolgt Verf. die inzwischen über dieses 
Thema erschienenen Arbeiten von Perrin de la Touche und Dide, 
Loeper und Esmonet, Luzzato, Crisafi, Bayon und hebt noch 
einmal präzise den Unterschied hervor zwischen Thyreoiditis simplex, 
bei der sich Entzündungserreger direkt in der Schilddrüse ansiedeln, 
und der toxischen Thyreoiditis, die nur in einer Einwirkung der im 
Körper zirkulierenden Toxine bei Infektionskrankheiten besteht, die 
man daher auch als »toxische Reaktion« der Schilddrüse bezeichnen 


könnte. Haeckel (Stettin). 


16) R. F. Weir. A point in the technique of breast ampu- 


tation for cancer. 
(New York and Philadelphia med. journ. 1906. März 3.) 

W. schließt an die Ausräumung der Achselhöhle nach der Am- 
putatio mammae carcin. regelmäßig eine Durchtastung der Supra- 
claviculargegend an, in dem er entlang den Gefäßen den Finger hinter 
das Schlüsselbein bis hinter und neben den Kopfnickeransatz führt. 
In 47% der Fälle ist es ihm so gelungen, erkrankte Drüsen zu fühlen, 
die der Untersuchung vor der Operation entgangen waren. Sie wurden 
dann natürlich mit dem umgebenden Fett ausgeräumt von einer In- 
zision über und parallel mit dem Schlüsselbein. 

Lengemann (Bremen). 


Kleinere Mitteilungen. 


1%) Morestin. Le masque ecchymotique par compression thoraco- 
abdominale. 
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXII. p. 273.) 


M. berichtet über einen Fall ekchymotischer Infiltration an Kopf und Hals 
nach einem Trauma des Bauches. Ein 15jähriger Bursche war beim Schaukeln in 
gekrümmter Haltung des Rumpfes mit Gewalt von seinem Sitz auf den Boden 
geschleudert worden und zeigte nach dem Erwachen aus einer kurzen Ohnmacht 
außer Beklemmungsgefühl auf der Brust, Atemnot und Sehstörungen eine veilchen- 
blaue Verfärbung des Gesichts, die nach dem Halse zu in eine dunkelrote Fleckung 
der Haut überging; alle Erscheinungen schwanden nach 4 Tagen ohne besondere 
Behandlung. 

M. weist darauf hin, daß die genannte Verfärbung, wenn sie in nur geringer 
Ausdehnung, z. B. nur im Bereiche der unteren Augenlider aufgetreten sei, zur 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 1151 


Verwechslung mit Basisfrakturen Anlaß gegeben habe (und daß derartige Ekchy- 
mosen auch schon nach Keuchhustenanfällen zu beobachten seien). Bezüglich der 
Entstehung der subkutanen Blutaustritte an Kopf und Hals erwähnt Broca, daß 
sie nicht ausschließlich Folge von stärkerer Gewalteinwirkung auf Brust und Bauch 
seien, sondern daß auch schon bei plötzlicher Kompression des Bauches die Rück- 
stauung des Blutes in der unteren Hohlvene und im rechten Vorhofe die ge- 
nannten Erscheinungen auslösen könne. Thümer (Chemnitz). 


18) Anton. Kongenitaler Verschluß der linken Choane. 
(Prager med. Wochenschrift 1905. Nr. 45.) 


Bei einer ö3jährigen Frau war die linke Choane durch eine senkrecht stehende, 
sehnig weiße, knochenharte Platte verschlossen, die etwas vom hinteren Vomer- 
rande überragt wurde. In der Mitte der Platte, näher der Nasenscheidenwand, 
fand sich eine scharf begrenzte, etwas dunklere Vertiefung. Es handelte sich nach 
dem Befunde um eine knöcherne, noch intranasal gelegene Atresie; Störungen hatte 
sie, abgesehen von Hyposmie und erschwerter Entleerung des Nasenschleimes, nicht 
verursacht, da die rechte Nasenhöhle sehr geräumig war. Von einem operativen 
Eingriffe wurde daher abgesehen. Gutzeit (Neidenburg). 


19) L. Mieck. Über die Osteome der Kieferhöhle. 
Diss., Straßburg, 1906. 


Bei einem 36jährigen Manne besteht seit dem 14. Jahr eine sehr langsam 
wachsende Vorwölbung der rechten Wange mit mäßiger Verunstaltung des Ge- 
sichtes. Vor 3 Jahren zeigte sich nach vorausgegangenen akut entzündlichen Er- 
scheinungen eine Fistel am Alveolarfortsatz des rechten Oberkiefers in der Gegend 
des Caninus, aus der sich reichlich Eiter entleerte. Die Extraktion zweier kariöser 
Prämolaren brachte keine Heilung. Bei der Untersuchung findet man die rechte 
Oberkiefergegend vorgetrieben; die Schwellung ist knochenhart, die Haut über der 
Geschwulst gut verschieblich. Über dem Caninus findet sich eine Fistel, aus der 
spontan und auf Druck Eiter sich entleert. Die eingeführte Sonde stößt auf rauhen 
Knochen. Bei der Operation findet man nach Eröffnung der rechten Highmors- 
höhle eine walnußgroße knöcherne Geschwulst, die frei in der erweiterten Kiefer- 
höhle liegt und sich, wie die Nuß in der Schale, fest an die Wandungen anschließt. 
Ihre Oberfläche ist glatt, wie poliert, nur an einigen Stellen sind kleine Rauhig- 
keiten und Höcker. Die Heilung erfolgte glatt, und Pat. ist bis heute frei von 
Beschwerden geblieben. Die mikroskopische Untersuchung zeigte das Bild der 
lamellös geschichteten Knochensubstanz mit sehr feinen Kanälchen und Knochen- 
körperchen. Die Geschwulst war also ein »totes« Osteom im Sinne Tillmann’s. 

Boennecken (Prag). 


20) 8. Minelli. Beitrag zum Studium der Lymphomatose der Speichel- 
und Tränendrüsen. 
(Virchow’s Archiv Bd. CLXXXV. p. 117.) 


Verf. hatte Gelegenheit, einen Fall von Mikulicz'scher Krankheit mikro- 
skopisch zu untersuchen. Seine Befunde sind folgende: Die Vergrößerung der 
Speichel- und Tränendrüsen wird hervorgerufen durch Substitution des Drüsen- 
gewebes durch ein Iymphatisches Gewebe, das durch Hyperplasie der schon nor- 
malerweise in diesen Drüsen vorkommenden Lymphfollikel entsteht. Die Vergröße- 
rung hat daher den Charakter einer Lymphadenitis hyperplastica. Die Neubildung 
lymphatischer Elemente nimmt ihren Anfang im Innern des Parotisläppchens und 
hat die Volumenvergrößerung der Drüse und ihre Zerstörung zur Folge. Letztere 
kommt auf rein mechanischem Wege durch Druck zustande; toxische Ursachen 
fehlen. Der Übergang der Affektion in eine allgemeine Pseudoleukämie ist selten. 

Doering (Göttingen). 


1152 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 


21) E. K. Macomber. An interesting case of congenital malformation 


of the mouth. 
(Amer. journ. of surg. 1906. September.) 

Ein neugeborenes Kind hatte am Munddach eine 1: 1/, Zoll große Geschwulst, 
die sich nach der Exstirpation als Lipom, mit normaler Haut und Lanugo über- 
zogen, erwies. Das vordere Ende war zwischen den Lippen sichtbar. Dann fand 
sich ein unterer, lose — da nicht durch einen Alveolarfortsatz befestigt — sitzender 
Schneidezahn und eine dreifache Zunge, indem zunächst von einer gemeinsamen 
Wurzel zwei gut gebildete Zungen (mit Raphe und Frenulum) ausgingen, von deren 
Bifurkation eine dritte, rudimentäre Zunge ohne Frenulum und ohne Raphe, aber, 
ebenso wie die anderen, mit deutlichen Papillen versehen, entsprang. Die Ge- 
schwulst und die rudimentäre mittlere Zunge wurden zunächst entfernt. Es zeigten 
sich dann zwei Gaumen und zwei Zäpfchen. An jeder Seite hinter der Basis der 
Geschwulst bestand eine Rinne von 1/, Zoll Tiefe, aber ohne Uranoschisis. Da das 
Kind wegen der noch zurückbleibenden gespaltenen Zunge schlecht saugen konnte, 
wurden beide Zungenhälften in einer zweiten Sitzung vereinigt, so daß sowohl das 
Sauggeschäft jetzt gut vonstatten ging, als lautes Schreien möglich war. Leider 
starb das Kind im Alter von 43/, Monaten an Keuchhusten. 

Verf. fand keine ähnliche Beobachtung in der Literatur. Kongenitale Zähne 
sind z. B. bei Ludwig XIV und Mirabeau beobachtet, ebenso doppelte Zunge oder 
auch solche mit mittlerem (dritten) Lappen, aber niemals zwei Gaumen und zwei 
Zäpfchen. Goebel (Breslau). 


22) M. Donati (Turin). Macrochilia da adenomi delle ghiandole mucose 


del labbro superiore. 
(Gazz. med. italiana 1905. Nr. 8.) 

In dem Falle des Verf. handelt es sich um einen 20jährigen Mann, der seit 
9 bis 10 Jahren an einer allmählich zunehmenden Verdickung der Oberlippe leidet. 
Sie betrifft hauptsächlich den freien Schleimhautsaum, ist schmerzlos; die Kon- 
sistenz der Lippe ist annähernd normal. Bei der Exstirpation zeigen sich unter 
der Schleimhaut stecknadel- bis erbsengroße gestielte und ungestielte runde 
Knötchen, die der Oberfläche ein sammetartiges Aussehen verleihen und allein die 
Verdickung der Lippe bedingen. 

Mikroskopisch zeigen diese kleinen Geschwülste cinen drüsigen, adenomatösen 
Charakter und bilden nach der Oberfläche zu kleinere und relativ größere Cysten. 
Es ist also dieser Fall von dem Lymphangiom und von der gewöhnlichen Makro- 
chilie wohl zu unterscheiden. Verf. fand nur zwei Analoga in der Literatur. 

A. Most (Breslau). 


23) B. Mayrhofer. Wangenfistel mit Erhaltung des schuldigen Zahnes 
durch Wurzelresektion von aufen und Jodoformknochenplombe. 
(Osterr.-ungar. Vierteljahrsschrift fiir Zahnheilkunde 1906. Juli.) 

Die Therapie der Zahnfistel durch Wurzelresektion mit Erhaltung des er- 
krankten Zahnes, wie sie durch Partsch begründet ist, bürgert sich immer mehr 
ein. Während aber bisher immer nur vom Mund aus operiert wurde, schlägt M. 
bei bestehender Wangen- oder Kinnfistel dentalen Ursprunges die Operation von 
außen her vor und berichtet über einen in 5 Tagen mit Hilfe der Mosetig’schen 
Jodoformknochenplombe zur Heilung gebrachten Fall von chronischer Wangen- 
fistel. Die Fistel war veranlaßt durch einen äußerlich gesunden unteren Prämo- 
laren, bei dem aber die Untersuchung mit dem faradischen Strome das Vorhan- 
densein einer toten Pulpa erwies. Nach antiseptischer Behandlung des Pulpa- 
kanales und Wurzelfüllung wurde unter Novokain-Paranephrinanästhesie die Fistel 
umschnitten, der derbe Fistelstrang exzidiert, der Kieferknochen freigelegt und die 
in der Knochenfistel zutage tretende Wurzelspitze reseziert. Hierauf Ausräumung 
der kirschgroßen, mit schlaffen Granulationen gefüllten Knochenhöhle. Nach Glät- 
tung des Wurzelstumpfes und Blutstillung rasche Einführung der Jodoformknochen- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 1153 


plombe in den Knochendefekt und Vereinigung der Hautwunde durch eine exakte 
Naht. Darüber ein Hoeftpflasterverband.. Reaktionsloser Verlauf. Heilung per 
primam. Entfernung der Nähte am 5. Tage; lineare, nicht eingezogene Narbe. M. 
hat in zahlreichen anderen Fällen von Wurzelresektion, die er vom Mund aus 
operierte, mit der Jodoformknochenplombe in wenigen Tagen eine Ausheilung per 
primam erzielt und empfiehlt das Verfahren als einen wesentlichen Fortschritt 
gegenüber der alten Methode mit Tamponade, die bei Wangen- und Kinnfisteln 
stets zu einer verunstaltenden, tief eingezogenen, am Knochen adhärenten Narbe 
führt. Boennecken (Prag). 


24) Nélaton. Fracture du rachis. | 
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXTI. p. 329.) 

Eine 63jährige Frau war rücklings die Treppe hinabgestürzt und dabei mit 
dem Hinterhaupt auf eine Stufe aufgeschlagen. Pat. war nicht bewußtlos, konnte 
sich vielmehr unter Führung zu Fuß in ihr Zimmer begeben. Außer Druckschmerz 
und Schwellung im Nacken fand sich bei der Untersuchung nur eine gewisse 
Nackensteifigkeit, und die Kranke hielt den Kopf, den sie, wenn auch unter 
Schmerzen, etwas bewegen konnte, nach vorn gestreckt; es bestanden keine 
Schluckbeschwerden und keine Lähmungserscheinungen. Zur Überraschung der 
behandelnden Arzte zeigte eine seitliche Röntgenaufnahme eine Zertrümmerung 
des 2. Halswirbels, dessen Körper nach vorn und dessen Wirbelbogen nach hinten 
hin aus der Reihe der übrigen Wirbel herausgedrängt erschien. Nach Heilung 
der Pat., die ohne besondere Maßnahmen nach 1/; Jahr erfolgt war, blieb außer 
einer Vorwärtsneigung des Kopfes und einer ziemlich erheblichen Behinderung der 
seitlichen Bewegungen desselben keine weitere Störung zurück. 

Thümer (Chemnitz). 


25) O. Lüders. Sechs Fälle von Syringomyelie. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXTII. p. 195.) 


Die im Posener Diakonissenhause (Dr. Borchard) beobachteten und hier in 
Krankengeschichte nebst Abbildungen mitgeteilten Fälle sind instruktive Para- 
digmen der Syringomyelie. Besonders bemerkenswert an ihnen sind die Gelenk- 
erkrankungen, dreimal das Ellbogen-, zweimal das Handgelenk, einmal das Sterno- 
claviculargelenk betreffend. Hierauf beziehen sich auch die Photo- und Röntgeno- 
gramme, die beigefügt sind. Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


26) Oppenheim. Zur Symptomatologie und Therapie der sich im 
Umkreise des Rückenmarkes entwickelnden Neubildungen. | 
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XV. Hft. 5.) 


O. teilt aus seiner reichen Erfahrung fünf neue Fälle von operativ behandelten 
Geschwülsten in der Nähe des Rückenmarkes mit, die wegen der Fülle ausführlich 
besprochener diagnostischer Gesichtspunkte besonders wertvoll sind. 

1) Sarkom des Kreuzbeines im Bereiche der 2., 3. und 4. Wurzel der Cauda 
equina. Teilweise Entfernung der weichen Geschwulstmassen. Danach sehr wesent- 
liche Besserung für einige Monate, Tod im Anschluß an eine erneute Operation. 

2) Sarkom der 7. Rippe, das nach Befund des Wirbelkörpers in den Wirbel- 
kanal eingedrungen ist. Auch hier nach teilweiser Entfernung der weichen Massen 
sehr erhebliche Besserung für die nächste Zeit. Tod nach 5 Monaten. 

3) Sarkom an einer Radialiswurzel, in den Wirbelkanal eindringend. Volle 
Heilung noch nach 8 Jahren konstatiert. 

4) Kirschgroße Geschwulst an der Innenseite der Dura im Bereiche des unteren 
Cervicalmarkes. Tod in der Nacht nach der Operation. 

5) Geschwulst am Dorsalmark. Entfernung des 5. bis 9. Wirbelbogens. Tod 
an eitriger Meningitis. 

Ein Gesamtiiberblick iiber die Erfahrungen O.’s zeigt zunächst als sehr erfreu- 
liches Resultat die große Sicherheit der Diagnose. Interessant ist ferner der Um- 


1154 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 


stand, daß Form, Gestalt und Umfang der intraduralen Geschwulst in all diesen 
Beobachtungen fast der gleiche ist, eine Tatsache, die in der vorchirurgischen 
Epoche nicht bekannt war. — Im ganzen gab 7mal eine Geschwulst der Wirbel- 
säule Anlaß zum chirurgischen Eingreifen; davon ist ein Fall geheilt, in zwei an- 
deren wurde durch den Eingriff eine mehrmonstliche Remission erzielt, während der 
Ausgang, wie in den übrigen vier, ein tödlicher war. Extramedulläre Rücken- 
markshautgeschwülste führten 6mal zur Radikaloperation; zwei Pat. wurden geheilt, 
vier starben innerhalb der nächsten Tage nach der Operation. O. schließt sich 
denjenigen an, welche die Aussichten der operativen Behandlung der Rückenmarks- 
geschwulst für weit bessere halten, als die der Hirngeschwülste. 

Von ganz besonderem Interesse ist noch der kurze Hinweis O.'s auf drei Fälle 
von lokaler Ansammlung des Liquor cerebrospinalis in einem bestimmten Höhen- 
abschnitt des Rückenmarkes, eine bisher noch nicht beobachtete Anomalie. 

Haeckel (Stettin). 


27) Telford. A case of sudden death possibly due to vagus inhi- 
bition. 
(Brit. med. journ. 1906. August 18.) 

Während der schwierigen Ausräumung tuberkulöser Halsdrüsen bei einem 
11jahrigen Madchen mit Freilegung der Gefäße zeigte Pat. zweimal hohe Pulszahl 
mit Blässe. Die hohe Pulszahl blieb bestehen, während der übrige Verlauf keine 
Besonderheiten bot. Plötzlicher Tod am 3. Tage. Die Sektion ergab normalen 
Befund in der Wunde, keine Anzeichen von Sepsis, keins hinausgeschobener Chloro- 
formwirkung, normale Brust- und Bauchorgane, normalen Hirnbefund. Der Vagus 
der operierten Seite verlor sich auf der Höhe des ersten Brustwirbels in einer 
Masse von vergrößerten und tuberkulösen Drüsen. Kurz vor seinem Eintritt in 
diese Masse deutlich geschwollen, war der Nerv unmittelbar am Eintritt selbst so 
scharf, wie von einer Unterbindung, umschnürt. Im Innern der käsigen Drüsen- 
masse waren die Nervenbündel aufgefasert, um nach ihrem Austritt wieder normale 
Gestalt anzunehmen. — Brouardel berichtet über einen sehr ähnlichen Fall. — 
Aus Mangel an annehmbarer Todesursache ist Verf. geneigt, dieser Schädigung des 
Nerven den Herztod zuzuschreiben. Weber (Dresden). 


28) K. Schultze. Zur Chirurgie des Morbus Basedow. 
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XVI. Hft. 2.) 


S. bespricht die Resultate von 50 Operationen wegen Basedow aus Riedel's 
Klinik. Heilung wurde erzielt in 72%, Besserung in 12% der Fälle; Mißerfolge 
2%; Todesfälle 12%. Stets wurde Resektion des Kropfes vorgenommen. Allge- 
meinnarkose ist entschieden zu widerraten. Die Todesfälle sind zum größten Teil 
auf Herzinsuffizienz und allgemeine Schwäche zurückzuführen; die Annahme einer 
Überschwemmung mit Basedowtoxinen durch die Operation ist nicht notwendig. 
Es werden die einzelnen Symptome der Krankheit besprochen und ihre Beein- 
flussung durch die Operation. In sieben Fällen war ein Rezidiv des Kropfes und 
dem entsprechend ein Rezidiv des Basedow zu konstatieren; diese Rezidive haben 
aber das Operationsresultat nur vorübergehend beeinflußt, da sie sich teils spontan, 
teils auf therapeutische Maßnahmen zurückbildeten, und gleichzeitig die wieder 
aufgeflackerten Krankheitssymptome erloschen. Zum Schluß wird die moderne 
Serumtherapie mit Antithyreoidin Möbius und Rodagen besprochen, die Kranken- 
geschichten werden ausführlich mitgeteilt, ein sorgfältiges Literaturverzeichnis ist 
beigefügt. Haeckel (Stettin). 


29) H. Wiget. Über Strumen mit Kautschukkolloid und Tumoren 
mit kautschukähnlichen Massen. 
(Virchow’s Archiv Bd. CLXXXV. p. 416.) 


Als Kautschukkolloid werden seit einer Reihe von Jahren im pathologischen 
Institut zu Bern kolloide Massen bezeichnet, die ein grauweißes bis graugelbes 


Zentralblatt für Chirurgie Nr. 43. 1155 


Aussehen und die Derbheit und Elastizität des Kautschuks besitzen. Sie finden 
sich vorzugsweise in hämorrhagischen Kröpfen. Die Entstehung der Massen aus 
roten Blutkörperchen konnte Verf. durch seine an einer Anzahl derartiger Kröpfe 
ausgeführten mikroskopischen Untersuchungen nachweisen. 

Doering (Göttingen). 


‘ 
30) Paterson. The direct examination of oesophagus and upper air 


passages. 
(Brit. med. journ. 1906. August 18.) 

Die englische Literatur enthält fast gar keine Angaben über Ösophagoskopie 
und Bronchoskopie, obwohl der Engländer Bevan 1868 als einer der ersten ein 
Ösophagoskop beschrieben hat und Mackenzie 1880 als erster ein Stückchen 
Knochen mit seinem eigenen Instrument entfernte. 

Nach kurzer Beschreibung der Einführung Rosenheim’scher Röhren in 
sitzender Stellung, wie er sie für kürzere Sitzungen vorzieht, berichtet P. über fünf 
eigene Fälle von erfolgreicher Entfernung von Fremdkörpern aus der Speiseröhre 
mit dem Osophagoskop: Angelhaken, Gebißplatte, Knopf, Münzen, Fleischbissen 
wurden mit schnellem, günstigem Erfolg entfernt. — Seine Erfahrung berechtigt 
ihn zu der Behauptung, daß das Osophagoskop das geeignetste Mittel ist zur Dia- 
gnose von Fremdkörpern und zu ihrer Entfernung, und daß die Osophagotomie 
beschränkt werden muß auf sehr große und unregelmäßig geformte Körper, auf 
Fälle von langdauernder Einkeilung und Entzündungserscheinungen. 

Zur Entfernung von Fremdkörpern aus den Luftwegen benutzte Verf. in vier 
Fällen mit Erfolg die direkte Laryngo-Tracheobronchoskopie nach Kirstein und 
Killian und beseitigte eine Sicherheitsnadel aus dem Kehlkopfinnern bei einem 
Kinde von 9 Monaten, einen Kragenknopf bei einem 1jährigen Kind, eine Korsett- 
öse bei Sjährigem Kinde. Weber (Dresden). 


31) H. Ribbert. Noch einmal das Traktionsdivertikel des Ösophagus. 
(Virchow's Archiv Bd. CLXXXIV. p. 403.) 


R. bringt im Anschluß an seine früheren Mitteilungen über dieses Thema 
(Bd. CLXVII und CLXXVII dieses Archivs) neues Material bei, um seine Behaup- 
tung, daß die Traktionsdivertikel der Speiseröhre mindestens zum allergrößten 
Teil auf Grund einer kongenitalen Anlage entstehen, nochmals zu beweisen. 

Doering (Göttingen). 


32) Naumann. Beiträge zur Oesophagotomia cervicalis externa zur 
Entfernung von Fremdkörpern in der Speiseröhre. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXIII. p. 472.) 


N. veröffentlicht zehn Fälle von Fremdkörperösophagotomie, die im Zwickauer 
Krankenhause von Hentschel, Karg und Braun, und zwei, die im Dresdener 
Diakonissenspital von Rupprecht operiert wurden. 

Die Fälle betreffen fünf Kinder, die eine »Vogelpfeife« oder eine Blechkapsel 
verschluckt hatten. Bei den sieben Erwachsenen bestand der Fremdkörper einmal 
in einem Taler, viermal in künstlichen Gebissen, einmal in einem Kalbsknochen, 
einmal in einer Kastanie (bei einem Geisteskranken.. Während sonst Heilung er- 
folgte, starben zwei von den Kranken, die Gebisse verschluckt hatten, und zwar 
der eine am Abend des Operationstages plötzlich im Kollaps bei vorher bestehen- 
dem Asthma, der zweite 11 Tage nach der Operation an septischer Nachblutung 
aus der Art. thyreoidea sup. bei Phlegmone colli. Operationstechnisch ist der Fall 
des Geisteskranken mit der verschluckten Kastanie bemerkenswert, da hier die 
Operation von der rechten Halsseite her vorgenommen ist, um gleichzeitig die 
strumöse rechte Hälfte der Schilddrüse exstirpieren zu können. 

N. fügt den eigenen Fällen zur Vervollständigung der Statistik (von Bala- 
cescu und Kohn sind bis 1903 326 Fälle der Fremdkörperösophagotomie ge- 


1156 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 


sammelt) noch 28 von ihm gesammelte Fälle neueren Datums hinzu, die er zu- 
sammen mit den eigenen allgemein bespricht. 15mal wurde der Fremdkörper 
mittels Röntgen nachgewiesen, zweimal versagte diese Methode, und wurde die 
Diagnose erst durch Osophagoskopie gesichert, die übrigens im ganzen nur fünfmal 
zur Anwendung kam. Das zu diesem Verfahren erforderliche Instrumentarium 
scheint noch nicht in dep Krankenhausinventaren genügend eingebürgert, und da 
auch die Fremdkörperextraktion im Ösophagoskop technisch schwierig, unter Um- 
ständen auch kontraindiziert ist, wird die Ösophagotomie wohl dauernd ihre prak- 
tische Wichtigkeit behalten. Die Naht der Speiseröhre ist in den 40 neueren 
Fällen 14mal versucht, ohne daß Fistelbildung verhütet wurde. Trotzdem erscheint 
sie nicht nutzlos und verdient Empfehlung. Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


33) Burmeister. Mi segundo caso de esofagotomfa externa. 
(Crónica med. de Concepción [Chile] 1906. Juni.) 


47jähriger Kranker, der ein künstliches Gebiß verschluckt hatte. Einklemmung 
im Anfangsteile der Speiseröhre. Operation ın üblicher Weise am 16. Tage. Das 
Gebiß wurde von der Wunde aus um eine durch die Fläche senkrecht gedachte 
Achse gedreht und dadurch beweglich. Um die Wunde nicht unnötig zu ver- 
größern, wird das Gebiß dann vom Mund aus extrahiert. — In den ersten Tagen 
bestand profuse Eiterung der Wunde, jedoch konnte durch viermaligen Verband- 
wechsel pro Tag die Temperatursteigerung verhältnismäßig beschränkt werden; das 
Fieber überschritt nicht 38°. Ernährung durch die Schlundsonde 11 Tage ‘ang. 
— Heilung am 58. Tage nach der Operation beendet. — B. empfiehlt, möglichst 
kleine (1—1,5 cm lange) Inzisionen des Ösophagus zu machen, den Fremdkörper 
mit dem eingeführten Finger zu lockern und durch den Mund zu extrahieren. 
Stein (Wiesbaden). 


34) Castaiieda. Actinomycose primitive du cou avec propagation rapide 
trachéo-bronchique. 
(Revue nebdom. de laryngol., d’otol. et de rhinol. 1906. Nr. 20.) 

b9jähr'ger Mann, dessen Beruf keine Erklärung für die Entstehung der Aktino- 
mykose bietet, kam wegen Atembeschwerden. Die Lokalisation war nicht die 
übliche. Es fanden sich drei Geschwülste: 1) halborangengroß an der rechten 
Halsseite zwischen Trapezius, Kopfnicker und Schlüsselbein, 2) eigroß unterhalb 
des Zungenbeines, 3) eine kleinere, an der linken Halsseite gelegen; alle drei Ge- 
schwülste sehr hart, mit der im übrigen nicht veränderten Haut verwachsen, auf 
Berühren nicht empfindlich, keine Drüsenschwellungen. Kehlkopfschleimhaut leicht 
entzündlich geschwollen, stellenweise sogar ödematös, Luftröhre, wohl wegen Ver- 
drängung, nicht ganz zu übersehen. Atembeschwerden machten schließlich die 
Entfernung der zweiten Geschwulst notwendig; hierbei fand man ein leicht bräun- 
lich verfärbtes Gewebe, das sich diffus in die Umgebung verbreitete und im Innern 
krümelige Massen und blutige Flüssigkeit enthielt. Mikroskopisch wurde die Dia- 
gnose gestellt. Später wurde noch die Tracheotomie notwendig; doch das Fort- 
schreiten des Prozesses zwischen die Bronchialverzweigungen ließ sich nicht auf- 
halten, F. Alexander (Frankfurt a. M.). 


35) A. Groeber. Über Verlagerung der Trachea bei intrathoracischen 
Erkrankungen. (Aus der med. Univ.-Poliklinik zu Leipzig.) 
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 31.) 

G. bringt einige weitere Fälle von Verlagerung der Luftröhre und des Kehl- 
kopfes (einem Symptom, auf das schon vor 10 Jahren F. A. Hoffmann [Leipzig] 
aufmerksam gemacht hatte) bei intrathoracischem Aneurysma. 

Kramer (Glogau). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 1157 


36) L. Picqué. Corps étranger arrêté à la bifurcation de la trachée. 


Extraction à laide de la bronchoscopie supérieure. 
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXII. p. 218.) 

P. berichtet über einen Pat., der einen Monat, nachdem er ein 50-Centimes- 
stück aspiriert hatte, dem Hospitale zuging wegen zunehmender Schmerzen bei 
Seitenlage. Unter schrittweiser Anästhesierung von Rachen, Kehlkopf und Luft- 
röhre mittels Kokain gelang es, ein Bronchoskop von 12 mm Durchmesser bis zur 
Bifurkation und weiterhin nach dem rechten Bronchus, in dem das Röntgenbild den 
Fremdkörper gezeigt hatte, einzuführen; mittels einer Zange konnte die Münze, die 
in dem etwas erweiterten Bronchialaste deutlich erkennbar war, gepackt und zu- 
gleich mit dem Tubus entfernt werden; die ganze Operation nahm nur wenige 
Minuten in Anspruch; störend war bei dem Eingriffe nur das Vorhandensein 
einiger dem Pat. sehr schmerzhafter Zahnstifte. Guizez, der die Methode schon 
mehrfach angewendet hatte, hält die Tracheotomie nur in Ausnahmefällen für 
nötig und die Handhabung eines längeren Tubus bei genügender Beleuchtung und 
Weite nicht für schwieriger. Thümer (Chemnitz). 


37) @. Conforti. Über einen tödlichen Fall von Stenosierung des 
rechten Hauptbronchus durch eine verkäste Bronchialdrüse. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXX. Hft. 3.) 

Die vorliegende Mitteilung betrifft den selten beobachteten Fall von Verenge- 
rung der Bronchien durch eine verkäste Drüse, ohne daß ein Durchbruch statt- 
gefunden hat. Verf. konnte in der Literatur nur ganz wenig analoge Fälle finden, 
trotz der großen Häufigkeit verkäster Bronchialdrüsen. 

E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


38) Maffre. Plaie pénétrante de poitrine par coup de carabine & blanc. 


Mort par tétanos. 
(Arch. de méd. et de pharm. militaires 1906. Mai.) 

Gelegentlich einer Felddienstiibung entlud sich bei einem Kavalleristen der 
mit einer Platzpatrone geladene Karabiner. Das Geschoß drang dicht unter der 
rechten Achselhöhle ein, ein Ausschuß war nicht vorhanden. Die Wunde war 
faustgroß, aus ihr ergoß sich bei jeder Atmung schaumig hellrotes Blut. Nach 
Tamponade der Wunde wurde der Verletzte 9 km weit ins Lazarett transportiert. 
Schon während — oder wohl infolge — des Transportes trat eine starke Hämoptoe 
ein, die sich im Lazarett wiederholte. Hier wurde neben Exzitantien auch eine 
subkutane Injektion von Gelatine gemacht. Der Verwundete erholte sich langsam, 
am 7. Tage nach der Verletzung trat Tetanus ein, dem nach 2 Tagen der Tod 
folgte. Verf. glaubt, daß der Tetanus durch die eingedrungenen Teile der Platz- 
patrone bedingt gewesen sei, wenn er auch die Möglichkeit der Infektion durch 
die Gelatineinjektion nicht ganz in Abrede stellt. Herhold (Altona). 


39) Burdach und Mann. Zur Diagnose der Brusthöhlengeschwülste 


mit kasuistischen Beiträgen und Röntgendemonstration. 
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. X. Hit. 1.) 

Nach längeren theoretischen und technischen Ausführungen, wobei Verf. na- 
mentlich auf den Wert der schrägen Durchleuchtung hinweisen, teilen sie 19 
Krankengeschichten mit, welche sämtlich durch Röntgenbilder illustriert sind. Es 
handelt sich hauptsächlich um Aneurysmen, daneben um verschiedene Brusthöhlen- 
geschwülste, wie Karzinom, gummöse Infiltration und andere bösartige Neubildungen. 

Gaugele (Zwickau). 


40) J. Jaquet. Ein Fall von metastasierendem Amyloidtumor (Lympho- 
sarkom). 
(Virchow’s Archiv Bd. CLXXXV. p. 251.) 


J. beschreibt ausführlich ein Lymphosarkom des vorderen Mediastinum, das 
in der Schilddrüse, der Leber und den Lungen zahlreiche Metastasen gebildet 


1158 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 


hatte. Die Primärgeschwulst wie sämtliche Metastasen enthielten Amyloid, das 
mit dem Geschwulstgewebe in engstem Zusammenhange stand. Der Fall ist durch 
seine Seltenheit bemerkenswert; Verf. konnte nur noch eine seiner Beobachtung 
analoge Mitteilung von Burk (Über einen Amyloidtumor mit Metastasen, Inaug.- 
Diss., Tübingen 1%1) in der Literatur auffinden. Doering (Göttingen), 


41) Quönu. Plaie du coeur. Plaie pénétrante du ventricule gauche. 


Suture. Guérison. 
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXII. p. 316.) 


Q. veröffentlicht unter Anlehnung an die jüngsten Arbeiten von Lemaître 
und Lindner zwei weitere Fälle von Herznaht nach Stichverletzungen der Ven- 
trikel. In beiden Fällen wurde bei der Operation der Fontan’sche, nach außen 
gestielte Lappen gebildet. Bei der einen Pat. wurde, nach Zwirnnaht der Herz- 
wunde an der Vorderfläche des linken Ventrikels, die Operationswunde wie die 
ursprüngliche Verletzung sofort wieder durch Naht geschlossen und die Luft im 
linken Pleuraraume durch wiederholte Aspiration mit dem Potain’schen Apparat 
entfernt; die Kranke verließ am 13. Tage das Hospital. Die zweite Pat., bei der 
eine breite Wunde des rechten Ventrikels durch drei Catgutnähte verschlossen 
worden war, ging am 14. Tag an einer eitrigen Perikarditis und linksseitigem Pyo- 
pneumothorax zugrunde, nachdem sich am 4. Tage Drainage der linken Pleura- 
höhle von der Operationswunde aus nötig gemacht hatte. 

Q. sieht bei der operativen Behandlung von Herzverletzungen die Hauptgefahr 
des Eingriffes, außer in der Möglichkeit einer bedrohlichen Nachblutung aus dem 
Lappen, in der Infektion der Pleurahöhle, für die der Pneumothorax und die 
Atelektase der Lunge besonders günstige Verhältnisse schaffe. Deshalb verwirft 
er durchaus eine primäre Drainage der Pleura und legt den größten Wert darauf, 
nach Verschluß der Wunden möglichst bald die Luft in dem Pleuraraume zur 
Resorption und die kollabierte Lunge wieder zur Entfaltung zu bringen. Da er 
es für sehr schwierig hält, unter den bei einer Herzverletzung bestehenden Ver- 
hältnissen die Eröffnung der Pleura während der Operation gänzlich zu umgehen, 
so sieht er zur Vermeidung intrathorakaler Druckschwankungen bei chirurgischen 
Eingriffen an Herz und Lungen in der Anwendung der Sauerbruch’schen 
Kammer die Methode der Zukunft. Thiimer (Chemnitz). 


42) J. de Fourmestraux et C. Lind. Contribution à l'étude de la 
suture des plaies du coeur. 
(Gaz. des hôpitaux 1906. Nr. 37.) 


Verff. hatten Gelegenheit, einen Stich in den linken Ventrikel zu nähen. Die 
Lappenbildung geschah wie folgt: ein Haut-Pectoralis major-Lappen mit lateraler 
Basis wurde nach außen geklappt. Ein zweiter Lappen enthielt 7 bis 8 cm (vom 
Sternalrande) lange Stücke der 3., 4. und 5. Rippe, hatte eine mediale Basis und 
wurde um die Sternokostalansätze nach innen luxiert. Die Pleura wurde weit er- 
öffnet und samt dem Rippenlappen umgeklappt. Verff. halten die Eröffnung der 
Pleura für ein harmloses Ereignis. V. E. Mertens (Breslau). 


43) E. Tscherniachowski. Ein Fall von Herznaht wegen Herz- 
verletzung. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXIII. p. 288.) 

Von T. im Kiewer städtischen Alexander-Krankenhause behandelter Fall. 
24jähriger Mann mittleren Körperbaues, der, um sich zu töten, sich mit einem 
»finnischen«, sehr spitzen Messer in die Brust gestochen hatte. Bei der Aufnahme 
akute Anämie, Puls 120—130, unregelmäßig, schlecht; oberflächliche, beschleunigte 
Atmung, Cyanose. 2,5—3 cm lange Wunde im 4. Zwischenrippenraum, einwärts 
der Warzenlinie, Dämpfung auf der Brust links unten. In schwacher Chloroform- 
narkose Erweiterung der Brustwunde, wobei sich, wie angenommen, die Pleura 
eröffnet zeigt; starke Blutung aus der Brusthöhle. Mit dem eingeführten Finger 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 1159 


wird eine Herzbeutelwunde gefühlt, weshalb Resektion des 4. Rippenknorpels und 
eines Teiles des Brustbeines.. Die Herzbeutelwunde ist ca. 2 cm lang, blutet bei 
den Herzkontraktionen. Erweiterung der Herzbeutelwunde auf 6—7 cm in der 
Längsrichtung; bei Erweiterung des Herzbeutelschnittes zeigt sich auf dem vor- 
deren Seitenrande des linken Ventrikels, 5 cm über der Herzspitze, eine 1,5 cm 
große, senkrecht zur Herzlängsachse gestellte Herzwunde mit etwas Vorstülpuns 
der Muskulatur, die erheblich blutete. Unter Verzicht auf Sondierung wird die 
Wunde mit drei Nähten nach Art der Matratzennaht geschlossen, wonach die 
Blutung steht. Naht des Herzbeutels bis auf eine kleine Lücke unten, durch die 
ein drainierender Gazestreifen hinter das Herz in die Höhe geschoben wird. Rei- 
nigung der Pleurahöhle von Blutgerinnseln, Naht einer Lungenwunde, Einstopfung 
eines Tampons in die Pleurahöhle. Verlauf in den ersten Tagen fieberhaft, doch 
ohne wesentliche Zwischenfälle günstigen Ausgang nehmend. Eine spätere genaue 
klinische Untersuchung des Genesenen ergab die Anzeichen der Herzbeutelver- 
wachsung. 


Im Anschluß an die eigene Beobachtung gibt T. eine Übersicht der gesammelten 
Statistik und Kasuistik der Herzverletzungen und der Resultate ihrer operativen 
Behandlung. Die Zahl der bekannten unoperierten Herzverletzungen beträgt 574 
mit einem Genesungsprozentsatz von 11—12%. Dagegen hat T. % Fälle von 
Herznaht wegen Verletzung gesammelt, deren Krankengeschichten er kurz wieder- 
gibt. Von diesen genasen 44,45%. Für die Prognose scheint nach T.'s Zählungen 
die Nachbehandlung der Herzbeutelwunde von besonderer Wichtigkeit, je nachdem 
sie ganz vernäht oder drainiert wurde. Unter 65 Fällen wurden 42 mit Vernähung 
behandelt — Sterblichkeit 59,52%, drainiert 23 — Sterblichkeit 34,78% ; bei Drai- 
nage scheinen die Genesungsaussichten mithin fast doppelt so groß. Für die Ver- 
schiedenheit in Nachbehandlung der Pleuraverletzungen ergeben sich keine solchen 
Verschiedenheiten. T. empfiehlt hier das von ihm gebrauchte Einstopfen eines 
Tampons nach Wolkowitsch. Die Lunge legt sich dabei, Verwachsungen bil- 
dend, an die Brustwand, bis auf einen mandarinengroßen, dem Tampon entsprechen- 
den Hohlraum, der sich leicht ausfüllt. Die Methode der operativen Herzbloß- 
legung betreffend, empfiehlt sich unter allen Umständen Rippenresektion, auch mit 
Rücksicht auf die Zeit nach der Genesung, da man mit der Herzbeutelverwachsung 
zu rechnen hat und bei Vorhandensein solcher die größere Beweglichkeit einer 
teilweise entknöcherten Brustwand wertvoll ist. Die Bildung der osteoplastischen 
Lappen besitzt gegenüber einfachen Rippenresektionen den Nachteil eines ungleich 
schwereren Eingriffes, ist auch nur bei ganz sicherer Diagnose, die doch nur 
selten im voraus stellbar ist, zu rechtfertigen. — Zum Schluß Literaturverzeichnis 


von 34 Nummern. Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 
44) E. Mislowitzer. Erfahrungen über die Bier’sche Behandlung 
der Mastitis. 


(Med. Klinik 1906. p. 887.) 


M. berichtet über 57 Fälle aus der v. Bergmann’schen Poliklinik. Erforder- 
lich sind eine größere Zahl möglichst hoher Saugglocken sowie eine gut gearbeitete 
Luftpumpe. Bei noch fehlender Erweichung lindert die Saugbyperämie die 
Schmerzen, beschleunigt die eitrige Einschmelzung und zieht den Eiter nach der 
Oberfläche. Ist schon Eiter nachzuweisen, so werden unter Athylchloridbesprühung 
ein oder mehrere Schnitte von 0,3—1 cm Länge angelegt. Dann wird 5 Minuten 
gesaugt, 3 Minuten pausiert und dieses Verfahren 45 Minuten fortgesetzt. Das 
Saugen ist auch dann noch einige Zeit fortzusetzen, wenn alle Entzündungserschei- 
nungen geschwunden sind. Sonst sind Rückfälle zu befürchten. Die Behandlung 
währte 4 Tage bis 9 Wochen, durchschnittlich nur 20 Tage, obwohl die schweren 
Fälle in der Mehrzahl waren. 

Das Verfahren ist in jedem Stadium und bei jeder Form der Brustdrüsen- 
entzündung anwendbar. Frühzeitig angewandt, verhütet es schwerere Entzündungen 
und bringt beginnende Eiterungen zum Rückgange. Die kleinen Schnitte schonen 


— 


1160 Zentralblatt für Ohirurgie. Nr. 43. 


das Drüsengewebe und sind später kaum noch sichtbar. Infolge der schonenden 
Behandlungsform werden die Frauen frühzeitiger ärztliche Hilfe in Anspruch 
nehmen, wodurch sich die Prognose weiter bessern wird. 

Georg Schmidt (Berlin). 


45) Barker. Un cas d’embolie au niveau de la bifurcation de l'aorte. 
Gangréne d’une jambe. Amputation sous anesthésie lombaire. 
(Biologie médicale 1906. Mai.) 


Bei einer 41jahrigen, korpulenten Pat. trat plötzlich über Nacht eine Embolie 
an der Teilungsstelle der Aorta ein. Infolgedessen kam es zur Gangrän des linken 
Beines bis übers Knie, während die anfänglich bestehenden geringeren Zirkulations- 
störungen der rechten Seite sich bald zurückbildeten. Daneben bestanden bei der 
Aufnahme außer starker Dilatatio cordis und Lungenemphysem ausgesprochene 
septische Erscheinungen. Ohne die Demarkierung abzuwarten, wurde bei schlech- 
testem Allgemeinbefinden unter Lumbalanästhesie in der Mitte des Oberschenkels 
im Bereiche von infiziertem Gewebe die Amputation ausgeführt. Die Pat. genas 
nach längerem Krankenlager. Müller (Dresden). 


46) M. Klar. Über kongenitale Osteodysplasie der Schlüsselbeine, 
der Schädeldeckknochen und des Gebisses. (» Angeborener Schlüssel- 
beindefekt.«) Ein kasuistischer Beitrag. 

(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XV. Hft. 2—4.) 


Als Osteodysplasia congenita bezeichnet Verf. eine amniogene Hemmungs- 
mißbildung, bei der ziemlich konstant folgende Anomalien zu beobachten sind: 
1) mangelhafte Ausbildung der Belegknochen des Schädels, 2) teilweiser oder gänz- 
licher Mangel eines oder meist beider Schlüsselbeine, 3) mangelhafte Zahnbildung 
mit Erhaltung eines Teiles des Milchgebisses, 4) Gaumenspalte oder hoher Gaumen, 
5) auffallend geringe Körperlänge bei großem Schädel, 6) Kyphoskoliose. Verf. 
berichtet ausführlich über einen derartigen Fall aus der Klinik von Vulpius in 
Heidelberg, ferner über 37 in der Literatur gefundene analoge Fälle und im Nach- 
trag über einen Fall, den Verf. im Lorenz’schen Ambulatorium für orthopädische 
Chirurgie im allgemeinen Krankenhaus in Wien zu untersuchen Gelegenheit hatte. 

Am Schluß der Arbeit findet sich ein erschöpfendes Literaturverzeichnias. 


47) 8. McKay. (Gangrene of the fingers following the administration 
of liquid ergot. 
(Brit. med. journ. 1906. August 18.) 

Ein Fall von Fingergangrän nach Ergotindosen, der die landläufige Ansicht, 
daß Ergotin niemals Gangrän verursache, widerlegt. Eine kräftige, gesunde Frau 
vom Lande, 30 Jahre alt, mit normalem Gefäßsystem und Herz, ohne Zucker, ohne 
Eiweiß, obne Trauma, nimmt große Dosen Ergotin, vom Apotheker verabreicht, 
um einen Abort hervorzurufen. Noch während sie die Arznei nimmt, beginnen 
die Fingerspitzen beider Hände nekrotisch zu werden. Mehrfache Amputationen 
im Bereiche der Mittelphalangen führten 1 Jahr später endlich zur Heilung. Über 
die Dosis Ergotin, die genommen wurde, ist nichts Genaues in Erfahrung zu bringen 
gewesen. Den damit verbundenen Zweck, Abort hervorzurufen, hat die Frau nicht 
erreicht. Weber (Dresden). 


Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man 
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- 
handlung Brestkopf & Härtel, einsenden. 


Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig, Nürnbergerstraße 36/38. 





Zentralblatt n 
C H IR U RGIE 


Auen 





b von Bergmann, F. König, E. Richter, 


in Berlin, in Jena, in Breslau. 





Dreiunddreifßigster Jahrgang. 


CY 
Wöchentlich eine Nummer, Preis des Jahrganges 20 Mark, bei halbjähriger. 
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten. 


— ———— — — — e — — —— — —— — — 
Nr. 44. Sonnabend, den 3. November. 1906. 





Inhalt: K. Fiedler, Ein ideales Leistenbruchband für Säuglinge. (Original- Mitteilung.) 

1) Hochenegg, Jahresbericht. — 2) Zuppinger, Dislokation der Knochenbriiche. — 
3) Lambotte, Operative Behandlung von Knochenbriichen. — 4) Vanghetti, Amputations- 
verfahren. — 5) Couteaud, 6) Manning, Schlüsselbeinbrüche. — 7) Bach, Schulterverren- 
kung. — 8) Schlatter, Mittelhandfrakturen. — 9) Zesas, Tuberkulose des Iliosakralzelenkes. 
— 10) Ewald, 11) Wollenberg, Angeborene Hiiftverrenkung. — 12) Frangenheim, Schenkel- 
halsbriiche. — 13) Helbing, Coxa vara. — 14) Soliero, Kniescheibenverrenkung. — 15) Pich- 
non, Muskelhernien am Unterschenkel. — 16) Narath, Varicen der unteren Extremität. --- 
17) Codiviila, Klumpfuß. — 18) Kirchner, Mittelfußfrakturen. — 19) Kirchner, Os Vesalia- 
num tarsi. 

20) Pluyette, Spontanheilung eines Aneurysma art. ven. — 21) Taddel und Prampolini- 
Angeborene Knochen- und GelenkmiBbildungen. — 22) Vulplus, Spinale Kinderlähmung. 
— 23) Hofmann, Extensionsverfahren. — 24) Riech, Vereiterung eines geheilten Knochen. 
bruches. — 26) Jurci¢, Hyperphalangie der Daumen. — 26) Heide, Kavernöses Angiom der 
Unterextremität. — 27) Creite, Verrenkung einer Beckenhälfte. — 28) Minssen und Weyde- 
mann, Retroperitoneale Cysten oder Senkungsabszesse. — 29) Blencke, 30) Wette, Angebo- 
rene Hiiftverrenkung. — 31) Silberstein, Hiftkontrakturen. — 32) Krüger, Abbruch des 
Trochanter major. — 33) Francke, Coxa vara. — 34) Creite, Zur Pathologie der Kniescheibe. 
— 36) Bötticher, 36) Ruppauer, Kniescheibenverrenkung. — 37) Sacharow, Gelenkmiuse 
im Knie. — 38) Bergmann, Verrenkung der Kniebandscheiben. — 39) Schmidt, Ganglion 
am Kniemeniscus, — 40) Gage, ZerreiBung der Sehne des M. quadriceps. — 41) Chevassu, 
Bruch der Tuberositas ext. tibiae. — 42) Martina, Myxoflbrosarcoma der Bursa achillea post. 
— 43) Becker, Fersenbeinbriiche. — 44) Serafini, Bruch des Os navic. tarsi. — 45) Gaugele, 
Subluxation des Os navicul. pedis. — 46) Ewald, Klumpfuß. — 47) Dreuw, Mitteilungen aus 
der Praxis. 








Ein ideales Leistenbruchband für Säuglinge. 
Von 
Dr. K. Fiedler in Valparaiso. 


Die Behandlung der Leistenbrüche bei Säuglingen und kleinen 
Kindern — soweit sie nicht operativ in Angriff genommen werden — 
bietet dem Arzte hin und wieder Schwierigkeiten. Die im Handel 
befindlichen Bruchbänder versagen häufig, weil sie an dem kleinen 
unruhigen Körper der Pat. nicht festliegen; die unvermeidliche fort- 
gesetzte Verunreinigung des Apparates führt zu Hautauaschligen. 


44 


1162 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 


Beginnen dann die Lymphdrüsen in der Leiste anzuschwellen und 
schmerzhaft zu werden, so wird der Druck der Feder überhaupt nicht 
mehr vertragen, und das Bruchband muß weggelassen werden. 

Mir hat eine überaus einfache Improvisation eines Bruchbandes 
in solchen Fällen ausgezeichnete Dienste geleistet; letzthin habe ich 
ausschließlich davon Gebrauch gemacht und bin, ebenso wie einige 
Kollegen, denen ich mündlich mein Verfahren mitteilte, von der Be- 
nutzung der federnden Bruchbänder ganz abgekommen. 

Das improvisierte Bruchband, das ich den Fachgenossen aufrichtig 
empfehlen kann, besteht aus einer Lage von weißem Wollgarn, die 
etwa 20—30 Fäden stark ist. Ich mache daraus eine Schlinge von 
35—45 cm Länge — je nach der Größe des kleinen Pat. — und 
befestige an dem einen Ende der Schlinge zwei Stückchen weißen 
schmalen Leinenbandes. Die in jedem Weißwarengeschäft käufliche 
Zephirwolle liegt bereits in Strähnen von ungefähr der angegebenen 
Länge. 


Fig. 1. 





In Fig. 1 sieht man die Schlinge fertig zum Gebrauch. — Vor 
ihrer Anwendung wird der Bruch reponiert; dann legt man sie wie 
einen Gürtel rings ums Abdomen. Wie in Fig. 2 ersichtlich ist, wird 
das mit den Leinwandbändchen verlängerte Ende durch die Schlinge 





Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 1163 


gezogen; auf die Leistengegend kommt ein kleiner fester Ballen von 
reiner Verbandwatte, die Kreuzungsstelle a der Schlinge direkt dar- 
über und das stramm angezogene Ende als Schenkelriemen ums Bein 
herum. Eine kleine Schleife der Leinwandbändchen befestigt denselben 
am Gürtel. 

Der elastische Druck des über dem Wattebausch gespannten 
Wollgarnes genügt vollkommen, um den Wiederaustritt des Bruches 
zu verhiiten. Läßt man die Mutter des Kindes ein halbes- Dutzend 
solcher Wollschlingen anfertigen, so kann bei jedem Windelwechsel 
ein reines, neugewaschenes Band umgelegt werden. In den ersten Tagen 
kann das Kind ruhig mit demselben gebadet werden. | 

Bei doppelseitigem Bruch müssen natürlich zwei Schlingen be- 
nutzt werden. 

Die Sache ist reinlich, einfach, billig, und, wie ich versichern 
kann, absolut leistungsfähig. Sie entspricht damit allen Anforderungen, 
die man an ein ideales Leistenbruchband für Säuglinge stellen kann. 


1) Hochenegg. Jahresbericht und Arbeiten der II. chirur- 
gischen Klinik zu Wien vom 1. April 1904 bis 31. Dezember 
1905. 5728. 129 Abbildungen. 

Wien, Urban & Schwarzenberg, 1906. 


Der vorliegende Jahresbericht erstreckt sich über die Zeit vom 
1. April 1904, dem Tage der Ubernahme der Klinik durch H., den 
Nachfolger Gussenbauer’s, bis zum 31. Dezember 1905. Das Buch 
bringt mehr als einen einfachen Jahresbericht; es enthält zugleich eine 
große Reihe betriebstechnischer Einzelheiten, die für den Leiter einer 
chirurgischen Klinik stets wertvoll sind, und legt zugleich Zeugnis 
von dem großen organisatorischen Talente H.’s ab, der es mit ver- 
hältnismäßig einfachen Mitteln verstanden hat, die klassische Stätte, 
an der einst Billroth wirkte, zu verbessern und den modernen 
chirurgischen Forderungen anzupassen. So findet sich eine eingehende 
Schilderung der baulichen Umänderungen und der Organisation des 
ärztlichen Dienstes; die Vorschriften für Arzte und Personal sind 
ausführlich im Wortlaut wiedergegeben. Einen hervorragenden Raum 
— über 300 8. — nehmen in dem Berichte die in dem genannten 
Zeitraume veröffentlichten wissenschaftlichen Arbeiten, Vorträge und 
wichtigeren Diskussionsbemerkungen H.’s und seiner Schüler ein, auf 
die hier nicht weiter eingegangen werden soll, da sie bereits an anderer 
Stelle veröffentlicht und zum größten Teile schon im Zentralblatte 
referiert worden sind. Der letzte Abschnitt des Buches bringt auf 
ca. 250 S. den Bericht über das behandelte Material, der besonders 
reich ist an Geschwülsten und Bauchchirurgie, während die Extremitäten- 
. chirurgie spärlicher vertreten ist. Die wichtigeren Kranken- und 
Operationsgeschichten sind ausführlicher und zum Teil unter Wieder- 
gabe guter Illustrationen mitgeteilt. 


44* 


1164 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 


Das Buch erweckt eine klare Vorstellung von der Tätigkeit der 
H.’schen Klinik, und der Umstand, daß die Stellungnahme zu mov- 
dernen chirurgischen Tagesfragen scharf präzisiert ist, verleiht ihm 
einen Wert, der über den Rahmen einer Statistik hinausgeht. Der 
Bericht kann als eine vorzügliche Informationsquelle bezeichnet werden, 
aus der jeder Chirurg, besonders aber der in leitender Stellung be- 
findliche, mit Vorteil schöpfen wird. Deutschländer (Hamburg). 


2) H. Zuppinger. Die Dislokation der Knochenbrüche. - 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLIX. p. 26.) 

Die Arbeit gibt die reiche Erfahrung eines Röntgenologen wieder, 
welche auf die Kontrolle zahlreicher konsolidierter Knochenbrüche 
begründet ist. 

Die Röntgenographie ist die exakteste und mitunter einzige Me- 
thode zur Feststellung von Dislokationen und gestattet in den meisten 
Fällen eine mathematische Berechnung des Dislokationswinkels, die 
Verf. als einfach empfiehlt. 

Die interessanten Darlegungen über den Entstehungsmechanismus 
der Frakturen und Dislokationen, sowie über die durch dauernde 
Dislokationen bedingten Veränderungen der Mechanik von Muskeln 
und Gelenken verlangen das Stadium des Originals. 

Für die Frakturbehandlung ergaben sich folgende Schlüsse: 

1) Die Dislocatio ad longitudinem bedarf zu ihrer Korrektur stets 
eines Zuges, gleichgültig, ob es sich um Verkürzung oder Distraktion 
oder Kombination mit seitlicher Verschiebung handelt. 

2) Auch die Dislocatio ad peripheriam erfordert Zugbehandlung, 
mögen die Fragmente sich nicht berühren oder reiten. 

3) Ebenso sind bei der Dislocatio ad axin erst die Muskeln zu 
erschlaffen und dann durch Zug zu dehnen, worauf die Korrektur von 
selbst erfolgt. 

Den gegen die Extensionsbehandlung erhobenen Einwurf, daß sie 
durch Bänderdehnung Schlottergelenke erzeuge, widerlegt Verf. mit 
dem Hinweis darauf, daß zur Erzeugung von Spannung zwei ent- 
gegengesetzt wirkende Zugkräfte notwendig sind, und daß speziell am 
Oberschenkel der durch Reibung und Adduktorenspannung zustande 
kommende Gegenzug, der zur Distention des Kniegelenkes führen 
kann, durch richtige Anwendung des Zuges, d.h. bei Beugung in 
Knie und Hüfte, unter Vermeidung der Abduktion sich leicht ver- 
meiden läßt. 

Da Knochenbrüche, die am 3. Tage noch nicht reponiert sind, 
sich entweder nur mit Mühe oder gar nicht mehr reponieren lassen, 
und Repositionsversuche in der 2. und 3. Woche die Stellung eher 
verschlechtern und die Konsolidation verzögern, so ist an der alten 
Regel möglichst frühzeitiger Reposition streng festzuhalten. 

Zu auffallenden Resultaten kommt Verf. bezüglich der typischen 
Radiusbriiche. Die Fixation der Hand in Volar- und Ulnarflexion 





Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 1165 


führt zu keiner vollständigen Korrektur der Deformität, beschränkt 
das Bewegungsfeld des Handgelenkes und verlegt es ulnarwirts. Das 
Capitulum ulnae wirkt nicht als Hypomochlion für eine Extension 
der Hand. Da zugleich ein kraftvoller Faustschluß stets mit Dorsal- 
flexion sich kombiniert, so empfiehlt Verf. die Extension bei leichter 
Dorsalflexion der Hand und Bewegung der Finger. 

Ebenso neu ist die Zugbehandlung der Fraktur der Humerus- 
diaphyse in Spitzwinkelstellung im Ellbogengelenk und der Tibia- 
diaphysenfraktur bei flektiertem Knie und leichter Plantarflexion im 
Fußgelenke. Reich (Tübingen). 





3). A. Lambotte. L'intervention opératoire dans les fractures. 


220 S. 254 Abbild. 
Brüssel, Lamertin, 1907. 


In dem vorliegenden, reich illustrierten Werke legt Verf. die Er- 
fahrungen nieder, die er in 187 Fällen mit der operativen Behandlung 
der Knochenbrüche gemacht hat. Hierbei hat Verf. zwei Todesfälle 
zu verzeichnen, wovon jedoch nur der eine als Folge der Operation 
zu betrachten ist. Ein Hauptkontingent zu den operativ behandelten 
Fällen stellten die Diaphysenbrüche des Unterschenkels (87 Fälle). In 
der Hauptsache beschäftigt sich L. mit der operativen Behandlung 
der frischen Frakturen. Die sekundären Eingriffe an veralteten, 
schlecht geheilten Briichen, Pseudarthrosen, Callusgeschwiilsten sind 
zwar auch in den Rahmen des Buches einbezogen, finden aber im 
allgemeinen eine kiirzere Besprechung, weil sie keine wesentlichen 
neuen Gesichtspunkte bieten. Zu bemerken ist hierbei nur, daß L. 
bei schief geheilten Brüchen die unblutige Osteoklase verwirft und 
auch hier stets die Freilegung der Bruchstelle in offener Wunde be- 
fürwortet. 

Bei frischen Frakturen steckt L. die Indikationsgrenze zum 
chirurgischen Eingriffe sehr weit. »Jede Fraktur, die nach richtig 
durchgeführter Reposition nicht vollkommen korrigiert ist, erheischt 
den chirurgischen Eingriff.« L. legt den Schwerpunkt auf die »mathe- 
matisch genaue« Wiederherstellung der Knochenform. Er hat zu 
diesem Zweck ein Verfahren ausgebildet, das er als Osteosynthese 
bezeichnet, und das ihm, obwohl es noch manche Lücken aufweist, 
berufen zu sein scheint, eine wichtige Rolle in der operativen Fraktur- 
therapie zu spielen. Die technischen Einzelheiten, sowie das Instru- 
mentarium, welches L. sich nach vielen Versuchen hierfür ausgebildet 
hat, sind eingehend in dem ersten Teile des Werkes beschrieben. Die 
Technik der Osteosynthese umfaßt drei Zeiten: 1) die Freilegung der 
Fraktur, 2) die Reposition und vorübergehende Fixation derselben 
und 3) die dauernde Fixation und der Wundrerschluß. Großen Wert 
legt L. auf die Erhaltung der Reposition während des Aktes der 
Dauerfixation. Er hat zu diesem Zweck eine Reihe teils gerader, 
teils geschweifter Zangen und Instrumente konstruiert, vermöge deren 


1166 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 


selbst dann eine exakte Reposition aufrecht erhalten werden soll, 
wenn der Knochen in viele kleine Bruchstücke zersplittert ist. Für 
die dauernde Vereinigung der Bruchstücke verwirft L. im allgemeinen 
die übliche Knochennaht mit Metalldrähten als unzulänglich. Als 
wirksamstes mechanisches Hilfsmittel, um dauernd die Knochen in 
ihren normalen Beziehungen zu erhalten, hat sich ihm die Schraube 
bewährt. L. wendet entweder die einfache Verschraubung der Bruch- 
stücke an, wobei die besonders konstruierten Schrauben versenkt liegen 
bleiben und nur dann entfernt werden, wenn sie Störungen verursachen, 
oder er benutzt in schwierigen Fällen versenkte Metallprothesen aus 
Aluminium, die in die Corticalis festgeschraubt werden. Für Dia- 
physenbrüche hat L. einen komplizierten, im wesentlichen aus einem 
ganzen System von Schrauben und Schraubenmuttern bestehenden 
Apparat konstruiert, den er als »Fixateur« bezeichnet, und der den 
Vorteil hat, daß er nach erfolgter Konsolidation wieder entfernt werden 
kann. Außer den Schrauben verwendet L. häufig U-förmig gebogene 
Klammern und Haken zur Festlegung der Bruchstücke. "Bei Schräg- 
brüchen, Kniescheibenbrüchen usw. macht L. vielfach von der Um- 
schnürung (Cerclage) Gebrauch, und zwar entweder für sich allein oder 
auch in Verbindung mit der Verschraubung. Mittels dieser Methoden 
hat L. in der Tat, wie die beigefügten Röntgenbilder zeigen, in einer 
Reihe von Fällen ideale Formverheilungen erzielt. 

Die Osteosynthese soll stets erst eine geraume Zeit nach der Ver- 
letzung, im Durchschnitt etwa 8—14 Tage später, vorgenommen 
werden; bei komplizierten Brüchen muß erst der vollkommen fieber- 
freie Wundverlauf abgewartet werden. Strengste Asepsis, bezüglich 
deren genaue Vorschriften gegeben werden, ist unerläßliche Vorbe- 
dingung für die Osteosynthese. In der Nachbehandlung spielen früh- 
zeitige Bewegungsübungen, die schon am 4. Tage nach der Operation 
beginnen, eine wesentliche Rolle. 

Im Anschluß an die Beschreibung der Technik folgt sodann die 
Mitteilung einer großen Zahl von Krankengeschichten, die Frakturen 
der verschiedensten Art betreffen und die durch zahlreiche Röntgen- 
skizzen erläutert sind. Bei Frakturen, in denen Verf. persönliche Er- 
fahrungen fehlen, teilt er die einzuschlagende Operationstechnik mit. 

Die Erfahrungen des Verf. besitzen zweifellos einen großen Wert 
für die operative Frakturtherapie, und gerade aus diesem Grunde 
wäre es wünschenswert gewesen, wenn die Beobachtungen nicht so 
summarisch wiedergegeben, und wenn wenigstens die wichtigsten 
Krankengeschichten so ausführlich mitgeteilt worden wären, daß sich 
der Leser ein eigenes Urteil über den Wert der verschiedenen Me- 
thoden bilden könnte. Die Ausstattung des Buches ist sorgfältig; 
die Abbildungen weisen eine große Zahl — etwa 70 — gut ausge- 
führter Tafeln auf. Deutschländer (Hamburg). 


Zentralblatt für Chirurgie Nr. 44. 1167 


4) Vanghetti. Plastica e protesi cinematiche. Nuova teoria 
sulle amputazioni e sulla protesi. 250 S. Mit Figuren und 


6 Tafeln. 
Empoli, E. Traversari, 1906. 

Verf. beschreibt im vorliegenden Buche sein bereits früher bekannt 
gegebenes und in d. Bl. (1900 Nr. 23 p. 598) schon einmal besprochenes 
Verfahren. Dasselbe besteht kurz gesagt darin, daß bei Amputationen 
Muskeln und Sehnen, besonders solche, die eine bedeutendere Funktion 
haben, tunlichst erhalten werden sollen. Sie werden alsdann, von Haut 
umkleidet, zu Schlingen zusammengenäht oder geknotet, Hautdupli- 
katuren werden eventuell durchbrochen, um eine Schlingenform zu bilden. 
Der Retraktion dieser Sehnen und Muskeln wird durch Aufspannen 
auf besonders konstruierte Schienen entgegengearbeitet. Solche Muskel- 
und Sehnenschlingen sollen durch ihre Kontraktion imstande sein, an- 
gehängte Gegenstände zu halten und vor allem entsprechend kon- 
struierte gelenkige Prothesen zu bewegen. Im zweiten Abschnitte des 
Buches werden diese beweglichen künstlichen Glieder eingehend be- 
handelt. 

Den Tierversuehen, die die praktische Ausführbarkeit der besagten 
Ideen dartun, fügt Verf. noch zwei Krankengeschichten von Pat. hinzu, 
die Prof. Ceci in Pisa operiert hat. Beide Male waren die einander 
gegenüber gestellten Muskelstümpfe am Arme fähig, angehängte Ge- 
wichte zu tragen und durch ihre Kontraktion die Hand einer ent- 
sprechend konstruierten gelenkigen Prothese so fest zusammen zu 
schließen, daß schwerere Gegenstände mit ihr gefaßt und gehalten 
werden konnten. — Mögen auch dem Verfahren noch vielerlei prak- 
tische Schwierigkeiten entgegenstehen, so erscheint die Idee des Verf. 
immerhin interessant und beachtenswert und ein weiterer Ausbau des 
Verfahrens vielleicht nutzbringend. A. Most (Breslau'. 





5) Couteaud. ‘Traitement esthétique des fractures de la 


clavicule. 
(Gaz. des. hôpitaux 1906. Nr. 100.) 

Einer zwar nicht neuen, aber von ihm aufgenommenen und aus- 
gebildeten Methode sucht C. das Bürgerrecht zu erwerben. Sie be- 
steht darin, daß Pat. dicht an den Bettrand gelegt wird und den Arm 
der kranken Seite senkrecht zur Erde hängen läßt, wodurch ein so starker 
Zug am gebrochenen Schlüsselbein ausgeübt wird, daß Reposition und 
Fixation der Fragmente in befriedigendster Weise stattfinden. Der 
Arm kann im Ellbogen gebeugt werden und der Unterarm auf einer 
20 cm tiefer befindlichen Schwebe aufruhen. Die Pat. empfanden diese 
Lage nur in den ersten 2 Tagen unangenehm. C. glaubt, daß der Er- 
folg nicht beeinträchtigt wird, wenn dieses Verfahren erst 3 Tage nach 
der Verletzung zur Anwendung kommt. Sollten irgendwelche Wider- 
stände den Ausgleich der Dislokation stören, so könne man am Ober- 


1168 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 


arm eine Gewichtsextension anbringen. Die durchschnittliche Dauer 
der Hängelage betrug bei seinen Fällen 18 Tage. Das stets auf- 
tretende Odem des Armes wich wenigen Massagen. 

In einem Falle, wo die Verknöcherung zégerte, gab C. sehr reich- 
lich Zucker zu essen. Er glaubt dadurch eine besonders schnelle 
Konsolidierung erreicht zu häben. Mertens (Breslau). 


6) Manning. An improved method of putting up fractured 
| clavicles. 
(Practitioner 1906. September.) 

Modifikation des Sayre’schen Heftpflasterverbandes zur Behand- 
lung der Schliisselbeinbriiche. Statt der Heftpflasterstreifen fiir Schulter 
und Ellbogen nimmt Verf. zwei weiche Gurten, die genau wie beim 
Sayre’schen Verbande den Arm stiitzen, aber von einer die gesunde 
Schulterpartie umhüllenden weichen Kappe — die einer halben Weste 
vergleichbar ist — abgehen und auf der anderen Seite mittels Naht 
an derselben befestigt werden. Jenckel Göttingen’. 


7) T. Bach. Die Repositionshindernisse bei der präglenoi- 
dalen Schultergelenkluxation mit spezieller Berücksichtigung 
der Luxatio subcoracoidea. 

(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXIII. p. 27.) 

Die Arbeit ist auf Anregung Kocher’s geschrieben und ver- 
tritt ausschließlich die Theorien dieses Chirurgen in Sachen der 
Schulterverrenkung. Hiernach bestehen die Hindernisse für die Re- 
position dieser Verrenkung in keinerlei Muskelwiderständen oder Kon- 
traktionen, sondern lediglich in Spannung der Gelenkbänder, nament- 
lich des Lig. coraco-humerale, und die allseitig als vorzüglich anerkannte 
Kocher’sche Repositionsmethode verdankt ihre Wirksamkeit eben 
der durch sie sicher herbeizuführenden Entspannung dieser Bänder. 
Bei seiner Beweisführung berücksichtigt B. eingehend die Anatomie 
des normalen und verrenkten Gelenkes und setzt sich mit den den 
Kocher’schen Standpunkt nicht teilenden Autoren kritisch-polemi- 
sierend auseinander. Das wichtigste Beweismoment bilden drei eigene 
Verrenkungsversuche an Leichen, deren anatomischer Befund, die 
Kocher’sche Theorie stützend, genau beschrieben wird. Wenn Dol- 
linger in sieben Fällen veralteter Verrenkung allerdings nachwies, 
daß der retrahierte und sklerosierte Subskapularmuskel ein bedeuten- 
des Repositionshindernis bildet, ist hiermit noch nicht bewiesen, daß 
dieser Muskel bei der frischen Verrenkung die Reposition hemmt. 

Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


8) O. Schlatter. Über die Frakturen der Mittelhandknochen. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLIX. p. 280.) ' 

Von den immer noch häufig mißkannten und in ihrem Eutste- 

hungsmechanismus mißdeuteten Mittelhandbrüchen hat Verf. 23 rönt- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 1169 


genoskopisch kontrollierte Fälle der Züricher Klinik gesammelt, dabei 
aber isolierte Absprengungen an den Gelenkenden und nicht durch 
Röntgenogramme belegte Fälle ausgeschieden. 

Zur Diagnose genügt die gewöhnliche dorsovolare Durchleuchtung 
nicht immer, vielmehr ist eine solche in anderer Richtung mitunter 
vonnöten. Aus naheliegenden Gründen finden sich diese Brüche 
hauptsächlich beim männlichen Geschlecht (22:1). 

Der Bruchform nach wurden 11 Quer- und 10 Torsionsbrüche 
beobachtet. Die Querbrüche entstanden ausnahmslos durch eine 
direkte, die Längsachse der Knochen senkrecht meist vom Rücken 
her treffende Gewalt und betrafen mit Vorzug den II. und III. Meta- 
carpus. Schrägbrüche, welche durch Stoßwirkung in der Knochen- 
achse entstehen sollen, hat Verf. nicht gesehen und bezweifelt auf 
Grund seiner Erfahrungen und theoretischen Bedenken die’Richtigkeit 
der öfter auf Querfraktur gestellten Diagnosen. 

Überraschend ist die Häufigkeit der Torsionsbriiche (10: 23), 
deren Gebiet im Gegensatze zu den Querbrüchen die äußere Hälfte 
der Metakarpalreihe, insbesondere des V. Metacarpus (5mal unter 
10 Fällen) darstellt. Als häufigster Entstehungsmechanismus ergab 
sich Torsion der gebeugten Finger bei gleichzeitigem Stoß in der 
Längsachse der Knochen, wie er meist zustande kam durch Fall auf 
die Hand bei gebeugten Fingern oder durch Streifen der äußeren 
Handseite an einem festen Gegenstand. Die Mehrzahl der Schrauben- 
linien verläuft von ulnar-distalwärts in radial-proximaler Richtung, 
selten entgegengesetzt. 

Für die Reposition der Spiralbrüche läßt sich das gefährliche 
Rotationsverfahren durch Zug mit seitlichem Druck ersetzen. Zur 
Fixation in korrigierter Stellung eignet sich ein Verband nach Beck, 
der Gummidrains in die benachbarten Zwischenknochenräume legt, 
diese durch Heftpflaster fixiert und eine Handschiene anlegt. Bei 
zweckmäßiger Behandlung hat die Prognose der Mittelbandbrüche nur 
ausnahmsweise mit bleibenden Störungen zu rechnen. 

Nur in einem der beobachteten Fälle rechtfertigte die durch 
Callusmassen bedingte Streckbehinderung eine Unfallrente von 10%. 

Beich (Tübingen). 


——— — — 


9) D. G. Zesas, Über die Tuberkulose des Iliosakralgelen- 
kes. (Die tuberkulöse Sakrokoxalgie.) 
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XV. Hft. 2-4.) 

Der Verlauf der Krankheit ist stets ein schwerer. Verf. be- 
spricht ausführlich Atiologie, pathologische Anatomie, Symptomatologie 
und Diagnostik, schließlich die Therapie. Er konnte in der Literatur 
94 operativ behandelte Fälle zusammenstellen. Die am meisten Er- 
folg versprechende Operation ist die Resektion des Gelenkes nach 
Bardenheuer, die näher beschrieben wird unter kurzer Mitteilung 

444% 


1170 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 


von acht von Bardenheuer in den letzten Jahren operierten Fällen. 
Von diesen acht Fällen wurden sechs geheilt. 
Der Arbeit ist ein ausführliches Literaturverzeichnis beigegeben. 
J. Riedinger (Würzburg). 





10) P. Ewald. Keimfehler oder abnorme Druckwirkung? 
(Zugleich Erwiderung auf Wollenberg’s Abhandlung: »Uber 
die Kombination der angeborenen Hüftgelenksverrenkung 


mit anderen angeborenen Deformitäten«. 
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XV. Hft. 2—4.) 


11) G. A. Wollenberg. Keimfehler oder abnorme Druck- 


wirkung? Bemerkung zu Ewald’s gleichnamigem Aufsatz. 
(Ibid.) 

Nach E. bringt uns die Annahme eines Vitium primae formatio- 
nis keinen Schritt weiter in der Erkenntnis der angeborenen Hüft- 
verrenkung, wenn wir auch für einige wenige Fälle eine andere Er- 
klärung noch nicht haben. Für die meisten Fälle reicht die mecha- 
nische Theorie allein aus. 

Nach W. sprechen gegen die mechanische Theorie hauptsächlich 
die Erblichkeitsverhältnisse und die häufigen Veränderungen am oberen 
Pfannendach der gesunden Seite. Die Keimfehlertheorie verdient für 
die Hüftverrenkung den Vorzug. J. Riedinger (Würzburg). 





12) P. Frangenheim. Studien über Schenkelhalsfrakturen 


und die Vorgänge bei ihrer Heilung. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXIII. p. 401.) 

Die Arbeit beruht auf gründlichen Untersuchungen an Schenkelhals- 
bruchpräparaten aus der Sammlung des Altonaer Krankenhauses, von 
denen lehrreiche Stücke genau, auch röntgenographisch und histologisch 
beschrieben werden. Diese Beschreibungen zeugen von dem großen 
Fleiße des Verfassers, dürften aber bei ihrer großen Länge schwerlich 
viel ausdauernde Leser finden, zumal es an ausreichender Erläuterung 
durch Abbildungen fehlt. Insbesondere sind gar keine Röntgenogramme 
beigegeben, vielmehr diese in den »Fortschritten auf dem Gebiete der 
Röntgenstrahlen« veröffentlicht, worauf F. verweist — trotzdem wird 
vom Röntgenbefund weitläufig gehandelt. Die Illustrierung beschränkt 
sich auf fünf skizzierte Figuren, verschiedene Typen der extrakapsu- 
lären Bruchform darstellend, eine als sehr schön und genau hervor- 
zuhebende Abbildung, einen Schnitt durch einen fibrös geheilten intra- 
kapsulären Bruch betreffend, und zwei farbige histologische Abbil- 
dungen, bei kleiner Vergrößerung Schnitte durch die fibröse Vernarbung 
je eines extra- und intrakapsulären Bruches darstellende. Um den sehr 
umfangreichen histologischen Schilderungen zu folgen aber ist der 
Leser ganz auf seine Phantasie angewiesen. 


Zentralblatt für Ohirurgie. Nr. 44. 1171 


Von den Allgemeinergebnissen der Untersuchungen scheint dem 
Ref. folgendes hervorhebenswert. Heilung der Schenkelhalsbrüche, 
selbst der intrakapsulären, ist möglich, nur dauert sie sicher lange 
Zeit, länger als gewöhnlich vorausgesetzt wird, und auch anscheinend 
fest konsolidierte Brüche erweisen sich, wie F. bei einer extrakapsu- 
lären noch nach 81/, Monaten erfuhr, als nur fibrös verheilt. Man 
findet dann zwischen den Bruchstücken eine sehr feste bindegewebige 
Narbe. Beim extrakapsulären, auch basalen oder lateralen genannten 
Halsbruch sind die Heilungsverhältnisse wegen der hier stattfindenden 
Einkeilungen des Halsstumpfes in die Trochantergegend des Schaftes 
günstiger. Wo die Spongiosa des Halses und der Trochanterpartie 
sich berühren, bildet sich eine feste Narbe aus, die dem keilférmigen 
Halsstumpf einen sichern Halt gibt. Zu beiden Seiten dieser Narbe 
findet Knochenneubildung statt, bis sich — oft erst nach langen Mo- 
naten — die jungen Knochenbälkchen von hier und dort zusammen- 
finden. Erst unter dem Gebrauche des Beines setzen die Vorgänge 
der Knochentransformation ein, die die Architektur der Spongiosa 
der Statik gemäß umformen. Die bindegewebige Narbenvereinigung 
der Bruchstücke bei deren ungünstiger Stellung wird eingeleitet durch 
einen Abschluß der Markhöhle an den beiden Bruchflächen, indem 
sich zunächst der gesetzte Bluterguß, dessen zellige Bestandteile in 
einem Fibrinnetz liegen, organisiert. Der sich später hier bildende 
Knochen entspringt ausschließlich dem Mark, ohne Beteiligung des 
Periosts. Nebenher geht aber regelmäßig Callusbildung am Schenkel- 
schaftende, die dieses in der Trochantergegend mit einer dicken Schale 
umgibt. Dieser Callus wird oft in geradezu verschwenderischer Weise 
gebildet, und um so reichlicher, je ungiinstiger die Bruchstiicke zu- 
einander stehen und je weniger fest die Knochenverkeilung ist. An 
der Knochenneubildung beteiligen sich hier außer dem Periost und 
der Gelenkkapsel sehr wahrscheinlich die Muskeln, deren Verknöche- 
rung sehr häufig zu sein scheint, so daß sie, wie F. ausführt, an die 
Myositis ossificans gemahnt. 

Bei intrakapsulären bzw. »medialen« oder »subkapitalen « Schenkel- 
halsbrüchen hat F. in den ihm zur Verfügung stehenden Präparaten 
eine knöcherne Heilung nicht finden können. Findet sich der Heilungs- 
vorgang überhaupt eingeleitet, so sind die feineren Befunde ähnlich 
wie bei dem extrakapsulären Bruch: Abschluß der beiderseitigen Mark- 
höhlen, Zwischenwachsen von Bindegewebe, Verknöcherung des letz- 
teren. Dabei findet (wie auch beim extrakapsulären Bruch) eine »un- 
geheuer reichliche Gefäßneubildung« statt, der die normalerweise 
auch im hohen Alter gute Vaskularisation der Schenkelepiphysengegend 
und auch des Lig. teres zustatten kommt. Zu periostaler Callusbildung 
ist keine Gelegenheit, so daß der ganze Heilungsprozeß allein von 
der Spongiosa ausgehen muß. Bei dem so häufigen völligen Heilungs- 
ausbleib bei diesen Brüchen ist Interposition von Teilen der zerrissenen 
Gelenkkapsel zwischen die Bruchstücke von großer Wichtigkeit. Auch 
ist die oft in erstaunlich kurzer Zeit vor sich gehende Resorption des 


1172 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 


Schenkelhalses und die Pseudo- bzw. Nearthrosenbildung zwischen 

Hals- und Kopffragment hier hervorzuheben. Auch fiir diese Vor- 

gänge gibt F. ausführliche histologische Detailbefundaufnahmen. 
Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 





13) C. Helbing. Die Coxa vara unter Zugrundelegung des 
Materials aus der Privatklinik des Herrn Geheimrat Hoffa 
und der kgl. Universitätsklinik für orthopädische Chirurgie 
zu Berlin. 
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XV. Hft. 2-4) 

In der vorliegenden, 130 Seiten mit 81 sehr instruktiven Abbil- 
dungen enthaltenden Arbeit ist nach dem heutigen Stande der Wissen- 
schaft eine erschöpfende Darstellung des Krankheitsbildes gegeben. 
Verf. hat das Wissenswerteste aus 202 Arbeiten der Literatur zu- 
sammengetragen. Er verfügt außerdem allein über 77 klinisch be- 
obachtete Fälle. Von Bedeutung ist besonders die Schilderung der 
operativen Therapie aus eigener Erfahrung. 

Bei der Gruppierung der Krankheitsbilder im ersten Teile der 
Arbeit folgt Verf. dem von Alsberg gegebenen Schema. Der zweite 
Teil behandelt das Wesen, den Begriff, die Anatomie, das klinische 
Bild und die Therapie der Coxa vara. Einige durch Operationen 
gewonnene Präparate wurden zu histologischen Untersuchungen ver- 
wendet. J. Riedinger (Würzburg). 


14) Soliero. Lussazione della rotula. 
Siena 1906. 


Die sorgfältige Monographie stützt sich auf die Bearbeitung von 
294 im Auszug zusammengestellten Fällen der Literatur. Nach einer 
Erörterung der Anatomie und Physiologie der Kniescheibe, speziell 
ihres Bandapparates, weist L. darauf hin, daß der Name Luxation 
zwar an sich nicht richtig sei, da es sich vielmehr um Verschiebungen 
der Quadricepssehne handle, daß man aber den Namen, weil üblich, 
beibehalten möge. Er macht folgende Einteilung (s. p. 1173): 


Von jeder einzelnen Form wird der Mechanismus besprochen. 

Für das Zustandekommen der traumatischen Verrenkungen spielt 
die Kontraktion des Quadriceps die größte Rolle, dann das Trauma 
und endlich disponierende Zustände am Band- und Knochenapparat. 
Der Grad der Zerreißung der Bänder ist bei den einzelnen Graden 
verschieden. Bei den veralteten ist der Zustand der Bander entschei- 
dend. Es handelt sich meist um Luxationen auf der Außenseite des 
Condylus externus. Unter den Komplikationen, die sich im Laufe 
der Zeit anschließen, ist das Genu valgum die wichtigste. 

Den pathologischen Verrenkungen schließen sich Gelenkentzün- 
dungen, Arthritis deformans, osteomyelitische Prozesse usw. an. 


1173 


Nr. 44. 


irurgie. 


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Als kongenitale Verrenkungen sind nur solche zu bezeichnen, 
welche bei der Geburt schon bestanden, nicht aber solche, welche auf 
Grund pathologischer angeborener Disposition des Knochen- oder 
Bandapparates sich später entwickelten. Es handelt sich stets um 


1174 ‚Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 


Verrenkungen nach außen. Der Condylus externus ist abnorm niedrig 
oder kann fehlen, das Femurende verdickt, event. Genu valgum. Auch 
hier bilden sich sekundäre Veränderungen, andererseits kann nach 
erfolgreicher Herstellung normaler Lage die Kniescheibe allmählich 
wachsen und normal werden. Als Atiologie wird ein primärer Ent- 
wicklungsfehler angenommen. Die operative Behandlung ist, wenn 
irgend möglich, stets vorzuziehen. E. Pagenstecher (Wiesbaden). 





15) Pichnon. Ruptures aponeurotiques et hernies musculaires 
de la region jambiere anterieure observées ches des chasseurs 
alpins. 

(Arch. de méd. et de pharm. militaires 1906. Juni.) 

Die Rupturen der Unterschenkelfascie mit Hindurchtreten von 
Muskelmasse durch den Spalt nennt P. wahre Muskelhernien im Gegen- 
satz zu den Pseudohernien dieser Gegend, bei denen es sich um das 
Vorbuchten der unverletzten Fascie durch den partiell zerrissenen 
Muskel handelt. Auf Rupturen der Aponeurose untersuchte er 217 
Alpenjiiger; er fand 39 = 18%. Die meisten Leute wußten nichts 
von dem Vorhandensein des Spaltes, alle taten ihren Dienst, die 
größere Anzahl stand im zweiten Dienstjahre. Atiologisch kommt 
nur ein Trauma in Betracht, und zwar entweder Fall auf einen 
spitzen Gegenstand oder eine heftige Muskelkontraktion. Der in Be- 
tracht kommende Muskel — der große Zehenstrecker — ist eng in 
der Aponeurose eingeschlossen; da diese nach hinten zu (Lig. interos- 
seum) stärker ist als vorn, so reißt sie an letzterer Stelle ein; und 
zwar sind es die schwächeren transversalen Fasern, die nachgeben. 
Eine angeborene Schwäche der Gewebe kommt hierbei nicht in Be- 
tracht, wohl aber kann eine schlecht sitzende Ledergamasche das 
Eintreten des Bruches begünstigen. Manövrieren in bergigem Gelände 
wird nicht selten als Gelegenheitsursache gefunden werden. Der Spalt 
sitzt meistens über dem großen Zehenstrecker dort, wo sich der Muskel 
zur Sehne umwandelt, und drei Fingerbreiten nach außen von der 
Schienbeinkante. Seine Länge beträgt gewöhnlich 6—10 mm. 

Die Symptome sind gering, leichtes Ermüdungsgefühl im Unter- 
schenkel wird zuweilen angegeben. 

Es ist zu unterscheiden zwischen intermittierenden und perma- 
nenten Hernien. Bei der intermittierenden Form ist der Fascienspalt 
klein, und es tritt nicht immer der Muskel durch denselben, sondern 
nur bei kräftiger Bewegung, während er bei der permanenten Form 
größer ist, so daß der Muskelbruch bei jeder Bewegung hindurchtritt. 

Herhold (Altona). 


16) A. Narath. Über die subkutane Exstirpation ektatischer 
Venen der unteren. Extremität. 
(Deutsche” Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXIII. p. 104.) 
_ Um die ektatischen Beinvenen (Saphena) in ganzer Länge zu ex- 
stirpieren ohne übermäßig lange Hautschnitte anzulegen, macht N. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 1175 


entlang dem Venenverlauf oben an der höchsten Stelle beginnend in 
Abständen von 10—20 cm kleine Inzisionen, von denen aus der Ge- 
fäßstamm aus seinem Bette herausgeholt, frei gemacht und gelockert 
wird, was bei Anziehen der Vene mittels eines angelegten Schiebers 
sehr gut geht. Wo sich größere Seitenäste zeigen, sind die Schnitte 
so zu legen, daß der Ast unterbunden und getrennt werden kann. 
Zu Anfang der Operation wird der Hauptstamm gleich unterbunden 
und getrennt, um Embolien vorzubeugen. Zum Schluß kann man die 
Vene entweder unversehrt oder stückweise aus den Knopflöchern 
herausziehen. Dann Hautnaht usw., Aufstehen des Pat. mit ge- 
wickeltem Bein nach 14 Tagen. Die Resultate waren bei einer 
»größeren Zahl von Pat.« sehr günstig, ein »nicht geringer Teil« der 
Operierten wurde militärdienstfähig. 

Das Verfahren ist zwar, wie N., Gurlt’s Geschichte der Chirur- 
gie anziehend, nachweist, schon 1!/, Jahrtausend alt und von Ori- 
basius, Paulus von Aegina, Abulkasim beschrieben, aber der 
Neuzeit nicht geläufig, Es verdient wieder in Übung zu kommen. 
Bei Gegenwart geschwulstartiger Venenkonvolute ist es allerdings nicht 
brauchbar. Doch kann es mit der Exstirpation solcher kombiniert 
werden. Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 





17) Codivilla. Sulla cura de piede equino-varo congenito. 
(Arch. di ortopedia 1906. Nr. 3.) 

C. erklirt das unblutige, modellierende Redressement fiir das 
beste und normale Verfahren in der KlumpfuBbehandlung. Es ist 
dazu jedoch Geduld und Zeit erforderlich. Für solche Fälle, bei wel- 
chen aus äußeren Gründen ein rascheres Resultat angestrebt werden 
muß, hat er folgende blutige Operation ausgearbeitet und bisher an 
17 Kindern von 2—4 Jahren mit 27 Klumpfüßen 2. und 3. Grades 
mit gutem Erfolge bezüglich Form und Funktion angewendet: Großer 
Längsschnitt innen von der Basis des I. Metacarpus bis zum unteren 
Unterschenkeldrittel. Tenotomie der Fascia plantaris und des Ad- 
ductor hallucis. Z-förmige Durchschneidung der Sehnen des Tibialis 
anticus, Flexor hallucis, Tibialis posticus, Flexor digitorum communis. 
Die Gelenkverbindungen zwischen Metatarsus und Keilbeinen, Keil- 
und Kahnbein, das Ohopart’sche Gelenk werden auf der Innenseite 
durchtrennt; das Lig. calcaneo-scaphoideum externum, ferner die in- 
neren und hinteren Bandverbindungen zwischen Talus und Calcaneus 
werden durchschnitten. Es folgt nun noch subkutane Verlangerung 
der Achillessehne, Naht der durchtrennten Sehnen. Durch diese aus- 
gedehnte Operation, welche, wie das unblutige Verfahren, sich aus- 
schlieBlich gegen die Weichteile richtet, läßt sich eine völlige Korrek- 
tion der Deformität erzielen. Heilung erfolgt in 6—8 Wochen im 
Gipsverbande. Nur in wenigen Fällen ist es notwendig, etwas vom 
Malleolus internus wegzunehmen, um eine Korrektur im Sprunggelenke 
zu erreichen. E. Pagenstecher (Wiesbaden). 


1176 Zentralblatt für Ohirurgie. Nr. 44. 


18) A. Kirchner. Die Frakturen des Metatarsus. 
(Schmidt’s Jahrbücher Bd. CCXCLI p. 18.) 

Verf., der bereits mehrfach dieses Gebiet selbst bearbeitet hat, 
bietet in der vorliegenden Abhandlung eine außerordentlich sorgsame, 
bis ins einzelne gehende und kritisch gesichtete Zusammenstellung der 
zu dieser Frage erschienen Arbeiten {78 Literaturnummern). K. be- 
spricht zuerst die Metatarsalbrüche durch direkte und dann die durch 
indirekte Gewalt und erörtert im Anschluß hieran eingehend Ursache, 
Wirkung und Art der Frakturen, Entstehungsmechanismus, die Sym- 
ptome, Diagnose und BehandInng. Für eine weitere Bearbeitung der 


Frage dürfte das vorliegende Referat ein wesentliches Hilfsmittel sein. 
Deutschländer (Hamburg). 


19) A. Kirchner. Die Epiphyse am proximalen Ende des 


Os metatarsi V. und das sog. Os Vesalianum tarsi. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXX. Hft. 3.) 

K. hält die Epiphyse am proximalen Ende des Metatarsale V für 
noch häufiger, als sie Gruber gefunden, der eine Häufigkeit von 
14% angibt. M. fand sie bei 6 Metatarsalien 5mal. Wie oft sie 
vorkommt, das zu entscheiden bedarf es einer noch größeren Anzahl 
von Beobachtungen, die zu machen besonders die Chirurgen bei Fuß- 
durchleuchtungen Gelegenheit haben. Sie sitzt immer genau an der 
Stelle, mit der beim Aufsetzen der Fußsohle beim Gehen die Tubero- 
sitas met. V. auf den Fußboden auftritt. Ihre Entwicklung erfolgt 
also wahrscheinlich unter dem Einfluß der Belastung beim Gehen, 
und ihre Ausbildung ist vielleicht abhängig vom Grade der Belastung 
beim Gehen und vom Bau des Fußes. 

Bezüglich des Os Vesalianum konstatiert Verf., daß dasselbe nicht 
von Vesal als Einzelbefund erwähnt werde, wie Pfitzner behauptet, 
sondern daß er es häufig beobachtet und für konstant gehalten habe. 
Indessen ist die Deutung des Ossiculum u bei Vesal nicht ganz genau 
zu bestimmen. E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


Kleinere Mitteilungen. 


20) Pluyette (Marseille). Guérison spontanée d’un anévrisme artério- 
veineux. 
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXII. p. 279.) 


Bei dem von P. beobachteten Falle war ein Aneurysma der rechten Subclavia 
durch einen Revolverschu8 entstanden. Nach der Verletzung fand.sich unter dem 
rechten Schlüsselbein eine Geschwulst, an der deutliches Schwirren fühl- und hör- 
bar war. Als Pat. nach 1 Monat wegen heftiger Schmerzen im Vorderarme wieder 
ins Hospital kam, zeigte sich, daß die Geschwulst verschwunden, das Schwirren 
nicht mehr vorhanden war. Die Arterien der Extremität, an denen keine Pulsa- 
tion mehr bestand, erschienen derb und druckempfindlich. P. erklärt sich den 
Heilungsvorgang als eine Thrombose der Subclavia infolge einer traumatischen 
Arteriitis (?). Thümer (Chemnitz). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 1177 


21) Taddet e Prampolini. Di alcuni casi poco comuni di nn 


congenite degli artı. 
(Arch. di ortopedia 1906. Nr. 3.) 

1} Angeborene rudimentäre Entwicklung des linken Oberschenkels mit gleich- 
zeitiger Luxatio iliaca. 42 Tage alter Knabe. Photographie und Röntgenbild. 

2) Fehlen des linken Wadenbeines, des distalen Drittels der linken Tibia. 
Totaler Defekt des Fußes, des 4. und 5. Fingers und Metacarpus der rechten 
Hand. Syndaktylie des Zeige- und Mittelfingers derselben Hand. Mädchen von 
28 Monaten. Photographie. 

3) Mangelhafte Entwicklung des rechten Humerus. Knöcherne Ankylose der 
Ellbogen, Hyperplasie des Radius. Längsteilung der rechten Ulna. Fehlen der 
Phalangen und Metacarpen des 4. und 6. Fingers. Mangelhafte Entwicklung des 
Daumens rechts. Syndaktylie zwischen 4. und 5. Finger links, die zugehörigen 
Metakarpen sind in einen Knochen verschmolzen. 3jähriger Knabe. Die MiBßbil- 
dung ähnelt sehr dem vom Ref. in der Deutschen Zeitschrift für Chirurgie Bd. L 
beschriebenen Fall, welcher von dem Verf. nicht zitiert wird. Mehrere Röntgen- 
bilder. 

4) Angeborene doppelseitige subglenoidale Verrenkung des Humerus, mangel-. 
hafte Entwicklung der Humerus und der Ulna. Fehlen des Radius beiderseits. Ver- 
schmelzung des 2. und 3. Metacarpus rechts, Fehlen des rechten Zeigefingers. Syn- 
daktylie zwischen 1. und 3. Finger rechts. Fehlen von Daumen und Zeigefinger 
nebst Metacarpen links. Photographie des 4monatigen Knaben. 

5) Hallux varus dexter; kongenital, in rechtwinkliger Stellung mit einer über- 
zähligen kleinen Zehe, welche am inneren Rande der GroBzehe aufsitzt. Ampu- 
tation derselben. Osteotomie des ersten Metatarsus. 

E. Pagenstecher (Wiesbaden). 


22) O. Vulpius (Heidelberg). Erfahrungen in der Behandlung der 


spinalen Kinderlähmung. 
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 30.) 

Nach den an einigen Hunderten von Fällen gesammelten Erfahrungen V.'s 
machen die Resultate operativer Behandlungsmethoden die portativen orthopädi- 
schen Apparate, denen bei einigen Vorteilen doch große Nachteile anhängen, 
völlig entbehrlich. Die bei Fällen totaler Lähmung angezeigte Arthrodese mittels 
Abschabens der Gelenkflächen und fixierenden Verbandes (Knochennaht nur am 
Schultergelenke), event. mit Hinzufügung von Muskelverkürzung oder Tenotomie 
hat fast immer günstige Erfolge gehabt. Bei den häufigeren partiellen Lähmungen 
vermochte V. mit der die Wiederherstellung der Funktion erstrebenden Sehnen- 
überpflanzung ganz besonders schöne Resultate zu erzielen; wenn auch völlige Hei- 
lung der Lähmung nur in ausnahmsweise günstigen Fällen zu erhalten war, so 
hatte die Operation doch wesentliche und dauernde Besserung der Funktion zur 
Folge, wo früher jede Hilfe ausgeschlossen schien. Notwendig ist freilich richtige 
Auswahl der Fälle, gute Technik und exakte Nachbehandlung. 

Kramer (Glogau!. 


23) A. Hofmann. Vereinfachtes Extensionsverfahren. Zweite Mit- 
teilung. (Aus der chirurgischen Abteilung des städt. Krankenhauses 
zu Karlsruhe [Prof. v. Beck].) 

(Miinchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 29.) 

Das in der ersten Mitteilung beschriebene Verfahren, durch das der Längszug 
in einen queren Zug nach beiden Seiten hin umgesctzt wird, hat noclı einige Ver- 
besserungen erhalten, über die H. jetzt erneut berichtet. Der der Extremität an- 
liegende Heftpflasterstreifen wird um die Peripherie des Spreizschlittens, der eine 
halbkreisförmige Scheibe darstellt, gelegt; die Ringschrauben für die querlaufende 
Schnur werden zu beiden Seiten am Kreisbogen angebracht. Die auf jeder Seite 
angehängten Gewichte sollen jederseits dem sonst unten angehängten entsprechen 


1178 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 


doch darf die querlaufende Schnur nicht die Richtung gegen die Extremität ein- 
nehmen. Kramer (Glogau). 


24) G. Riech. Über einen Fall von mehrmals wiederholter spontaner 
Vereiterung einer bereits geheilten einfachen Fraktur. 
Inaug.-Diss., Leipzig, 1906. 

Verf. teilt einen Fall von subkutanem Oberarmbruch mit, der mit Dislokation 
geheilt war (cf. Röntgenbilder. Nach 10 Monaten stellte sich ohne nachweisbare 
Ursache an der Bruchstelle unter typischen Erscheinungen eine osteomyelitische 
Eiterung ein, die durch Inzision geheilt wurde. Genau dieselben Erscheinungen 
wiederholten sich nach abermals 121/, Monaten, abermalige Inzision und Entfernung 
von Sequestern. Verf. schuldigt eine Angina als Infektionsursache an, gibt aber 
auch zu, daß ein Trauma vorgelegen haben könnte. (Letzteres ist wohl die rich- 
tige Lösung, da häufiger Sequesterbildung an der deform geheilten Frakturstelle 
auf diese Weise entsteht. Ref.) Grosse (Kassel). 


25) F. Jurcic. Ein Fall von Hyperphalangie beider Daumen. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXX. Hft. 2.) 

J. beschreibt den Befund einer Hyperphalangie des Daumens bei einer 42jäh- 
rigen Person unter Hinzufügung der Röntgenbilder, die an beiden Daumen drei 
Phalangen ergaben. In dem Streit, ob der Metacarpus des Daumens wirklich ein 
Metacarpalknochen oder eine Phalanx sei, schließt sich Verf. denjenigen an. welche 


den Knochen für einen echten Metacarpus halten. 
E. Siegel {Frankfurt a. M.. 


26) H. Heide. Ein Fall von linksseitigem kavernösem Angiom der 
Unterextremität, Regg. glutaea, perinealis et pudendalis. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXX. Hft. 3.) 

H. beschreibt die Krankengeschichte eines 12jährigen Knaben. Als er 3/4 Jahr 
alt war, kamen in der Fußsohle drei kleine schwarze Flecken zum Vorschein. Von 
diesem unbedeutenden Umfange verbreitete sich das Leiden allmählich aufwärts 
über die Unterextremität. Ergriffen war der linke Fuß, besonders der vordere 
Teil, die fibulare Seite und die Fußsohle. Am Unterschenkel fühlt man bei auf- 
rechter Stellung strotzend gefüllte, stark gespannte Hohlräume. Ferner präsentiert 
sich das Leiden sehr deutlich auf der Rückseite und Außenfläche des Oberschenkels 
sowie auf der ganzen linken Hinterbacke, von wo es bis auf den Damm, den Hoden- 
sack und Penis übergreift. 

Die mikroskopische Untersuchung einiger herausgenommener Stücke des An- 
gioms ergab in größeren Strecken vollständiges Fehlen von Endothelien in den 
Hohlräumen. Außer diesen Hohlräumen und stark erweiterten Kapillaren erwies 
die Untersuchung nur sehr feine Blutgefäße in geringer Menge. Makroskopisch 
waren Muskelstücke nicht zu sehen, jedoch zeigten sich bei der mikroskopischen 
Untersuchung spärliche atrophische Muskelfasern, von Fett- und Bindegewebe 
ersetzt und durchwachsen. Zur Behandlung wurde die bipolare Elektrolyse ver- 
wendet. Es wurde seit dieser Zeit kein Wachstum der Geschwulst beobachtet, 
dagegen läßt sich Schrumpfung und Obliteration der Hohlräume in großem Um- 
fange nachweisen. E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


27) Creite. Totale Luxation einer Beckenhälfte. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXIII. p. 391.) 

C. vermehrt die spärliche Kasuistik der totalen Hüftbeinverrenkung (7 Fälle) 
um folgende Beobachtung aus der Göttinger Klinik. 38jähriger Zimmermann fällt, 
wahrscheinlich betrunken, von einem holzbeladenen Wagen vorn herunter und 
kommt rücklings auf die Wagendeichsel, wo er sich einen dort befindlichen Eisen- 
haken tief in die Dammgegend einbohrt. Er wird dann noch kurze Zeit mit- 
geschleift, bis er mit dem Körper nach links herüber ganz herabfällt. Die große, 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 1179 


arg verschmutzte Becken-Dammweichteilwunde wird tamponiert, es tritt Delirium, 
septische Infektion und am 6. Tage nach der Verletzung der Tod ein. Die Sektion 
zeigt, daß das rechte Hüftbein ganz aus seinen Synchondrosen am Scham- und 
Kreuzbein herausgesprengt ist; offenbar hat der Eisenhaken unter Wirkung des 
nach links sinkenden Körpergewichtes den Knochen herausgehebelt. Am Lebenden 
konnte wohl die Diastase der Schambeinsynchondrose, nicht aber die der Arti- 
culatio sacro-iliaca festgestellt werden — wegen der ausgedehnten Blutergüsse und 
Schwellungen. Außerdem ist vom Sektionsbefund noch eine örtliche Nekrose an 
der Vorderwand der Blasenschleimhaut zu erwähnen, die auch durch Druck von 


dem Eisenhaken zu erklären sein wird. Meinhard Schmidt (Cuxhaven!. 
28) H. Minssen und Weydemann. Retroperitoneale Cysten oder 
Senkungsabszesse. 


(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXIII. p. 577.) 


Eine kasuistische Mitteilung, die mit Beobachtungen von Narath und Strehl 
‘cf. d. Bl. 1899 p. 1032) große Ahnlichkeit hat. 25jährige Schneiderin, bei der 
sich innerhalb 2 Jahren eine Gteschwulst der Oberschenkel ohne Störung des guten 
Allgemeinbefindens gebildet hatte. Die linksseitige Geschwulst ist vorn oben 
innen am Schenkel gelegen, mehr als kindskopfgroß, die der rechten Seite noch 
sehr erheblich viel größer; beide waren prall elastisch ohne deutliche Fluktuation. 
Diagnose Myxolipom? Bei der Operation der linksseitigen Geschwulst mußte diese 
aus festen Verwachsungen in der Adduktoren- und Extensorenmuskulatur heraus- 
geschnitten werden und zeigte eine Fortsetzung in den Schenkelkanal, wo die 
Cruralvene abgelöst werden mußte. Die Geschwulst platzte, viel graugrünliche 
Flüssigkeit mit Flocken entleerend. Die Cystenhéhle kommunizierte durch den 
Schenkelkanal in die Bauchhöhle. Resektion derselben am Schenkelkanal, Drainage 
in abdominale Cystenfortsetzung. Auf der rechten Seite beschränkte man sich 
auf eine Punktion, die gegen 1'/,1 blutig-seröser, flockiger Flüssigkeit entleerte, 
und der später wegen Retentionserscheinungen mit Fieber eine freie Inzision mit 
Drainage folgen mußte. Auch hier zeigte sich Fortsetzung der Höhle durch den 
Schenkelkanal in einen abdominalen Cystenraum. Nach anfänglich nicht ganz 
glattem Verlauf besserte sich bei zunächst reichlicher, dann abnehmender Sekretion 
durch die fistulös gewordenen Wunden der Zustand und ist jetzt befriedigend. 
Die histologische Untersuchung der Cystenwand zeigte bindegewebigen Bau und 
viele Riesenzellen tuberkulösen Charakters. Obwohl Bazillen nicht nachgewiesen 
sind, ist daher die Erkrankung als tuberkulöse Senkungsabszesse zu deuten. 

Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


29) Blencke. Meine bei der angeborenen Luxation des Hüftgelenkes 
gemachten Erfahrungen. 
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XV. Hft 2-4.) 


Verf. berichtet über seine in den letzten Jahren gemachten Erfahrungen. 
Durch Verbesserung der Verbandmethoden sind auch die Resultate besser geworden. 
Verf. gipst das Knie der operierten Seite und die Hälfte der nicht operierten Seite 
mit ein. Auf starke Extension verzichtet er. Von 97 unblutig eingerenkten Hüften, 
bei denen die Behandlung abgeschlossen ist, wurden 34 Transpositionen erzielt, 
58 Repositionen und 5 Reluxationen (59,8% anatomische Heilungen). 

J. Riediuger (Würzburg). 


30) F. Wette. Über Hüftgelenksverrenkungen nach Koxitis im Säug- 
lingsalter. 
= (Zeitschrift orthopäd. Chirurgie Bd. XV. Hft. 2—4.) 

Verf. berichtet über 3 Fälle aus der Hoffa’schen Klinik. Es handelt sich in 
der Regel um Distensionsluxationen trotz Eiterung. Die Atiologie ist noch nicht 
aufgeklärt. Auf dem Röntgenbild erscheint zum Unterschied von den angeborenen 
Verrenkungen eine wohl ausgebildete, nur etwas flache Pfanne. 

J. Riedinger (Würzburg). 


1180 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 


31) S. Silberstein. Zur mechanischen Behandlung der Hüftgelenks- 
kontrakturen. 
{Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XV. Hft. 2—4.! 

Verf. beschreibt die technische Verbesserung einer von ihm schon beschriebenen 
Verbandmethode bei Koxitis und Hüftgelenkskontrakturen. Sie. gestattet eine 
gute Fixation des Stumpfes in Gipsverband und einen schonenden, allmählich zu 
verstärkenden Zug in der Richtung des Beines mit verhältnismäßig einfachen 
Vorrichtungen. J. Riedinger (Würzburg). 


32) Krüger. Zur Kenntnis der isolierten Fraktur des Trochanter 
major. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXIII. p. 464.) 

Beobachtung der Jenenser Klinik. Pat., ein Maurer, von nicht angegebenem 
Alter, war 5 Monate vor seiner Aufnahme 6 m hoch auf die rechte Hüfte gefallen. 
Bei freier Beweglichkeit im Hüftgelenk zeigten sich starke Schmerzen der 
Trochantergegend, später mächtige Schwellung der Hüfte und des ganzen Ober- 
schenkels, nach deren Schwinden unter Einreibungen und hydropatischen Umschlagen 
hinter dem Trochanter eine tastbare und Röntgenschatten gebende feste Masse 
zurückbleibt. In der Klinik bestätigte sich die vom vorbehandelnden Arzt auf 
Trochanterbruch gestellte Diagnose. Pat. zeigte starke Innenrotation des Ober- 
schenkels (Folge des Trochanterabrisses, da hiermit die Auswärtsrotatoren wirkungslos 
werden); die Hüfttrochantergegend ist stark abgeflacht, statt dessen bei Betrachtung 
von hinten die der Trochantergegend angrenzende Partie etwas verdickt und hier 
die dem abgerissenen Trochanterstück entsprechende fast walnußgroße, harte, 
wenig bewegliche, in schwieliges Gewebe eingebette Knochenmasse fühlbar. Hüft- 
bewegungen etwas eingeschränkt, namentlich hinsichts Beugung, die, nur bis zum 
rechten Winkel möglich, dem Pat. ein knirschendes Gefühl verursacht. Röntgen 
zeigte sehr klar das völlig abgetrennte und nach oben und einwärts verlagerte 
Trochanterstück, außerdem ein linsengroßes und ein noch kleineres Bruchstück. 
Pat. lehnte die ihm vorgeschlagene Exzision ab und erhielt eine Unfallsrente. 

Kurze Hinweise auf sonstige Beschreibungen der sehr seltenen Verletzung, 
deren Heilungsverlauf stets sehr langdauernd und deren Endresultat unsicher ist. 

Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


33) Francke (Altenburg). Zur Kasuistik der angeborenen Coxa vara. 
‚Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XV. Hft. 2—4.) 

Verf. hat bei drei Geschwistern im Alter von 13/, bis 61/, Jahren die zuerst 
von Hoffa als angeboren bezeichnete Form der Coxa vara beobachtet. Die haupt- 
sächlichsten Veränderungen ergeben sich aus dem noch nicht aufgeklärten Ver- 
halten der Epiphysenfugen. J. Riedinger (Würzburg). 


34) Creite. Beitrag zur Pathologie der Kniescheibe. 
(Deutsche Zeitschrift fiir Chirurgie Bd. LXX XIII. p. 179.) 

Mitteilung über zwei seltene Kniescheibenerkrankungen, die in der Braun- 
schen Klinik zu Göttingen beobachtet sind. Fall 1: Osteomyelitis patellae. 
18jähriger Landwirtssohn, 2 Monate vor seiner Aufnahme an Influenza erkrankt, 
nach deren Beginn 8 Tage später eine Knieschwellung eintrat. Man findet bei 
dem fiebernden Kranken eine Knieschwellung mit Erguß und Beugestellung, dazu 
Infiltration der unteren Oberschenkelhälfte, aber ohne Abszeß, so daß Osteomyelitis 
femoris annehmbar schien. Erheblicha Besserung in den nächsten Wochen, so daß 
Pat. zunächst entlassen wird. 12 Wochen später wieder aufgenommen, zeigt der- 
selbe am Oberschenkel unten innen einen Abszeß, der, wie bei seiner Eröffnung 
nachweisbar, auf eine rauhe Stelle an der mit dem Oberschenkel knöchern ver- 
wachsenen Kniescheibe führt. Querschnitt ins Gelenk, Losmachung der Knie- 
scheibe, die in der ausgedehnt rauhen Gelenkfläche einen gelösten, von Granula- 
tionen umgebenen flachen, kortikalen Sequester trägt. Kniegelenk durch binde- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 1181 


gewebige Verwachsungen verödet. Exstirpation der Kniescheibe, Vernäbung der 
Tricepssehne mit dem Lig. patellae, glatte Heilung mit steifem Knie. Es handelte 
sich also um eine subakute Kniescheibenosteomyelitis, wahrscheinlich veranlaßt 
durch Influenzabazillen. Fall2: Sarkom der Patella. Das seit 2 Monaten chronisch 
erkrankte, spindelförmig aufgetriebene Knie des 42jährigen, kräftigen Pat. machte 
zunächst den Eindruck einer Gelenktuberkulose und wurde nach einer Karbol- 
auswaschung eingegipst. 5 Wochen später zeigte sich die Schwellung gewachsen 
und eine faustgroße fluktuierende Stelle in der Kniescheibengegend vorhanden, 
deren Punktion leicht getrübte rötliche Flüssigkeit ergibt. Da diese sich binnen 
8 Tagen wieder ansammelt, Inzision, die in eine apfelgroße, bluthaltige und mit 
graurotem, weichem, leicht blutendem Gewebe austapezierte Höhle führt. Aus 
letzterer ausgeschabte Massen zeigen mikroskopisch Spindelzellensarkom, weshalb 
wenige Tage später die Geschwulstexstirpation vorgenommen wird. Die Knie- 
scheibe ist in der Geschwulst völlig aufgegangen, im übrigen von dieser die Quadri- 
cepssehne weithin ergriffen, ebenso der vordere Teil der Gelenkkapsel. Resektion 
des Kniegelenkes, wobei sich die Knochensägeflächen als gesund erwiesen. Heilung 
mit nach 5 Monaten konstatierter Rezidivfreiheit. Im ÖOperationspräparate fanden 
sich außer großen spindeligen Sarkomzellen osteoblastenähnliche Riesenzellen, so 
daß der Ausgang der mn. von der Kniescheibe wahrscheinlich war. 
Meinhard Schmidt (Cuxhaven!. 


35) Bötticher. Doppelseitige Kniescheibenverrenkung. 
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 28.) 


Das Leiden wurde in zwei aufeinander folgenden Sitzungen durch Tendoplastik 
geheilt. (Genaueres ist nicht angegeben.) Borchard (Posen. 


36) E. Ruppauer. Zur Kenntnis der irreponiblen Kniegelenksluxa- 


tionen. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXIII p. 564.) 


Beobachtung aus dem Kantonspital zu Glarus (Dr. Fritzsche). Öö6jähriger 
Alkoholiker, steigt mit einer Last Holz auf dem Rücken einen steilen und holpe- 
rigen Bergweg hinab, wobei er zum Sturz kommt. Er blieb mit dem rechten 
Fuß in einer Baumwurzel hängen, schnellte dann, um mit seiner Last nicht nach 
vorn zu fallen, rasch mit dem Körper zurück und fiel auf den Rücken. Nach Auf- 
wachen aus einer Ohnmacht Unfähigkeit zu gehen, Schmerzen im Knie, so daß 
Pat. ins Tal getragen werden mußte, wo der Arzt die eingetretene Verrenkung 
nicht reponieren kormte und den Pat. dem Spital überwies. Das rechte Knie stand 
leicht gebeugt, der Unterschenkel leicht abduziert und nach außen rotiert. Die 
Kniescheibe ist nach außen auf den Condylus femoris ext. luxiert und fest verhakt. 
Lateral und unterhalb des letzteren springt ein Stück der Schienbeingelenkfläche 
vor, während auf der inneren Seite des Knies fast der ganze Umfang des dicht 
unter der Haut gelegenen inneren Femurcondylus abzutasten ist. Großes Hämatom 
auf der Innenseite des Oberschenkels, in dessen unterem Drittel. Da unblutige 
Reposition mißlang, Operation mittels 20 cm langen Schnittes an der Knieinnen- 
seite über den vorspringenden Femurcondylus, unten etwas nach außen um- 
biegend. Entleerung des Hämatoms; das Lig. laterale int. ist zerrissen, über dem 
Condylus die Gelenkkapsel abgerissen. Eine 3 cm breite Partie des M. vastus int. 
ist abgetrennt und liegt straffgespannt in der Fossa intercondyloidea. Sie zieht 
die Gelenkkapsel in den Spalt zwischen Condylus und Tibia mit hinein. Nach- 
dem diese Muskelpartie getrennt, gleitet die Kniescheibe leicht an ihren normalen 
Platz, auch ist das Gelenk jetzt einsehbar und zeigt Zerreißung und Auffaserung 
der Ligg. cruciata. Reposition des Schienbeines, Resektion des abgelösten Muskel- 
stranges des Vastus int., Naht. Die Heilung erfolgte unter mehrfachen Ab- 
szedierungen, so daß die Kniebeugung nur gering wär. Indes wurde Pat. wieder 
arbeitefahig; über seinen späteren Zustand ist nichts bekannt. 

R. stellt dem eigenen Falle noch 12 andere irreponibler Knieverrenkungen 
im Krankengeschichtsauszug an die Seite. Von ihnen wurden 8 blutig reponiert, 


1182 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44, 


2 blieben unreponiert, 2 wurden amputiert. Die Ansicht Pagenstecher’s, daß 
die Irreponibilität häufig durch Verhakung eines Schenkelcondylus in dem Gelenk- 
kapselriß, also durch eine Art Knopflochmechanismus bedingt sei, scheint, wie 
durch R.'s Beobachtung, auch durch mehrere andere Fälle bestätigt. 

Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


37) J. M. Sacharow. Extraktion von 61 Gelenkmäusen aus einem 
Kniegelenk. 
(Russ. Archiv fiir Chirurgie 1905. [Russisch.)) 
Der Kranke fiel vor 24 Jahren auf das Knie. Bald darauf bemerkte er das 
Auftreten erbsengroßer Körperchen im Gelenk. 
In drei Sitzungen mit Intervallen von ca. 3 Wochen wurden durch Arthrotomie 
61 Gelenkkörper entfernt, die ein Gesamtgewicht von 70,3 g hatten. Bei der ersten 
Operation wurde eine Synovialfalte exzidiert — in einem oberen Recessus des Ge- 
lenkes —, die dicht mit dünnen Zotten besetzt war, die z. T. nur die Dicke von 
Borsten hatten, aber fast alle am Ende knopfartige Verdickung trugen. Die Ver- 
dickungen waren hirsekorngroß und größer und von derber Konsistenz. Mikro- 
skopisch bestanden die Zotten aus gefäßarmem Bindegewebe, die Verdickungen 
enthielten Knorpel. V. E. Mertens (Breslau). 


38) Bergmann. Meniscusluxationen im Kniegelenk. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXIII. p. 526.) 

B. veröffentlicht aus dem Krankenhause Huyssens-Stiftung in Essen-Ruhr 
(Chefarzt Dr. Morian) drei neue einschlägige Beobachtungen. In den beiden 
ersten, derselben war die Bandscheibenverletzung akut durch Trauma entstanden, 
und zwar durch einen Fall, bei dem das gebeugte Kniegelenk eine starke Drehung 
zwischen Ober- und Unterschenkel erlitt. Im dritten Falle dagegen, der sich als 
sog. spontane Verrenkung nach v. Brune darstellt, hatte Pat. plötzlich beim Gehen 
den ersten heftigen Schmerz im Kniegelenke gespürt, dem späterhin die gewöhn- 
lichen einklemmungsartigen Funktionsstörungen und Beschwerden folgten. In allen 
Fällen war bei gewissen Kniebewegungen die verschobene bzw. zerissene Band- 
scheibe in abnormer Weise als gelenkmausartiger, vorschlüpfender Körper tastbar 
und wurde überall nach Inzision des Gelenkspaltes exstirpiert. Die Pat. wurden 
von den früher bestehenden schweren Gelenkstörungen zwar befreit, doch nur der 
dritte, bei dem es sich um die Spontanverletzung handelte, gänzlich hergestellt. 
Von den beiden anderen konnte einer erst nach etwa einem Jahre die Arbeit 
wieder aufnehmen, erlitt aber dann noch wiederholt einklemmungsartige Be- 
schwerden, die auf abnorme nachweisbare Lockerung im Knie zu beziehen und 
durch eine 25%ige Rente nach Ansicht des Pat., eines Bergmannes, noch nicht 
genügend entschädigt sind. Auch der zweite Pat. hat noch über subjektive Be- 
schwerden zu klagen, weist meßbare Oberschenkelmuskelschwäche auf und bezieht 
15% Rente. 

In dem gründlich durchgearbeiteten allgemeinen Teil der Abhandlung erörtert 
B. die normale Bewegungsmechanik des Kniegelenkes nach den Angaben Zup- 
pinger’s und erläutert, diese Verhältnisse zugrunde legend, den Entstehungs- 
mechanismus der Bandscheibenverschiebungen und Zerreißungen insbesondere bei 
der Torsion im Kniegelenke. Die Symptomatologie wird eingehend besprochen 
und hinsichts der Therapie neben der operativen auch die allerdings seltener brauch- 
bare konservative Behandlung des Ubels gewürdigt. Bei der Operation wird 
hervorgehoben, daß häufig unter Umständen eine Partialexstirpation der Band- 
scheibe angängig ist. Um diese dem Messer zugänglich zu machen, tut bei flek- 
tiertem Knie die Eindrängung einer geballten Faust in die Kniekehle gute Dienste 
und macht ohne das erforderliche größere Inzisionen entbehrlich. Der Erfolg der 
Operation ist, wie auch die eigenen Fälle B.'s zeigen, keineswegs immer ein ganz 
tadelloser, was bei der feinen und durch die Bandscheibenentfernung stets grob 
lädierten Mechanik des Kniegelegkes nicht auffallend ist. 

Meinhard Schmidt (Cuxhaven. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 1183 


39) E. Schmidt. Ein Fall von Ganglion am Kniegelenksmeniscus. 
(Aus Dr. Fr. Haenel’s Privatklinik in Dresden.) 
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 29.) 

Das nach einem Fall entstandene Ganglion kommunizierte nicht mit der Knie- 
gelenkshöhle und wurde, nachdem die Exstirpation zweimal erfolglos gewesen, erst 
nach Entfernung des makroskopisch allerdings unveränderten Meniscus definitiv 
geheilt. Mikroskopisch zeigte sich Fehlen einer Endothelschicht in den mit gal- 
lertiger Flüssigkeit gefüllten Hohlräumen., Kramer (Glogau). 


40) H. Gage. Rupture of the quadriceps extensor tendon. 
(St. Paul med. journ. 1906. Juli.) 

Verf. hatte Gelegenheit, innerhalb eines Jahres fünf Fälle von Ruptur der 
Quadricepssehne an vier Pat. zu beobachten (Fall 4 doppelseitig). Von diesen fünf 
Fällen wurden vier genäht, einer mit Schiene behandelt. Zwei Pat. heilten primär, 
Fall 4 (doppelseitig) konnte aus nicht näher angegebenen Gründen nicht im Bette 
gehalten werden; die Folge davon war, daß die Nähte nicht hielten und eine 
Diastase von 4 resp. 6 cm zurückblieb. Exakte Messungen haben ergeben, daß in 
den beiden ersten operierten Fällen die Streckung zur Norm zurückkehrte, in dem 
unblutig behandelten Falle, der übrigens nach 3 Monaten durch Unvorsichtigkeit 
wieder riß, 155°, und in dem doppelseitigen Falle 120° resp. 160° betrug. Verf. 
tritt angesichts der günstigen Resultate für baldige Naht ein. 

Levy (Wiesbaden). 


41) Chevassu. Fracture de la tuberosite externe du tibia. 
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXII. p. 270.) 

C. gibt die Krankengeschichte eines Artilleristen, der bei einem Sturze von 
einem umschlagenden Geschütze durch direkte Gewalt einen Bruch des lateralen 
Teiles der oberen Gelenkfläche der Tibia sich zuzog. Das funktionelle Resultat 
nach Heilung der ziemlich seltenen Fraktur war ein relativ gutes. Es war außer 
leichtem Hinken auf dem kranken Bein nur eine mäßige Behinderung der extremen 
Beugung und geringes Schlottern des Kniegelenkes zurückgeblieben. 

Thümer (Chemnitz). 


42) A. Martina. Myxofibrosarkom der Bursa achillea post. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXII. p. 317.) 

Die in der Grazer Klinik gemachte Beobachtung betrifft einen 29jährigen 
Offizier, der vor 6 Jahren einen linksseitigen Knöchelbruch erlitten hatte und 
nun seit 4 Wochen an derselben Körperseite Schwellung an der Achillessehne, 
Schmerzen und behinderte Beweglichkeit im Fußgelenke (namentlich hinsichts 
Dorsalflexion) bemerkt hatte. Befund: erhebliche höckerige harte Geschwulst zu 
beiden Seiten der Achillessehne und vor derselben, deren verdünnte, nicht ver- 
wachsene Hautdecke merkbare Venenzeichnung aufweist. Die Exstirpation der 
Geschwulst mittels Schnitt zu beiden Seiten der Achillessehne gelang dank guter 
Einkapselung derselben unschwer. Heilung wegen Hautnekrose erst in 6 Wochen 
aber mit Herstellung guter Beweglichkeit und Rezidivfreiheit bislang, d. h. 6 Monate 
post oper. Histologie: Myxofibrosarkom. 

Der Krankengeschichtsmitteilung folgt Epikrise mit Literaturberücksichtigung, 
wobei bemerkt wird, daß Verf. einen Parallelfall nicht finden konnte. (Ref. kann 
auf einen solchen von Wiesinger hinweisen. Cf. Deutsche Zeitschrift für Chirurgie 
Bd. XLIII p. 607.) Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


43) E. Becker. Zur Behandlung der Fersenbeinbrüche. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXIII. p. 570.) 
Es handelte sich um einen Kompressionsbruch des Fersenbeines, den ein 
28jähriger Arbeiter durch Fall 8—9 m tief in einen offenstehenden Fahrstuhl er- 
litten hatte. Wie Röntgen zeigt, war der hintere sowie der vordere an das Würfel- 


1184 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 


bein stoßende Fortsatz abgesprengt; an der Unterfläche ragte ein spitzer Knochen- 
sporn hervor, und auch der Proc. inframalleolaris war horizontal abgebrochen. 
Nach 10tägigem Alwarten unter Ruhigstellung und Fisblase Operation. Durch 
zwei kleine Hautknopflochschnitte außen und innen an der Hackengegend wird 
ein Elevatorium quer unterhalb des Fersenbeines durchgestoßen und dann durch 
energischen Zug nach oben an Griff und Spitze des Elevatoriums — also durch 
eine dem Fall auf die Füße entgegengesetzte Kraftentwicklung — die Reposition 
der Bruchstücke bewerkstelligt. Um sie in richtiger Lage zu fixieren, wird ein 
Drillbohrer von hinten nach vorn durch Haut und Knochen in der Mittelebene 
des Fersenbeines vorgeschoben, nachdem vorher mittels Röntgen festgestellt war, 
wie weit der Bohrer vorgehen konnte, ohne in das Fersenbein-Würfelbeingelenk 
zu geraten. Um nacher nicht etwa den richtigen Verlauf des Bohrkanals mit 
Nagel und Schraube zu verfehlen, läßt man den Bohrer einfach liegen. Guter 
Verlauf. 6 Wochen später wird noch der Knochensporn auf der Sohlenseite ab- 
gemeißelt und der wacklig gewordene Bohrer entfernt. Medikomechanische Nach- 
behandlung, vorzügliches Endresultat. Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


44) Serafini. Frattura da causa indiretta dell’ osso navicolare del 
tarso. 
(Arch. di ortopedia 1906. Nr. 3.) 
S. sah eine Fraktur des Os naviculare durch übermäßige Plantarflexion und 
gleichzeitige Supination des Fußes. E. Pagenstecher (Wiesbaden). 


45) K. Gaugele. Uber einen Fall veralteter Subluxation des Os navi- 
culare am Fuß. 
‘Zeitschrift fiir orthopäd. Chirurgie Bd. XV. Hft. 2—4.) 

Die sehr seltene Verletzung wurde bei einem 57 Jahre alten Manne durch 
Röntgenstrahlen festgestellt. Es handelte sich um eine Subluxation nach innen 
durch direkte Gewalt (Fall eines schweren Gegenstandes auf den FußBrücken) vor 
17 Jahren. Das am meisten hervortretende Symptom war die stark ausgeprägte 
Plattfußstellung. Die Funktionsstörungen waren verhältnismäßig gering. Pat. 
bezieht eine 20%ige Unfallrente. J. Riedinger Würzburg). 


46) Ewald. Die amniogene Entstehung des angeborenen Klumpfußes. 
‘ (Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XV. Hft. 2—4.) 

Verf. bringt einen kasuistischen Beitrag aus der Vulpius’schen Klinik zu 
Heidelberg. Ein 8 Monate alter Knabe zeigte links einen Klumpfuß und mehrere 
sich kreuzende Umschnürungsnarben, von amniotischen Strängen herrührend, am 
Unterschenkel. Am rechten Fuß fand sich Syndaktylie und Polydaktylie. Auf 
den Mechanismus der Entstehung der Mißbildung geht Verf. näher ein. In der 
Literatur hat er nur einige analoge Fälle gefunden. 

J. Riedinger (Würzburg). 

47) Dreuw. Mitteilungen aus der Praxis. 
(Monatshefte fiir prakt. Dermatologie Bd. XLII. Nr. 4.) 

I. Ein Prostatamassageinstrument, mit dem man zugleich faradisieren 
kann, besteht in einem dünnen Metallplättchen, das auf dem Finger oder auf einem 
Gummifinger mit Paragummi befestigt wird, und durch einen dünnen Metallfaden 
an die eine Elektrode eines faradischen Apparates befestigt wird. 

DI. Ein Mastdarmobturator, welcher wesentlich in einem Gummiballon 
besteht, kann leicht in erschlafftem Zustand in den Mastdarm eingeführt und von 
dem Pat. durch einen zweiten Gummiballon aufgeblasen werden. 

Jadassohn (Bern). 

Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man 


an Prof. B. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags; 
handlung Breitkopf & Härtel, einsenden. 








Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel i in Leipzig, Nürubargerattane 36/38. 


Zentralblatt 
CHIRURGIE 





herausgegeben 
E. vo Bergman, Fh, iite, 





Dreiunddreißigster Jahrgang. 


EEE EEE EEE EEE E E e e EE S E D 
Wöchentlich eins Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei halbjähriger 
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten. 


Nr. 45. Sonnabend, den 10. November. 1906. 





Inhalt: v. Hacker, Zur Pharyngotomia suprahyoidea. (Original-Mitteilung.) 

1) Bonnette, Geschoßdeformationen. — 2) Löwenstein, Trauma und Sarkom. — 3) v. Ver- 
chély, Myelom. — 4) Strauss, Rankenneurom. — 5) Wittstein, Das Wetter und die chirurgi- 
schen Hautaffektionen. — 6) Noeske, Hautverpflanzung. — 7) Steiner, Behandiung Haut- 
kranker. — 8) Calot, 9) Willard, Gelenktuberkulose. — 10) Hohmann, Gelenkkontrakturen. 
— 11) Pochhammer, Spinalanalgesie. — 12) Röhricht, Glykosurie nach Athernarkosen. — 
13) Beck, Deckung von Schädellücken. — 14) Výmola und Kutvirt, Sauerstofftherapie bei 
Ohrkrankheiten. — 15) Corner, Rückenmarkserschütterung. — 16) Perrone, Skoliose. — 
17) Micholski, Basedow’sche Krankheit. — 18) v. Navratil, Deckung von Speiseröhrennähten 
mit Schilddrüse. 

I. E. Cordua, Zu der dorsalen Fixation des Armes bei Schlüsselbeinbruch. — II. Bur- 
meister, Jodcatgutpräparation. (Original-Mitteilungen.) 

19) Follenfant, Kriegsbericht. — 20) Wyss, Entstehung des Krebses. — 21) Rubesch, 
253 v. Brunn, Elephantiasis. — 23) Cheatie, Nävus. — 24) Kraus, Erythema induratum. — 
25) Gregor, 26) Steinthal, 27) Milk6, 28) Schnurpfeil, 29) Borszéky, 30) Pantovié, 31) Mo- 
lek, Narkotisterung und Anasthesierung. — 32) Widal, Roy, Froin, Akromegalie. — 33) Mas- 
land, Zur Trepanationstechnik. — 34) Köhl, Zur Chirurgie der Augenhöhle. — 35) Monnier, 
Medianspalte des Gesichts. — 36) Lévy und Baudoin, Faciallskrampf. — 37) Wittek, Wirbel- 
bruch. — 38) Chlumsky, Scoliosis traumatica und Diabetes nach Blitzschlag und Trauma. — 
39) Kopits, Stützkorsett bei Skoliose. 





Zur Pharyngotomia suprahyoidea. 
Von 
Prof. v. Hacker in Graz. 


Ich habe auf Grund eines von mir im Mai 1904 operierten Falles 
in der Sitzung des Vereins der Arzte Steiermarks in Graz vom 25. Mai 
1906 einen kurzen Vortrag: Ȇber die Pharyngotomia supra- 
hyoidea« gehalten. Damals war über einen derartigen am Lebenden 
unternommenen Eingriff noch nichts bekannt geworden. Im nach- 
folgenden teile ich einen Auszug des Autoreferates desselben mit. — 
Bei den Fachgenossen dürfte das Interesse für diese Operation neuer- 
dings wachgerufen worden sein durch die Mitteilungen des Herrn Prof. 

45 


1186 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 


J. K. Spisharny und des Herrn Dr. L. Grünwald, von denen der 
erstere in Nr. 29 d. Zentralbl. über einen später, der letztere in Nr. 36 
über einen bereits früher operierten solchen Fall berichtete. — 

»Hinsichtlich der Technik der Pharyngotomie mittels eines Quer- 
schnittes, die man auch als transversale Pharyngotomie bezeich- 
nen kann, sind die Selbstmörder die Lehrmeister der Chirurgen ge- 
worden. Beim Selbstmordversuch wird der Schnitt meist unterhalb 
des Zungenbeins geführt. Die Beobachtung solcher Fälle, in denen 
die Membrana thyreohyoidea durchtrennt worden war, wobei der Kehl- 
kopfeingang und Pharynx sichtbar wurde, und die Heilung solcher 
Fälle dürfte zur Einführung der Pharyngotomia subhyoidea ge- 
führt haben; der Vorschlag zur Pharyngotomia suprahyoidea er- 
folgte direkt auf Grund der Beobachtung einer Pharynxeröffnung durch 
einen über dem Zungenbein eingedrungenen Selbstmordschnitt. — — 

In neuester Zeit hat Kocher wieder sehr die Pharyngotomia sub- 
hyoidea empfohlen. Die Tracheotomie vermeidet er, wenn möglich; 
nur wenn ein Nervus laryngeus verletzt wurde, sei sie sekundär aus- 
zuführen, sonst sei sie durch entsprechende Schräglagerung zu ersetzen; 
die Allgemeinnarkose wird durch Lokalanästhesie und Kokainpinselung 
der Schleimhaut ersetzt. 

Wo dies möglich ist, hält v. Hacker diesen Vorgang für sehr 
empfehlenswert; er konnte dies zweimal bei Larynxoperationen erproben, 
die geradezu ideal, ohne die geringsten störenden Nacherscheinungen, 
verliefen. 


In Innsbruck führte er bei einem sehr energischen, einige 60 Jahre alten 
Mann unter Lokalanästhesie und Schleimhautbepinselung zuerst eine Laryngofission 
aus. Aus der beabsichtigten partiellen wurde eine totale Larynxexstirpation (wegen 
Karzinom) mit Gluck’scher Herausnéhung der Trachea. Hier in Graz handelte 
es sich in einem von der Klinik des Prof. Habermann transferierten Fall um 
die Exzision eines beginnenden Stimmbandkarzinoms mittels der Laryngofission. 


Im Jahre 1895 wurde von Jeremitsch m Moskau auf Grund 
der Beobachtung des Verlaufes eines mit primärer Naht behandelten 
Selbstmordschnittes oberhalb des Zungenbeines, sowie auf Grund des 
außerordentlich freien Zuganges, den diese klaffende Wunde zum 
Larynxeingang und zu den hinteren und oberen Pharynxpartien gab, 
die Pharyngotomia suprahyoidea als Operationsmethode statt der 
Pharyngotomia subhyoidea empfohlen. Es wurden verschiedene Vor- 
teile dieses neuen Verfahrens gegentiber dem bisher tiblichen geltend 
gemacht, insbesondere daß sie viel mehr Raum und freien Zugang 
verschaffe, namentlich wenn man an der Zungenwurzel operiere oder 
die Totalexstirpation derselben u. dgl. ausführen wolle und vor allem, 
daß dabei die Nervi laryngei sowie die Epiglottis nicht im mindesten 
gefährdet werden. 

Versuche am Kadaver, die v. Hacker auf diese Mitteilung hin 
noch in Innsbruck ausführte, bestätigten diese Angaben und veranlaßten 
ihn in einem geeigneten Falle, nach dem Verfahren am Lebenden zu 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 1187 


operieren; er hatte dazu Gelegenheit bei einem auch sonst interessanten 
Fall, in dem es sich um ein Rundzellensarkom des Zungen- 
grundes handelte. Der 63jährige, stark abgemagerte und herab- 
gekommene Mann konnte schon durch viele Wochen schwer schlucken, 
zuletzt fast nur Flüssiges. Die Fixierung der Zunge beeinträchtigte 
auch wesentlich seine Sprache. Es war Speichelfluß und eine leichte 
Bronchitis vorhanden. Uber den Grund der Zunge wölbte sich eine 
von vorn als über taubeneigroß erscheinende, hart anzufühlende Ge- 
schwulst vor; beim Betasten erkannte man, daß dieselbe aber viel 
ausgedehnter sei. Am Halse rechts vor dem Rande des Sternocleido- 
mastoideus teils bohnen-, teils nußgroße harte Lymphdrüsen zu tasten. 

Pat. verlangte eine Narkose, die von einer oberen Tracheotomie- 
wunde aus bei Schräglage des Körpers und abhängiger Kopflage unter- 
halten wurde (19. Mai 1904). Der Schnitt wurde jederseits bis zum 
Rande des Kopfnickers geführt. Es konnten leicht die Drüsen damit 
ausgeräumt und jederseits außer den Zungenbeinhörnern die Lingualis 
unterbunden werden. Nach Durchtrennung der Muskulatur (Mylo-hyoid. 
Geniohyoid., Biventerinsertion und Fasern der Hyogloss.) war der Zu- 
gang zum Zungengrund und event. zu den hinteren und oberen 
Pharynxpartien tatsächlich ein sehr freier. Der ziemlich große 
Tumor konnte ebenso wie ein Teil der Epiglottis, in die der Tumor 
übergriff, bequem mit dem Thermokauter abgetragen werden. Zurück- 
nähung des restierenden Zungenteiles in voller Ausdehnung, Vereini- 
gung der quer durchtrennten Halsmuskeln, Drainage der seitlichen 
Wundwinkel, Entfernung der Kanüle. Der Wundverlauf war völlig 
normal. Es traten jedoch Erscheinungen von Herzschwäche auf, und 
am 10. Tage starb der Kranke, der durch einen durch die Nase ein- 
geführten Schlauch ernährt worden war. Die Sektion ergab Degene- 
ratio cordis, Pneumonia hypostat., Marasmus. Wunde per primam 
geheilt. 

Soweit dem Vortr. die Literatur bisher bekannt geworden ist — 
genauer hat er dieselbe daraufhin noch nicht durchforscht —, scheint 
dies der erste Fall zu sein, in dem Jeremitsch’ Vorschlag der 
Pharyngotomia suprahyoidea am Lebenden ausgeführt wurde; 
er hatte darüber bisher noch nicht berichtet, da er weitere eigene 
Erfahrungen über diese Operation abwarten wollte Vor allem hätte 
es ihn interessiert, die technisch leicht erscheinende und 
günstige Wundverhältnisse bietende Operation vorher unter 
Ausschaltung der Komplikationen der Narkose und der 
Tracheotomie unter Lokalanästhesie bei entsprechender 
Körperlagerung zu unternehmen, da er hoffe, daß unter diesen 
Verhältnissen das ungünstige Moment, das sie mit der Pharyngotomia 
subhyoidea gemeinsam hat, nämlich das der queren Durchtrennung 
von beim Schlingakt wichtigen Muskeln, weniger in die Wagschale 
fallen dürfte. Da sein Assistent Dr. M. Hofmann, der der Opera- 
tion beiwohnte, das Verfahren wegen des durch dasselbe geschaffenen 
Zuganges zu den hinteren, oberen Pharynxpartien als Voroperation 

45* 


1188 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 


für die Operation der Nasen-Rachentumoren vorschlug, wurde 
er veranlaßt, schon jetzt darüber zu berichten. Ein Auseinander- 
weichen der Wundränder dürfte durch eine exakte Etagennaht wegen 
der breiteren Schicht durchtrennter Muskeln hier leichter zu ver- 
meiden sein, wie bei der Pharyngotomia subhyoidea. Im übrigen 
dürften beide Operationen sich ziemlich gleich verhalten.— — — — 
Weitere Erfahrungen werden also erst zeigen, inwiefern wir den 
bisherigen Gefahren der transversalen Pharyngotomien, zum Teil durch 
die bereits angeführten Maßnahmen, wirksam begegnen können. Dies 
vorausgesetzt, glaubt der Vortr., daß gerade die Pharyngotomia 
suprahyoidea wegen der Vorteile, die sie bietet, sich als ein sehr 
leistungsfähiges Verfahren erweisen kann.« 





1) Bonnette. Deformations et fragmentations des balles de 
guerre dans les tirs de combat collectifs. Influence du terrain 


sur ces deformations. 
(Arch. de med. et de pharm. militaires 1906. Mai.) 

Verf. hat während 4 Jahren auf dem Felde bei Bourg-en-Bresse, 
wo das scharfe Gefechtsschießen stattfindet, die verschossenen Pro- 
jektile des Lebelgewehres gesammelt, um deren Deformationen zu 
studieren. Wie die Medizinalabteilung des Preußischen Kriegsmini- 
steriums bereits 1894 durch Versuche feststellte, fand auch er die 
mannigfaltigsten Formveränderungen des Geschosses und hat dieselben 
durch Abbildungen in der Arbeit wiedergegeben. Es kann das 
Geschoß sowohl an der Spitze (Pilzform), wie an der Basis, als auch 
endlich an den Seitenfliichen deformiert werden. Es wurden Verbie- 
gungen des Geschosses im Winkel, ferner Abreißungen kleiner Stücke 
und Zerreißungen des ganzen Geschosses, Einreißen und Abstreifen 
des Mantels angetroffen. Im Gegensatz zu diesem Lebelgeschoß ver- 
änderte das neue mantellose aus Kupfer mit Zinkgehalt bestehende 
D-Geschoß sein Gestalt weniger. Jedoch kamen auch hier Abplat- 
tungen an der Spitze oder Basis, Biegungen und seitliche Abflachungen 
vor. Infolge der auch auf größere Entfernungen dem D-Geschoß 
innewohnende Durchschlagskraft und seiner vermehrten Größe werden 
derartig veränderte Geschosse recht gefährliche Verletzungen hervor- 
rufen. Ref. kann dem Verf. daher nicht zustimmen, wenn er das 
D-Geschoß humaner als das Lebelgeschoß nennt. 

Die Natur des Geländes wird auf die Deformierungen einen Ein- 
fluß haben, insofern eine Gegend mit Granitfelsen stärkere Deforma- 
tionen als Kalkfelsen oder Kieselsteine hervorbringt. Auf rein sandi- 
gem Terrain werden die Deformationen natürlich selten sein. 

Herhold (Altona!. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 1189 


2) 8. Löwenstein. Der ätiologische Zusammenhang zwischen 
akutem, einmaligem Trauma und Sarkom. Ein Beitrag zur 
Ätiologie der malignen Tumoren. 

(Beiträge zur klin. Chir. Bd. XLVIII. Hft. 3.) 


Nach einer Literaturübersicht über die diametral verschiedene 
Rolle, die von den einzelnen Pathologen dem akuten Trauma in der 
Ätiologie der bösartigen Geschwülste zugewiesen wird, sucht Verf. für 
die Beurteilung der praktisch ungemein wichtigen Frage, speziell in 
bezug auf das Sarkom, neue Gesichtspunkte zu gewinnen und stellt 
zu diesem Zwecke 111 Fälle aus der Literatur zusammen, in denen 
ein solcher Zusammenhang sicher oder mit Wahrscheinlichkeit und 
mit genügender Angabe der Gründe angenommen wurde, bringt auch 
einen eigenen und 19 neue Fälle aus der Heidelberger Klinik als 
kasuistischen Beitrag. 

Die Sarkomdiagnose gründete sich stets auf mikroskopische Unter- 
suchung. Unter 489 Sarkomen der Czerny’schen Klinik ergab sich 
eine traumatische Atiologie in 4% der Fälle, während besonders ältere 
Statistiken bis zu 20% berechneten. Das Trauma betraf allermeist 
sonst gesunde Personen und war teils schwerer (Blutunterlaufung, 
Schwellung, äußere Verwundung), teils leichte Art (obne stärkere 
Schmerzen und Funktionsbehinderung). 

Die Schmerzen verblassen meist mit Rückbildung des Blutergusses 
und der reaktiven Hyperämie und setzen mit Beginn der Wieder- 
anschwellung (Geschwulstentwicklung) aufs neue ein. Zwischen Schmerz 
und sekundärer (Geschwulst-) Schwellung bestehen keine regelmäßigen 
Beziehungen. Die nach vollständigem oder teilweisem Rückgang der 
primären Schwellung auftretende Geschwulstschwellung beginnt meist 
schon wenige Wochen oder Monate nach dem Trauma. 

Die Verschiedenheit des Zellcharakters, der Wachstumsenergie, 
der Lokalisation und der klinischen Erscheinungen erklären, weshalb 
die Sarkomdiagnose oft schon früh, oft erst nach Jahren oder bei 
der Sektion gestellt wird. Den Ausgangspunkt bildet überwiegend 
das Knochensystem. 

Für die Sarkomerkrankung überhaupt ergibt sich ein Verhältnis 
von 3:1 für das männliche und weibliche Geschlecht, während für 
die traumatischen Fälle das für Weiber wesentlich ungünstigere Ver- 
hältnis von 2:1 berechnet wird. Einen recht beachtenswerten Unter- 
schied für die Beteiligung der Geschlechter findet Verf., wenn er die 
Zeit der beginnenden sexuellen Betätigung (2:1) und des Klimak- 
teriums (1:1) in Berechnung zieht, wobei natürlich die größere Ver- 
letzungshäufigkeit der Männer berücksichtigt werden muß. 

Nach der Theorie des Verf.s bildet eine individuelle zeitliche 
Prädisposition (beim Weibe Schwangerschaft und Klimakterium) die 
Ursache, um event. posttraumatisch an bösartigen Geschwülsten zu 
erkranken. 

Für die Anerkennung eines ursächlichen Zusammenhanges zwi- 


1190 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 


schen Unfall- und Sarkomerkrankung in der Unfallbegutachtung ver- 
langt Verf.: | 

1) Daß die Primärgeschwulst vom Orte der Gewalteinwirkung 
oder einer durch Fortleitung der Gewalt nachweisbar geschädigten 
Stelle ausgeht. | 

2) Das Vorhandensein einer kontinuierlichen Brücke zwischen 
Trauma und Geschwulstentwicklung erleichtert die Anerkennung eines 
Zusammenhanges, ihr Fehlen darf aber für eine Verneinung nicht 
maßgebend sein. 

3) Die Latenzzeit ist nicht schematisch, sondern aus den konkreten 
Verhältnissen, dem ganzen Symptomenkomplex und dem histologischen 
Charakter der Geschwulst zu beurteilen. Reich (Tübingen). 





3) v. Verchöly. Über das Myelom. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVIII. p. 614.) 

Beschreibung eines Falles von Myelom des Brustbeines mit Meta- 
stasen in den Wirbeln, Rippen und dem verknöcherten Ringknorpel, 
der im Anschluß an eine endolaryngeale Probeexzision zum Tode und 
zur Autopsie führte. 

. Auf Grund sorgfältiger histologischer Untersuchung und Literatur- 
studiums gelangt Verf. zu dem Schluß, daß dem Myelom eine selb- 
ständige onkologische Stellung zukommt, die den Geschwülsten anderer 
Gewebsgattungen (dem Myom, Gliom, Neurom, der Epithelgeschwulst) 
gleichwertig und vom Sarkom zu trennen ist. 

Die primären myelogenen Geschwülste (Myelome) können vom 
Bindegewebsgerüste, den Endothelzellen und dem Lymphgewebe aus- 
gehen und umfassen als zwei Grenzwerte die myelogene Pseudoleukämie 
und das sog. Lymphosarkom der Knochen, welche Benennungen über- 
flüssig und unrichtig sein sollen. Aus der polymorphen Struktur des 
Knochenmarks und dem Mangel oder Vorhandensein von Heterotopie 
ergibt sich die Einteilung der verschiedenen Formen des Myeloms. 

Die klinischen Symptome desselben bestehen in erster Linie in 
Geschwulstbildung, Deformation und Rarefikation des Knochens, 
lokalem Schmerz und Albuminurie. Das ganze Krankheitsbild ist 
klinisch noch wenig erforscht. Reich (Tübingen). 


4) M. Strauss. Das Rankenneurom, mit besonderer Be- 
rücksichtigung seiner Pathogenese. 
(Deutsche Zeitschrift fiir Chirurgie Bd. LX XXIII. p. 111.) 

Ein eigener, in der Greifswalder Klinik (Prof. Friedrich: be- 
obachteter Fall gab S. Anlaß zu einer gründlichen Spezialstudie über 
das Rankenneurom, von dem er gegen 110 Beobachtungen aus der 
Literatur zusammenstellt und referiert, die er dann einer Allgemein- 
besprechung zugrunde legt. Aus letzterer ist hervorzuheben, daß S. 
eine Klassifizierung dieser Geschwülste in zwei Hauptgruppen, die 
bislang noch nicht unterschieden wurden, vorschlägt.‘, Er unterscheidet 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 1191 


nämlich eigentliche Ranken- und eigentliche plexiforme Neurome. 
Die ersten zeichnen sich dadurch aus, daß sie sich in ein Gliemenge 
von mehr oder weniger dicken Strängen auflösen lassen. Sie sitzen 
auf nur einem Stiel, der keinem bekannten Nerven entspricht und 
der sich dann flächenhaft in die Breite ausdehnt. Dieser Stiel geht 
in die Tiefe und ist in seinem Sitz an ganz bestimmte Stellen an 
Kopf und Rumpf gebunden, nämlich an die Augenhöhle und Um- 
gebung (43 Fälle von insgesamt 79), die Ohrgegend (12 Fälle), den 
Nacken (10 Fälle) und den Übergang der Lenden- in die Kreuzbein- 
wirbelsäule (9 Fälle.) Das sind aber gerade die Stellen, an denen 
mit Vorliebe jene Geschwülste sitzen, die dem Zentralnervensystem 
oder dessen Hüllen ihren Ursprung verdanken und bei mangelndem 
Schluß der Knochenhüllen bruchartig zum Vorschein kommen. Hier- 
mit stimmt gut, daß bei den eigentlichen rankenförmigen Neuromen 
ebenfalls des öftern Knochenspaltbildungen (Spina bifida occulta usw.) 
beobachtet sind. Hingegen bilden plexiforme Neurome im eigent- 
lichen Sinne ein Knäuel von neben- oder aufeinander gereihten ranken- 
artigen oder knotigen Gebilden, das sich an den Verlauf eines be- 
stimmten, meist pathologisch veränderten Nerven hält und wie ein 
wirkliches Nervengeflecht deutlich Anfang und Ende erkennen läßt, 
indem sich das Gebilde von einem Strang auflöst und sich wieder 
zu einem Strange zusammen findet. Auch ist charakteristisch, daß 
diese Geschwülste faßt ausschließlich die Extremitäten befallen. Weitere 
weniger wesentliche Betrachtungen über Symptomatologie, klinisches 
und anatomisch-histologisches Verhalten der Geschwülste mögen im | 
Original eingesehen werden. | 

Der eigene Fall S.’s betrifft ein eigentliches Rankenneurom und 
besitzt die erwähnten Eigentümlichkeiten gerade dieser Geschwulst- 
kategorie, auf die sich das Hauptinteresse der Abteilung konzentriert. 


Es handelt sich um einen 12jährigen, etwas schwächlichen, doch sonst gesunden 
Jungen, geboren mit einer kleinen Geschwulst auf dem Rücken, die im Alter von 
2 Jahren haselnußgroß gewesen, dann langsam gewachsen war und seit 3 Jahren 
Rückenschmerzen verursacht hatte. Sie stellt jetzt eine handtellergroße halb- 
kugelige Verwölbung dar, deren Hautdecke hellbraun gefärbt ist, ebenso wie die an- 
stoßende Flankenhaut beiderseits. Auch ist der Unterteil der pigmentierten Fläche 
dicht mit weißen, einen Wirbel bildenden Haaren besetzt. Sehr harte und höcke- 
rige Beschaffenheit der mit der Haut fest verwachsenen Geschwulst, die recht 
druckempfindlich ist. Diese Verwachsungen müssen bei der Operation scharf ge- 
trennt werden, auch ist die Geschwulst mit der Fascia lumbodorsalis fest verwachsen, 
die teilweise mit weggenommen werden muß. Mit zwei derben Stielen haftet sie 
in der Tiefe, und zwar gehen diese Stiele durch den gespaltenen 3. und 4. Lenden- 
wirbelfortsstz. Die Heilung erfolgte glatt. 


Von der anatomischen Untersuchung sei kurz angeführt, daß sich 
strangartig und knäuelförmig angeordnetes Fasergewebe, teilweise myxom- 
artig verändert, vorfand, und daß sich Nervenfasern, markhaltig und 
marklos, in verschiedener Gestalt nachweisen ließen. Die Geschwulst 
zeigte also in interessanter Weise die von S. den Rankenneuromen 
zugeschriebenen Charakteristika. Makro- und mikroskopische Abbil- 


1192 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 


dungen zu dem Falle, ebenso ein 141 Nummern zählendes Literatur- 


verzeichnis sind der Arbeit beigegeben. 
Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 





5) Wittstein. Das Wetter und die chirurgischen Haut- 
infektionen. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLIX. p. 354.) 

Zu obigem, von chirurgischer Seite wenig bearbeitetem Thema 
liefert Verf. eine interessante Studie. Es wurden die Häufigkeits- 
schwankungen der Staphylomykosen, also Furunkel und Karbunkel, in 
Beziehung gesetzt zum Wetter, resp. den einzelnen metereologischen 
Faktoren: Luftdruck, Lufttemperatur, relative Feuchtigkeit, Bewöl- 
kung, Windrichtung und Windstärke, Niederschläge, Sonnenschein- 
dauer. Dabei bewegte sich die Untersuchung nach zwei Richtungen, 
einmal den Einfluß metereologischer Verhältnisse auf die ektogene 
Bakterienflora, sodann auf die Disposition der menschlichen Haut zu 
eruieren. Die Beziehungen der Witterungsmomente zur Hautinfektion 
sind in zahlreichen Tabellen graphisch dargestellt. 

Unter vorsichtiger Verwertung der gewonnenen Resultate lassen 
sich folgende Schlüsse ziehen: 

Furunkel und Karbunkel kommen entsprechend der ubiquitären 
Natur ihres Erregers zu jeder Zeit und zu jeder Witterung vor. 

Zu Winteranfang und -Ende jedoch, ferner im Hochsommer 
treten sie besonders gehäuft auf. Unter den metereologischen Ein- 
flüssen kommen hierfür in erster Linie Lufttemperatur, Sättigungs- 
defizit und Windstärke in Betracht. Die Temperatur ist in der kalten 
Jahreszeit durch ihre Schwankungen, in der warmen durch ihre 
absoluten Werte, besonders wenn sie hoch sind, bedeutungsvoll. Für 
die Feuchtigkeit spielen die Schwankungen die Hauptrolle, doch so, 
daß im Winter eher zu hohe, im Sommer zu niedere absolute Zahlen 
infektionsbegünstigend wirken. 

Kräftige Winde sind in kalten Monaten eher von förderndem, 
in den warmen von hemmendem Einfluß auf die Häufigkeit der Haut- 
infektionen. Bei Betrachtung größerer Zeiträume scheint die Sonnen- 
scheindauer die Erkrankungsziffer zu vermindern. Niederschläge zu 
einer bestimmten Zeit wirken eher infektionshindernd. Bei andauern- 
dem Nebel steigt die Furunkelzahl. 

Alle diese metereologischen Faktoren werden in ihren Einflüssen 
nur nach längerer Wirkungsdauer erkenntlich. Man kann daher nicht 
anstehen, dem Wetter in der Atiologie aller chirurgischen Kokken- 
infektionen, die von der Hautoberfläche ausgehen, eine nicht ganz 
unwesentliche Rolle zuzuerkennen. Reich (Tübingen). 





Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 1193 


6) K. Noeske. Klinische und histologische Studien über 


Hautverpflanzung, besonders über Epithelaussaat. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXIIL p. 213.) 

N. hat als langjähriger Assitent v. Mangoldt’s eine reiche und 
gründliche Erfahrung über die von diesem Chirurgen angegebene 
Epithelaussaat gewonnen, auf Grund deren in vorliegender Arbeit 
hierüber gesprochen wird. Er beginnt mit dem für die Praxis 
wichtigsten Punkte, der Technik. Die Vorbereitung der zu be- 
pflanzenden Granulationsfläche ist dieselbe wie bei dem Transplanta- 
tionsverfahren von Thiersch; ebenso wird die Granulationsfläche 
stets angefrischt, und zwar nicht mittels scharfen Löffels, sondern 
mittels flachen Messerschnittes, wozu sich ein dünngeschliffenes (altes) 
geknöpftes Messer besonders gut eignet. Die Epithelentnahme geschieht 
mit einem scharfen aseptischen Rasiermesser, dessen Schneide man 
senkrecht auf die mit der linken Hand gegengespannte Haut aufsetzt, 
um die oberste Hautschicht in rasch wiederholten, einige Zentimeter 
lang geführten Zügen abzuschaben, wobei Aufträufelung von etwas 
Salzwasser die Sache erleichtert. Zunächst gewinnt man ein trockenes 
Mehl von den obersten verhornten Epidermiszellen, das unbrauchbar 
und zu beseitigen ist. Erst wenn das Messer die Zellen des Stratum 
mucosum erfaßt, wird das Abschabsel verwendlich. Da dann auch 
die Spitzen der Papillen geschädigt werden, gewinnt man einen ziegel- 
roten, keimfähige Epithelzellen führenden Brei, der auf die Wunde zu 
bringen ist. Dies geschieht mittels Myrtenblattsonde, die den Brei 
überallhin verteilt. Deckung der Wunde mit Protektiv und Gaze, die 
nicht angefeuchtet zu werden braucht; Verbandwechsel durchschnittlich 
alle 2—3 Tage. In den ersten 2—3 Tagen verwandelt sich der auf- 
getragene Epithelbrei in einen graugelben Brei, der nicht weggewischt 
werden darf, höchstens vorsichtig durch Absaugen mit Tupfern ab- 
zutrocknen ist. Nach 4—5 Tagen gewahrt man die ersten auf- 
keimenden Epithelinselchen in Gestalt von mattglänzenden, bläulich- 
weißen Flecken von 1—3 mm Durchmesser, die sich nun ganz ähnlich 
wie Bakterienkolonien auf Gelatineplatten vergrößern und sich ent- 
gegenwachsen, um miteinander und mit der die Wunde umrandenden 
Epidermis zusammenzufließen. Dabei scheint die letztere durch die 
Epithelisierung der zentralen Wundteile auch zu besonders lebhafter 
Wucherung angeregt zu werden. Hinsichts der histologischen Befunde, 
für welche Prosektor Geipel das Material von Probeexzisionen prä- 
parierte, interessiert besonders der anscheinend gelungene Nachweis, 
daß die rein epithelialen Zellelemente ohne Anhaftung von den Papillen- 
spitzen mit entnommenem Bindegewebe zur Zellwucherung fähig sind. 
N. färbte nämlich seine Präparate unter anderen auch nach Weigert, 
wonach die elastischen Fasern durch Schwarzfärbung erkenntlich 
werden. Da sich nun wuchernde Epithelinseln ohne zwischen ihnen 
und der Unterlage eingeschobenen elastische Fasernetze finden, ist 
anzunehmen, daß man Epithelabschabsel ohne sonstige Teile der 

45** 


1194 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 


Papillenspitzen vor sich hat. Im übrigen sieht man die Wundfläche 
zunächst von einer Schicht Zellen überzogen, die den zylindrischen 
Basalzellen der Schleimschicht entspricht, wenn auch an Gestalt mehr 
rundzellig ist. Die Zellen dieser Schicht sind mit feinen Ausläufern 
in der Unterlage eingefügt, schicken auch in diese in die Tiefe 
wuchernde Zapfen, wodurch eine Art Papillenbildung entsteht. Prä- 
parate von Transplantation nach Thiersch zeigen ferner außer der 
den Läppchen zugehörigen Epithelisierung hier und da ganz isolierte 
kleine Epithelinselchen, von denen N. annimmt, daß sie zufällig mit- 
ausgesäten Einzelzellelementen entstammen. 

Praktisch ist die Epithelaussaat für dieselben Aufgaben verwertbar 
wie die Thiersch’sche Transplantation. Die Heilung dauert länger 
als diese, dagegen ist die Entnahme des Hautmateriales weniger 
schmerzhaft als bei Thiersch und darum besser ohne Narkose tunlich. 
Auf unebene Wundflächen aber, wie auf die Knochenhöhlen nach 
Warzenfortsatz- oder Mittelohraufmeißelung, und nach Nekrotomien 
an den langen Röhrenknochen ist die Epithelaussaat viel besser 
praktikabel. In passend gezogenen Grenzen vermag sie völlig be- 
friedigendes zu leisten. Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


ee 


7) M. Steiner. Zur externen Behandlung Hautkranker. 
‘Berliner klin. Wochenschrift 1906. Nr. 11. 


Verf. kann auf Grund seiner guten Erfahrungen, für welche er 
einige Belege durch Krankengeschichten gibt, das von der Firma 
Chemische Werke Fritz Friedländer (Berlin) in den Handel ge- 
brachte Präparat — Teerdermasan — den Kollegen als wirklich vor- 
züglich empfehlen. Das Medikament hat in hervorragendem Maße 
juckstillende, schälende und austrocknende Eigenschaften und ruft 
weder lokale Reizungen noch allgemeine Intoxikationen hervor. Er- 
probt wurde das Teerdermasan bei Ekzemen jeder Art und jeden 
Stadiums, bei Pityriasis, bei Pemphigus und bei Krätze. 

nn Langemak (Erfurt). 
8) F. Calot. Diagnostic de larthrite tuberculeuse au début. 
(Arch. prov. de chir. 1906. Nr. 6.) 

C. weist auf die große Schwierigkeit der Diagnose tuberkulöser 
Erkrankungen des Gelenkapparates im Beginne der Erkrankung hin 
und gibt eine Anzahl von wohl zum größten Teil allgemein bekannten 
Anhaltspunkten an, die eine exakte Diagnose auch im ersten Beginn 
ermöglichen. Zunächst rät er, stets den ganzen Körper zu unter- 
suchen und die homologen Gelenke zu vergleichen. Druckempfindlich- 
keit der Gelenklinie, bzw. der Kapselansatzstellen, Empfindlichkeit 
und Beschränkung der Beweglichkeit sind allgemeine Zeichen jeder 
Gelenkentzündung. Für Tuberkulose sprechen Veränderungen der 
Kapsel — in der Dicke und Konsistenz —, Atrophie der dem be- 
treffenden Gelenke benachbarten Muskeln, oft verdeckt durch eine 


Zentrelblatt für Chirurgie. Nr. 45. 1195 


Verdickung der Haut — Emporheben einer Hautfalte —, der ver- 
schlimmernde Einfluß von Massage und Bewegungen des Gelenkes. 
Zur Prüfung geringer Veränderungen der Synovialis besonders beim 
Kniegelenk, empfiehlt C., mit der Hand vom Ober- bezüglich Unter- 
schenkel her gegen das Gelenk hin zu streichen; man wird dann leicht 
auch kleine Unterschiede, die sich durch einen Wulst u. dgl. anzeigen, 
bemerken. Die Röntgenographie leistet für die Diagnose im Anfangs- 
stadium der Gelenktuberkulose fast nichts. C. lenkt ferner die Auf- 
merksamkeit bei der Beurteiluug zweifelhafter Fälle auf die leichten 
abendlichen Temperatursteigerungen — wenige Zehntel Grad — und 
die fortdauernd erhöhte Pulsfrequenz. Ref. kann dieser Beobachtung 
aus eigener Erfahrung zustimmen und möchte die kleine interessante 
Arbeit, die ein kurzer Auszug einer größeren im Erscheinen be- 
griffenen Abhandlung C.’s »Technik der Behandlung der Gelenktuber- 
kulose« ist, angelegentlichst empfehlen. Müller (Dresden). 


9) F. Willard. Joint diseases, especially those of children. 
(New York and Philadelphia. med. journ. 1906. Juni 23.) 

W. gehört zu den zahlreichen Amerikanern, die für chirurgische 
Tuberkulosen auf das wärmste dauernden Aufenthalt in der freien 
Luft, Tag und Nacht, empfehlen (vgl. Halsted, ds. Zentralblatt 1906, 
p- 880). Die Befürchtung, daß dadurch Erkältungskrankheiten her- 
vorgerufen würden, weist er mit folgenden Worten zurück: »Er- 
kältungen, Bronchitis und Pneumonie sind unbekannt. Der einzige 
Einwand, den der Verwalter erheben könnte, ist der, daß doppelte 
Portionen konsumiert werden — eine gute Empfehlung; denn viel mehr 
wird an Medizin und Begräbniskosten gespart.« 

Lengemann (Bremen!. 


10) G. Hohmann. Wie kann der praktische Arzt die gym- 
nastische Behandlung der Gelenkkontrakturen durchführen ? 
(Aus dem orthopädischen Ambulatorium der kgl. Universität 
München. Prof. Dr. Fr. Lange.) 
"(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 31.) 

H. zeigt, daß man zur Beseitigung gewisser Arten von Gelenk- 
kontrakturen billige, einfache, leicht überall anzubringende Vorrich- 
tungen, wie sie sich in jedem Haushalt finden, verwenden kann. So 
wird an der Hand schematischer Abbildungen die passive Überstreckung 
des Hüftgelenkes mit passiver Abduktion, die passive Beugung und 
Streckung des Knie- und Fußgelenkes, die Mobilisierung des Schulter- 
und ' Ellbogengelenkes erläutert und in den wirklich zweckmäßigen 
und einfachen Anwendungsformen, die sich je nach dem Falle modi- 
fizieren lassen, dem praktischen Arzte ein wertvoller Ersatz für die 
teuren orthopädischen Apparate geboten. Kramer (Glogau). 


1196 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 


11) Pochhammer. Zur Technik und Indikationsstellung der 
Spinalanalgesie. 
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 24.\ 

Die in der Friedrich’schen Klinik geübte Technik der Spinal- 
analgesie, mit der sehr günstige Erfahrungen erzielt wurden, deckt 
sich im großen und ganzen mit den Angaben Bier’s und Finkeln- 
burg’s. Die Resultate waren sehr günstige. Um die Analgesie höher 
hinauf zu erzielen, wurde neben starker Beckenhochlagerung so vor- 
gegangen, daß mittels einer Doppelspritze 'cf. Abbildung) zuerst ca. 





4 ccm Liquor aspiriert wurden. Dann wurde die entsprechende Menge 
Stovain aus der kleinen Spritze injiziert, und nachher der in der grö- 
Reren Spritze enthaltene Liquor, der die Stovainmenge weiter in den 
Kanal hineintreibt und verteilt. Die Doppelspritze gestattet ohne 
Entfernung beide Injektionen. Ein Zurückdrängen des Stempels der 
kleineren Spritze bei starkem Druck des Liquor ist durch entsprechende 
Arretierung verhindert. (Die Spritze ist bei J. Stoepler in Greifs- 
wald zu erhalten.) Bezüglich der genau beschriebenen Einzelheiten 
der Technik ist das Original nachzusehen. Borchard (Posen). 


I2) R. Röhricht. Klinische Beobachtungen über Glykosurie 
nach Äthernarkosen. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVIII. p. 535.) 

Verf. untersuchte den Urin von 100 in Athernarkose operierten 
Pat. auf das Auftreten von Glykosurie, und zwar zwölfmal mit posi- 
tivem Befund. Er gelangt zu dem Resultate, daß weder das operative 
Trauma noch die Menge des verabreichten Athers und die Dauer der 
Narkose in direkten Kausalzusammenhang mit der beobachteten 
Glykosurie zu setzen sind, sondern daß diese eine Folge der durch 
den eingeatmeten Ather hervorgerufenen Schädigung des Organismus 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 1197 


sein muß. Worin diese näherhin besteht, bleibt offen; denn weder in 
der Fettinfiltration der Leber, noch in der chemischen und mechani- 
schen Wirkung des Athers auf das Blut, noch in der Beeinflussung 
der nervösen Organe findet Verf. eine ausreichende Erklärung, glaubt 
vielmehr, daß mannigfache, zum Teil noch ganz unbekannte Wirkungen 
des Athers zusammentreffen, um die Glykosurie zu erzeugen und 
meint, ohne individuelle Disposition lasse sich die Glykosurie aus- 
lösende Kraft des Athers überhaupt nicht vorstellen. 
Reich (Tübingen). 


13) Beck. On the use of the temporal fascia to cover in 
cranial defects. 
(Annals of surgery 1906. August.) 

Schädelknochenlücken, die nicht durch die Müller-König’sche 
osteoplastische Methode gedeckt werden können, überbrückt Verf. 
durch einen aus Tem- 
poralfascie, Schläfen- 
muskel und Knochen- 
haut des Schläfenbeines 
bestehenden Hautlappen 
(LZ). Der Lappen wird 
auf die Lücke so her- 
über geklappt, daß die 
Fascie auf dem Gehirn 
liegt und das Periost 
nach außen kommt. Die 
Haut wird über dem 
Periost genäht. Die 
Vorteile der Methode 
bestehen nicht allein 
darin, daß sich infolge 
der glatten Vereinigung 
von Gehirn und Fascie 
kein später etwa stö- 
rendes Narbengewebe 
auf der Gehirnoberfläche bildet, sondern auch darin, daß vom Periost 
aus eine dünne knochenartige Schicht gebildet wird. 

Herhold (Altona). 





14) K. Vymola und O. Kutvirt. Die Sauerstofftherapie bei 


Erkrankungen des Ohres. 
(Časopis lékařů českých 1906. Nr. 9—11.) 

Verff. erzielten gute, allerdings nicht immer dauernde Resultate 
mit Sauerstoffeinblasung durch die Tuben bei folgenden Affektionen: 
1) bei akuten Mittelohrentzündungen; 2) bei allen mit subjektiven Ge- 
räuschen und Schwerhörigkeit einhergehenden trockenen Katarrhen 
der Paukenhöhle; 3) bei chronischen Mittelohreiterungen, wenn der 


1198 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 


Knochen nicht ergriffen war. — Ist die Tube stenosiert, oder bei 
großen Perforationsöffnungen kann man auch durch den äußeren Ge- 
hörgang einblasen. — Die Sauerstofftherapie ist vollständig ungefähr- 
lich und vor jeder operativen Therapie (Tenotomie, Knöchelchen- 


extraktion) bei subjektiven Geräuschen zu versuchen. 
6. Mühlstein Prag). 


15) E. M. Corner. Concussion of the spine, with some 
remarks on concussion in general. 
(Lancet 1906. September 22.) 

Unter Commotio medullae spinalis ist eine mehr oder weniger 
vollkommene Außerfunktionssetzung der Rückenmarkstätigkeit zu ver- 
stehen, die unmittelbar auf einen Unfall folgt, in der Dauer begrenzt 
ist und ohne nachweisbare pathologisch-anatomische Veränderungen 
verläuft. — Wenn man allgemeine und lokalisierte Rückenmarks- 
erschütterung unterscheidet, so liegt dieser Unterschied nur in der 
Verteilung und Ausdehnung der Verletzung, nicht in dem pathologi- 
schen Charakter. Was den letzteren angeht, so sind drei Haupt- 
theorien vertreten: 1) Die der molekulären Störung und Verschiebung;; 
2) die vielfacher kleiner Blutungen; 3) die der Verlagerung der Zerebro- 
spinalflüssigkeit (Duret). Letztere hält Verf. beim Rückenmarke für 
unwahrscheinlich; er ist indessen Anhänger der ersten Theorie und 
hält die zweite nur für eine Exazerbation der ersten. — In längerer 
ausführlicher Abhandlung betrachtet Verf. die Unterschiede der Ge- 
hirn- und Rückenmarkserschütterung; er betont insbesondere die enorm 
sichere Verankerung des Rückenmarkes durch die austretenden Nerven- 
stämme gegenüber der nur an der Basis bestehenden Verankerung 
des Gehirns: eine Erschütterung durch den sog. Contrecoup ist so 
beim Rückenmark ausgeschlossen. Verf. berichtet über sechs Fälle 
teils lokaler, teils allgemeiner Rückenmarkserschütterung: eine einfache 
Erschütterung geht in einigen Stunden vorüber; dauern Lähmung und 
Anästhesie länger, so handelt es sich um Blutung; dauern sie länger 
als 3 Tage, so liegt traumatische Myelitis vor. Verf. vertritt die 
Theorie, daß das Mark der Nervenfasern zu dem Zwecke von der Natur 
gebildet ist, die leichten Erschütterungen, die im täglichen Leben 
sonst gleich die Achsenzylinder treffen würden, auszugleichen. 

E O L Ebbinghaus (Dortmund). 
16) A. Perrone (Neapel). Über kongenitale Skoliose. 
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XV. Hft. 2—4.) 

Verf. bringt die genaue anatomische Beschreibung von drei Prä- 
paraten aus dem pathologischen Institute der Berliner Universität. 
Die Skoliose war in diesen Fällen hervorgerufen durch Verschmelzung 
je eines Querfortsatzes des fünften Lendenwirbels mit dem entsprechen- 
den oberen Abschnitte des Kreuzbeines. Verf. stellt ferner die bis- 
herigen Beobachtungen aus der Literatur zusammen und unterscheidet 
drei Gruppen. Die erste Gruppe umfaßt die Fälle von reiner Skoliose, 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 1199 


die nicht mit anderen Mißbildungen vergesellschaftet sind, sondern ab- 
hängen von Veränderungen an den Wirbeln (Vermehrung, Fehlen, 
Verschmelzung) oder als Belastungsdeformitäten zu deuten sind. Zur 
zweiten Gruppe gehören diejenigen Fälle, bei denen noch andere MiB- 
bildungen vorhanden sind, und zur dritten diejenigen, für die ein be- 


stimmter Grund nicht namhaft gemacht werden kann. 
J. Riedinger (Würzburg). 





17) Micholski. Die Therapie des Morbus Basedowi. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLIX. p. 169.) 

Ohne Neues zu bringen, gibt die Arbeit eine kurze Übersicht 
über die bisherigen therapeutischen Versuche beim Morbus Basedowi 
und vertritt folgenden Standpunkt: Die Therapie soll beginnen mit 
Luftveränderung und Einleitung der Serotherapie, welche in geeigneten 
Fällen durch Hydrotherapie, Elektrizität, psychische Beeinflussung und 
interne, symptomatisch wirkende Mittel nach individuellem Ermessen 
zu unterstützen sind. Führt diese Behandlung in 3—4 Wochen nicht 
zu einer Besserung, so tritt die Operation, speziell die partielle Ex- 
stirpation des Kropfes, in ihr Recht. Reich (Tübingen). 


18) D. v. Navratil. Über die narbenbildende Wirkung von 
Schilddrüsenschnitten bei der Ösophagusnaht. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXIII. p. 487.) 

In einer früheren Arbeit berichtete v. N. über Deckung von 
Speiseröhrennähten mit Stückchen oder Zipfelchen der Schilddrüse, 
die mit ihrem St&mmorgane noch im Zusammenhange standen. Jetzt 
hat er Tierexperimente an Hunden gemacht, wo die Speiseröhrennaht 
mit völlig frei aus der Drüse herausgeschnittenen Scheiben Schild- 
drüsensubstanz bedeckt waren. Und zwar war die Speiseröhre zwei- 
etagig durch Mucosa und dann durch die Muscularis genäht. Auf 
die Muscularisnaht wurden die Schilddrüsenscheibchen gelegt und be- 
festigt, darüber die äußere Wunde geschlossen. Der Erfolg war mit 
einer Ausnahme befriedigend, gleichviel ob eine einfache Längswunde 
(drei Fälle), eine einfache Quertrennung (zwei Fälle) oder eine ring- 
förmige Speiseröhrenresektion (drei Fälle) dieser Naht unterzogen 
wurde. Nur ein Hund mit genähter Resektion ging ein infolge tech- 
nischer Fehler. v. N. schreibt die gute Heilung seiner Speiseröhren- 
nähte einzig den aufgelegten Schilddrüsenscheibchen zu, die die 
Narbenbildung der Muscularis beschleunigt und verstärkt und die 
Naht sichert, auch wo die Schleimhautnaht auseinander weicht. In 
einigen Fällen wurden kleine Stückchen der erzielten Narbenbildung 
zur histologischen Untersuchung exzidiert. Die letztere (Dr. Bakay) 
ergab frisches Granulationsgewebe mit wenig neuen Fasern, hier und 
dort Riesenzellen zwischen den Rundzellen, dabei auffallende Hyper- 
ämie mit reichlicher Neubildung von Kapillaren. Uber die Schicksale 
des aufgepflanzeten Schilddrüsengewebes scheinen aber keine Befund- 
aufnahmen möglich gewesen zu sein. Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


1200 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 


I. 
Kleinere Mitteilungen. 


Zu der dorsalen Fixation des Armes bei Schlüsselbeinbruch. 


Von 


Dr. Ernst Cordua, 
Spezialarzt für Chirurgie in Harburg a. E. 


Herr Prof. Bayer in Prag empfiehlt in der Nr. 37 ds. Bl. seine Methode, 
deren Wesen die Überschrift besagt, zur Nachprüfung. Zur Nachprüfung kann ich 
über sie zwar nichts melden, trotzdem kann ich sie, da ich diese Methode schon 
seit 4 Jahren als Regel bei jedem Schliisselbeinbruch angewandt habe, warm emp- 
fehlen. Es dürfte deshalb vielleicht im Interesse der Sache liegen, wenn ich die 
Vorzüge der neuen Verbandmethode bestätige, welche Herrn Prof. Bayer mit 
Recht veranlaßt haben, sie kurz bekannt zu geben. 

Daß es unmöglich ist, mit einem auch noch so exakt angelegten Verbande, der 
den Arm vorn auf der Brust fixiert, die Schulter ruhig zu stellen, wird jeder wissen. 
In einem jeden solchen Verband ist es dem Pat. und namentlich den beweglichen 
kleinen Kindern ein Leichtes, die Schulter nach vorn frei zu bewegen. Die Fixation 
der Schulter ist aber bei dem Cavicularbruche von großer Bedeutung. 

Ich hatte nun in meiner Poliklinik im Jahre 1902 am 2. Juni einen Knaben, 
namens Fritz Teichfuß, 4 Jahre alt, mit einer rechtsseitigen Schlüsselbeinfraktur im 
äußeren Drittel. Es wollte mir nicht gelingen, mit dem üblichen Verbande nach 
vorn eine gute Stellung der Bruchenden zu fixieren. Immer stellte sich, da die 
Fraktur schon zweimal 24 Stunden alt war, die alte Dislokation wieder ein. Es 
fehlte mir eine Handhabe, an den Frakturenden einen Zug auszuüben und sie dann 
hinterher in guter Stellung zu halten. Schließlich stellten sich die Frakturenden 
gut, wenn ich die Schulter stark nach hinten drängte, aber {mmer, wenn ich sie 
auch nur etwas frei licß, war die Dislokation wieder da, bis ich fand, daß durch 
ein Fixieren des ganzen Armes auf dem Rücken allein ein Festhalten der ganzen 
Schulter in der gewünschten Stellung möglich war. Ich hielt die Schulter dann 
mit breitem Heftpflasterstreifen (Leukoplast), ähnlich wie Herr Bayer es schildert, 
hauptsächlich durch eine Tour, die an der Vorderseite des Gelenkkopfes beginnt 
und an der gesunden Seite am Thorax endet, die Stellung der Schulter nach hinten 
fest und fixierte mit anderen Touren den übrigen Teil des Armes hinten auf dem 
Rücken so, daß die Fingerspitzen, wie in meinem Protokoll des poliklinischen 
Journals steht, an die Spitze der Scapula der gesunden Seite heranstoßen. Mit 
darüber gelegten Flanellbindentouren wird der Verband bedeckt. 

Auch das habe ich beobachtet, daß einige Pat. darüber klagen, weder auf dem 
Rücken noch auf der verletzten Seite schlafen zu können. Besonders aufmerksam 
möchte ich aber noch darauf machen, daß im Sommer bei dieser Verbandmethode, 
wie mir scheinen will, das Ekzem der sich berührenden Hautpartien schlimmer 
und leichter auftritt. Deshalb bepudere ich diese Flächen vorher sorgfältig mit 
Xeroform. Lange behalte ich diese Stellung überhaupt nicht bei, da meist wenige 
Tage genügen, die gute Stellung der Bruchenden zu erhalten; dann wähle ich wieder 
die immerhin angenehmere andere Fixation. Bei den Pat. aber, die nicht über 
Unangenehmes des Verbandes klagen, lasse ich ihn 8-10 Tage liegen, um ihn dann 
mit einem einfacheren Verband event. einer Mitella zu vertauschen. 

Der Vorteil dieses Verbandes liegt in dem starken andauernden Zuge, den 
man durch ihn in der Längsrichtung auf den Bruch ausübt, nicht allein, sondern 
meines Erachtens hauptsächlich darin, und das ist für Kinder gerade von Be- 
deutung, daß er überhaupt die einzige Manier ist, den Schlüsselbeinbruch zu fixieren. 
Bei jedem Verbande, der den Arm vorn auf der Brust festhält, ist eine absolute 
Ruhigstellung des Bruches unmöglich. — 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 1201 


Schließlich möchte ich noch betonen, daß ich alles andere, nur keinen Priori- 
tätsstreit mit diesen Zeilen beginnen möchte. Herrn Prof. Bayer bleibt das Ver- 
dienst, zum Nutzen der Allgemeinheit zuerst auf diese Verbandmethode des 
Schlüsselbeinbruches aufmerksam gemacht zu haben. — 


LI. 
Jodcatgutpräparation 
von 
Dr. Burmeister in Concepcion. 


Seit Claudius seine Methode der Jodcatgutpräparation veröffentlichte, habe 
ich dieselbe fast ausschließlich für die Vorbereitung meines Unterbindungsmaterials 
verwendet: Im Anfange nach der Originalvorschrift, später unter Benutzung der 
alkoholischen Jodlösung. Seit einiger Zeit habe ich indessen eine andere Modi- 
fikation des Claudius’schen Verfahrens praktisch erprobt, welche mir in mancher 
Beziehung mehr zusagte als die bisher geübten Methoden. Ich ersetzte nämlich 
die gebräuchlichen Jodlösungen durch die von Dr. Allyre Chassevant an- 
gegebene und empfohlene Chloroform-Jodtinktur: 

Rp. Jod. metallic. 1g, 
Chloroform 15 ccm (22,5 g). 

Dieselbe bildet eine, auf kaltem Wege herzustellende, bei 0° unveränderliche, 
dunkelviolett gefärbte Lösung, von welcher der Autor sagt, daß sie alle antisep- 
tischen und revulsiven, aber nicht die kaustischen Eigenschaften der alkoholischen 
Jodtinktur besitzt. 

Die Präparation wird in genau derselben Weise wie früher vorgenommen: Je 
ein Faden Rohcatgut wird fest, in einfacher Lage, und eine Wickeltour dicht 
neben der anderen auf ein Wickel aus dickem Spiegelglas (6 >< 3,5 >< 0,8 cm) ge- 
geben. Eine beliebige Anzahl mit Rohcatgut beschickter Wickel wird in einen 
weiten Glaszylinder getan und nun Jod-Chloroformlösung eingegossen, bis die Cat- 
gutwickel reichlich bedeckt sind. Nach Ablauf einer Woche wird mit dem Ver- 
brauche begonnen. Vor jeder Operation wird dem Behälter die voraussichtlich 
nötige Anzahl Wickel entnommen und auf sterile Serviette gelagert. Nach Be- 
endigung der Operation werden nicht benutzte Wickel in die Flüssigkeit zurück- 
gegeben, angebrochene Rollen von weiterem Gebrauche ausgeschlossen. 

Das mit Chloroform-Jodtinktur präparierte Catgut zeigt eine tiefschwarze Farbe. 
Außerordentlich schnell — in kaum 1 Minute — nach seiner Entnahme aus der 
Lösung trocknet es durch Verdunstung des Chloroforms ab, so daß es wie ein 
trockener, drahtartiger Faden in der Hand liegt, ohne indessen das Gefühl der 
Sprödigkeit hervorzurufen. Im Gegenteil besitzt es einen sehr hohen Grad von 
Geschmeidigkeit, welche beim Nähen und Knotenschlagen äußerst angenehm ist. 
Für den Gebrauch ist es gleichgültig, ob man das Catgut während der Operation 
trocken oder in irgendeiner aseptischen Flüssigkeit aufbewahrt: Elastizität und 
Geschmeidigkeit bleiben dieselben, de es nicht quillt. Im lebenden Gewebe wirkt 
es nicht reizend, wovon ich mich bei zahlreichen tiefen und oberflächlichen Nähten 
überzeugen konnte. Bei letzteren glaubte ich zu beobachten, daß der im Stich- 
kanal liegende Fadenteil auch bei sehr langem Liegen so gut wie gar nicht quillt. 

Versuchsweise habe ich auf die angegebene Weise vorbereitetes Catgut aus der 
Lösung entnommen und trocken aufbewahrt, um es dann nach verschieden langer 
Zeit zu verbrauchen. Dabei zeigte sich dann, daß das Chloroform-Jodcatgut auch 
so seine Elastizität und Festigkeit relativ lange beibehielt. Aus Gründen der Ein- 
fachheit und der absoluten Sicherheit vor Verunreinigungen bin ich aber bei der 
feuchten Aufbewahrung geblieben. 

Bezüglich der antiseptischen Eigenschaften des Chloroform-Jodcatgut ist wohl 
& priori anzunehmen, daß es den übrigen mittels Jodimprägnation hergestellten 


1202 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 


Catgutsorten gleichwertig sein dürfte, wie dies die klinische Erfahrung auch be- 
stätigte. Bezüglich seiner sonstigen Figenschaften glaube ich behaupten zu dürfen, 


1) daß es gegenüber dem in wäßriger Lösung präparierten und aufbewahrten 
Catgut niemals brüchig wird; 

2) daß es im Vergleich zu dem in alkoholischer Lösung präparierten Jod- 
catgut bei der Überführung in wäßrige Lösungen und im lebenden Gewebe 
nicht quillt; 

3) daß es — einmal imprägniert — ohne weiteres nach Belieben trocken oder 
feucht aufbewahrt werden kann; 

4) daß es, auch ohne vorher abgespült zu werden, niemals reizend wirkt; 

5) daß seine Präparation die denkbar einfachste ist, insofern zur Herstellung 
der Jod-Chloroformlösung nicht einmal Abwiegen oder Messen nötig ist, weil die 
Lösung einer auf kaltem Wege hergestellten konzentrierten Lösung von Jod 
in Chloroform entspricht; 

6) daß seine Zugfestigkeit mindestens ebenso hoch, wenn nicht höher ist als 
bei den übrigen Jodcatgutarten. 

Da das beschriebene Material für mich persönlich bei der praktischen Arbeit 
von allen bisher versuchten das weitaus angenehmste gewesen ist, so gestatte ich 
mir, den Kollegen einen Versuch damit zu empfehlen. 


19) Follenfant. Guerre russo-japonaise. Impressions chirurgicales. 
(Arch. de méd. et de pharm. militaires 1906. Juli.) 


Verf. schildert seine Erlebnisse aus dem russisch-japanischen Kriege, den er 
auf Seiten der Russen mitmachte. Von den Verbandpäckchen wurde auf den 
Truppenverbandplätzen reichlich Gebrauch gemacht, Antiseptika wurden bei der 
Wundbehandlung nicht angewandt, nur der Verbindende bestrich sich die Finger- 
kuppen mit Jodtinktur. Die Zahl der Operationen auf den Hauptverbandplätzen 
und in den Feldlazaretten war sehr gering; so wurden bei 598 Verwundeten eines 
Feldlazaretts nur 5 Amputationen, 1 Trepanation und 11 Unterbindungen nötig. 
In den rückwärts gelegenen großen Kriegslazaretten war die Einrichtung der Ope- 
rationssäle mustergültig. In Charbin gingen im ganzen 19031 Verwundete zu; 
hiervon wurden 128 amputiert, 97 exartikuliert, 114 trepaniert und 100 reseziert, 
außerdem 63 Ligaturen angelegt. Auffällig war, daß 5% aller Verwundeten mul- 
tiple Verwundungen hatten. Das kleine Geschoß der Japaner ist nach Ansicht des 
Verf. bezüglich der Brust-, Bauch-, Hals- und Gelenkwunden als humaner wie das 
frühere Bleigeschoß zu bezeichnen, nicht humaner ist es bezüglich der Schädel- 
und Wirbelsäulenschüsse.. Durch das kleine Geschoß wurden öfter, als man früher 
annahm, Kleiderfetzen in die Wunde gerissen; im Sommer waren etwa 10%, im 
Winter 90% aller Gewehrschußwunden infiziert. Die hohe Eiterung im Winter 
war durch das Eindringen von Pelzbekleidungsstücken bedingt. Tetanus kam in- 
folge des staubigen Bodens nicht selten vor. Die Verletzungen durch Schrapnells 
waren konstant infiziert. 

Explosivschiisse am Schädel wurden selten beobachtet; meist war die Schuß- 
öffnung klein, doch gingen zahlreiche lange Fissuren von ihr aus. Die zahlreichen 
Trepanationen hatten nicht immer den erwünschten Erfolg. Die Halsschüsse er- 
wiesen sich als gutartig, Kehlkopf- und Speiseröhrenschüsse heilten anstandslos. 
Die Brustschüsse heilten schnell, Operationen wegen Hämatothorax oder Empyem 
waren fast unnötig. Von der Ausführung der Laparotomien bei Bauchschußwunden 
wurde bald Abstand genommen, da sie keine Erfolge aufwiesen. Als äußerste 
Grenze, bis zu welcher die Laparotomie noch gestattet werden kann, wird die Zeit 
von 3 Stunden angegeben. Außere Blutungen waren sehr gering, zahlreich aber 
die nachher sich bildenden Aneurysmen. Auch an den Diaphysen wurden Explosiv- 
schüsse mit nußsackartiger Zermalmung der Knochen selten angetroffen, es han- 
delte sich vielmehr meistens um une festsitzende Splitter und lange Fissuren. 

Herhold (Altona). 


Zentralblatt für Ohirurgie. Nr. 45. 1203 


20) O. Wyss. Zur Entstehung des Röntgenkarzinoms der Haut und 
zur Entstehung des Karzinoms im allgemeinen. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLIX. p. 185.) 

Bei einer Frau mit Lupus erythematosus des Gesichtes entstanden unmittelbar 
nach mehrmaliger Röntgenbestrahlung im Zeitraum von 11/a Jahren nacheinander 
drei primäre Hautkarzinome und ein viertes gleichzeitig mit dem dritten in dem 
Bestrahlungsgebiet. Alle wurden kurz nach ihrer Feststellung exstirpiert und einer 
genauen histologischen Untersuchung unterwerfen. Als allen Geschwülsten gemein- 
schaftlicher Befund wurde erhoben, daß die Epithelzellen und deren Kerne an der 
erkrankten Stelle sich vergrößern, daß eine Reihe nebeneinander liegender, inter- 
papillärer Epithelsäulen erheblich in die Breite und Tiefe wachsen. Dazu kam eine 
auffallende Gefäßarmut in den tieferen Schichten der Cutis unter dem Karzinom, 
die Kleinheit der noch vorhandenen Gefäße und die sehr ausgesprochene Ver- 
engerung der größeren Gefäße durch mächtige Hyperplasie der Intima. In der 
nächsten Nachbarschaft werden die Gefäßveränderungen zwar nicht vermißt, sind 
aber doch nur geringfügig. Diese Gefäßveränderungen sind zweifellos Folgen der 
Röntgenisierung und ihrerseits in Zusammenhang mit der Karzinomentwicklung zu 
bringen. 

W. kommt so zu folgender neuen Krebstheorie. 

Die Krebszelle ist eine aus dem Zusammenhange des Körpers frei gewordene 
Epithelzelle, frei geworden durch den ganz allmählichen Nahrungsentzug infolge 
sukzessiver Gefäßobliterationen. Indem sie diesen Ernährungsausfall allmählich 
ersetzen lernt durch Aufnahme von Plasma aus benachbarten Bindegewebszellen 
oder anderem Gewebe, bleibt sie lebensfähig, wird dadurch zum Parasiten und 
schließlich zum Sieger über alle anderen Gewebe. 

Im weiteren sucht Verf. seine Theorie in Einklang zu bringen mit den ver- 
schiedenen bisherigen Krebstheorien und den Nachweis zu führen, daß seine Er- 
klärung nicht nur auf die Röntgenkarzinome, sondern auch alle übrigen Krebse 
anwendbar sei, da für die Entstehung solcher die die Ernährung schädigenden Mo- 
mente allgemein als Ursache angenommen werden. 

Im übrigen lehrt der mitgeteilte Fall aufs neue große Vorsicht und die Not- 
wendigkeit der Nachkontrolle bei der Röntgenbehandlung lupöser Gewebe. 

Reich (Tübingen). 


21) Rubesch. Zwei Fälle von fibromatöser Elephanthiasis. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVIII. p. 843.) 

Beschreibung zweier Fälle von fibromatöser Bindegewebsvermehrung der Haut 
ohne Beteiligung der bindegewebigen Bestandteile der Nerven, Gefäße und Drüsen. 
Die Geschwulstbildung war das eine Mal am Halse, das andere Mal in der Scheitel- 
gegend lokalisiert. 

Während im ersten Falle die erheblich verdickte, faltige Haut von derb elasti- 
scher Konsistenz und mit zahlreichen Höckern versehen und die Geschwulst um- 
schrieben war, ließ der zweite Fall mit diffusem Ubergange der Geschwulst in die 
normale Haut die höckrige Beschaffenheit vermissen und bot die Konsistenzver- 
hältnisse eines Lymphangioms. 

Der Grund dieser klinischen Verschiedenheit lag darin, daß dort die oberfläch- 
lichen, bier die tieferen Schichten des kutanen Bindegewebes in Wucherung ge- 
treten waren. Reich (Tübingen). 


22) M. v. Brunn. Beitrag zur Elephanthiasis neuromatosa. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVIII. p. 852.) 

Bei einem seit 10 Jahren in Beobachtung der v. Bruns’schen Klinik stehenden, 
früher bereits operierten Pat. fand sich eine weit auf die Brust herabhängende, 
lappig-wulstige Hautgeschwulst der rechten Halsseite, die sich als eine Lappen- 
elephanthiasis ohne Beteiligung der Nerven, Gefäße und Drüsen erwies, während 


1204 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 


gleichzeitig an der rechten Gesichtsseite ein typisches Rankenneurom und, über 
Rumpf und Extremitäten zerstreut, 147 terminale Neurome neben behaarten Pig- 
mentstellen sich fanden. 

In dem zweiten Falle waren neben der Lappenelephanthiasis terminale Neurome 
und Naevi, im dritten Falle zahlreiche Pigmentflecke und abnorme Behaarung s0- 
wie Hypersekretion der Talgdrüsen zu bemerken. Reich (Tübingen). 


23) L. Cheatle. The relation between a cutaneous naevus and a 
segmental nerve area. 
(Brit. med. journ. 1906. August 18.) 
Verf. berichtet über einen Fall von Hautnävus, der genau in seiner Ausdeh- 
nung dem dritten Cervicalnerven entspricht. Es ist der erste (? Red.) Fall von 
Nävus, der sich mit dem Gebiet eines Rückenmarkssegmentes deckt, während solche, 


die den Asten des Trigeminus folgen, verschiedentlich erwähnt sind. 
Weber (Dresden). 


24) Kraus. Beiträge zur Kenntnis des Erythema induratum (Bazin). 
(Prager med. Wochenschrift 1905. Nr. 40 u. 41.) 

Verf. beobachtete vier Fälle. Die histologische Untersuchung ergab nichts für 
Tuberkulose Charakteristisches; auch das Tierexperiment und der Ausfall der 
Tuberkulinreaktion sprachen dagegen. Trotzdem will K. nicht in Zweifel ziehen, 
daß das Erythema induratum auch einmal wirklich tuberkulöser Natur sein kann; 
nach seiner Auffassung ist das Leiden ein weder klinisch noch histologisch scharf 
begrenztes Krankheitsbild, sondern mehr ein Sammelbegriff für verschiedenartige 
Veränderungen. Syphilis war in K.’s Fällen auszuschließen. 

Gutzeit (Neidenburg). 


25) J. Gregor. Über Sauerstoff-Chloroformnarkose. 
(Casopis lékařů ceskych 1906. p. 693.) 


Die Narkose kam vorwiegend bei alten und geschwächten Personen und bei 
langdauernden und blutigen Operationen zur Anwendung. Der Bericht erstreckt 
sich auf 81 Fälle (66 Laparotomien) und konstatiert folgende Vorteile der Narkose: 
1) Eine Exzitation stellte sich selten ein und erreichte nie einen solchen Grad wie 
bei reiner Chloroformnarkose. 2) Niemals beobachtete man eine Alteration des 
Pulses; vielmehr wurde derselbe etwas voller. Diese Narkose eignet sich daher 
auch für kompensierte Herzfehler. 3) Niemals traten Reizungen der Atmungswege 
auf. 4) Der Chloroformverbrauch ist ein geringer, daher die Narkose für lang- 
dauernde Operationen geeignet. 

Verf. begann die Narkose mit 5 Tropfen, stieg jede halbe Minute um 5 Tropfen, 
bis eine tiefe Narkose eintrat, wozu gewöhnlich 25—30 Tropfen genügten. Bei 
Operationen, die 2 Stunden dauerten, betrug der Chloroformverbrauch 3 g. 

G. Mühlstein (Prag). 


26) Steinthal. Über Wandlungen in der Narkosenfrage. 
(Med. Korrespondenzbl. d. württemb. ärztl. Landesvereins 1906. August 25.) 


8. bebandelt in diesem auf der 24. Jahresversammlung des ärztlichen Landes- 
vereins gehaltenen Vortrage hauptsächlich die Rückenmarksanästhesie, die er in 
86 Fällen ausführte, 69 mit Novokain, 19 mit Stovain. Unter den Operationen 
werden eine Anzahl von Laparotomien: Nabelbrüche, Appendicitis, Kolostomie, 
Gastroenterostomie, Ovariotomie usw. verzeichnet. Neunmal wurde bei der Novo- 
kainnarkose nicht der gewünschte Ertolg erzielt, und zwar bei Operationen ober- 
halb des Nabels. Bei der Stovainnarkose war kein Versager, jedoch wurden mit 
Stovain nur Fälle unterhalb des Nabels operiert. Ein 63jähriger, sehr elender 
Pat. mit Prostatahypertrophie wurde wegen der Schmerzen beim Katheterisieren 
mehrfach mit Novokain, beim dritten Male mit Stovain 0,07, also der gebräuch- 
lichen Dosis, injiziert; einige Minuten später Kollaps und Tod. 8. läßt es dahin- 
gestellt bleiben, ob dieser Todesfall dem Stovain direkt zur Last fällt, und schreibt 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 1205 


der kumulativen Wirkung und den allgemeinen konstitutionellen Verhältnissen des 
Kranken einen gewichtigen Einfluß zu. 

S. zieht das Novokain wegen der sichereren Wirkung und der geringeren 
Nachwirkungen vor. Er hält die Anwendung der Rückenmarksanästhesie in jenen 
Fällen für geradezu geboten, wo schlechte Atmungs- und Kreislaufsverhältnisse die 
Inhalationsnarkose gefährlich erscheinen lassen. 

In der Diskussion berichtet Zeller über 36 Fälle und empfiehlt Alypin; die 
Nebenwirkungen nach diesem Mittel sind gering. 

Wörner hat bei 27 Fällen (Stovain-Adrenalin) im allgemeinen gute Erfah- 
rungen gemacht; einige Male mußte, sobald in der Bauchhöhle manipuliert wurde, 
Allgemeinnarkose gemacht werden. Trotzdem hat Wörner das Verfahren auf 
genau ausgewählte Fälle beschränkt, da er in drei Fällen üble Komplikationen sah: 
tagelang andauerndes heftiges Kopfweh und Erbrechen, bedrohlicher Kollaps, Gan- 
grän der Wundumgebung. Mohr (Bielefeld). 


27) Milké. Uber Lumbalanalgesie mit Stovain. 
(Budapesti Orvosi újság 1906. Sebészet 2. [Ungarisch.]) 


Nach kurzem historischen Überblicke der Frage berichtet Verf. über 100 Fälle 
von Rachistovainisation. Die Injektionen wurden in sitzender Stellung der Pat. 
in der Mittellinie zwischen 2. und 3. Lendenwirbel gemacht. Verwandt wurde 
ausschließlich Billon’sches Stovain. Die injizierte Menge schwankte zwischen 
3 und 7cg. Vollständige Analgesie trat auf in 91 Fällen, fünfmal versagte die 
Methode gänzlich, einmal wurde halbseitige, einmal unvollständige Analgesie er- 
reicht. Die Analgesie trat 4—12 Minuten nach erfolgter Injektion auf und war 
stets mit motorischer Lähmung der unteren Extremitäten verbunden. Dauer der 
Anästhesie ca. 1 Stunde. Unangenehme Nebenwirkungen — wie Kopfschmerz, Ubel- 
keit, Erbrechen, leichte Temperatursteigerungen — wurden in zehn Fällen beob- 
achtet, welche durchweg leichter Natur waren. Die toxischen Symptome traten 
besonders in Beckenhochlage und auch dann auf, wenn über 5g injiziert wurde. 
Verf. hält deshalb die Überschreitung von 5cg nur ausnahmsweise erlaubt. Er 
hält die Rachistovainisation für eine gute und entwicklungsfähige Methode, deren 
Anwendung hauptsächlich dort am Platz ist, wo die allgemeine Narkose kontra- 
indiziert erscheint. Besondere Berechtigung hat sie auch bei Mastdarmoperationen. 
Kontraindiziert ist sie bei septikopyämischen und Rückenmarkskrankheiten, bei 
Kindern unter 12 Jahren und schwerer Hysteroneurasthenie. 

P. Steiner (Budapest). 


28) K. Schnurpfeil. Medullare Anästhesie nach Bier in Kombination 
mit Adrenalin und Suprarenin. 
(Casopis lékařů českých 1906. Nr. 13 u. 14.) 

Bis Ende Juni 1905 wurden im Krankenhause zu Böhmisch-Brod 643 Fälle 
unter Bier’scher Anästhesie operiert. Dieselben verteilen sich in folgender Weise: 
Eukain « 79 Fälle (8 Kollapse), Eukain # 12 Fälle (3 Kollapse), Tropakokain 
359 Fälle (11 Kollapse); in den letzten 193 Fällen wurde zuerst 1/3 ccm einer Supra- 
reninlésung 1: 1000 und 5 Minuten später 2 ccm einer 1,5%igen Eukainlosung in- 
jiziert. Bei letzterer Methode wurden viel weniger unangenehme N ebenerschei- 
nungen beobachtet, die Anästhesie war eine vollkommenere; 3 Kollapse gingen 
ohne Folgen vorbei; 1 Fall endete tédlich, wohl infolge des hochgradigen Maras- 
mus des Pat. In 11 Fallen war die Narkose eine unvollständige, doch genügten 


kleine Mengen von Chloroform oder Ather, um eine tiefe Narkose zu erzeugen. 
6. Mühlstein (Prag). 


29) C. Borsz&ky. Klinische Erfahrungen über neuere Anästhetika. 


(Orvosi hetilap 1906. Nr. 24 u. 25. [Ungarisch.)) 


Verf. hat in der L. chirurgischen Klinik in Budapest mit Stovain, Alypin und 
Novokain Versuche angestellt, welche er als Lokalanästhetikum in 1%iger Lösung 
ohne Hinzusatz von Nebennierenpräparaten verwandte. 


1206 Zentralblatt ftir Chirurgie. Nr. 45. 


Stovain in der Menge von 3—12 cg gebrauchte er bei 85 Operationen (20 Her- 
niotomien, 6 Hydrokelen usw.). Intoxikationserscheinungen stellten sich in 2 Fallen 
ein nach Anwendung von 6—8 cg. Die Anästhesie war in 66 Fällen genügend, in 
den übrigen Fällen nicht genügend. 

Alypin wurde bei 72 Operationen (31 Herniotomien) angewendet, die injizierte 
Menge betrug 3—7 cg. In 51 Fällen war die Anästhesie ausreichend, in 18 Fällen 
war sie unvollkommen, in 2 Fällen war Alypin ganz wirkungslos. 

Novokain gebrauchte Verf. in 145 Fällen (42 Leistenbrüche, 4 Nabelbrüche, 
7 Strumektomien usw.) in der Menge von 4—13 cg. Die Anästhesie war in 
106 Fällen ausreichend; ganz wirkungslos war Novokain in 6 Fällen. 

Bei der Basssini'schen Operation wird die Anästhesie durch perineurale 
Injektion des N. spermaticus vollkommener. 

Verf. spricht sich zugunsten von Novokain aus. P. Steiner (Budapest). 


30) S. Pantovió. Das Novokain in der lumbalen Anästhesie. 
(Časopis lékařů českých 1906. p. 1007.) 

Im Bezirkskrankenhause zu Deutschbrod (Zahradnicky) wurde das Novokain 
in Dosen von 0,12—0,15—0,17 g in Kombination mit Suprarenin (l/; ccm einer 
1%/wigen Lösung) in 100 Fällen zur lumbalen Anästhesie verwendet. 86mal war 
die Anästhesie eine vollständige, 3mal eine unvollständige, aber hinreichende; 8mal 
mußte eine Allgemeinnarkose zugefügt werden, und in 3 Fällen trat überhaupt 
keine Anästhesie auf. Das Novokain hat dieselbe anästhesierende Wirkung wie 
das Stovain, besitzt aber nicht dessen unangenehme Nebenwirkungen im anästhe- 
tischen und postanästhetischen Stadium (Erbrechen, Ohnmacht, Kollaps, Kopf- 
schmerzen usw... Es eignet sich besonders auch bei der Herniotomie. 

G. Mühlstein (Prag). 
31) A. Molek. Beitrag zur lumbalen Analgesie. 
(Casopis lékařů českých 1906. p. 948.) 

Bericht über 322 Fälle aus der Abteilung Mosetig’s. In 3 Fällen mißlang 
die Injektion überhaupt, in 4 Fällen wurde keine Analgesie, sondern eine Hyper- 
ästhesie erzielt, in 10 Fällen war die Analgesie von zu kurzer Dauer und mußte 
durch die Allgemeinnarkose ergänzt werden, wobei aber nur 5—15 g Chloroform 
verbraucht wurden. Von den verwendeten Mitteln: Eukain (17), Eukain $ (183), 
Tropakokain (5) und Stovain (114) erwies sich das Tropakokain als am wenigsten 
geeignet. — Der jüngste Pat. war 11, der älteste 74 Jahre alt. Bei Kindern unter 
10 Jahren ist die Methode überhaupt nicht, bei Pat. im Alter von 11—16 Jahren 
nur ausnahmsweise anzuwenden. Die Analgesie trat nach 5 Minuten am Damm 
ein und dauerte 25 Minuten bis 13/, Stunden. Toxische Erscheinungen wurden 
nach Eukain § und Tropakokain in 20%, nach Stovain in 5% der Fälle beobachtet. 
Kollaps trat 5mal ein, und zwar 4mal bei horizontaler, 1ma] bei mehr sitzender 
Position des Kranken. G. Mithlstein (Prag). 


32) Widal, Roy, Froin. Un cas d’acromégalie sans hypertrophie du 


corps pituitaire avec formation kystique dans la glande. 
(Revue de méd. 1906. April.) 

Verff. erhoben in einem typischen Falle von Akromegalie mit ausgeprägten 
Veränderungen an den Extremitäten folgenden Befund an der Hypophysis: Makro- 
skopisch keine Hypertrophie des Organes, im Innern mehrere kleine Cysten; mikro- 
skopisch beträchliche Atrophie und Sklerose der Drüsensubstanz. 

Demnach ist das Vorhandensein einer eigentlichen Geschwulst der Hypophyse 
bei Akromegalie nicht konstant, die Hypophyse zeigt in einzelnen Fällen nur histo- 
logische Veränderungen. Mohr (Bielefeld). 


33) Masland. On the use of the Masland saw for opening the 
cranial vault. 
(Annals of surgery 1906. August.) 
Es handelt sich um eine elektrische Kreissäge, bei welcher der Tutor (7) und 
die Säge (S) auf jede feinste Millimeterbreite, je der Dicke des Knochens ent- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 1207 


sprechend, eingestellt werden kann. Beim Gebrauch wird der Schädel durch Drill- 
bohrer an zwei gegenüberliegenden Stellen angebohrt, der Tutor in das zunächst 





liegende Loch (X) eingeführt und dann die Säge in Bewegung gesetzt. Nach des 
Verf.s Ansicht arbeitet die Säge besser als die bisher bekannten Fräsen und Sägen. 
Herhold (Altona). 


34) Köhl. Beitrag zur retrobulbären Chirurgie der Orbita. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLIX. p. 90.) 

In dem einen Falle handelt es sich um ein retrobulbäres, abgekapseltes Fibro- 
sarkom, das sich nach der Krönlein’schen Methode der temporären, subperi- 
ostalen Resektion der äußeren Orbitalwand bequem und vollkommen entfernen 
ließ und zu kosmetisch wie funktionell vorzüglicher Heilung gelangte. 

Im zweiten Falle wurden irrtümlicherweise ein in die Augenhöhle ein- 
gewuchertes Sarkom der Highmorshöhle mit multiplen Hautmetastasen der Wange 
diagnostiziert und demgemäß die Operation als Oberkieferresektion begonnen, die 
Vorderwand der Highmorshöhle, sowie die untere Orbitalwand entfernt und nun- 
mehr die retroorbitale Geschwulst und in zweiter Sitzung die Wangengeschwulst 
exstirpiert. Die Geschwulst erwies sich jedoch als ein kavernöses Angiom mit 
Hyperplasie der Iymphatischen Elemente. Die Operation ergab ein kosmetisch wie 
funktionell wesentlich schlechteres Resultat, während die Geschwulst bequem nach 
der Krönlein’schen Methode sich hätte operieren lassen. 

Beich (Tübingen). 
35) Monnier. Über einen Fall von sogenannter Medianspalte. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLIX. p. 295.) 

Die Arbeit bringt, unter Würdigung der einschlägigen Literatur, die genaue 
Beschreibung eines seltenen Falles von medianer Lippen-Gaumenspalte mit ihren 
charakteristischen Einzelheiten: Fehlen des Philtrum und des Zwischenkiefers, De- 
fekt des Vomer, Anomalien im Bereiche der Siebbeinplatte, Defekt des Tractus 
und der Nervi olfactorii, Verwachsung der Stirnlappen neben anderen Gehirn- 
veränderungen. 

Die Einzelheiten haben lediglich anatomisch-entwicklungsgeschichtliches Inter- 
esse. Reich (Tübingen). 
36) Lévy et Baudoin. Hémispasme de la face, guéri par des injec- 

tions d’alcool. 
(Soc. de neurologie 1906. Mai 3.) 


Die Verff. heilten einen Fall von einseitigem Spasmus des Facialis, seit 
21/, Jahren bestehend, durch zweimalige Alkoholinjektion in die Austrittsstelle des 


1208 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 


Nerven nach Schloesser. Nach jeder Einspritzung trat eine periphere Facialis- 
paralyse auf, welche das erste Mal 10 Minuten, das zweite Mal einige Stunden 
anhielt. Heilung seit einem Monat. Mohr (Bielefeld). 


37) Wittek. Eine seltene Wirbelverletzung. 
(Archiv für Orthopädie, Mechanotherapie und Unfallchirurgie Bd. IV. Hit. 4.) 


Ein 22jähriger Bergmann wurde bei der Arbeit in einer Kohlengrube von 
herabfallenden Gesteinmassen verschüttet, die ihn in kniender Stellung namentlich 
am Rücken, Nacken und Hinterkopf trafen. Die Durchleuchtung mit Röntgen- 
strahlen ergab, daß der Atlas, abgesehen von einer geringen Verschiebung, die er 
gegen den Schädel erlitten hat, und einer Einpressung der linken Massa lateralis 
in die seitliche Partie des zweiten Halswirbels gegen den Epistropheus aus seiner 
normalen Stellung verdrängt ist. Er hat somit eine Beugung nach der linken Seite 
hin ausgeführt, die unter Erhaltung des Lig. transversum den Zahnfortsatz an 
seinem Halse abgebrochen und in die Verrenkungsstellung seitwärts mitgenommen 
hat. Gleichzeitig ist eine Verschiebung des Atlas im Sinne der Beugung nach 
vorn wiederum zugleich mit dem Zahnfortsatz eingetreten. 

Der glückliche Ausgang der Verletzung ist in diesem Falle einerseits dem 
Verhalten des ungemein starken Lig. transversum zuzuschreiben, das nicht reißt, 
sondern im Gegenteil sich stärker erweist als der knöcherne Zahnfortsatz und da- 
durch ein Eindringen des Zahnfortsatzes in das Rückenmark verhütet, andererseits 
durch die Einkeilung der linken Massa lateralis in die linke Hälfte des Epistropheus, 
wodurch der sonst bewegliche Atlas Stütze und Halt in einer bestimmten Stellung 
erfahren und das Rückenmark vor schwerer Schädigung bewahrt hat. 

Es ist dies der erste Kranke, an dem im Leben die beschriebene Verletzung 
durch das Röntgenbild sichergestellt ist. Hartmann (Kassel). 


38) V. Chlumsky (Krakau). Ein Fall von Scoliosis traumatica und 
Diabetes nach Blitzschlag und Trauma. 
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XV. Hft. 2—4.) 

Der Fall ereignete sich bei einem 11 Jahre alten Mädchen, das vom Blitz be- 
täubt und später von herabfallenden Baumästen getroffen wurde. Es bestanden 
mehrfache Verletzungen, darunter ein Bruch des rechten Unterschenkels, ein Bruch 
des Beckens und schwere Kontusionen am Rücken. In den ersten Tagen nach der 
Verletzung war Zucker im Urin nachzuweisen. Die Beine waren in den ersten 
3—56 Wochen gelähmt. Als Pat. in der 6. Woche aufstand, zeigte sie eine hoch- 
gradige Skoliose, ähnlich wie bei Ischias.. Nach 6 Monaten war die Skoliose nicht 
mehr nachzuweisen. J: Riedinger (Würzburg). 


39) EB. Kopits (Budapest). Ein neues Stiitzkorsett zur Maskierung 
der Deformität bei Skoliotikern mit großem Rippenbuckel. 
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XV. Hft. 2—4.) 

Verf. betrachtet das orthopädische Korsett neben der Gymnastik usw. als ein 
unentbehrliches Hilfsmittel in der Behandlung der Skoliose. Er benutzt ein Korsett 
mit hartem Hinter- und weichem Vorderteile nach Dollinger, das er an einem 
Gipsmodell in Streckstellung anfertigen läßt. Der Höhe der Konvexität muß das 
Korsett gut anliegen, um ein Hinabsinken des Rippenbuckels zu verhindern. Hierzu 
dient eine doppelte Lederplatte. Die Vertiefungen der Konkavität werden über- 
brückt, teils aus sanitären, teils aus kosmetischen Gründen. Die Art und Weise 
der Anfertigung wird genauer beschrieben. J. Riedinger (Würzburg). 


Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man 
an Prof. BE. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- 
handlung Breitkopf & Härtel, einsenden. 


Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig, Nürnbergerstraße 36/38. 


Zentralblatt 
CHIRURGIE 


herausgegeben 
5. von Bergmann, F. König, E. Richter, 





Dreiunddreißigster Jahrgang. 





Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei halbjähriger 
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten. 


Nr. 46. Sonnabend, den 17. November. 1906. 














Inhalt: I. C. Stich, Zur Catgutsterilisation. — II. $. $. Girgolaff, Peritonealplastik mit 
isolierten Netzstücken. (Original-Mitteilungen.) 

1) Glimm, Bauchfellresorption und Peritonitis. — 2) Wette, 3) Wieherink, 4) Kukula, 
5) Broca, 6) Harrison, 7) Hotchkiss, 8) Jaffé, 9) Reichel, Appendicitis. — 10) v. Verchély, 
Bruchoperation und Wurmfortsatz. — 11) Amberger, Postoperative Bauchbriiche. — 12) Zah- 
radnicky, Traumatische Hernien. — 13) Bühlmann, Leistenbrüche der Kinder. 

I. Heyde, Uber Jodoformgazesterilisation. — II. C. Stich, Ein neuer Apparat zur asepti- 
schen Seifenentnahme. (Original-Mitteilungen.) 

14) Naturforscherversammlung: a. Garrd, Transplantationen in der Chirurgie. — b. Gluck, 
Plastische Chirurgie. — c. Thiem, d. Baisch, e. Gaupp, Der Einfluß der deutschen Uufall- 
gesetzgebung auf Verlauf, Heilbarkeit und Unheilbarkeit der chirırgischen, gynäkologischen, 
Nerven- und Geisteskrankheiten. — f. Rosenfeld, Über Krüppelfürsorge. 

15) Wintsch, 16) Chill, 17) Stevenson, Bauchspalten. — 18) Pieri. 19) Borszéky, 20) Cor- 
ner, Banchwunden. — 21) Oppenheimer, Peritonitis. — 22) Miikó, 23) Renton, 24) Evans, 
Perforierende Magen- nnd Duodenalgeschwüre. — 25) Oul, 26) Karrenstein, 27) Ellot, 
28) Casteliani, 29) Moore, Appendicitis. — 30) Zaaijer, Krebs des Wurmfortsatzes. — 
31) Bärlocher, 32) Hilgenreiner, 33) Zimmer, 34) Chiumsky, 35) Streit, 36) Schmid, Hernio- 
logisches. 





I. 


Zur Catgutsterilisation. 
Von 
Dr. Conrad Stich in Leipzig. 


Die kürzlich mitgeteilte Darstellungsweise von Kautschukseide! 
veranlaßt mich, die Sterilisation von Catgut mitzuteilen, wie ich sie 
mittels Silbernitrats im Jahre 1903 für die chirurgische Klinik der 
Universität Leipzig vornahm. Zu dieser Zeit wurden die organischen 
Silbersalze für die Sterilisation bevorzugt (Aktol, Itrol), während das 
alte Nitrat erst in letzter Zeit wieder zur Geltung kam, vielleicht in 
Hinblick auf die Arbeiten, die seine Dissoziation und den hohen bak- 
teriziden Wert auch theoretisch klarlegten. 


1 Witzel und Wederhake, Zentralbl. f. Chir. 1906. Nr. 35. 
46 


1210 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 


Bei vorliegender Methode wurde eine 1%ige alkoholisch ammonia- 
kalische Lösung des Silbernitrats? benutzt, da durch Versuche fest- 
gestellt war, daß sie besser durch Catgutstreifen diffundiert als die 
Lösung des reinen Silbernitrats oder des Sulfats. Ubrigens war die 
Handhabung ähnlich gewählt, wie sie bereits im Zentralbl. fiir Chir. 
im Jahre 1903 Nr. 9 von L. Grünfeld mitgeteilt wurde. Das Catgut 
wird in einzelne Fäden zusammengerollt oder auf Glasplatten mit 
Stegen, wie sie von der Fabrik Haertel-Breslau im Handel sind, in 
einen Zylinder, der mit einer 1%igen alkoholisch ammoniakalischen 
Silberlösung gefüllt ist, 1/,—!/s Stunde bei Lichtabschnitt aufbewahrt, 
alsdann mit Spiritus abgewaschen und in einem zweiten sterilen Zy- 
linder dem Sonnenlicht ausgesetzt, wobei eine Zersetzung des Silber- 
nitrats stattfindet. 

Darauf wird das Catgut in ein Gefäß mit absolutem Alkohol und 
10% Gilyzerin eingetragen, und ist so für chirurgische Zwecke direkt 
verwendbar. Wesentlich dünner wird der Faden bei trockener Auf- 
bewahrung. 

Bei neuen Präparationen ist das Nitrat nach Titration der Lösung 
wieder auf 1% zu ergänzen. 

Zur Beurteilung dieser Methode wurde: 

1) die Diffusionsgeschwindigkeit der Silberlösung durch die Cat- 
gutfäden gemessen; 

2) die Zug- und Knotenfestigkeit bestimmt; 

3) die Keimfreiheit geprüft. 

Die Diffusionsgeschwindigkeit wurde in der Weise nachgewiesen, daß 
nebeneinander alkoholische Lösungen von ammoniakalischem Silber, 
reinem Silbernitrat und -sulfat für die Imprägnation des Oatgut benutzt 
wurden. Dabei hat sich ergeben, daß die ammoniakalisch-alkoholische 
Silberlösung bereits in 12 Minuten Catgut Nr. 2 von 426 u Dicke durch- 
drungen hatte. Das ist leicht zu erkennen, wenn man von dem redu- 
zierten Oatgut kleine Stückchen in Hollundermark oder Zelluloid einsteckt 
und Querschnitte herstellt. Diese sind mit Kollodium auf einem Objekt- 
träger zu befestigen. Der Träger wird mit Heftpflasterstreifen direkt 
an die Fensterscheibe geklebt, so daB die‘ Silberreduktion im Innern 
bald eintritt. Unter dem Mikroskop ließ sich dann leicht die schwarze 
Silberablagerung erkennen. | 

Die beifolgenden Bilder zeigen einmal einen Querschnitt des nicht 
praparierten Catgut und einen Querschnitt des mit Silber präparierten 
Catgut. 

Die Zugfestigkeit ist nach einem von mir in dieser Zeitschrift? 
früher beschriebenen Festigkeitsprüfer erprobt worden, wobei sich fol- 
gende Werte ergaben: 


2 Der Lösung wird tropfenweise NH3 zugesetzt, bis der Niederschlag wieder 
gelöst ist. 

3 Zentralbl. f. Chir. 1898. Nr. 22. — Stich, Festschrift, der med. Klinik der 
Universität Leipzig zur Säkularfeier gewidmet, p. 41: Festigkeitsbestimmung von 
chirurgischem Nähmaterial; ferner Derselbe, Zur Prüfung von chirurg. Näh- 
material. Pharm. Zeitung 1903. Nr. 22. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 1211 


Zugfestigkeit in Kilo: a. roh 2,96, 
b. sterilisiert 4,20, 


Knotenfestigkeit (mit zwischengebundenem 
Filzstreifen) . . . . . . . . 3,92. 





Fig. 1b. Mit Silbernitrat. 


Die Keimfreiheit habe ich damals gemeinsam mit Herrn Dr. Rit- 
hus (früher Assistenzarzt an der chirurgischen Klinik zu Leipzig) fest- 
gestellt, und zwar benutzten wir vorerst zur Infektion 8 Tage alte 
virulente Milzbrandbouillon. Die Imprägnation dauerte bei den ersten 


46* 


1212 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 


Versuchen 48 Stunden. Bei den letzten wurde 48 Stunden infiziert 
und danach das Catgut 21 Tage aufbewahrt, um die Möglichkeit der 
Sporenbildung zu berücksichtigen. Als Versuchstiere wurden Meer- 
schweinchen benutzt. Die Art der Implantation war entweder intra- 
peritoneal oder subkutan. Diese Versuche haben ergeben, daß eine 
allgemeine Milzbrandinfektion nicht stattfindet, die Tiere blieben sämt- 
lich am Leben. 

Es hat sich somit die soeben beschriebene Methode nach ver- 
schiedenen Seiten hin als brauchbar erwiesen. Wirtschaftlich ist Silber- . 
nitrat das billigste Silberpräparat, und der benutzte Alkohol kann ge- 
legentlich wieder verwendet oder abdestilliert werden. 

Ferner ist sowohl Zugfestigkeit wie Knotenfestigkeit eine sehr 
hohe, und gegen die Keimfreiheit nichts einzuwenden. 

Bei der Handhabung sterilisier- 
ten Catguts ist wiederholt beob- 
achtet worden, daf Catgut sich zu 
starr erweist und so in die Hände 
des Operateurs einschneidet. Ge- 
rade in dieser Beziehung scheint das 
vorliegende Präparat den meisten 
überlegen. Es ist elastisch und ver- 
ursacht in den Händen das Ge- 
fühl dünner Riemen. In bezug auf 
die Aufbewahrung wurde schon ge- 
sagt, daß sich die Fäden auf den 
Haertel’schen Glasplatten gut an- 
bringen lassen, oder es kann auch 
aufbewahrt werden in dem hier ab- 
gebildeten Behälter (s. Fig. 2). Er 
besteht aus zwei zusammengeschlif- 
fenen Zylindern, von denen der eine 
sich oberhalb verjüngt und eine ein- 
geschliffene Glaskappe trägt, aus der 
das Catgut herausgezogen werden 
kann. Um das Gefäß. leicht hand- 
haben zu können, kann es vorteilhaft mit dem unteren Teile in eine 
Gipsplatte eingelassen werden. 





II. 

(Aus dem Laboratorium der propädeutisch-chirurgischen Klinik des 
Prof. Ssubotin in St. Petersburg.) 
Peritonealplastik mit isolierten Netzstiicken. 

Von 
Dr. S. S. Girgolaff. 


Die Möglichkeit, vollständig isolierte Netzstücke zu plastischen 
7wecken in der Bauchhöhle zu benutzen, verspricht wesentliche Vor- 


4 32 ai) 


Zentralblatt fiir Chirurgie. Nr. 46. 1213 


teile fiir die Bauchchirurgie. Auf diese Weise kénnte man Netzplastik 
ausüben, ohne damit lästige Stränge und Verwachsungen in der Bauch- 
höhle zu schaffen und ohne die normalen Lageverhältnisse des Netzes 
zu beeinträchtigen. 

Allein während Netzplastik mit stehenbleibendem Netz experimen- 
tell und klinisch bereits fest begründet erscheint, ermangelt noch die 
Methode der isolierten Netzplastik einer solchen Begründung. Einige 
wenige klinische Erfahrungen liegen darüber seitens französischer 
Chirurgen vor, Experimente wurden nur recht mangelhaft angestellt. 
Diejenigen von Senn! verfolgten ein ganz anderes Ziel und erlauben 
keinen Abschluß über die wichtigste Frage, nämlich hinsichtlich der 
Vitalität und des Anheilungsvermögens der abgetrennten Netzteile. 
Loewy’s Versuche, in sehr lückenhaften Protokollen beschrieben, 
und in der deutschen Literatur scheinbar unbekannt geblieben?, wur- 
den an ungeeigneten Tierarten angestellt, nämlich an Kaninchen und 
Meerschweinchen, deren Netz, weil zu wenig entwickelt, keine Rück- 
schlüsse für die Verhältnisse beim Menschen gestattet. Deshalb halte 
ich es für angebracht, über eine neue Versuchsreihe zu berichten, welche 
von mir im Laboratorium der propädeutisch-chirurgischen Klinik der 
militärmedizinischen Akademie zu St. Petersburg ausgeführt wurde. 
Als Versuchstiere benutzte ich Hunde und Katzen, die bekanntlich 
ein gut entwickeltes, fettreiches, dem menschlichen gleichwertiges Netz 
besitzen. 

In Athernarkose wurden die Tiere laparotomiert, Magen-, Dünn- 
oder Dickdarm aufgesucht und entweder eröffnet oder ihres Peritoneal- 
und Muskelüberzuges in einer gewissen Ausdehnung (ca. 2,3 qcm) be- 
raubt; Schnittwunden der Därme wurden mit einer oder zwei Knopf- 
nähten mangelhaft verschlossen; nicht eröffnete Eingeweide ohne wei- 
teres mit abgetrennten Netzstücken, ca. 4,6 qcm groß, bedeckt und 
letztere auf unverletzter Serosa mit Knopfnähten fixiert. 

Der Netzstumpf wurde stets, um Verwachsungen zu vermeiden, 
ins Netzgewebe mittels eines einfachen Verfahrens versenkt. 

Am wichtigsten erschien mir, bei diesen Netztransplantationen 
die Frage zu lösen, wie schnell die verpflanzten Stücke anheilen, in 
welchem Zeitraume sich in ihnen die Blutzirkulation wieder herstellt. 
Zu diesem Zweck unternahm ich Gefäßinjektionen durch die Brust- 
aorta mit einer Gelatine-Berlinerblaumischung 18, 24, 48 Stunden, 
3, 5, 7 und mehr Tage nach der Operation. Bei sämtlichen hier in 
Betracht kommenden Versuchstieren bestanden gar keine Verwachsun- 
gen in der Bauchhöhle. Die transplantierten Netzstücke standen also 
ausschließlich mit dem von ihnen bedeckten Magen resp. Darm in 
Verbindung, und nur von hier aus konnten sie ihre Bluternährung 
bekommen. Die Ergebnisse dieser Versuchsreihe lauten dahin, daß 
bereits nach 24 Stunden einige Kapillaren mit Injektionsmasse ge- 





1 Senn, Zentralblatt für Chirurgie 1889. 
2 Auch mir wurden sie erst nach Ausführung vieler meiner Versuche bekannt. 


1214 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 


füllt werden; nach 48 Stunden und später bekommt man ein sehr 
hübsches Injektionsbild zu Gesicht; es entsteht also während des 
2. Tages eine genügend breite Verbindung zwischen den Gefäßen des 
Bodens und denjenigen des aufgepflanzten Netzstückes. Von einer 
Nekrose des übertragenen Stückes konnte niemals die Rede sein; 
stets sah es feucht und glänzend wie eine gesunde Serosa aus. Selbst 
bei Eiterung wurde das verpflanzte Stück niemals abgelöst oder ne- 
krotisch. In keinem der Fälle, wo eine aseptische Heilung erzielt 
wurde, entstanden Verwachsungen in der Bauchhöhle; das waren 
Netzpfropfungen auf Magen, Dickdarm und Harnblase. Mit Ver- 
pflanzung auf Dünndarm war ich bis jetzt weniger glücklich — indem 
die betreffenden Tiere Reaktionserscheinungen darboten und das Netz 
mit der Bauchwand und mit den transplantierten Stücken Verwach- 
sungen bildete. 

Es ist also die Möglichkeit erwiesen, Eingeweideverletzungen zu 
schaffen und sie mit Netz zu bedecken, ohne daß es zu irgendwelchen 
Verwachsungen kommt. 

Nachdem mir die hohe Vitalität der abgetrennten Netzstücke klar 
geworden, versuchte ich dieselben bei Verletzungen der großen Bauch- 
drüsen zu verwenden. Bei Leberresektionen und Leberschnitten wur- 
den die Nähte durch abgetrenntes Netzgewebe geführt oder die Wun- 
den mit solchem Netzgewebe gepfropft (bourres épiploiques von Loewy?) 
und durch Netzgewebe genäht. In allen Fällen (Katzenversuche) er- 
wiesen sich die verpflanzten Netzstücke, welche ich »lebende Tampons« 
nennen möchte, als durchaus geeignet, um Durchschneiden der Nähte 
und Nachblutungen zu vermeiden. 

Eine ausführliche Mitteilung über meine zurzeit noch nicht ab- 
geschlossenen Versuche hoffe ich an anderem Ort veröffentlichen zu 
können. | 





1) P. Glimm. Über Bauchfellresorption und ihre Beein- 


flussung bei Peritonitis. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXIII. p. 254.) 

G. hat zur Sache Tierexperimente im Greifswalder hygienischen 
Institut (Prof. Loeffler) angestellt. Zur Prüfung der peritonealen 
Resorptionsvorgänge wurde Milchzuckerlösung dem Versuchstier intra- 
peritoneal injiziert, dann die Ausscheidung des Zuckers mittels Urin- 
untersuchung durch den Polarisationsapparat verfolgt. Zur Erzeugung 
von Peritonitis diente intraperitoneale Injektion alter Bouillonkultur 
von Kolibazillen. Der Vergleich der Zuckerausscheidung bei gesunden 
Tieren mit derjenigen bei peritonitisch infizierten Tieren ergab nun 
unzweideutig, daß nach bakterieller Infektion der Bauchhöhle die 
Resorption in letzter beschleunigt (nicht verlangsamt) ist. G. sucht 
nun weiter festzustellen, ob diese Resorptionsbeschleunigung als nütz- 


3 Loewy, Thèse de Paris 1901. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 1215 


liche Abwehrbewegung des Organismus anzusehen ist. Zu dem Zwecke 
sucht er nach Herstellung der Peritonitis die Resorptionsbeschleunigung 
im Bauchfell wieder künstlich herabzusetzen, um zu sehen, wie unter 
diesen Bedingungen der Verlauf der Peritonitis sich gestaltet. Er 
fand zur Herbeiführung der Resorptionsverlangsamung in der intra- 
peritonealen Injektion von Olivenöl und anderen Ölen ein geeignetes 
Mittel, das vom Bauchfell gut vertragen wird und das auch bei Koli- 
peritonitis in hohem Maße die Bakterienresorption in die Blutbahn 
hemmt. Dem entspricht ein günstiger Einfluß auf den Verlauf der 
Peritonitis; mit Ol behandelte Tiere können die Krankheit überstehen, 
der andere nicht so behandelte Tiere unter gleichen Verhältnissen 
erliegen. »Die Hemmung und Verlangsamung der Bakterienresorption 
wirkt also günstig auf den Verlauf der Peritonitis, und die Entstehung 
einer Peritonitis wird nicht durch die Hemmung, sondern durch die 
Beschleunigung der Resorption unterstützt. «< 

Hiermit seien der wesentlichste Gedankengang und die wichtigsten 
Ergebnisse dieser Arbeit, betreffs deren Details auf das Original zu 
verweisen ist, gekennzeichnet. Von der Nützlichkeit der Olinjektionen 
ist G. so überzeugt, daß er, wie er erklärt, bei ganz aussichtslosen 
Fällen von Peritonitis es wagen würde, durch Olinjektionen zu ver- 
suchen, den tödlichen Verlauf aufzuhalten. Er würde dann ca. 130 ccm 
1%iges Kampferöl injizieren. Auch Ölinjektionen in abgekapselte 
Abszesse, die stete Bakterienresorption verursachen, schlägt er vor. 

Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 

2) Wette. Über Appendicitis. 
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XVI. Hft. 3.) 

Schilderung der Krankheit unter Mitteilung von zahlreichen 
eigenen Fällen. Die Arbeit ist für praktische Arzte berechnet. W. 
ist entschieden Anhänger der Frühoperation. 81 Kranke wurden 


innerhalb der ersten 2mal 24 Stunden operiert; zwei davon starben. 
Haeckel (Stettin). 


3) J. W. Wieherink. De Medicus-fractieusen de Appen- 
dicitis acuta. 
Haarlem, de Erven T. Bohn, 1906. z 
Die Arbeit W.’s ist eine umfangreiche Abhandlung über Atio- 
logie, Pathogenese, Symptomatologie und Diagnostik der Appendicitis. 
Ausführlich werden die Ansichten der namhaftesten Autoren über die 
Indikationen der Frühoperation der Appendicitis behandelt. Die Ab- 
sicht des Verf., diese Monographie zu einem Ratgeber für den Arzt 
bei der Behandlung der Appendicitis zu machen, ist ihm ausgezeichnet 
gelungen. E. H. van Lier (Amsterdam). 


1216 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 


4) O. Kukula. Ätiologie und Pathogenie der Entzündung 


des Blinddarmes und des Wurmfortsatzes. 
(Sbornik klinicky Bd. VII. p. 351.) 


Die Arbeit stützt sich auf die histologische Untersuchung des 
Wurmfortsatzes und Blinddarmes von 141 Fallen (119 Kadaver, 
22 Operationspräparate) und auf zahlreiche Experimente an Tieren. 
Der Autor gelangt zu folgenden Resultaten: 

Die Appendicitis ist eine Erkrankung, entstanden auf Basis 
chronischer Entzündungen, die sich allmählich und fast bei einem 
jeden Menschen infolge der langdauernden und wechselnden toxischen 
Wirkung des im Wurm stagnierenden Inhaltes entwickeln. Diese 
chronisch entzündlichen Veränderungen verlaufen in der größten 
Mehrzahl der Fälle während des ganzen Lebens latent und haben 
eine verschiedene Intensität. In manchen Fällen beschränken sie 
sich nur auf die Schleimhaut und die Follikel, in anderen befallen 
sie auch die Submucosa und die anderen Schichten des Wurmes und 
führen auf diese Weise allmählich zu atrophischen oder hypertrophi- 
schen Sklerosen, deren Resultat oft die Verödung des Organes ist, 
wenn das Epithel und die Drüsen zerstört werden, da die gegenüber- 
liegenden granulierenden Flächen miteinander verwachsen. In allen 
Fällen konnten am Ubergange der verddeten Partie in die durch- 
gängige, manchmal auch in dem verödeten Teile deutliche Produkte 
der chronischen Entzündungen gefunden werden. Die Verödung er- 
folgt entweder symptomlos oder unter nur geringfügigen Symptomen, 
ganz allmählich, und ist umso vorgeschrittener, je älter das Individuum 
ist, daher bei Kindern und jungen Personen selten zu finden und bei 
diesen nur aus dem Grunde, weil für die Entstehung der Verödung 
nicht nur die Dauer der chronischen Entzündung, sondern auch deren 
Intensität in die Wagschale fällt; die Intensität wiederum hängt von 
der verschiedenen Wirkung der toxischen Bakterienprodukte in den 
verschiedenen Lebensaltern ab. Dieselbe Bedeutung haben auch 
akute Exazerbationen der chronisch-entzündlichen Veränderungen des 
Wurmes. 

Diese verschieden intensiven chronischen Entzündungen sind die 
primäre Ursache für die Entstehung der typischen akuten Entzündungen 
oder Anfälle, die in jedem Stadium der chronischen Entzündung auf- 
treten können. Den Anstoß zum akuten Anfall können sekundäre 
Mono- oder Polyinfektionen geben, wobei die Wirkung der Bakterien- 
invasion durch Kotsteine und Sekretstauung erleichtert und gesteigert 
wird. Bei den Appendikularkoliken und den leichten Formen der 
chronischen Entzündungen in der Ileocoecalgegend kommt dagegen 
vorwiegend der mechanische Einfluß der Kotsteine und der Stagnation 
zur Geltung, während die Bakterienwirkung zurücktritt, die vielleicht 
nur eine geringfügige Exazerbation der chronischen Prozesse zur Folge 


hat, die nach der Beseitigung des mechanischen Einflusses wieder 
verschwindet. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 1217 


Analoge Verhältnisse herrschen im Blinddarm. Auch hier finden 
sich bei Erwachsenen chronische Entzündungen der Schleimhaut oder 
der Follikel oder beider, charakterisiert durch eine Erweiterung der 
interglandulären Räume infolge Infiltration der Schleimhaut mit zahl- 
reichen Kernen, durch eine chronisch-diffuse Hypertrophie der Follikel 
und durch Proliferationsprozesse in der Submucosa, manchmal auch 
der Muscularis und der Serosa. Die chronische Entzündung führt 
zur Atrophie des Blinddarmes und in seltenen Fällen zu einer leichten 
Sterkoraltyphlitis. Die schweren, akuten primären Typhlitiden ent- 
stehen wohl stets auf Basis vorangegangener leichter, chronischer Ent- 
zündungen des Blinddarmes. Die Pathogenie dieser chronisch-entzünd- 
lichen Prozesse ist eine verschiedene; bald handelt es sich um wirklich 
primäre Typhlitiden, bald sind sie auf der Basis vorangegangener 
Typhloenteritiden entstanden, bald durch den Einfluß des stagnierenden 
Darminhaltes oder durch Fortschreiten chronischer Prozesse des 
Wurmes auf den Blinddarm. 

Den Ausdruck Typhlitis stercoralis hilt K. aufrecht, da es sichere 
primäre Typhlitiden gibt, die auf der Basis chronischer Entzündungen 
des Blinddarmes entstanden sind, die wiederum die Folge der Kopro- 
stase sind; nur wirkt die letztere nicht mechanisch, sondern toxisch 
durch den flüssigen oder halbflüssigen stagnierenden Blinddarminhalt. 

6. Mühlstein (Prag). 


5) A. Broca (Paris). Appendicites consecutives aux enterites 


de l’enfance. 
(Revue prat. d’obstétr. et de paediatrie 1906. Juli-August.) 

Verf. ist der Ansicht, daB bei Kindern eine Enterokolitis zu 
Appendicitis führen kann. Fast immer handelt es sich um Infektionen 
der Darmschleimhaut, sei es, daß dieselbe mitten im Gesundheits- 
zustand einsetzt oder sich auf Grundlage einer chronischen schleimig- 
membranösen Enteritis entwickelt. 

Oft ist es schwierig, den Augenblick festzustellen, wann eine 
Enteritis sich mit Appendicitis kompliziert; doch gibt es einige Sym- 
ptome, wie die schmerzhafte Verhärtung der Ileo-Coecalgegend, die 
reflektorische Resistenz der Bauchmuskeln, das Erbrechen grüner Massen, 
welche die Aufmerksamkeit auf den Wurmfortsatz hinlenken müssen. 

In chronischen Fällen sind es wiederholte, namentlich rechts 
lokalisierte Koliken, febrile gastrische Erscheinungen mit Erbrechen, 
eine schmerzhafte Schwellung von Mac Burney’s Punkt, die auf den 
wahren Sachverhalt hindeuten. 

Unter den 33 Fällen, die B. operiert hat, und bei welchen sich 
eine Verbindung mit einer Enterocolitis muco-membranacea feststellen 
ließ, gibt es solche, wo die Appendicitis sich auf eine alte Enteritis, 
ohne Abscheidung von schleimig-fetzigen Massen entwickelt hatte; 
solche, bei welchen derartige Evakuationen in einer näheren oder ent- 
fernteren Vergangenheit festgestellt werden konnten und solche, bei 
welchen letztere auch nach der Operation fortbestanden. Doch auch 

46** 


1218 Zentralblatt fiir Chirurgie. Nr. 46. 


in diesen Fällen wurde durch den chirurgischen Eingriff eine erheb- 
liche Besserung des Zustandes erzielt, so daß derartige Fälle keinen 
Beweis für einen diagnostischen Fehler abgeben, um so mehr, als in 
allen denselben anatomische Veränderungen des Wurmfortsatzes ge- 
funden wurden. E. Toff (Braila). 


6) R. Harrison. A note on boric acid relative to appen- 
dicitis. 
(Lancet 1906. September 23.) 

Verf. macht auf die Gefährlichkeit der Nahrungsmittelpräservierung 
mittels Borsäure aufmerksam, da er zahlreiche Beobachtungen darüber 
aufzuweisen hat, daß gerade die Borsäure zu Verdauungsstörungen und 
Flatulenz in besonderem Maße führt. Fraglos bilden derartige Darm- 
zustände in der Appendicitisätiologie eine hochbedeutende Rolle. Nach 
Richard Jones ist die Appendicitisrate vom Jahre 1885—1904 von 
133 auf 305 pro Million der Bevölkerung gestiegen, was nach Verf. 
nur auf besonderen Verhältnissen der Ernährungsweise und nur in 
gegen früher andersartigen, von außen in dem Darmkanal eingeführten 
Stoffen seinen Grund haben kann. 

Man kann füglich, wie Verf. am Schluß satirisch bemerkt, mit 
der Nahrung nicht versichtig genug sein, heute, wo Parlamentsakte und 
überredende Zeitungsannoncen regulieren, was wir dem Magen zu- 
muten sollen, und was nicht! H. Ebbinghaus (Dortmund). 


7) Hotchkiss. The treatment of diffuse suppurative peri- 
tonitis, following appendicitis. 
(Annals of surgery 1906. August.) 

Nach Muscatello besitzt nicht das ganze Bauchfell, sondern nur 
der Teil, welcher das Zwerchfell bedeckt, Lymphspalten; hier geht 
dann allerdings die Resorption so schnell von statten, daß Karmin- 
teilchen, die in die Peritonealhöhle eingespritzt wurden, bereits nach 
7 Minuten im Ductus thoracicus erschienen. 

Verf. bespricht dann die Behandlung der diffusen, keine Neigung 
zur Verklebung zeigenden Peritonitis, die nach Perforation des Wurm- 
fortsatzes entsteht und stellt bezüglich dieser Behandlung folgende 
Thesen auf. Kleiner Muskelschnitt nach McBurney, zur Narkose 
wenig Ather, Exstirpation des Wurmes, Auswaschen der Bauchhöhle 
mit reichlichen Mengen Kochsalzlösung, Naht des Bauchfells, Drai- 
nage der äußeren Wunde. Eine Drainage der Bauchhöhle durch 
Drains oder Gazestreifen hält Verf. nicht nur für zwecklos, sondern 
sogar für schädlich. Nur wenn nekrotisches Gewebe bei der Exstirpa- 
tion des Wurmes zurückbleibt, ist sie nötig. Von 28 auf diese Weise 
behandelten Pat. starben nur 5. Herhold (Altona). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 1219 


8) M. Jaffé. Über das Auftreten isolierter Abszesse in den 
Spätstadien der Perityphlitis. 
(Berliner klin. Wochenschrift 1906. Nr. 18.) 

Die freie Peritonitis kann unter Umständen eine partielle sein, 
sie muß, falls nicht das Allgemeinbefinden des Kranken den Eingriff 
kontraindiziert, unter allen Umständen operativ angegriffen werden, 
weil nur nach Entfernung der Infektionsquelle Aussicht vorhanden ist, 
das weitere Fortschreiten zu verhindern. In diesen Fällen, in welchen 
die primäre Operation den Wert einer Präventivoperation hat, darf 
nicht die Länge des seit der Erkrankung verflossenen Zeitraumes für 
das Handeln des Chirurgen maßgebend sein. Die glänzenden Erfolge 
der heutigen Frühoperation bei Appendicitis sind im wesentlichen als 
die Erfolge einer Präventivoperation zu erklären. Die Frühoperation 
ist in allen schweren Fällen von Appendicitis bis zum 45. Jahre un- 
bedingt anzuraten. Spätlaparotomien soll man ohne weiteres nur bei 
diagnostizierten allgemeinen Bauchempyemen und in denjenigen Fällen 
machen, in welchen sich immer noch die Hauptereignisse in der rechten 
Fossa iliaca abspielen. Bei den übrigen Formen soll man vor dem 
Wagen wägen, welche Aussicht das’ Abwarten bietet. 

Wiederholte Untersuchung und sorgfältigste Beobachtung sind 
notwendig, um Douglasabszesse, linksseitige Eiterungen und sub- 
phrenische Abszesse diagnostizieren zu können, deren rechtzeitige Er- 
öffnung oft für eine günstige Wendung im Krankheitsverlauf aus- 
schlaggebend ist. Langemak (Erfurt). 
9) P. Reichel. Appendicitis und Ikterus. 

(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXIII. p. 1.) 

R. hat die Beobachtung gemacht, daß Ikterus bei Appendicitis 
eine recht bedenkliche Komplikation von übler Prognose ist. Von 
165 während der letzten 3 Jahre im Chemnitzer Stadtkrankenhause 
beobachteten Appendicitiden mit 22 Todesfällen zeigten 18 Ikterus, 
und von diesen starben 10, also 55,55%. Der Ikterus ist in diesen 
Fällen nicht als katarrhalisch anzusehen, sondern als Zeichen einer 
septischen Allgemeininfektion, und das klinische Krankheitsbild dieser 
Fälle, welche unter psychischer Unruhe, Schlaflosigkeit, Aufregung, 
später Koma verlaufen, erinnert an die akute Jodoformvergiftung. 
Die septische Allgemeininfektion, um die es sich hier handelt, kann 
ohne Peritonitis verlaufen; selbst einer Frühoperation unterzogene 
Pat. können der Krankheit erliegen, ohne daß es bei ihnen zu einer 
peritonitischen Entzündung kommt. R. publiziert vier besonders unter- 
richtende Beobachtungen sämtlich mit frühzeitiger Radikaloperation 
behandelter und verstorbener Kranker. Bis auf einen Fall, wo die 
Sektion verweigert ist, ist dabei auch der genaue Obduktionsbefund, 
zum Teil auch die bakteriologische Leichenuntersuchung mitgeteilt. 
Außer den gewöhnlichen Befunden der allgemeinen Sepsis (Milz- 
schwellung, parenchymatösen Veränderungen in Nieren und Leber) 

* 


1220 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 


fanden sich auch Ekchymosen bzw: stärkere Blutungen in Magen und 
Darm, was an die von v. Eiselsberg nach Laparotomien beschriebenen 
Magenblutungen erinnert. Wie letztere auf Thrombosen und Embolien 
bezogen werden, wird man in den R.’schen Fällen auf massenhafte 
Verschleppung von Bakterien ebenfalls auf dem Zirkulationswege, sei 
es mit, sei es ohne gleichzeitige Embolie feiner Thromben zu denken 
haben. 

Der Umstand, dal die bösartige Erkrankung sich bisweilen un- 
mittelbar an die Operation der Appendicitis anschloß, läßt den Ver- 
dacht zu, daß der operative Eingriff zur Allgemeininfektion den letzten 
Anlaß hätte geben können. Mit Rücksicht hierauf rät R., bei nach 
dem 2. Tage vorzunehmenden Appendicitisoperationen sich auf AbszeB- 
eröffnungen zu beschränken, die Wurmfortsatzexzision aber zu ver- 
schieben. Meinhard Schmidt (Cuxhaven’. 


10) v. Verchöly. Über die Komplikation der Bruchoperation 
durch den Wurmfortsatz. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVIII. Hft. 3. p. 596.) 

An der Hand eigener Beobachtungen werden die durch den 
Wurmfortsatz geschaffenen Komplikationen der Hernien besprochen. 

Kommt es bei extraperitonealer Lage des Wurmes in der Bruch- 
sackwand, wofür Verf. die Bezeichnung Appendix in pariete herniae 
vorschlägt, zu einer akuten, eiterigen Appendicitis, so entsteht meist 
eine periherniöse Phlegmone, die häufig ohne peritonitische Verände- 
rungen verläuft und oft eine Skrotalfistel hinterläßt. Bei nicht chro- 
nischem Verlaufe kann durch entzündliche Bindegewebswucherung eine 
Verödung des Bruchsackes und geschwulstähnliche Verdickung des 
Samenstranges entstehen. 

Eine Appendix libera in Hernia fand Verf. unter 1000 Bruch- 
operationen achtmal, teils isoliert, teils mit dem Blinddarm oder Dünn- 
darmschlingen zusammen, nicht nur bei Leistenbrüchen, sondern auch 
bei einem Nabelbruche. 

Bei Einklemmung des Processus mitsamt anderen Darmpartien 
spielt der Wurmfortsatz eine untergeordnete Rolle. Die Diagnose 
der isolierten Wurmeinklemmung gegenüber der Appendicitis im Bruch- 
sacke gründet sich vor allem auf die Art der Entstehung, die In- 
tensität der Entwicklung der Symptome und den Zustand der Appen- 
dix bei der Operation (Schnürring, Stauung ohne Eiter und fibrinöse 
Verklebungen). Sie wird relativ am häufigsten bei Schenkelbrüchen 
beobachtet. Eine interessante Unterart bildet der » Wurmfortsatz- 
schlingenbruch« (retrograde Einklemmung). Die isolierten Wurm- 
fortsatzeinklemmungen verlaufen in leichten Fällen unter dem Bilde 
einer lokalen Bruchentzündung, in schweren Fällen treten Übelkeit, 
Erbrechen, aber ohne Störung der Darmwegsamkeit hinzu, in den 
schwersten Fällen endlich kommt es zu ausgesprochenen Ileussymptomen 
mit schwersten Allgemeinerscheinungen. Die Störung der Darmweg- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 41221 


samkeit hält Verf. in solchen Fällen für reflektorisch, durch Druck- 
affektion der peritonealen Nerven bedingt. 

Die Einlagerung des Wurmfortsatzes in einen Bruch bringt eine 
besondere Disposition zur Appendicitis mit sich. In anatomischer Be- 
ziehung bietet eine Appendicitis in Hernia keine Besonderheiten, wohl 
aber symptomatologisch. | 

Bei chronischem Verlaufe kann es nur zu wiederholten, rasch 
vorübergehenden, schmerzhaften Anschwellungen kommen, die den 
Bruchinhalt mitunter plötzlich irreponibel machen. In schweren Fällen 
dagegen entwickelt sich eine akut-periherniöse Phlegmone mit heftigen 
Einklemmungserscheinungen; doch ist in der Regel die peritoneale 
Reaktion geringer, der Darmverschluß nicht so vollkommen wie bei 
anderen Einklemmungen oder abdomineller Appendicitis. Da meist 
rasch ein Verschluß der Bruchpforte erfolgt, ist eine diffuse Peritonitis 
dabei sehr selten, und es kann Spontanheilung unter Bildung einer 
skrotalen Kotfistel eintreten. 

In praktischer Hinsicht kommt Verf. zu dem Schluß, den ge- 
sunden Wurmfortsatz bei Bruchoperationen zu reponieren, dagegen 
bei Anwesenheit entzündlicher Erscheinungen oder von Fremdkörpern, 
sowie bei extrasakkulärer Lage auch des normalen Organes dasselbe 
prinzipiell zu entfernen. Bei extrasakkulären Entzündungen operiert 
Verf. zweizeitig. Reich (Tübingen). 


11) Amberger. Über postoperative Bauchbrüche. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVIII. Hft. 3. p. 643.) 

Bei 180 Laparotomiewunden von 160 Pat. finden sich im ganzen 
23 = 12% echte Brüche und etwa ebenso oft umschriebene Vor- 
wölbungen im Operationsbereiche. Männer sind fast doppelt so häufig 
betroffen als Frauen, weil sie meist schwerere Arbeit zu verrichten 
haben. Die Körperbeschaffenheit ist ohne nennenswerten Einfluß auf 
die Bruchentstehung. 

Der Lennander’sche Schnitt ist dem alten Schrägschnitt parallel 
dem Poupart’schen Bande nicht wesentlich überlegen, ist im Gegen- 
teil weniger erweiterungsfähig und übersichtlich. Vorzüglich bewährt 
er sich jedoch in Fällen, wo man sicher ist, mit kleinen Schnitten 
auszukommen und keine oder nur kurzdauernde Drainage nötig hat. 
Die Durchtrennung der Muskulatur als solcher, wenn sie nur wieder 
exakt genäht wird, ist wenig gefährlich, wie die guten Resultate der 
Parallelschnitte zum Rippenbogen beweisen, wobei allerdings die 
Spaltung der Fascie in ihrer Faserrichtung und der geringere ab- 
dominelle Druck im oberen Bauchabschnitte hinzukommt. Ganz mit 
Unrecht ist der Schnitt in der Linea alba in Mißkredit geraten: er 
liefert bei exakter Fasciennaht, selbst bei drainierten Fällen, vorzüg- 
liche, bruchfreie Narben. Die Länge des Schnittes macht sich nur 
bei Schnitten über 15 cm Länge als für Brüche disponierendes Mo- 
ment geltend, und dann auch nur bei drainierten und nicht ungestört 
geheilten Fällen. Großer Wert ist auf die Technik der Bauchdecken- 


1222 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 


naht zu legen: der Verschluß in drei oder vier Etagen ist der zwei- 
reihigen Etagennaht an Sicherheit weit überlegen. 

Das Tragen von Bandagen nach der Wundheilung erweist sich 
als ein höchst problematischer Einfluß auf die Verhinderung der 
Bruchbildung. 

Von beherrschender Wichtigkeit ist dagegen die Anwendung und 
Dauer von Tamponade und Drainage. Verf. zeigt, daß die Häufigkeit 
der Narbenbrüche genau parallel geht zur Dauer der Drainage resp. 
Tamponade sowie zur Größe und Schwere der Schädigung der Bauch- 
decken durch Fadeneiterungen, Fasciennekrosen, Kotfisteln usw. Exakte 
Schichtennaht und glatte Primärheilung sind der sicherste Narben- 
schutz und machen alle Bandagen überflüssig. 

Bei den nicht primär geheilten Fällen — bei Primärheilung ist 
die Schnittrichtung ziemlich gleichgültig — haben sich besonders der 
Schnitt am Rippenbogen und der Lennander’sche Schnitt in bezug 
auf Narbengüte bewährt. Die Vorzüge des letzteren lassen sich mit 
denen des alten Schrägschnittes über dem Leistenbande vereinigen, 
wenn man den Schnitt bis unter den Rectus verlängert und daselbst 
drainiert, so daß auch hier bei Entfernung der Drainage der median 
dislozierte Rectus sich verlagern kann. 

Die von den Narbenbrüchen zu trennende Nachgiebigkeit der 
Narbe oder deren Umgebung macht häufig keinerlei Beschwerden und 
bedingt keine Einklemmungsgefahr. Sie hat ihren Grund meist in 
einer Schädigung von Muskulatur und Nerven, findet sich bei Frauen 
und Männern gleich oft, unverhältnismäßig häufig aber bei Kindern, 
weil bei diesen die Schnitte und damit die Nervenverletzungen viel 
ausgedehnter sind. 

Bei allen länger drainierten Bauchwunden lohnt sich die Aus- 
führung der Sekundärnaht zur Verhinderung postoperativer Hernien. 
Von einer Kräftigung der Bauchmuskulatur durch methodische Übungen 
sah Verf. vorzügliche Resultate, selbst Spontanheilung von Narben- 
brüchen. Reich (Tübingen). 


12) F. Zahradnicky (Deutschbrod). Über traumatische Her- 


nien. 
(Wiener klin. Rundschau 1906. Nr. 5—9.) 

Das wichtige und interessante Gebiet der traumatischen Entstehung 
der Brüche wird von dem Verf. in einer sehr ausführlichen, lesens- 
werten Weise besprochen; zunächst gibt er eine historische Entwick- 
lung dieser Frage und stellt den Standpunkt der bisherigen Autoren 
fest. In neuer Zeit ist die Frage durch das Unfallversicherungsgesetz 
brennend geworden, aber ihre Beantwortung erschwert durch das In- 
teresse der Kranken an der Anerkennung der traumatischen Entste- 
hung; der Standpunkt des Verf., den er auf Grund kritischen Litera- 
turstudiums und eigener umfassender Erfahrung einnimmt, legt er 
folgendermaßen fest: »Die traumatischen Hernien entstehen in der 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 1223 


Regel an den obligaten Bruchpforten durch direkte oder indirekte 
Gewalt, und zwar am häufigsten auf Basis einer angeborenen Dispo- 
sition in Form des offenen Processus vaginalis oder der Pointe de 
hernie Kocher’s, wenn auch in seltenen Fällen. traumatische Hernien 
ohne bestandene Disposition nicht bestritten werden können. 

Traumatische Hernien können sich auch an atypischen Stellen 
der Bauchwand entwickeln, doch kommt dies selten vor. Es handelt 
sich dabei stets um eine direkte Gewalt. 

Früher wurde die Existenz traumatischer Hernien allgemein ge- 
leugnet, und doch ist sie heute erwiesen 1) durch in vivo et mortuo 
sowohl an den obligaten als auch an den nicht obligaten Stellen der 
Bauchwand sicher konstatierte Fälle; 2) durch Experimente. Diese 
haben bis jetzt nur an den obligaten Bruchpforten positive Resultate 
ergeben; aber es ist zu erwarten, daß sich die traumatischen Hernien 
bei richtiger Versuchsanordnung auch an den nicht obligaten Stellen 
der Bauchwand werden experimentell hervorrufen lassen. 

Die Diagnose der traumatischen Hernie ist ungemein schwer. 
Man muß vor allem sicherstellen, daß der Kranke vor dem Unfall 
keine Hernie besessen hat. Diese Aufgabe ist manchmal für den Arzt 
eine sehr schwierige, und oft gelingt es dem Untersuchungsrichter 
leichter, die Wahrheit zu eruieren, als dem Arzt. Ferner muß fest- 
gestellt werden, daß die Hernie mit einer übermäßigen Anspannung 
der Kräfte zusammenhängt. 

Dem Arzt erübrigt nur die Konstatierung des Befundes. Die 
Schmerzempfindung ist zu subjektiv; eher können die objektiven Sym- 
ptome Anhaltspunkte gewähren, aber auch sie sind nicht absolut ver- 
läßlich (Größe der Hernie, Irreponibilität, palpatorischer Befund). 
Auch der autoptische Befund ist nicht immer absolut verlaBlich. Der 
Arzt konstatiert die Hernie, der Richter soll die Frage nach der trau- 
matischen Entstehung konstatieren. 

Der rein akademische Standpunkt müßte unter dem Drucke der 
praktischen Verhältnisse verlassen werden; man müßte der Justiz diese 
Konzession machen, nicht etwa, weil sich die wissenschaftliche An- 
sicht über die Entstehung der Hernien geändert hätte, sondern weil 
der Begriff des Traumas vertieft wurde. 

Ob unter dem Einflusse des Traumas der Bruchinhalt plötzlich 
in einen leeren Bruchsack eingedrungen ist oder ob der Bruchsack 
und sein Inhalt bereits vorher existierten und sich infolge des Traumas 
nur vergrößerten, oder ob es sich um eine plötzlich entstandene echte 
traumatische Hernie handelt, ist vom praktischen und rechtlichen 
Standpunkte gleichgültig; in allen diesen Fällen handelt es sich um 
eine traumatische Hernie. Vom wissenschaftlichen Standpunkt aus 
kann nur jene letzterwähnte Hernie als echte traumatische Hernie 
angesehen werden.« Schmieden (Bonn). 


1224 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 


13) Bühlmann. Über die operative Behandlung von In- 


guinalhernien bei Kindern. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXIII. p. 324.) 


B. berichtet aus dem Jenner’schen Kinderspital in Bern über 
die Grundsätze und Resultate des Chirurgen dieser Anstalt, Prof. 
Tavel, hinsichts der Behandlung kindlicher Leistenbrüche. 

Bei einem sehr reichen einschlägigen Materiale huldigt Tavel 
ausschließlich der operativen Radikalbehandlung, die nach ihm an- 
gezeigt ist, sobald eine Hernie beim Kinde beobachtet wird, welchen 
Alters dieses auch sei. Je früher die Operation ausgeführt wird, desto 
leichter ist sie technisch durch das Fehlen von Verwachsungen. Die 
einseitige Operation wird durchschnittlich in 10—15 Minuten, die 
doppelseitige in 20—30 Minuten ausgeführt, wobei eine dem Verfahren 
von Broca und Stiles ähnliche Methode zur Anwendung gelangt, 
wie folgt. Stets Narkose, in der Regel mit Ather. Schnittführung 
parallel dem Lig. Poupart. über dem Bruchsackhals, aber ohne Spal- 
tung des Leistenkanals. Inzision der Tunica vaginalis communis in 
der Längsrichtung. Ablösung der Elemente des Samenstranges, die 
gewöhnlich auseinander getrieben worden sind, vom Bruchsack. Dieser 
Operationsakt wird als nicht allzu schwer geschildert. Die kindlichen 
Bruchsäcke sind äußerst fein und durchsichtig und werden mit dem 
Finger von den Elementen des Samenstranges getrennt, in den meisten 
Fällen ohne alle Hilfe. Der Bruchsack bleibt uneröffnet, in ihm vor- 
handene Eingeweide werden reponiert, wozu die nunmehr vorzunehmende 
Torsion des Bruchsackes unter Umständen genügt. Es wird nämlich 
das distale Ende des Bruchsackes mit einem Schieber gefaßt, aufgerollt, 
gedreht und kräftig nach außen gezogen. Dabei wird das Lig. vesico- 
umbiliacale laterale, das oft mit vorgezogen wird, geschont und seit- 
wärts gelagert. Unterbindung und Abtragung des Sackes (Seide Nr 3), 
dessen Stumpf in die Bauchhöhle zurückschlüpft. Die Pfeiler des 
äußeren Bauchringes wie das Lig. Poupart. werden etwas freipräpariert, 
und der Ring durch drei Seidenknopfnähte vor dem Samenstrange 
genügend zusammengezogen. Hautnaht, Kollodialverband. 

Das Tavel’sche Berichtsmaterial von 1902 bis 1905 betrifft 
144 Brüche bei 117 Kindern (10 Mädchen, 107 Knaben). Doppel- 
briiche 28, rechtsseitige 65, linksseitige 51. Das jüngste operierte 
Kind war 8 Tage alt (!), das älteste 14 Jahre. Todesfälle 8, wovon 
nur einer der Operation zur Last legbar — es handelt sich um ein 
elendes Kind, auf dessen Operation die Eltern gegen ärztlichen Rat 
bestanden hatten. Rezidiv ist einmal beobachtet — eine zweite Opera- 
tion führte zur Heilung. Nur in 5 Fällen kam es zu Wundinfektion, 
die aber die rezidivfreie Heilung nicht beeinträchtigte. Statistisch 
zeigte sich Heredität häufig, auch ist eine ziemlich große Zahl Früh- 


geborener bemerkenswert, die also besonders zu Brüchen disponiert 
erscheinen. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 1225 


Der klinischen Berichterstattung sind etwas weitläufige historische 
Angaben über Bruchoperation vorausgeschickt, auch eine Besprechung 
der verschiedenen Leistenbruchvarietäten, entsprechend den Tiefen- 
ausdehnungen des Bruchsackes und den Komplikationen mit den ver- 
schiedenen Hydrokelen, erläutert durch schematische Figuren, wobei 
nichts Neues geboten wird. Interessanter sind einige Daten zur Topo- 
graphie des kindlichen Leistenkanales nach eigenen anatomischen 
Untersuchungen B.’s. B. hebt hervor, daR beim Neugeborenen der 
Leistenkanal fast sagittal die Bauchwand durchsetzt, im Gegensatze 
zum Leistenkanal des Erwachsenen, der mehr schräg bzw. transversal 
verläuft. Ferner verhalten sich die Bauchfellfalten der vorderen 
unteren Bauchwand beim Kinde und Erwachsenen verschieden. Beim 
Kinde sind sie mehr zusammengerückt, einander genähert“und weniger 
divergierend als beim Erwachsenen. Besonders kräftig entwickelt ist 
beim Kinde das Lig. vesico-umbiliacale laterale nebst der dazu gehörigen 
Bauchfellfalte. Hierdurch erscheint die Fossa inguinalis medialis gut 
geschützt und gedeckt. Aus diesen Verhältnissen erklärt sich, daß 
beim Kinde fast nur äußere Leistenbrüche vorkommen, diese aber der 
geraden Kanalrichtung entsprechend den inneren Brüchen des Er- 
wachsenen ziemlich ähnlich sind. 

Auszüge sämtlicher Operationsgeschichten sowie Literaturverzeichnis 
von 75 Nummern sind der Arbeit beigefügt. 
Meinhard Schmidt Cuxhaven). 


Kleinere Mitteilungen. 
I. 


(Aus der chirurg. Universitätsklinik zu Greifswald.) 


Über Jodoformgazesterilisation. 


Von 
Dr. Heyde, Volontärassistent. 


Wohl ausnahmslos wird man bestrebt sein, dem Bedürfnis Rechnung zu tragen, 
die in Klinik oder Krankenhaus selbst hergestellte Jodoformgaze vor dem Ge- 
brauch einer sorgfältigen Dampfsterilisation zu unterziehen. Eine Begründung der 
Notwendigkeit solchen Vorgehens wird hier unterbleiben können. 

Meinem Chef, Prof. Friedrich, hat sich seit einer Reihe von Jahren ein 
Sterilisationsverfahren der Jodoformgaze sehr bewährt, von dem er annahm, daß 
es in anderen Kliniken und Krankenhäusern in ähnlicher Weise gehandhabt würde, 
um so mehr, als vor einigen Jahren in der Deutschen Zeitschrift für Chirurgie 
Heidenhain! ein auf gleicher Vorstellung beruhendes Verfahren mitgeteilt hat. 
Die Firma Lautenschläger, welcher Prof. Friedrich die Anfertigung einer, 
diesem Prinzip Rechnung tragenden Sterilisationstrommel vor einiger Zeit vorge- 
schlagen hatte, hat mit Rücksicht auf mehrfache an sie ergangene Anfragen die 
Bitte ausgesprochen, eine Beschreibung der kleinen Vorrichtung zu geben; ich 
will im Auftrage meines Chefs diesem Anliegen im folgenden entsprechen und die 





ı L. Heidenhain, Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XLVIL p. 270. 


1226 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 


Technik der Handhabung genau so schildern, wie sie seit Jahren von Prof. Fried- 
rich geübt wird. 

Das Prinzip, das Jodoform ungeschädigt 
durch Dampfsterilisation zu erhalten und da- 
bei doch die gewöhnliche Sterilisationszeit 
des strömenden Dampfes einwirken zu lassen, 
beruht darauf, daß man die Jodoformgaze ge- 
wissermaßen in ein Filtermaterial einbettet. 
Wir verwenden hierzu die Mull-Wattekom- 
pressen (zwei Schichten Mull, dazwischen eine 
2 cm dicke Schicht Watte). 

Um aber möglichst mit dem Kompres- 
senmaterial sparen zu können, ist ein Behälter 
wie die Schimmelbusch'sche Trommel der 
bequemste, so zwar, daß man auf den Boden 
der Trommel ein solches rund eingepaßtes 
Kompressenstück legt, den Mantel des Metall- 
zylinders inwendig in ganzer Höhe mit einem 
Kompressenmantel auskleidet und dann nach 
Einbringen der Jodoformgaze vor dem Deckel- 
schluß noch ein genau passendes Kompressen- 
stück oben auflegt, also gewissermaßen die 
Jodoformgaze ringsum abdichtet. Wir haben 
die Erfahrung gemacht, daß die Kompres- 
senlage im Kessel ganz gleichmäßig 
undlückenlos abschließen muß, sonach an keiner Stelle die Jodoformgaze frei 
mit der Metallwand der Trommel oder dem Dampfe in Berührung kommen darf. 
Anderenfalls wird Jod frei und die Jodoformgaze entwertet. Bei sorgfältiger Ab- 
dichtung bleibt bei einer Dampfsterilisation von 100° und einstündiger Dauer 
die Jodoformgaze ganz ungeschädigt und wird doch zuverlässig sterilisiert. 
Zur Bequemlichkeit fürs Personal hat nun Prof. Friedrich Herrn Lauten- 
schläger um Herstellung einer Sterilisationstrommel ersucht, deren einzelne Teile 
auf der Abbildung ersichtlich sind. Ein Drahtkorb gleicher Form, aber kleinerer 
Dimensionen, wird in die Trommel eingesetzt, nachdem am Boden die gut ein- 
gepaßte Watte-Mullkompresse eingelegt ist, dann zwischen die Wand des Einsatz- 
korbes und die Metallwand der Trommel eine weitere Kompresse eingelegt, die 
Jodoformgaze in den Korbeinsatz gebracht, obenauf eine gut abschließende Mull- 
Wattekompresse wieder aufgelegt, die Trommel geschlossen und der Sterilisation 
ausgesetzt. Von Wichtigkeit ist, daß die Jodoformgazesterilisiertrommel in einen 
Dampfsterilisator gebracht wird, in welchem der Dampf nicht über 100° erhitzt 
wird, an welchem also Atmosphärenüberdruck vermieden ist. Dieselbe 
Kompresseneinlage braucht nach einmaligem Gebrauche nicht entfernt zu werden, 
sondern bleibt für die nächsten Sterilisationen wieder in dem Behälter. Natürlich 
kann man sich diesen Behälter für klinischen Betrieb oder für auswärtige Tätigkeit 
in verschiedenen Größen anfertigen lassen; man wird dank dieses Steri- 
lisationsverfahrens immer eine tadellose und zuverlässig steri- 
sisierte Jodoformgaze zur Verfügung haben können. Bakteriologische 
Kontrolluntersuchungen ergaben, daß die so sterilisierte Jodoformgaze der nicht 
sterilisierten an Bakterien hemmender Kraft nicht nachsteht. 


Dabei will ich nicht unterlassen, der Herstellungsweise der Jodoformgaze wenige 
Worte zu widmen, so, wie sie an unserer Klinik geübt wird. Die Technik ist die 
folgende: Ungefähr 40—50 Stück gut ausgezupfte, breite, 10 m lange, sterile Mull- 
binden werden in einer sterilen Glyzerinlösung, welche zu gleichen Teilen mit Aqua 
destillata gemischt ist, getränkt, danach mit Wringmaschine ganz trocken ausgepreßt. 
Dann wird in dieselben reines Jodoformpulver oder, was wir bevorzugen, Jodo- 
form -Borsäurepulver (Jodoform und Borsäure zu gleichen Teilen) gleichmäßig 
eingerieben, nunmehr werden die Binden einfach schichtweise zusammengelegt und 


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Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 1227 


aseptisch aufbewahrt bis zum Sterilisationsakt in der Trommel. Die ganze Her- 
stellung hat sich durchaus aseptisch zu vollziehen; die die Gaze herstellende 
Schwester benutzt hierbei jedoch nicht den Handschuh — wegen des Klebens mit 
dem Glyzerin —, sondern schickt nur eine peinliche Handsterilisation voraus. 
Auch reine Jodoformgaze behält den vollen Jodoformgebalt; nur verschwindende 
Mengen gehen verloren; sie ändert sich nicht in Farbe und Geruch. 


Il. 


Ein neuer Apparat zur aseptischen Seifenentnahme. 
Von 
Dr. Conrad Stich in Leipzig. 


Die Benutzung der Seife in der Hand des Chirurgen und Gynäkologen ist 
vom Standpunkt einer peinlichst durchgeführten Asepsis mit Schwierigkeiten ver- 
bunden. 

Es ist z. B. heute noch die Forderung 
zu erfüllen, die Seife in die Hände zu er- 
halten, ohne daß diese ein Seifenstück oder 
einen Seifenbehälter zu berühren nötig ha- 
ben, oder daß bei der Seifenentnahme eine 
zweite Person unterstützend eingreifen muß. 

Nach vielfachen Konstruktionen und 
Versuchen, die bisher bei der Seifenentnahme 
bestehenden Übelstände zu beseitigen, bin 
ich zu einer einfachen Konstruktion eines 
Seifenbehälters gelangt, der allen Ansprüchen 
in dieser Richtung genügen dürfte. 

Die von einer Metallgabel gehaltene, 
pendelnde dickwandige Flasche mit eingerie- 
benem Stopfen und gebogenem Ausflußrohre 
von Glas wird vermittels eines Hebels be- 
wegt und durch dessen Senken der Inhalt 
zum Ausfluß gebracht. Dieser Hebel ist leicht 
mit dem Arme des Operateurs zu dirigieren, 
während die Hand desselben Armes gleich- 
zeitig die ausfließende Seife oder den Sei- 
fenspiritus aufnehmen kann. 

Die Figur erläutert die Notiz. 





14) Von der 78. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte zu 
| Stuttgart. 
(Den Diskussionsreferaten liegen Selbstberichte der Redner zugrunde.) 


a. Garrè (Breslau): Über Transplantationen in der Chirurgie. 

Nach kurzer Ubersicht über die Leistungen der modernen Chirurgie auf dem 
Gebiete der Transplantation berichtet G. über neue Experimente von Gefäß- und 
Organverpflanzung, die in seiner Klinik gemacht worden sind. Schon vor 
10 Jahren hat G. auf der Hamburger Naturforscherversammlung über wohlgelungene 
Arteriennähte am Menschen berichtet, die mit durchgreifenden Seidensuturen ge- 
macht wurden. Mit dieser Methode gelingt nunmehr die zirkuläre Vereinigung 
von Arterien und Venen, ohne daß sich eine Thrombose ausbildet. Weiter ist es 
geglückt, ähnlich wie der Amerikaner Carrell es zuerst gezeigt hat, Arterien mit 
Venen gleichen Kalibers zu vereinigen; die dünnere Venenwand weitete sich aus, 
ein Aneurysma entstand nicht. 


1228 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 


Arterienstücke bis zu 6 cm Länge wurden von einem Tiere aufs andere ver- 
pflanzt, in die Kontinuität der Carotis oder Femoralis eingeschaltet. Nicht nur 
lebenswarme Gefäßstücke von einer anderen Tierspezies sind eingeheilt, sondern 
auch solche, die erst nach 1—1?/a Stunden dem toten Tier entnommen waren. Auch 
diese blieben für das Blut durchgängig. Es wurde vom Kaninchen, dem Schaf 
und der Katze auf den Hund transplantiert; nur die letzte Verpflanzung ist hier- 
von als völlig gelungen zu bezeichnen. Die kleinsten Gefäße, die mit zirkulärer 
Naht vereinigt wurden, hatten einen Quermesser von ca. 11’ mm. 

Nach diesen Vorarbeiten wurde die Niere als ganzes beim Hund autoplastisch 
und heteroplastisch verpflanzt. Als Einpflanzungsstätte wurde der Hals und die 
Leistengegend gewählt. Die Carotis resp. Art. iliaca wurde durchschnitten und 
durch zirkuläre Naht mit der Nierenarterie, die durchschnittene Jugularis resp. 
V. ıliaca mit der Nierenvene durch Seidennaht vereinigt. Am Halse ließ man den 
Ureter frei ausmünden; bei der intraperitonealen Verlagerung konnte der Harn- 
leiter in die Blase eingepflanzt werden. Die recht schwierigen Nähte an den 
kleinen Gefäßen sind in der Mehrzahl gelungen. 

Die verpflanzten Nieren sezernierten meist sofort nach vollendeter Operation. 
Das Sekret war ein Urin, der alle wichtigen Bestandteile eines Urins enthielt, so 
daß wohl mit Recht angenommen werden darf, daß eine nach dieser Art verpflanzte 
Niere imstande sein wird, den Körper zu entgiften. G. demonstriert ein Präparat 
von einer Niere, die 3 Wochen lang, von der Art. iliaca gespeist, ihren Urin durch 
den in die Blase implantierten Harnleiter entleerte. Die Niere sah im Einschnitte 
normal aus — Arterie und Vene waren frei durchgängig. Die Nahtstellen sind 
kaum sichtbar. 

Die Experimente sollen noch weiter ausgebaut und auf die Milz und die 
Schilddrüse ausgedehnt werden. Eine ausführliche Mitteilung über die Versuche 
wird von den Herren Assistenzärzten Dr. Stich, Dr. Makkas und Dr. Dowman 
vorbereitet. (Selbstbericht.) 


b. Gluck (Berlin): Probleme und Ziele der plastischen Chirurgie. 

G. gibt ein zusammenfassendes Referat seiner im Jahre 1876 begonnenen ex- 
perimentell chirurgischen und klinischen Studien auf diesem Gebiete. Das wissen- 
schaftliche Programm, welches G. seinerzeit fiir seine Untersuchungen entworfen, 
ist in weitem Umfange heute als gelést und der praktischen Verwertung erschlossen 
zu betrachten. 

Wir konnen heute, wie bekannt, bei Kontinuitatstrennungen von Geweben, auch 
sog. höheren Geweben ‚Nerven — Muskeln — Sehnen — Knochen und Blutgefäßen), 
die direkte Naht anlegen, um die Kontinuität wieder herzustellen, die Regeneration 
anzubahnen und die Funktion zu retablieren; bei eingetretenen Defekten der ge- 
nannten Gewebe können wir die peripheren Stümpfe auf die intakten benachbarten, 
z. B. Nerven, Sehnen oder Muskeln, pfropfen und so die Regeneration und den 
Wiedereintritt der Funktionen anbahnen;. wir können aber auch durch echte Trans- 
plantationen lebenden Gewebes in die Defekte mit Hilfe doppelter Naht dieselben 
ausfüllen. Da diese lebenden Gewebsmassen nach der Transplantation in der Mehr- 
zahl der Fälle der aseptischen Nekrose anheimfallen und ihre Vitalität einbüßen, 
so hat G. die Implantations- oder Fremdkörpertherapie ersonnen, mit Hilfe deren 
in der vollkommensten Weise Defekte höherer Gewebe rekonstruiert werden können. 
Diese heterologen aseptischen Materien dienen z. B. den Nervendefcktstümpfen als 
Spalier, als Leitband, als Substitutionsmaterial bei der Regeneration ihres spezi- 
fischen Gewebes; und es kann somit jede defekte periphere Nervenbahn der zen- 
tralen Innervation wieder zugeführt werden, an die Zentrale wieder funktionell 
angeschlossen werden, wie im Original genauer ausgeführt ist, mit Hilfe dieser 
plastischen Methoden. — Damit war ein weites Gebiet operativer Bestrebungen 
eröffnet. 

Auch Muskel- und Sehnendefekte können durch künstliche, z. B. seidene, 
Sehnen rekonstruiert werden; die Seide unterliegt einer spezifischen Substitution 
unter Bildung neuer Sehnen in der Bahn des gewählten Ersatzmateriales. Knochen 
können durch tote sterile Skelettknochen oder durch Elfenbeinstäbe in verschieden 


~ 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 1229 


modifizierter Technik ersetzt werden. (Die Fremdkörper dienen entweder der tem- 
porären Fixation als Irritamente zur Osteogenese, und bestimmen wir dadurch 
a priori die Länge und Richtung der definitiven Narben; oder sie dienen dem 
definitiven Ersatz und heilen dauernd ein, indem sie mit der von G. so genannten 
Substitutionssynostose mit den Knochendefektstümpfen und dem neu gebildeten 
Callus verschmelzen; auch Metallprothesen und Knochenplomben [Gold, Platin, 
Aluminiumbronze usw.) können unter Umständen einheilen.) 

G.’s Arthroplastik mit Hilfe einheilbarer Gelenkkörper ist jedoch als geschei- 
tert zu betrachten, ebenso wie seine älteren Versuche, mit aseptischen Materien 
Resektionsflächen zu überziehen, um die Bildung einer Ankylose zu verhüten. 

Dagegen sind seine neuen Vorschläge, nicht neue Gelenkkörper zu implan- 
tieren, sondern eine Arthroplastik zu leisten durch Bekleiden der Resektions- 
flächen mit gestielten Hautlappen der Nachbarschaft, gelungen. Die Haut, welche 
bei der Laryngoplastik eine funktionell muköse Metaplasie erfährt, erfährt in dem 
neugebildeten Gelenkraum eine funktionell synoviale Umwandlung. 

G.’s Arbeiten »Über Transplantation und lebendige Tamponade«, »Über resor- 
bierbare und nicht resorbare Tamponade« führten zu den ausgedehnten Empfeh- 
lungen und Anwendungen dieser subkutanen Prothesen in der Chirurgie durch 
Gersuny und seine Mitarbeiter (Gersuny’s Paraffinprothesen). 

Außerdem empfahl G. in mehreren Arbeiten »Über Anpassung am Menschen« 
die orthopädische Inanspruchnahme bei kongenitalen und erworbenen Defekten 
und die wissenschaftliche Ausbildung vikariierender Funktionen zur Kompensation 
des Fehlenden oder Verlorengegangenen. 

Das Überleben der Teile und einzelner Gewebskomplexe nach dem Tode des 
Gesamtorganismus (wie es u. a. Grawitz und seiner Schule zu eingehenden Stu- 
dien gedient hatte) führte G. dazu, Leichenhaut, frischen, nicht infektiösen, z. B. 
Kinderleichen entnommen, zu Transplantationen zu empfehlen. Er berichtet über 
den Modus der Einheilung und die event. damit zu erzielenden plastischen Effekte, 
sowie über die Art der Entnahme und Desinfektion und Aufbewahrung des ge- 
wonnenen Ersatzmateriales. 

Schließlich wird noch der Organotherapie gedacht, deren idealste Methode die 
direkte Organüberpflanzung darstellt. Ovarien, die Schilddrüse usw. sind von 
verschiedenen Autoren überpflanzt worden, zuletzt mit besonderem Erfolge die 
Transplantation von Schilddrüse in eine Blutdrüse, nämlich durch Payr (Graz) in 
die Milz. 

Mit ungleich größerer Sicherheit würde eine Organotherapie inauguriert werden 
können, wenn auf dem Boden der von G. zuerst empfohlenen zirkulären Naht der 
Blutgefäße und Implantation von Venen- und Arterienstücken in Gefäßdefekte 
mit Erhaltung der Zirkulation die Experimente in diesem Sinn auf breiterer Basis 
unternommen werden. Hierzu liegt jetzt eine vollbegründete Aussicht vor. Nach- 
dem schon 1902 Experimente über Transplantation der Nieren mit Hilfe der Ge- 
fäßnaht publiziert worden sind, hat Garr& in seinem Stuttgarter Vortrag auf der 
Naturforscherversammlung über zahlreiche gelungene Versuche in dieser Richtung 
berichtet. Wenn auch manches auf diesem Gebiete, wie die auch von G. schon 
vor vielen Jahren versuchten Experimente über Transplantation von Extremitäten, 
zu den unlösbaren Problemen gehören mag, so dürfte doch vieles für die Organ- 
überpflanzung von der zirkulären Naht und den plastischen Versuchen am Gefäß- 
system zu erwarten sein. 

Die Zukunft wird lehren, welchen Vorteil die Klinik aus solchen Versuchs- 
reihen zu schöpfen vermöchte. Vor vielen Jahren schrieb Geh.-Rat v. Barde- 
leben in einer Kritik über die zahlreichen und mühsamen, zum Teil wenig be- 
kannten und anerkannten experimentellen und klinischen Arbeiten G.’s und fährt 
dann fort: »Das dem letzten Vortrage von G. beigegebene Literaturverzeichnis 
macht es jedem klar, wie eifrig er sich mit Trans- und Implantationen an den 
verschiedensten Organen mit den verschiedensten Substanzen zu den verschieden- 
sten Zwecken beschäftigt hat. In dieser Viel- oder besser Allseitigkeit liegt aber 
eine gewisse Schwäche der G.’schen Ausführungen«. G. kann nun seinerseits das 


1230 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 


Epitheton der Allseitigkeit seiner Bestrebungen nur dankend hinnehmen, denn in 
der Tat, in dieser Allseitigkeit lag die Anregung, auf allen Gebieten der Plastik 
nicht nur neues zu schaffen, sondern auch die schon bekannten Methoden zu modi- 
fizieren, zu variieren und dieselben durch die Idee des funktionellen Endeffektes 
zu vertiefen. Tafeln und Röntgenbilder (aktenmäßig in viele Jahre langer Beob- 
achtung geheilter Fälle aufgenommen) illustrieren G.’s Ausführungen, dessen Me- 
thoden jetzt, von vielen Fachgenossen geprüft, modifiziert und mit Erfolg geübt, 
Gemeingut der Chirurgie geworden sind. (Selbstbericht.) 


Tillmann (Köln) empfiehlt, bei der Nervenpfropfung zur Beseitigung der 
Facialislähmung den Hypoglossus zu durchtrennen und ihn End-zu-End mit dem 
Facialis zu vereinigen. 


c. Thiem (Cottbus): Über den Einfluß der neueren deutschen Unfall- 
gesetzgebung auf Heilbarkeitund Unheilbarkeit chirurgischer Krank- 
heiten. 

Zur Zeit der Einführung der Unfallgesetze war das Hauptinteresse der Chirurgen 
auf die bakterielle Forschung und nach der Errungenschaft der aseptischen Wund- 
behandlung auf die Operationen gerichtet, welche man bisher ihrer Gefährlichkeit 
wegen nur ausnahmsweise gewagt hatte, wodurch die Verletzungschirurgie etwas 
in den Hintergrund trat. Durch die Unfallgesetzgebung ist wieder eine lebhaftere 
Betätigung aller Chirurgen, auch der aus akademischen Kreisen, auf diesem prak- 
tisch wichtigen Gebiet angeregt worden. a 

Durch die Unfallstatistiken müssen wir zu der Überzeugung gelangen, daß 
unsere früheren Statistiken aus chirurgischen Kliniken als keine abschließenden in 
bezug auf Heilungsdauer und endgültigen Erfolg angesehen werden können. Liniger 
teilte in einer Unfallstatistik mit, daß von 103 mit Oberschenkelbrüchen Behafteten 
nur 15,59 und von 110 Verletzten mit Unterschenkelbrüchen nur 6.3% völlig er- 
werbsfähig wurden bei einer Heilungsdauer von durchschnittlich 32 Monaten, und 
nach des Vortr. auf dem Chirurgenkongreß von 1905 mitgeteilten Statistik wurden 
von den genähten Kniescheibenbrüchen 26%, von den unblutig behandelten nur 
9% wieder völlig erwerbsfahig bei einer Heilungsdauer von durchschnittlich 
371/2 Monaten. 

Die wohlwollende Beurteilung der Unfallverletzten erklärt den großen Unter- 
schied zwischen diesen und den aus älteren chirurgischen Statistiken stammenden 
Zahlen nur teilweise. Zum Teil haftet letzteren der Fehler an, daß sie sich auf 
zu kurze Beobachtungs- und Behandlungszeit stützen mußten, auch bezüglich der 
späteren Nachuntersuchungen lückenhaft blieben. Jetzt können die Unfallverletzten 
Dank der Fürsorge der Berufsgenossenschaften viel länger behandelt und beobachtet 
und bis an ihr Lebensende nachuntersucht werden. Deshalb muß es immer wieder 
als notwendig betont werden, daß die berufsgenossenschaftliche Fürsorge für die 
Verletzten sofort und nicht erst nach 13 Wochen eintritt. Denn daraus ergibt 
sich auch die unglückselige Zweiteilung der Behandlung in Kassen- und Berufs- 
genossenschaftsbehandlung, in primäre chirurgische und Nachbehandlung gewöhn- 
lich in mediko-mechanischen Instituten. Die erste chirurgische Behandlung ist 
aber entscheidend für den Verletzten, auch bezüglich der funktionellen Heilung, 
und kann niemals durch die mediko-mechanische Behandlung ersetzt, sondern nur 
unterstützt werden, was so früh wie möglich zu geschehen hat, weshalb entweder 
alle Unfallkrankenhäuser auch auf die primäre chirurgische Behandlung, oder alle 
chirurgischen Krankenhäuser auch auf die Nachbehandlung eingerichtet sein sollten. 
Die Nachbehandlung hat aber keineswegs nur in der maschinellen mediko-mecha- 
nischen Behandlung zu bestehen, sondern letztere ist nur eines der vielen Unter- 
stützungsmittel des Chirurgen bei der Behandlung Unfallverletzter. Außer diesem 
sind noch manche andere wertvoll, wie die eigentliche orthopädische Behandlung, 
Massage und passive, nur von Arzten vorzunehmende Bewegungen, das deutsche 
Freiturnen, die elektrische Behandlung, die Thermalbehandlung und namentlich 
die Heißluftbehandlung, die Anwendung der neuen Bier-Klapp’schen Saugappa- 
rate und manches Andere. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 1231 


Den Chirurgen verdankt die Unfall-Literatur die Kenntnis mancher neuer 
Krankheiten und erweiterte Erfahrungen über bekannte Krankheitsbilder, nament- 
lich auf den Grenzgebieten ihres Sonderfaches, was Vortr. an einem Überblick 
über die Unfall- und Verletzungsliteratur nachweist. Auch hat die Unfallgesetz- 
gebung unzweifelhaft die Rücksichtnahme der Chirurgen auf die funktionelle Hei- 
lung geschärft und auch in anderer Beziehung fördernd auf unser therapeutisches 
Vorgehen gewirkt. Doch läßt sich dies bei den vielen anderweitigen Einwirkungen 
neuerer Errungenschaften (Asepsis, Röntgenverfahren usw.) nicht im einzelnen nach- 
weisen. 

Im großen und ganzen können die Vorteile, welche die deutsche Unfallgesetz- 
gebung den Chirurgen und Pat. gebracht hat, dankbar anerkannt werden. Sie 
überwiegen doch bei weitem die mancherlei Nachteile. Die Chirurgie soll daher 
rastlos weiter mitarbeiten an diesem sozialen Humanitätswerke, ohne ihren wissen- 
schaftlich kritischen Standpunkt aufzugeben, wie dies beispielsweise in manchen 
Statistiken über Geschwulstentstehung nach Trauma geschehen ist. Die Verletzten 
sollen zwar nicht unter unserer Unkenntnis über die Ursache mancher Krankheiten 
leiden, aber wir dürfen auch nicht zu ihren Gunsten die Unwahrheit sagen. 

Ohne erfahrene Arzte sind die modernen Arbeitergesetze nicht durchführbar; 
sie sind nicht nur die Helfer der Verletzten und Kranken in rein ärztlicher Hin- 
sicht, sondern auch die eigentlichen idealen Richter über ihr späteres materielles 
Wohl und Wehe. (Selbstbericht.) 


d. Baisch (Tübingen): Über den Einfluß der neueren deutschen Un- 
fallgesetzgebung auf Heilbarkeit und Unheilbarkeit gynäkologi- 
scher Erkrankungen. 

Bei der geschützten Lage der weiblichen Genitalorgane spielen Unfall- 
erkrankungen eine quantitativ geringe Rolle. In 8 Jahren kamen nur fünf 
Fälle objektiver Unfallverletzungen zur Begutachtung: Abort, Stieldrehung bei 
Kystom, Ruptur einer Extra-uterin-Gravidität, akute Pelveoperitonitis, Becken- 
exsudat. Weit häufiger werden subjektive Beschwerden ohne objektive Verände- 
rungen oder bei mobiler Retroflexio auf einen Unfall zurückgeführt. Die Prognose 
dieser funktionellen Unfallneurosen ist ungünstig; kontraindiziert sind Laparotomien 
zur Ventrifixation. Einige anderwärts operierte Fülle blieben völlig ungebessert. 
Weit zahlreicher als Unfallrentenansprüche sind Invaliditätsrentengesuche. 
Bei Organerkrankungen wird die Aussicht auf Wiederherstellung der Arbeits- 
fähigkeit durch die Tatsache der Zugehörigkeit der Pat. zur Invaliditätsversicherung 
nicht getrübt. Sehr häufig aber werden bei geringfügigen Genitalveränderungen, 
insbesondere Retroflexio oder auch bei völlig normalen Genitalien Rentenansprüche 
mit Beschwerden in der Genitalsphäre begründet. Auch hier handelt es sich um 
funktionelle Neurose, Hysterie, Neurasthenie und Hypochondrie, und auch hier ist 
die Prognose ungünstig. Die Kranken werden durch die Bestimmung des Gesetzes, 
daß erst bei Beschränkung der Arbeitsfähigkeit auf !/; die normale Rente ge- 
währt wird, zu Übertreibungen und Autosuggestion gedrängt. Zur Ausschaltung 
dieser Übelstände ist eine exakte Diagnose nötig (in den Vorgutachten spielen 
Perimetritis, Oophoritis, Parametritis posterior usw. eine ungebührlich große Rolle) 
ferner die Vermeidung der Krankheitssuggestion durch den Arzt. In zweifelhaften 
Fällen Zuziehung eines Neurologen. Eingreifende Operationen sind auch hier 
kontraindiziert; bei mobiler Retroflexio ist in geeigneten Fällen die Alexander- 
Adams’sche Operation von günstigem Einfluß, wahrscheinlich in der Hauptsache 
infolge starker Suggestivwirkung. (Selbstbericht.) 

e. Gaupp (Tübingen): Der Einfluß der deutschen Unfallgesetz- 
gebung auf den Verlauf der Nerven- und Geisteskrankheiten. 

Der Vortr. legt zunächst dar, daß die Unfallgesetzgebung selbst nur auf eine 
bestimmte Form von Krankheiten einen unmittelbaren Einfluß ausübe, auf die so- 
genannten »traumatischen Neurosen« (Unfallneurosen). Sie sind keine besonderen 
Krankheiten von klinischer Selbständigkeit; eigentümlich ist ihnen nur die beson- 
dere Entstehung (nach einem Unfall. Es gibt keine »traumatische Neurose«, son- 
dern nur traumatische Hysterie, Neurasthenie, Hypochondrie usw. Diese Unfall- 


1232 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 


neurosen kommen nach Unfällen leichter und schwerer Art vor; die Stärke und 
Art der Verletzung ist ohne wesentlichen Einfluß auf die Schwere und Dauer der 
Neuropsychose. Nach nicht entschädigungspflichtigen Verletzungen sind diese Er- 
krankungen selten; vor allem dauern sie alsdann nicht so lange. G. schildert, 
welchen Einfluß das Gesetz auf die Psyche des verletzten Arbeiters ausübt. Den 
Kern des Leidens machen krankhafte Vorstellungen (Angst, seelische Unruhe, ge- 
spannte Erwartung auf den Ausgang des Rentenverfahrens, falsche Vorstellungen 
über die Voraussetzungen des Rentenbezuges) aus; den »objektiven Symptomen«, 
die bei der körperlichen Untersuchung festgestellt werden, kommt nur geringer 
Wert zu. Angstliche und mißmutig-gereizte Stimmung und der Glaube, nicht 
mehr arbeiten zu können, sind die wichtigsten Krankheitszüge. 

Warum hatte die Unfallgesetzgebung diesen unerwünschten Einfluß? Zur 
Zeit, als sie ins Leben trat, war das soziale Leben raschen und bedeutenden 
Wandlungen unterworfen. G. kennzeichnet den »nervösen Seelenzustand der mo- 
dernen Zeit«, den Einfluß der chronischen Trunksucht auf die Energie der arbei- 
tenden Klassen, die veränderten politischen Anschauungen und Stimmungen der 
Arbeiter, ihre anfänglich mißtrauische oder selbst feindliche Stellung gegen die 
ganze soziale Gesetzgebung, ihre oft irrigen Vorstellungen über ein vermeintliches 
Recht auf Rente als ein Schmerzengeld. Als Ubelstande im einzelnen werden ge- 
nannt: Die Sorge für den Verletzten liegt anfänglich bei den Krankenkassen, statt 
gleich bei den Berufsgenossenschaften. Das Gesetz verlangt leider keine genaue 
schriftliche Fixierung des ärztlichen Befundes sofort nach dem Unfalle. Das 
Rentenfestsetzungsverfahren dauert zu lange. 

Das Gesetz selbst ist für den Arbeiter zu schwer verständlich. Nach erst- 
maliger Rentenfestsetzung gelangt der Verletzte nicht zur Ruhe; die häufigen Nach- 
untersuchungen schaden; einmalige Abfindung ist leider nur bei niedrigen Renten 
und nur auf Antrag des Verletzten möglich. Die Uneinigkeit der Arzte ist um 
so verhängnisvoller, als nach dem Wunsche des Gesetzgebers der Verletzte den 
wesentlichen Inhalt der über ihn erstatteten Gutachten erfährt. Die Arzte urteilen 
im Gefühl der Unsicherheit und der großer Verantwortung oft zu milde, empfehlen 
Vollrente und schaden damit dem Arbeiter, machen ihn zum unglücklichen und 
untätigen Hypochonder. Die Frage des Arbeitsnachweises für teilweise erwerbs- 
fähige Unfallkranke ist im Gesetz nicht erörtert. Eine Kürzung der Rente ist 
nur bei Nachweis wesentlicher Besserung zulässig; dieser Nachweis ist bei der 
subjektiven Natur der Symptome selten zu führen. Die Prognose des Leidens ist 
weniger von dem speziellen Symptomenbild, als von der Eigenart des Verletzten 
und von der Gestaltung des Rentenkampfes abhängig; auch wirken chronischer 
Alkoholismus, Milieueinflüsse oft schädlich. Sehr oft ist der Verlauf ein ungünstiger. 
Bisweilen beobachtet man frühzeitiges Altern, frühe Arteriosklerose. 

Zur Beseitigung der geschilderten Übelstände empfiehlt G. richtige 
Schulung der Arzte, Vermeidung aller schädlichen Suggestionen von ihrer Seite, 
humanes aber bestimmtes Auftreten, sorgfältige neurologische Untersuchung; er 
warnt davor, aus falschem »Humanitätsgefühl« den Verletzten auf Kosten anderer 
Wohltaten zu erweisen. Krankenhausbehandlung ist meist zwecklos, oft schäd- 
lich. Häufige Kontrolluntersuchungen sind zu verwerfen. Die Fürsorge für den 
Verletzten soll von Anfang an nur bei den Berufsgenossenschaften liegen. Nament- 
lich empfieht G. einmalige Kapitalabfindung. Er macht hier folgenden 
Vorschlag: Nach Ablauf von 3 Jahren nach dem Unfall steht der Berufsgenossen- 
schaft das Recht zu, nach Anhörung eines ärztlichen Kollegiums von wenigstens 
drei Arzten, von denen zwei den Verletzten schon früher untersucht hatten, diesen 
mit einmaliger Auszahlung eines bestimmten Kapitals abzufinden, wenn nach dem 
einstimmigen Ausspruch der Arzte die Verletzungen selbst völlig geheilt sind und 
die übrig gebliebenen Störungen im Verlauf der letzten 12 Monate objektiv 
keine Verschlimmerung erfahren hatten. Die einmalige Abfindung soll nur dann 
stattfinden, wenn nach dem Ausspruch der Arzte die endgültige Erledigung 
der Rentenfrage im gesundheitlichen Interesse des Unfallkranken selbst 
liegt. (Selbstbericht.) 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 1233 


f. L. Rosenfeld (Nürnberg): Über Krüppelfürsorge. 

Zu den Grenzgebieten seiner Wissenschaft, auf welchen für den orthopädischen 
Chirurgen noch viel zu leisten ist, gehört die Fürsorge für die körperlich Ver- 
kriippelten. — Die Zahl der Krüppel ist sehr groß; auf Grund einiger Teil- 
zählungen darf man sie in Deutschland auf mindestens 360000 schätzen. Genauen 
Aufschluß wird die große Statistik geben, welche noch im Laufe dieses Jahres in 
allen deutschen Staaten von seiten der Regierungen durchgeführt werden wird. 
Die Verkrüppelung als solche bedingt große soziale Schäden: 2/, aller Kriippel 
leben in kümmerlichen und ganz ärmlichen Verhältnissen, die Mehrzahl der Un- 
bemittelten ermangelt der nötigen ärztlichen, d. h. orthopädisch-chirurgischen Hilfe, 
etwa der zehnte Teil muß ohne jeglichen Schulunterricht aufwachsen. 

Im ganzen ist für die Verkrüppelten bis heute noch relativ recht wenig ge- 
schehen. Es gibt allerdings Anstalten, in welchen Krüppelkinder Unterkunft und 
Erziehung finden können. Solcher Institute bestehen zurzeit in Deutschland 33; 
ein einziges davon (München) ist staatlich; die anderen sind in den Händen privater 
Wohltätigkeit und Gründungen geistlicher Körperschaften. Die bestehenden »Krüp- 
pelheime« leisten zum Teil ganz vorzügliches, können aber mit ihren insgesamt 
2600 Plätzen nicht einmal den 50. Teil des vorhandenen Bedürfnisses decken. 
Ahnliche Zustände wie in Deutschland finden sich in den übrigen Ländern; in 
einzelnen, so in Österreich, Ungarn, Schweiz, Holland, Rußland, Frankreich ist es 
ganz schlecht um die Krüppelfürsorge bestellt; alle diese großen Staaten besitzen 
nur je eine kleine Anstalt. Besser ist es in England, das ungefähr auf gleicher 
Stufe steht wie Deutschland; ganz hervorragendes auf dem Gebiete der Krüppel- 
fürsorge leisten die Nordländer, Schweden, Norwegen, Finnland und namentlich 
Dänemark. Ebenso ist auch in den Vereinigten Staaten von Amerika für die 
Krüppel sehr gut gesorgt; in einzelnen Staaten, Neuyork und Minesota, ist man 
so weit, das staatlich und durch Gesetz jedem bedürftigen Krüppel die weit- 
gehendste Fürsorge in ärztlicher, pädagogischer und sozialer Hinsicht garan- 
tiert ist. 

Der springende Punkt für eine zweckentsprechende Gestaltung der Krüppel- 
fürsorge ist die Betonung und Durchführung ausgiebigster orthopädisch-chirurgi- 
scher Hilfe durch Errichtung zahlreicher staatlicher Institute. Diese Krüppel- 
anstalten der Zukunft müssen der Fürsorge in vier Punkten gerecht werden: 1) Als 
Heilanstalt durch Gewährung orthopädisch-chirurgicher Behandlung, 2) als Er- 
ziehungsinstitut durch Leistung eines der Normalschule entsprechenden Unter- 
richtes; 3) als gewerbliche Fortbildungsschule durch Ausbildung in einem den 
Fähigkeiten des einzelnen Krüppels entsprechenden Berufes; 4) als Versorgungs- 
heim für Unheilbare und solche, welche nicht zu wirtschaftlicher Selbständigkeit 
gebracht werden können. 

Als Heilanstalt muß das Institut mit allen Erfordernissen einer modernen 
orthopädischen Klinik, speziell aber für ausreichende stationäre Behandlung ein- 
gerichtet sein. Da orthopädische Kuren oft jahrelang dauern und die Ausschaltung 
vom Schulunterricht für längere Zeit, namentlich für die Armen, eine schwere 
Schädigung in materieller Beziehung bedeutet, muß mit der Klinik die Schule 
direkt verbunden sein. Eine Berufsausbildung schon während der Schulzeit ist für 
den Krüppel notwendig, um ihn in der besseren Vorbildung ein Aquivalent für 
die Einbuße an absoluter Arbeitsfähigkeit zu geben. 

Praktisch ist es nun in erster Linie notwendig, weitere Kreise für die Krüppel- 
fürsorge zu interessieren und so die beteiligten Faktoren, Regierungen, Kommunen, 
Arzte und Pädagogen zum Zusammenschluß zu bringen. Der geeignete Boden 
hierzu ist die Krüppelfürsorgeabteilung des deutschen Zentralvereins für Jugend- 
fürsorge, welchen zu unterstützen, Aufgabe eines jeden sein sollte. 

(Selbstbericht.) 

Bade (Hannover) macht Angaben über die Entwicklung des hannoverschen 
Krüppelheimes, das in seinen Einrichtungen dem von Rosenfeld aufgestellten 
Ideal einer Krüppelanstalt sehr nahe kommt. 

Eyff (Nimptsch) hält es für durchaus erstrebenswert, daß der Staat die Für- 


1234 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 


sorge für die Krüppel übernimmt, und daß die Krüppel bis zu dem Augenblick 
umsonst erhalten, unterrichtet und behandelt werden, bis sie imstande sind, für 
sich selbst zu sorgen. 


15) Wintsch. Congenital protrusion of heart, stomach and spleen. 
(Annals of surgery 1906. August.) 

In dem sehr interessanten Falle handelte es sich bei einem Neugeborenen um 
Fehlen des ganzen Brustbeines, Verlagerung des Herzens, des Magens und der 
Milz. Alle diese drei Eingeweide lagen außerhalb des Körpers, das Pulsieren des 
Herzens war deutlich zu beobachten, Magen und Milz waren vom Bauchfell 
überzogen. Das Kind lebte 2 Tage und 3 Stunden. 

Herhold (Brandenburg). 


16) Chill. Fissura abdominalis and double genitalia. 
(Brit. med. journ. 1906. August 25.) 

Bericht über ein mit 8 Monaten geborenes Kind, das die Geburt einige Stun- 
den überlebte und folgende seltene Mißbildung zeigte. Die Bauchwand fehlte völlig 
auf der Strecke von zollbreit unter dem Schwertfortsatze bis zollbreit über der 
Symphyse mit Ausnahme eines unregelmäßigen Stückchens Haut, an dem die 
Nabelschnur ansetzte. Die Eingeweide lagen frei und fielen vor. Das große Netz 
fehlte. Die äußeren Geschlechtsteile waren doppelt und durch eine Hautraphe 
getrennt. In zwei flachen Buchten fanden sich je zwei große Schamlippen. Die 
anale und urogenitalen Öffnungen waren äußerst rudimentär entwickelt. 

Weber (Dresden!. 


17) Stevenson. Notes on a case of fissura abdominalis; operation at 
age of 21/, hours. 
(Brit. med. journ. 1906. August 4.) 

Verf. operierte einen Fall von ungewöhnlich umfangreichem Nabelschnurbruch 
21/, Stunden nach der Geburt des Achtmonatskindes. Durch die geplatzten Bruch- 
hüllen waren der gesamte Dickdarm und große Teile des Dünndarmes nebst einem 
offenen Meckel’schen Divertikel ausgetreten. Entfernung des Divertikels, Schluß 
der Bruchpforte, primäre Heilung, glatter Verlauf, aber Tod am 8. Tag unter 
Ikterus und Purpuraflecken. Weber (Dresden). 


18) Pieri (Marseille). Plaie pénétrante de l’abdomen par coup de feu. 
Quinze perforations de l'intestin. Intervention. Guérison. 
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXII. p. 242.) 

Ein 18jähriger Mensch, bei dem ein 7 mm-Geschoß an der Kreuzbeinspitze 
eingedrungen und in der Mittellinie, 4 Querfinger breit unterhalb des Nabels, wieder 
ausgetreten war, kam 5 Stunden nach der Verletzung zur Operation. Obwohl am 
Pat. außer einer leichten Spannung der Mm. recti kein Symptom einer Darm- 
perforation zu finden war, mußten 13 Perforationsöffnungen durch Naht geschlossen 
und ein Stück des Dünndarmes wegen stärkerer Zerstörung der Darmwand reseziert 
werden. Trotz des Austrittes von Darminhalt in die Bauchhöhle und des Vor- 
handenseins peritonitischer Reizerscheinungen wurde die Wunde ohne Drainage 
geschlossen, und der Kranke genas. — In seinen weiteren Ausführungen hebt P. 
hervor, daß die Prognose bei Bauchverletzungen in erster Linie abhängig ist von 
der bis zur Vornahme des chirurgischen Kingriffes verstrichenen Zeit, betont aber 
noch besonders die Wichtigkeit der sorgfältigen Entfernung des Blutergusses aus 
der Bauchhöhle sowie der Zuverlässigkeit der Naht und der Schnelligkeit des Ein- 
griffes. Die Beobachtung, daß bei traumatischen Darmzerreißungen kaum früher 
als 8-12 Stunden nach dem Unfalle peritonitische Erscheinungen auftreten, gegen- 
über dem stürmischen Verlaufe bei entzündlichen Perforationen, erklärt P. damit, 
daß der Darminhalt weniger toxische und infektiöse Eigenschaften habe als in den 
letztgenannten Fällen. Am Schluß gibt der Ref. Picqué einen Bericht über eine 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 1235 


Statistik von 13 Fällen, die im Hospital Bichat wegen Bauchverletzungen zur Ope- 
ration kamen. Thümer (Chemnitz). 


19} Borszéky. Über Verletzungen des Zwerchfells, des Magens und 
der Bauchspeicheldrüse. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLIX. p. 567.) 


Jede Zwerchfellverletzung erfordert einen chirurgischen Eingriff, weil die Ver- 
letzung nie eine isolierte und stets die Möglichkeit eines vielleicht erst nachträg- 
lich entstehenden, aber immer lebensgefährlichen Zwerchfellbruches gegeben ist. 

In einem der mitgeteilten Fälle war durch zwei Bruststiche eine perforierende 
Zwerchfellwunde, durch die Netz in die Brusthöhle eingedrungen war, und eine 
zweite nur den Zwerchfellmuskel durchtrennende Wunde entstanden. Auf trans- 
pleuralem Wege ließen sich beide Wunden versorgen, und es wurde ohne Empyem 
Heilung erzielt. 

Verf. empfiehlt bei Stichverletzungen ohne nachweisbare intraabdominelle 
Komplikationen ein transpleurales Vorgehen, während man bei gleichzeitig be- 
stehenden Verletzungen von Bauchorganen ebenso wie stets bei Schüssen zuerst 
nach Laparotomie die Bauchverletzungen versorgen und dann vom Bauch aus die 
Zwerchfellnaht versuchen soll. 

Bei der am häufigsten beobachteten (zwei Fälle) Mitverletzung des Magens ist 
die Perforation von dessen Hinterwand besonders gefährlich, einmal wegen des 
massenhafter ausfließenden Mageninhaltes, sodann wegen der technischen Schwierig- 
keit der Nahtversorgung. Der Ansicht Frisch’s, daß der Ausschuß an der 
Hinterwand meist kleiner, und daher nicht weiter zu suchen sei, wenn er sich 
nicht leicht finden lasse, kann Verf. nicht beipflichten, verlangt vielmehr eine ge- 
naue Kontrolle und event. Versorgung der Magenhinterwand, wenn nötig nach 
Spaltung des Lig. gastrocolicum. 

Als Seltenheit wird endlich ein Fall von isolierter Schußverletzung des Pan- 
kreas beschrieben, die bei leerem Magen und kleiner Leber von vornher erfolgte. 
Naht der Pankreaswunde ohne Tamponade führte zur Heilung unter vorüber- 
gehender Fistelbildung; doch würde Verf. in ähnlichen Fällen die Naht durch 
Tamponade sichern. Reich (Tübingen). 


20) E. Corner. Abdominal operation for traumatism. 
(Med. press 1906. August 22.) 


Ein 5jähriges Mädchen hatte durch Sturz aus dem Fenster auf einen Zaun 
eine schwere Verletzung des Unterleibes mit ausgedehntem Vorfall von Därmen 
erlitten, der 3/, Stunden lang bestand, bevor die Operation vorgenommen wurde. 
Nach reichlichem Spülen der Eingeweide mit Kochsalzlösung, mehrfacher Darm- 
und Gekrösnaht und nach Reposition nähte C. die ausgedehnte und vielfach ver- 
letzte Bauchwunde etagenweise. Das Kind erhielt darauf eine prophylaktische In- 
jektion von Antikolonserum. Darminhalt war nicht ausgetreten, ein Umstand, den 
C. auf die durch die Gewalteinwirkung hervorgerufene Darmlähmung zurückführt. 
— Pat. befindet sich auf dem Wege der Heilung. 

Erhard Schmidt (Leipzig). 


21) R. Oppenheimer. Uber Peritonitis mit schwer erkennbarem Aus- 
gangspunkt. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXIII. p. 456.) 

Zwei anatomische Beobachtungen aus dem Genfer pathologischen Institut. In 
Fall 1 handelt es sich um einen wegen Karzinom nach Billroth II pylorus- 
resezierten Pat., der einige Wochen nach seiner Heilung an Peritonitis starb. Als 
Ausgangspunkt letzterer findet sich eine auf Streptokokken beruhende Gastritis 
sero-fibrinosa diffusa, deren Exsudat, in der Submucosa abgelagert, zu starker 
ödematöser Quellung der Magenwände geführt hatte. Die Infektion wird wahr- 
scheinlich von Läsion der noch zarten Operationsmagennarbe ausgegangen sein, 


1236 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 


vielleicht im Zusammenhange mit der Nahrungszufuhr. In Fall 2, betreffend ein 
5il/gmonatiges Mädchen, war der Peritonitis ein weit verbreitetes Erysipel vorauft- 
gegangen. Ausgangspunkt der Peritonitis wurde in der Milz gefunden, die mikro- 
skopisch zahlreiche umschriebene Herde von Streptokokkenanhäufungen aufwies, 
zum Teil dicht unter der Oberfläche gelegen und mit Gewebsnekrose verbunden. 
Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


22) Milko. Uber die Perforation der Magen- und Duodenalgeschwiire 
in die freie Bauchhöhle. 
(Budapesti Orvosi üjsäg 1906. Nr. 3. [Ungarisch.)) 

Verf. bespricht an der Hand von vier in der I. chirurgischen Abteilung des 
St. Rochus-Spitales in Budapest beobachteten Fällen die Pathologie und Therapie 
der perforierenden Magen- und Duodenalgeschwiire. Das Hauptgewicht legt er auf 
die Frühdiagnose, die nach seiner Ansicht in den meisten Fällen unschwer zu 
stellen ist, wenn die Kardinalsymptome, plötzlich auftretender heftiger Schmerz 
und Kollaps, Kontraktion der Bauchmuskulatur und Verkleinerung der Leber- 
dämpfung, vorhanden sind. Das Verhalten von Puls und Temperatur, sowie das 
Erbrechen haben weit geringere Bedeutung und Konstanz. 

Die Verwechslung mit perforativer Appendicitis ist bei Duodenalperforation 
möglich, da auch bei letzterer Erkrankung öfters Ileocoecalschmerz auftritt. Die 
Perforationsstelle muß womöglich durch die Naht verschlossen und nur bei abso- 
luter Unausführbarkeit derselben tamponiert werden. 

Auswaschung der Bauchhöhle und Drainage sind bei Peritonitis mittleren 
Grades eher zu vermeiden. Von den vier durch Verf. beobachteten Fällen endigten 
zwei tödlich. Der eine 12 Stunden nach erfolgter Perforation operierte Kranke 
starb an Peritonitis, bei dem anderen absolut spät eingelieferten Falle wurde die 
Operation abgelehnt. Zwei 1'/2 resp. 3 Stunden nach erfolgter Perforation ope- 
rierte Kranke heilten. Einer derselben mußte wegen hochgradiger Pylorusstenose 
gleich gastroenterostomiert, und später mußte noch wegen Circulus vitiosus eine 
Enteroenteroanastomose gemacht werden. P. Steiner (Budapest. 


23) Renton. Three cases of ruptured gastric ulcer. 
(Glasgow med. journ. 1906. September.) 


Zwei erwachsene weibliche Personen und*ein Mann traten 30 bzw. 4 Stunden 
— vom dritten Falle fehlt die Zeitangabe — in Behandlung des Verf.s. 

Im ersten Falle bestand bereits allgemeine Peritonitis, die Bauchhöhle wurde 
mit Kochsalzlösung gespült und drainiert; Genesung nach schweren metastatischen 
Gelenkaffektionen. — Genesung auch im zweiten Falle nach Überstehen einer 
Pneumonie. Auch hier mußte das peritonitische Exsudat ausgespült und die 
Bauchhöhle drainiert werden. — Im dritten Falle war der Riß nur klein und 
nichts von Mageninhalt ausgetreten. Heilung. W. y. Brunn (Rostock). 


24) W. Evans. Perforated duodenal ulcer, suture, recovery. 
(Med. press 1906. August 8.) 


Ein 45jähriger Mann war am Vormittag mit allmählich heftiger werdenden 
Schmerzen in der Oberbauchgegend erkrankt. Bei der etwa 12 Stunden später 
stattfindenden Untersuchung waren die Bauchdecken, besonders auf der rechten 
Seite, stark gespannt, die Leberdämpfung zeigte sich verkleinert, der Puls war . 
klein, weich und sehr frequent. Die Laparotomie wurde in einer Länge von 
{ija cm oberhalb des Nabels in der Mittellinie angelegt. Im oberen, dorsalen 
Teile des Duodenums fand sich nahe dem Pylorus eine Perforation von etwa 3 mm 
Durchmesser mit zahlreichen älteren Verwachsungen in der Umgebung. Die per- 
forierte Darmstelle wurde durch einige Lembert’sche Nähte eingestülpt und mit 
einem Netzzipfel bedeckt. Nach Durchspülung der Bauchhöhle mit Kochsalzlösung 
wurde die Bauchwunde geschlossen. Auf diese Spülungen, die mindestens 40,5° C 
betragen sollen, legt E. großen Wert, weil so einmal Toxine verdünnt und gelöst, 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 1237 


ferner Bildungen von Verklebungen verhindert würden, und weil drittens durch 
Resorption der Kochsalzlösung seitens der Lymphgefäße der Blutdruck eine gün- 
stige Beeinflussung erführe.. Kine Drainage der Bauchhöhle wendet E. nur bei 
größeren Extravasaten an; in allen übrigen Fällen verzichtet er darauf, weil da- 
durch leicht neue Mikroorganismen in die Bauchhöhle eindringen könnten. Pat. 
genas. Erhard Schmidt (Leipzig). 


25) Oui (Lille). Appendicite parasitaire. Avortement. Appendicecto- 
| mie à froid. Guerison. 
‘Revue pratique d’obstétr. et de pædiatrie 1906. Juli— August.) 

Der Fall, den Verf. anführt, bietet insofern ein besonderes Interesse dar, als 
er einerseits die Rolle zeigt, welche Darmwürmer in der Entwicklung von Ent- 
zündungen des Wurmfortsatzes spielen können, andererseits als er ein Beispiel ist, 
daß im Puerperium fieberhafte Entzündungen in der Nähe der Gebärmutter auf- 
treten können, die gar nichts mit einer Puerperalinfektion zu schaffen haben. 

Es handelte sich um eine 22jährige Ilpara, die seit der ersten, vor 2 Jahren 
erfolgten Geburt oft an heftigen Schmerzen in der rechten hinteren Bauchseite 
gelitten hatte, weswegen sie auch einige Zeit im Krankenhause mit der Diagnose 
Salpingitis in Behandlung gestanden hatte. Diesmal hatte sie wieder heftige Leib- 
schmerzen gefühlt und nach einigen Tagen einen 31/3, Monate alten Fötus geboren. 
Die bis dahin normale Temperatur stieg an und erreichte 38°, die Schmerzen im 
Bauche waren ziemlich heftig; es bestand Verstopfung, und bei der Tastung konnte 
eine bedeutende Verhärtung der Dleocoecalgegend mit Renitenz der betreffenden 
Muskeln festgestellt werden. Unter Ruhe, Eisblase und Diät verschwanden diese 
Erscheinungen, und konnte 3 Wochen später »à froide die Exzision des Wurm- 
fortsatzes vorgenommen werden, wobei nebenbei auch der vollkommene Gesund- 
heitszustand der betreffenden uterinen Adnexe festgestellt werden konnte. Der 
entfernte Wurmfortsatz enthielt zwei Exemplare von Trichocephalus dispar, die 
sich mit ihrem dünnen Ende tief in die Schleimhaut eingebohrt hatten; es bestand 
eine follikuläre Appendicitis, Ulzerationen der Schleimhaut und Infiltrationen des 
submukösen Zellgewebes. 

Daß der Wurmfortsatz der Grund der erwähnten Schmerzen und fieberhaften 
Symptome war, konnte auch daraus geschlossen werden, daß nach der Operation 
keine dieser Erscheinungen wieder aufgetreten war, und die Frau sich immer bester 
Gesundheit erfreute. E. Toff (Braila). 


26) Karrenstein. Zur Frage der Rezidive nach Blinddarmentziindung. 
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XVI. Hft. 3.) 
Die Häufigkeit der Rezidive nach Appendicitis, ihre Schwere, ihre Beziehungen 
zum ersten Anfall u.a. m. untersucht K. an dem Schicksale von 500 Appendicitisfällen, 
welche 1880—1904 im Bereiche des IX. deutschen Armeekorps vorgekommen sind. 
Er bekam auf Fragezettel über 233 Personen Auskunft. 50,2% bekamen Rezi- 
dive, doch das ist eine Mindestzahl, da die Möglichkeit besteht, daß von den bis- 
her Rezidivfreien eine Anzahl immer noch ein Rezidiv bekommt. Unter den 
rezidivierenden Fällen war das Rezidiv ein einmaliges in 37,6%, ein zweimaliges 
ın 10,9%, ein dreimaliges in 6,9%, ein viermaliges in 2%; fünf und mehr Rezidive 
hatten 35,6%. Die Behandlungsart ließ keinen Einfluß auf Rezidivierung erkennen. 
Erkrankungen mit sehr hohem Fieber rezidivierten am seltensten; das Rezidiv 
verlief in 58% leichter, in 28% schwerer, in 14% ebenso wie der erste Anfall. 
In 60% setzte das Rezidiv innerhalb 1 Jahres, in 20% innerhalb des zweiten und in 
20% noch später nach der ersten Erkrankung ein. Danach ist man berechtigt, 
schon nach dem ersten Anfall zur Intervalloperation zu raten; nach jedem weiteren 
Rückfall ist der Rat dringender zu machen. Haeckel (Stettin). 


27) E. Eliot. Atypical clinical features of appendicitis. 
(New York and Philadelphia med. journ. 1906. Juni 23 u. 30.) 
Aus einem Materiale von 400—5600 Fällen hat E. 38 zusammengestellt, die 
wieder aufs neue zeigen, wie oft selbst ein erfahrener Operateur auBerstande ist, 


1238 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 


auch unter Zuhilfenahme aller anamnestischen und diagnostischen Hilfsmittel den 
Zustand des Wurmfortsatzes und seiner Umgebung vor der Operation genauer zu 
erkennen. Wie sebr die Anamnese trügen kann, beleuchten 16 Fälle mit hoch- 
gradigen chronischen und akuten Veränderungen mit und obne Eiter, bei denen 
nur ein oder mehrere ganz leichte Anfälle, oft nur von Schmerzen, vorangegangen 
waren, nach denen man höchstens eine katarrhalische Appendicitis diagnostiziert 
hätte. Lehrreich sind ferner acht Fälle mit bedrohlich schweren anatomischen 
Veränderungen ohne entsprechend gesteigerte Pulsfrequenz, meist um 70 oder 80; 
ferner eine Reihe von leichten, rasch abklingenden Fällen, ganz vom Charakter 
der katarrhalischen Appendicitis, bei denen dann die trotzdem ausgeführte Spät- 
operation so schwere Veränderungen zeigte, daß eine Rückkehr zur Norm aus- 
geschlossen, das Auftreten von Störungen oder Gefahren wahrscheinlich gewesen 
wäre. Von kasuistischem Interesse ist ein Fall von Papilloma des Wurmfortsatzes. 

Obgleich dieser Bericht E.’s außer dieser letzten Beobachtung kaum etwas 
bringt, was nicht jedem beschäftigten Chirurgen begegnete, so gibt seine Zu- 
sammenstellung doch wertvolles Material und eine Stütze für diejenigen, die nicht 
glauben, ihrem Handeln stets eine exakte anatomische Diagnose zugrunde legen 
zu können. Lengemann (Bremen). 


28) Castellani. Ascaris lumbricoides as cause of appendicitis. 
(Brit. med, journ. 1906. August 4.) 

Ein 14jähriges Eingeborenenmädchen auf Ceylon erkrankte unmittelber nach 
Einnahme von Santonin, das wegen Askariden gegeben worden war, plötzlich unter 
Erscheinungen einer Appendicitis und starb 2 Tage später. Die Sektion ergab 
Abwesenheit jeglicher Peritonitis, leichte fibrinöse Entzündung am Wurmfortsatz, 
und in dessen Innern einen toten Spulwurm, zur Hälfte fest eingekeilt, zur Hälfte 
frei im Blinddarme. Der Wurmfortsatz zeigte diffuse Leukocyteninfiltration, ge- 
schwollene Schleimhaut, kleine Blutungen und Bakt. coli im eitrigen Schleime. 
Verf. schließt aus dem Befunde, daß unter gewissen Umständen Ascaris lum- 
bricoides eine Ursache für Appendicitis sein kann. Weber (Dresden). 


29) F. Moore. Trichocephalus and appendicitis. 
(Brit. med. journ. 1906. August 18.) 
Kurzer Bericht über den Befund eines Trichocephalus dispar im Wurmfort- 
satze bei einer Appendicitis. Weber (Dresden). 


30) J. H. Zaaijer. Primair Carcinoom van de Appendix vermiformis. 
(Nederl. Tijdschr. voor Geneesk. 1906. Nr. 1.) 

Verf. sammelte aus der Literatur 42 genau untersuchte Fälle von primärem 
Karzinom des Wurmfortsatzes und vermehrt sie um zwei neue Fälle aus der Lanz- 
schen Klinik. Das eine war ein alveoläres, das andere ein kolloides Karzinom. 

Im Beginne findet man das Karzinom als ein Carcinoma alveolare simplex 
diffus in der Darmwand; von da dringt es in die Subserosa und das Mesenteriolum 
ein. Im Bau weicht es bedeutend ab von dem Epithel, aus dem es entsteht. Prä- 
dilektionsstelle ist die Kuppe des Wurmes oder einc derbe Striktur, woraus sich 
schließen läßt, daß es wahrscheinlich aus einer chronischen Entzündung hervor- 
geht, was für die Richtigkeit der Theorie Ribbert’s über die Genese der Karzi- 
nome spricht. 

Da 27 Fälle im 3. oder 4. Dezennium gefunden wurden, erlaubt das vielleicht 
den Schluß, daß die Darmkarzinome schon im jugendlichen Alter entstehen. 

E. H. van Lier (Amsterdam). 


31) H. Bärlocher. Zur Behandlung gangränöser Leisten- und 
Schenkelbrüche. 
‘Deutsche Zeitschrift ftir Chirurgie Bd. LX XXIII. p. 373.) 
Eine Berichterstattung aus dem Kantonspitale in St. Gallen (Chefarzt Dr. 
Feurer) aus dem Jahre 1881—1905. In dem Gesamtbruchmateriale von 1564 
freien und 280 eingeklemmten Brüchen finden sich 43 Fälle, die wegen zweifellosen 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 1239 


Darmbrandes operativ behandelt werden mußten. Der Kunstafter wurde nur als 
Notbehelf ausgeführt in Fällen schlechtester Prognose (?mal und mit tödlichem 
Ausgange). Als Normaloperation diente die Darmresektion, die, 36mal ausgeführt, 
18mal (50%) zur Genesung führte. Die Operationstechnik betreffend verdient 
Hervorhebung, daß man bei der Resektion zunächst den Darm durchschnitt und 
dann, denselben Schnitt fortsetzend, das Mesenterium, wobei von jeder präventiven 
Unterbindung abgesehen wurde. Man hat dabei den Vorteil, aus der eintretenden 
oder fehlenden arteriellen Blutung die Zirkulationsverhältnisse genau beurteilen zu 
können und sicher zu sein, daß man in gut blutversorgtem Bezirk operiert, 
übrigens nicht mehr Darm wegzunehmen imstande ist, als unbedingt nötig. So 
findet sich unter den geheilten Fällen keiner, wo die Resektionsstelle weiter als 
6cm von der Gangrän entfernt war. Reseziert wurden Darmstücke von 5 bis 
78cm Länge, durchschnittlich 21/. bis 6 cm von den Schnürfurchen weg. Nur 
imal handelte es sich um eine Blinddarm-, sonst stets um eine Dünndarmresektion. 
Von kasuistischem Interesse ist ein Fall, wo außer einem kleinen Stück Dünndarm 
ein Meckel’sches Divertikel, das unweit der eingeklemmten Dünndarmstelle ent- 
sprang, eingeklemmt war. Resektion der brandigen Partie nebst dem das brandige 
Divertikel tragenden Nachbardarmstück — aber Tod an Nahtgangrän. Ahnlich 
ist ein zweiter Fall, wo außer Dünndarmschlingen der Wurmfortsatz im Bruch 
vorlag. Nur letzterer erschien brandig und wurde reseziert, der Dünndarm reponiert. 
Tod an Brand des reponierten Darmes. Meinhard Schmidt Cuxhaven’. 


32) Hilgenreiner. Beitrag zur Kenntnis der Hernia inguinalis uteri. 

A (Berliner klin. Wochenschrift 1906. Nr. 11.) 

Uber einen in der Wölfler’schen Klinik operierten Fall wird ausführlich 
berichtet und dadurch, sowie durch Ergänzung der Brunner-Birnbaum ’schen 
Statistik, die Zahl der bisher beschriebenen Fälle auf 39 erhöht. Der Uterus wurde 
zum Verschluß der sehr weiten Bruchpforte benutzt nach partieller Reposition. 
Eine vorher bestehende Melancholie verschwand nach der Operation, die Hernie 
rezidivierte nicht. Die Krankengeschichten der in oben genannter Statistik nicht 
berücksichtigten Fälle sind der Arbeit eingefügt. Es ergeben sich folgende all- 
gemeine Schlüsse: 

Der Leistenbruch des Uterus kommt bei Personen verschiedensten Lebensalters, 
neugeborenen Kindern und Greisinnen, zumeist aber bei Frauen im mittleren 
Lebensalter, die wiederholt geboren haben, zur Beobachtung. In fast der Hälfte 
der Fälle handelte es sich um angeborene Brüche. In mehr als der Hälfte ist über 
Defekt- oder Mißbildungen im Bereiche des Genitalkanals berichtet. Störungen 
und vollständiges Ausbleiben der Menstruation finden sich häufig erwähnt. Die 
linke Seite scheint bevorzugt. Die Therapie ist meist eine operative. Die Pro- 
gnose ist eine gute. Langemak (Erfurt). 


33) J. Zimmer. Blasenhernien. 
(Casopis lékařů českých 1906. p. 937.) 

1; Cystocele inguinalis externa extraperitonealis incarcerata. öljährige Frau; 
anfangs bestanden nur die Symptome eines freien Leistenbruches; nach 14jähriger 
Dauer desselben vergrößerte sich dieser ohne Zunahme des intraabdominellen 
Druckes; dann traten Harnbeschwerden auf: häufiger, schmerzhafter, auch nach der 
Miktion bestehender Harndrang, bald leichtes, bald erschwertes Urinieren, bald 
Harnverhaltung. Diese Symptome wurden anfangs auf den gleichzeitig bestehenden 
Vorfall von Gebärmutter und der Scheide bezogen, bis die Einklemmung auf die 
Blase als Bruchinhalt hindeuteten: totale Ischurie mit heftigem Tenesmus, 
Schmerzen nur im Hypogastrium, spontane Schmerzhaftigkeit und erhöhte Emp- 
findlichkeit des Bruches. Operation: Die Geschwulst ist von normalem Fett be- 
deckt; in der Tiefe der Fettschicht, neben der Geschwulst, eine walnußgroße 
Cyste {wohl aus einem obliterierten Bruchsack entstanden). Die Geschwulst ver- 
liert sich im Leistenkanal, ist mit Serosa bedeckt, nach deren Abpräparierung man 
die Muskulatur der Blasenwand erblickt. Reposition gelingt leicht nach Spaltung 
des Kanals. Art. epigastrica nach innen vom Bruch. Heilung. 


1240 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 


2) Enterocystocele inguinalis externa paraperitonealis incarcerata. 54jähriger 
Mann, zeigt nur die Symptome eines Darmbruches, keine Symptome seitens der 
Blase. Nach der Reposition der eingeklemmten Darmschlinge entdeckte man eine 
Peritonealfalte, die die Bruchpforte in zwei Teile teilte und durch einen Binde- 
gewebsstrang bedingt war, und nach Spaltung derselben einen zweiten Bruchsack, 
dessen Inhalt eine Duplikatur der Blasenwand bildete. Heilung. 

G. Mühlstein (Prag). 


34) V.. Chlumsky (Krakau)... Ein neues Nabelbruchband fiir Kinder. 
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XV. Hft. 2—4.) 
Verf. verbindet ein Leistenbruchband mit einer schräg nach oben verlaufenden 
Feder, an deren Ende eine flache Pelotte angebratht ist, um dadurch einen festeren 
Sitz des Bruchbandes zu erzielen. J. Riedinger (Würzburg). 


35) V. Streit. Sekundärstenose des Darmes nach eingeklemmten 
: Hernien. 
(Casopis lekarü ceskych 1906. Nr. 28 u. 29.) 

Der Autor teilt vier Fälle mit. Im ersten Falle waren die Einklemmungs- 
furchen sehr tief, die Darmschlingen erholten sich erst nach längerer Zeit. Die 
Sekundärstenose entstand auf folgende Weise: es bestand eine Schädigung der 
Schleimhaut, die keiner Restitution mehr fähig war, sondern sich bis zur Serosa 
fortpflanzte; die adhäsive Peritonitis einerseits und die Narbe in der Schleimhaut 
andererseits führten zur Stenose. — Auch im zweiten Falle, wo trotz scheinbar 
normaler Serosa die Einklemmungsfurchen durch sero-seröse Nähte gesichert worden 
waren, schritt der entzündliche Prozeß von der Schleimhaut zur Serosa vor und 
führte zu adhäsiver Peritonitis und Verklebung der Darmschlingen zu einem Kon- 
volut. — Im dritten Falle erholten sich die Inkarzerationsfurchen rasch, die Serosa 
war nicht geschädigt, und trotzdem trat dasselbe Ereignis ein wie im zweiten Falle; 
in der Schleimhaut der Einklemmungsstelle hatte sich überdies ein Karzinom ent- 
wickelt. — Im vierten Falle lag eine doppelte Stenose vor, erstens infolge Ver- 
klebung der Darmschlingen zu einem Konvolut an Stelle der früheren Einklem- 
mungsfurchen, und zweitens infolge Knickung des Darmes durch Verklebung des- 
selben mit dem resezierten Netzstumpf. 

Verf. schließt aus diesen Fällen, man solle bei Einklemmung von längerer 
Dauer, wo überdies Repositionsversuche gemacht wurden, und wenn die Herstel- 
lung des Blutkreislaufes nur langsam erfolgt, zur Vermeidung der Sekundärstenose 
die primäre Resektion vornehmen. Bei gesunkenen Kräften des Pat. und kompli- 
zierten anatomischen Verhältnissen empfiehlt sich die Enteroanastomose. 

G. Mühlstein (Prag). 


36) Schmid (Nizza). Une observation de torsion du grand épiploon 
hernie. 
- (Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXII. p. 283.) 

S. operierte einen 2öjährigen Pat., bei dem ein seit einigen Monaten bestehen- 
der Netzbruch sich eingeklemmt hatte; von der im Bruchsacke liegenden Netzmasse 
verlief ein gedrehter Strang in den Bauch zurück und war tief im kleinen Becken 
verwachsen, so daß zu seiner Entfernung ein medianer Bauchschnitt an die Hernio- 
tomie angeschlossen werden mußte. S. warnt davor, bei der »Hernia recurrens« 
etwa nur den vorliegenden Teil des Netzes zu resezieren, da der zurückgeschlagene 
untere Zipfel, seiner Ernährung beraubt, sicher der Nekrose verfallen sei, und 
empfiehlt, zur Klarlegung der Verhältnisse sofort eine Laparotomie vorzunehmen. 

Thtimer (Chemnitz). 





Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man 
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- 
handlung Breitkopf & Härtel, einsenden. 


Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig, Nürnbergerstraße 36/38. 





Zentralblatt 
CHIRURGIE 


herausgegeben 


Ema Bam, Fn, ee 





Dreiunddreißigster Jahrgang. 


Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei halbjähriger 
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten. 


Nr. 47. Sonnabend, den 24. November. 1906. 














Inhalt: H. Hans, Fadendrainage. (Original-Mitteilung.) 
4) Trendelenburg, Blasenspalte. — 63 Keydel, 3) Leschnew, Blasengeschwiilste. — 
4) Kelly, Harnleiter- und Nierensteine. — 5) Hottinger, Nierentuberkulose. — 6) Joly, Hydro- 
kele. — 7) Pasquimangall, Operationen am Hoden und Samenstrang. — 8) Sitzenfrey, Die 
Lymphdrüsen im Becken bei Gebärmutterkrebs und bei entzündlichen Adnexerkrankungen. 
— 9) Burckhard, Folgen der Entfernung der Gebärmutter. 

0) Naturforscherversammlung: a. Ritter, Neubildung von Lymphdrüsen im Fettgewebe 
beim Karzinom und Sarkom. — b. Wichmann, Röntgenstrahlen gegen inoperable Geschwülste. 
— ec. Defranceschi, Lumbalanästhesie. — d. Krause, e. Oppenheim, f. Saenger, Operationen 
bei Hirn- und Rückenmarksgeschwülsten. 

14) Novotny, Mißbildung des Penis. — 12) Hock, Urologische Operationen. — 13) Stier- 
iein, 14) König, Prostatahypertrophie. — 15) De Keersmaecker, Harnrdhrensteine. — 16) Gut- 
brod, Cystoskopie beim Weibe. — 17) Lüning, Zur Nieren- und Harnleiterchirurgie. — 
18) Brun, Nierenzerreißung. — 19) Richelot, 20) Henschen, Nierengeschwülste. — 21) Schön- 
holzer, 22) Basso, Kryptorchismus. — 23) Oerl, Epithelmetaplasie an der Gebärmutter. — 
24) Doca, 25) Brunet, Gebärmuttergeschwülste. — 26) Tuffier, 27) Falkner, Eterstocks- 
gesch wülste. 





Fadendrainage, 
Von 


Dr. Hans Hans, 
Hospitalarzt zu Limburg a. d. L. 


Die glänzenden Erfolge vollkommener Asepsis sind bewunderns- 
wert, und doch, — wer kann es wagen, im Einzelfalle für dieselbe 
zu garantieren? Größte persönliche Sorgfalt kann durch das kleinste 
Versehen von Seiten der Hülfe schon in den Vorbereitungen (Ver- 
bandstoffe usw.) oder während der Operation paralysiert werden. Dem 
Glücke mißtrauen, ist ein Gebot der Klugheit auch bei Operationen, 
und günstiger Verlauf kann unsere äußerste Vorsicht auch bei den 
Fällen belohnen die als Mißerfolge — selten der Öffentlichkeit an- 
vertraut —, auch den besten Operateuren in geringen Prozentsätzen 
noch heute unterlaufen. 


47 


1242 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 


Unter Verzicht auf Rekord im Frühaufstehenlassen, Entfernen 
der Fäden usw. hat sich ein Verfahren, das die Vorteile des voll- 
ständigen Wundverschlusses mit der vorsorglichen Drainage verbindet, 
mir seit langen Jahren bewährt, der ich oft, besonders auswärts, unter 
nicht aus der Schule der Asepsis hervorgegangener Hilfe Operationen 
machen muß, bei denen Fernbleiben des pus bonum et laudabile con- 
ditio sine qua non ist. 

Bei keiner Art von Operationen rächt sich nun der kleinste 
Fehler gegen die Asepsis härter, als bei der Bauchchirurgie. Die 
größere Sicherheit ließe also eine vorsorgliche Drainage (wie üblich 
mit Jodoformgaze, besonders im Mikulicz’schen Beutel oder Gummi- 
resp. Glasröhren) angezeigt erscheinen; aber im allgemeinen muß die 
dadurch fast unvermeidliche Hernie nach einer Bauchoperation als 
Kunstfehler erscheinen. 

Die neueren Vorschläge, die auf der Erfahrung fußen, daß gerade 
die Unterbindungsstümpfe nach Laparotomien bei Frauen gern zu 
Keimstätten von Bakterien werden, die ausgangs der Operation hinein- 
geraten, empfehlen gründliche Nachdesinfektion der Hände, Instru- 
mente und Verbandstoffe vor Knüpfung der Unterbindungsfäden, resp. 
sorgfältige Peritonisierung der Stümpfe. 

Bei aller Anerkennung dieser Vorschläge, die übrigens neben 
meinen durchgeführt werden’ können, habe ich, veranlaßt durch analoge 
Erfahrungen, die Verwirklichung des Ideals der Asepsis — gefahr- 
loser Wundverschluß — auf anderem Wege gesucht. 

Wenn ein lege artis desinfizierter Finger, mit sterilen Kompressen 
bedeckt, nach Stägiger Blutabschnürung in fauliger Gangrän befunden 
würde, so dürfte man sich nicht wundern. Wenn ein mehr oder 
minder langer Unterbindungsstumpf im Peritoneum auch bei sorg- 
fältiger Nachdesinfektion fortschreitende Entzündung verursacht, so 
ist mir das selbst bei Überkleidung mit Peritoneum wohl erklärlich. 
Eine Öffnung der Bauchnaht und nachherige Drainage hilft meistens 
zur Vermeidung der diffusen Peritonitis und zur Entstehung eines 
Bauchbruches. Deshalb rechnet man sicherer in jedem Falle mit dem 
Vorhandensein von Bakterien, besonders solange noch die Asepsis des 
angelegten Nähmaterials als wunder Punkt der Chirurgie bezeichnet 
werden kann. 

Meine Fadendrainage ermöglicht exakten Schluß der Bauchwunde 
usw., ohne die Sicherheit, die die sonst übliche breitere Drainage bot, 
völlig aufzugeben. Die weiteren Nachteile der letzteren, wie Hängen- 
bleiben einzelner Jodoformgazefäden oder flächenhaftes Verwachsen 
derselben, zu deren Lösung ein japanischer Arzt Dr. Mori neuerdings 
eine besondere Curette erfunden, oder schwieriges Wiedereinführen 
der Drainage zum tiefsten Punkte sind ebenfalls bei dieser Methode 
zu vermeiden. 

1 Theilhaber, Ein Verfahren zur Verminderung der Infektionsmöglichkeit 


bei Operationen in der Bauchhöhle. Münch. med. Wochenschr. 1906. Nr 23 u. 27. 
— v. Stubenrauch, Kritik und Gegenvorschlag. Ibidem Nr. 25. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 1243 


Im Gedenken an »principüs obsta« lasse ich den (Jod-) Oatgut- 
unterbindungsfaden, der nicht weit von der Schnittfläche entfernt um- 
stochen worden, lang und leite ihn zu einer Ecke der vorderen exakt 
vernähten Bauchwunde heraus. Sein freies Ende sichere ich während 
der Operation mittels leichter Klemme, nach ihr durch seitlich gelegten 
Heftpflasterstreifen. 

Die kleinen Öffnungen für diese Fäden werden ebensowenig Ver- 
anlassung zu einem Bauchnarbenbruch, wie diejenigen der durch- 
greifenden Bauchdeckennähte. 

Sollten nun einige Bakterien auf dem der ischämischen Nekrose 
geweihten Stumpfe Nährboden gewinnen und ihre Stoffwechselgifte 
produzieren, so finden letztere an dem lang gelassenen Faden eine 
den ersten Anfängen meist vollständig genügende Ableitung nach 
dem Locus minoris resistentiae, d. h. nach auBen, die Resorptions- 
gefahr der geschlossenen Höhlenwunde ist vermieden, die Kapillar- 
drainage wirkt von der ersten Stunde an am gefährdetsten Punkte. 

Daß trotz exakten Wundverschlusses eine solche Fadendrainage 
kapilläre Wirkung entfaltet, zu dieser Überzeugung brachte mich zu- 
erst die von den Augenärzten geübte Behandlung der Tränenkanal- 
stenose, indem dieselben schon bei liegender solider Dauersonde einen 
hinreichenden Tränenabfluß zur Nase erzielen. 

Bestätigt wurde meine Auffassung, abgesehen von guten Er- 
fahrungen, durch die deutlich sichtbare Lymphsekretion entlang den 
Drainagefäden bei Extremitätenoperationen, die ich unter Bier’scher 
Stauung nachbehandelte. 

Eine ausgiebigere Drainage, aber ebenfalls nur mit Fäden, kann 
man auch dadurch erzielen, daß man sämtliche Nähte der Tiefe zu 
einem Docht zusammendreht und im ganzen an einer Stelle nach 
außen leitet. Mit diesem Verfahren nähert man sich allerdings den 
Gefahren der Jodoformgaze in bezug auf Bruchneigung, wobei der 
Vorzug der exakteren Lage am gefährdeten Ort für die Fadendrainage 
in die Wagschale fällt. Die Saugkraft speziell der trockenen Jodo- 
formgaze muß schon in den ersten Stunden als unwesentlich bezeichnet 
werden; durch ihre Quellung wirkt sie meist nach kurzer Zeit geradezu 
verstopfend. 

Man könnte nun die alte üble Erfahrung der Nahteiterung gegen 
die kapilläre Wirksamkeit der lang gelassenen Fäden anführen. Aber 
abgesehen davon, daß letztere besonders in schlecht desinfizierbarer 
Haut (Skrotum usw.) beobachtet werden muß, auch als gutartige 
Eiterung meistens schnell nach der äußeren Öffnung durchbricht, so 
ist doch zwischen einem unter Spannung angelegten Faden, der zu 
teilweiser Ischämie des eingeschnürten Hautbezirkes und Begünstigung 
des festen Abschlusses kleinster Buchten in der Umgebung führt, und 
einem lose eingelegten Faden in bezug auf kapilläre Tiefenwirkung 
ein wesentlicher Unterschied zu machen. 

Als ich noch an die Möglichkeit glaubte, daß von außen entlang 
den Catgutfäden Entzündungserreger bis in die Tiefe der Wunde 


47* 


1244 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 


wuchern könnten, habe ich die kurz abgeschnittenen Catgutfadenenden 
mit dünnem, frischgekochten Zelluloidzwirn, der gleich Silberdraht 
nicht imbibierbar ist, am Knoten unterbunden und den Zwirn nach 
außen geleitet. Nach 10—20 Tagen konnte ich, je nach der Dicke 
des angewandten Catguts, seine Reste mit Hilfe des Zwirns dann nach 
außen ziehen. 

Aber weder entlang dem Catgut, noch der Seide, Zwirn oder 
Silberdraht wandern vor 4 Tagen, entgegen dem kapillaren Sekretions- 
strome, Bakterien nach der Tiefe der Unterbindungsstelle. Ob nachher 
(trotz Schutzverband!), mag den Bakteriologen, weniger den Chirurgen 
interessieren, der dank der mangelnden Resorption der aufschießenden 
Wundgranulationen keine üble Wirkung mehr davon sieht. Dickeren 
Catgut wie Nr. 2 verwende ich nicht. Statt der dickeren Nummern, 
nehme ich lieber dünnere Seide, schneide sie kurz und leite nur die 
Peritonealüberstülpungsnaht, die ich dann mit dünnem Catgut ausführe, 
zur Wunde hinaus. Sehnen habe ich mit Fadendrainage auch in ver- 
schmutzten Wunden primär zu nähen gewagt, und zwar mit je einem 
versenkten dünnsten Seidenfaden und einem weitergreifenden, die 
Sehnenscheide mitfassenden Catgutfaden, den ich nach außen leite. 

Sollte bei Schluß der Operation oder auch noch nach einigen Tagen 
ausgiebigere Drainage mit Preisgabe eines exakten Wundverschlusses 
(z. B. nach Gallensteinoperationen) notwendig erscheinen, so er- 
leichtert der langgelassene (Ariadne-) Faden die Orientierung zur 
größten Tiefe. 

Bei sich als, infiziert erweisenden Extremitätenoperationen be- 
fördert die Bier’sche Stauung die Lymphsekretion entlang den 
herausgeleiteten Fäden in deutlich sichtbarer Weise. Ob die Klapp- 
schen Sauger über den Drainagefäden resp. dem Docht, z. B. bei 
Laparotomiewunden, bis zur nötigen Tiefe — vielleicht indirekt durch 
Anregung der Verdunstung im äußeren Teile — wirken können, 
mögen weitere Untersuchungen entscheiden. 





1) Trendelenburg. The treatment of ectopia vesicae. 
(Annals of surgery 1906. August.) 


In einem vor der American surgical Association gehaltenen Vor- 
trage demonstrierte T. die von ihm angegebene Methode der Operation 
der Ectopia vesicae, bei welcher die Articulatio sacro-iliaca behufs 
Annäherung und Vereinigung der klaffenden Schambeine getrennt 
wird. Zum Schluß führte er aus, daß nach seiner Ansicht diese 
Durchtrennung bei jugendlichen Individuen durch eine methodische 
Umschnürung des Becken mittels eines Gummigurtes ersetzt werden 
könne. Diese Umschnürung, die im Hause der Mutter überlassen 
werden kann, modelt die jugendlichen Knochen derartig um, daß nach 
und nach eine Annäherung des Schambeinspaltes und eine nachfolgende 
Vereinigung durch Silberdraht erreicht werden kann. Nachdem der 


Zentralblatt für Chirurgie. :Nr. 47. 1245 


vordere Beckenspalt beseitigt ist, werden die Blasenränder angefrischt 


und unter Bildung eines Harnröhrenwulstes vereinigt. 
Herhold (Brandenburg). 





2) Keydel. Statistische Beurteilung der chirurgischen Be- 


handlung der Blasengeschwülste. 

(Zentralblatt für die Krankheiten der Harn- und Sexualorgane Bd. XVL. Hft. 6.) 

Sehr umfangreiche statistische Arbeit über obiges Thema, die zu 
dem Resultate kommt, »daß chirurgische Eingriffe behufs radikaler 
Entfernung von Blasenneubildungen keineswegs hervorragende Erfolge 
aufweisen«. Wenn dadurch Verf. zu einem die Operation bei Blasen- 
neubildungen eher ablehnenden als befürwortenden Standpunkt gelangt, 
so geht er meines Erachtens trotz der angeführten ungünstigen Sta- 
tistiken und der eigenen schlechten Erfahrungen zu weit. Die Blasen- 
neubildungen machen sehr spät Erscheinungen, und sie kommen, wie 
aus der vorliegenden Arbeit auch hervorgeht, noch sehr viel später 
in chirurgische Behandlung. Dieser Umstand ist wohl kaum außer 
Acht zu lassen, bevor man sich zu der pessimistischen Anschauung des 
Verf. bekennt. Vervollkommnung der Diagnosenstellung ist anzustreben. 
Bis zur Erreichung dieses Zieles wird eine genauere Unterscheidung, 
ob eine Blasengeschwulst operabel ist oder nicht, die chirurgische 
Statistik aufbessern müssen. Als Regel aber die Blasenneubildungen 
der chirurgischen Behandlung entziehen wollen, dürfte nichts anderes 
heißen, als die Waffen strecken vor Neubildungen, die, solange sie 
gutartig sind, 1) eine äußerst lästige Krankheit und 2) eine sehr 
große Gefahr zu bösartiger Entartung bedeuten und die, wenn sie 
bösartig sind, doch unter allen Umständen wenigstens auf ihre Opera- 
bilität hin untersucht werden müssen. Grunert (Dresden). 





3) Leschnew. Über die Behandlung der Blasentumoren. 
(Zentralblatt für die Krankheiten der Harn- und Sexualorgane Bd. XVIL Hit. 7.) 

Kasuistische Beiträge zu obigem Thema aus der chirurgischen 
Hospitalklinik des Prof. Fedoroff an der militärmedizinischen Aka- 
demie zu St. Petersburg. 

Der chirurgische Eingriff bot bei gutartigen Geschwülsten 100% 
Heilungen, bei bösartigen leistete er in den Fällen gutes, welche als 
operable bezeichnet werden konnten. Über die Operabilität führt L. 
einen Ausspruch Fedoroff’s auf dem V. Kongreß der russischen 
Chirurgen zu Moskau an: 

»Bei großen Infiltraten operiere ich nicht; überhaupt muß ich 
sagen, daß ich, nachdem ich bereits 13 radikale Resektionen von Blasen- 
geschwülsten ausgeführt habe, immer mehr und mehr konservativ werde 
und nunmehr bei diffusen Geschwülsten nicht mehr operieren werde, 
da man das Leben des Pat. dadurch nicht verlängern kann; und was 
den Allgemeinzustand betrifft, so kann man ihn auch durch andere 
Maßnahmen bessern. « Grunert (Dresden). 





1246 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 


4) H. A. Kelly. My experience with the renal catheter 


as a means of detecting renal and ureteral calculi. 
(Amer. journ. of urology 1904. Oktober.) 

In diesem Vortrage spricht K. zunächst über seine Methode der 
Diagnostik der Nieren- und Harnleitersteine. Diese besteht darin, 
daß er zuerst einen Harnleiterkatheter an der Spitze mit einer Mischung 
von Olivenöl und geschmolzenem Wachs (zwei Teile Wachs, ein Teil 
Ol) tiberzieht und an der Luft trocknen läßt. Er erhält somit einen 
für jegliche Rauhigkeit äußerst empfindlichen Überzug. Nach Ein- 
führen des Blasenspekulums sucht K. die Harnleitermündung auf und 
führt den Katheter in den Harnleiter ein. Findet sich in diesem 
oder dem Nierenbecken ein Stein, so entsteht an der gewachsten 
Spitze eine Kratzmarke. Irrtümer können entstehen, wenn die Spitze 
mit dem vesikalen Ende des Spekulums oder wenn beim Herausziehen 
des Katheters die Spitze mit den Schamhaaren in Berührung kommt; 
außerdem wenn beim Erhärten das Wachs sich unregelmäßig zusam- 
menzieht. In all’ diesen Fällen können kleine Kratzer entstehen, 
welche als von Konkrementen herrührend angesehen werden. Zur 
Vermeidung solcher Irrtümer soll man den Katheter nicht eher ein- 
führen, als bis man die Harnleiteröffnung gut eingestellt hat; des 
weiteren soll man, um die Haare fernzuhalten, beim Herausziehen des 
Katheters die Vulva gut auseinanderziehen; endlich soll man vor Be- 
ginn der Untersuchung die Spitze des Katheters auf ev. schon vor- 
handene Schrunden untersuchen. 

Die Schwierigkeiten der exakten Lokalisation sucht K. dadurch 
zu überwinden, daß er in Abständen kleine Wachsperlen am Katheter 
anbringt oder indem er den ganzen Katheter wachst. Sitzt ein Stein 
tief im Harnleiter, so entsteht an jeder Perle eine Kratzmarke oder, 
wenn der Katheter ganz gewachst wird, eine kontinuierliche Marke. 
Durch Messung des Kratzers resp. der Anzahl der gezeichneten Wachs- 
perlen läßt sich die Entfernung des 'Steines vom oberen Pol des 
Nierenbeckens bestimmen. 

K. hat bis 1900 in 30 Fällen den Katheter zu diagnostischen 
Zwecken eingeführt. 24mal fanden sich Kratzmarken am Katheter, 
und die Diagnose wurde durch die Operation bestätigt. Von den 
sechs übrigen Fällen, in denen die Untersuchung negativ ausfiel, han- 
delte es sich dreimal um dieselbe Pat. Im vierten Falle lag der Stein 
in einer Abszeßhöhle, in der ihn der Katheter nicht erreichen konnte. 
In diesen Fällen konnte die Diagnose durch Röntgenstrahlen gestellt 
werden. In Fall 5, der nach der positiven Röntgenuntersuchung mit- 
tels Katheter untersucht wurde, handelte es sich um einen Phlebo- 
lithen. Bei Fall 6 operierte K., obgleich sowohl Röntgen- als auch 
Katheteruntersuchung negativ war, ohne etwas zu finden, obwohl die 
Symptome scheinbar beweisend waren. 

Die Röntgenuntersuchung allein hält K. im allgemeinen für zu 
schwierig und unsicher. Levy (Wiesbaden). 








Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 1247 


5) Hottinger. Zur Diagnose der Nierentuberkulose. 
(Zentralblatt für die Krankheiten der Harn- und Sexualorgane Bd. XVII. Hft. 8.) 


Die Leitgedanken, die den Ausführungen zugrunde liegen, gibt 
Verf. selbst zum Schluß seiner Arbeit wie folgt an: 

»Die Niere ist der Ausgangspunkt der Tuberkulose des Harn- 
traktus, die (Uro-) Genitaltuberkulose des Mannes ist ein Gebiet für 
sich, wenn auch nicht selten mit Nierentuberkulose primär kombiniert. 
Um die Diagnose anf Nierentuberkulose stellen zu können, müssen 
selbstverständlich Anhaltspunkte dafür vorhanden sein. 

Es ist daran zu denken, daß die Erscheinungen derselben mit 
Vehemenz plötzlich einsetzen können in Form von Blutungen oder 
Schmerzanfillen. Gewöhnlich aber sind es chronische Zustände, die 
durch ihr refraktäres Verhalten den Gedanken an eine Tuberkulose 
nahe legen: so ist jede nicht vorübergehende Pyurie verdächtig; Blu- 
tungen sind sehr häufig. Von Beschwerden herrscht das Bild der 
chronischen Cystitis vor, wenn schon oft und lange nur ein Reizzustand 
der Blase von der kranken Niere ausgeht, eine Cystitis vortéuschend. 
Palpable Nierenveränderungen sind gar nicht immer festzustellen; 
nicht selten führen diese wie auch die Schmerzangaben irre. Wo also 
nicht exquisite Befunde vorliegen, ist nur das Cystoskop in der Regel 
imstande, iiber den Sitz des Herdes sichere Auskunft zu geben, wie 
über den Charakter der Erkrankung der Nachweis des Tuberkelbazillus. 
Aber auch schon gewisse cystoskopische Befunde, wie Tuberkelknöt- 
chen und die von mir beschriebenen Granulombildungen sind geeignet, 
den gewünschten Anhaltspunkt zu liefern.« 

Die Granulombildungen sind Granulationen an Harnleiter und 
Blase, die Verf. dann als pathognomonisch für Nierentuberkulose an- 
spricht, wenn sie, meist als größere Gebilde granulöser Natur, als 
Granulome, die in ihrem Auftreten an kleine Papillome mahnen, teils 
am Harnleiter selbst, seine Öffnung in sich aufnehmend, sitzen, teils, 
von ihm ausgehend, sich nach der Seite ausbreiten. 

Grunert (Dresden). 





6) Joly. Traitement de l’hydrocele par le plissement des 
tuniques fibreuse et vaginale. 
(Arch. de med. et de pharm. militaires 1906. Juni.) 

Verf. ist der Meinung, daß durch die üblichen Behandlungs- 
methoden der Hydrokele, z. B. der Resektion und der Jodeinspritzung, 
das Parenchym des Hodens leiden könne, und hat eine neue Operations- 
methode für das Leiden ausgebildet. Nach ihm liegt der Grund für 
eine verlangsamte Resorption der Flüssigkeit bei der Hydrokele in 
einer Erschlaffung der Hodensackshiille. Diese besteht aus der äußeren 
Wand mit glatter Muskulatur (Dartos) und der inneren Schicht, welche 
letztere sich wieder aus der Tunica vaginalis parietalis und aus einer 
äußeren fibro-muskulären Schicht zusammensetzt. Die Muskeln der 
fibrösen Schicht werden durch den M. cremaster gebildet, der von 


1248 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 


den Bauchwandmuskeln herkommt. Beide Schichten vereinigen sich 
im Ligamentum scrotale am Boden des Hodensackes. Um nun die Er- 
schlaffung der Hodensackwand zu beseitigen, durchtrennt Verf. tiber 
der Hydrokele bis zum unteren Pole die Dartos, das Zellgewebe und 
die fibro-muskuläre Schicht bis auf die Tunica vaginalis parietalis und 


Dartos 


N Fibromuskuläre Schicht 





Ligamentum scrotale 


präpariert seitlich die durchschnittenen Teile, bis er zwei Lappen von 
6—7 cm Breite hat. Dann entfernt man die Flüssigkeit durch Punk- 
tion und legt drei oder vier Nähte durch die freiliegende fibro-musku- 
läre Schicht, worauf die Dartos vereinigt wird. Drei mit Erfolg ope- 
rierte Fälle werden angeführt. Herhold (Brandenburg). 


7) E. Pasquimangali. Le vie d'accesso nella chirurgia del 


testicolo e delle vie spermatiche. 
(Gazz. degli ospedali e delle clin. 1906. Nr. 111.) 

Verf. empfiehlt bei Operationen am Hoden und Samenstrang den 
Weg vom Leistenkanal aus, in erster Linie bei Tuberkulose der Ge- 
schlechtsdrüse, zumal da unter Freibleiben des Ductus deferens auf 
dem Lymphwege die höheren Teile des Samenstranges befallen sein 
können. Aber auch für die Radikaloperation der Varikokele, für 
Hydrokelenoperationen, namentlich bei Beteiligung des Funiculus sper- 
maticus, bei Neubildungen und Ectopia testis wird dieser Weg bevor- 
zugt. Nur bei schweren Verwachsungen des Hodens und Fisteln am 
Hodensack, wenn Exstirpation von Teilen des letzteren notwendig 
wird, darf der Hodensack eröffnet werden, und selbst hier nur sekun- 
där, um Infektionen aus dem Wege zu gehen. Der 6—7 cm lange 
Schnitt beginnt am äußeren Leistenringe, legt die Aponeurose des 
M. obliquus ext. frei und durchtrennt sie bis etwa oberhalb des inneren 
Leistenringes. Der am Samenstrang in die Höhe gezogene Hoden 
zieht das Lig. Hunteri und die eingestülpte Haut des Hodensackes 
hinter sich her. Das Ligament wird nur im Bedarfsfalle nach vor- 
ausgehender Unterbindung durchschnitten. Die Herstellung des 
Leistenkanals nach Bassini beschließt den Eingriff. 

Dreyer (Köln a. Rh.). 


— — — 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 1249 


8) A. Sitzenfrey (Prag). Uber epitheliale Bildungen der 
Lymphgefäße und Lymphraume in Beckenlymphknoten bei 
Uteruskarzinom und bei karzinomfreien, entzündlichen Adnex- 


erkrankungen. | 
(Zeitschrift für Geburtshilfe u. Gynäkologie Bd. LVII. Hft. 3.) 

S. bringt in klarer, knapper Fassung unsere Erfahrungen über 
den Befund gutartiger Epithelschläuche in Beckenlymphdrüsen bei 
Karzinom des Uterus und bei entzündlichen Beckenprozessen. Vier 
Karzinomfälle und zwei entzündliche Belege werden der bisher 
bekannten Kasuistik beigefügt und vorzüglich illustriert. Ref. sieht 
das Wertvolle der Arbeit darin, daß auf die Möglichkeit gutartiger 
Metaplasievorgänge in diesen sog. Epithelialschläuchen durch Wort 
und Bild hingewiesen wird. Die Auskleidung der Hohlräume wird 
vom umgewandelten Lymphgefäßendothel gebildet. Die Hohlräume 
sind umgewandelte Lymphräume wie R. Meyer dies zuerst nach- 
gewiesen hat. S. zeigt uns nun, daß die gewucherten Endothelien 
entsprechend ihrer Zwitterstellung alle Formen von Deckepithelien 
(Flimmerzellbelag!), mehrschichtige Lagen, schließlich adenokarzinom- 
verdächtige Herde bilden können. Nur die Serienuntersuchung er- 
möglicht die rechte Diagnosestellung. Da in dem die Metaplasie der 
Endothelialbildungen liefernden Falle von allgemeiner Beckenentzün- 
dung die Obduktion das Fehlen irgendeines Karzinomherdes im Körper 
feststellte, muß die Beweisführung von S. als zwingend anerkannt 
werden. Kroemer (Gießen). 





9) G. Burckhard (Würzburg). Experimentelle Unter- 
suchungen über das Verhalten der Ovarien und Tuben, 
sowie des Uterusrestes nach vollständiger resp. teilweiser 


Entfernung des Uterus bei Kaninchen. 
(Zeitschrift für Geburtshilfe u. Gynäkologie Bd. LVIII. Hft. 1.) 


Die wichtige experimentelle Versuchsreihe B.’s soll einen Beitrag 
zur Entscheidung der klinischen Frage liefern: »Soll man bei Ent- 
fernung des Uterus die Ovarien entfernen oder zurücklassen?« Nach 
Keitler’s Versuchen könnte man annehmen, daß die Ovarien voll- 
ständig unabhängig vom Uterus sind und normal funktionieren auch 
nach der Uterusexstirpation. Mandl und Bürger wiesen indessen 
nach, daß nach der Entfernung des Uterus eine gewisse rasche Alte- 
rung der Eierstöcke eintritt. Die Reifung der Follikel verläuft offenbar 
zwecklos und unter gleichzeitiger Vernichtung vieler Parenchymbestand- 
teile, so daß eine rasche Schrumpfung der Keimdrüsen und insbesondere 
der Parenchymschicht nach wenigen Jahren eintritt. Die Versuche 
B.’s bestätigen die Angaben der beiden vorgenannten Untersucher. 
B. glaubt, daß vor allem Störungen der Blutzirkulation, insbesondere 
erschwerter Rückfluß die Ursache dieser Störung sind. Beim Menschen 
werden diese rückbildenden Prozesse noch rascher eintreten, da nach 

47** 


1250 | Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 


der Art der Arterienversorgung der eine Arterienzweig der Ovarien 
(Ramus tubo-ovaricus der Art. uterina) durch die Exstirpation des 
Uterus unterbunden werden muß. Die Atrophie des Eierstockes trat 
bei den Tierversuchen prompt ein, und zwar bei Wegnahme eines 
Uterushornes nur auf der korrespondierenden Seite. Nur mußte die 
Beobachtungszeit ausreichend sein (bis zu 5 Jahren!). Interessanter- 
weise bildeten sich in den teilweise oder ganz unterbundenen Tuben 
bzw. Uterushörnern cystische Dilatationen mit Kompressionserschei- 
nungen des Epithels. Es spricht dies für eine Sekretion des Uterus- 
epithels und einen gewissen Sekretionsdruck. Diese cystische Dila- 
tation eines Uterushornes entstand auch bei einseitigem Verschluß der 
Portio, während weder makroskopisch noch mikroskopisch ein Ver- 
schluß des Tubenmundes zu konstatieren war. Ein besonders glück- 
liches Experiment führte zur Entstehung einer Tubarschwangerschaft 
(beim Kaninchen). Kroemer (Gießen). 


Kleinere Mitteilungen. 


10) Von der 78. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte zu 
Stuttgart. 


a. Ritter (Greifswald): Die Neubildung von Lymphdrüsen im Fett- 
gewebe beim Karzinom und Sarkom. 

Im Anschluß an frühere Mitteilungen über eigentümliche Lymphdrüsenbildungen 
in der Achselhöhle beim Mammakarzinom berichtet Vortr. über ähnliche Bildungen 
beim Platten- und Schleimhaut-(Gallert-)karzinom, ferner bei drei Fällen von Sar- 
komen im zugehörigen Fettgewebe. Demonstration dieser zweiten Serie an zahl- 
reichen Tafeln und makroskopischen (Sudomfärbung nach Formalinhärtung) sowie 
mikroskopischen Präparaten. R. geht dabei auf die mikroskopischen Details nicht 
näher ein. Was die Entstehung dieser Neubildung des Lymphdrüsengewebes beim 
Karzinom und Sarkom betrifft, so kann, wie R. anderen Anschauungen gegenüber 
eingehend begründet, als Ursache nur ein Reiz in Betracht kommen. Es liegt am 
nächsten, diesen Reiz, da es sich meist um geschlossene Geschwülste handelt, im 
Karzinom selbst zu suchen, mag man sich darunter Karzinomzellen, die dann 
allerdings massenhaft, ohne eine Spur hinterlassen zu haben, zugrunde gegangen 
sein müßten, oder, wie es Vortr. wahrscheinlicher ist, ein Karzinom virus vor- 
stellen. 

Jedenfalls zeigt dieser Vorgang der Lymphdrüsenneubildung im Fettgewebe, 
daß die Injektionspräparate an Leichen, die man bisher ganz allgemein als Para- 
digma für die Verbreitung des Karzinoms (bzw. Sarkoms) auf dem Lymphweg an- 
gesehen hat, keineswegs ein richtiges Bild für diese Verhältnisse geben, und daß 
die Verschleppung der bösartigen Tumoren durchaus nicht so rein mechanisch auf- 
zufassen ist, wie man bisher getan hat. (Selbstbericht.) 


b. P. Wichmann (Hamburg): Beitrag zur Behandlung inoperabler 
Geschwilste mittels Rontgenstrahlen. 

Die Wirkung der Roéntgenstrahlen auf inoperable Geschwiilste kann, falls es 
sich um oberflachliche Geschwulstformen handelt, im allgemeinen als eine konstant 
giinstige bezeichnet werden, tiefer gelegene Neubildungen diirften nur in vereinzelten 
Fällen wesentliche Rückbildung erfahren. Die Erklärung für diese Wirkungsweise 
liegt im Absorptionsverhältnis der Strahlung zum Gewebe begründet: Die bio- 
logisch wirksame Strahlung gelangt bereits in einer Tiefe von höchstens einigen 
Zentimetern fast gänzlich zur Absorption. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 1251 


W. hat nun versucht, die Strahlung auch für tiefer gelegene Organe biologisch 
wirksam zu machen, und es ist ihm dies mittels Eosinsensibilisation gelungen. 

Ein Kaninchen wurde innerhalb 6 Wochen mit sehr leichten Dosen von 
Röntgenstrahlung vom Rücken aus bestrahlt, es erhielt innerhalb dieser Zeit per 
Schlundsonde 2%ige Eosinlösung. 

Außer einem leichten, spärlichen Haarausfall zeigte die äußere Haut keine 
Reaktion, die inneren Organe erwiesen sich bis auf den Magen, in welchem das 
Eosin in größeren Mengen am längsten sich aufhielt, intakt. Die Magenschleim- 
haut erwies sich brüchig und angeätzt (Demonstration). 

Daß nicht das Eosin als solches, sondern nur in Kombination mit der Strah- 
lung diese Wirkung veranlaßte, zeigt der Magen des Kontrolltieres, welches inner- 
halb 6 Wochen reichlich doppelt so viel Eosin wie das erste Tier erhielt. Die 
Magenschleimhaut ist hier intakt (Demonstration). 

Es ist also möglich, mittels Eosinsensibilisation und genügend vorsichtig 
dosierter Röntgenbestrahlung elektiv auf innere Organe, die an und für sich nicht 
besonders empfindlich gegen die Strahlung sind, einzuwirken. 

W. hat nun, gestützt auf dieses experimentelle Ergebnis, diese Methode bei 
zwei Fällen von inoperablem Osophaguskarzinom, bei inoperablem Uteruskarzinom 
und inoperablem Karzinom des Rachens in Anwendung gebracht und konnte an- 
scheinend eine deutliche elektive Wirkung erzielen. Inwieweit der Methode prak- 
tischer Wert beizumessen ist, muß die Erfahrung lehren. (Selbstbericht.) 


c. Defranceschi (Rudolfswert) berichtet über weitere 200 Fälle von Lumbal- 
anästhesie mit Tropakokain. Er verwendete auch im verflossenen Jahre seine 
hohen Dosen, mindestens 15 cg, bei Kindern 7—10 cg, glaubt aber, daß die Steri- 
lisation in trockener Hitze (Bratröhre) das Präparat abschwäche. Unangenehme 
Nachwirkungen waren sehr selten, man soll jedoch nicht mehr Liquor ablassen als 
10 g. Unter insgesamt 420 Fällen war ein totaler Versager, trotzdem die Technik 
einwandsfrei war. Die Kinder vertragen die Rückenmarksanästhesie ausgezeichnet. 
Die Wirkung ist ideal. D. empfiehlt gerade das Tropakokain i wärmstens. 

(Selbstbericht.) 
Diskussion. 

Hirsch (Wien): Auf der v. Mosetig’schen Abteilung übersteigt die ver- 
wendete Tropakokaindosis nie 0,06. Daß das Mittel durch die Sterilisierung 
leide, ist unwahrscheinlich, da es durch die Hitze chemisch nicht umgeändert wird. 
Zur Vermeidung übler Nachwirkungen ist es vorteilhaft, möglichst wenig Zerebro- 
spinalflüssigkeit abzulassen. 

Brenner (Linz) hat gegen 550 Pat. mit Lumbalanästhesie behandelt; mit der 
Verbesserung der persönlichen Technik hat sich die Zahl der Versager mehr und 
mehr vermindert. Er verwendet größere Dosen des Tropakokains (bis 0,12), das 
vor der Anwendung 5 Minuten gekocht wird, wobei offenbar etwa die Hälfte der 
wirksamen Substanz verloren geht; die Wirkung kann durch 10 Minuten dauerndes 
Kochen noch weiter herabgesetzt werden. B. macht alle Operationen unter der 
Nabelhöhe in Rückenmarksanästhesie, in letzter Zeit auch Magenresektionen und 
Cholecystektomien; dabei operiert er Hernien in geringer, macht Eingriffe oberhalb 
des Nabels in steilerer Beckenhochlage; bei letzterer tritt leicht Übelkeit und 
Erbrechen ein. Kopf- und Rückenschmerzen, wie geringe Temperatursteigerungen 
kommen in den ersten 3 Tagen vor; sonst hat B. nur am 10. Tage nach der Ope- 
ration eine vorübergehende Abducenslähmung bei einer Hysterischen beobachtet. 

Steinthal (Stuttgart) hatte bei 100 Beckenoperationen gute Erfolge mit 
Novakokain-Adrenalinanästhesie; für Magen- und Nierenoperationen war Becken- 


1 Seit meiner Rückkehr aus Stuttgart verwende ich ausschließlich das mir von 
der Firma E. Merck (Darmstadt) zur Verfügung gestellte, sterilisierte Tropa- 
kokain in Tabletten. Der Erfolg war bisher ein idealer, und kam ich mit 0,05 g 
vollkommen aus. Hiermit ist der Beweis erbracht, daß das Tropakokain durch 
Sterilisierung in trockener Hitze in seiner Wirkung abgeschwächt wird. 


1252 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 


hochlagerung nötig. Einmal erlebte er starke Nachblutung, bei Kombination mit 
Morphium bisweilen heftiges Erbrechen. — Unter 16 Fällen von Stovainanästhesie 
erlebte er einen Todesfall bei einem kachektischen Prostatiker. 


Leichtenstern (Wien): Von Zuckerkandl wird die Lumbalanästhesie etwa 
seit 1 Jahre mit bestem Erfolge, namentlich bei Blasen- und Prostataoperationen, 
angewandt; es werden 0,06 Tropakokain in 10 ccm Zerebrospinalflüssigkeit einge- 
spritzt. Die Anästhesie ist eine tadellose, üble Nachwirkungen wurden nicht be- 
obachtet, sehr oft aber Temperatursteigerungen bis 39° auf 3—4 Tage; übrigens 
stets bei normaler Pulsfrequenz. 


Katholicky narkotisiert mit zwei Teilen Chloroform und einem Teil Äther, 
gibt starken Personen vorher 0,01 Morphium und ist damit so zufrieden, daß er 
keine Veranlassung genommen hat, die Rückenmarksanästhesie zu versuchen. 


d. F. Krause (Berlin): Über die operative Behandlung der Hirn- und 
Rückenmarkstumoren. 

Um das sehr umfangreiche Gebiet in möglichster Kürze vollständig zu be- 
handeln, beschränkt sich K. in seiner Darstellung nur auf eigene Erfahrungen und 
führt Beispiele aller in Betracht kommenden Operationen in Projektionsbildern 
vor. An der Hand dieser bespricht er zunähst die Geschwülste der sensomoto- 
rischen Region, des klassischen Ortes für die Chirurgie der Hirntumoren. Nach 
Aufzeichnung der Rolando’schen und Sylvi’schen Furche auf dem rasierten 
Schädel werden mit Hilfe der osteoplastischen Lappenbildung große Trepanations- 
öffnungen mit der Dahlgreen’schen Zange angelegt. Die Blutung aus den Weich- 
teilen wird durch die Heidenhain’sche Umstechungsnaht wesentlich gemindert 
oder aufgehoben. Kortikal sitzende Geschwülste sind nach lappenförmiger Dural- 
eröffnung meist leicht zu erkennen, bei subkortikalen leistet die faradische ein- 
polige Reizung mit sehr schwachem Strom ausgezeignete Dienste, wie überhaupt 
diese Methode auch im Operationssaale für den Chirurgen unentbehrlich ist. Ebenso, 
wie Tumoren, müssen Gummata, Solitätuberkel und Cystenbildungen behandelt 
werden. Von letzteren gibt K. ein Beispiel an einer großen Cysticercusblase der 
vorderen Zentralwindung. Zunächst gelang die operative Heilung. später ging der 
Kranke an multiplen Cysticerken der Hirnbasis zugrunde. 

Doch die Chirurgie der Zentralwindungen stellt heute nur ein kleines Gebiet 
der Hirnchirurgie dar. Als Beispiel für einen Tumor der Parietalregion zeigt K. 
die Operationsbilder eines von H. Oppenheim diagnostizierten pflaumengroßen, 
an zwei Stellen eiterig geschmolzenen Solitärtuberkels, der in toto exstirpiert wurde. 
Wegen der Eiterung mußte die Wunde 12 Tage tamponiert und offen gehalten 
werden; der eintretende große Hirmprolaps ließ sich durch Zurückklappen des 
Dural- und Hautknochenlappens, sowie durch exakte Vernähung der weithin ab- 
gelösten umgebenden Haut beseitigen, so daß Heilung eintrat. Der Kranke ging 
später an Lungenphthise zugrunde; die Autopsie zeigte im Gehirn vollkommene 
Heilung und hier auch an keiner anderen Stelle einen Tuberkelherd. 

Weiter wird eine gleichfalls von Oppenheim diagnostizierte Geschwulst des 
Occipitallappens bei einem 35jährigen Mann als Beispiel vorgeführt. Die Ex- 
stirpation erfolgte in zwei Zeiten und führte zu vollständiger Heilung, so daß selbst 
die Hemianopsie verschwunden ist. 

Dann ging K. auf die Operationen am Stirnlappen und in der vorderen Schädel- 
grube über, und im Anschluß daran besprach er die Freilegung der Hypophyse 
von vorn her nach Bildung eines Stirnlappens. Dieser Operation wesentlichen Teil 
hat er mit vollständigem Erfolge vor 6 Jahren ausgeführt, um eine schwere Sym- 
ptome verursachende Revolverkugel aus der Gegend des Ohiasma zu entfernen. 
Der Operierte ist vollkommen gesund geblieben. 

Die Geschwülste der mittleren Schädelgrube werden in analoger Weise ent- 
fernt, wie K. bei der Exstirpation des Ganglion Gasseri vorgeht. Die letztere 
Operation hat er 5lmal mit sieben Todesfällen ausgeführt und niemals innerhalb 
eines Zeitraumes von 14 Jahren ein Rezidiv der Trigeminusneuralgie beobachtet. 
Diese radikale Methode wendet er aber nur in den schwersten Fällen an, wenn 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 1253 


die ungefährlichen Resektionen der peripheren Trigeminusäste erfolglos geblieben 
sind; dann aber ist die Exstirpation des Ganglion Gasseri durchaus zu empfehlen. 

Bei den Eingriffen in der hinteren Schädelgrube und am Kleinhirn bildet es 
einen Unterschied in der Technik, ob beide Seiten oder nur eine freigelegt werden 
sollen. Letzteres Verfahren kommt vor allem bei den sog. Acusticustumoren, den 
Geschwülsten des Kleinhirnbrückenwinkels in Betracht. Durch Freilegen und vor- 
sichtiges Verschieben der betreffenden Kleinhirnhemisphäre medianwärts oder nach 
innen und oben kann man die hintere Felsenbeinfläche und den hinteren Abschnitt 
der Schädelbasis, sowie die hier liegenden Hirnnerven (Acusticus, Facialis, Glosso- 
pharyngeus, Vagus, Accessorius) zu Gesicht bringen und die in dieser Tiefe liegen- 
den Tumoren, zumals sie meist abgekapselt und ausschälbar sind, entfernen. Eine 
derartige, operativ geheilte Kranke ist in der neurologischen Gesellschaft zu Berlin 
vorgestellt worden. Im ganzen hat K. zehn solche Operationeu ausgeführt, einen 
genauen Bericht über neun Fälle hat er auf dem diesjährigen Chirurgenkongreß 
geliefert. 

Im Anschluß an die Technik für die Freilegung beider Kleinhirnhemisphären 
bespricht K. die Punktion des 4. Ventrikels als einen unter Umständen unmittelbar 
lebensrettenden Eingriff. Weiter erörtert er die Prognose aller erwähnten Hirn- 
operationen. Die wirkliche Heilung einer Hirngeschwulst durch den Chirurgen 
gehört immer noch zu den Seltenheiten. Bedenkt man aber, daß jeder Kranke 
sonst verloren ist, und zumeist unter den allergrößten Qualen, so findet die Ope- 
ration doch ihre Berechtigung. Gelingt die radikale Entfernung nicht, so bedeutet 
die Trepanation mit Duraleröffnung als druckentlastende Operation eine große 
Erleichterung für den Kranken und häufig eine Verlängerung seines Lebens. Einen 
solchen palliativen Eingriff darf man mit demselben Recht vornehmen, wie z.B. 
die Gastrostomie beim Speiseröhrenkrebs u. dgl. mehr. Die Hauptgefahren der 
Operation sind Blutung und Chok, während die Infektion mit einem hohen Grade 
von Weahrscheinlichkeit auszuschalten ist. Wenigstens hat K. unter allen Ope- 
rationen wegen Hirngeschwulst und Epilepsie, sowie bei den 51 Exstirpationen des 
Ganglion Gasseri keinen Kranken an Meningitis verloren. Man muß immer auf 
die einzeitige Vollendung der Operation gefaßt sein, da die Verhältnisse dazu 
zwingen können. Wenn aber die Wahl offen bleibt, so ist das zweizeitige Ver- 
fahren am Gehirn vorzuziehen. Man verteilt damit die Gefahr und vermindert 
sie für jeden der beiden Eingriffe. 

Ganz anders bei der Entfernung der Tumoren der Rückenmarkshäute; 
hier ist das einzeitige Verfahren das richtige, außerdem sollen die Wirbelbögen 
nicht erhalten, sondern geopfert werden. Die Wundverhältnisse werden dadurch 
vereinfacht, zudem haben die Bögen für die Stützfähigkeit der Wirbelsäule keine 
Bedeutung. K. hat 19 derartige Operationen mit 5 Todesfällen ausgeführt. Die 
älteste Pat. ist vor 6 Jahren operiert und lebt — 72 Jahre alt — noch jetzt; es 
handelte sich um ein Psammon in der Höhe des 7. Brustwirbels, das von Dr. Böt- 
tiger diagnostiziert worden war. Am gefährlichsten sind die Eingriffe am oberen 
Halsmark; von drei derartig Operierten sind zwei im Kollaps gestorben; bei einem 
dritten mußte der Bogen des Epistropheus, des 3. und 4. Halswirbels entfernt und 
nach Spaltung der Dura der untere Teil der Medulla oblongata freigelegt werden; 
die Kranke ist geheilt und hat sich 2 Jahre nach der Operation in guter Gesund- 
heit vorgestellt. 

Von besonderen Schwierigkeiten, die sich bei Rückenmarksoperationen her- 
ausstellen, sind zu erwähnen: inoperable Geschwülste; dann Verwachsungen im 
Arachnoidealraume, die Tumorsymptome vortäuschen oder, oberhalb der wirklich 
vorhandenen Geschwulst weit hinaufreichend, zu einer falschen Segmentdiagnose 
Veranlassung geben; endlich die sog. Meningitis serosa ex Arachnitide chronica, 
die bereits von Oppenheim betont, von K. in mehreren Fällen bei der Operatiom 
gefunden wurde, Für alle diese Vorkommnisse werden operative Erfahrungen an 
Diapositiven vorgeführt. Selbst bei Rückenmarksgeschwülsten können also noch 
diagnostische Schwierigkeiten mancherlei Art erwachsen, und doch ist hier die 
Diagnostik dank der Segmentierung des Organes so viel leichter und so viel weiter 


1254 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 


ausgebildet als beim Gehirn. Schon aus diesem Grunde sind die operativen Er- 
folge bei Rückenmarkstumoren viel besser als bei Hirngeschwülsten; dazu kommt 
noch die geringere Gefahr des Eingriffes. Wenn es aber dermaleinst gelingen 
sollte, die von vornherein inoperablen Hirntumoren als solche zu erkennen 
und dann höchstens der druckentlastenden Trepanation zu unterziehen, so werden 
die operativen Ergebnisse auch auf diesem Gebiete bessere werden. Die großen 
Fortschritte der neurologischen Diagnostik in den letzten Jahren, namentlich auf 
dem Gebiete der Tumoren der hinteren Schädelgrube, berechtigen zu gegründeten 
Hoffnungen auch für die Chirurgie des Großhirns. Die Fortschritte der Neurologen 
sind es, welche auch die Chirurgen vorwärts bringen; denn diese sind ihre aus- 
führende Hand. (Selbstbericht.) 


e. Oppenheim (Berlin): Über die operative Behandlung der Hirn- 
und Rückenmarkstumoren. (Ergänzungsreferat mit besonderer Berücksich- 
tigung der gemeinschaftlich mit F. Krause angestellten Beobachtungen.) 

Der Vortr. beschränkt sich auf die Mitteilung persönlicher Erfahrungen, die 
dank seiner Beziehungen zu der v. Bergmann’schen Klinik und einer Reihe 
anderer Chirurgen auf diesem Gebiete unverhältnismäßig große sind. Zunächst 
ergänzt er die Krause’sche Kasuistik, soweit sie sich mit der seinigen deckt, 
durch die Schilderung der klinischen Verhältnisse und die Motivierung der Dia- 
gnose in einzelnen besonders interessanten Fällen von Tumor cerebri. Dahin ge- 
hört einer, in dem es gelungen ist, durch die Entfernung einer Geschwalst aus 
dem linken Lobus occipitalis vollkommene Heilung, ein geradezu ideales Resultat 
zu erzielen. 

Ein zweiter gibt Anlaß, die Diagnose der Tumoren der hinteren Zentral- 
windungen und des Scheitellappens auf Grund von fünf eigenen Operationsfällen 
dieser Art mit jedesmal zutreffender Diagnose zu besprechen. Von einem erfolg- 
reich Operierten (Prof. Borchardt) dieser Kategorie zeigt O. das stereoskopische 
Bild des Operatiosbefundes und den herausgenommenen Tumor. Dann bespricht 
er eingehender die Geschwiilste der hinteren Schidelgrube und des Kleinhirn- 
briickenwinkels unter Demonstration der Präparate von mehreren, teils mit 
Krause, teils mit Borchardt behandelten Fällen. Er hat in den letzten Jahren 
acht dieser Pat. den Chirurgen überwiesen. Davon ist nur einer geheilt, ein zweiter 
vorübergehend gebessert worden, während bei sechs die Operation mittelbar oder 
unmittelbar den Exitus veranlaßt hat. Aber es handelte sich immer um Gewächse 
von enormem Umfange. 

Der Vortr. gibt dann eine Bilanz seiner seit Anfang 1%3 operierten Fälle 
von Tumor cerebri. Es sind 27. Davon sind 3 (11%) geheilt, 6 vorübergehend 
gebessert (22,2%), 15 gestorben (55,536), wobei allerdings zu berücksichtigen, daß 
es sich zwölfmal um Gewächse der hinteren Schädelgrube handelte. Drei Palliativ- 
operationen mit zum Teil unsicherem Ergebnis. In 23 von den 27 Fällen war 
sowohl die allgemeine wie die lokale Diagnose eine zutreffende Einmal wurde 
statt des erwarteten Kleinhirntumors ein Hydrocephalus gefunden; bei einem 
anderen, bei welchem Hydrocephalus für wahrscheinlich gehalten wurde, fand sich 
außer diesem ein Tumor des Lobus temporalis. Einmal schwankte die Diagnose 
zwischen Tumor lobi frontalis und corporis striati; im Bereiche des ersteren wurde 
er bei der Operation nicht gefunden; der Kranke ging in andere Behandlung über. 
In dem vierten Fall, in welchem O. eine Neubildung im Bereiche der motorischen 
Region diagnostizierte, war der dort bei der Operation erhobene pathologische 
Befund nicht sicher als Tumor zu deuten. Diesen Pat. hat O. aus den Augen 
verloren. Im ganzen hat nach seiner Erfahrung von zehn oder neun für chirur- 
gische Behandlung sorgfältig ausgesuchten und fast durchweg richtig diagmosti- 
zierten Fällen nur einer Aussicht auf volles Heilresultat. Die chirurgische Be- 
handlung der Hirntumoren bildet also trotz einzelner blendender Erfolge immer 
noch eine der schwierigsten und undankbarsten Aufgaben ärztlicher Tätigkeit. 
Wenn es sich auch meist um ein ohne diese Therapie tödliches Leiden handelt, 
verlangen doch die Erfahrungen mit der Meningitis serosa, der akuten Hirn- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 1255 


schwellung und dem sog. Pseudotumor cerebri volle Berücksichtigung. Die Lehre 
v. Bergmann’s, daß die Hirnchirurgie eine Ohirurgie der Zentralwindungen sei, 
hat nach den neueren Erfahrungen ihre Gültigkeit verloren. Von O.’s Geheilten 
gehört kein einziger diesem Gebiete (in v. Bergmann’schem Sinn) an. 

Weit günstiger sind die Ergebnisse der chirurgischen Therapie der Rücken- 
markshautgeschwülste. Der Vortr. gibt hier zunächst eine Statistik der 
eigenen Beobachtungen, wobei er die Wirbelgeschwülste ausschaltet. In acht von 
elf seiner Fälle war sowohl die allgemeine wie die lokale Diagnose eine zutreffende, 
so daß der Tumor an der erwarteten Stelle gefunden wurde. In zweien lag eine 
lokalisierte Meningitis bzw. Meningitis serosa spinalis vor, in dem letzten die 
Kombination eines intramedullären Prozesses mit lokalisierter Meningitis am Orte 
des Eingriffes. Was die therapeutischen Resultate anlangt, so ist die Operation in 
fünf von den elf Fällen eine glückliche, erfolgreiche gewesen. In sechs hat sie 
mittelbar oder unmittelbar den tödlichen Ausgang herbeigeführt. Dazu kommen 
noch vier weitere Fälle, in denen die Operation von vornherein als explorative 
ausgeführt war, und gerade diese Frage, die Berechtigung der explorativen 
Laminektomie, bedarf der eingehendsten Erörterung. Nur in einem dieser 
Fälle ist der Tod der Operation zur Last zu legen, in einem zweiten hat sie 
Nutzen gebracht, in den beiden anderen ist sie für den Verlauf irrelevant gewesen. 


O. gibt eine Schilderung der klinischen und diagnostischen Verhältnisse, wie 
sie in diesen vier Beobachtungen vorlagen, und faßt seine Anschauungen über die 
chirurgische Behandlung der Rückenmarkshautgeschwülste zu folgenden Thesen 
zusammen: 1) Es unterliegt keinem Zweifel mehr, daß bei den Krankheitszuständen, 
die die typische Symptomatologie des Rückenmarkshauttumors bieten, die chirur- 
gische Behandlung dringend indiziert ist. Beschränkt man sich auf diese Fälle, so 
ist schon nach den jetzigen Erfahrungen in ca. 50% auf einen Heilerfolg zu rech- 
nen, der um so vollkommener sein’ wird, je früher der Eingriff vorgenommen wird. 
2) Auch bei typischer Symptomatologie sind diagnostische Fehler möglich, indem 
das Bild des extramedullären Tumors einmal durch Wirbelgeschwülste vorgespiegelt, 
als auch ausnahmsweise durch einen lokalisierten meningitischen Prozeß oder durch 
die intramedulläre Neubildung vorgetäuscht werden kann. Daß die Differential- 
diagnose zwischen dem extramedullären Tumor einerseits, dem intramedullären und 
den Wirbelgewächsen andererseits noch keine ganz sichere ist, wird besonders 
durch die Kasuistik Nonne’s (Stertz) bewiesen. 3) Unter den Formen der 
lokalisierten Meningitis, die das Krankheitsbild des extramedullären Tumors täu- 
schend nachahmen können, verdient die von O. und Krause beschriebene Menin- 
gitis serosa spinalis ein besonderes Interesse. Es muß aber hervorgehoben werden, 
daß es sich um einen noch nicht genügend fundierten Begriff handelt, daß es noch 
an abgeschlossenen Beobachtungen fehlt, die die Existenz und Pathogenese dieses 
Leidens dartun und seine Beziehungen zur Symptomatologie in durchsichtiger Weise 
erläutern. 4) Die Symptomatologie der extramedullären Rückenmarksgeschwülste 
ist sehr häufig eine atypische. Eine große Anzahl der chirurgisch heilbaren 
Neubildnngen würde also dieser Behandlung entzogen werden, wenn die Grenzen 
der Indikationen nicht weiter gesteckt würden. Es muß somit die Berechtigung 
der explorativen Laminektomie unbedingt anerkannt werden. Gewiß soll die nur 
ausnahmsweise auf Grund sorgfältigster Erwägungen bei deutlicher Progredienz 
des Leidens, in differentialdiagnostisch schwierigen Fällen, und zwar dann vorge- 
nommen werden, wenn unter den verschiedenen Möglichkeiten die Annahme einer 
extramedullären Geschwulst ein gewisses Maß von Wahrscheinlichkeit besitzt. Es 
muß aber dann verlangt werden, daß bei unsicherer Allgemeindiagnose die Niveau- 
diagnose eine möglichst bestimmte ist, damit der probatorische Eingriff ein mög- 
lichst beschränkter bleibt und kein wesentliches Periculum vitae mit sich bringt. 
5) Die explorative Laminektomie soll nicht an der Dura mater Halt machen. 
6) Die Annahme eines sog. Pseudotumor des Rückenmarkes schwebt noch in der 
Luft, desgleichen die der spontanen Rückbildung. 7) Es ist sehr wünschenswert, 
daß von dieser Versammlung die Anregung zu einer Sammelforschung auf dem 
Gebiete der Hirn- und Rückenmarkschirurgie ausgeht. 


1256 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 


f. A. Sa en ger (Hamburg): ÜberPalliativtrepanation beiinoperablen 
Hirntumoren. 

Trotz der großen Fortschritte in der Chirurgie und Neurologie ist doch noch 
immer der weitaus größere Teil aller diagnostizierten Hirngeschwülste operativ 
unzugänglich. Andererseits gibt es auch eine recht große Zahl von Hirntumoren, 
die nach unseren gegenwärtigen Kenntnissen nicht lokalisiert werden können. 

Wie sollen wir uns nun solchen Tumorkranken gegenüber verhalten? 

Schon 1902 hat Vortr. diese Frage auf dem Chirurgenkongreß zu Berlin be- 
handelt. Da ersterer gegenwärtig über eine größere Erfahrung verfügt, und da 
die Ansichten über die Behandlung der inoperablen Tumorkranken noch nicht 
übereinstimmen, so kommt S. auf diesen wichtigen Gegenstand zurück. 

Vortr. teilte nun im einzelnen seine klinischen Erfahrungen mit, die andern- 
orts veröffentlicht werden sollen. 

Vortr. verfügt jetzt im ganzen über 19 Fälle, bei denen die Palliativtrepanation 
des Schädels ausgeführt worden ist. 

In zwei Fällen trat erst ein Erfolg ein, als die Trepanationsöffnung erweitert 
worden war und mehr Liquor cerebrospinalis abfließen konnte. 

In zwei anderen Fällen hatte die Trepanation keinen Erfolg. . 

In einem dritten Falle (Basistumor) trat unmittelbar nach der Trepanation 
Sopor ein, in dem der Exitus erfolgte. 

In allen anderen Fällen war die wohltätige Wirkung der Trepanation evident: 
Kopfschmerz, Erbrechen, Krämpfe und andere Symptome, die durch den erhöhten 
Hirndruck hervorgerufen worden waren, wie die Stauungspapille, ließen nach und 
verschwanden völlig in einem Teile der Fälle. 

Harvey Cushing empfiehlt neuerdings, den Schädeldefekt in der Temporal- 
und Occipitalgegend mittels Muskulatur zu decken. Diese Methode wurde von 
Herrn Dr. Wiesinger bei der Trepanation über dem Kleinhirn seit vielen Jahren 
im allgemeinen Krankenhause St. Georg mit Erfolg angewendet. 

Als Zeitpunkt des operativen Eingreifens ist der Beginn der Herabsetzung des 
Sehvermögens zu empfehlen. Trepaniert man später, so bleibt sehr leicht eine 
Opticusatrophie zurück. 

Was den Ort der Trepanation betrifft, so ist in erster Linie diejenige Stelle 
der Hirnschale ins Auge zu fassen, unter welcher man den Tumor vermutet. Ist 
eine Lokaldiagnose gar nicht zu stellen, so dürfte sich empfehlen, über dem rechten 
Parietallappen zu trepanieren, da von dieser Gegend am wenigsten Ausfallssymptome 
zu befürchten sind. 

Die Trepanation über den Kleinhirnhemisphären ist nach den Erfahrungen des 
Vortr. nicht so gefährlich, wie man früher angenommen hat. Man muß nur selır 
vorsichtig zu Werke gehen und nach Freilegung der Dura erst eine Zeitlang warten ; 
bevor man dieselbe eröffnet. 

Die Lumbalpunktion und die Punktion der Seitenventrikel können sich in 
bezug auf Wirksamkeit nicht mit der Trepanation des Schädels messen. 

Vortr. resümiert auf Grund seiner erweiterten Erfahrungen seine Ansicht 
dahin: 

Die Palliativtrepanation des Schädels ist bei dem heutigen Stande der Chirurgie 
in den Händen eines geübten Operateurs eine nahezu ungefährliche und ungemein 
segensreiche Operation, die bei jedem inoperablen Hirntumor zu empfehlen ist, um 
die Qualen des Pat. zu erleichtern, und um denselben vor der drohenden Erblin- 
dung zu bewahren. (Selbstbericht.) 

Diskussion. 

Herr Saenger teilt mit, daß im Hamburger ärztlichen Verein ein Fall von 
Hirntumor demonstriert worden ist, bei welchem mit Hilfe des Röntgenverfahrens 
der Sitz des Tumors durch die Usur des darüber liegenden Schädelknochens fest- 
gestellt worden war. 

Was den von Herrn Oppenheim diagnostizierten und von Herrn Krause 
operierten Tumor des Falles H. betrifft, welcher unmittelbar nach der Operation 
starb, so hat S. diesen Fall vorher gesehen und in derselben Weise lokalisiert. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 1257 


8. hatte aber nur Palliativtrepanation geraten; wahrscheinlich hätte dann der Knabe 
länger gelebt, und seine in der Ferne weilende Mutter hätte ihn wiedergesehen. 
Bei der Operation von Hirntumoren müssen alle Verhältnisse und Chancen ins 
Auge gefaßt werden. Was die Tumoren der hinteren Zentralwindungen betrifft, 
so stimmt S. den Ausführungen Oppenheim’s auf Grund seiner eigenen Erfah- 
rungen durchaus bei. S. möchte auch warm für die explorative Laminektomie ein- 
treten. In einem Falle traten die Symptome eines Rückenmarkstumors unter heftigen 
Reizerscheinungen auf. Es wurde die explorative Laminektomie gemacht ohne 
Eröffnung der Dura; es fand sich bei der Operation nichts Besonderes, nach der- 
selben hörten die qualvollen Reizerscheinungen auf. Bei der nach einigen Jahren 
erfolgten Autopsie ergab sich eine Meningitis post. syphilitica. Die früher ein- 
geleitete energische antiluetische Behandlung hatte keinen Erfolg gehabt. In einem 
zweiten Falle wurde bei der explorativen Laminektomie in der Höhe des ersten 
und zweiten Lendenwirbels durch Sondierung nach unten ein Tumor der Cauda 
equina gefunden und exstirpiert. Sehr interessant war dem Vortr. die Angabe 
‚des Herrn Oppenheim über eine Meningitis serosa circumscripta, da er einen 
analogen Fall beobachtet hatte, den er bisher nicht zu deuten vermochte. 

Zum Schluß weist S. auf die gar nicht so seltenen Fälle von Hirntumoren hin, 
die ohne Stauungspapille und ohne andere Hirndruckssymptome verlaufen und 
regt an, über dieses Faktum eine Sammelforschung zu veranstalten, nachdem er noch 
darauf hingewiesen hatte, das möglicherweise anatomische Veränderungen am 
Foramen opticum die Ursache des Ausbleibens der Stauungspapille darstellen 
könnten. 


Steinthal (Stuttgart) stellt einen Pat. vor, den er am 16. Mai 1906 unter 
-der Diagnose Hirngeschwulst trepaniert hat. Derselbe hatte Anfälle Jackson- 
scher Epilepsie, im linken Arm beginnend und auf das linke Bein übergreifend, 
mit linksseitiger Hemiplegie endend. Außer ganz geringem Kopfschmerz fehlten 
zunächst Allgemeinsymptome, Stauungspapille, Erbrechen, Pulsverlangsamung; erst 
am 19. Mai sank der Puls auf 48 und begann Somnolenz bei noch fehlender 
‚Stauungspapille. Bei der Operation wurde ein großer Hautknochenlappen über der 
rechten motorischen Region umschnitten und heruntergeklappt; in die Öffnung 
legte sich die nicht pulsierende gespannte Dura, die mit Kreuzschnitt eröffnet wurde. 
Es fand sich aber keine Geschwulst, auch keine subkortikale, nach der durch 
Einschnitt in das Gehirn geforscht wurde. Sekundäre Exstirpation des Knochen- 
lappens, Tamponade der Gehirninzision, Herüberlegen der Dura, Schluß der Haut- 
wunde. Pat. ist soweit geheilt, als noch eine leichte linksseitige Facialisparalyse, 
eine linksseitige zerebrale spastische Hemiplegie des linken Armes und eine leichte 
Steigerung der Reflexe im linken Beine vorhanden sind; Sensibilitätsstörungen 
fehlen. Das Gehirn liegt deutlich pulsierend im normalen Niveau in der Knochen- 
lücke. 


11) J. Novotny. Ein seltener Fall von Mißbildung des Penis. 
(Časopis lékařů českých 1906. p. 603.) 

In der oberen Hälfte der sonst normalen Glans saß ein geschwulstähnliches 
Gebilde, das ein Viertel der Eicheloberfliche einnahm, mit ihr fest verwachsen 
und unbeweglich war. Über die Höhe des Gebildes verlief eine mediane Furche, 
‘die sich bis zu 7 mm vertiefte, mit blaßrötlicher Schleimhaut ausgekleidet und einer 
Harnröhrenmündung ähnlich war. Das makroskopische Aussehen und die Kon- 
sistenz entsprachen einer wirklichen Eichel (Glans penis duplex). Die Vorhaut. 
‘war beiden Eicheln gemeinschaftlich. Zwischen dem Orificium cutaneum urethrae 
verae und dem Frenulum befand sich eine 1/, cm betragende Vertiefung, die eben- 
falls einer Harnröhrenmündung nicht unähnlich war (Atresia urethralis hypospad.). 
Beim Beischlafe hatte der Mann nicht die geringsten Beschwerden. (Zwei Pheto- 
graphien.) 6 Mühlstein (Prag). 


1258 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 


12) Hock. Bericht über einige bemerkenswerte urologische Opera- 


tionen. 
(Prager med. Wochenschrift 1905. Nr. 47 u. 48.) 

Die Arbeit enthält u. a. einen interessanten Fall weiblicher Epispadie. Das 
Leiden bestand bei dem 9jährigen Mädchen seit der Geburt und machte wegen 
andauernden unwillkürlichen Harnabflusses den Schulbesuch unmöglich. Auf der 
Mitte des Schambeines verlief eine muldenförmige Furche vom Mons veneris gegen 
die Spitze der Schamspalte herab, trennte die vorderen Enden der Labien und 
halbierte die Klitoris. Die vordere Wand der Harnröhre fehlte bis auf ein 1/2 cm 
langes Stück; die Symphyse war normal. Es wurde zunächst die Haut in Form 
eines gleichseitigen Dreiecks angefrischt, dessen Spitze in der Mitte der mulden- 
förmigen Furche lag, und dessen beide Seiten zur Innenfläche der Klitorishälften 
verliefen. Von hier ging die Anfrischungslinie nach dem hinteren seitlichen Rande 
der Harnröhrenöffnung. Die Haut dieses Dreiecks wurde abpräpariert und in fol- 
gender Weise genäht: Behufs Bildung einer verlängerten Harnröhre wurde seitlich 
von der Harnröhrenöffnung von unten her in den Wundrand eingestochen und 
nahe demselben in der Anfrischungsfläche wieder ausgestochen. Darauf wurde 
dieselbe Nadel auf der anderen Seite der Harnröhre von der Anfrischungsfläche 
her in der Nähe des Wundrandes eingeführt, um hinter demselben wieder aus- 
gestochen zu werden. Vier derartig nacheinander gelegte Nähte bildeten ein un- 
gefähr 11/2 cm langes Stück Harnröhre zu dem bereits vorhandenen. Während 
dieser Naht lag in der Harnröhre ein Metallkatheter. In einer zweiten Sitzung 
wurden die beiden Klitorishälften miteinander vereinigt, und der Rest der mulden- 
förmigen Furche durch Anfrischung und Naht zum Verschwinden gebracht. Nach 
der Operation benäßte sich das Kind zwar noch manches Mal, konnte aber die 
Schule besuchen. Gutzeit (Neidenburg). 


13) R. Stierlin. Erfahrungen mit der Bottini’schen Operation bei 


Prostatahypertrophie. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLIX. p. 136.) 

Verf. hat nach den Vorschriften Freudenberg’s in 12 Fällen von Prostata. 
hypertrophie die Bottini’sche Operation ausgeführt mit dem Immediatresultate, 
daß neun Pat. nach der Operation spontan urinierten und keinen Katheter mehr 
brauchten, bei zwei Pat. wegen Mißerfolges einmal die Bottini’sche Operation 
erfolgreich wiederholt und einmal die Freyer’sche Enukleation nachgeschickt 
werden mußte und ein Pat. an Nephritis und Pyelitis starb. 

Die entfernteren, 1!/g Monate bis 3 Jahre nach der Operation gewonnenen 
Untersuchungsresultate sind folgende: 

Sechs Pat. haben nie mehr den Katheter gebraucht, keine Miktionsbeschwerden 
und Residualharn unter 300 ccm. — Ein Pat. hat ohne Katheter volles Wohl- 
befinden, aber ein relativ großes Harnresiduum. — Fünf Pat. hatten mitunter Mik- 
tionsbeschwerden und müssen, besonders bei Nacht, zum Katheter greifen, empfin- 
den aber immerhin subjektive Besserung. 

Von Komplikationen wurde einmal Verbiegung des Inzisors, dreimal Epidy- 
dimitis, nie aber schwerere Blutungen und septische Erscheinungen beobachtet. 

Diese Resultate halten den Vergleich mit denen der Pröstatektomie wohl aus; 
die Operation ist einfacher und weniger eingreifend, vermeidet Inkontinenz und 
erfordert keine Narkose. Eine Gegenindikation bilden Pyelitis und Pyelonephritis. 

Die Bottini’sche Operation wird daher ihren Platz neben der Prostatektomie 
besonders alter Leute wohl behaupten können, um so mehr, als ein Mißerfolg 
unter Umständen durch Wiederholung in einen Erfolg verwandelt werden kann. 

Reich (Tübingen). 
14) König II (Wildungen). Zur Behandlung der Prostatahypertrophie. 
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 23.) 


R. befürwortet erneut die Bottini’sche Operation bei vorgeschrittenen Stadien 
der Prostatahypertrophie. Unter 203 Fällen, in denen er dieselbe ausgeführt hat, 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 1259 


hatte er nur einen Mißerfolg und einen Todesfall. Die Resultate waren: 1) Bei 
51 Fällen chronischer absoluter Harnverhaltung: 47mal Heilung, Imal Besserung, 
Imal kein Erfolg, Iimal Mißerfolg, 1 Todesfall. 2) Bei 132 Fällen chronischer re- 
lativer Harnverhaltung (akute und intermittierende Harnverhaltung, Tenesmus, 
schwieriger Katheterismus): 83mal Heilung (dauernde Befreiung vom Katheter und 
allen lästigen Symptomen), 46mal Besserung, 3mal kein Erfolg. 3) Bei 20 Fällen 
geringgradiger Prostatahypertrophie: keine Heilung, 9mal Besserung, 1lmal kein 
Erfolg. — Rezidive hat K. niemals erlebt. Er operiert am aufrecht stehenden 
Pat., füllt die gereinigte Blase mit Luft, führt den Apparat ein, hakt ihn an, läßt, 
unter Fixation des Diszisors vom After her, die Luft wieder ab, diszidiert bis der 
darauf aufmerksam gemachte Pat. Urinbedürfnis angibt, schiebt das Platinmesser 
dann bei 50 Ampere in den weiblichen Schnabel zurück, spritzt wieder Luft ein, 
diszidiert usw., spült dann die Blase aus, instilliert 10 ccm einer 1%igen Argent. 
nitr.-Lösung und läßt den Pat. ruhen; bei starker Kongestion wird ein Verweil- 
katheter eingelegt. Üble Zufälle hat K. nie beobachtet; Narkose oder Anästhesie 
wendet er nicht an; er benutzt stets den Original-Bottinibrenner. 
Kramer (Glogau). 


15) De Keersmaecker. Deux cas de calcul de l’ur&thre prostatique. 
(Ann. et bull. de la soc. de méd. d’Anvers 1906. Mai.) 

Fall I. Ein 69 Jahre alter Mann litt seit 15—20 Jahren zeitweise an Urin- 
beschwerden; er war schon viel katheterisiert worden und bekam eine Phlegmone 
der Genitalgegend, so daß K. zur abdominalen Eröffnung der Blase schritt. In 
die Blase ragte eine Geschwulst hinein, auf der sich die innere Harnröhrenöffnung 
befand. K. ging dort mit dem Finger ein und kam in einen Haufen teils zer- 
fallener Steine, deren er eine Menge im Gesamtgewichte von 19 g herausholte. 
Kin Steinfragment hatte sich in die Harnröhrenwand eingekeilt und die Phlegmone 
gemacht. Heilung. 

Fall II. Bei einem Manne von 27 Jahren, dem man schon Jahre vorher den 
inneren Harnröhrenschnitt gemacht hatte, ohne wesentlich gebessert zu werden, 
diagnostizierte man 1905 mittels des Metallkatheters Steine, konnte jedoch keinen 
Steinsucher bis in die Blase vorschieben. Somit schritt man zur abdominalen Er- 
öffnung der Blase und entfernte Steinfragmente. Da der Urin nicht seinen Weg 
durch die Harnröhre nahm, ging K. in deren innere Öffnung ein und entfernte 
drei Steine, wonach Besserung und, nach einem leichten Anfall von Urämie, Hei- 
lung eintrat. E. Fischer (Straßburg i. E.). 


16) Gutbrod. Die Cystoskopie beim Weibe. 
(Med. Korrespondenzbl. d. württemb. ärztl. Landesvereins 1906. September 1.) 

G. zeigt, daß bei der Cystoskopie des Weibes außer exakten Diagnosen auch 
therapeutische Erfolge sich erzielen lassen, und führt drei prägnante Fälle an: 
1) Parametritisches Exsudat nach infiziertem Abort, einige Tage später schmerz- 
hafte Geschwulst der rechten Nierengegend. Durch Harnleiterkatheterismus wurde 
die Hydronephrose der Niere beseitigt, die durch Verschluß des Harnleiters in- 
folge Druckes des Exsudates hervorgerufen war. 2) Entleerung einer Hydro- 
nephrose bei Wanderniere (entstanden durch Knickung des Harnleiters), Katheteris- 
mus. 3) Ausspülung des Nierenbeckens bei einer Pyelonephritis. 

Mohr (Bielefeld). 


17) A. Lüning. Beitrag zur Nieren- und Ureterchirurgie. 
(Beiträge zur klin Chirurgie Bd. XLIX. p. 95.) 
Die Krankengeschichte des in der Literatur wohl einzigartigen Falles ist fol- 
ende: 

- Bei einer zuvor gesunden Frau entstanden durch eine gewaltsame Zangen- 
extraktion bei Stirnlage ein Dammriß III. Grades, mehrere Blasen-Scheidenfisteln 
und eine hohe Durchreißung des rechten Harnleiters, woran sich eine puerperale 
Sepsis, parametrane Urininfiltration und Gangrän der äußeren Geschlechtsteile an- 


1260 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 


schloß. Nachdem eine Dammnaht erfolglos versucht und die vaginale Harnleiter- 
fistel bereits geschlossen war, kam Pat. mit einer großen Blasenfistel ins Kranken- 
haus. Diese operativ zu schließen mißlang zunächst. Nachdem sich eine rechts- 
seitige Pyelonephritis mit urämischen Symptomen eingestellt hatte, wurde durch 
Nephrotomie der Eiter und ein Steinausguß im Nierenbecken entfernt. Nach An- 
legung einer Nephrostomie erwies die Bougierung das Bestehen eines Harnleiter- 
verschlusses infolge Narbe nach Ruptur. Eine linksseitig auftretende Pyelonephritis 
ohne Konkremente machte auch dort die Nephrostomie notwendig. Da die rechte 
Niere mit undurchgängigem Harnleiter die bessere Funktion aufwies als die linke, 
konnte an Nephrektomie nicht gedacht werden. Vielmehr wurde die Uretero- 
Vesico-Neostomie vorgenommen von einem medianen Laparotomieschnitt aus. 

Von den Einzelheiten der Technik sei nur erwähnt, daß das renale isolierte 
Harnleiterende von der Blase aus mit einer Zange gefaßt und unter ziemlicher 
Spannung in diese hineingezogen wurde. Es folgte Fixation des Harnleiterendes 
durch Schlingennaht an der stark geschrumpften und fixierten Blasenwand und 
Bildung einer trichterförmigen Scheide aus der Blasenwand um den Harnleiter. 
Die Neostomie funktioniert gut. 

In der Folge wird die Blasen-Scheidenfistel plastisch geschlossen und der kom- 
plette Dammriß erfolgreich genäht. Nach wiederholtem Aufbruch schlossen sich 
die Nierenfisteln definitiv. Pat. konnte nach 14monatiger Krankenhausbehandlung 
mit Kontinenz von Blase und Mastdarm und allerdings noch nicht ganz ausgeheilter 
Pyelitis entlassen werden und erholte sich rasch zu voller Arbeitsfähigkeit. 

Reich (Tübingen). 


18) H. Brun. Beitrag zur Chirurgie der subkutanen Nierenzerrei- 
Bungen. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLIX. p. 266.) 

Ein junger Mann fiel auf dem Gange zum Pissoir 1 m hoch eine Treppe her- 
unter, wobei er mit der Lendengegend gegen ein vorstehendes Balkenende schlug, 
aber auf die Füße zu stehen kam. Bei auffallend geringer Verletzungsempfindung 
entleerte Pat. sofort blutigen Urin und konnte kurze Zeit weiterarbeiten, um dann 
zu Hause nach 7 Stunden zu kollabieren. Die Untersuchung stellte ein großes, 
von der Nierengegend bis zur Blase reichendes Hämatom fest und rechtfertigte 
den Verdacht auf eine gleichzeitig bestehende Blasenverletzung. Bemerkenswert 
war, daß die Nierengegend selbst nicht druckempfindlich und ohne Suggillation 
und Schwellung war. 

Infolge des bedrohlichen Zustandes wurde 12 Stunden nach der Verletzung 
unter dem Verdacht eines Blasenrisses laparotomiert, wobei sich außer einem großen 
retroperitonealen Hämatom nur wenig freies Blut in der Bauchhöhle ohne sicht- 
baren Serosariß, aber keine Blasenverletzung fand. Nach Schluß der Bauchhöhle 
wurde von einem ausgiebigen Flankenschnitt aus das Hämatom ausgeräumt und 
der quere, halbierende Nierenriß nach Ligatur einiger Gefäße durch Catgutnähte 
vollkommen vereinigt. Mikulicztamponade. Am 3. Tage setzte eine kräftige Urin- 
sekretion ein; nach 6 Wochen stieß sich ein Nierensequester aus, und 2 Monate 
nach der Verletzung war die kurze Zeit vorhandene Nierenfistel geschlossen und 
der Urin zur Norm zurückgekehrt. 

Durch Einknickung der 12. Rippe entstehen Querrisse der Nieren von typischer 
Form, die stets dem Faserverlauf der Nierensubstanz folgen. 

Ist ein Nierenteil nicht offensichtlich von jeder Zirkulation ausgeschaltet, so 
rät Verf., die spritzenden Gefäße zu unterbinden, den Riß der Niere und auch des 
Nierenbeckens zu nähen und ruhig eine Nekrose zu riskieren. Dem peritonealen 
Vorgehen ist der lumbale, retroperitoneale Weg entschieden vorzuziehen. 

l Reich (Tübingen). 
19) Richelot. Cancer du rein. 
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXII. p. 255.) 

R. fand bei einer 68jährigen Frau eine doppeltfaustgroße, sehr schmerzhafte 
Geschwulst der Lendengegend, die gut abgrenzhar, von glatter Oberfläche und gut 


4 
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 1261 


beweglich war. Trotz des sehr guten Allgemeinzustandes der Pat. stellte R. wegen 
mehrfach beobachteter Hämaturie die Diagnose auf eine bösartige Geschwulst der 
Niere und nahm ihre Exstirpation vor, die technisch keinerlei Schwierigkeiten bot. 
Anschließend wird eine genaue anatomische und histologische Beschreibung 
der Geschwulst gegeben, die ein Epitheliom des Nierenbeckens darstellte und sich 
in das Becken hinein bis zum Harnleiter hin entwickelt, allerdings auch das Nieren- 
gewebe in großer Ausdehnung verdrängt und zum Schwiinde gebracht hatte; auf 
Grund genauer histologischer Untersuchung wird der Beweis geführt, daß die Ent- 
stehung der vorliegenden Geschwulst nicht auf einen versprengten Nebennieren- 
keim zurückzuführen ist. Thümer (Chemnitz). 


20) Henschen. Über Struma suprarenalis cystica haemorrhagica. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLIX. p. 217.) 


Bei einer 4ljährigen Frau wurde zufällig eine über mannskopfgroße, prall 
fluktuierende Geschwulst im linken Hypogastrium gefunden. Dieselbe hatte sich 
langsam im Verlaufe von ca. 20 Jahren entwickelt, verursachte leichtes Magen- 
drücken, wiederholte schmerzhafte Krisen und, seitdem sie zu einer hochgradigen 
Lungenkompression und Herzverdrängung geführt hatte, leichte Atem- und Her» 
beschwerden. Die Diagnose wurde daher auf eine cystische, subdiaphragmatisch 
sich entwickelnde Geschwulst unsicherer Organherkunft gestellt. 

Die Operation zeigte, daß die Cyste mit schokoladeartiger Flüssigkeit hinter 
dem Magen retroperitoneal gelegen war und, das Pankreas nach vorn und unten ver- 
drängend, der linken Nebenniere angehörte. Die Auslösung war infolge Blutung 
aus der V. mesaraica inf. und breiter Verwachsungen mit dem Zwerchfell sehr 
schwierig, gelang aber vollkommen. Fixation des hinteren Peritonealblattes in der 
Bauchwunde, Mikulicztampon, Bauchdeckennaht. 5 Tage später Tod unter zuneh- 
mender Atemnot und Herzlähmung. Die Sektion erwies außerdem hochgradige 
Herz- und Gefäßerkrankung und einen linksseitigen Pneumothorax. Die ausführ- 
lich beschriebene histologische Untersuchung des Präparates bestätigte die Diagnose 
einer suprarenalen Blutcyste. 

Hieran schließt Verf. eine gut orientierende, kritische Besprechung der sehr 
spärlichen publizierten Fälle von cystischen oder cystoiden Nebennierengeschwülsten, 
welche sich in folgendes Schema einreihen lassen: 


1) Fremdkörpercysten. 

2) Echte Cysten, endotheliale und epitheliale. 

3) Falsche Cysten: tuberkulöse Pseudocysten, Erweichungscysten und Blut- 
cysten, von welch letzteren im ganzen nur sieben bekannt sind. 

Für die schwierige Diagnose der Nebennierencysten fällt die Bronzefärbung 

der Haut weg, weil sie fast regelmäßig fehlt, sei es infolge kompensatorischer 
Hypertrophie der anderen Nebenniere, sei es, weil die außerhalb der Nebenniere 
gelegenen Teile des chromaffinen Zellsystems nicht alteriert sind. Die meist in 
die Tiefe des Hypogastriums verlegten Schmerzkrisen sind nicht pathognomonisch. 
Wichtigere Anhaltspunkte ergeben sich aus dem Sitze der Cysten, insofern die 
Nebennierencysten infolge ihrer festen Insertion an der hinteren Bauchwand 
souverän alle in Betracht kommenden Organe verdrängen, sich nahezu typisch 
nach dem Zwerchfell zu entwickeln und stets unbeweglich sind im Gegensatz zu 
den meisten Pankresscysten. Ihre Insertion ist gegenüber den Nieren- und Milz- 
cysten mehr medial gelegen. Nierengeschwülste lassen sich meist durch Urinunter- 
suchung und Harnleiterkatheterismus ausschließen. Die Vorliebe des weiblichen 
Geschlechtes erklärt sich vielleicht aus den periodischen Hyperämien der Genital- 
organe. 
Bei der Seltenheit der cystischen Nebennierengeschwülste sind bisher nur wenig 
operierte Fälle bekannt. Solitäre Nebennierentuberkulosen wurden bisher viermal 
mit Erfolg operiert und große hämorrhagische Kystome oder Kystoide nur vier- 
mal in Angriff genommen, dreimal mit tödlichem Ausgange. 

In operativ-technischer Hinsicht wird sich der Lendenschnitt nur für sicher 


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diagnostizierte Fälle eignen, im übrigen irgendeine Modifikation des Laparotomie- 
schnittes anzuwenden sein. 

Die bloße Punktion der Cysten hat nur noch historische Bedeutung. Ob die 
weniger eingreifende Einnihung der Cysten oder die radikale Exstirpation anzu- 
wenden ist, muß erst eine größere Statistik entscheiden. 

Es ist kaum zu zweifeln, daß die Nebennierenchirurgie eine Raritätenchirurgie 
bleibt und einen gewissen Heroismus von Pat. und Arzt erfordert. Doch glaubt 
Verf., daß mit fortschreitender Diagnostik die Aussichten sich bessern und bei der 
sonst üblen Prognose des Leidens ein Eingriff in geeigneten Fällen sich würde 
rechtfertigen lassen. Reich (Tübingen). 


21) Schénholzer. Uber Kryptorchismus. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLIX. p. 321.) 

In der Krönlein’schen Klinik wurde im Verlaufe von 20 Jahren 17mal rechts- 
seitig, 20mal linksseitig, d4mal doppelseitig Kryptorchismus beobachtet. 

Während einerseits bei manchen Fällen die doppelseitige Retention sich noch 
spät in eine einseitige verwandelte, wurde auch ein Fall von traumatischem Krypt- 
orchismus gesehen, insofern ein herabgestiegener Hode bei offenem Proc. vagi- 
nalis durch Fall auf die Symphysengegend dauernd in die Bauchhöhle verlagert 
wurde. Von den 42 Pat. wiesen 39 zugleich angeborene Leistenbrüche auf, von 
denen 5 im Zustande der Einklemmung zur Beobachtung kamen, einer eine Hydro- 
cele bilocularis. Unter den 39 Hernien sind 4 inguino-properitoneale, je 1 inguino- 
interparietale und inguino-interstitiale besonders beachtenswert als Komplikationen 
des Krytorchismus. 38/, der retinierten Hoden zeigten eine beträchtliche, weiche 
Atrophie; dabei war auffallend, daß die 3 Bauchhoden sich nahezu normal ent- 
wickelt hatten. 

Der Nebenhoden war durchweg unverhältnismäßig groß, vom Haupthoden ab- 
— und durch ein ausgesprochenes Mesorchium locker mit ihm verbunden. 

fters wurde eine schwache Entwicklung des Ductus deferens und der Blutgefäße 
festgestellt und eine hochgradige, bandförmige Auffaserung und abnorm breite In- 
sertion des Samenstranges verzeichnet. 

Samenstrangtorsionen, deren Zustandekommen durch das Bestehen eines 
Mesorchiums, den freien Raum im offenen Scheidenfortsatze, die breite Insertion 
des Samenstranges und die häufig vorhandene Inversion des Hodens ermöglicht 
wird, wurden in zwei Fällen beobachtet. Bei dem einen konnte der Hoden nach 
Verlagerung in die Bauchhöhle erhalten werden, während sich bei dem zweiten, 
bereits abgelaufenen Fall als Folgen der früheren Torsion eine Periorchitis haemor- 
rhagica und ein sich später sequestrierender Infarkt des Hodens vorfand. 

Verf. ist der Ansicht, daß viele der als Inkarzeration ektopischer Hoden be- 
schriebenen Fälle auf nicht erkannter Torsion beruhen. Nur frühzeitigste Opera- 
tion kann bei Samenstrangtorsion den Hoden sicher vor Nekrose, weniger sicher vor 
Atrophie bewahren. 

In der Frage der Therapie des Kryptorchismus steht Verf. der Orchidopexie 
sehr skeptisch gegenüber, da sie selbst günstigen Falles doch die Atrophie und 
funktionelle Minderwertigkeit der Drüse nicht hindert, sehr häufig aber zu Total- 
nekrose des Organes und anderen schweren Komplikationen führt. Die dauernden 
Neuerungen scheinen die schlechten Resultate der bisherigen Methode hinreichend 
zu beweisen. Drei Orchidopexien der Züricher Klinik schlugen alle fehl: 2mal 
mußte nachträglich wegen schwerer Neuralgie kastriert werden, der dritte Fall 
rezidivierte. 

Läßt sich der Samenstrang nicht leicht mobilisieren und der Hoden sich in 
den Hodensack bringen, so verzichtet Krönlein prinzipiell auf die Orchidopexie, 
verlagert den Hoden in das properitoneale Bindegewebe und verschließt den Leisten- 
kanal. Damit werden die Nachteile der Kastration und auch eine Schädigung im 
Sinne der Atrophie vermieden. Von 17 derart operierten Fällen ließ sich bei 13 
durch Nachuntersuchung feststellen, daß sämtliche Pat. auch bei schwerster Arbeit 
vollkommen frei von Beschwerden und ohne Ausfallserscheinungen waren. 

Reich (Tübingen). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 1263 


22) U. Basso. Contributo alla istologia del testicolo nei casi di discesa 


incompleta del medesimo. 
(Gazz. degli ospedali e delle clin. 1906. Nr. 102.) 

Verf. untersuchte sechs im Leistenkanale zuriickgebliebene Hoden bei erwach- 
senen, gesunden Menschen. In sämtlichen Fällen bestanden gleichzeitig Hernien. 
Die Hoden waren stets verkleinert, und wegen der Kürze des Samenstranges war 
es nicht möglich, die Orchidopexie auszuführen. In den Samenkanälchen fanden 
sich nur einmal Spermatozoen. Die samenbildenden Epithelien fehlten in vier 
unter den sechs Fällen; dort persistierten die Sertoli’schen Zellen. In den zwei 
übrigen Fällen verhielten sich die Samenkanälchen völlig normal. Im Bindegewebe 


fanden sich keine wesentlichen Veränderungen. Dreyer (Köln). 
23) R. Oeri (Basel. Über Epithelmetaplasie am Uterus, besonders 
an Polypen. 


(Zeitschrift für Geburtshilfe u. Gynäkologie Bd. LVIL Hft. 3.) 

Die vorzüglich illustrierte Arbeit O.’s gibt einen sehr instruktiven Einblick in 
die Schwierigkeit der Karzinomdiagnose bei der Untersuchung ausgeschabten 
Schleimhautmateriales und uteriner Polypen. Die Entscheidung, ob metaplasie- 
ähnliche, durch Kompression verursachte Verschiebungen und Formveränderungen 
der Epithelien (einfache Druckwirkung) oder echte Metaplasie, d. i. Umdifferen- 
zierung der Zellart, oder Alloplasie, d. i. Entdifferenzierung der Zellen zu ein- 
facheren Gebilden, vorliegt, ist oft schwer genug. In der Körperschleimhaut des 
Uterus und in den Polypen des Organes findet sich sowohl an der Oberfläche wie 
in den tiefen Drüsengebilden häufig echte Metaplasie (aber doch nur in patho- 
logischen Fällen. Auch bei evidenten Karzinomen gibt es einfache Plattenepithel- 
karzinome und Adenokarzinome mit Metaplasie, wobei Plattenepithelformationen 
mit und ohne Verhornung sich finden. Die vom Müller'schen Faden gebildeten 
Epithelien sind eben leicht geneigt, variable Epithelformen zu bilden, sich gewisser- 
maßen zum ebryonalen Oharakter zu entdifferenzieren. 

Als Beleg wird ein Fall illustriert, in dem ein Rezidivknoten nach Carcinoma 
uteri drüsige Formationen in inniger Vermengung mit Plattenepithelinseln geliefert 
hatte. — Sodann folgt die genaue Beschreibung eines Cervixpolypen, der an meh- 
reren getrennten Stellen zweifellos verdächtige Metaplasievorgänge an dem Ober- 
flächenepithel und an den Drüsen aufweist. Interessant ist vor allem die Meta- 
plasie der subepithelialen Schicht. Tuberkulose ist als ätiologischer Faktor auszu- 
schließen. O. und sein Chef Kaufmann glauben an die Gutartigkeit des 
beobachteten Prozesses, weil 1) atypisches Wachstum, 2) Einbruch in Gefäße und 
Drüsen, 3) atypische Mitosen, 4) endlich kleinzellige Randinfiltration fehlen. — 
Verf. bespricht sodann die in der Literatur niedergelegten ähnlichen Fälle, dar- 
unter zwei vom Ref. beschriebene. Nach Ansicht des Ref. wird der Kliniker doch 
in zweifelhaften Fällen den Uterus exstirpieren müssen, nachdem Hofmeier be- 
richtet hat, daß ein Fall mit Plattenepithelbefund an der Korpusschleimhautoberfläche 
ohne Zeichen von Bösartigkeit nach Jahresfrist mit inoperablem Karzinom wieder- 
kehrte. Jedenfalls sind alle solche Befunde doch pathologisch! 

Kroemer (Gießen). 


24) V. Doca (Berlin). Ein Fall von diffusem Myom mit beginnendem 


Karzinom in der byperplastischen Uterusschleimhaut. 
(Zeitschrift für Geburtshilfe u. Gynäkologie Bd. LVOLL Hft. 1.) 

D. berichtet in vorliegendem Aufsatz über einen Fall von diffuser Myom- 
bildung in einem Uterus, welcher unter der Diagnose »Myom« bei einer 45jahrigen 
Multipara supravaginal amputiert worden war. Statt der erwarteten Myome fand 
sich eine konzentrische Hypertrophie der ganzen Wand, die auf dem Durchschnitt 
ein eigentümlich marmoriertes Aussehen zeigte. Das Mikroskop bewies, daß es 
sich um eine diffuse Myombildung des Myometriums handelte. Die Myombestand- 
teile, die keinerlei Beziehung zu den Gefäßen aufwiesen, müssen aus den Muskel- 


1264 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 


elementen der Uteruswand entstanden sein. Das Endometrium war stark gewuchert,. 
an einigen Stellen bis zu 2cm dick und befand sich im Zustande der diffusen ex- 
sudativen Endometritis. Nur an einer Stelle im Innern einer polypös gewucherten 
Partie fand sich ein als Adenokarzinomderivat gedeuteter, mikroskopisch kleiner 
Herd. — Die Zellwucherungen bildeten unter Durchbrechung der Propria solide 
Karzinomsäulen und -Nester. — Der Fall beweist wiederum die Notwendigkeit, 
schon während der Operation jeden Myomuterus auf die Möglichkeit einer Kar- 
zinom- bzw. Sarkomkombination untersuchen zu lassen. Kroemer (Gießen). 


25) Brunet. Ergebnisse der abdominalen Radikaloperation des Gebär- 
mutterkrebses. 
(Archiv für Gynäkologie Bd. LXX VII. Hit. 3.) 


B. stellt die Resultate der pathologisch-anatomischen Untersuchungen zusammen, 
die an dem durch abdominale Radikaloperation von Wertheim, Krönig, v. Rost- 
horn, Mackenrodt gewonnenen Krebsmaterial der Gebärmutter angestellt wor- 
den sind. — Von den insgesamt 253 (nicht 251!) Fällen von vier Autoren sind 
180 genau auf Drüsenbeteiligung untersucht und 174 auf sekundäres Befallensein 
der Parametrien. Dabei ergaben sich 61mal isolierte Metastasen im Parametrium. 
174: 61 = 35%. Von 180 Fällen mit Drüsenausräumung erwiesen sich 8imal die- 
Driisen karzinomatés = 180 : 81 = 45%. Verf. zeigt, wie mit dem Fortschreiten 
des Primärherdes auch die Prozentzahl der sekundären Metastasen wächst; ebenso 
das Übergreifen des Karzinoms auf die Blase, den Mastdarm, den Harnleiter (selten! 
nur Imal!) und die Scheide. — Die altbekannte retrograde KarzinomstraBe im sub- 
vaginalen Gewebe hat er neu entdeckt. — Die Durchschnittsmortalität aller Fälle 
beträgt 19%. Die Mortalität Mackenrodt's betrug im Jahre 101 12:3 = 25%, 
im Jahre 1902 23:4 = 17,4%; die Rezidivfreiheit der Überlebenden nach 3 Jahren 
50%. — B. glaubt, daß die Ausräumung karzinomatöser Drüsen Erfolg verspreche. 

Kroemer (Gießen). 


26) Tuffer. Kyste de l’ovaire contenant 94 litres de liquide. 
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXII. p. 324.) 


Kasuistische Mitteilung eines monströsen Eierstockskystoms bei einer 70jährigen 
Frau, das mehrere Tage nach vorsichtiger Punktion und Entleerung der Flüssig- 
keit, als der Allgemeinzustand sich etwas gebessert hatte, trotz ausgedehnter und. 
fester Verwachsungen radikal entfernt werden konnte. Thümer (Chemnitz). 


27) A. Falkner (Wien). Seltenere Formen der Ovarialdermoide. 
(Zeitschrift für Geburtshilfe u. Gynäkologie Bd. LVII. Hit. 2.) 


F. berichtet über zwei seltene Formen der Eierstocksdermoide. 

Die eine Geschwulst bestand aus einer doppeltmannskopfgroßen Cyste, derer 
Innenwand zum größten Teile mit einer diffusen, ganglienzellenhaltigen Schicht 
ausgekleidet war. Die Ektodermanlage saß auf einer 1 cm breiten, zirkulär ver- 
laufenden Leiste in Gestalt einer großen Anzahl (über 30) knotiger Bildungen, 
deren Umfang zwischen Stecknadelkopf- und Walnußgröße wechselte. Einige 
wiesen Haarbesatz auf, nur wenige besaßen kompliziertere Strukturverhältnisse. 

Der zweite Fall betrifft einen an den bekannten Emanuel’schen Befund 
erinnernden zentralen Dermoidherd; in einem kleincystisch degenerierten Eier- 
stocke fand sich eine etwas über erbsengroße, mit Haaren und Brei gefüllte Der- 
moidceyste. Die Serienuntersuchung konnte außer den Ektodermderivaten nichts 
von Mesoderm- oder Entodermbestandteilen nachweisen. Es handelt sich somit 
um ein einblätteriges Dermoid. Kroemer (Gießen). 


EA S E 

Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man 
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- 
handlung Breitkopf & Härtel, einsenden. 









Druck und Verlag von Breitkopf & Hartel in Leipsig Nürnbergerstraße 36/38. 


Zentralblatt 
CHIRURGIE 


RE leben 


E. von Bergmann, i Kinig, F. ‚Richter, 


in Berlin, 





Dreiunddreißigster Jahrgang. 


ee eee ee ee ce a aa ae a E 
Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei balbjähriger 
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten. 

TR ee TEE SEE BEE ZI I EEE ERS BEE Eu ES EEE 


Nr. 48. Sonnabend, den 1. Dezember. 1906. 





Inhalt: 8. Kofmann, Zor Technik der Sebnenplastik beim schlaff paralytischen Spitz- 
fuß. (Original-Mitteilung.) 

1) Da Costa, Larrey. — 2) Kikuzl, Traumatische Aneurysmen bei Schußverletzungen. 
— 3) Hedinger, Aneurysma spurium. — 4) Latkowski, Blutinfusionen. — 5) Dorrance, Ar- 
teriennaht. — 6) Morton, Zur Entdeckung der Anästhesie in der Chirurgie. — 7) Hammes, 
Lehrbuch der Narkose. — 8) Martinez, Chloroformierung Herzkranker. — 9) Müller, Rücken- 
marksanästhesie. — 10) Hofla und Rauenbusch, Röntgenatlas. — 11) Arnsperger, Ikterus. — 
12) Elsberg, Leberabsze8. — 13) Mongeur, Gallenstein. — 14) Rogers, Zur Chirurgie der 
Gallenblase und -Wege. — 15) Payr und Martina, 16) Pölya, Fettgewebsnekrose. 

E. Schuitze, Eine neue Beckenstütze. (Original-Mitteilung.) 

17) Naturforscherversammlung: a. v. Hovorka, Ausfüllung hohler Räume. — b. Gluck, 
Obirurgie der Halsorgane. — c. Pochhammer, Enteroanastomose und Darmresektion. — 
d. Haasler, Cholecystektomie und Hepatopexie. — e. Lichtenstern, Funktionsstörungen der 
nach Nephrektomie restierenden Niere. — f. Samter, Serratuslihmung. — g. Hirsch, Frak- 
turen von Handwurzelknochen. — b. Bade, Angeborene Hüftverrenkung. — i. Lorenz, Malum 
coxae senile. — k. Guradze, Genu valgum. — ]. v. Aberie, Klumpfuß. 

18) Lynch, Kriegabericht. — 19) Libman, Bakterien in infiziertem Blut. — 20) Lancereaux, 
Aneurysmen. — 21) Teufel, Nierenerkrankung nach Injektion von Jodoformemulsion. — 
22) Teufei, Nephritis nach Chloroformnarkosen. — 23) Cobb, Netzsarkom. — 24) Kirch- 
mayr, Milzabszeß. 

Ladenburger, Berichtigung. 





(Aus der Poliklinik für orthopädische Chirurgie in Odessa.) 


Zur Technik der Sehnenplastik beim schlaff paralytischen 
Spitzfuls, 
Von 
Dr. S. Kofmann. 


Der Ausspruch, daB heutzutage jede Paralyse heilbar ist, recht- 
fertigt sich, wenigstens in bezug auf die statische Funktion, am FuB 


48 


1266 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 


im fast vollen Sinne. Der Weg, den wir dazu einzuschlagen gewöhnt 
sind, ist ziemlich geebnet; wenn wir von der im allgemeinen sehr 
unliebsamen und dem wirklich orthopädisch denkenden Arzte wenig 
zusprechenden Fußgelenkarthrodese absehen, so ist es nur die Sehnen- 
plastik, die uns aus der Not zu helfen imstande ist. Lange und 
Vulpius haben uns, wenn auch verschiedene, so doch gleich gut zum 
Ziele führende Operationsweisen angegeben. Hat man aber genug 
Erfahrung, und ist man im glücklichen Stande, auch nach einem 
Zeitverlaufe die Früchte der Arbeit wieder zu sehen, so überkommt 
einen manchmal doch ein gewisses Unzufriedenheitsgefühl: die Resul- 
tate sind in einzelnen Fällen später nicht so gut, wie bald nach der 
Operation. Also gerade umgekehrt, wie es sein soll. Hauptsächlich 
ist das der Fall bei den nicht kontrakten Spitzfüßen. — Untersucht 
man diese auf aktive Mobilität, so ergibt sich oft eine vollständige 
Abwesenheit derselben in allen Richtungen; hebt man mit der Hand 
den Fuß ein wenig oder noch besser bis zum rechten Winkel, so sieht 
man oft die Zehenbeugung gut und die Streckung, wenn auch im 
kleinen Maße, vonstatten gehen. Man schließt daraus, es mit einer 
Totalparese des Fußes zu tun zu haben: die Extensoren sind schwach 
resp. nicht stark genug, um die Schwere des Fußes überwinden zu 
können, ihre Kraft reicht bloß für die Streckung der Zehen bei ge- 
schehener Hebung des Fußes aus, die Flexoren sind durch die Fuß- 
stellung sekundär erschlafft und erst durch die Stellungskorrektion 
in Stand gesetzt worden, ihre Kraft zu entfalten. 

Aus dem Krankheitswesen erhellt auch die Behandlung: es heißt 
nach Hoffa, den paretischen Extensoren ihren Tonus wieder zu geben, 
d. h. sie zu verkürzen und auf diese Weise dem Fuße seine ihm phy- 
siologisch zukommende Mittelstellung zu verleihen. Auf dem Ope- 
rationstische läßt der Ausgang dieser Operation wenig zu wünschen 
übrig. Nach der Verbandabnahme aber und noch mehr nach einigen 
Monaten hat man bei den Pat., wenn auch nicht den früher schlot- 
ternden, so doch den etwas schleppenden Gang. Bloß durch die 
Sehnenverkürzung kann man also nicht alles erreichen, man muß zu 
anderen Mitteln greifen. Man verfährt da nach Vulpius. Mit der 
Dreiteilung der Achillessehne schafft man sich Rat. — Nun möchte 
ich einiges über die Technik dieser Operation zufügen. Die Achilles- 
sehne wird möglichst peripherwärts präpariert und der Länge nach in 
drei Teile gespalten; die zwei seitlichen werden von der Insertionsstelle 
am Tuber calcanei abgetrennt, das Mittelstück wird in situ gelassen. 
Die gelösten Teile werden in den vorher verkürzten Tib. antic. resp. 
Ext. digit. comm. eingepflanzt. Die Implantation in den Tib. antic. 
führe ich meistens nach Codivilla aus, d. h. mittels Schlingenbildung; 
für den Ext. digit. comm. ist diese sowie die anderen gebräuchlichen 
Operationsarten nicht gut anwendbar, und ich möchte dafür meinen 
Modus operandi in Vorschlag bringen und auseinandersetzen. 

Bekanntlich ist der M. ext. digit. comm. gemäß seinem anatomi- 
schen Bau ein Strecker der vier letzten Zehen, durch seine Fixation 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1267 


aber mittels des Kreuzbandes am Fußrücken wird er zum Heber des 
Fußes. Nun muß man zugeben, daß dieser letzte Umstand, i. e. die 
Wichtigkeit des Fixiertbleibens am Fußrücken, oft nicht genügend 
berücksichtigt worden ist und der Bequemlichkeit der Operations- 
ausführung zu Liebe preisgegeben wurde. Diesem Rechnung tragend 
verfahre ich folgendermaßen: ich verkürze nach Schanz den Ext. 
digit. comm. oberhalb des Fußgelenkes (Fig. 1), eröffne die Fascie dors. 
pedis knapp unterhalb des Kreuzbandes, um alle Streckersehnen noch 


Fig. 1. Fig. 2. 





nicht stark divergierend zu Gesicht zu bekommen, fasse sie in ein 
Bündel zusammen, lüfte dasselbe und umgreife es mit dem am Ende 
gabelig gespaltenen äußeren Achillessehnendrittel. Die beiden Gabel- 
zipfel werden durch einige Knopfnähte vereinigt und bilden einen Ring 
um die Sehne (Fig. 2). Um der neuen Sehne einen geradlinigen Verlauf 
zu sichern, hefte ich sie mittels ein oder zwei Nähten an den Ext. 
digit. comm. oberhalb des Kreuzbandes. Auf diese Weise gelingt es, 
alle Teile des Ext. digit. comm. gleichmäßig zu spannen; bei den 
anderen Methoden der Sehnenimplantation geschieht es oft, daB eine 
Zehe mehr, die andere weniger in Konnex zu der kraftspendenden 
Sehne kommt; auBerdem ist die Technik bei der Zartheit der einzelnen 
Sehnenteile sehr schwierig. 

Zum Schluß füge ich eine Verlängerung des stehengebliebenen 
Mittelstückes der Achillessehne nach der subkutanen Methode von 
Bayer, wodurch sich die Sehne nur im nötigen Maße verlängert; sie 
springt dann auch nicht als gespannte Saite vor und geht ihrer 
Aufgabe als Fersenhöckerabzieher nicht verlustig. 


48% 


1268 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 


Mittels dieser Kraftverteilung der Achillessehne gelingt es, eine 
vollkommen befriedigende Korrektion des Spitzfußes zu erlangen. 

Ich möchte mein Implantationsverfahren auch für andere Muskeln 
empfehlen, falls die Länge des Kraftgebers nicht ausreicht, um auf 
andere Weise, wie z. B. nach Codivilla, implantiert zu werden. Es 
geht bei diesem Verfahren kein Millimeter des kostbaren Muskel- 
gewebes verloren. 


Oktober 1906. 





1) Da Costa. Baron Larrey: a sketch. 
(Bull. of the Johns Hopkins hospital 1906. Juli.) 

Ausführliche Schilderung des Lebens und Wirkens des großen 
Kriegschirurgen. Die Abhandlung basiert in der Hauptsache auf den 
Memoiren Larrey’s selbst, aber auch auf anderen näher bezeichneten 
Quellen. Am Schluß sind die Verdienste Larrey’s um die Chirurgie 
in 24 Sätzen zusammengefaßt. Ein Porträt Larrey’s, sowie die Ab- 
bildungen mehrerer Krankentransportgefährte, wie er sie angegeben 
hatte, und einer Kamelkrankentrage zum Transport Verwundeter sind 
eingefügt. 

Der sehr lebendig und fesselnd geschriebene Aufsatz dürfte für 
die Geschichte der Chirurgie nicht ohne Wert sein. 

W. v. Brunn (Rostock). 





2) 2. Kikuzi. Über traumatische Aneurysmen bei Schuß- 


verletzungen. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. L. Hft. 1.) 

Verf., ein v. Bruns’scher Schüler, hatte als Generalarzt der 
ersten japanischen Armee in der Mandschurei Gelegenheit, 85 durch 
Gesäßschußwunden erzeugte Aneurysmen zu behandeln. Davon fielen 
die Mehrzahl (30,6%) auf die Art. cruralis; es folgen der Reihe nach 
die Art. poplitea mit 18,8%, brachialis mit 11,8%, subclavia 8,2%, 
axillaris mit 7,1%, die verschiedensten übrigen Arterien mit kleineren 
Zahlen. 

Während in der Zeit der großkalibrigen Bleigeschosse mit ihrem 
weiten, klaffenden Schußkanal Aneurysmen selten waren, teils weil die 
Verletzten sofort verbluteten, teils weil die Gefäße bei der geringeren 
Anfangsgeschwindigkeit der Geschosse besser ausweichen konnten, sind 
sie seit Einführung der kleinkalibrigen Geschosse mit hoher Anfangs- 
geschwindigkeit sehr häufig geworden, da der kleine Ein- und Aus- 
schuß, ebenso wie der enge, glatte Schußkanal sich rasch zusammen- 
legen und die Resanz der Geschosse ein Ausweichen der Gefäße 
verhindert. 

Die Anwendung der Antyllus’schen Methode der Aneurysmen- 
operation zeigt den Nachteil, daß die zentrale und periphere Unter- 
bindung der Sicherheit wegen um so weiter von der Gefäßschuß- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1269 


verletzung entfernt ausgeführt werden muß, je größer der Aneurysmen- 
sack ist. Je entfernter aber die Unterbindungen sind, desto größer 
ist der Ausfall von Seitenästen für die Ernährung des Gefäßbezirkes; 
und die Blutung aus dem Aneurysmensack ist um so größer, je mehr 
Seitenäste zwischen den Unterbindungsstellen abgehen. 


Zur Vermeidung dieser Nachteile hat K. eine Methode angewandt, 
die er »intrakapsuläre Unterbindung des verletzten Gefäßes an Ort 
und Stelle« nennt. Das Vorgehen ist folgendes: Es wird der besseren 
Orientierung wegen zunächst ohne Anlegung eines Gummischlauches 
die zuführende Arterie aufgesucht und zusammen mit der begleitenden 
Vene möglichst dicht am Aneurysma nach doppelter Unterbindung 
durchtrennt. Jetzt wird der Schlauch angelegt und der Aneurysmen- 
sack eröffnet und ausgeräumt; Blutung ist dabei ausgeschlossen. Die 
Ligatur des peripheren Stumpfes der zuführenden Arterie wird wieder 
gelöst, und durch Einführung einer Sonde in die Lichtung die Auf- 
findung des Loches in der Gefäßwand erleichtert. Unter Leitung der 
Sonde wird nun durch den Aneurysmensack hindurch der periphere 
Teil der Arterie dicht unterhalb der Gefäßwände ebenso wie die Vene 
doppelt unterbunden und durchtrennt. Es folgt nun wie gewöhnlich 
die Exstirpation des ganzen Sackes zusammen mit dem Gefäßpräparat 
und die übliche Wundversorgung durch Naht und Tamponade 


Diese Methode hat den Vorzug, daß die Operation leichter und 
kürzer ist, event. unter Lokalanästhesie vorgenommen werden kann, 
der exstirpierte Gefäßabschnitt sehr klein ist und damit wenig Seiten- 
äste für die Versorgung des Gebietes wegfallen. Besondere Vorteile 
bietet die Methode z. B. bei Aneurysmen im untersten Teile der Art. 
femoralis, insofern die schwierige Aufsuchung der zahlreichen größeren 
Aste am peripheren Ende in der Kniekehle überflüssig wird. 


In der beschriebenen Art kann die Operation nur an den Extre- 
mitäten ausgeführt werden, wo sich ein Schlauch anlegen läßt. An 
der Carotis hat Verf. das Vorgehen derart modifiziert, daß er zentral 
unterband, den Sack eröffnete, sofort das Gefäßloch digital kompri- 
mieren ließ und dann die Operation in typischer Weise fortsetzte. 
Diese Variation läßt sich auch bei Aneurysmen der Art. subclavia 
und der Art. cruralis in ihrem obersten Abschnitt anwenden. 


Bezüglich des Zeitpunktes der Operation wartet K. ab, bis das 
Aneurysma eine gewisse Größe erreicht hat, weil dann durch die 
allmählich eintretende Gefäßkompression ein ausreichender Kollateral- 
kreislauf sich auszubilden pflegt, so daß die Gangrängefahr sehr ver- 
ringert ist; außerdem ist dann die Technik wesentlich leichter. 

Mit der isolierten Venenunterbindung bei traumatischem Aneu- 
rysma venosum hat Verf. schlechte Erfahrungen gemacht, während bei 
Unterbindung von Vene und Arterie (selbst von V. und Art. iliaca) 
keine Zirkulationsstörungen auftraten. Daher wird die isolierte Venen- 
unterbindung verworfen und gleichzeitige Unterbindung der zugehörigen 
Arterie empfohlen. 


1270 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 


Zur Nachbehandlung wird nicht Hoch- sondern Horizontallagerung 
gewählt, und die Extremität täglich vorsichtig massiert. 
Reich (Tübingen). 





3) E. Hedinger. Zur Lehre des Aneurysma spurium. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXX. Hft.3.) _ 

H. beschreibt das Präparat eines Aneurysma spurium, dessen 
Untersuchung eine neue Bestätigung der Lehre gibt, daß das falsche 
Aneurysma durch Ausweitung eines Plättchen- und Fibrinthrombus 
entsteht. Er erklärt den Vorgang bei der Entstehung solcher Aneu- 
rysmen folgendermaßen: Bei der Verletzung einer Arterie wird der 
Riß sogleich von einem Plättchen- und Fibrinthrombus verlegt. Dieser 
Thrombus wird unter dem Blutthrombus sackförmig ausgeweitet. So 
wird von vornherein die Wand des Aneurysma nicht von dem ver- 
drängten angrenzenden Bindegewebe gebildet, sondern von diesem 
ausgeweiteten Thrombus. Dieser fibrinöse Sack wird später organisiert. 
Doch kann diese Organisation sehr spät eintreten, so daß während 
sehr langer Zeit der Sack nur von Fibrin gebildet wird. 

E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


4) Latkowski. Über die Bedeutung des Kalkes bei In- 


fusionen nach Blutungen. 
(Przeglad lekarski 1906. Nr. 43.) 

Die Bedeutung des Kalkes für das Herz kaltblütiger Tiere hat 
schon Ringer hervorgehoben, und Rusch hat die Ringer’sche Lö- 
sung auch bei Warmblütern mit positivem Resultat angewendet. L. 
hat nun bei verbluteten Hunden Infusion teils mit physiologischer 
Kochsalzlösung, teils mit Ringer’scher Lösung vorgenommen und gibt 
in einer vorläufigen Mitteilung das Ergebnis seiner Versuche bekannt. 
Den Versuchstieren wurde solange Blut entnommen, bis die Atmung 
und der Puls ganz aufhörte. 

Bei fünf Hunden betrug der Blutverlust höchstens 5,16% des 
Körpergewichtes. Darauf wurde eine Infusion mit physiologischer 
Kochsalzlösung (0,9%) vorgenommen. Von diesen fünf Hunden ver- 
endeten drei. 

Sieben Hunden wurde bis 6% des Körpergewichtes Blut ent- 
nommen und darauf eine Infusion mit physiologischer Kochsalzlösung 
(0,9%) + Chlorkalk (Calcium chloratum) (0,02%) gemacht. Von diesen 
Tieren verendete nur eins, bei welchem der Blutverlust 6% des Körper- 
gewichtes betrug. Die übrigen Hunde verblieben am Leben, obwohl 
zweien 5,76% resp. 5,84% des Körpergewichtes Blut entnommen 
wurde. 

Der Unterschied ist auffällig. Es muß aber noch betont werden, 
daß auch das Verhalten der Hunde nach der Infusion physiologischer 
Kochsalslösung + Calcium chloratum, ein auffallend besseres war. 
Gewöhnlich waren die Hunde sofort munter, bewegten sich frei und 
nahmen die vorgesetzte Nahrung ein. Wenn nur physiologische Koch- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1271 


salzlösung angewendet wurde, waren die Hunde somnolent, wollten in 
der Regel durch 24 Stunden nicht fressen, oft verfielen sie in Koma, 
während dessen sie einige Stunden nach der Infusion verendeten. 

Zur Kontrolle wurden an einigen Hunden zum zweiten Male nach 
der Blutentziehung Infusionen gemacht; und zwar bei Hunden, die vor- 
dem eine physiologische Kochsalzinfusion bekamen, wurde nun eine 
Infusion mit Kochsalz + Calcium chloratum vorgenommen und um- 
gekehrt. Von den Hunden, die bei der ersten Infusion physiologische 
Kochsalzlösung bekamen und bei der zweiten Kochsalz -+ Calcium 
chloratum, ging keiner zugrunde. Zugrunde ging aber ein Hund, der 
nach Infusion von Kochsalz und Kalk vollkommen hergestellt war, 
obwohl die Blutentziehung 5,76% des Körpergewichtes betrug, als 
ihm 31/, Wochen später nach einer Blutentziehung von nur 5,1% reine 
physiologische Kochsalzlösung infundiert wurde. 

Die Experimente beweisen zur Genüge, welche große Bedeutung 
das Kalzium in der Infusion hat. L. macht noch weitere Versuche; 
die bisherigen Resultate berechtigen uns aber, die Infusionslösung auch 
beim Menschen anzuwenden, um so mehr, da vom 0,02 vigen Calcium 
chloratum kein Nachteil bemerkt wurde. Bogdanik (Krakau). 





5) Dorrance. An experimental study of suture of arteries 
with a description of a new suture. 
(Annals of surgery 1906. September.) 
Für die Naht der Arterien empfiehlt D. die durch alle Schichten 
durchgreifende Naht; und zwar wendet er eine Matratzennaht an, bei 
welcher ein Stich um den anderen rückläufig gelegt wird (1r). Nach 





dem letzten Stiche wird mit derselben Nadel und Faden eine einfache 
überwendliche Naht über die Matratzennaht gelegt (2). Diese Naht- 
methode soll gegen jede Nachblutung schützen und, da sie innen nicht 
vorspringt, Gerinnselbildung in der Lichtung vermeiden. Vor der 
Naht werden zu beiden Seiten des Gefäßspaltes mit Gummirohr über- 
zogene, den Darmklammern ähnlich konstruierte Klemmen angelegt, 
die jede Quetschung des Gefäßrohres vermeiden. Genau wie der in 
der Zeichnung wiedergegebene Spalt werden auch resezierte Gefäße 
durch dieselbe Naht von End zu End vereinigt. Größere Gefäße 


1272 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 


wurden an 14 Tieren in der geschilderten Weise durchschnitten resp. 
angeschnitten und genäht. In sieben Fällen bildete sich ein wand- 
ständiger Thrombus, in einem trat eine Nachblutung ein. Die Throm- 


Fig 2. 





bose war fast immer eine Folge der Infektion der Wunde. Verf. 
glaubt, daß diese Thrombenbildungen bei aseptischem Heilverlauf aus- 
bleiben. Herhold (Brandenburg). 





6) W. J. Morton. Geschichtliche Beiträge zur Entdeckung 
der Anästhesie in der Chirurgie und über die Beziehungen 
Dr. William T. G. Morton’s zu derselben. Übersetzt 


von Dr. E. Eckstein (Teplitz). 
(Wiener med. Presse 1906. Nr. 37—39.) 

In der vorliegenden Mitteilung, die von groBem kulturgeschicht- 
lichem Interesse ist, hebt der Sohn des beriihmten Entdeckers der 
Anästhesie in der Chirurgie, Morton, nochmals hervor, daß seinem 
Vater allein der Ruhm an dieser wunderbaren Entdeckung bleibt. 
Ȇber diese Tatsache kann bestimmt nicht gestritten werden. Bis zu 
dem Augenblicke der öffentlichen Demonstration am 16. Oktober 1846 
war die Welt jeder Hilfe bar, den Schmerz in der Chirurgie zu be- 
seitigen. In gleicher Weise war auch kein Bericht vorhanden, daß 
es möglich sein könnte, solche Hilfe zu schaffen. Von allen, die in 
der Folge auftauchten, um Anteil an dieser Entdeckung zu nehmen, 
hat keiner jemals darüber geschrieben oder publiziert und konnte 
auch keiner auf eine Publikation über diesbezügliche ähnliche Ver- 
suche in medizinischen oder Tageszeitungen hinweisen. « 

Paul Wagner (Leipzig). 


7) Th. Hammes. .Leerboek der Narkose. 

Nach kurzer historischer Einleitung beschäftigt sich H. zuerst mit 
der Chemie und den Theorien über die Narkose. Er beschreibt kurz 
und deutlich die Technik und Indikationen der verschiedenen Narkosen. 





Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1273 


Sorgfältig und kritisch sichtend, bespricht Verf. in dem Kapitel 
über Chloroformsynkope ausführlich die Theorie und Therapie. Wenn 
man im allgemeinen im Verlaufe der Narkose nach Nussbaum drei 
Stadien unterscheidet: 1) das der Willkür, 2) das der Exzitation oder 
Exaltation, 3) das der Toleranz, so lasse sich doch bei guter Technik 
die Exaltation in weitaus den meisten Fällen vermeiden; stets gebe 
es ein Stadium, in dem das Bewußtsein weder intakt noch ganz ver- 
loren sei. Deshalb möchte er bei der Narkose unterscheiden: 1) ein 
Stadium von Willkür, 2) von partiellem und dissoziiertem Bewußtsein, 
3) von Toleranz. Das Werk gibt einen vollständigen Überblick über 
den heutigen Stand der Narkose und dem Praktiker mancherlei Winke 
und Anweisungen, eine gute Narkose zu erreichen. 

Der Arbeit ist ein ausführliches Literaturverzeichnis von 437 
Nummern beigegeben. E. H. van Lier (Amsterdam). 


8) Martinez. La anestesia cloroformica y las cardiopatias. 
(Revista de med. y cir. pract. de Madrid 1906. Nr. 944.) 

Die Frage der Kontraindikation der Chloroformnarkose bei Indi- 
viduen, deren Zirkulationsapparat nicht gesund ist, findet in dieser 
Arbeit ausführlichste Besprechung. M. sieht vor allen Dingen den 
Hauptgrund des Chloroformtodes durch den Umstand erklärt, daß 
gerade diejenigen Erkrankungen, die dabei das größte Kontingent 
stellen — die Krankheiten des Herzmuskels —, am schwierigsten zu 
diagnostizieren sind. Er teilt die Pat., hinsichtlich der Gefährlichkeit 
der Narkose mit Chloroform, in drei Gruppen, nämlich in solche mit 
Krankheiten des Perikards, des Myokards oder des Endokards. Die 
ersteren sind für jedermann leicht zu diagnostizieren, so daß wohl 
kaum ein Pat. mit florider Erkrankung des Herzbeutels der Gefahr 
einer Ohloroformnarkose ausgesetzt wird. Das gleiche gilt für die 
Erkrankungen des Endokards, die Klappenfehler. Solange dieselben 
nicht kompensiert sind, sind ihre Symptome so klar, daß sie nicht 
übersehen werden können; der Kranke mit kompensiertem Herzklappen- 
fehler hingegen ist fast stets imstande, die Narkose zu ertragen. Es 
bleiben also die Erkrankungen des Herzmuskels selber. — Stellen 
diese das Weiterschreiten eines vom Peri- oder Endokard ausgehenden 
Prozesses dar, so werden auch sie immer erkannt werden. Hingegen 
erlebt man die meisten unangenehmen Überraschungen in den Fällen, 
bei denen infolge einer Intoxikation oder Autointoxikation des Körpers 
eine Erkrankung des Myokards vorhanden ist, die bisher keine spe- 
ziellen Symptome gemacht hat. Hierher gehört vor allen Dingen der 
Alkoholismus, die Nikotinvergiftung, die Bleivergiftung und die Sy- 
philis. Alle diese Zustände führen zu primärer Arteriosklerose, und 
diese wiederum führt in der Sklerose der Coronararterien zu sekun- 
därer Erkrankung des Herzmuskels. 

In seltenen Fällen kann bei den genannten Intoxikationen auch 
eine direkte Schädigung des Myokards eintreten; in weitaus der 
Mehrzahl aber pflegt die Herzmuskelerkrankung hinter anderen gleich- 

48** 


1274 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 


zeitig vorhandenen Veränderungen anderer Organe (Leber usw.) in den 
Hintergrund zu treten. Man unterscheidet nun am besten drei Perioden 
der chronischen Myokarditis. Die Symptome der ersten Periode be- 
stehen in der Hauptsache in hochgradig gespanntem Puls, Vermehrung 
der Urinmenge, Schleimhauthämorrhagien, Kopfschmerz, Schwin- 
del usw.; bei der Auskultation des Herzens findet sich bei sehr genauer 
Untersuchung der erste Ton an der Spitze verstärkt mit Neigung zur 
Verdoppelung, der zweite akzentuiert; der SpitzenstoB ist ebenfalls 
verstärkt. In dieser Periode schon ist die Chloroformnarkose streng 
kontraindiziert, da der Herzmuskel den schroffen Wechseln des Blut- 
druckes nicht mehr Stand zu halten vermag. Gerade bei derartigen 
Kranken ist der Chloroformherztod am häufigsten. Prophylaktisch 
die Synkope, etwa durch Verwendung kleinster Mengen Chloroform, 
zu bekämpfen, ist nach M. ganz unsicher, da auch diese Methode vor 
dem nachträglichen Herztod keinen Schutz zu bieten vermag. — In 
der zweiten Krankheitsperiode ist der Spitzenstoß noch mehr verstärkt 
wie in der ersten und steht in auffälligem Gegensatz zu dem nunmehr 
schwachen und kleinen Puls; dieser selber ist unregelmäßig, inter- 
mittierend, und hat zuweilen den Charakter des Pulsus bigeminus oder 
auch trigeminus, die Herzfigur ist allseitig verbreitert. In dieser 
Periode ist die Narkose natürlich noch um vieles gefährlicher wie in 
der ersten. In der letzten Periode, in der die Klappen mitergriffen 
sind, pflegt das ganze Krankheitsbild bereits ein so schweres zu sein, 
daß die Frage einer COhloroformnarkose niemals ernstlich erwogen 
werden dürfte. Stein (Wlesbaden). 





9) B. Müller (Hamburg). Über Rückenmarksanästhesie und 


deren Bedeutung für den Arzt. 
(Wiener klin. Rundschau 1906. Nr. 18, 19, 21.) 

In einer historischen Einleitung würdigt Verf. zunächst die Vor- 
arbeiten zur Rückenmarksanästhesie (Corning, Quincke) und be- 
zeichnet Bier als den Begründer der Medullaranästhesie, die er ohne 
Kenntnis der amerikanischen Versuche zur brauchbaren Methode aus- 
gebaut hat. Weitere Abschnitte der Arbeit beschäftigen sich mit der 
Entwicklung des Verfahrens, mit seinen Nebenwirkungen usw.; ferner 
mit der sich stets vervollkommnenden Methode, die die Nebenwirkungen 
gelindert und Mißerfolge vermeiden gelernt hat. Auf Grund eingehen- 
der Kenntnis der Literatur, sowie eigener Erfahrungen prophezeit 
M. der Bier’schen Methode eine große Zukunft, mit der er schon 
heute keine wesentliche Gefahr mehr verbunden findet, die bei richtiger 
Technik eine sichere Anästhesie bringt und die berufen ist, einen 
großen Teil der gefährlichen Inhalationsnarkosen zu ersetzen. Ganz 
besonders viel erwartet Verf. von der Rückenmarksanästhesie für die 
Geburtshilfe. Schmieden Bonn). 


— ee 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1275 


10) Hoffa und Rauenbusch. Atlas der orthopädischen 
Chirurgie in Röntgenbildern. Lieferung 7—10. 
Stuttgart, F. Enke, 1905. 

Neben dem Bemühen, recht gute und typische Bilder der wich- 
tigsten Erkrankungen zu geben, ist auch bei den nun vörliegenden 
vier letzten Lieferungen wieder das Bestreben erkennbar, durch 
Gegenüberstellung die Differentialdiagnose zu erleichtern, z. B. bei den 
verschiedenen Formen der Arthritis. Auch auf einige Bilder, die 
besonders früher zu diagnostischen Irrtümern oft Anlaß gaben, sei 
hingewiesen, wie das Sesambein im Gastrocnemiuskopfe, den Epiphysen- 
fleck Ludloff’s. 

Beckenbriiche und Verrenkungen, sowie frische Osteomyelitis 
sind nur soweit zur Darstellung gekommen, als sie ein ganz spezielles 
orthopädisches Interesse bieten. Ebenso sind die angeborenen MiB- 
bildungen nur soweit abgebildet, als sie von nicht nur wissenschaft- 
lichem Interesse sind. 

Jedenfalls wird der Atlas seine Aufgabe, Bilder der praktisch 
wichtigeren orthopädischen Erkrankungen zu geben, wohl erfüllen; in 
schwierigeren Fällen wird eine Vergleichung seiner Bilder mit denen 
eines Atlas typischer Röntgenbilder vom normalen Menschen ganz 
besonderen Nutzen für die Differentialdiagnose bringen. 

Einige bei der Drucklegung früherer Hefte vorgekommene Fehler 
sind durch Beigabe neuer Textblätter in dankenswerter Weise aus- 
gemerzt worden. Renner (Breslau). 





11) Arnsperger. Die chirurgische Bedeutung des Ikterus. 
Zugleich ein Beitrag zur Pathologie und Chirurgie der tiefen 
Gallenwege. 

(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVIH. Hft. 3.) 

Die umfangreiche Arbeit bringt eine Zusammenfassung über den 
neuesten Stand der Pathologie des Ikterus und erläutert an zahlreichen 
Fällen aus der Üzerny’schen Klinik die diagnostische und progno- 
stische Bedeutung des Ikterus, speziell in der Chirurgie. Daran reiht 
sich eine epikritische Mitteilung von 96 Fällen der Heidelberger Klinik 
aus den Jahren 1901—1904, bei welchen entweder Ikterus bestand 
oder auch ohne solchen ein Eingriff am Oholedochus vorgenommen 
wurde. 

Die interessanten Einzelheiten, die sich in kurzem Referat nicht 
wiedergeben lassen, empfehlen sich für jeden Chirurgen zur Lektüre 
im Original. 

Die Ergebnisse der Arbeit lassen sich dahin zusammenfassen: 

1) Es gibt Fälle von Ikterus ohne mechanische Behinderung des 
Gallenabflusses, welche wir auf eine Funktionsstérung der Leberzellen 
beziehen müssen; dieser Ikterus kann sowohl primär sein als zu jedem 
mechanischen Ikterus hinzutreten. Die Prognose eines operativen 
Eingriffes in diesen Fällen ist höchst ungünstig. 


* 


1276 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 


2) Eine sichere, zahlenmäßige Methode, das Bestehen dieses Ikterus 
gravis zu erkennen, gibt es zurzeit nicht; indessen kann man aus 
Untersuchungen des Blutes und Urins zusammen mit dem klinischen 
Befund in manchen Fällen das Bestehen eines solchen Ikterus er- 
kennen. 

3) Die Schwere eines Ikterus geht der Dauer seines Bestehens 
und seiner Intensität nicht parallel; sie ist vielmehr abhängig von der 
Widerstandskraft des Körpers gegen die resorbierten toxischen Gallen- 
bestandteile. 

4) Die Normalmethode bei der Gallensteinerkrankung der tiefen 
Gallenwege ist die Choledochotomie mit nachfolgender Drainage des 
Hepaticus, wobei die Gallenblase je nach der Schwere der Erkran- 
kung exstirpiert oder suspendiert und drainiert werden kann. 

5) Die radikale Entfernung aller Steine ist bei länger bestehen- 
den Choledochussteinen sehr schwierig; es empfiehlt sich daher, bei 
chronischem Choledochusverschluß durch Steine sobald als möglich 
zu operieren. 

6) Choledochussteine ohne Ikterus sind häufiger als bisher ange- 
nommen wurde. = Reich (Tübingen). 

12) Elsberg. Solitary abscess of the liver. 
(Annals of surgery 1906. August.) 

E. unterscheidet ätiologisch vier Gruppen solitärer Abszesse der 
Leber, und zwar 1) den tropischen Abszeß nach Dysenterie, 2) den 
traumatischen, 3) den pyämischen bei allgemeiner Sepsis, 4) den 
sekundär bei verschiedenen Krankheiten der Unterleibsorgane ent- 
stehenden Abszeß (Appendicitis, chronische Kolitis, Hämorrhoiden usw.). 
Die Infektion erfolgt durch direkte Ausbreitung von den Gallengängen 
oder von in der Nähe liegenden Eiterungen, 2) auf dem Lymphwege, 
3) durch die Arterien (bei Pyämie), 4) durch die Vena portae. Der 
rechte Leberlappen wird wegen des kürzeren und direkteren Zweiges 
der Vena portae häufiger befallen. Die Symptome bei akut ent- 
standener Eiterung sind: Schüttelfröste, Schmerzen in der rechten 
oder linken Brustseite, Prostration, Fieber. In den chronischen Fällen 
treten zunächst Schmerzen in einer der beiden Brustseiten ein, später 
kommt es zu atypischen Fieberbewegungen. Die Diagnose ist be- 
züglich der Frage, ob es sich um nur-einen oder multiple Abszesse 
handelt, nicht zu stellen. Ob die Eiterung oberhalb oder unterhalb 
des Zwerchfells ihren Sitz hat, läßt sich aus einzelnen Anzeichen er- 
kennen; so ist die Oberfläche der Flüssigkeit oberhalb des Zwerchfells 
konkav, und sie bewegt sich deutlich bei Lageveränderungen; unterhalb 
des Zwerchfells bildet sie eine gerade oder konvexe Linie und bewegt 
sich nur undeutlich bei Bewegungen. Bei Flüssigkeitsansammlung 
unterhalb des Zwerchfells ist der Stimmfremitus nicht abgeschwächt; 
eine Verdrängung des Herzens findet niemals statt. Kommt bei der 
Behandlung die transpleurale Operation in Anwendung, so läßt sich 
das Entstehen des Pneumothorax beim Annähen des Zwerchfells an 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1277 


die Pleura costae durch Empordrängen der Leber vom Hypochon- 
drium aus vermeiden. Herhold (Brandenburg). 


13) Mongeur. De l'intervention chirurgicale dans la lithiase 
biliaire. 
(Province méd. 1906. Nr. 34.) 

M. ist ein entschiedener Gegner des operativen Eingriffes in 
jedem Falle von Cholelithiasis. Er erkennt drei Indikationen für den 
chirurgischen Eingriff an. Bei den Fällen der ersten Kategorie er- 
reichen die Koliken einen solchen Grad, daß nur eine Operation 
einen schlimmen Ausgang verhindern kann; die zweite Indikation 
gibt die Infektion der Gallenwege; die dritte der Verschluß des 
Choledochus ab. 

Was die Infektion der Blase anlangt, so läßt sich Verf. durch 
die Temperaturen allein noch nicht bestimmen, einzugreifen, bei Em- 
pyem jedoch duldet er keinen Aufschub. Bei allgemeiner Infektion 
der Gallenwege, sowie beim Choledochusverschluß macht M. den Ein- 
griff von einem Symptom abhängig, auf das er als erster aufmerksam 
gemacht zu haben angibt: nämlich auf die Größe der Leberdämpfung. 
Vergrößert sich in diesen Fällen die Leber, so wartet Verf. ab, weil 
er hierin ein Zeichen erblickt, daß die Leber sich zu kompensieren 
vermag. Andert sich aber das Volumen nicht oder ist in ein paar 
Tagen sogar ein Rückgang desselben zu bemerken, dann rät M. zu 
schleunigem Eingriff. A. Hofmann (Karlsruhe). 





14) Rogers. Surgical treatment of the gall-bladder and bile 


passages. 
(St. Paul med. journ. 1906. August.) 

Verf. tritt sehr lebhaft für die operative Behandlung der Gallen- 
blasenerkrankungen ein und operiert jeden Fall von Cholecystitis und 
Cholelithiasis, schon in Anbetracht der Möglichkeit einer späteren 
Karzinomentwicklung, da nach Schroeder sich in 14% aller Gallen- 
steinfälle später Karzinom entwickelt. An eine medikamentöse Hei- 
lung, speziell aber an den dauernden Erfolg einer Karlsbader Kur 
glaubt R. nicht. Verf. wendet den vertikalen Schnitt am äußeren 
Rande des Rectus an, nachdem er einen Sandsack unter den Rücken 
geschoben hat. Man gewinnt auf diese Weise einen völlig genügen- 
den Überblick. 

Was die Indikationsstellung der Oholecystektomie anbelangt, so 
läßt sie sich nach R. nicht ganz genau präzisieren. In Übereinstim- 
mung mit den auf diesem Gebiet erfahrendsten amerikanischen resp. 
englischen Chirurgen exstirpiert er im allgemeinen 1) bei bösartigen 
Geschwülsten, 2) bei durch chronische Entzündung geschrumpften 
Blasen, 3) bei phlegmonöser Cholecystitis und Gangrän der Gallen- 
blase, 4) bei absoluten Stenosen im Ductus cysticus. 


1278 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 


Bei Steinen im Ductus communis sieht Verf. nach deren Entfer- 
nung grundsätzlich von jeder Naht ab, drainiert vielmehr ausgiebig. 
Levy (Wiesbaden). 





15) E. Payr und A, Martina. Experimentelle Untersuchungen 
über die Ätiologie der Fettgewebsnekrose und Leberverände- 
rungen bei Schädigung des Pankreasgewebes. (Vorläufige 
Mitteilung.) 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXIII. p. 189.) 

Anläßlich ihrer Versuche über die Lebernaht mit Magnesium- 
platten beobachteten die Verff. bei Kaninchen eigentümliche Lungen- 
veränderungen, die sie auf Embolien von Leberzellen infolge zu starker 
Quetschung des Lebergewebes zurückführten. In der Absicht, das 
technische Verfahren auf andere parenchymatöse Organe zu über- 
tragen, um Parenchymzellembolien zu erzeugen, fanden die Verff., daß 
bei Katzen Quetschung des Pankreas zwischen zwei Platten regelmäßig 
Fettnekrosen im ausgedehntesten Maße erzeugte. Ebenso fanden sich 
danach eigentümliche herdförmige Veränderungen an der Leber. 
Durch sorgfältige histologische Untersuchungen gelang dann der 
Nachweis embolisch verschleppter Pankreaszellen an den Erkrankungs- 
herden, und glauben die Verff., daß auch beim Menschen die Fett- 
nekrose zum Teil auf solchen Embolien beruhen könnte. Die 
wichtigste Rolle spielt hierbei aber auch nach ihrer Ansicht aller- 
dings die Wirkung des Pankreasfermentes. 

Meinhard Schmidt (Cuxhaven!. 





16) E. A. Pölya. Experimentelle Beiträge zur Pathogenese 
der mit Fettgewebsnekrose einhergehenden Pankreaserkran- 


kungen. 
(Orvosi hetilap 1906. Nr. 31. [Ungarisch.]) 

Obwohl es bisher öfters gelungen ist, durch verschiedene Injek- 
tionen ins Pankreasparenchym, Ausführungsgang und Gefäße akute 
Pankreaserkrankungen (Blutung, Nekrose) mit sekundärer Fettgewebs- 
nekrose hervorzurufen, glaubt P., daß von den bisherigen Experimenten 
nur diejenigen Opie’s, der durch Injektion von Galle in den Pan- 
kreasausführungsgang das genannte Krankheitsbild herbeiführen konnte, 
eine solche ist, welche den pathologischen Vorgang im lebenden Men- 
schen nachahmt. Doch lassen sich durch diese Annahme (Eindringen 
von Galle in den Pankreasausführungsgang) nur solche Fälle von 
Fettgewebsnekrose erklären, die nach Choledochusverschluß entstanden 
sind, also wohl nur die entschiedene Minorität. 

P. ging bei seinen Versuchen von der physiologischen Tatsache 
aus, daß das normale Pankreassekret innerhalb des Pankreasausfüh- 
rungsganges kein eiweißverdauendes Ferment enthält und somit auch 
nicht die Eigenschaft besitzen kann, die aus Eiweiß bestehenden Zell- 
leiber und Bindesubstanz des Pankreasgewebes zu verdauen; die Selbst- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1279 


verdauung des Pankreas, die im Sinne von Chiari, Truhart usw. 
als das Wesentliche dieser Erkrankungsformen des Pankreas angesehen 
wird, könnte somit nur dann stattfinden, wenn das für Eiweiß unwirk- 
same normale Pankreassekret schon innerhalb des Pankreasausführungs- 
ganges sich eine eiweißverdauende Eigenschaft aneignen würde. Da 
das unwirksame Trypsinogen des Pankreassaftes durch die Enterollinase 
der Darmschleimhaut in das wirksame eiweißverdauende Ferment, das 
Trypsin, umgewandelt wird, trachtete Verf., die Wirkung des intra- 
pankreatisch vorhandenen Trypsins an Hunden zuerst mit Darm- 
extrakten, dann mit Duodenalinhalt, dem Duodenum während der 
Verdauung entnommen, und endlich mit käuflichen Trypsinpräparaten 
experimentell festzustellen. 

Die bisherigen Versuche haben die Frage noch nicht vollständig 
gelöst, doch kam P. schon in seinem vorläufigen Berichte zu folgen- 
den Resultaten: 

1) Nach Einspritzung von Duodenalinhalt in den Pankreasausfüh- 
rungsgang entsteht ausnahmslos (7 Fälle), auch wenn die Menge der 
Injektionsflüssigkeit sehr gering (1 ccm) ist, ein Krankheitszustand, der 
rasch (binnen 20—30 Stunden) tödlich endet und sowohl klinisch wie 
pathologisch-anatomisch den schwersten Formen der menschlichen 
Fettgewebsnekrose entspricht. 

2) Darmschleimhautextrakte riefen nur in einem Teile — wenn 
auch im größeren — der Fälle diese Wirkung hervor. 

3) Einspritzung von Trypsin in den Pankreasausführungsgang 
führt zu schweren Degenerationen, Nekrosen, Blutungen ins Pankreas- 
parenchym, welches zuweilen schon binnen einigen Stunden, meist in 
1—10 Tagen infolge einer ausgebreiteten Fettgewebsnekrose zum Tode 
führt; einmal konnte auch eine schwere chronische Form (hochgradige 
Schrumpfung des Pankreäs, Ikterus, Abmagerung usw.) der Pankrea- 
titis hervorgerufen werden. 

In einigen dieser Fälle von Fettgewebsnekrose, die experimentell 
durch Eingriffe am Pankreas hervorgebracht wurden, also doch zwei- 
felsohne pankreatischen Ursprunges waren, wurden neben hochgradigen 
Veränderungen des Fettgewebes am Pankreas selbst nur geringe ma- 
kroskopische Veränderungen gefunden. P. Steiner (Budapest). 


Kleinere Mitteilungen. 


(Aus der kgl. chirurg. Universitätsklinik Sr. Exzellenz des wirkl. Geh.-Rats Prof. 
v. Bergmann zu Berlin.) 


Eine neue Beckenstütze. 


Von 
Dr. Ernst Schultze, 
Assistent der Klinik. 


Beckenstützen mit breiter Liegefläche waren bisher stets nur mit Schwierig- 
keiten aus dem Verbande zu entfernen. Man hatte deshalb in letzter Zeit sich an 


1280. Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 


schmälere Bänkchen gewöhnt zugunsten des anzulegenden Verbandes — auf Kosten 
aber bequemer und vor allem sicherer Lagerung des Pat. Auf dem nach meinen 
Intentionen von L. Dähne, Berlin, Friedrichstraße 131d, angefertigten Bänkchen 
ruht der Pat. auf einer 14 cm breiten, leicht geschweiften und dadurch den 
Körperformen gut angepaßten Fläche bequem und sicher, und zugleich gestattet 
ein automatisch wirkender, durch Zug an einem Handgriff auszulösender Mecha- 
nismus durch Übereinandergleiten der beiden Hälften der Liegefläche eine Ver- 
schmälerung bis zu 7,6 cm, und damit ein leichtes Herausnehmen aus dem Ver- 
bande. 

Die Beckenstütze (Fig. 1) hat ihre äußeren Formen von der von Prof. Bor- 
chardt im Zentralblatt für Chirurgie seinerzeit bekannt gegebenen entlehnt. Auf 
einem Stativ (a) ruht die aus den beiden Hälften (b, und ds) bestehende, in der 
Mitte mit einem Ausschnitt versehene Liegefläche. Diese ist im ganzen nach 
Gipsabdrücken genau den Körperformen entsprechend ausgebogen. Am Stativ 
findet sich der Handgriff (c, an dem ein Zug genügt, um den Mechanismus aus- 
zulösen, der die Hälfte b, der Liegefläche über bə gleiten läßt (Fig. 2'. 


Fig. 1. Fig’ 2. 


A 





Die Handhabung ergibt sich von selbst. Beim Hochheben des Pat. zur Ent- 
fernung der Beckenstütze greift die rechte Hand nach dem Handgriff und zieht, 
nachdem sich die Flächen zusammengelegt haben, die Stütze heraus. 

Das Bänkchen, das sich namentlich für große Gipsverbände empfiehlt, hat sich 
in der kgl. chirurg. Universitätsklinik gut bewährt. 

Ein Einklemmen von Verbandstoffen ist nicht möglich. Die Standfestigkeit 
und Haltbarkeit entspricht den höchsten Anforderungen. 


17) Von der 78. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte zu 
Stuttgart. 
(Schluß.) 


a. O. v. Hovorka (Wien) spricht über die Wichtigkeit der Ausfüllung hohler 
Räume, besonders von Knochenhöhlen, in der Chirurgie und weist darauf hin, 
daß sich hierzu am besten die Mosetig’sche Jodoformplombe eigne. Allerdings 
muß man streng nach der Vorschrift vorgehen, und zwar sowohl mit Rücksicht 
auf die Operationstechnik, als auch auf die Zusammensetzung der Plombenmasse. 
Mosetig selbst hatte in seinen 1500 Fällen bisher keinen einzigen Mißerfolg und 
ebensowenig eine Jodoformintoxikation. Die Plombenmasse wird, wie Silber- 
mark durch zahlreiche Tierversuche nachwies, infolge von Vorgängen von aus- 
schließlich proliferativer Natur nach und nach durch echtes, junges Knochengewebe 
ersetzt. (Selbstbericht.) 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1281 


Hirsch (Wien) empfiehlt die Plombierung auch als Ersatz für Gelenkresek- 
tionen, wo sie gestatte, etwa vorhandene kariöse Herde an der Sägefläche auszu- 
füllen, ohne daß dickere Knochenscheiben entfernt werden müssen. Man vermeidet 
damit stärkere Verkürzungen und darf auch bei Kindern operativ eingreifen, da 
man die Epiphysenlinie schonen kann. 


b. Gluck (Berlin) spricht an der Hand zahlreicher Tafeln, Präparate, Moulagen 
und Patienten über Methoden und Aufgaben der Chirurgie der Hals- 
organe. 


Es werden die verschiedenen Verfahren zur Vermeidung der Schluckpneumonie 
bei chirurgischen Eingriffen am Oberkiefer, Gaumen und Nasen-Rachenraum er- 
örtert, besonders aber diejenigen Operationen, welche die Luftwege selbst betreffen. _ 
Für alle radikalen Operationen, welche den Larynx total entfernen, also 1) für die 
Laryngectomia simplex, 2) für die mit Pharynxresektion, 3) für die mit Pharynx- 
exstirpation und event. OÖsophagusresektion komplizierten Laryngektomien ist G.’s Ein- 
nähen des resezierten Trachealstumpfes in ein Hautknopfloch des Jugulum ein prophy- 
laktisches Verfahren, welches mit absoluter Sicherheit die Aspirationspneumonie 
sowohl während der Operation als auch während der Nachbehandlung verhütet. Es 
werden die verschiedenen Modifikationen der Bildung des von G. so genannten 
sorganischen Diaphragmas«e über dem Trachealstumpfe geschildert und ebenso die 
genaue Technik der einzelnen Operationsakte erörtert; ebenso wird dargestellt, wie 
durch Hautlappenplastik nach Resektion der Struma oder der Halsgefäße resp. 
Denudation derselben diese Gebilde vor Infektion oder Arrosionsblutungen ge- 
schützt werden, wie die Ernährung durch den Dauerschlauch (von der Nase oder 
vom Ösophagusstumpf aus) stattfindet, wie endlich direkte Suturen (Etagennähte 
mit Catgut und Seide), kombiniert mit Tamponade mit Jodoformgaze und Tampon- 
nähten, die Leistung einer rationellen Nachbehandlung ermöglichen, nachdem auf 
diese Weise die Wunde so weit als angängig verkleinert und teils temporär, teils 
definitiv bei aseptischem Verlaufe geschlossen blieb. 

Bei konservativen Operationen, z. B. Laryngofissuren, genügt Operation am 
hängenden Kopf und Anwendung einer Kokain-Adrenalinlösung, um jede Gefahr 
zu verhüten; G. bält es für vorsichtiger, den Larynxraum für 1—2 Tage zu tam- 
ponieren, den Tampon über der Trachealkanüle herauszuleiten, die Kanüle etwa 
am 3.—5. Tag erst zu entfernen; nur in besonderen Fällen, z. B. bei einfachen 
Stimmbandexzisionen, entschließt er sich, nicht zu tamponieren, und legt dann 
auch keine Kanüle für die erste Nachbehandlungsperiode ein. 

Nach Exenterationen des Larynx mit Exstirpation der Epiglottis fiibrt G. eine 
partielle oder totale Laryngoplastik mit gestielten, haarlosen Hautlappen der Nach- 
barschaft aus, ein Eingriff, der bei persistierendem Laryngoschisma artificiale tadel- 
lose Heilungen und überraschende funktionelle Endresultate ermöglicht; analoge 
Verfahren schildert G. für die Tracheoplastik in geeigneten Fällen, während für 
Stenosen und quere obliterierende Narbendiaphragmen des Larynx und der Trachea 
die quere Resektion des Narbengebietes bis auf den Osophagus, bis zwei Lumina 
von genügender Weite vorliegen, zur Ausführung gelangt, mit konsekutiver zirku- 
lärer Naht dieser Lumina. 

Bei der Hemilaryngektomie bildet G. ebenfalls einen Hautlappen mit der Basis 
auf der Seite der Erkrankung und leistet mit demselben eine Laryngoplastik 
und einen organischen Abschluß, welcher ihm die geschilderte Trachealresektion 
bei der Laryngectomia totalis ersetzt. 

Bei der totalen Zungenexstirpation mit dem Zungengrunde wird nach G. erst 
die tiefe Tracheotomie ausgeführt und darauf in eingehend geschilderter Technik 
der Kehlkopfeingang entweder mit Suturen oder Tamponnähten oder mit einem 
gestielten Hautlappen nach Anfrischen der Schleimhaut der Sinus pyriformes plastisch 
verschlossen und somit absolut sicher die Schluckpneumonie verhütet. 

Weder bei Zungenoperationen (auch bei den ausgedehntesten nicht), noch bei 
Karzinomen der Tonsillen, welche auf Gaumenbögen und Pharynx übergreifen, hat 
G. jemals sich einer Hilfsoperation, bestehend in Spaltung der Wange oder tem- 


1282 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 


porärer Resektion der Mandibula (nach v. Langenbeck, Billroth-Sédillot 
oder Mikulicz-Kocher) bedient. Diese Hilfsoperationen bilden neue Gefahren 
für den Pat. und sind absolut überflüssig, wie G. an seinen ohne dieselben er- 
zielten Erfolgen bewiesen hat. Die genauere Technik ist in der Originalarbeit 
beschrieben. 

G. hat wiederholt geheilte Fälle mit totaler Zungenexstirpation mit dem Zungen- 
grund und der Epiglottis demonstriert, welche eine Ventilkanüle trugen und eine 
tadellose Sprache hatten. Herr Kollege Gutzmann hat sich zu dieser Adaptation 
des Sprachvermögens ohne Zunge eingehend geäußert. 

G. hat ferner geheilte Fälle demonstriert, denen wegen Karzinom die ganze 
Zunge mit Zungengrund und Epiglottis und der ganze Larynx, im einzelnen Falle mit 
Resektion des Pharynx und Ösophagus, entfernt waren. Die Pat. schluckten wie 
Gesunde, atmeten durch den zirkulär im Jugulum eingeheilten Trachealstumpf 
und verfügten über eine deutliche, verständliche Sprache (natürlich Flüstersprache), 
eine in der Tat wunderbare Adaptation des Organismus, ohne jedes periphere 
Sprachorgan, mit Hilfe des rekonstruierten Mundbodens und der regurgitierten 
Luft aus dem Ösophagus sich deutlich verständlich zu machen. 

In Stuttgart demonstrierte G. einen Pat., dem wegen Tuberkulose entfernt 
waren: a. Larynx und Pharynx total mit beiden Tonsillen und der Epiglottis, 
b. der Halsteil des Osophagus reseziert, c. die Struma rechts und der Isthmus 
strumae exstirpiert, d. rechts die V. jugularis und A. carotis communis mitsamt 
enormen Driisentumoren, dem Kopfnicker und den Scalenis entfernt worden waren; 
schließlich mußte noch die Zunge mit dem Zungengrunde total exstirpiert werden ; 
außerdem waren mehrere Trachealringe entfernt. Alles ist glatt vernarbt, eine 
tiefe Osophagus-Trachealfistel mit Brückenhautlappen der Sternalgegend plastisch 
geschlossen. Mit Hilfe einer von G. angegebenen Prothese in besonders modifi- 
zierter Form nach Abformen des Defektes ernährt sich Pat. per vias naturales. 
Er ist wohl und mit seinem Schicksale völlig zufrieden. Herr Kollege Gutzmann 
hat den vorderhand noch stummen Pat. in Behandlung genommen; vielleicht ge- 
lingt es, auch ihm eine verständliche Sprache zu verschaffen. 

G. demonstriert seine Kanülen, ferner Prothesen für Pharynx- und Ösophagus- 
defekt bei nicht ausführbarer Plastik, ebenso seine Prothesen zum totalen Ersatze 
der Speiseröhre nach Ausschaltung des Ösophagus durch Ösophagotomie und 
Gastrostomie, und endlich erörtert er seinen schon oft ventilierten Vorschlag zum 
Anlegen einer Lungenfistel zum Zweck einer Ausschaltung der oberen Luftwege 
bei bestehender Vitalindikation. 

Die Sicherheit seiner Technik und die Häufigkeit seiner Erfolge und seiner 
Endresultate hat ermutigt, die Indikationen zu erweitern, so zwar, daß er bisher 
für inoperabel gehaltene Fälle in stetig größerer Anzahl operiert, und daß er 
zweitens nicht nur bei malignen Geschwülsten, sondern auch bei Lues und beson- 
ders auch bei Tuberkulose einesteils konservative Resektion, dann aber auch radi- 
kale Organexstirpationen ausführt. 

In einem besonderen Abschnitte der Arbeit wird der Frühdiagnose der ma- 
lignen Geschwülste, der Schwierigkeiten der differentiellen pathologisch-anatomi- 
schen Diagnostik bei Probeexzisionen, der Berechtigung der von G. empfohlenen 
probatorischen oder explorativen Laryngofissur in zweifelhaften Fällen eingehend 
gedacht und der radikale chirurgische Standpunkt gegenüber konservativen, nur 
für gewisse Lokalisationen des Krankheitsherdes berechtigten Bestrebungen von 
laryngologischer Seite hervorgehoben. Halbe Maßregeln sind zu verwerfen; bei 
feststehender Diagnose hat nicht Rücksicht auf Person und Beruf, nicht Kosmetik 
usw. Berücksichtigung zu finden, sondern es muß im allgemeinen diejenige Methode 
empfohlen werden, welche funditus das Leiden mit Drüsen und Muskulatur weit 
im Gesunden mitsamt Ausschaltung des primären Geschwulstherdes zu beseitigen 
vermag. Plastik und Prothese sowie Ersatzoperationen sind erst Curae posteriores, 
denen sich G. mit vollem Eifer und Erfolge zugewandt hat, so daß er auch bei 
radikalstem Vorgehen den postoperativen Zustand seiner Pat. zu einem durchaus 
erträglichen und menschenwürdigen gestaltet hat. (Selbstbericht.) 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1283 


v. Czerny (Heidelberg) bevorzugt die totale Exstirpation des Kehlkopfs und 
empfiehlt die Kuhn’sche Tamponade der Luftröhre. 


c. Pochhammer (Greifswald, jetzt Gumbinnen): Experimentelle Studien 
über Enteroanastomose und Darmresektion. 

Die Versuche, welche P. an Hunden angestellt hat, zielen darauf ab, die Ge- 
fahr der Kot- und Schleimhautinfektion, welche bei allen intestinalen Eingriffen 
durch die Eröffnung des Magen- resp. Darmlumens entsteht, nach Möglichkeit 
auszuschalten. Zu diesem Zwecke hat er vier verschiedene Methoden der Darm- 
resektion bzw. Darmanastomose angegeben und ausgeprobt. 


I. Vereinigung der Darmabschnitte Seit-an-Seit. 
a. Mittels elastischer Gummiligatur. 

Die elastische Ligatur war bisher fast ausschließlich bei der Gastroentero- 
stomie erprobt worden und besonders von Amerikanern mit Erfolg angewendet. 
P. verwandte statt der besonders präparierten Fäden aus bloßem Gummi eine ein- 
fache seidenumsponnene Gummischnur (mit einer vierfachen Lage elastischer 
Gummifäden im Innern), welche sich leicht in kochendem Wasser sterilisieren läßt 


Fig. 1. 


Fortlaufende Naht. 





Knotenlegung. 


Gummischnur. 


Teil der Gummischnur, der im Innern des Darmes verläuft. 


Nadel. 





und vor allem die Sicherheit des Knotens wesentlich erhöht. Bei der Knoten- 
Jegung schlang er den Knoten nochmals um das Zwischenstück zwischen den beiden 
Ligaturfäden herum. Die abzuschnürende Strecke der Darmwand jederseits muß 
etwa 3—4 cm lang sein. Unterhalb und oberhalb der Ligatur wird eine fort- 


1284 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 


laufende Seidennaht angelegt, so daß eine vollkommene Umnähung der in statu 
nascendi befindlichen Anastomose stattfindet. 

In sechs Fällen wandte P. die elastische Gummischnur an, und zwar einmal 
bei einer einfachen Enteroanastomose, einmal bei einer Gastroenterostomia ant., 
viermal bei der Darmresektion. Die Schnürung versagte in keinem Falle. Stuhl- 
gang wurde zuerst am 5. Tage beobachtet, wobei zu berücksichtigen ist, daß die 
Tiere in den ersten beiden Tagen nach der Operation nur Wasser erhielten und 
dann Milch und Suppe bis zur ersten Defäkation bekamen. 

Die später zum Teil herausgeschnittenen Darmstücke mit der neugebildeten 
Anastomose wurden zum Beweise herumgegeben. 


b. Mittels glühender Drahtschlinge. 

Die Drahtschlinge (aus Platindraht oder Nickelin) wurde in derselben Weise 
wie die Gummischnur durch die Darmwand der zu anastomosierenden Darm- 
abschnitte hindurchgeführt, und zwar tunlichst an der Konvexität des Darmes, 
damit nachber durch die Einwirkung der Glühhitze die Ernährung der übrigen 
Darmwand möglichst wenig geschädigt wird. Die Drahtschlinge wird ebenfalls 
ringsum umnäht, so daß die beiden Enden des Drahtes nur noch aus einer Lücke 
der Nahtreihe hervorragen. Die Drahtenden werden mit einem besonderen Ap- 
parat in Verbindung gesetzt, der ähnlich dem für die Entfernung von Polypen 


Fig. 3. 





Fortlaufende Umnähungsnaht. Drahtschlinge. 


gebräuchlichen Handgriffe konstruiert ist. Durch Vermittlung dieses Apparates 
wird die Drahtschlinge durch einen möglichst schwachen elektrischen Strom ins 
Glühen gebracht. Unter fortwährender Unterbrechung des Stromes, indem die 
Drahtschlinge bald als kalte, bald als heiße Schlinge wirkt, wird die zusammen- 
geschnürte Darmwandbrücke innerhalb der Umnähung allmählich durchtrennt und 
eine sofort durchgängige seitliche Anastomose zwischen den beiden Darmabschnitten 
hergestellt. 

Auf diese Weise wurde bei zwei Hunden mit Erfolg die Darmresektion aus- 
geführt. Eine Berührung mit Schleimhaut wird dabei vollständig vermieden. Die 
Glühhitze muß stets nur kurz einwirken und gering sein, damit keine Nekrose der 
Darmwand eintritt. 


I. Vereinigung der Darmabschnitte End-an-End. 


a. Mittels Murphyknopf. 

Bei der Resektion des Darmes wird an jedem Ende des zu resezierenden Teiles 
eine besonders breit konstruierte Darmquetsche angelegt, im Bereiche der gequetsch- 
ten Partie der Darm jederseits zwischen zwei Ligaturen mittels Paquelin durch- 
trennt. Jedes der leiden Darmenden ist durch einen Ligaturfaden verschlossen, 
dessen Enden lang bleiben. Durch die verschließende Ligatur erhält das gequetschte 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1285 


Darmende eine konische Form, hängt gewissermaßen wie ein Zipfel an dem ge- 
sunden Darmabschnitte. 

Nunmehr werden die Enden der Ligaturfäden durch das Lumen je einer 
Knopfhälfte hindurchgezogen, bis der Darmzipfel selbst sich in die Knopflichtung 
hineinschiebt. Dann wird jede Knopfhälfte nebst dem zugehörigen Darmzipfel in 
das Lumen des gesunden Darmes hineingestülpt, invaginiert, eine Manipulation, 
die sich bei der runden Form des Knopfes leicht ausführen läßt. Durch eine 
schnell angelegte Schnürnaht wird jede Knopfhälfte in dieser Lage erhalten. Der 
Knopf ist von einer doppelten Schicht der Darmwand umgeben, die innere Schicht 


Fig. 4. 


Fig. 5. 


Gequetschte Darmpartie. 





Knopfhälfte nach der 
Rinst ülpung. 


Knopfhälfte wandert über den Faden gegen den 
Darmzipfel hin. 





Beide Knopfhälften vereinigt. 


ist jedoch durch die vorausgegangene Quetschung stark verdünnt, überall liegt 
dem Knopfe Serosa an. Erst jetzt erfolgt, kurz vor der Vereinigung der in ihrer 
Lage fixierten Knopfhälften, die Eröffnung des Darmlumens jederseits, indem man 
mit einer feinen, leicht gebogenen Schere den in die Öffnung des Knopfes hinein- 


1286 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 


ragenden Darmzipfel unterhalb der Ligatur innerhalb der Knopflichte abschneidet. 
Durch Einführung einer kleinen Kornzange oder dergleichen kann man sich von 
der Eröffnung und Durchgängigkeit des Darmes vor dem Zusammenschieben der 
Knopfhälften nochmals überzeugen. 

Bei zwei Hunden wurde die Darmresektion in dieser Weise mit gutem Erfolg 
ausgeführt. Bei einem der Hunde war bei einer später vorgenommenen zweiten 
Darmresektion keine Spur einer Narbe mehr zu entdecken, welche auf die erste 


Darmresektion hätte hindeuten können. Übernähungsnähte waren nicht gemacht 
worden. 


b. Mittels zirkulärer Naht (Zipfelmethode). 

Es wird zunächst ebenso verfahren wie bei der vorigen Methode, die Resek- 
tion unter Zipfelbildung und völligem Verschluß des Darmlumens ausgeführt. Dann 
werden die beiden Zipfel mit den lang gebliebenen Ligaturfäden in den gesunden 
Darm jederseits eingestülpt und nun die beiden Darmrohre, vom Mesenterial- 
ansatze beginnend, durch einfache Lembertnähte zirkulär vereinigt. Bevor jedoch 
die ringförmige Nahtreihe ganz vollendet ist, wird durch eine genügend große 
Lücke derselben der eingestülpte Zipfel des abführenden Darmteiles an dem heraus- 
hängenden Ligaturfaden wieder hervorgezogen, mit einer anatomischen Pinzette 
gefaßt und dicht unterhalb der Ligatur abgeschnitten; der Rest des nunmehr er- 


öffneten Zipfels wird in das Lumen des abführenden Darmrohres zurückgestülpt, 
Schere und Pinzette werden beiseite gelegt. 


Fig. 7. Fig. 8. 


Einstülpung der Zipfel während 
der zirkulären Naht. 
Zipfelbildung. 


In gleicher Weise wird der Zipfel des zuführenden Darmteiles hervorgezogen, 
dicht oberhalb der Ligatur eine Fadenschlinge nach Art einer Schnürnaht hindurch- 
gelegt. Die Fadenschlinge dient dazu, das Darmlumen auch nach Abschneiden der Li- 
gatur noch geschlossen zu erhalten und mittels der daran befestigten Nadel, welche in 
das Lumen des abführenden Darmrohres eingeführt und weiter unterhalb an belie- 
biger Stelle der Darmwand wieder ausgestochen wird, auch den Zipfel des zuführen- 
den Darmteiles in das Lumen des abführenden Darmrohres hineinzuziehen. Die zir- 
kuläre Darmnaht wird danach vollendet und jetzt erst das Lumen des zuführenden 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1287 


Darmteiles innerhalb des allseitig geschlossenen Darmrohres eröffnet, indem man die 
Fadenschlingen an beliebiger Stelle durchschneidet und herauszieht. Die Ausstich- 
öffnung wird mit einer Lembertnaht übernäht. Durch die doppelte Einstülpung 
der beiden Darmzipfel in das abführende Darmrohr ist die vereinigende zirkuläre 
Serosanaht vor jeder Berührung mit Darminhalt sicher geschützt. Die beiden ein- 
gestülpten Darmzipfel verkleben schnell mit ihren einander zugekehrten Serosa- 
flächen und wirken wie ein Ventil, das sich nur dem Zufluß von oben her öffnet. 


Fig. 9. 


zuführend abführend 





Endgültige Lage der eröffneten Zipfel nach Vollendung der zirkulären 
Serosanaht. 


Nach dieser Methode wurde ebenfalls an zwei Hunden die Darmresektion er- 
folgreich ausgeführt. Schon am 3.—4. Tage trat Defäkation. ein. Die Zipfel ver- 
fallen der Nekrose und werden schließlich abgestoßen. 

Genauere Beschreibungen der einzelnen Methoden müssen in der Original- 
arbeit nachgesehen werden, die demnächst zur Veröffentlichung gelangen wird. 

P. hält es für berechtigt, die elastische Ligatur in geeigneten Fällen bei der 
Gastroenterostomie und Enteroanastomose auch am Menschen anzuwenden, ebenso 
die angegebene Methode mit dem Murphyknopfe zu versuchen. Weitere Experi- 
mente scheinen jedoch in mancher Beziehung noch wünschenswert. 

(Selbstbericht.) 


d. Haasler (Halle): Cholecystektomie und Hepatopexie. 

H. beschreibt ein Operationsverfahren, das dazu dienen soll, die häufige Kom- 
plikation des Gallensteinleidens, die partielle Hepatoptose, gleichzeitig mit dem 
Steinleiden zur Heilung zu bringen. 

So selten die totale Hepatoptose ist, so häufig ist die partielle, in ihren ge- 
wohnlichsten Formen als Schniirleber, Riedel’scher Lappen, flottierender Lappen 
bekannt. Auch ohne Vorhandensein von Gallensteinen können diese Ptosen Anlaß 
zu Koliken mit Ikterus und Fieber geben. In anderen Fällen sind sie mit dem 
Steinleiden selbst kombiniert. Da nun dem Gallensteinleiden gegenüber die Cyst- 
ektomie mehr und mehr das operative Normalverfahren wird, so war H. bestrebt, 
die Ektomie mit der Hepatopexie zu kombinieren, das Material zur Leber- 
befestigung von der Gallenblase zu entnehmen. Dies geht in den Fällen, in denen 
ein Mesenterium der Gallenblase vorbanden ist; wenn man in solchen Fällen noch 
Serosalappen von der Gallenblase bildet, so erhält man bereits brauchbares Mate- 
rial, noch besseres, wenn man die totale subseröse Auslösung der Gallenblase 
(Witzel) ausführt. 

Die bisherigen Methoden der Hepatopexie wählen zum Teil falsche Richtung 
der Fixation, vielfach auch ungeeignetes Gewebe zur Befestigung. Die Richtung 
muß nach der Stelle der festesten Fixation, nach der rechten Zwerchfellkuppe sein. 

Nach diesen Gesichtspunkten schlug H. bei Gallensteinen und Hepatoptose 
folgendes Verfahren ein: Subseröse Cystektomie, Lösung des Serosaschlauches an 
der Kuppe, sorgfältige Gefäßschonung. Verwendung dieser Serosahülle als Liga- 
ment: Stumpfes Durchgehen durch das Leberparenchym an einer Stelle, die nach 
Ausdehnung und Form des beweglichen Lappens gewählt wird; Hindurchziehen 
des Neoligamentes durch das Leberparenchym, Fixierung des Bandes bei seinem 


1288 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 


Austritt aus der Leberkapsel mit zwei starken Nähten am Rippenbogen (achter 
Rippenknorpel), Ausbreiten des freien Endes des Bandes zwischen Leberkuppe und 
Zwerchfell nach Anfrischen der Kapsel. 

Das Band besitzt eine überraschende Festigkeit und Zugkraft, Schnürlappen, 
die tief in der Fossa iliaca standen, konnten bequem in der Höhe des Rippen- 
randes befestigt werden. 

H. hat diese Operation bisher in fünf Fällen mit gutem Erfolg ausgeführt. 
Die Indikation gibt die genannte Komplikation von Steinen der Gallenblase mit 
partieller Hepatoptose, sowie auch Behinderung der Hepaticus- oder Choledochus- 
drainage durch einen abnorm beweglichen rechten Leberlappen. 

(Selbstbericht.) 


e. Lichtenstern (Wien): Uber Funktionsstérungen der nach Nephr- 
ektomie restierenden Niere. 

L. (Abteilung Prim. Zuckerkandl) bespricht die Methoden der funktionellen 
Nierendiagnostik und kommt zu dem Schluß, daß keine der Methoden ein abso- 
luter Gradmesser für Nierenarbeit ist. Die Phloridzinmethode, in der Modifikation 
von Kapsammer, versprach sehr viel, aber die klinischen Erfahrungen haben ge- 
lehrt, daß ihr große Fehlerquellen anhaften. L. konnte am letzten Kongreß 
in Meran durch klinische Beobachtungen wie durch Tierexperimente erweisen, daß 
das rechtzeitige Auftreten von Zucker nach Phloridzininjektion kein Beweis für 
Nierengesundheit sei; denn schwerkranke Nieren könnten die Reaktion rechtzeitig 
zeigen. Haberer und Clairmont befassen sich in zwei jüngst erschienenen Ar- 
beiten mit dieser Frage und sprechen der Methode Verläßlichkeit zu. Durch 
diese Arbeiten veranlaßt, wurde eine größere Anzahl von nephrektomierten Pat., 
deren Operation Jahre zurückliegt, die sich dauernd vollkommener Gesundheit er- 
freuen, deren Harnbefund vollständig normal ist, dieser Untersuchung unterzogen. 
Es ließ sich der Beweis erbringen, daß bei diesen Pat., bei denen die eine Niere 
in einwandsfreier Weise die Funktion für den ganzen Organismus übernommen hatte, 
ebenfalls Atypien der Zuckerausscheidung vorkommen, daß Verzögerungen ein- 
treten, daß die bei demselben Pat. zu verschiedenen Zeiten ausgeführten Versuche 
verschiedene Resultate geben. 

Diese Untersuchungen bestätigen noch einmal die früheren Befunde und zeigen, 
daß die zeitliche Zuckerbestimmung nach Phloridzininjektion kein Reagens für 
Nierenarbeit ist und deshalb eine für die Klinik unverläßliche Methode darstellt. 

(Selbstbericht.) 


f. Samter (Königsberg i. Pr.): Über traumatische Entstehung und 
operative Heilung der Serratuslähmung. 

Die traumatische Entstehung der Serratuslähmung (soweit sie nicht mit mehr 
oder weniger ausgedehnten Plexuslähmungen kompliziert ist), ist bisher nicht ge- 
nügend erklärt. S. hat an Leichen und bei Gelegenheit von Operationen (Mamma- 
amputationen mit Achselhöhlenausräumung) Feststellungen gemacht, welche er- 
gaben, daß der N. thoracalis longus durch den Proc. coracoideus gegen die 
gegenüberliegende Rippe gequetscht wird, wenn das Schulterblatt nach 
unten vorn und innen gegen den Thorax bewegt wird. Der qu. Nerv 
kreuzt sich senkrecht mit dem Proc. coracoideus. Von Einfluß auf das Zustande- 
kommen der Lähmung ist ersichtlich die Entwicklung des Fettpolsters hier und 
der Muskelmasse des Serratus. Es erklärt sich so das Vorkommen bei schwäch- 
lichen Personen. Da die obersten Zweige des Nerven nicht getroffen werden, so 
wird die Angabe Steinhausen’s verständlich, daß die partiellen Lähmungen 
häufiger als die totalen sind. Die Bedingungen für den geschilderten Mechanis- 
mus sind gelegentlich auch intra partum gegeben (Herunterschlagen des Armes bei 
Beckenendlagen:.. 

S. hat ein 12jähriges Mädchen operiert, bei welchem nach Ilmonatigem 
Bestande vollständiger Funktionsausfall vorhanden war. Der Arm konnte knapp 
bis zur Horizontalen erhoben werden; Flügelstellung besonders beim Vorwärts- 
strecken des Armes; Schulterblatthochstand. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1289 


Der Nerv wurde zunächst an der seitlichen Brustwand, sodann auch am Halse 
freigelegt. Die faradische Reizung mit feinster Elektrode (nach Krause) ergab an 
beiden Stellen, daß nur die obersten Zacken des Muskels reagierten. Die sterno- 
kostale Portion des M. pectoralis major wurde an ihrer sehnigen Endigung vom 
Oberarm abgelöst und, während der Arm eleviert wurde, am unteren Schulterblatt- 
winkel angenäht, nach vorangegangener Anlegung von zwei Bohrlöchern an dieser 
Knochenstelle. Nachbehandlung in elevierter Stellung (gegen Narbenretraktion). 
12 Tage nach der Operation war völlige Wiederherstellung der 
Funktion eingetreten, die bis jetzt andauert. Der Arm kann vertikal er- 
hoben werden, der bedeutende Schulterblatthochstand ist verschwunden. 

Der Ausfall der sternokostalen Portion des Pectoralis major am Arm ist ohne 
Folgen für den letzteren geblieben. 

Die Operation verspricht nicht bloß bei traumatischen und spontanen Läh- 
mungen Erfolg, sondern auch beim angeborenen Defekte des Serratus, wofern der 
Pectoralis major vorhanden ist, sowie bei manchen Fällen von angeborenem 
Schulterblatthochstande. 

Bei unblutiger Behandlung dürfte die Anwendung der Elevation des Armes 
der Dehnung des gelähmten Muskels entgegenwirken. 

Demonstration von Photographien vor und nach der Operation. 

(Selbstbericht.) 


g. Hirsch (Wien): Über isolierte, subkutane Frakturen einzelner 
Handwurzelknochen. 

Vortr. erörtert an der Hand von elf in der v. Mosetig’schen Abteilung 
in Wien selbst beobachteten Fällen die Pathologie und Therapie dieser vor 
der Röntgenära nicht gekannten Verletzung. Am häufigsten bricht das Os navi- 
culare, nach Quervain fast ebenso oft als der Radius. Nach dem Verlaufe der 
Bruchspalte unterscheidet Vortr. zwei Formen: 1) die Fraktur des Kahnbein- 
körpers, die stets intrakapsulär verläuft, und 2) die bisher nicht beschriebene 
Fraktur der Tuberositas ossis navicularis, dieextrakapsulär liegt. Die 
extrakapsuläre Form heilt stets knöchern, bei der intrakapsulären kommt es zu- 
meist zur Pseudarthrosenbildung mit schwerer Funktionsstörung. Die Gewalt- 
einwirkung ist stets eine indirekte und findet auf die radial- oder ulnarflek- 
tierte Hand statt. Nach dem Entstehungsmechanismus unterscheidet Vortr. 
drei Formen: 1) den Kompressionsbruch, 2) den Biegungsbruch und 
3) die Rißfraktur. ; 

Die Symptome sind so charakteristisch, daB es bei einiger Ubung stets ge- 
lingt, die Diagnose mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit zu 
stellen; véllige GewiGheit bringt erst das Röntgenogramm. Das wichtigste Symptom 
ist der auf die Tabatiére lokalisierte Bruchschmerz. 

Die Therapie der extrakapsulären Frakturen besteht in Immobilisation der 
Hand mit folgender Massagebehandlung; bei der intrakapsulären Form verzichtet 
Vortr. auf knöcherne Heilung und sucht durch frühzeitige Bäder- und Massage- 
behandlung eine gute Funktion zu erzielen. Bei schwerer Funktionsstörung oder 
starker Dislokation der Fragmente kommt die operative Entfernung des fraktu- 
rierten Knochens oder seines proximalen Fragmentes in Betracht. 

Was die Fraktur des Os lunatum anlangt, konnte der Vortr. den wenigen 
in der Literatur beschriebenen Fällen drei eigene hinzufügen; Frakturen der 
übrigen Karpalknochen hat er nicht beobachtet. (Selbstbericht.) 


Brigel (Stuttgart): Auf der chirurgischen Abteilung des Katbarinenhospitals 
sind 8 isolierte Brüche des Os naviculare, 4 des lunatum, 2 des capitatum beob- 
achtet, am Lunatum und Capitatum öfters nur Absprengungen festgestellt worden, 
die — namentlich bei stärkeren Anstrengungen — erhebliche Beschwerden verur- 
sachten. Es empfiehlt sich, solche röntgenographisch nachgewiesene Absprengungen 
operativ zu entfernen. 

Grashey (München) berichtet über verschiedene Frakturen von Handwurzel- 
knochen, zum Teil kombiniert mit solchen der unteren Enden der Vorderarm- 


1290 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 


knochen aus der Münchener chirurgischen Klinik, die demnächst genau veröffent- 
licht werden sollen. Die oft gute Heilung derselben mit Gebrauchsfähigkeit der 
Hand spricht dafür, daß bei dauernden nachteiligen Folgen solcher Verletzungen 
einer begleitenden Weichteilschädigung (Gelenkkapsel, Bänder) die wesentliche 
Bedeutung zukommt. Auch isolierte Brüche der Fußwurzeilknochen, namentlich 
des Os naviculare, scheinen häufiger zu sein, als man bisher annahm. 


h. Bade (Hannover): Zur Lehre von der angeborenen Hüftverren- 
kung. 

B. berichtet erstens über drei Fälle von angeborener Hüftverrenkung, bei 
denen die Ossifikationsvorgänge im Kopf derartige Anomalien darboten, daß B. 
glaubt, in solchen seltenen Fällen die Ursache der angegebenen Hüftverrenkung in 
einer schleichenden Erkrankung des Femurkopfes erblicken zu müssen. 

Im ersten Falle fehlte der knöcherne Kopf, zu einer Zeit, wo er sonst schon 
vollkommen gut ausgebildet ist. Im Laufe der Behandlung, nach 6 Monaten, 
zeigten sich die ersten Spuren eines scheibenförmigen Kopfes auf dem Röntgen- 
bilde. Im zweiten Falle schwand der vor der Behandlung deutlich sichtbare Kopf 
bis auf einen ganz kleinen Rest. 1 Jahr nach der Behandlung war ein geringes 
Größenwachstum des Kopfes wieder eingetreten, und zwar anscheinend von zwei 
verschiedenen Ossifikationspunkten aus. In beiden Fallen war die Reposition ge- 
lungen und blieb bestehen. — Im dritten Falle bestanden klinisch alle Zeichen 
einer angeborenen doppelseitigen Hüftverrenkung ; röntgenographisch jedoch zeigte 
sich nicht nur der knöcherne Kopf, sondern auch der größte Teil des Halses ge- 
schwunden. Im letzten Falle war jeder Repositionsversuch umsonst. 

Zweitens stellt B. 5 Kinder vor, die er anatomisch und funktionell geheilt 
hat, und bespricht an der Hand dieser Fälle, die alle nicht ganz gleichartig be- 
handelt waren, seine Behandlungsweise der angeborenen Hüftluxation: 

1) Bei einseitigen Fällen kurze Verbandperiode von 3—5 Monaten, wenn die 
primäre Stabilität eine gute ist, wenn sich das obere Pfannendach röntgenographisch 
gut entwickelt zeigt, wenn keine abnormen Ossifikationsvorginge im Kopf und 
Schenkelhals sich abspielen. 

2) Länger dauernde Verbandperiode (5—7 Monate), wenn die Bedingungen 
unter ]) nicht alle zutreffen. Ausgiebige Benutzung der Röntgenuntersuchung, um 
die Stellung des Kopfes im Verband klarzulegen. Kniekappenzug, wenn der Kopf 
weit vom Pfannengrund absteht und trotz Vermehrung der Flexionsstellung sich 
nicht dem Pfannengrunde nähert. Der erste Verband umschließt das krankseitige 
Knie. In den folgenden Verbänden wird das Knie gestrekt, die Abduktion all- 
mählich verringert und Innenrotation eingestellt. Im ersten Verbande geht das 
Kind nicht; ist das Knie gestreckt und innenrotiert, so geht das Kind im Ver- 
bande mit einer entsprechenden Sohlenerhöhung auf der gesunden Seite. 

3) Doppelseitige Luxationen behandelt B. zweizeitig, wenn die Kinder jung 
sind und die Stabilität ungleichmäßig ist. Die Seite mit der besten primären 
Stabilität wird zuerst behandelt, weil die Gefahr der Reluxation nachher, wenn 
diese Seite die hohe Sohle tragen muß, die geringere ist. 

Einzeitig behandelt er die doppelseitige Luxation, wenn die primäre Stabilität 
eine gleichmäßige ist, und immer bei älteren Fällen. B. stellt ebenfalls eine ge- 
heilte Destruktionsluxation vor, die er nach den aufgestellten Grundsätzen be- 
handelt hat. (Selbstbericht.) 


i. Lorenz (Wien): Behandlung des Malum senile coxae. 

Die chronische deformierende Entzündung des Hüftgelenkes ist nach L. nicht 
ein die ganze Dicke des Gelenkskörpers betrefiender Erweichungsprozeß, auf Grund 
dessen die Formveränderungen entstehen. sondern vielmehr ein durch primäre Er- 
krankung des Knorpels bedingter Oberflächenprozeß, der auf dem Wege zur De- 
formierung führt, daß der degenerierte Knorpel den Knochen nicht mehr schützt, 
dieser einerseits abgeschliffen wird, andererseits mit vitaler Reaktion (Sklerosierung) 
antwortet, während andere, außer Funktion gesetzte Teile der Atrophie verfallen. 
Der funktionelle Reibungsdruck verursacht Schmerz; die Rigidität des Gelenkes 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1291 


und dessen schon frühzeitig nachweisbare Einstellung in Flexion und Adduktion 
ist die Hauptursache des Hinkens. Die deformierende Gelenksentzündung bean- 
sprucht deshalb erhöhtes Interesse, weil die Erfahrung zeigt, daß schon das mittlere 
Lebensalter, ja sogar die Jugend einen nicht geringen Teil der Fälle liefert. Die 
Behandlung wird zunächst je nach dem Alter der Pat. verschieden sein müssen, 
sie wird energischer bei jugendlichen, konservativer bei älteren Pat. sein. L. be- 
kennt sich als Gegner der schablonenhaften Anwendung der extendierenden 
Schienenhülsenapparate, durch welche das Bein von jedweder Funktionsleistung 
ausgeschaltet wird und unvermeidlich der Inaktivitätsatrophie verfällt, so daß der 
Pat. schließlich wie ein Amputierter der Sklave seiner Krücke wird. Bei noch 
verhältnismäßig jugendlichen Pat. ist eine so eingreifende Therapie durch das 
Leiden kaum gerechtfertigt. Nach L. braucht das erkrankte Bein der Funktion 
des Lasttragens gar nicht notwendig entzogen zu werden, es genügt vielmehr zur 
Schmerzstillung die bloße Aufhebung der Reibung der Gelenkskörper gegen- 
einander, was durch eine andauernde Fixierung des Gelenkes erreicht wird. Damit 
wäre aber den Indikationen nur zur Hälfte entsprochen. In der Flexions-, Adduk- 
tionsstellung hat das Gelenk die geringste innere Festigkeit, da alle Verstärkungs- 
bänder der Kapsel in dieser Stellung erschlafft sind und die atrophische, pelvi- 
trochantere Muskulatur nicht einmal imstande ist, das Becken auf dem krankseitigen 
Standbeine horizontal zu balanzieren, geschweige die Gelenkskörper zu stützen. 

Das Gelenk muß daher in jene Stellung überführt werden, bei welcher es die 
größte innere Festigkeit Belastungswirkungen gegenüber aufbringt. Diese Stellung 
ist nach L. in erster Linie eine ziemlich starke Überstreckung, durch welche die 
mächtigsten Verstärkungsbänder des Hüftgelenkes, sowie die Flexionsmuskulatur 
zur Anspannung gelangen und dadurch das Gelenk festigen; in zweiter Linie steht 
die Überführung der Adduktionskontraktur (nach L. das perpetuierte Trendelen- 
burg’sche Phänomen) in leichte Abduktion bis etwa zum beiläufigen Ausgleiche 
der eventuellen Verkürzung. Der kurze, bis zum Knie reichende Verband erlaubt 
aktive Abduktionsübungen durch nach abwärts Stoßen und in die Höhe ziehen des 
gesundseitigen Beines. Nach mehrmonatiger Fixation folgt gymnastische und 
Massagebehandlung mittels aktiver und passiver Abduktion und Uberstreckung. 
Der Fixierung dient nunmehr eine abnehmbare Hüfthülse, welche, mit L.'scher 
kontralateraler Tuberstütze versehen, die Beckensenkung beim Auftreten auf das 
krankseitige Bein (Rezidive der Adduktion) verhindert. Schließlich gehen die Pat. 
unter Fortsetzung ihrer Übungen allmählich auch ohne Apparat. Der Vorteil dieser 
Behandlung ist Einfachheit, Wegfall der schädlichen totalen Funktionsausschaltung 
ıles Beines, wodurch dem Pat. das deprimierende Gefühl der Krüppelhaftigkeit er- 
spart bleibt. Bei funktioneller Ankylose der Kontrakturstellung ist die subtrochan- 
tere Osteotomie das am schonendsten zum Ziele führende Korrektionsmittel. Die 
Gelenksresektion verwirft L. unter allen Umständen, da ihr einziges Resultat 
‘Stellungskorrektur) auf weit einfacherem Wege (Osteotomie) ohne die langwierige 
Nachbehandlung erreichbar ist. Bei alten Leuten wird sich die Therapie auf Fixie- 
rung des Gelenkes in pathologischer Stellung, wenn nötig auf die Anwendung der 
Entlastangsapparate zu beschränken haben. Doch kann die Osteotomie selbst in 
solchen Fällen manchmal noch gerechtfertigte Anwendung finden. 

(Selbstbericht.) 


Bade (Hannover): Auf Grund von Röntgenbildern hat man zu unterscheiden 
hypertrophische und atrophische Formen von Arthritis deformans coxae. Beide 
lassen sich wieder einteilen in homozentrisch und exzentrisch hypertrophische und 
atrophische Formen, je nachdem Ausbildung oder Schwund von Knochensubstanz 
die Form des koxalen Oberschenkelendes vermindert oder unbeeinflußt läßt. Die 
Verschiedenartigkeit und Gegensätzlichkeit dieser Formen läßt auf eine verschie- 
dene Atiologie schließen. 

Bei der Arthritis deformans des Hüftgelenkes wendet B. sogenannte entlastende 
Schienenhülsenapparate schon seit 6 Jahren nicht mehr an, weil sie den Pat. zum 
Sklaven des Apparates machen, nicht nützen, nur schaden durch Muskel- und 


1292 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 


Knochenatrophie. Er wendet systematische Gymnastik, Massage, Heißluft an und 
empfiehlt das Radfahren. 
Tilmann (Köln) empfiehlt bei alten Leuten Heißluftbehandlung. 


k. Guradze spricht über Behandlung des Genu valgum. 

Unter Betonung, daß es sich um eine Deformität des ganzen Beines handle, 
demonstriert Vortr. an Knochenpräparaten und Röntgenbildern die Veränderungen 
in Diaphysen und Epiphysen, sowie die von J. Wolff studierten Knochenstruktur- 
verhältnisse. Am Knochenpräparate ließ sich die Torsion von Oberschenkel und 
Tibia, sowie der kompensatorische Pes varus gut veranschaulichen. Sodann folgte 
an der Hand von Photographien eine große Anzahl behandelter Fälle, welche mit 
Schienen oder Schienenhülsenapparaten bzw. redressierenden Verbänden oder 
lineärer Oberschenkelosteotomie behandelt waren. — Besondere Besprechung erfuhr 
der Fall eines 10jährigen Mädchens, welches bei einer Größe von 112,5 cm einen 
Fersenabstand von 32 cm (ungefähr 1/3 ihrer Größe) aufwies. Hierbei traten der- 
artig starke Veränderungen in den Hüften und den Oberschenkeln im Sinne der 
Torsion zutage, daß die Pat. mit leichter Mühe die Beine so nach außen herum- 
drehen konnte, daß der Fuß nicht nur senkrecht nach hinten, sondern von da aus 
nach innen in die Frontalebene gedreht werden konnte. — Behandlung: Doppel- 
seitige lineare Oberschenkelosteotomie. Das Resultat nach 2 Monaten: Knie und 
Knöchelschluß; dabei war das Kind in der entsprechenden Stellung um 91/3, cm 
größer geworden und konnte die Beine nunmehr nur noch in ganz normalen 
Grenzen nach außen rotieren. (Selbstbericht.) 


Schultze übt seit Jahren die lineäre Osteotomie von außen, verbindet aber 
zunächst — nach Deutschländer — in der alten X-Beinstellung und korrigiert 
diese erst nach 10 Tagen unter Anlegung eines Gipsverbandes. Ob im ersten De- 
zennium redressiert oder die blutige Operation ausgeführt werden soll, richtet sich 
nach der Festigkeit des Knochens. 

Lorenz (Wien): Für die Voranwendung des Condylus int. ist nicht nur die 
Torsion der Knochen, sondern mehr noch die Außenrollung der Hüfte verantwortlich 
zu machen, durch die der Deformitätswinkel aus der frontalen in eine mehr sagit- 
tale Stellung gebracht und die Deformität, wenn sie beidseitig auftritt, einer beid- 
seitigen Kniekontraktur ähnlich wird. Die Außenrollung des Hüftgelenkes ist auch 
die Ursache des scheinbaren Schwindens des Genu valgum beim Sitzen des Pat. 
L. empfiehlt im allgemeinen die lineare, subkutane, suprakondyläre Ostetomoklasie, 
eine Verbindung der inkompletten Osteotomie mit unmittelbar darauf folgender 
Osteoklase. Sie wird oberhalb des Condylus ext. gemacht, damit das Periost am 
Condylus int. erhalten und dadurch sekundären Verschiebungen der Knochen- 
trennungsflächen vorgebeugt wird. 

Bade (Hannover): Mit der lineären Osteotomie kommt man selbst beim hoch- 
gradigsten X-Bein aus. B. erwähnt einen doppelseitigen Fall, bei dem der Abstand 
der Malleoli interni 90 cm betrug. Der Winkel, den beide Unterschenkel bildeten, 
maß 125°. Die Pat. war 10 Jahre nicht mehr gegangen. Einfache Osteotomie 
— keine Keilosteotomie — brachte vollständige Korrektur. 

B. glaubt, daß die in Deutschland so selten geübte Osteoklasie dann häufiger 
geübt werden würde, wenn uns bessere Osteoklasten zur Verfügung ständen. 


l. v. Aberle (Wien): Über das modellierende Redressement des 
Klumpfußes Erwachsener. 

v. A. führt das unblutige, modellierende Redressement selbst bei den hoch- 
gradigsten Klumpfüßen Erwachsener (22—40 Jahre) aus und demonstriert die er- 
reichten Resultate sowohl an einem Pat., als auch an der Hand von Gipsmodellen, 
die vor und nach der Operation abgenommen wurden. Nur muß die Operation 
unter bestimmten Kautelen ausgeführt werden. v. A. spricht sich entschieden 
gegen die Anwendung der namentlich beim inveterierten Klumpfuß empfohlenen 
blutigen Operationsverfahren (Talusexstirpation, Keilosteotomie) als verstümmelnde 
Operation aus, während durch das unblutige Verfahren eine fast normale Länge 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1293 


des Fußes erzielt wird. Das Redressement ist erst dann als vollendet zu betrach- 
ten, wenn der Fuß zu einem ausgesprochenen Plattfuß geworden ist. Für gewöhn- 
lich wird das Redressement in zwei Sitzungen ausgeführt. Auf unblutige Art läßt 
sich in jedem, auch noch so schweren Fall ein sowohl kosmetisch als funktionell 
gleich gutes Resultat erzielen. (Selbstbericht.) 


Müller (Stuttgart) empfiehlt für den Erwachsenen bei Klumpfuß Keilexzision 
aus dem Tarsus. Die Behandlung dauert nur 6—8 Wochen — statt 4 Monaten — 
und erfordert nur eine Narkose. Wenn der Fuß durch sie auch verkürzt wird, so 
erhält er doch eine schöne Form, zeigt keine seitliche Abweichung, gestattet Auf- 
treten mit der vollen Sohle und Abwickelung. Der Pat. Aberle’s tritt in Calca- 
neusstellung auf. 


Schultze ist gegen blutige Behandlung. Das Redressement wird stets mit 
Lorenz’ Östeoklast eingeleitet und die Equinusstellung mit dem Osteoklasten 
Schultze abgeschlossen, womit die Korrektur eine vollständige wird. Grundsatz 
muß sein: wachsweich mobilisieren, den Sinus Tarsi ausmodellieren, in Über- 
korrektur fixieren. 


18) Lynch. A few wounds observed during the japanese russian war. 
(Post-graduate 1906. August.) 


Verf., amerikanischer Militärarzt, hat eine Anzahl der in Japan selber befind- - 
lichen großen Lazarette besucht und macht hier von den Eindrücken Mitteilung, 
welche er dort erhalten hat. 

Auffallend war die große Zahl der durch Schrapnellgeschosse Verletzten: 12 bis 
18% aller Verwundeten, die in Behandlung gekommen sind, gehörten dieser Kate- 
gorie an. Derartige Wunden vereiterten fast immer, oft fanden sich in den Wunden 
Fremdkörper, die das Geschoß mitgerissen hatte. 

82 bis 85% aller Verwundungen waren durch Infanteriegeschosse erzeugt. Das 
japanische Geschoß ist nach des Verf.s Ansicht etwas zu human, das russische da- 
gegen mit seinem größeren Kaliber und seinem weniger festen Mantel wird leicht 
deformiert, oft schon vom Knochen des getroffenen Gliedes, und macht viel ernstere 
Wunden. 

Unter den ersten 1000 Operationen im Lazarett zu Hiroshima waren allein 102 
wegen Gefäßverletzung, fast durchweg mit Aneurysmenbildung. 

An der Hand einer Reihe von guten photographischen Aufnahmen demon- 
striert Verf. einige bemerkenswerte Verletzungen, zunächst ein Aneurysma der Art. 
subclavia, dann einen Pat. mit drei Gewehrschüssen; der erste hatte als tiefer 
Schädelstreifschuß zur Eiterung Veranlassung gegeben, der zweite vom Nabel bis 
zur Wirbelsäule den Leib durchdrungen und eine Lähmung des linken Beines her- 
vorgerufen, der dritte vom rechten Schlüsselbein bis zum Schulterblatt die 
Lungenspitze durchbohrt; alle diese Verletzungen hat der Getroffene überstanden. 

Hieb- und Stichwunden machten kaum 1% der Gesamtzahl aus. 

Weitere Abbildungen gibt Verf. von einem in den Schädel eingedrungenen, 
aber noch zum Teil aus ihm hervorragenden Infanteriegeschoß, von schwerster 
explosionsartiger Zerstörung der unteren Gesichtspartie durch Nahschuß mit In- 
fanteriegeschoß, endlich von zwei Fällen von Hirnbrüchen. 

Diese seine Erfahrungen veranlassen den Verf., vor allzu eifrigem Operieren 
bei Hirnschüssen nachdrücklich zu warnen. Es waren eine ganze Reihe von Ver- 
letzten vorhanden, die von russischen Arzten wegen dieser Indikation alsbald tre- 
paniert ‚worden waren; dadurch aber war zu vielen Hirnvorfällen Veranlassung ge- 
geben worden. 

Zwei Fälle von schwerster Zerschmetterung vom Bein bzw. Fuß durch Hand- 
granate bzw. Infanterienahschuß verfielen der Amputation. 

Dasselbe war bei einer ganzen Reihe von Erfrierungen der Gliedmaßen nötig, 
die besonders an verwundeten Gliedern oft zur Beobachtung kam. 

Im Januar 1905 sind Amputationen wegen Erfrierung bei 1200 bis 1600 japa- 


1294 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 


nischen Soldaten ausgeführt worden. Mehrere Abbildungen zeigen Beispiele 
dieser Art. W. v. Brunn (Rostock). 


19) Libman. On some experiences with blood-cultures in the study 
of bacterial infections. 
(John Hopkins hospital bulletin 1906. Juli.) 


Verf. hat das Blut von über 700 Personen, die entweder an bakteriellen In- 
fektionskrankheiten litten oder einer solchen verdächtig waren, auf die Anwesen- 
heit von Bakterien hin untersucht. Er berichtet hier nicht über das gesamte Ma- 
terial, sondern nur über einige der Beachtung werte Untersuchungsresultate. 

Im allgemeinen wurden jedesmal 25 ccm Blut entnommen. 

Zur Züchtung der Bakterien bediente sich Verf. verschiedener näher beschrie- 
bener Modifikationen eines Peptonbouillonagars, sowie eines Serumagars und eines 
Glukoseserumnährbodens. 

68mal fand er Streptokokken, besonders in Fällen, wo die Infektion von den 
Mandeln, den Ohren, vom Harn-Geschlechtsapparat ihren Ausgang genommen 
hatte; auch in Fällen von Wundeiterung traumatischen Ursprunges, oft bei Endo- 
karditis, in einem Falle von Erythema nodosum, sowie bei mehreren Fällen von 
Mischinfektion waren Streptokokken im Blute nachweisbar. 

Mikrokokkus aureus fand sich 28mal, besonders oft bei Osteomyelitis, dann 
bei Furunkeln und Phlegmonen, 2mal auch — eine seltene Beobachtung — bei 
. Puerperalfieber. 

Die Befunde von Staphylokokkus albus im Blute sind dem Verf. selbst inso- 
fern etwas zweifelhaft, als es ihm mehrfach begegnete, daß er bei der einen Unter- 
suchung Staphylokokkus albus, aber vielleicht schon am folgenden Tage Staphylo- 
kokkus aureus aus dem Blute desselben Kranken züchten konnte. 

4mal fand sich der Pneumokokkus in Fällen, die mit Pneumonie selbst nichts 
zu tun hatten, 2mal bei Endocarditis acuta, 1mal bei einer Zeheneiterung, 1mal 
bei einer Eiterung der Nasennebenhöhlen mit Hirnabszeß. 

Mikrokokkus citreus konnte in einem Falle sowohl im Blut als auch im 
Knochenmark eines Pat. mit Osteomyelitis nachgewiesen werden. — Bacillus pyo- 
cyaneus fand sich einmal zugleich mit Mikrokokkus aureus in einem tödlich endi- 
genden Falle. — Bei einem Falle von Cholecystitis beherbergte das Blut einen 
Parakolonbazillus. — Bacillus proteus fand sich zugleich mit Streptokokken in 
einem Falle von Urämie. — Bakterium coli war im Blut eines Kranken nach 
Urethrotomia int. vorhanden. — Einigemal wurden in geeigneten Fällen Anaeroben- 
kulturen angelegt, aber ohne Erfolg. — Alle Fälle mit mehreren Bakterienarten 
im Blut endigten tödlich. 

In 25 Fällen von Peritonitis aus verschiedenen Ursachen war das Blut steril. 
In sieben sicheren und drei wahrscheinlichen Fällen von Pylephlebitis war das 
Blut ebenfalls stets frei von Keimen. Dagegen waren bei Fällen von Infektion 
im Bereiche des weiblichen Geschlechtsapparates die Befunde meist positiv; um- 
gekehrt kamen aber auch einzelne Fälle schwerster Erkrankung mit zahlreichen 
Metastasen vor, wo niemals Bakterien im Blute gefunden wurden. Ebenso war es 
mit den Eiterungen otitischen Ursprunges. 

Eine Reihe von Kranken mit Pseudoleukämie, mit multipler obliterierender 
Endopblebitis, Landry’scher Paralyse, febriler Neuromyositis, akuter Leukämie 
hatten keine Bakterien im Blute. — Groß ist das Material bezüglich der Endo- 
karditis; hier war der Befund sehr oft positiv: Streptokokken, Pneumokokken, 
Mikrokokkus aureus, zweimal auch Gonokokken. 

Verf. geht noch sehr ausführlich auf eine kritische Besprechung darüber ein, 
welche Ursachen in den einzelnen Fällen dazu beigetragen haben können, den Be- 
fund positiv bzw. negativ zu gestalten, und schließt mit einer Zusammenstellung 
der aus seinem Materiale zu entnehmenden, aber nur mit äußerster Vorsicht zu 
verwertenden diagnostischen Anhaltspunkte, welche eine bzw. eine mehrfach wieder- 
holte Blutuntersuchung zu geben vermag. 

Literaturverzeichnis von 53 Nummern. W. v. Brunn (Rostock). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1295 


20) Lancereaux. Les andvrismes des gros vaisseaux, étiologie et 
pathogénie, leur traitement par le sérum gelatine. 
(Gaz. des hopitaux 1906. Nr. 73.) 

L. halt die Gelatineinjektionen nach wie vor fiir die beste Behandlung der 
inoperablen Aneurysmen. Bei ca. 1200 Injektionen hatte er nie Übelstände ge- 
sehen. Eine keimfreie Lösung könne bei richtiger Technik stets erzielt werden. 
(Einzelheiten dieser Technik werden nicht angeführt.) Die Zahl der für den Einzel- 
fall notwendigen Injektionen von 200 g 2,5—3,dxiger Gelatinelösung betrug bis 
30 in 5—6tägigen und längeren Intervallen. V. E. Mertens (Breslau). 


21) S. Teufel (Sarajevo). Ein Fall von Hämoglobinurie und Nephritis 
nach Injektion mit Jodoformemulsion. 
(Liecnicki viestnik 1906. Nr. 2. [Krostisch.)) 


Bei einem 6jährigen Madchen wurde am 27. Marz 1905 in Preindlsberger’s 
Abteilung ein perikoxitischer kalter Abszeß punktiert und 40 ccm 10xiger Jodo- 
formemulsion injiziert. Nachmittags blutiger roter Harn (akute Hämoglobinurie). 
Um 5 Uhr Inzision und Entleerung der noch vorhandenen Emulsion. Am 30. März 
verschwanden aus dem Urin die Blutbestandteile, das Eiweiß jedoch erst am 
13. April. 

Da keine Anzeichen von Jodoformintoxikation vorhanden waren, so nimmt 
Verf. als das Wahrscheinlichste an, daß es sich um eine Glyzerinvergiftung gehan- 
delt hat und empfiehlt, Olivenöl statt Glyzerin zur Bereitung der Jodoformemulsion 
zu benützen. v. Cackovit (Zagreb-Agram). 


22) 8. Teufel (Sarajevo). Nephritis mit letalem Ausgang infolge 
wiederholter Chloroformnarkosen. 
(Liecnicki viestnik 1906. Nr. 2. [Kroatisch.)) 

Der 21jahrige Pat. wurde in seinem Arbeiterspital am 26. und 27. März nar- 
kotisiert, um eine Hiiftverrenkung zu reponieren. Als dies nicht gelang, wurde 
er ins Landesspital nach Sarajevo transportiert, und dort am 29. März von 
Preindlsberger in Narkose mit Schleich’schem Siedegemisch die Verrenkung 
reponiert. Am 30. März im auffallend blutigroten Urin zahlreiche rote und weiße 
Blutkörperchen, hyaline und gekörnte Zylinder, deutlich Eiweiß, das immer mehr 
zunimmt (8—129/9 Essbach). Der Zustand verschlimmert sich zusehends, am 
22. April urämische Krämpfe, am 23. April Tod. — Bei der Sektion wurde eine 
schwere beidseitige parenchymatöse und interstitielle subakute Nephritis vorge- 
funden. 

Verf. nimmt als Ursache der Nephritis die drei schnell aufeinander folgenden 
Narkosen an. Die Möglichkeit, daß schon früher eine Nephritis bestanden hätte, 
ist ihm nicht wahrscheinlich, da ein Pat. mit dieser Krankheit nicht imstande ist, 
schwere Waldarbeit \Holzfällen usw.) zu verrichten. Hat aber dennoch eine solche 
Krankheit bestanden, so ist die schnelle Verschlimmerung und der Tod den wieder- 
holten Narkosen zuzuschreiben. Verf. warnt daher vor wiederholten Narkosen in 
kurzen Zwischenräumen. v. Cackovié (Zagreb-Agram). 


23) Cobb. Primary sarcoma of the omentum. 
(Annals of surgery 1906. Juli.) 

Verf. beschreibt einen Fall von primärem Sarkom des Netzes. Es handelte sich 
um eine Frau, welche unter Leibschmerzen und den Anzeichen chronischer Ver- 
stopfung erkrankt war. Bei der Laparotomie erwies sich die Geschwulst als nicht 
operabel; es wurde ein Stück exzidiert und mikroskopisch die Diagnose auf Rund- 
zellensarkom gestellt. Die in der Literatur veröffentlichten Fälle werden be- 
sprochen; C. kommt zu dem Schluß, daß es primäre Karzinome des Netzes nicht 
gebe, sondern daß diese primären Geschwülste stets Sarkome seien. Karzinome 
kämen nur sekundär, und zwar meistens im Anschluß an Ovarienkarzinome vor. 

Herhold (Brandenburg). 


1296 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 


24) L. Kirchmayr. Zur Pathologie und Therapie des Milzabszesses. 
Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXIII. p. 13.) 

K. berichtet aus der Büdinger’schen Krankenhausabteilung in Wien über 
einen glücklich operierten Fall von Milzabszeß, der nach Ablauf eines leichten 
Typhus entstanden war und in seinem Eiter Typhusbazillen enthielt. Die Diagnose 
war relativ frühzeitig möglich und stützte sich auf plötzliche, hohe Temperatur- 
steigerungen, sowie eine eigenartige kuppenförmige Dämpfung an der unteren 
linken Pleuragrenze. Dabei bestand aber freie Beweglichkeit der Lungengrenze 
ohne pleuritisches Reiben und Exsudat, auch ohne wesentliche Schmerzen. Nach- 
dem auch eine Probepunktion mit positivem Resultate vorgenommen, fand die 
Operation zweizeitig auf transthorakalem Wege statt. Resektion der 10. und 
11. Rippe, Eröffnung der ganz normalen Pleurahöhle, durch die man auf dem 
Zwerchfell eine fluktuierende Vorwölbung gewahrt. Vernähung der Rippenpleura 
mit der Zwerchfellpleura jenseits dieser Vorwölbung, Wundtamponade 4 Tage 
später nach eingetretener pleuritischer Verklebung Inzision der Vorwölbung und 
Entleerung des Abszesses nebst einem Milzsequester aus einer über hühnereigroßen 
Milzhéhle. Gazedrainage, allméhliche Ausheilung durch Granulation in 12/3; Mo- 
nsten. Bezüglich der klinischen Details, speziell betreffs der Leukocytenzählung, 
die übrigens nichts Besonderes ergab, sowie der genauen bakteriologischen Eiter- 
untersuchung wird auf das Original verwiesen. Letzteres geht in der Allgemein- 
besprechung auch gründlich auf die die Milzabszesse und posttyphösen Eiterungen 
betreffende Literatur ein, die in einem 54 Nummern zählenden Verzeichnis zusam- 
mengestellt ist. Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 





Berichtigung. 

In dem Referat von Grosse (Kassel): »H. Ladenburger, Operationen an Säug- 
lingen« findet sich der Satz: Weiter betont Verf. die Schwierigkeit des Sauberhalltens 
des Verbandes, besonders wegen der Spannungsverhältnisse der zu vereinigenden 
Werchtetle. 

In der Arbeit heißt es: Bei der Unmöglichkeit, den Verband vor Beschmuizung 
zu schützen, müssen wir bei Versorgung der Wunde anders vorgehen als bei Er- 
wachsenen. Schon bei der Wahl der Operationsmethode und bei der Operation selbst 
muß darauf Rücksicht genommen werden, möglichst rasch verklebende Wunden xu 
setzen. Wir werden alle komplizierten Methoden vermeiden, die Gewebe möglichst 
schonen. .....und uns hüten, Nähte unter starker Spannung anzulegen. 

Der Schlußsatz im Referat lautet: Zum Schluß teilt Verf. zwei Operationen 
an Säuglingen (Exstirpation eines 31/, Pfund schweren embryonalen Ntierensarkoms 
bei einem jährigen Kinde und Radikaloperation eines Nabelschnurbruches 5 Stunden 
nach der Geburt) mi, die beide tödlich verlaufen sind. 

Vom Tode des Kindes mit der Bruchoperation steht in der Arbeit überhaupt 
nichts. Das Kind mit dem Nierensarkom ist 1/4 Jahr nach der Operation an Me- 
tastasen gestorben. 

Die Arbeit sollte zeigen, daß auch außerhalb von Krankenanstalten unter 
schwierigen Verhältnissen eingreifende Operationen an Säuglingen gemacht werden 
können. Ich lege deshalb Wert darauf mitzuteilen, daß beide Operationen gut rer- 
laufen sind. 

Mannheim, Oktober 1906. 

Dr. H. Ladenburger. 


Berichtigung. In Nr. 41 p. 1094 Z. 20 v. u. lies Dauwe statt Darewe. 


a 
Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdruoke wolle man 
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser WilhelmstraGe 115), oder an die Verlags- 


handlung Breitkopf & Härtel, einsenden. 


Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig, Nürnbergerstraße 36/38. 


Zentralblatt 
CHIRURGIE 


herausgegeben 
f, vol 8 X i König, E. Richter, 





Dreiunddreißigster Jahrgang. 





Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei halbjähriger 
Vorauszahlung, Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten. 


Nr. 49. Sonnabend, den 8. Dezember. 1906. 





Inhalt: C. Springer, Zur Peritonealplastik mit isolierten Netzstücken. (Orig.-Mitteilg.) 

1) Homberger, Venöse Hyperämie. — 2) Pease, Tetanus. — 3) König, Knochen- und 
Gelenktuberkulose. — 4) Bade, Angeborene Mißbildungen. — 5) Deutschländer, 6) Ranzl, 
Knochenbrüche. — 7) Poulsen, Radiusbruch. 

W. v. Brunn, Zwei seltene Luxationen. (Original-Mitteilang.) 

8) Talma, Leukocytosepyämie. — 9) Pfeiffer, Maligne Lymphome. — 10) Biake, Tetanus. 
— 11) Kettner, Kleinkaliberschußverletzungen. — 12) M. v. Brunn, Knochenbrüche im 
Röntgenbilde. — 13) M. v. Brunn, Ostitis fibrosa. — 14) Zumsteeg, Diaphysentuberkulose. 
— 15) Kocher, Knochensarkome. — 16) Müller, Knochencysten. — 17) Dubulaboux, Schar- 
nier-Gipsschienen. — 18) Pagliano, 19) Marie u. Léri, Spondylosis rhizomelica. — 20) Hart- 
mann, Oberarmhalsbruch. — 21) Eichel, Naht der A. brachialis. — 22) Wiesmann, Doppel- 
seitiger Bicepsriß. — 23) Schnurpfell, Verreukung eines Interphalangealgelenkes des Klein- 
fingers. — 24) Timofejew, Ödem an Hand und Fuß künstlichen Ursprunges. — 26) Saxl, 
Abduktionskontraktur der Hüfte; der Gang bei Quadricepslähmung. — 26) Mc Gregor, Throm- 
bose der V. iliaca ext. — 27) Miller, Varicen des Beines. — 28) Poper, Lymphcyste des 
Oberschenkels. — 29) Grohe, Absprengung eines Stückchens Oberschenkelkopf. — 30) Müller, 
Biegungsbrüche. — 31) Sonntag, Schienbeinbrüche. — 32) Macartney, Zerreißung der 
Achillessehne. — 33) Schambacher, Geschwulst des N. peroneus. — 34) Reich, Gebrauchs- 
fähigkeit der Amputationsstümpfe des Unterschenkels. 





Zur Peritonealplastik mit isolierten Netzsticken. 


Bemerkungen zu dem gleichnamigen Aufsatze von Dr. Girgol aff 
in Nr. 46 dieses Blattes. 


Von 


Dr. Carl Springer, 
Privatdozent für Chirurgie in Prag. 


Auf Grund ganz analoger Versuche, gleichfalls an Hunden vor- 
genommen, erlaube ich mir, dem Aufsatze Girgolaff’s einige Aus- 
führungen hinsichtlich der praktischen Anwendung ungestielter Netz- 
lappen anzuschließen. Ich halte die praktische Brauchbarkeit 
derselben für nur in sehr engen Grenzen gegeben und den 

49 


1298 Zentralblatt fiir Chirurgie. Nr. 49. 


Satz Girgolaff’s, daß wir die Möglichkeit haben, Einge- 
weideverletzungen mit Netz zu bedecken, ohne daB es zu 
irgendwelchen Verwachsungen kommt, nach meinen Experi- 
menten an etwa 15 Hunden zu weitgehend. Diese Experimente 
stellte ich bereits vor 2!/, Jahren an. Ich hoffe nicht in den Ver- 
dacht einer Prioritätsanfechtung gegenüber Girgolaff zu kommen, 
wenn ich dies hier als Grundlage meiner Ausführungen hervorhebe; 
eine solche liegt mir um so Sicherer fern, als die Idee der ungestielten 
Netztransplantation schon vor längerer Zeit von Senn in die Tat 
umgesetzt wurde. 

Ich kann die Versuchsergebnisse Girgolaff’s, soweit sie sich 
auf die ausgedehnte Überpflanzungsfähigkeit losgeschnittener Netzteile 
beim Hunde beziehen, ohne weiteres bestätigen. 

Ich habe normalen und gequetschten Darm, eine Gastroentero- 
stomie nach Wölfler, Darm- und Leberresektionstellen mit Netz- 
lappen bedeckt und diese exakt anheilen sehen, ich habe das ganze 
Netz abgetrennt, frei in die Bauchhöhle versenkt und es in toto an 
der vorderen Bauchwand angewachsen gefunden, ich habe mich gleich- 
falls durch Farbstoffinjektion von der reichlichen Vaskularisation der 
überpflanzten Lappen überzeugen können. Ich möchte aber schon 
diese Tatsache nicht ohne weiteres als ausnahmslos gültig auf das nur 
zu oft reichlichen Fetteinsatz bergende menschliche Netz übertragen 
und würde mich hüten, ohne weiteres das zentimeterdicke Netz eines 
fetten Menschen ungestielt überpflanzen zu wollen, nur darum, weil 
mir das papierdünne Netz des Hundes glatt anheilte. Fettgewebe 
wird leicht nekrotisch; Hautlappen befreien wir auch von ihm, ehe 
wir sie überpflanzen. 

Aber auch schon bei dem Experiment an Hunden sind die Folgen 
der Überpflanzungen nichts weniger als einladend zur Übertragung in 
die praktische Chirurgie. Die Nachteile sind: 

a. es bilden sich ausgedehnte peritoneale Verwachsungen; 

b. sie geben keinen absoluten Schutz gegen Perforation des Dar- 
mes, falls man damit unsichere Nähte decken will, und das wäre ja 
der größte Wert solcher Überpflanzungen. 

Ada.: Girgolaff selbst bemerkt, daß er mit den Verpflanzungen 
auf den Dünndarm weniger glücklich war. Ich überpflanzte haupt- 
sächlich auf den Dünndarm, da er das wichtigste Gebiet für diese 
Plastik wäre, und sah bei dem glattesten Verlaufe ausgedehnte Ad- 
häsionsbildungen. Beigesetzte Abbildung zeigt das Sektionspräparat 
eines 17 Tage post operationem nach reaktionslosem Verlaufe getöteten 
Hundes, bei dem ich eine intakte Dünndarmschlinge mit einem un- 
gestielten Netzlappen eingehüllt hatte. Man sieht bei a die überdeckte 
Dünndarmschlinge mit der fest angeheilten Netzauflage, bei 5 aber 
die ausgedehnten bandförmigen Adhäsionen, die sie mit der Nachbar- 
schaft verbinden. (Die Adhäsionen bei c fallen nicht ihr, sondern 
dem zentralen Netzstumpfe zur Last.) Solche Adhäsionen bieten 
natürlich auf die Dauer für die ungehinderte Passage im Darm eine 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 1299 


arge Gefahr. Ich sah sie nicht nur am Dünndarm entstehen, auch 
nach der Überpflanzung auf Magen und Leber; am Dünndarm ent- 
stehen sie fast immer, und gerade am Dünndarme wäre ihre Anwen- 





dungsmöglichkeit ein großer Gewinn. Welche Beruhigung gewährte 
es doch, nach Resektionen wegen Inkarzeration der Nahtstelle noch 
ein sicherndes Futteral mitgeben zu können. 

Ad b.: Aber dieses Futteral ist nur dann verläßlich, wenn dar- 
unter keine Nekrose oder Dehiszenz des Darmes eintritt, und es leistet 
stärkerem Druck in den ersten Stunden keinen verläßlichen Wider- 
stand. | 

Solange ich mit gebräuchlicher exakter Technik bei Darmresektion 
die Zweietagennaht anwandte und darauf Netz pflanzte, verlor ich 
keinen Hund, außer durch die Narkose (ich mußte aus äußeren Grün- 
den mit Chloroform narkotisieren). Ich versuchte dann einmal eine 
absichtlich nicht sehr exakte, einfache, zirkuläre Naht bei Resektion 
und deckte sie mit ungestieltem Netz; der Hund ging an Perforation 
der Naht zugrunde, der Netzlappen war abgehoben. 

An einem anderen Hunde machte ich eine side-to-side-Anastomose 
des Dünndarmes, letztere durch einfache, zirkuläre, durchgreifende, 
gut abschließende Naht; die Darmstümpfe durchquetschte ich mit dem 
Enterotrib, band die papierdünne Serosa-muscularis-Manschette ein- 
fach mit Seide ab, ohne diese Ligatur einzustülpen, und deckte dies 
mit einem genau fortlaufend angenähten Netzlappen. Der Hund ging 
am 3. Tag ein, der Lappen war an den Stümpfen zwar angelötet, über 
der Anastomose aber abgehoben; darunter zeigte sich eine kleine 
Nahtdehiszenz durch Nekrose der Ränder. Gerade dort, wo sie etwas 

49* 


1300 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 


leisten sollte, hat sich mir am Dünndarme die Netzmanschette als in- 
suffizient erwiesen, und sie ist daher für diesen Abschnitt des Darmes 
sicher nicht zu gebrauchen. 

Damit engt sich aber ihr Anwendungsgebiet sehr ein. Im oberen 
‘Bauchraume, vom Nabel an etwa, braucht man das Netz nicht un- 
gestielt zu verpflanzen, da man es im Zusammenhange verlagern kann; 
und davon wird ja immer mehr Gebrauch gemacht. Unterhalb des 
Nabels blieben also nur Dickdarm, Blase, event. Ureter, und gynäko- 
logische Indikationen übrig. Auf letztere machte schon Senn selbst 
aufmerksam, bezüglich ersterer möchte ich auf Tietze’s! und Ender- 
ler’s? Publikationen hinweisen. In diesem Rahmen wird hier und da 
die Plastik ungestielter Netzlappen ihren Platz finden, ohne sich aber 
ein weiteres Gebiet erobern zu können; dem steht wohl die ausgedehnte 
Adhäsionsbildung entgegen und zum Teil auch die Gefahr ihrer In- 
suffizienz, wenn bei Anwendung auf nekroseverdächtiges Gebiet nicht 
durch Drainage oder offene Behandlung für ein Sicherheitsventil ge- 
sorgt werden kann. 

Kann ich mich daher auch Girgolaff nicht anschließen in bezug 
auf die Hoffnung weitgehender Anwendungsmöglichkeit bei Eingeweide- 
verletzungen, so bestätige ich gern, daß ich gleich ihm bei einer Leber- 
resektion, die ich mit einem ungestielten Netzlappen deckte, überrascht 
war, wie gut danach die parenchymatöse Blutung zum Stehen kam. 
In dieser Hinsicht liegt vielleicht ein Feld für die Netzüberpflanzung 
vor, nur wird man in dieser Höhe die Lappen nicht ungestielt zu 
nehmen brauchen. 

Ebenso zog ich aus der Tatsache, daß der zentrale Netzstumpf 
nach einfacher Ligatur starke Adhäsionen macht (vide Abbildung bei ce), 
die Lehre, Netzstümpfe nur nach Einstülpung durch Nähte im Lembert- 
prinzip zu versenken. 

Meine Versuche nahm ich seinerzeit in der Erwartung vor, durch 
die Deckung mit Netz die Entstehung postoperativer Adhäsionen im 
Bauchraume zu verhüten. Sie fielen, wie gesagt, in dieser Hinsicht 
negativ aus. Meines Erachtens liegt der Grund darin, daß, wie 
Girgolaff feststellte, am 2. Tage nach der Überpflanzung Anasto- 
mosen im überpflanzten Läppchen nachweisbar werden. Bis dahin ist 
jedenfalls die Ernährung des Läppchens, das bei der Uberpflanzung 
ganz blaß ist, keine genügende, und als unterernährtes Gewebe wirkt 
es direkt wie ein Fremdkörper und regt bei jedem serosabekleideten 
Organe, dem es halbwegs länger anliegt, die Bildung von Ver- 
klebungen an. 

Eine teleologische Deutung dieses Vorganges als lokalisierende 
Schutzvorrichtung des Körpers ist gewiß nicht unberechtigt. 


1 Tietze, »Experimentelle Untersuchungen iiber Netzplastik«. Bruns’ Bei- 
träge zur klin. Chirurgie 1899. Bd. XXV. p. 411. 
_ 2 Enderlen, Über die Transplantation des Netzes auf Blasendefekte« und 
Ȇber die Deckung von Magendefekten durch transplantiertes Netze. Deutsche 
Zeitschrift für Chirurgie 1900. Bd. LV. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 1301 


Eine Bestätigung dieser Ansicht lieferte mir folgender Versuch: 
Nach medianer Laparotomie ließ ich bei einem Hunde das Netz mög- 
lichst in situ und führte nahe seiner Basis mit langen Peans von 
beiden Seiten eine energische Quetschung durch. Sodann Bauchnaht. 
Nach 6 Tagen tötete ich den Hund, der keinerlei Störungen zeigte. 
Von den Quetschungen sah ich an der Stelle, wo sie stattgefunden, 
keine Folgen, dagegen war der freie Netzrand in großer Ausdehnung 
mit der vorderen Bauchwand verwachsen, und zwar nicht bloß im 
Bereiche der Bauchnaht. Jedenfalls hatte die temporäre Anämisierung 
der peripheren Netzteile die Anlötung bewirkt, die auch bestehen 
blieb, als sich die Zirkulation wieder geregelt hatte. 

Alles in allem dürften wir also von den ungestielten Netzlappen 
mit Ausnahme vereinzelter Fälle keine besonderen Vorteile für die 
praktische Chirurgie erwarten können; ein Grund, zu ihren Gunsten 
von den bisherigen erprobten Lehren hinsichtlich Darmserosaversorgung 
abzugehen, liegt gewiß — bisher — nicht vor. Speziell werden sie 
uns nichts leisten können in Hinsicht auf die Vermeidung postopera- 
tivrer Adhäsionsbildung; diesbezüglich müssen wir uns mit den bis- 
herigen Maximen, exakte Technik, Vermeidung von Insulten und Aus- 
trocknung des Peritoneums, Sorge für ehestmögliche Darmfunktion, 
zufrieden geben. 


Prag, den 17. November 1906. 





1) E. Homberger. Eine physio-pathologische Studie über 


venöse Hyperämie. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXX. Hft. 4.) 


Bier unterscheidet zwischen der heißen und kalten Hyperämie. 
Die erstere soll dadurch zustande kommen, daß der venöse Abfluß 
gehemmt wird. Diese Erklärung hält H. für bedenklich. Bei jedem 
Wärmemotor muß nicht nur für Zufuhr von Heizmaterial und Abfluß 
der entstandenen Wärme, sondern auch für genügenden Abfluß der 
Rauchgase und Schlacken gesorgt sein, andernfalls eine geregelte 
Funktion unmöglich ist. Dieses Gesetz ist für alle Fälle verbindlich. 
Da nun die Tatsache der Erwärmung eines Gliedes auf die angegebene 
Weise durch leichte Stauung möglich ist, so müssen hier andere Ver- 
hältnisse mitspielen. Es muß relativ eine größere Blutmasse durch 
die Extremität fließen, während zugleich ein vermehrter Stoffwechsel- 
umsatz stattfindet. Verf. glaubt, daß sich zwischen die rein arterielle 
Hyperämie und die wahre venöse Stase eine Hyperämie einschiebt, bei 
der die Venen sehr weit sind, eine stärkere Verbrennung statthat, 
wodurch vermehrte Wärme produziert werden kann. Diese Hyperämie 
ist vom Standpunkte der Zweckmäßigkeit die günstigste. 

Die Verwerfung der Eisblase bei Entzündungen, wie sie Bier 
lehrt, hält H. nicht für angebracht, da nach Auflegung der Eisblase 
zwar anfänglich eine Kontraktion der Gefäße, bald aber eine Erwei- 


1302 Zentralblstt für Chirurgie. Nr. 49. 


terung derselben, auch der Venen, eintritt. Diese venöse Hyperämie 
soll sich in nichts pathologisch-anatomisch von der durch Stauung er- 
zeugten unterscheiden. E Siegel (Frankfurt a. M.). 


2) Pease. The serum therapie of tetanus. 
(Annals of surgery 1906. September.) 

Verf. ist Direktor des Antitoxinlaboratoriums in Neuyork. Nach 
seiner Ansicht gedeiht der anaerobe Tetanusbazillus besonders bei 
Warme; daher sind in Neuyork die Starrkrampfkrankheiten in den 
heißen Monaten häufiger als in den kalten. Außer im Erdboden wird 
der Bazillus im Darmkanale von Tieren und im Kote von Menschen 
angetroffen. Seine Wirkung beruht auf dem in den Bazillen und 
Sporen eingeschlossenen Toxin; gesteigert wird sie, wie nachgewiesen 
wurde, durch gleichzeitige Anwesenheit von aeroben Bakterien. Ist 
die Infektion erfolgt, so finden sich die Bazillen im Rückenmark, in 
der Zerebrospinalflüssigkeit, im Blut und in der Lymphe, in Milz und 
Leber. Das Toxin entfaltet erst dann krankhafte Erscheinungen, wenn 
es von den motorischen Nervenendigungen durch die Achsenzylinder 
ins Rückenmark gelangt ist; in die motorischen Endigungen kann es 
direkt oder auf dem Blutwege eintreten. Bezüglich der Behandlung 
ergibt die Statistik keine Anhaltspunkte dafür, daß das Antitoxin- 
serum einen Heilerfolg hat bei ausgebrochenem Tetanus. Auch ist 
es nach P. weder experimentell noch klinisch nachgewiesen, daß das 
im Blute zirkulierende Antitoxin irgendeine Wirkung auf das in den 
Nerven verankerte Toxin hat. Voller Vertrauen ist er aber zu der 
prophylaktischen Impfung; dieselbe soll bei allen mit Erde beschmutz- 
ten oder mit Haustieren in Berührung gekommenen Wunden angewandt 
werden. Und zwar soll eine zweite Dosis nach 3—5 Tagen, eine dritte 
nach 3 Wochen verabreicht werden, da die Impfung ähnlich wie beim 
Diphtherieantitoxin nur 3 Wochen vorhält. Die intrazerebrale In- 
jektion verwirft P., da sie keinen Nutzen verspricht und gefährlich ist, 
von der intraduralen oder der Injektion in Nervenstämme verspricht 
er sich keinen größeren Erfolg als von der intramuskulären Injektion. 
Die letztere hält er für die beste Methode der Einspritzung. Wenn 
in der in Betracht kommenden Wunde die Nervenendigungen frei 
liegen, so soll dieselbe lokal mit flüssigem oder trockenem Antitoxin 
außer der Injektion behandelt werden. Herhold (Brandenburg). 





3) F. König (Berlin. Die Tuberkulose der menschlichen 


Gelenke sowie der Brustwand und des Schädels. 
Berlin, August Hirschwald, 1906. XII u. 166 S., 90 Fig. 
Zur Feier des 70. Geburtstages Sr. Exz. v. Bergmann bringt 
K. vorliegendes Buch als Festgabe dar. Er hat es lediglich nach 
seinen eigenen Beobachtungen und wissenschaftlichen Untersuchungen 
geschrieben und in ihm kurz auf ca. 160 Seiten das Ergebnis seiner 
verdienstvollen Forschungen und seiner und seiner Schüler Arbeiten 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 1303 


auf dem Gebiete der pathologischen Anatomie und Klinik der Gelenk- 
tuberkulose zusammengefaßt, um den praktischen Arzten einen Weg- 
weiser zu geben und derjenigen Richtung der orthopädischen Chirurgie 
entgegen zu treten, welche »sich um die Behandlung der Tuberkulose 
im orthopädisch behandelten Gelenke nur wenig zu kümmern pflegt«. 
Wer wäre hierzu berufener gewesen, als K., der mehr wie irgendein 
anderer durch jahrzehntelange Arbeit unser Wissen über die Tuber- 
kulose der Knochen und Gelenke geklärt und gefördert, uns über die 
Bedingungen zu ihrer Heilung belehrt, neue Methoden für ihre opera- 
tive Behandlung gegeben und durch die mit ihnen erreichten schönen 
Erfolge immer als Führer gegolten hat. So oft schon er über das 
Thema gesprochen hat, auch dies neue Werk wird sicherlich wieder 
willkommen geheißen, seine sich auf große Zahlen und sehr lange 
Beobachtungen stützende Warnung vor Übertreibung der konservativen 
Behandlung der Knochengelenktuberkulose hoffentlich gebührend be- 
achtet werden. 

Das Buch zerfällt in einen allgemeinen und speziellen Teil, in 
welch letzterem die Knochengelenktuberkulose des Hüft-, Knie-, 
Schulter- und Ellbogengelenkes, der Gelenke des Fußes und der 
Hand, die Tuberkulose der Thoraxwand und der Schädelknochen ge- 
schildert wird. . 

Wenn auch in der Majorität aller synovialostalen Tuberkulosen 
mehrfache, und zwar meist metastatische Herde bestehen, so hat doch 
K. feststellen können, daß es eine gewisse Anzahl von Knochengelenk- 
tuberkulosen gibt, welche einzige Erkrankungsherde im Körper, also 
primäre sind — unter 67 Sektionen von mit einer Gelenktuberkulose 
behafteten Leichen fanden sich 14mal (21%) keine weiteren Tuber- 
kulosen! Bezüglich der Entstehung der tuberkulösen Eiterung aus 
Verkäsungsherden ist K. der Meinung, daß sie durch von den Tuberkel- 
bazillen gebildete Toxine hervorgerufen werden, nicht anderweite 
Mikroben zu beschuldigen sind. An der Hand zahlreicher Abbildungen 
von Präparaten seiner Sammlung werden die anatomischen Verhält- 
nisse der verschiedenen Formen der Knochen- und Gelenktuberkulose 
und ihr klinischer Verlauf außerordentlich klar und verständlich dar- 
gestellt und nachgewiesen, daß die ungefähr in der Hälfte aller Fälle 
auftretende Eiterung große Gefahren für das Gelenk und das Leben 
bietet. So starben z. B. in der Beobachtungszeit von 18 Jahren 46% 
der mit Eiterung komplizierten Knietuberkulosen, während von den 
trocken verlaufenen nur 25% zugrunde gingen. 

Wenn auch K. bei der Besprechung der Therapie den Satz vor- 
anstellt, daß nur durch eine radikale Entfernung alles Krankhaften 
eine sichere Aussicht auf Heilung geboten wird, so hält er doch in 
bestimmten Fällen auch den Versuch milderen Vorgehens — Punktion 
oder Inzision mit Jodoform- oder Karboleinspritzung, Ruhigstellung 
und Kompression nach Korrektion von Stellungsanomalien — für 
durchaus berechtigt, um an dem Mechanismus des Gelenkes zu er- 
halten, was erhalten werden kann. Gehverbände im allgemeinen, wie 


1304 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 


die Stauungsbehandlung verwirft er, weil dadurch leicht Abszesse zur 
Entwicklung gebracht werden. Mit solch konservativer Behandlung 
hat auch K. gute Erfolge, völlige Ausheilung und Scheinheilung er- 
reicht, indem z. B. unter 200 Fällen von Knietuberkulose, in denen 
sie angezeigt erschien, 55mal Ausheilung mit beweglichem Gelenk ein- 
trat. Wenn aber nach lange Zeit fortgesetzter konservativer Behand- 
lung eine Besserung ausbleibt, Schmerzen und Schwellung nicht zurück- 
gehen oder sich steigern, dann soll, weil schwere Knochenprozesse 
resp. ausgedehnte Gelenkzerstörung die Ursache sind, mit der allein 
noch eine sichere Heilung in Aussicht stellenden Operation nicht mehr 
gezögert werden. In den Fällen, die von vornherein die Möglichkeit 
einer Heilung ausschließen, besonders bei Bestehen von Fisteln und 
Eiterung, bei kontrakten deformen Gelenken, muß eine solche sofort 
Platz greifen. — Es würde zuweit führen, hier auf die genaueren, oft 
erst durch die Röntgenuntersuchung feststellbaren Indikationen der 
verschiedenen Operationsmethoden näher einzugehen, unter denen die 
Arthrektomie K. nicht immer das erfüllt hat, was man sich von ihr 
versprochen, und die von ihm an den verschiedenen Gelenken erzielten 
Heilungs- und funktionellen Resultate im einzelnen mitzuteilen. Nur 
das eine sei erwähnt, daß K. bei der Hüftgelenksresektion von der 
Abmeißelung der Trochantercorticalis samt den an ihr inserierenden 
Weichteilen zurückgekommen ist, aber regelmäßig ein 1—2 cm hohes 
Stück des hinteren Pfannenrandes entfernt hat. Wo operiert wird, 
soll nicht so viel als möglich, sondern alles Krankhafte radikal be- 
seitigt werden. 

Möchte das mit erstaunlicher Frische geschriebene kleine Werk 
von Arzten und von denen, die sich von der Operation tuberkulöser 
Gelenke mehr und mehr abgewandt haben, fleißig studiert und nach 
seinen Lehren künftighin immer gehandelt werden! 

Kramer (Glogau). 





4) P. Bade. Partielle Hyperplasie als Ursache der ange- 


borenen Deformitäten. 
(Archiv für Orthopädie, Mechanotherapie und Unfallchirurgie Bd. IV. Hft. 4.) 

Im Anschluß an je einen Fall von partieller Hyperplasie des 
Malleolus externus mit nachfolgender Klumpfußstellung und des 
unteren Endes des Radius mit starker Verschiebung der Hand ulnar- 
wärts als mechanische Ursache der angeborenen Mißbildungen führt 
Verf. weiter aus, daß auch für eine größere Anzahl der sog. ange- 
borenen Hüftverrenkungen nicht nur eine Hypoplasie der Skeletteile 
des Beckens, sondern auch eine Hyperplasie bestimmter Beckenteile in 
Frage kommen kann. 

Durch seine feinen Messungen, die er an vielen Röntgenogrammen von 
an Hüftverrenkung Erkrankten vorgenommen hat, ist er zu dem Re- 
sultate gekommen, daß meistens sowohl durch Hypoplasie des oberen 
wie durch Hyperplasie des unteren Pfannenquadranten das Auftreten 
der angeborenen Hüftverrenkung bedingt ist. 


Zentralblatt ftir Chirurgie. Nr. 49. 1305 


Durch Hyperplasie des unteren Pfannenquadranten in lateraler 
Richtung wird der Kopf zunächst verhindert, den unteren Quadranten 
der Pfanne auszufüllen, und wird außerdem wegen verminderter 
Wachstumsneigung noch viel weniger imstande sein, durch sein eigenes 
Wachstum den unteren Quadranten entsprechend zu bilden, wird im 
Gegenteil von dem unteren Quadranten abgedrängt werden, so daß er 
zunächst etwas seitlich vom Y-förmigen Knorpel zu stehen kommt. Da 
nun aber der obere Pfannenquadrant hypoplastisch ist und ebenfalls 
wenig Wachstumsenergie in lateraler Richtung zeigt, so kann auch 
dieser den Kopf nicht aufnehmen. Die mechanischen Ursachen bei 
angeborener Hüftverrenkung sind demnach in erster Linie der Wachs- 
tumsdruck des unteren hyperplastischen Pfannenquadranten und die 
geringe Wachstumsneigung des Kopfes und des oberen Pfannen- 
quadranten. Hartmann (Kassel). 


5) C. Deutschländer. Die funktionelle Behandlung der 


Knochenbrüche. 
(Berliner klin. Wochenschrift 1906. Nr. 20—22.) 


Der Übergang von der immobilisierenden zur funktionellen Be- 
handlung hat sich ganz allmählich vollzogen; die Vorzüge der letzteren 
zu beweisen ist die Absicht der sehr lesenswerten, auf eine Erfahrung 
von ca. 140 Fällen basierenden Arbeit. Massage und Mobilisation 
fördern schon im ersten Stadium die aktiven Heilungsvorgänge, be- 
fördern die Resorption und die Beseitigung der Geschwulstbestandteile, 
die für die Heilung überflüssig und sogar hinderlich sind, und beugen 
Muskelatrophien und Gelenkversteifungen vor. Im Stadium der pro- 
visorischen Callusbildung kommt der Massage ein formativer Effekt 
auf die Gestalt der Oallusbildung zu, weit wichtiger aber ist in diesem 
Stadium der günstige Einfluß der Bewegungen. Die regelmäßigen 
Volumveränderungen der Muskelbäuche bei der Kontraktion model- 
lieren gewissermaßen das weiche plastische Callusgewebe und erhalten 
die Kapseln der benachbarten Gelenke in ihrer Elastizität. 

Durch Beibringung einzelner Krankengeschichten und Röntgen- 
bilder werden die Abkürzung der Heilungsdauer und die guten funk- 
tionellen Resultate illustriert. 

Zwei Arten der funktionellen Behandlung lassen sich unter- 
scheiden: Typus A, bei dem die physiologischen Wirkungen von Be- 
wegungen und Massage allein zur Geltung kommen und höchstens 
eine einfache Lagerungsvorrichtung in Gestalt einer Mitella oder 
Volkmann’schen Schiene angewandt wird, und Typus B, wo außer 
diesen Faktoren noch direkt die Knochenform beeinflussende und die 
Fragmente direkt korrigierende Hilfsmittel benutzt werden. 

Bei dieser Behandlung ist ausschließlich der Arzt zur Ausübung 
der Massage berechtigt, weil nur er die allgemeinen anatomischen und 
physiologischen Voraussetzungen und die in Frage kommenden patho- 
logischen Verhältnisse kennen kann. 

49** 


1306 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 


' t Mit Recht hebt Verf. mehrfach hervor, daß die Bewegungs- 
behandlung, so einfach sie auf den ersten Blick erscheint, ein recht 
gründliches Individualisieren erfordert. Nicht jede Bewegung wirkt im 
funktionellen Sinne begünstigend auf den Heilungsverlauf, sondern 
nur eine solche, die mit Methode und mit richtigem Verständnis den 
pathologischen Verhältnissen und dem Mechanismus der Gelenke ange- 
paßt ist. Langemak (Erfurt). 





6) E. Ranzi. Beiträge zur operativen Behandlung von 
Frakturen. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXX. Hft. 3 und 4.) 

Bei Kniescheibenbrüchen hält R. die Naht nur für angezeigt, 
wenn eine gute aktive Streckung des Knies nicht ausgeführt werden 
kann, wenn es sich also um eine Strecklähmung handelt. Zur Naht 
verwendet er Silberdraht. In 11 von 12 Fällen war eine völlige 
knöcherne Konsolidation eingetreten. Besonderes Gewicht ist auf die 
exakte Naht des ligamentösen Streckapparates zu legen. Die Blut- 
gerinnsel sollen bei der Operation mit Kochsalzlösung herausgespült 
werden. Von 21 genähten Kniescheibenbrüchen, frischen und ver- 
alteten, lagen Dauerresultate vor. Davon zeigten 18 eine normale 
oder fast normale Funktion. 

Olekranonbrüche wurden 5mal beobachtet, alle durch direkte Ge- 
walt entstanden. Zur Freilegung wurde mit Vorliebe ein stimmgabel- 
förmiger Schnitt benutzt. Auch hier wurde zur Naht Silberdraht 
verwandt. 8—10 Tage lang wurde der Arm in Streckstellung ver- 
bunden, dann ward mit vorsichtigen Bewegungen begonnen. 

Bei veralteten und schlecht geheilten Brüchen gab eine treppen- 
förmige Anfrischung der Knochenenden und Naht die besten Aussichten 
für richtige anatomische Stellung der Bruchstücke. Die schlechteste 
Prognose für die Knochennaht gibt der Oberschenkelbruch wegen des 
starken Muskelzuges, so daß man sich bei ihm noch einer Prothese 
bedienen muß, um eine gute Stellung zu erzielen. Jedoch ist weder 
die Benutzung von Elfenbeinstiften noch der Gebrauch von dekal- 
zinierten Knochen oder Magnesiumstiften als ideale Methode anzu- 
sehen. Ungenügende Einheilung, Ausstoßung der betreffenden Pro- 
these sind sehr häufig, so daß Verf. im Durchschnitt der Drahtnaht 
den Vorzug gibt. Bei der Behandlung von Pseudarthrosen ist die 
Dumreicher’sche Stauungsbehandlung zuerst zu versuchen, wenn die 
Fragmentenden in einem gewissen Zusammenhange stehen. Bei Fällen 
mit größerer Dislokation oder Weichteilinterposition kann von der- 
selben jedoch nichts erwartet werden. Hier käme zuerst ein Versuch 
mit Blutinjektion nach Bier in Betracht. Von operativen Maßnahmen 
ist am meisten die Anfrischung und Naht zu empfehlen. Bei größeren 
Knochenlücken ist eine Müller-König’sche Plastik oder freie Trans- 
plantation eines Knochenstückes am zweckmäßigsten. 

Was den Wundverlauf anlangt, so wurde bei 50 Operationen 
wegen Frakturen 4mal eine schwere Wundinfektion hervorgerufen. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 1307 


Besonders gefährlich ist die Operation bei Oberschenkelbrüchen. Jeden- 
falls ist die Gefahr einer Wundinfektion bei der Indikationsstellung 
zu operativem Vorgehen bei Frakturen ernstlich in Betracht zu ziehen. 
Mangelhafte Konsolidierung nach Knochennaht wurde auch einige 
Male, aber nicht konstant beobachtet. 

R. teilt nicht den Standpunkt derer, die jeden Knochenbruch zur 
Erzielung einer guten anatomischen Stellung blutig reponieren wollen. 
Auch nicht in anatomischem Sinn ideal verheilte Brüche können aus- 
gezeichnete funktionelle Resultate geben. Aber es gibt Frakturen, 
welche jeder unblutigen Behandlung widerstehen. Solche sollen mög- 
lichst früh in Angriff genommen werden, da im Spätstadium die 
Technik des Eingriffes schwieriger ist, oft Knochenresektionen vor- 
genommen werden müssen und auch die Infektionsgefahr größer ist 
wie bald nach erlittener Verletzung. Hauptsächlich empfiehlt sich die 
Frühoperation bei Gelenkbrüchen. So ist beim Schultergelenke die 
Kombination von Bruch und Verrenkung unbedingte Indikation zu 
primärem, blutigem Eingriff. Eben dasselbe gilt von Frakturen des 
Epicondylus medialis humeri und von dem Bruche des medialen und 
lateralen Condylus sowie von dem Bruche des Processus coronoideus 
ulnae. Diese Knochenstücke können nicht durch irgendwelche un- 
blutige Maßnahmen aus ihrer gedrehten Stellung herausgebracht 
werden. Bei frühzeitigem Eingriffe tritt völlige Restitutio ad integrum 
ein, während es sich später meist nur um Entfernung der betreffenden 
Bruchstücke handelt. E. Siegel (Frankfurt a. M.). 





7) K. Poulsen. Studien über die sog. typische Fraktur des 
Radius. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXX. Hft. 4.) 


_ In dem ersten Teile seiner Arbeit gibt Verf. einen historischen 
Überblick von den Anschauungen über Bruchmechanismus und Ver- 
schiebung der Bruchstücke beim Radiusbruch von der ältesten Zeit 
bis zur jüngsten. Indessen ist das ganze klinische Material bis zur 
Entdeckung der Röntgenstrahlen nur in mangelhafter Weise für die 
Kenntnis dieses typischen Bruches verwertbar gewesen, da auch ein- 
schlägige Sektionspräparate nur selten zur Verfügung standen. Verf. 
hat deswegen sein neuzeitliches umfangreiches Material zu einer ein- 
gehenden Studie der einzelnen uns interessierenden Fragen benutzt. 
Er fand, daß das untere Bruchstück nach hinten getrieben ist, wesent- 
lich in der Form einer Rotation um eine Querachse, daß der Processus 
styloideus radii teils hierdurch, teils durch eine Zusammenpressung 
der Bruchstücke an der Radialseite in die Höhe gehoben wird. Es 
handelt sich also um eine Deviatio ad axin, ad latus und ad longi- 
tudinem. Die Handwurzelknochen folgen dem unteren Bruchstücke, 
werden gegen die Dorsalseite hinauf und nach radialwärts verschoben; 
die erste Reihe folgt der Drehung der Gelenkfläche, stellt sich in 
Dorsal- und Radialflexion, während sich die zweite Reihe und damit 


1308 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 


die übrige Hand wegen der Schwere mehr gerade stellen, in der Mitte 
zwischen Dorsal- und Volarflexion und zwischen Radial- und Ulnar- 
flexion. In 55% der Fälle fand P. eine gleichzeitige Abreißung des 
Proc. styloideus ulnae. Selten gelang es, dieselbe zu diagnostizieren, 
wahrscheinlich weil der Processus meist gegen die Radialseite ver- 
schoben wird. Diese Fraktur hängt wahrscheinlich von der Radial- 
deviation ab, insofern durch dieselbe eine Spannung des vom Os tri- 
quetrum zum Proc. styloid. ulnae gehenden Lig. laterale hervorgerufen 
wird. Frakturen und Fissuren am Capitulum ulnae sind nach Ansicht 
des Verf.s selten. Eine Abreißung im Sinne Lecomte’s findet beim 
typischen Radiusbruche wohl nicht statt, wahrscheinlicher ist eine 
Wirkung im Sinne von Coup und Üontrecoup, wie schon Dupuytren 
annahm. Das Lig. laterale externum fixiert dabei, wie man annehmen 
muß, die Handwurzelknochen, so daß sie während des Druckes nicht 
nach der Volarseite hin wirken, sondern sich mit voller Kraft gegen 
die Gelenkfläche des Radius, besonders gegen seinen vorragenden dor- 
salen und radialen Rand geltend machen. Je nach der Druckrichtung 
wird der Bruch partiell oder komplett; die Kraft des Druckes bestimmt 
den Grad der Einkeilung. Der Druck der Handwurzelknochen, der 
den Bruch bewirkt, treibt auch das untere Bruchstück in die typische 
Richtung, verschiebt es nach oben, während es gleichzeitig um die 
Querachse rotiert und der Proc. styloid. radii in die Höhe gehoben 
wird. Die Extensorenmuskulatur erhält die Deformität und kann sie 
nach der Korrektion wieder hervorrufen. 

Die Einrichtung beim typischen Radiusbruch nimmt P. so vor, 
daß zuerst unter fortwährendem Zug dorsal-, dann volar- und zuletzt 
ulnarflektiert wird. Auf den Röntgenbildern zeigt sich, daß die dor- 
sale Verschiebung dadurch wenn auch nicht ausgeglichen, so doch 
verringert wird. Die radiale Verschiebung ist fast nie ganz aus- 
zugleichen, ja sie nimmt während der Behandlung oft noch zu; doch 
hat sie für die Funktion keine große Bedeutung. Auch den ein- 
gekeilten Bruch soll man redressieren, da durch die Einkeilung öfters 
Stellungen hervorgerufen werden, die die Bewegung der Hand sehr 
einschränken. Als Verband benutzt P. appretierte Binden, die durch 
einen Spahn an der Volar- und Dorsalseite gestärkt werden. Die 
Bandage soll von der Mitte des Vorderarmes bis zur Basis der Finger 
reichen, die Pat. möglichst gebrauchen soll. Nach 14 Tagen werden 
Hand und Arm zeitweise aus dem Verbande herausgenommen, bewegt, 
event. massiert und wieder eingebunden. Nach 3 Wochen bleibt der 
Verband ganz fort. Mit den Resultaten dieser Behandlung war Verf. 
sehr zufrieden. E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 1309 


Kleinere Mitteilungen. 


Zwei seltene Luxationen. 


Von 


Dr. W. v. Brunn, 
Spezialarzt für Chirurgie in Rostock. 


Innerhalb weniger Wochen hatte ich Gelegenheit, zwei recht seltene Fälle von 
Luxationen zu beobachten und zu behandeln, die ich der Mitteilung für wert halte. 
Der erste Fall betrifft eine totale dorsale Luxation im Radiokarpal- 
gelenke, der zweite eine totale dorsale Luxation im Lisfranc’schen 
Gelenke. 

Am 18. August 1906 glitt eine Dame von 52 Jahren, als sie im Zimmer nach 
einer Motte schlagen wollte, aus und fiel rücklings zu Boden; sie hatte versucht, 
sich mit ihrer linken Hand zu stützen, und fiel mit dem Dorsum ihrer volarwärts 
gebeugten Hand auf die Erde. Sofort spürte sie heftige Schmerzen in der linken 
Hand und bemerkte, daß die Gestalt dieser Hand sich ganz verändert hatte. Der 
hinzugezogene Hausarzt konsultierte mich sofort mit dem Bemerken, daß es sich 
um eine Verrenkung im Handgelenk handle. Zunächst hatte ich, bevor ich die 
Verletzte sah, erhebliche Zweifel an der Richtigkeit dieser Diagnose, was mir wohl 
niemand übelnehmen kann, und dachte an typische Radiusfraktur. Der Befund 
aber belehrte mich eines anderen. 

Die sehr zarte, magere, sehr empfindliche Dame bot alle Zeichen der Luxation 
in so charakteristischer Weise, daß an der Diagnose, besonders da keine Spur von 
Schwellung oder Bluterguß zu erkennen war, kein Zweifel bestehen konnte. 

Man konnte die gegeneinander verschobenen Knochen beinahe so deutlich 
erkennen, als ob sie von Weichteilen unbedeckt vor Augen lägen. 

Die Karpalknochen lagen mit ihrer halbmondförmigen Begrenzung proximal 
weit auf die distalen Enden der Vorderarmknochen verschoben; über diesen Buckel 
zogen straff die Extensorensebnen; an der Beugeseite sprangen die Gelenkenden 
der Vorderarmknochen weit vor und zeichneten sich unter der sie straff über- 
spannenden Haut scharf ab, die konkave Gelenkfläche ließ sich bequem abtasten, 
beide Processus styloidei waren ganz intakt von unten und den Seiten her zu pal- 
pieren. Die Hand zeigte eine ganz geringe Abweichung der Längsachse nach der 
radialen Seite zu, die Finger waren leicht gebeugt und aktiv in geringem Umfange 
zu bewegen. 

In leichtem Chloroformrausche gelang es spielend leicht, durch Vermehrung 
der Luxationsstellung und Zug die Verrenkung zu beseitigen; sofort nach dem 
Erwachen konnte die Pat. mit Vorsicht aktive Bewegungen im Gelenk ausführen. 
9 Tage lang wurde das Gelenk durch Pappschienenverband mit leichter Dorsal- 
flexion fixiert, zuerst auch in Suspension gehalten, zwischendurch aber alle paar 
Tage unter Lüftung des Verbandes vorsichtig bewegt. Danach wurde Pat. an- 
gehalten, mit ihrer Hand, welche nebst dem Vorderarme mit einer »Idealbinde« 
gewickelt war, nach Möglichkeit leichte Arbeiten auszuführen, insbesondere etwas 
Klavier zu spielen; dabei wurden täglich zweimal heiße Pottasche-Handbäder mit 
Massage und aktiven sowie passiven Bewegungen angewandt. 

Es kam nur zu ganz geringen Üdemen an Hand und Fingern. Am 2. Oktober 
schrieb mir meine Pat. einen ausführlichen Brief, in dem sie berichtete, daß die 
Hand das normale Aussehen hätte, von Schwellung meist gar nichts mehr vor- 
handen sei, zeitweise wohl die Gegend des Handgelenkes bei besonderer Anstrengung 
etwas dicker sei als auf der gesunden Seite, aber auch dann nie Schmerzen be- 
ständen; nur hätte sie zeitweise etwas taubes Gefühl in den Fingerspitzen. Sie 
besorgt alle Arbeiten in ihrem Hauswesen wie früher und pflegt auch ihr Klavier- 
spiel wie zuvor. 


1310 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 


So darf ich das Resultat als ein gutes bezeichnen, um so mehr, als die An- 
gehörigen mir bei der außerordentlichen Empfindlichkeit der Verletzten keine gute 
Prognose glaubten stellen zu können. 

Durch Röntgenuntersuchung konnte festgestellt werden, daß auch nicht die 
geringste Absprengung am Knochen stattgefunden hatte. Da bisher erst einige 
30 Fälle von reiner Handgelenksluxation bekannt geworden sind, von denen einige 
noch durch Absprengungen kompliziert sind, dürfte die Publikation dieses Falles 
berechtigt erscheinen. 

Am 14. September 1906 wurde ich zu einem Herrn von 43 Jahren gerufen, 
der sich beim Herabfallen von einer Trittleiter eine Verletzung des linken Fußes 
zugezogen hatte. Der Pat. hatte auf der zweiten Stufe der Trittleiter, von oben 
gerechnet, gestanden, als diese ins Wanken kam und umzufallen drohte; Pat. hatte 
versucht, abzuspringen, war aber nur mit dem rechten Fuße freigekommen, der 
linke konnte nicht schnell genug zwischen der obersten und der zweiten Stufe 
herausgezogen werden, Pat. fiel rücklings herab, so daß auf diese Weise eine 
Hyperflexion plantarwärts zustande kam, ähnlich der Manipulation, die man anzu- 
wenden pflegt, um bei der Exartikulation im Lisfranc’schen Gelenke mit dem 
Messer leichter in die kleinen Gelenke zu kommen. Im letzten Momente des 
Falles wurde auch der linke Fuß frei, der Pat. fiel zur Erde. 

Der linke Fuß schmerzte sofort sehr heftig; im übrigen hatte sich der Pat. 
keinen Schaden getan. 

Die Frau des Pat. versuchte zunächst, den in verkrümmter Stellung stehenden 
Fuß gerade zu richten, schickte aber, als ihr dies nicht gelang, zu mir. 

Ich fand den kräftigen, sonst ganz gesunden Mann in heftigen Schmerzen. 
Schwellung und Bluterguß waren am Fuße noch nicht vorhanden. Der Fuß war 
verkürzt, von auffallend plumper Form gegenüber dem wohlgebildeten gesunden 
Fuße; die Art der Verrenkung war auch hier auf den ersten Blick zu erkennen; 
ein breiter und hoher, treppenförmiger Absatz auf dem Fußrücken entsprach der 
Basis der fünf auf den Tarsus luxierten Metatarsalknochen; diese selbst standen 
gegenüber dem Tarsus in Flexionsstellung; die über den treppenförmigen Absatz 
hinweg gespannten Strecksehnen zogen straff zu den dorsal flektierten Zehen; 
federnde Fixation in der luxierten Stellung. 

Pat. wurde nun in genügend tiefe Morphium-Chloroformnarkose versetzt; ich 
umwickelte den Vorfuß mit einem Tuche, fixierte mit der linken Hand den Tarsus, 
hyperflektierte den Vorfuß mit der rechten Hand noch weiter und konnte nun 
unter allmählich stärker werdendem Zuge mit Hilfe gleichzeitigen Druckes meines 
linken Daumens auf die Basis der luxierten Knochen mit einiger Mühe unter 
deutlichem Rucke die Luxation beseitigen. 

Bei den jetzt ausgeführten passiven Bewegungen hatte ich bisweilen ein 
undeutliches Gefühl leiser Krepitation, bisweilen konnte ich aber nichts davon 
spüren. 

Steigbiigel-Pappschienenverband, Hochlagerung des Beines. Schon am 6. Tage 
nach der Verletzung traf ich den Pat. bei einem Besuche, wie er mit Hilfe einer 
improvisierten Krücke im Hofe spazieren ging; am 9. Tage fiel die Schiene ganz 
fort, der Fuß wurde im Klumpfußstellung mit Cambricbinden gewickelt und vom 
Pat. direkt zum Auftreten benutzt. Pat. nimmt regelmäßig heiße Pottaschebäder 
und wickelt den Fuß in Bindentouren, die einer Plattfußstellung entgegenarbeiten. 
Nach 31/5 Wochen ließ ich den Fuß nur noch mit einer Idealbinde wickeln und 
den Pat. mit Stiefeln gehen, wie sie nach meiner Angabe für Plattfußpatienten 
angefertigt werden. Das ging vom 1. Tag an sehr gut, schon am nächsten Tage 
machte Pat., wenn auch mit Hilfe eines Stockes, einen 1/sstündigen Spaziergang, 
und jetzt kann nur der Eingeweihte dem Pat. auf der Straße eine geringe Ver- 
änderung seines Ganges anmerken. 

Pat. hat wohl nach größeren Wegen noch etwas Schmerz, besonders am late- 
ralen und medialen Fußrand in der Gegend des Gelenkspaltes, doch konnte von 
Massage und sonstigen Manipulationen ganz abgesehen werden, weil der Pat. von 
vornherein durch fleißiges Gehen und Treppensteigen seinem Fuße die beste Form 


Zentralblatt für Chirürgie. Nr. 49. 1311 


der Therapie zugute kommen ließ. Trotzdem hat sich nicht die geringste Neigung 
zu Plattfußbildung eingestellt Dank der Wicklung und der für diesen Zweck an- 
gefertigten Schnürstiefel. 

Die Untersuchung mit Röntgenstrahlen ergab, daß außer der Absprengung 
eines höchstens kleinerbsengroßen Splitterchens am medialen Rande der Basis des 
2. Metatarsalknochens keine Knochenveränderung zu sehen war. Somit dürfte 
man mit Recht den Fall der spärlichen Zahl von bisher publizierten Fällen dieser 
Art einreihen; den bis jetzt bekannten 14 Beobachtungen dieser Luxation schließt 
sich mein Fall als 15. an. 


8) S. Talma. Pyurie durch Leukocytose; Leukocytosepyimie. 
(Berliner klin. Wochenschrift 1906. Nr. 22.) 

Durch die mitgeteilten beiden Fälle will T. beweisen, daß der Eiter selbst 
auch im Blute vorkommen kann, so daß die Ausscheidung der verschiedenen im 
Blute vorhandenen Bestandteile des Eiters in die Organe, ohne weitere Verände- 
rungen an denselben, stattfindet. Die beiden Kranken schieden Eiter im Harn 
aus, ohne daß ein Eiterherd im Körper vorhanden war, woraus hervorgeht, daß 
auch bei eigentlicher Pyämie ein lokaler Eiterherd fehlen kann, ebenso wie Strepto- 
kokken ohne Eiterung eine Septhämie hervorrufen können. 

Langemak (Erfurt). 


9) C. Pfeiffer. Die Röntgenbehandlung der malignen Lymphome 


und ihre Erfolge. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. L. Hit. 1.) 

Im Anschluß an die genaue Beobachtung eines in der v. Bruns’schen Klinik 
durch Bestrahlung zunächst auffallend gebesserten, dann aber trotz mehrfacher 
Wiederholung der Röntgenisation seinem Schicksal erlegenen Falles untersuchte 
Verf. den Wert der Röntgenbehandlung der malignen Lymphome auf Grund der 
bis dahin vorliegenden und kritisch gesichteten Literatur. 

Von 33 bestrahlten Fällen starben während der Behandlung 7 (= 21,2%). 
Ohne Erfolg blieb die Bestrahlung 5mal (= 15%). Bei 28 Fällen zeigte sich ein 
gewisser Erfolg teils als subjektive Besserung, teils als Abnahme der bestrahlten 
Drüsenpakete. Davon rezidivierten bei einer Beobachtungsdauer bis zu 9 Monaten 
von 14 Fallen 7, von 9 langer beobachteten Fillen noch weitere 6. Die beste 
Heilung beläuft sich auf 18 Monate, doch wurden Rezidive selbst noch nach 
14 Monaten beobachtet. Bei einer Frist von kaum 11/3 Jahren berechnen sich die 
Rezidive auf 70%. Da somit einwandsfreie Dauerheilungen überhaupt noch nicht 
existieren, hat die Röntgenbehandlung der malignen Lymphome keine Vorzüge vor 
anderen Methoden, wohl aber die Gefahr von schädlichen Nebenwirkungen. 

Reich (Tübingen). 


10) Blake. The treatment of tetanus by magnesium sulfate. 
(Annals of surgery 1906. September.) 

Das von Meltzer gegen Tetanus lumbal injizierte Magnesiumsulfat wandte B. 
in einem Falle von Tetanus und in einem anderen von miliarer Tuberkulose an. 
In beiden Fallen hérten die konvulsivischen Erscheinungen auf, der Tetanusfall 
ging sogar in Heilung iiber. Zur Anwendung fiir die subdurale Injektion kommt 
1 cem einer 25%igen Lösung auf 25 Pfund Körpergewicht. Eine zweite Injektion 
darf erst nach 3 Tagen gemacht werden, da das Präparat kumulativ wirkt. Verf. 
glaubt, daß die Droge bei Tetanus insofern günstig wirkt, als durch Aufhebung 
der spastischen Krämpfe zunächst die augenblickliche Todesgefahr infolge Asphyxie 
oder aufgehobener Ernährung (Trismus) beseitigt werden kann. Zugleich mit dem 

esium kann Tetanusantitoxin eingespritzt werden, welches beim Nachlassen 

des tetanischen Zustandes besser resorbiert wird und besser wirken kann. Durch 

das Magnesium wird auch eine bemerkenswerte Anästhesie des Körpers hervor- 

gerufen, so daß z. B. intraneurale Injektionen schmerzlos ausgeführt werden können. 
Herhold (Brandenburg). 


1312 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 


11) Kettner. Über Kleinkaliberschußverletzungen. 
(Berliner klin. Wochenschrift 1906. Nr. 28.) 


Bericht über die mit dem modernen kleinkalibrigen Geschoß im russisch-japa- 
nischen Kriege gemachten Erfahrungen. Auffällig war das UÜberwiegen einfacher 
Weichteilschüsse über die mit Knochen-, Gelenk- oder Gefäßverletzung einher- 
gehenden Schußwunden; der enge Schußkanal blutete wenig, schnelle Vernarbung 
des Ein- und Ausschusses. Die penetrierenden Gewehrschußverletzungen der Lunge 
verliefen meist günstig. Pneumothorax trat selten, Hämathorax relativ oft ein. 
In den verschleppten Fällen gelangte das Auftreten eines Empyems vielfach zur 
Beobachtung. — Herzschüsse heilten wiederholt spontan. — Bei den mit Splitte- 
rung einhergehenden Loch- und Tangentialschüssen des Schädels war ein früh- 
zeitiges operatives Eingreifen meist von bestem Erfolge begleitet. Bei den Bauch- 
schüssen wurde ein mehr abwartender Standpunkt eingenommen. Die Erfabrungen 
über die durch das Mantelgeschoß erzeugten Blutungen bestätigten die Tatsache, 
daß die Mehrzahl der durch Hals- oder Extremitätengefäßschüsse Verwundeten sich 
nicht verbluten, daß es vielmehr zur Bildung von Aneurysmen kommt, nachdem 
meist intramuskulär gelegene Hämatome die Blutung durch ihre Spannung zum 
Stehen gebracht haben. Auch das arteriell-venöse Aneurysma wurde häufig beob- 
achte. Kommt es während der Vernarbung von Wunde und Schußkanal nicht 
zur spontanen Rückbildung des Aneurysmas, wächst es vielmehr, so ist operativ 
einzugreifen; sonst empfiehlt sich eine abwartende Behandlung. 

Von den Gelenken war das Kniegelenk am meisten betroffen. Einfache 
Durchlochungen und Rinnungen der Gelenkflächen und Epiphysen bildeten die 
Regel; Splitterungen gehörten zu den Ausnahmen. Steckenbleiben von Voll- 
mantelgeschossen hinderte mehrfach die Gelenksfunktion oder führte zur Eiterung, 
so daß die Extraktion vorgenommen werden mußte. Die Diaphysenschüsse zeigten 
starke Splitterung, doch nahmen sie häufig wider Erwarten einen günstigen Ver- 
lauf. Bei infizierten Knochen- und vor allem Gelenkschüssen wurde so lange wie 
eben angängig konservativ verfahren, so daß nur 0,5% Amputationen bei allen 
Verwundeten der russischen Armee zur Ausführung kamen. Die günstigen Heil- 
resultate wurden erzielt: durch einen guten aseptischen oder aseptisch-antiseptischen 
Okklusivverband, durch zweckmäßige Immobilisation bei Extremitätenschüssen und 
einen schonenden Transport. Die Verbandpäckchen, die jeder Soldat bei sich trug, 
haben sich gut bewährt. 

Auch in diesem Kriege hat die konservative Chirurgie dominiert und die er- 
freulichsten Erfolge gezeitigt. Es kommt nach Verf.s Ansicht alles darauf an, die 
Verwundeten transportfahig zu machen und sie so schonend als möglich nach 
rückwärts zu evakuieren. Langemak (Erfurt). 


12) M. v. Brunn. Beitrag zur Beurteilung von Frakturen im Röntgen- 
bilde. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. L. Hft. 1.) 


Vier Krankengeschichten und Doppelbilder von Unterschenkelbrüchen aus der 
v. Bruns’schen Klinik illustrieren sehr überzeugend die Forderung, daß zu einer 
genauen Frakturdiagnose Röntgenaufnahmen in zwei Ebenen unerläßlich sind. Die 
Erfüllung dieser Forderung wird häufig die irrtümliche Diagnose einer subperi- 
ostalen Fraktur verhindern. Reich (Tübingen). 


13) M. v. Brunn. Spontanfraktur als Frühsymptom der Ostitis fibrosa. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. L. Hit. 1.) 


Der in der v. Bruns’schen Klinik beobachtete Fall betraf einen sonst ge- 
sunden Jungen, welcher kurz nacheinander zweimal einen Oberarmbruch erlitt, 
von denen einer durch das Werfen eines Steines entstanden war. Das Röntgenbild 
zeigte eine spindelige Auftreibung des Knochens mit Verdünnung der Rinde und 
Aufhellung des Markes. Da die Besichtigung der Geschwulst bei der Operation 
Zweifel an der Diagnose eines myelogenen Sarkoms rechtfertigte, beschränkte sich 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 1313 


der Eingriff auf die Ausschabung der Geschwulst, deren histologische Untersuchung 
denn auch zur Diagnose einer Ostitis fibrosa führte. Eine Nachuntersuchung nach 
11/2 Jahren erwies die rezidivfreie Heilung und gab Gelegenheit zur röntgenolo- 
gischen Feststellung, daß die übrigen Skeletteile normal waren. 

Zu dem noch wenig gekannten Krankheitsbilde der Ostitis fibrosa scheint 
demnach die Spontanfraktur ein verwertbares Frühsymptom darzustellen, wie das 
aus den drei bis jetzt vorliegenden Veröffentlichungen hervorgeht. Die Diagnostik 
der Erkrankung hat sich vor allem vor der Verwechslung mit myelogenem Sarkom 
zu hüten. Reich (Tübingen). 


14} Zumsteeg. Über die primäre Diaphysentuberkulose langer Röhren- 
knochen. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. L. Hft. 1.) 

In der v. Bruns’schen Klinik wurden unter Einrechnung der primär von 
der Metaphyse ausgehenden Prozesse neun Fälle primärer Diaphysentuberkulose 
bei langen Röhrenknochen beobachtet. Auf das gleichzeitige Gesamtmaterial an 
klinisch behandelten Knochen- und Gelenktuberkulosen derselben Klinik (987 Fälle) 
bezogen, berechnet sich für die in Frage stehende Lokalisation eine Häufigkeit von 
0,8%. Mit nur einer Ausnahme handelt es sich um jugendliche Pat. unter 16 Jahren. 
Hereditäre Disposition ließ sich nur in zwei Fällen feststellen. 

Das Leiden nahm meist einen ausgesprochen chronischen Verlauf, nur zwei 
subakut verlaufende Fälle machten die Abgrenzung gegenüber osteomyelitischer 
Nekrose schwerer. In anatomischer Hinsicht fanden sich meist umschriebene 
Diaphysenherde mit oder ohne Sequesterbildung, einmal eine progressive infiltrie- 
rende Form der Knochentuberkulose und einmal kortikaler Ursprung des Pro- 
zesses. Die Behandlung bestand in breiter Freilegung des Knochenherdes, Aus- 
schabung und Tamponade; einmal wurde Amputation notwendig. 

Reich (Tübingen). 


15) O. Kocher. Uber die Sarkome der langen Röhrenknochen. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. L. Hit. 1.) 

Die Erfahrungen der v. Bruns’schen Klinik, die in der Arbeit mitgeteilt 
werden, beziehen sich auf 65 verwertbare Fälle. Unter diesen waren 33 Sarkome 
myelogenen, 32 periostalen Ursprunges. In der Lokalisation überwog die untere 
Extremität (speziell Tibia und Femur) die obere im Verhältnis von 3,3: 1, und 
ebenso ist beachtenswert, daß ?/; aller Sarkome sich an Stelle der rascher wach- 
senden Epipbyse entwickelten. Das männliche Geschlecht war doppelt so oft als 
das weibliche und von den Lebensaltern das 2. und 3. Jahrzehnt am häufigsten 
betroffen. 

Für die Frage des ursächlichen Zusammenhanges zwischen Trauma und 
Knochensarkom ist zu bemerken, daß Sarkomentwicklung am Ort einmaliger 
stumpfer Verletzung in elf Fällen, Sarkomentwicklung entfernt von der Stelle eines 
einmaligen indirekten Traumas in drei Fällen, wiederholte Traumen in sechs Fällen 
zu verzeichnen sind. Einer strengeren Kritik können jedoch kaum zwölf soge- 
nannte traumatische Sarkome standhalten, und Verf. ist daher der Ansicht, daß 
dem Trauma häufiger eine diagnostische als ätiologische Bedeutung zukommt. 

In der Diagnose waren vor der Röntgenära Verwechslungen mit Osteomyelitis 
und Tuberkulose nicht immer zu umgehen, während jetzt die Röntgenuntersuchung 
eine fast sichere und, was besonders prognostisch wichtig ist, frühzeitige Diagnose 

estattet. 
. Die histologisch verwertbaren Fälle führten bezüglich des Verhältnisses von 
histologischem Bau und Ausgangspunkt der Sarkome zu der Feststellung, daß 3/4 
der Spindelzellsarkome periostalen Ursprunges waren, sonst aber keine auffallenden 
Unterschiede zwischen Zellform und Ausgangspunkt bestanden etwa in dem Sinne, 
daß die myelogenen Sarkome hauptsächlich Riesenzellsarkome wären. 

Was die Heilungsresultate betrifft, bei mindestens 3jähriger Beobachtungszeit, 
so blieben von 24 Pat. mit operierten und nachuntersuchten myelogenen Sarkomen 


1314 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 


5 rezidivfrei, und zwar nach Amputation (von 12 Pat.) 2, nach Exartikulation 
(von 7) 0, nach Resektion (von 4) 2, nach Evidement (1 Pat.) 1. 

Von den 29 Pat. mit periostalen Sarkomen blieben 4 rezidivfrei, und zwar 
nach Amputation (von 23) 4, nach Exartikulation (von 2) 0, nach Resektion und 
Evidement (von 2) 0. 

Die Gesamtheilungsziffer berechnet sich demnach fiir die Sarkome der langen 
Röhrenknochen auf 17%. Dabei ist beachtenswert, daß die längst geheilten Fälle 
(bis zu 27 Jahre) sämtlich myelogene Sarkome betrafen. 

Auf Grund dieser relativen Gutartigkeit myelogener Sarkome ist man daher 
bei ihnen zu einem Versuche mit konservativen Operationen berechtigt, während 
bei periostalen Sarkomen mit ihrer schlechten Prognose nur Amputation und Ex- 
artikulation einige Aussicht auf Erfolg versprechen. Reich (Tübingen). 


16) Müller. Bone cysts. 
(Univ. of Pennsylvania med. bulletin 1906. September.) 

M. berichtet über folgenden, von Frazier operierten Fall von Knochencyste 
im 4. Metatarsalknochen bei einem 19jährigen Manne. Ohne ersichtliche Ursache 
trat über der betreffenden Fußgegend allmählich eine entzündliche, druckschmerz- 
hafte Schwellung auf, die nach einigen Monaten nachließ, worauf eine spindel- 
förmige Anschwellung des 4. Metatarsalknochens mit glatter Oberfläche und ohne 
entzündliche Erscheinungen zurückblieb. Das Röntgenbild zeigte eine cystische 
Geschwulst im Zentrum des Knochens mit Auftreibung der distalen Hälfte des 
Metatarsus. Exartikulation des 4. Metatarsus, glatte Heilung, Pat. nach 3 Jahren 
gesund. Auf dem Durchschnitte des entfernten Knochens zeigte sich eine taubenei- 
große Cyste mit braunrötlicher seröser Flüssigkeit, begrenzt von der verdünnten 
Corticalis. Die Innenwand war von einem rötlichen weichen Gewebe ausgekleidet 
mit einzelnen Erhöhungen und balkenförmigen Ausläufern quer durch die Cyste; 
mikroskopisch handelte es sich um junges Granulationsgewebe mit reichlichen 
Fibroblasten und einzelnen Riesenzellen (Osteoklasten). 

M. vermutet als Ursache in diesem und in ähnlichen Fällen entzündliche oder 
Ernährungsstörungen des Knochens; vermutlich existieren Beziehungen und Über- 
gänge zwischen der Osteomyelitis fibrosa v. Recklinghausen’s und den ein- 
fachen Knochencysten. Mohr (Bielefeld). 


17) Dubulaboux. Appareils platres a charnière. 
(Arch. de méd. et de pharm. militaires 1906. Oktober.) 
D. beschreibt scharnierartig verbundene Gipsschienen, welche abnehmbar sind 
und ungezählte Male um das betreffende Glied 
A wieder umgelegt werden können. Zur Her- 


J stellung legt man sich vier ungestärkte Gaze- 
SV Uy} lagen auf den Tisch und dariiber eine Schicht 
i von sechs Lagen; beide werden in der Mitte 
N durch eine oder zwei Nähte AB vereinigt. 
\ Die inneren sechs Lagen werden nach innen 















zur Naht hin zusammengerollt, die Gipsschie- 
nen jetzt aus Gipsbinden hergestellt und auf 
die äußeren vier Lagen so hinaufgelegt, daß 
sie sich nicht berühren (G, G). Nunmehr wer- 
N den die inneren sechs Lagen wieder nach 
N außen gerollt und fest auf die Gipsschienen 

N gedrückt. Darauf wird das Ganze vom Tisch 
nommen und so um das betreffende Glied 

NN legt und modelliert, daß die Naht als Schar- 

B nier genau in der Mitte der hinteren Fläche 

zu liegen kommt. Bei der Herstellung ist 

darauf zu achten, daß die Gipsschienen allseitig von der Gaze überragt werden. 
Rasieren des Gliedes oder Einfetten mit Vaselin ist nicht nötig. 
Herhold (Brandenburg). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 1315 


18) Pagtiano. Deux cas de spondylose rhizomélique. 
(Marseille méd. 1906. April 1.) 
19) Marie et Léri. La spondylose rhizomélique. 
(Nouvelle iconographie de la Salpêtrière 1906. Januar—Februar.) 

P. berichtet über zwei typische Fälle der »Spondylose rhizomelique« Marie’s, 
welche genau entsprechend einem chronischen Gelenkrheumatismus verliefen. Bei 
dem einen Kranken wurde zunächst die große Zehe ergriffen, später erkrankten 
die Knie und erst nach mehreren Jahren entwickelte sich das typische Bild an 
der Wirbelsäule, während der Prozeß an den anderen Körperteilen zum Stillstande 
kam. Bei dem zweiten Pat. entstand gleichzeitig mit Veränderungen an ver- 
schiedenen Gelenken der Marie’sche Symptomenkomplex, auch im weiteren Ver- 
laufe traten subakute Entzündungen in den verschiedensten Gelenken auf. P. hält 
demnach die Spondylose rhizomelique nur für eine, allerdings eigenartig verlau- 
fende Form des chronischen deformierenden Gelenkrheumatismus, welche durch die 
verschiedensten toxischen und infektiösen Einflüsse entstehen kann. 

Dagegen fanden M. und L. nach dem Autopsiebefunde eines neuen Falles (des 
zweiten zur Sektion gekommenen) ihre frühere Ansicht bestätigt, daß die Spon- 
dylose rhizom6lique eine eigenartige Krankheit ist, anatomisch und pathogenetisch 
vollständig verschieden von anderen Ankylosen der Wirbelsäule und vom chroni- 
schen ankylosierenden Gelenkrheumatismus. Die Erkrankung ist primär eine in- 
fektiöse oder toxisch-infektiöse Knochenerkrankung mit Neigung zur Rarefizierung 
der Knochensubstanz; sekundär treten Verknöcherungen an den Bändern auf, und 
zwar zu dem Zwecke, die Knochenerkrankung zu kompensieren und die Affektion 
zur Ausheilung zu bringen. Mohr (Bielefeld). 


20) Hartmann (Kassel. Bruch des anatomischen Halses des Ober- 


armkopfes. 
(Archiv für Orthopädie, Mechanotherapie und Unfallchirurgie Bd. IV. Hft. 4.) 


Ein 48jähriger Mann, auf einer Kommode stehend, verlor das Gleichgewicht 
und schlug mit der Achsel auf die scharfe Kante einer Stuhllehne auf. Die nach 
einem Jahre vorgenommene Röntgenuntersuchung ergab die Verheilung einer 
totalen Absprengung des anatomischen Kopfes, der keilförmig mit geringer Ver- 
schiebung medianwärts in die spongiöse Epiphyse des Schaftes zwischen die beiden 
Tubercula hineingetrieben war. Das harte. spitze Fragment hatte sich in das 
weiche, spongiöse hineingespießt und eine Längsfraktur bewirkt, die sich in den 
Schaft des Humerus eine Strecke weit fortgesetzt hatte. 

Im zweiten Teile der Arbeit sucht Verf. nach einer Erklärung für das Zu- 
standekommen der Frakturen im Gebiete des so versteckt liegenden anatomischen 
Halses des Humeruskopfes. Er ist der Ansicht, daß in gewissen Stellungen und 
bei gewissen äußeren Gewalteinwirkungen der Knochen gerade hier am wenigsten 
widerstandsfähig ist. An dieser Stelle ist der Kopf frei von dem ihn schlauch- 
förmig umgebenden und zugleich verstärkenden Bandapparat und von umschließen- 
den Knochen der entsprechend ausgehöhlten Pfanne des Schulterblattes; auch geht 
hier die Rindenschicht, die vom Schafte herkommt, der Auflösung entgegen, und 
ist die Knorpelsubstanz des Kopfes auf ein Minimum reduziert. 

Die später einsetzende Bewegungseinschränkung usw. ist ein Symptom der 
Arthritis deformans. Man muß deshalb bei der Begutachtung derartiger Frakturen 
sich äußerste Reserve auferlegen. Pat. werden bei Brüchen, die das Gelenk selbst 
oder in der Nähe des Gelenkes gelegene Partien betroffen haben, nur unter der 
Bedingung wieder vollkommen erwerbsfähig sein, wenn sich zu den verheilten 
Brüchen keine Arthritis deformans gesellt. (Selbstbericht.) 


21) Eichel. Stichverletzung der Arteria brachialis. Arteriennaht. 
(Deutsche militärärztl. Zeitschrift 1906. Hft. 9.) 
Stichverletzung mit einem Messer in den linken Arm, 21/, cm lange Wunde 
an der Beugeseite des linken Oberarmes, dicht oberhalb der Ellbogenbeuge, 


1316 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 


starker Blutverlust. Bei temporärer Blutstillung durch Fingerdruck oberhalb der 
Wunde wurde diese erweitert und als Quelle der Blutung ein etwa 1 cm langer, 
etwas schräg gestellter Längsschnitt der Arteria brachialis festgestellt. Die Ge- 
fäßwunde wurde durch sechs Knopfnähte, die möglichst nur die Adventitia und 
‚Media faßten, geschlossen, darüber Scheidennaht, Hautnaht. Heilung per primam, 
Puls an der Radialis deutlich fühlbar. Der Mann wurde dienstfähig. 

Herhold (Brandenburg). 


22) Wiesmann. Uber einen Fall doppelseitiger Bicepsruptur. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLIX. p. 161.) 

Ein 43jähriger muskulöser Mann zog sich durch Heben einer Last und 7 Jahre 
später durch direktes Aufschlagen des Muskelbauches des Biceps gegen eine vor- 
stehende Schraube bei einem Fall beiderseits eine Zerreißung der Bicepssehne dicht 
oberhalb des Ansatzes am Radius zu. 

Der alte Bicepsriß, der konservativ behandelt worden war, hatte zu erheblicher 
Schwäche, besonders der Beugung geführt. Der neue wurde operativ in Angriff 
genommen, die pinselförmig aufgefaserte Bicepssehne angefrischt und in der Nähe 
des Radiusköpfchens an dem Perimysium des Musc. pronator teres und Supinator 
longus angeniht. Nach primärer Heilung erlangte der Arm seine volle Kraft 
wieder. 

Ist die Zerreißung der Bicepssehne an sich schon selten, so ist die Doppel- 
seitigkeit derselben erst recht eine Rarität. In jedem derartigen Falle dürfte sich 
die Naht der Sehne empfehlen, weil sie eine bessere Funktion garantiert als die 
konservative Behandlung. Reich (Tübingen). 


23) K. Schnurpfeil. Habituelle Verrenkung eines Interphalangeal- 


gelenkes der Hand. 
(Časopis lékařů českých 1906. p. 724.) 

Ein 16jähriger Jüngling zog sich durch ein Trauma eine volare Verrenkung 
des Gelenkes zwischen der ersten und zweiten Phalange des Kleinfingers zu. Diese 
Verrenkung ist außer durch ihre Seltenheit besonders dadurch interessant, daß sie 
habituell war und nur passiv reponiert werden konnte; nach der Reposition ent- | 
stand sie durch die geringste Bewegung des Fingers wieder. Nach Anlegung eines 
Schienenverbandes in Extensionsstellung trat innerhalb 5 Wochen Heilung ein. 


24) 8. L. Timofejew. Traumatisches Ödem an Hand und Fuß künst- 


lichen Ursprunges (diffuse Thrombose der dorsalen Venen). 
(Russki Wratsch 1906. Nr. 31.) 

Im Anfange des russisch -japanischen Krieges wurden im Kijewer Militär- 
lazarett 60—70 Soldaten mit oben genannter Krankheit behandelt. Es stellte sich 
heraus, daß die Leute sich dem Feldzug entziehen wollten und dazu folgendes 
Verfahren anwandten. Die betreffende Extremität wird mit heißem Tabakinfus 
eingerieben, mit einem Handtuch eingeschnürt und nachher, wenn sie angeschwollen 
ist und schmerzlos wird, mit einem stumpfen Gegenstand (in Tücher eingewickelter 
Stock, oder Faust, oder Ferse) lange Zeit geklopft. Das so entstandene Leiden 
ist durch Massage, heiße Bäder und Kompressen nicht zu beseitigen — das Ödem 
wird noch schlimmer. Doch bringt vertikale Suspension der Extremität in 2 bis 
4 Tagen das Ödem zum Schwinden. Ein Pat. erkrankte im Verlaufe des Ödems 
an linksseitiger Hemiplegie, wohl infolge einer Embolie aus der Handvene in die 
Art. fossae Sylvii dextra. E. @tickel (Wel. Bubny, Poltawa). 


25) A. Saxl (Wien). I. Zur Pathologie der paralytischen Abduktions- 
kontraktur der Hüfte. II. Zur Mechanik des Ganges bei Quadriceps- 
paralyse. 

(Wiener klin. Rundschau 1906. Nr. 30 u. 31.) 


Es wird ein Fall beschrieben, bei welchem durch Poliomyelitis anterior eine 
komplizierte Lähmung, besonders auch der Hüftmuskulatur, erzeugt war. Es re- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 1317 


t 


sultierte eine Abduktionskontraktur, die das Bild einer paralytischen Verrenkung 
vortäuschte. Es wird genau erörtert, durch welche mechanischen Momente hier 
die drohende Verrenkung verhütet ist. 

Die 14jährige Pat. wurde durch mehrfache subkutane Tenotomien und sorg- 
fältiges Redressement sehr wesentlich gebessert; Abbildungen zeigen dies. 

Den Schluß bilden Betrachtungen über die Mechanik des Ganges bei Quadri- 
cepsparalyse. Schmieden (Bonn). 


26) McGregor. Case of anastomosis between the femoral veins sub- 
sequent to thrombosis of the left external iliac vein during typhoid 
fever. 

‘Glasgow med. journ. 1906. Oktober.) 


Ein 26 Jahre alter Bremser hatte 1896 Typhus iiberstanden; damals war es 
zu einer sehr schmerzhaften Schwellung des linken Beines gekommen, die allmäh- 
lich bis auf eine mäßige Verdickung der Extremität zurückgegangen war. 1900 
machte Pat. von neuem Typhus durch und '/, Jahr danach Malaria. Damals kam 
es zur Ausbildung von großen Varicen in der Unterbauchgegend, deren Wachstum 
aber allmählich langsamer wurde; der Zustand wurde zuletzt stationär, auch Hä- 
morrhoidalbeschwerden, die sich eingestellt hatten, gingen zurück. 

Es erhob sich nun die schwerwiegende Frage, ob es gestattet sei, die sehr 
großen Varicen — Verf. bildete sie auf einer photographischen Aufnahme ab — 
zu beseitigen, weil Pat. in seinem Berufe durch sie sehr behindert war und ein 
Platzen der Knoten zu befürchten war. 

Auf Maylard’s Rat machte Verf. den Versuch, die Zirkulation in den Va- 
ricen durch eine Bandage zu unterbrechen, um zu erfahren, ob sich vielleicht in 
der Zwischenzeit genügende Anastomosen in der Tiefe gebildet hätten. 

Da nun dieser Versuch die Vermutung bestätigte, konnte man wagen, den 
Pat. von seinen Varicen zu befreien. Der Versuch gelang, und Pat. ist seitdem 
— mehr als 2 Jahre sind seither vergangen — in seinem Berufe tätig und ohne 
Beschwerden. W. v. Brunn (Rostock). 


27) Miller. The results of operative treatment of varicose veins of 
the leg by the methods of Trendelenburg and Schede. 
(Johns Hopkins hospital bulletin 1906. September.) 


M. berichtet über das Material der Halsted’schen Klinik und demonstriert 
einige bemerkenswerte Fälle durch gute photographische Aufnahmen. 

Varicenbildung an den Beinen ist nicht eine Krankheit des Alters, 1/3 aller 
Fälle entstehen vor dem 30., 2/3; vom 30.—40. Lebensjahre. Das Material umfaßt 
128 Pat. 

Es gibt eine Krampfaderbildung auf Grund einer entziindlichen Erkrankung 
(Schwangerschaft, Rekonvaleszenz nach Operationen oder Infektionskrankheiten, 
ganz besonders oft Typhus) und auf nicht entziindlicher Grundlage, deren Ursachen 
bisher nicht bekannt sind. 

Das rechte und das linke Bein ist ungefähr in gleichem Maße betroffen; über 
die Hälfte der Erkrankungen betraf beide Beine zugleich. 

Durch das Vorgehen nach Trendelenburg wurden bei 41 Fällen 78% 
Heilung beobachtet. In den ersten 4 Jahren nach der Operation betrug die Ziffer 
89% Heilung, bis zum 8. Jahre traten aber doch soviele Rezidive auf, daß von 
diesen Kranken nur 63% dauernd geheilt blieben. 

Die Schede’sche Operation hatte bei neun Fällen nur in 33% Erfolg. Zwei 
vor 2 Jahren operierte Kranke sind bisher noch gesund, von sieben Kranken, die 
vor mehr als 2 Jahren operiert wurden, blieb nur einer ohne Rezidiv. 

Drei Wege gibt es, auf denen es zur Rezidivbildung kommen kann: 1) können 
die venösen Anastomosen zwischen den zwei Unterbindungsstellen der V. saphena 
selbst varikös werden, 2) können in der Narbe selbst neue Varicen sich bilden, 
3) kann die V. saphena zwischen den Unterbindungsstellen selbst wieder wegsam 


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werden und Varicen bilden. Im allgemeinen hat die funktionelle Wiederherstellung 
der Saphena auch eine Wiederkehr der Symptome zur Folge. 

Im allgemeinen empfiehlt es sich, von einem Querschnitt aus 8cm oder mehr 
aus der V. saphena zu resezieren. Lungenembolie nach der Operation ist selten, 
wurde aber mehrmals vom 4. bis zum 13. Tage p. op. beobachtet. 

W. v. Brunn (Rostock). 


28) P. G. Poper. Zur Kasuistik der Lymphcysten des Oberschenkels. 
(Russki Wratsch 1906. Nr. 365.) 

Pat. trägt die Geschwulst seit 2 Jahren. Sie ist kindskopfgroß und sitzt vorn 
am rechten Oberschenkel, dessen mittleres Drittel einnehmend. Von dem medialen 
unteren Teile geht ein Fortsatz zum Condylus medialis des Oberschenkels, 2 cm 
breit, 7” cm lang. Die Cyste selbst mißt 26><33 cm. Ursache unbekannt. Nach 
Entleerung von 2 Litern klarer, strohgelber Flüssigkeit leichte Exstirpation des 
Sackes, der vollständig abgegrenzt zwischen Fascie und Muskel saß. Nach der 
Operation hartnäckige Lymphorrhöe, so daß erst 5 Wochen nach’der Exstirpation 
Heilung eintrat. In der Literatur fand P. nur noch einen ähnlichen Fall — den 
von Nordmann (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie 1901). 

E. Gückel (Wel. Bubny, Poltawa). 


29) Grohe. Absprengung eines kleinen Stückes vom rechten Femur- 
kopf bei einem 4!/,jährigen Knaben. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVIII. p. 837.) 

Verf. beschreibt einen seltenen Fall von segmentärer Absprengung am Ober- 
schenkelkopfe, dessen Diagnose sich auf das Röntgenbild stützt. Der Mechanismus 
war der, daß das Kind bei eingeklemmtem Fuß im Momente der Entstehung einer 
Luxatio iliaca auf den Trochanter fiel, wobei der Pfannenrand das obere Segment 
des Kopfes absprengte. 

Extensionsbehandlung führte zu Heilung mit voller Funktion. 

Reich (Tübingen). 
30) P. Müller. Über Biegungsbrüche an den langen Röhrenknochen 
der unteren Extremität. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. L. Hft. 1.) 

Aus dem reichen Frakturenmateriale der v. Bruns’schen Klinik hat Verf. 
113 Fälle von Brüchen der langen Röhrenknochen der unteren Extremität aus- 
gewählt, bei denen wohlgelungene Röntgenogramme in Übereinstimmung mit 
Anamnese und klinischem Befunde die Merkmale von Biegungsbrüchen deutlich 
erkennen ließen. Auf die in Betracht kommende Gesamtzahl von 422 Brüchen 
von Femur, Tibia und Fibula bezogen, ergibt sich eine Häufigkeit der Biegungs- 
brüche von 27%; doch stellt sich deren Frequenz tatsächlich noch beträchtlich 
höher. Ober- und Unterschenkel sind in einem Verhältnis von 6 : 14 vertreten. 

Unter den Oberschenkelbriichen (129 Rontgenbilder) sind 34 = 26,4% durch 
Biegungsmechanismus entstanden, wobei 17mal eine direkte, 10mal eine indirekte 
Gewalteinwirkung sich nachweisen ließ, und worunter 8 komplizierte Fälle sich be- 
finden. Die Bruchstelle hatte in der Überzahl ihren Sitz im mittleren Drittel des 
Oberschenkels. 

Fiir den Unterschenkel ergab sich bei 293 Fallen fiir die Biegungsbrüche eine 
Frequenz von 79 = 27,3%. Das Trauma war gleichfalls häufiger ein direktes (35) 
als ein indirektes (26), und führte in 27 Fällen (= 34%) zu komplizierten Frak- 
turen. 

Auf interesante Einzelbeobachtungen einzugehen, ist hier nicht Raum. Im 
ganzen führt die Arbeit zu dem Schluß, daß auch die röntgenographische Unter- 
suchung die zuerst durch v. Bruns vertretene Ansicht bestätigt, wonach die re- 
lative Mehrzahl der Diaphysenbrüche langer Röhrenknochen durch Biegung. und 
dann unter typischem Verhalten der Bruchlinien, entsteht. Für das scheinbare Über- 
wiegen der reinen Schrägbrüche ist die Unzulänglichkeit der Bilder verantwortlich 
zu machen. Reich (Tübingen!. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 1319 


31) Sonntag. Uber die Frakturen am oberen Ende der Tibia. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. L. Hft. 1.) 

Zu diesem Thema hat Verf. alle einschlägigen Fälle aus der Literatur ge- 
sammelt und aus dem reichen Frakturenmaterisale der v. Bruns’schen Klinik aus 
den letzten 10 Jahren zahlreiche neue Fälle beigebracht, die in kurzem Auszug und 
unter Anfügung von Röntgenbildern beschrieben sind. 

Fremde v. Bruns’sche 


Fälle. Klinik. 
A. Brüche des oberen Drittels 
der Tibia unterhalb der Tuberositas tibiae 84 9 
B. Briiche des oberen Gelenkendes der Tibia: 
1) Traumatische Epiphysenlésungen 7 1 
2) Frakturen der Tuberositas tibiae 38 1 
3) Isolierte Fraktur eines Tibiakondylus 28 1 
4) Kompressionsfrakturen am oberen Tibiaende 52 2 
Einzelheiten sind in dem Originale nachzusehen. Reich (Tübingen). 


32) Macartney. Unusual case of ruptured tendo Achillis. 
(Glasgow med. journ. 1906. September.) 

Das Eigenartige an diesem Falle war zunächst, daß der 19 Jahre alte Pat., 
der im übrigen keine Abnormitäten an sich gehabt zu haben scheint, nicht an- 
geben konnte, wann und wodurch die Zerreißung seiner rechten Achillessehne zu- 
stande gekommen war. Nur soviel war zu erfahren, daß Pat. seit etwa 3 Monaten 
hinkte. In der Gegend der Wade fand sich eine runde, geschwulstartige Masse. 
Bei der Operation ergab sich, daß diese Geschwulst aus retrahierter Muskulatur 
und Sehnengewebe bestand; am Fersenbeine war nicht der geringste Rest von der 
Sehne stehen geblieben. 

Verf. führte eine Plastik in der Weise aus, daß er den Muskelbauch in der 
Mitte quer einschnitt bis zur Hälfte der Dicke, und von hier aus frontal, nach 
dem Fuße zu gerichtet, die hintere Hälfte der Muskulatur von der vorderen soweit 
ablöste, bis der so entstehende Lappen, wenn man ihn herabklappte, das Fersen- 
bein erreichte. Hier vernähte er ihn am Periost mit Catgut. 

Obwohl sich einige nekrotisch gewordene Muskelpartien im Laufe der Zeit 
abstießen, kam es zur Heiluug, und 9 Monate nach der Operation geht Pat. flott, 
ohne jedes Hinken. W. v. Brunn (Rostock). 


33) Schambacher. Über die gangliomähnliche Geschwulst des Nervus 


peronaeus. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVII p. 825.) 

Beschreibung von zwei als falsches Neuroma cysticum angesprochenen Ganglien 
des Nervus peronaeus, die, nicht hinter dem Fibulaköpfchen gelegen, spontan ent- 
standen und Ursache neuralgischer Schmerzen im Peroneusgebiete waren. Sie er- 
wiesen sich als mehrkammerige Cysten von klarem, gallertigem Inhalte, die von 
den ausgebreiteten Nervenfasern überzogen waren. 

Die eine Geschwulst wurde exstirpiert mit Resektion des Nerven; bei der an- 
deren führte die Auslöffelung zur Ausheilung unter Erhaltung der Nervenfunktion. 

Reich (Tiibingen). 


34) A. Reich. Nachuntersuchungen über die Gebrauchsfähigkeit der 
Amputationsstümpfe des Unterschenkels. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. L. Hft. 1.) 

Um Aufklärung zu bringen über die anatomische und funktionelle Beschaffen- 
heit von Unterschenkelstümpfen, hat Verf. an der v. Bruns’schen Klinik 61 Unter- 
schenkelamputierte einer persönlichen Nachuntersuchung unterworfen. 

Was zunächst 45 subperiostal nach der v. Bruns’schen Methode operierte und 
nicht für Tragfähigkeit bestimmte Unterschenkelstümpfe betrifft, so wiesen 21 eine 


1320 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 


sehr gute, 10 eine mäßige und 14 eine unbefriedigende praktische Brauchbarkeit 
zu körperlichen Arbeiten mit Hilfe von Prothesen auf. Dabei bezog sich die Unter- 
suchung auf Pat. jeden Alters bis zu 84 Jahren; eine Abnahme der relativen 
Leistungsfähigkeit im Alter ließ sich nicht bemerken. Die Beobachtungsdauer 
betrug nie unter 1 Jahr, dagegen bis zu 24 Jahren. - 

Durch die Zugehörigkeit zu einem sitzenden Berufe, resp. den Übergang zu 
einem solchen nach der Amputation wird die Gewöhnung an den Gebrauch der 
Prothese und damit die Funktion beeinträchtigt. Die wegen Fußtuberkulose Am- 
putierten wiesen eine bessere Brauchbarkeit des Stumpfes auf als die wegen akuter 
Eiterungen, komplizierter Traumen, Gangrän und Deformität des Fußes Ampu- 
tierten, hauptsächlich wegen der bei Tuberkulosen häufigeren Primärheilung. 

Hinsichtlich der Funktion blieb das mittlere Drittel bis zu seiner oberen Grenze 
die günstigste Höhe für die Absetzung des Unterschenkels: längere Stümpfe sind 
in besonderem Grade zu Zirkulationsstörungen, Reizung der Tibiakante und pro- 
thetischen Schwierigkeiten disponiert; kürzere Stümpfe erschweren die Befestigung 
des künstlichen Apparates und komplizieren ihn. 

An Stelle des einzeitigen Zirkelschnittes mit erst nachträglich hinter die 
Knochenenden wandernder Narbe empfiehlt sich zur Vermeidung der Narben- 
verwachsung die Bildung eines größeren vorderen und kleineren hinteren Lappens, 
was vor allem für tragfähig zu machende Stümpfe wertvoll erscheint. 

Die Absicht, Tibia und Fibula in gleicher Höhe zu durchsägen, zieht so oft 
einen Mißerfolg resp. Hervorragung der Fibula (in 1/; der Fälle) nach sich, daß 
höhere Absetzung der Fibula durchaus geboten erscheint. 

Die Weichteile aller nicht direkt tragenden Stümpfe fallen einer unvermeid- 
lichen Atrophie (sekundärer Konizität) anheim, die höchstens durch chronisches 
Ödem verdeckt wird. Eine für direkte Belastung ausweichende Schmerzlosigkeit 
der Stumpfbedeckung zählt zu den Ausnahmen. 

Produktive Knochenveränderungen werden ausnahmsweise vermißt. Sie gehen 
so gut wie auschließlich vom Periost, enorm selten vom Mark aus. Die gefähr- 
lichste Form der unregelmäßigen prominenten Exostosen ist bei 4493 der sub- 
periostalen Stümpfe zu beobachten. Weder das Alter, noch die Amputations- 
indikation, noch der Heilungsverlauf, noch mechanische Reize spielen eine merklich 
bevorzugte Rolle in deren Atiologie. Aus der Häufigkeit der Exostosen ergab sich 
ein aperiostales Amputationsverfahren mit Wegnahme eines Periostsaumes und 
Markauslöffelung. 

Röntgenographisch läßt sich eine chronische exzentrische Knochenatrophie bei 
der Mehrzahl der indirekt tragenden Unterschenkelstümpfe nachweisen, jedoch 
nicht ausnahmslos. In der Regel stellt diese einen aus der Zeit vor der Ampu- 
tation übernommenen und infolge des Funktionsausfalles verstärkten oder nicht 
zurückgebildeten Zustand dar. Konzentrische Knochenatrophie war nur sehr selten 
und auch bei ältesten Stümpfen nur andeutungsweise vorhanden. 

Die exzessive Konizität jugendlicher Stümpfe (vier Fälle) beruht auf einem 
Mißverhältnie zwischen Knochen- und Weichteilwachstum einerseits, einer im 
Wachstumsalter besonders starken, zu griffelförmiger Zuspitzung führenden Knochen- 
atrophie andererseits. 

Die Nachuntersuchung von 16 teils mit, teils ohne Periosterhaltung amputierten 
und tragfähig gemachten Unterschenkelstümpfen ergab, daß subperiostale Stümpfe 
sich sehr gut tragfähig machen lassen, diese Eigenschaft aber später häufig infolge 
Exostosenbildung wieder verlieren, selbst nach 2 und mehr Jahren. Aber auch 
aperiostale, direkt tragende Knochenstümpfe sind nicht sicher und dauernd vor 
störenden Exostosen geschützt. 

Es können exostotische Stümpfe tragfähig werden und bleiben und anatomisch 
ideale Fälle ohne ersichtlichen Grund die Tragfähigkeit verlieren. 

(Selbstbericht.) 


Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man 
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- 
handlung Breitkopf & Härtel, einsenden. 


Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig, Nürnbergerstraße 36/38. 


Zentralblatt 
CHIRURGIE 


Ema Bm, Fini, i, 





DreiunddreiBigster Jahrgang. 


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Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei halbjähriger 
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten. 

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Nr. 50. Sonnabend, den 15. Dezember. 1906, 





Inhalt: Z. Stawinski, Uber partielle Resektion{des Samenstranges bei radikaler Opera- 
tion des Leistenbruches. (Original-Mitteilung.) 

1) Spiller und Frazier, Palliativoperation bei Hirngeschwülsten. — 2) Keppler, Stauungs- 
hyperämie bei eitrigen Ohrerkrankungen. — 3) Grossmann, 4) Syme, Mastoidoperationen. — 
5) Alexander, Jugularis-Hautfistel bei otogener Pyämie, — 6) Lebram, Arrosion der Carotis 
bei peritonsillären Abszessen. — 7) Holländer, Tuberkulose der Mund- und Nasenschleimhaut. 
— 8) Fawcett, Gaumenspalte. — 9) Davis, Angina Ludovici. 

F. Franke, Der seitliche Halsschnitt (Trachelotomia externa) zur Entfernung von Fremd- 
körpern aus der Speiseröhre ohne deren Eröffnung. (Original-Mitteilung.) 

10) Oppenheim, Hirngeschwulst. — 11) Hinsberg, 12) Held, Eitrige Meningitis. — 
13) Boenninghaus, Doppelseitige zerebrale Hörstörung mit Aphasie. — 14) Voss, Otitische 
Sinusthrombose. — 15) Maler, Geschmacksstörungen bei Mittelohrerkrankungen. — 16) Ren- 
ton, Exstirpation des Ganglion Gasseri. — 17) Erdheim, Schädelcholesteatome. — 18) Bezold, 
Mißbildung des Ohres. — 19) Lebram, Störungen des Gehörorgans nach Carotisunterbindung. 
— 20) Lebram, Arrosion des Sinus transversus. — 21) Voss, 22) Grunert, 23) Voss, Frei- 
legung des Bulbus v. jugul. — 24) Hölscher, Paraffinausfüllung von Operationshöhlen im 
Felsenbein. — 25) Hagen-Torn, Augenhöhlengeschwäülste. — 28) Bohosiewicz u. Herman, 
Totale Oberkieferresektion. — 27) Pfeiffer, Symmetrische Tränen-Speicheldrüsenerkrankung. 
— 28) Nicoli und Teacher, Zungenteratom. — 29) Gabourd, Fibrolipom des weichen Gau- 
mens. — 30) Amblard, Perlamygdalitis phlegmonoss. — 81) Dervaux, Spina bifida. — 
32) Renton, Laminektomie bei Spondylitis tuberculosa. — 33) Oppenheim und Borchardt, 
Riickenmarkegeschwilste. — 34) Coltelloni, Branchialcysten. — 35) Da Costa, Geschwulst 
des Carotidenkérpers. — 36) Enochin,Unterbindung der Schilddrüsenarterien. — 37) Blauel, 
Exothyreopexie. — 38) Whipple, Tuberkelbazillen im Ductus thoracicus. — 39) Pfeiffer, All- 
gemeines interstitielles Emphysem. — 40) Spengler, Pneumothorax. — 41) Horn, Eitrige 
Brustfellentzündung. — 42) Pfeiffer, Brouchiektasen im Röntgenbild. — 43) Travers, Herz- 
naht. — 44) Braendle, Brustdrüsentuberkulose. — 45) Delagéniére, 46) Donth, 47) Niederle, 
48) Bunting, 49) Well, Zur Pankreaschirurgie. — 50) Sick, Milzbrand. 





Über partielle Resektion des Samenstranges bei 


radikaler Operation des Leistenbruches. 
Von 
Dr. med. Z. Stawinski in Warschau. 
Der bis jetzt üblichen Ansicht zufolge sollte eine Läsion der 


A. spermatica int. stets zu Gangrän oder zur fortschreitenden Atrophie 
des Hodens führen. Indessen ist die Richtigkeit dieses Satzes durch 


50 


1322 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 


neuere Forschungen (gewisse Methoden der Varikokele- und Kryptor- 
chismusoperationen) ins Schwanken geraten, wie auch meine Beobach- 
tungen über Hernien weitere einschlägige Beweise gegen denselben 
liefern. 

In Nr. 9 des Zentralblatt für Chirurgie 1905 veröffentlichte 
Pólya eine Modifikation der Bassini’schen Methode, welche auf 
einer Volumverminderung, Verlagerung und Umschlagen des Samen- 
.stranges um den Rand eines aus der Aponeurose des M. obliquus 
externus exzidierten Lappens beruht. Um das erste zu erreichen, ent- 
fernt Pólya den M. cremaster sowie diejenigen Hodenvenen, welche 
nicht mit dem Funiculus zum inneren Leistenringe verlaufen, sondern, 
sich von ihm beim äußeren Leistenringe trennend, mehr medial gegen 
die Fascia transversa hinziehen, um sich in die Epigastrica zu ent- 
leeren, und auch die den Processus vaginalis der Fascia transversa 
entsprechende, bei Hernien zumeist stark verdickte Bindegewebsschicht. 
Pólya fügt noch hinzu, daß zu demselben Zwecke Halsted nur das 
Vas deferens mit 1—2 Venen erhält; in der mir zugänglichen Literatur 
vermochte ich die Beschreibung des Halsted’schen Verfahrens nicht 
aufzufinden. 

In der oben beschriebenen Methode fiel mir ein Detail auf, 
nämlich die Verkleinerung des Samenstrangumfanges; was die übrigen 
von Pólya vorgeschlagenen Modifikationen betrifft, so will ich sie 
an dieser Stelle keiner Kritik unterwerfen. Die Volumsverkleinerung 
des Samenstranges bedeutet dagegen in vielen Fällen zweifellos einen 
technischen Fortschritt. So wird man z.B. bei sehr großen Brüchen 
zuweilen kastrieren müssen, will man mit dem enormen Bruchsack 
und dem Samenstrang fertig werden; auch bei angeborenen Hernien 
ist das Auffinden und Zusammenlegen des zerstreuten Samenstranges 
außerordentlich schwierig. 

Aus diesem Grunde wagte ich mit der Verkleinerung des Samen- 
strangvolumens noch weiter als Pölya zu gehen: auf einer bestimmten 
Strecke ließ ich nämlich nur den Samenleiter bestehen. Es wird ja 
dieser Eingriff, allerdings in kleinerem Maßstabe, bei Operationen der 
Variokele und des Kryptorchismus von verschiedenen Chirurgen geübt; 
wie dann die Ernährung des Hodens stattfindet, erhellt aus den 
anatomischen Verhältnissen. 

Der Samenstrang führt drei Arterien, nämlich die Spermatica 
interna aus der Aorta, die Spermatica externa oder Funicularis aus 
der Epigastrica inferior und die Arteria deferentialis aus der Vesicalis 
inferior oder media, also aus der Art. hypogastrica. Abgesehen von 
den Anastomosen dieser Gefäße mit den Nachbararterien (z. B. der 
Art. funicularis mit den Artt. scrotales posteriores aus der Pudenda 
int.) bestehen konstante Anastomosen dieser Samenstrangarterien unter- 
einander. Von größter Bedeutung in dieser Beziehung ist das Ver- 
hältnis der Art. deferentialis und spermatica interna‘. Am hinteren 


ı L. Testut et O. Jacob, Traité d'anatomie topographique. Bd. II. p. 571. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 1323 


Pole des Testikels teilt sich die Art. spermatica int. in zwei Astchen, 
welche den Hoden ernähren. Ferner gibt dieselbe etwas oberhalb des 
Nebenhodens zwei Astchen für denselben ab, der eine (Art. epididym. 
post.) anastomosiert gewöhnlich »& plein canal« mit der Art. deferen- 
tialis. Letztere anastomosiert im Niveau des Nebenhodens in Gestalt 
eines Bogens mit der Art. epididym. post.; die für den Nebenhoden 
und den hinteren Hodenpol bestimmten Zweige entspringen erst diesem 
Bogen. »Wird der Samenleiter nicht zu viel («de trop prés«) entbléBt, 
so kann man sicher sein, die Art. deferentialis nicht verletzt zu haben, 
und die Erhaltung dieser Arterie allein sichert die Ernährung des 
Hodens.« 

Auf Grund dieser anatomischen Tatsachen allein habe ich eine 
partielle Resektion des Samenstranges folgendermaßen ausgeführt. 
Nach Isolierung des Bruchsackhalses, Reposition des Bruchinhaltes 
und Vernähung oder Unterbindung des Bruchsackhalses wurde der 
-Samenleiter aufgesucht und auf der Strecke vom inneren bis zum 
äußeren Leistenring isoliert; dann wurden die übrigen Gewebe (der 
Bruchsack nebst akzessorischen Bruchhüllen, der Samenstrang) dicht am 
Bruchring abgetragen. Die weitere typische Wiederherstellung des 
Leistenkanals nach Bassini geschieht wie gewöhnlich, mit Verlage- 
rung des Samenleiters; die Aponeurose läßt sich dann ohne jegliche 
Spannung vernähen. Als Vorzug dieses Verfahrens wäre eine be- 
deutende Abkürzung und Vereinfachung des ganzen Eingriffes zu 
nennen, da man ja neben dem Samenstrang alle übrigen Bruchhüllen 
exzidieren kann. 

Persönlich hatte ich die Gelegenheit, den oben beschriebenen 
Eingriff in sieben Fällen von Hernien (darunter zwei beiderseitige) 
auszuführen. Nach der Operation ist der Hoden zuweilen einige 
Tage lang geschwollen, indes gleicht sich diese geringe Schwellung 
rasch aus. Von den operierten — sämtlich ohne Komplikationen 
geheilten — Fällen vermochte ich nur zwei nachzuprüfen. Der erste Pat., 
ein 40jähriger, im September 1905 doppelseitig operierter Mann, weist 
keinerlei sichtbare oder tastbare Volumveränderungen am Hoden auf; 
auch ein Nachlassen der sexuellen Tätigkeit wurde nicht bemerkt. Der 
zweite Fall ist um so interessanter, als ein großer rechtsseitiger Bruch 
im Oktober 1905 mit Resektion des Samenstranges operiert, links 
dagegen wegen kleinerer Hernie im September desselben Jahres ein 
typischer Bassini ausgeführt wurde. Gegenwärtig (Oktober 1906) 
vermag man keinen Unterschied beider Hoden zu bemerken. Diese 
Fälle sind ein Beweis dafür, daß durch die von mir vorgeschlagene 
Exzision aller Bestandteile des Samenstranges mit Belassung des 
Vas deferens ‘weder die Ernährung noch die Funktion des Hodens 
gefährdet, hingegen die Dauer der Operation abgekürzt und die 
Technik derselben vereinfacht wird. 

Neben den anatomischen Tatsachen besitzen wir eine Reihe 
klinischer Beobachtungen anderer Leiden, welche als wichtiger Beleg 
für die Unschädlichkeit des von mir vorgeschlagenen Eingriffes 

50* 


1324 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 


dienen können. Ähnlich wird von manchen Chirurgen bei der opera- 
tiven Behandlung der Varikokele und des Kryptorchismus verfahren. 
Bennet? rät, die erweiterten Venen bei Varikokele zu exstirpieren 
und behauptet, daß selbst bei einer Verletzung der Art. spermatica 
eine Nekrose oder Atrophie des Hodens nicht eintritt, was nach den 
Tierexperimenten von Mifflet, Volkmann u.a. befürchtet wurde. 
Nach Testut und Jakob (l.c.) wäre die Art. spermatica int. des 
Samenstranges von einer (vorderen) Venengruppe umgeben, welche 
dieselbe derart maskiert, daß sie schwer auffindbar und ihr Puls nicht 
abzutasten ist. Aus diesem Grund ist man bei der Resektion des 
Plexus pampiniformis niemals sicher, die Arterie nicht. verletzt zu 
haben, will man nicht nur Abschnitte der sorgfältig präparierten 
einzelnen Venen exzidieren. Eine Läsion der Arterie ist für die Er- 
nährung des Hodens ziemlich belanglos, vorausgesetzt natürlich, daß 
die Art. deferentialis intakt bleibt. — Als ich in einem Falle von 
Varikokele die Art. spermatica int. im Venengeflecht nicht aufzu- 
finden vermochte, war ich genötigt, auf einer bestimmten Strecke den 
ganzen Samenstrang, mit Ausnahme des Ductus deferens, zu resezieren; 
nach Verlauf von 1!/, Jahren konnte ich feststellen, daß der auf der 
operierten Seite — früher bedeutend kleinere — Hode nun dem der 
entgegengesetzten Seite völlig gleich kam, und die vor der Operation 
bedeutend herabgesetzte geschlechtliche Funktion zugenommen hat. . 

Einen interessanten Beitrag zu der einschlägigen Frage bildet 
auch eine Methode der Kryptorchismusoperation. Einigen Autoren 
zufolge beruht die Hauptschwierigkeit beim Herunterziehen des 
Testikels in den Hodensack — nach Beseitigung anderweitiger Hinder- 
nisse — auf abnormer Kürze der Samenstranggefäße Der Verlauf 
der Gefäße ist ein gerader, während der Samenleiter zwischen innerem 
Leistenring und Blasengrund bogenförmig verläuft; auch die Art. 
deferentialis bildet einen Bogen. Aus diesen Gründen, gestützt auf 
die Tatsache, daß nur der Samenleiter der wichtigste Bestandteil des 
Samenstranges ist, opfert Bevan? die Samenstranggefäße, so oft sie 
ein Hindernis für genügendes Herabsteigen des Hodens abgeben. 
Auf Grund von über 100 Operationen wegen Varikokele, nach welchen 
— trotz Entfernung sämtlicher Bestandteile des Samenstranges mit 
Ausnahme des Ductus deferens und seiner Gefäße — keinerlei Er- 
nährungsstörungen des Hodens beobachtet wurden, gelangt Bevan zu 
der Überzeugung, daß in Fällen, wo dies für das Herabsteigen un- 
umgänglich erscheint, die Samenstranggefäße ohne Bedenken geopfert 
werden können. Mignon stellte im Jahre 1902 in der Pariser 
chirurgischen Gesellschaft drei Fälle von Varikokele vor, wo alle 


2 Bramann, Handbuch der praktischen Chirurgie. 2. Aufl. Bd. IIL p. 1242. 

3 Arthur Dean Bevan (Chicago), Ein weiterer Beitrag zur chirurgischen 
Behandlung des nicht herabgestiegenen Hodens. Archiv für klinische Chirurgie 
Bd. LXXII. 1904. 

t Souligoux, Ectopie testiculaire et ses complications. Informations et 
documents divers du 19. congrès des chirurgiens français, 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 1325 


Gebilde des Samenstranges, mit Ausnahme des Samenleiters und der 
Art. deferentialis, reseziert wurden. Souligoux bemerkt, daß die 
gegen dieses Verfahren gerichteten scharfen Vorwürfe unbegründet 
seien, sobald nicht nachgewiesen wurde, daß die Art. deferentialis eine 
sog. Eindarterie sei. 

Alle diese Tatsachen berechtigen uns, meines Erachtens, zu par- 
tieller Resektion des Samenstranges bei Radikaloperation nach Bas- 
sini. Möglicherweise wird eine längere und ausführlichere klinische 
Beobachtung auch Schattenseiten dieser Methode entdecken; indessen 
möchte ich bereits auf Grund meiner seit Jahresfrist dauernden Er- 
fahrung dieselbe zur Nachprüfung und Beurteilung empfehlen; in 
manchen Fällen wird sie zweifellos die Kastration bei Radikalopera- 
tion des Leistenbruches ersetzen. Ich muß nochmals bemerken, daß 
das beschriebene Verfahren nicht als für alle Fälle typisch bezeichnet 
werden soll; doch bin ich überzeugt, daß es die Operation großer 
Hernien mit sehr dickem Samenstrang einfacher und kürzer gestaltet; 
dasselbe gilt für angeborene Brüche mit zerstreutem, schwer zu 
findendem Samenstrange. 


Oktober 1906. 





1) Spiller and Frazier. Cerebral decompression. Palliative 
operations in the treatment of tumors of the brain. 
(Univ. of Pennsylvania med. bull. 1906. September.) 


S. stellt zunächst die Literatur über Palliativoperationen bei Hirn- 
geschwülsten zwecks Druckverminderung zusammen und fügt die 
Krankengeschichten von zwei von Keen operierten und gebesserten 
Fällen hinzu. Er berichtet sodann über 14 eigene Beobachtungen 
(meist von F. operiert), deren Krankengeschichten ausführlich mit- 
geteilt werden. Schlüsse: Neuritis optica, Kopfschmerzen, Schwindel- 
gefühl, Ubelkeit, Erbrechen und bis zu einem gewissen Grad auch 
Krämpfe werden günstig beeinflußt, oft für die ganze weitere Lebens- 
dauer. Krämpfen vom Jackson’schen Typus gegenüber ist der Er- 
folg zweifelhaft. Palliativoperationen sollten frühzeitig vorgenommen 
werden, sobald die Erscheinungen einer Hirngeschwulst deutlich sind, 
ehe die Allgemeinerscheinungen und besonders die Neuritis optica zu 
weit vorgeschritten sind, zumal wenn Lues unwahrscheinlich ist oder 
eine antiluetische Behandlung ohne Erfolg war. Die Palliativoperation 
darf niemals an die Stelle der Radikaloperation treten, wenn letztere 
ohne allzu große Gefahr für den Kranken ausgeführt werden kann. 
Die teilweise Entfernung einer Hirngeschwulst, zumal eines Glioms, 
ist von zweifelhaftem Werte. Die Palliativoperation führt unter ge- 
wöhnlichen Umständen keine Atrophie der Hirngeschwulst herbei, hält 
auch ihr Wachstum nicht auf, während andererseits das Wachstum 
wahrscheinlich auch nicht beschleunigt wird. In einzelnen Fällen ver- 
schwinden die Erscheinungen der Hirngeschwulst längere Zeit oder 


1326 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 


dauernd fast vollständig nach bloßer Trepanation zwecks Druckent- 
lastung; dieser Erfolg wird entweder durch Beseitigung der Druck- 
steigerung im Hirn erzielt oder durch Entfernung irgendeiner anderen 
Erkrankung (z. B. Meningitis serosa), welche die Erscheinungen einer 
Hirngeschwulst hervorrief. 

F. hält eine den Hirndruck herabsetzende Operation für angezeigt, 
1) wenn die Geschwulst vermutlich nicht vollständig entfernt werden 
kann, 2) wenn sie nicht lokalisiert werden kann, und doch die drohende 
Erblindung, die heftigen Kopfschmerzen und das anhaltende Erbrechen 
einen Eingriff notwendig machen. Bei Kleinhirngeschwülsten empfiehlt 
F. für die Palliativoperation folgendes Vorgehen: senkrechter Ein- 
schnitt von 8—10 cm Länge, etwas oberhalb der Linea semicircularis 
superior beginnend; von diesem Weichteilschnitt aus läßt sich eine 
einseitige Trepanation bedeutend weniger verletzend ausführen, als bei 
der üblichen großen osteoplastischen Lappenbildung. F. kam stets 
mit der einseitigen Freilegung aus; wurde die Kleinhirngeschwulst nicht 
gefunden, so wurde 1/,—1/; der Knochenfläche über der Kleinhirn- 
hälfte mit gutem Erfolg entfernt. 

Kann der Sitz der Geschwulst nicht bestimmt werden, so emp- 
fiehlt sich, falls nicht sonstige Gründe dagegen sprechen, in der rechten 
Schläfengegend zu trepanieren: von einem Längsschnitt aus sollen 6 
bis 8qem Knochenfläche entfernt werden. Fast immer genügt eine 
Offnung, nur in einem von 14 Fällen mußte F. später wegen Rück- 
kehr der Erscheinungen eine zweite auf der entgegengesetzten Seite 
hinzufügen. Ist der Sitz der Geschwulst dagegen vor der Operation 
genau zu bestimmen, so kommt die Palliativoperation nur dann in 
Betracht, wenn trotzdem die Geschwulst bei der Operation nicht ge- 
funden wird oder sich als inoperabel erweist. Was die Frage anlangt, 
ob zur Druckentlastung die Dura eingeschnitten, entfernt oder ganz 
intakt gelassen werden soll, so sah F. keinen Unterschied im Erfolg, 
ob die Dura offen blieb oder nicht. Selbst wenn sie geschlossen 
bleibt, dehnt sie sich in der Knochenlücke genügend, um den Hirn- 
druck herabzusetzen. F. zeigt dieses an zwei Fällen, in welchen die 
Zunahme der Vorwölbung der wieder geschlossenen Dura längere Zeit 
nach der Operation durch genaue Messungen verfolgt wurde. Wird 
die Dura völlig entfernt, so ist die Gefahr einer Wundinfektion, eines 
Hirnvorfalles und die Lebensgefahr zweifellos größer, als wenn man 
sie zurückläßt. Unter F.’s 14 eigenen Fällen saß die Geschwulst 
9mal in der Kleinhirngegend. Sämtliche Pat. überstanden die Ope- 
ration. Nur bei einem Pat. trat keine Verminderung der Beschwerden 
ein; 8 Pat. leben und sind frei von Beschwerden. Diese Besserung 
hält in mehreren Fällen 2—3 Jahre seit der Operation an. Die Neu- 
ritis optica ging ausnahmslos zurück, doch blieben 3 Pat. völlig er- 
blindet, da die Erkrankung bereits zu lange bestanden hatte. Auch 
die Kopfschmerzen wurden ausnahmslos günstig beeinflußt; bei einigen 
Pat. schwanden sie nicht völlig, traten aber nur noch anfallsweise 
und weniger heftig auf. In allen diesen Fällen von Besserung war 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 1327 


die Dura entweder überhaupt nicht eröffnet oder nach der probatori- 
schen Inzision sofort geschlossen worden. 
Im ganzen genommen sind demnach die Erfolge einer druck- 
entlastenden Operation am Schädel gleichmäßig gute. 
Mohr (Bielefeld). 





2) Keppler. Die Behandlung eiteriger Ohrerkrankungen 
mit Stauungshyperämie. 
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. L. p. 223.) 

K. berichtet in der vorliegenden Arbeit ausführlich über die von 
Bier schon an anderer Stelle erwähnten Resultate der Stauungs- 
hyperämie bei der Behandlung von Mittelohr- und vor allem auch 
von Warzenfortsatzeiterungen. 

Zunächst wird die Technik der Kopfstauung genau besprochen: 
Statt der breiten Gummibinde, die an den Extremitäten verwandt wird, 
genügt ein 3 (bei Kindern 2) cm breites Baumwoll-Gummiband, das 
am einen Ende mit einem Häkchen, am anderen mit mehreren "Ösen 
versehen ist. Die Haut muß durch Unterpolsterung mit einer Mull- 
binde vor Druck usw. geschützt werden. Die Binde soll in der Regel 
. 22 Stunden pro Tag getragen werden. Unter der Stauung schwinden 
die subjektiven Beschwerden: Schmerzen, Schlaflosigkeit usw. sehr 
schnell; Zunahme der Schmerzen beweist, daß die Stauung zu stark 
ist und erfordert sofortige Lockerung der Binde. Etwa vorhandene 
Abszesse werden durch eine kleine Inzision entleert, nicht tamponiert. 
Bei Retention in der Paukenhöhle ist die Parazenthese vorzunehmen. 

In der Bier’schen Klinik wurden 11 Fälle von akuter Otitis mit 
Warzenfortsatzbeteiligung und 10 von chronischer Mittelohreiterung 
mit Stauung behandelt. Erstere heilten sämtlich ohne größeren ope- 
rativen Eingriff aus, zum Teil nach Inzision vorhandener Abszesse. 

Da eine solche Inzision über dem Warzenfortsatz (Wilde’scher 
Schnitt) früher lange Zeit die einzige Therapie der akuten Mastoiditis 
bildete, bespricht K. eingehend die Frage, wieviel von dem günstigen 
Resultate etwa dieser Inzision allein, abgesehen von der Stauung, zu- 
zuschreiben sei. Er kommt unter Berücksichtigung der otologischen 
Literatur zu dem Resultate, daß der Wilde’sche Schnitt allein kaum 
einen nennenswerten Heilwert besitze. 

Ref. kann sich dem nicht anschließen. Er hat zu näherer Prüfung 
dieser Frage bei 3 Fällen von akuter Mastoiditis mit Abszeßbildung 
nur eine Inzision, ohne Stauung, angewandt, mit dem Resultate, daß 
der AbszeB sowohl wie die Otitis media ausheilten. Es scheint dem- 
nach die einfache Abszeßentleerung in manchen Fällen schon zur 
Heilung zu genügen. Die Frage soll aus dem Materiale des Ref. in 
geeigneten Fällen weiter verfolgt werden. 

Bei den chronischen Fällen waren die Resultate nicht glänzend, 


so daß K. die Stauung bei ihnen noch nicht zur Nachprüfung empfiehlt. 
Hinsberg (Breslau). 





1328 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 


3) Grossmann. Über psychische Störungen nach Warzen- 
fortsatzoperationen. 
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. XLIX. p. 209.) 

Während man auf Grund der früheren Mitteilungen in der Lite- 
ratur hätte glauben können, daB psychische Störungen nach Warzen- 
fortsatzoperationen seltener auftreten als nach anderen chirurgischen 
Eingriffen, zeigt G. in der vorliegenden Arbeit, daß sie auch nach 
Ohroperationen relativ häufig sind: auf 500 Aufmeißelungen kommt 
eine Psychose. 

Als prädisponierende Momente kommen in Betracht: 

1) Erschöpfung des Gesamtorganismus durch die Eiterung. 

2) Autointoxikation. 

3) Die Meißelerschütterung. 

4) Die Nachbehandlung. 

G. stellt das bisher bekannte Material nebst einer Reihe von 
eigenen Beobachtungen übersichtlich zusammen. Die sehr eingehende 
Arbeit enthält viele interessante Details. Hinsberg (Breslau). 





4) Syme. The early discontinuance of pocking in the after- 
treatment of the radical mastoid operation. 
(Glasgow med. journ. 1906. Oktober.) 

S. operiert in der Regel nach Panse. Er näht die Operations- 
wunde meistens primär und leitet den Tampon zum Gehörgang heraus. 
Nach einer Woche werden Tampon und Nähte entfernt. Von da an 
wird dreimal täglich absoluter Alkohol mit 2% Karbolsäurezusatz 
eingeträufelt, bei zu üppiger Granulation wird mit reiner Karbolsäure 
geäzt. Nur wenn der Eingriff besonders schwer war, vom Knochen 
besonders viel entfernt, Dura und Sinus freigelegt werden mußten, 
wird die Naht der Operationswunde um 8 Tage verschoben. 

W. v. Brunn (Rostock). 





5) Alexander. Über die Anlegung einer Jugularis-Haut- 
fistel in Fällen otogener Pyämie. 
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. XLVI. p. 167.) 

Um eine Verschleppung infektiösen Materiales nach Möglichkeit 
zu verhüten, wird bekanntlich bei otitischer Sinusphlebitis unter ge- 
wissen Bedingungen die V. jugularis nach Freilegung am Halse doppelt 
unterbunden und durchtrennt. Bei diesem Vorgehen besteht die Ge- 
fahr, daß im peripheren Teile der Vene, der ja mit dem infizierten 
Sinus unmittelbar in Verbindung steht, sich ebenfalls infektiöse 
Thromben bilden, die dann zu weiteren Komplikationen führen können. 

Deshalb soll man möglichst den peripheren Venenstumpf nicht 
unterbinden, sondern drainieren, so daß eine Retention vermieden wird. 
Um das bequem und sicher zu erreichen, näht A. den Venenstumpf 
im oberen Wundwinkel an die Haut. Er berichtet über 13 nach 
dieser Weise behandelte Fälle. Hinsberg (Breslau). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 1329 


6) Lebram. Über Arrosion der Carotis bei peritonsillären 
Abszessen. 
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. LI. p. 1.) 

Unter Umständen kann eine schwere, meist tödliche Blutung da- 
durch ausgelöst werden, daß die Carotis von einem peritonsillären 
Abszeß aus arrodiert wird. Dieses Ereignis ist nicht so selten, wie 
man nach der deutschen Literatur annehmen könnte. L. konnte, unter 
Verwertung von zwei Fällen aus der Breslauer Ohrenklinik, 26 der- 
artige Fälle zusammenstellen. Mit Hilfe dieses Materials versuchte 
er, ein möglichst genaues Krankheitsbild zu konstruieren. Einige der 
wichtigsten Punkte seien hier kurz hervorgehoben: 

Erfolgt die durch die Arrosion bedingte Blutung in einen noch 
nicht eröffneten Peritonsillarabszeß, so kann es zunächst zur Bildung 
eines Aneurysma spurium kommen. Platzt dieses oder wird es in- 
zidiert, so erfolgt meist eine tödliche Blutung; ebenso dann, wenn der 
Abszeß schon vor der Carotisarrosion eröffnet war. 

Die Arrosion bzw. das Bestehen eines Aneurysmas ist meist schwer 
zu erkennen. Bei fast allen von L. zusammengestellten Fällen war 
eine hochgradige Schwellung der Lymphdrüsen am Kieferwinkel vor- 
handen — ein Moment, das also für die Diagnose von Bedeutung ist, 
da es bei einfachen Abszessen selten so ausgeprägt ist. 

Therapeutisch kommt nur die Unterbindung der Carotis am Halse 
in Frage, doch können auch nach ihrer Vornahme noch tödliche Nach- 
blutungen erfolgen. Häufig ist die durch Arrosion des Gefäßes be- 
dingte Blutung so foudroyant, daß der Tod eintritt, ehe man an eine 
Unterbindung denken kann. Auch in den Fällen, wo sie gelingt, ist 
die Prognose noch sehr schlecht. Hinsberg (Breslau). 


7) Holländer. Zur Behandlung der Schleimhauttuberkulose. 
(Berliner klin. Wochenschrift 1906. Nr. 23.) 

Die aszendierende Tuberkulose der Schleimhaut des Mundes und 
der Nase kommt viel häufiger vor, sowohl in Verbindung mit Lupus 
als auch ohne diesen, wie man bisher dachte. Im Gegensatze zu der 
deszendierenden Form, bei welcher der Zustand der erkrankten Lunge 
das Krankheitsbild beherrscht, ist die Lebensprognose auch bei der 
vollentwickelten Form nicht ungünstig.. Die aszendierende Form zeigt 
nach Entfernung des primären Herdes entschiedene Neigung zur Aus- 
heilung. Auch die entstandenen Lungenkomplikationen zeigen gut- 
artigen Verlauf. Die thermische Therapie in Gestalt der bekanntlich 
vom Verf. eingeführten Heißluftkauterisation ist imstande, definitive 
Heilungen zu leisten. 

Für manche Formen erwies sich als wirksam die gleichzeitige 
innerliche Anwendung von Jodkali und 5—10 Minuten später erfolgende 
lokale Anwendung von Kalomel. Verf. empfiehlt diese Therapie bei 
Behandlung von Blasenschleimhauttuberkulose und Kehlkopf- und 
Munderkrankung einer Beachtung und Nachpriifung. 

n Langemak (Erfurt). 


50** 








1330 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 


8) Fawcett. ‘The explanation of alveolar cleft palate. 
(Bristol. med.-chir. journ. 1906. September.) 


F. wendet sich gegen die bisherigen Erklärungstheorien des al- 
veolären gespaltenen Gaumens, indem er zeigt, daß die Gaumenfissuren 
beim Menschen nicht homolog sind mit den prämaxillaren Fissuren 
bei niederen Tieren, und daß die Schneidezähne normalerweise nicht im 
Prämaxillarkörper enthalten sind. Tatsächlich ist der eigentliche Prä- 
maxillarkörper als solcher der Beobachtung bisher vollständig ent- 
gangen, und folglich sind die bisherigen Theorien über die sog. prä- 
maxillaren Fissuren unrichtig. Der Prämaxillarkörper des Menschen 
entspricht dem Teile des Os praemaxillare bei Tieren, der als Pro- 
cessus palatinus beschrieben worden ist. Im Laufe der Entwicklung 
verlor dieser beim Menschen seinen alveolaren Teil und wurde von 
den beiden Maxillarkörpern umwachsen; der Prämaxillarkörper beim 
Menschen erscheint nun in seinem ursprünglichen Zustande, in dem 
sein alveolarer Teil sich entwickelt, und seine Schneidezähne auftreten, 
beim alveolaren Gaumenspalt wieder. Mohr (Bielefeld). 





9) Davis. Acute septic infection of the throat and neck; 
Ludwig's angina. 
(Annals of surgery 1906. August.) 

D. beschäftigt sich zunächst mit der Frage, durch welche Krank- 
heitskeime das bekannte Bild der Angina Ludovici hervorgerufen wird. 
An der Hand von zwölf untersuchten Fällen kommt er zu dem Schluß, 
daß sowohl Staphylokokken, wie’ Streptokokken und Pneumokokken — 
u. zw. jede Gattung für sich — die Krankheit erzeugen können, daß 
aber auch eine Mischinfektion, bestehend aus einer dieser genannten 
Kokkenarten und irgendeiner anderen Bakterienart einschließlich dem 
Gasbazillus, vorkommen kann. 

Der Ausgang des Leidens ist in den Zähnen, Mandeln, Speichel- 
drüsen oder in Wunden des Mundbodens zu suchen. Die Entzündung 
schreitet im Bindegewebe und nicht auf dem Wege der Lymphbahnen 
weiter, umgibt Kehlkopf, Rachen, Speiseröhre, und sie kann sich bis 
ins Mediastinum erstrecken. Der Grad der Entzündung ist sehr ver- 
schieden, die schweren septisch-gangränösen Formen endigen tödlich, 
obwohl das Leiden beim Beginne stets einen lokalen Charakter trägt. 
Der Tod kann auch bei Glottisödem durch Ersticken erfolgen. Klinisch 
macht sich die Krankheit im Anfange durch eine brettharte, zwischen 
Zungenbein und Kiefer sitzende Anschwellung bemerkbar, Mundboden 
und Zunge sind geschwollen, am Molarzahn kann Eiter hervorquellen, 
es besteht Fieber oder auch Schüttelfrost. Die Kranken sind ebenso 
wie z. B. Erysipelkranke zu isolieren. Die Behandlung besteht in 
frühzeitiger Inzision; dieselbe soll durch alle Gewebe des Halses zwischen 
Kieferrand und Zungenbein hindurchgeführt werden, so daß der in 
den Mund eingeführte Finger das Messer fühlt. Man darf nicht so 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 1331 


lange mit der Inzision warten, bis sich Eiter gebildet hat. Bei 
Glottisödem ist die Tracheotomie sofort auszuführen. 
Herhold (Brandenburg). 


Kleinere Mitteilungen. 


Der seitliche Halsschnitt (Trachelotomia externa) 
zur Entfernung von Fremdkörpern aus der Speiseröhre 
ohne deren Eröffnung. 

Von 


Prof. Felix Franke, 
Chefarzt des Diakonissenhauses Mariastift zu Braunschweig. 


Am Morgen des 3. Juni d. J. suchte mich der Bäckermeister Karl St. aus 
Vordorf auf mit der Bitte, ihm sein künstliches Gebiß, das er, von der Pfingst- 
arbeit müde, beim Einschlafen im Munde behalten und im Schlafe verschluckt 
hatte, zu entfernen, nachdem schon zwei Arzte vergeblich den Versuch gemacht 
hatten, das zu tun. Er war etwas aufgeregt, hatte jedoch keine Atemnot oder 
‚ Übelkeit, aber das Gefühl, daß das Gebiß in der Speiseröhre etwa in der Gegend 
des Kehlkopfes sitze. Ich konnte mich weder durch den Kehlkopfspiegel, noch durch 
Betastung von seinem Sitz in der Speiseröhre überzeugen und schickte deshalb den - 
Kranken nach dem Krankenhause, wo ich bald darauf den Hals mit dem Röntgen- 
apparate durchleuchtete; wir sahen einen Schatten’ unterhalb des Kehlkopfes. Ein 
Versuch, nach Kokainisierung des Rachens das Gebi8 mit einer Kehlkopfzange zu 
entfernen, mißlang; ein Osophagoskop hatte ich nicht zur Verfiigung. So beschloB 
ich denn, den Versuch zu machen, das Gebiß nach Freilegung der Speiseröhre 
vom Hals aus, ohne sie zu eröffnen, nach oben zu schieben und vom Mund aus 
zu entfernen. Er gelang sehr gut. Nach Freilegung der Speiseröhre von einem 
seitlichen Halsschnitt aus, die in der Chloroformnarkose ohne wesentliche Blutung 
leicht und rasch in der üblichen Weise gelang, und wobei ich nach Feststellung 
des Sitzes des Gebisses durch den Finger die Speiseröhre nicht nur seitlich, son- 
dern auch nach vorn und hinten herum etwas bloßlegte, so daß ich sie einiger- 
maßen bequem zwischen zwei Finger fassen konnte, vermochte ich das Gebiß von 
unten her zu fassen und durch schonende passende Bewegungen ziemlich schnell 
nach oben in den Rachen zu schieben, von wo aus ich es mit der Zange heraus- 
zog. Die Halswunde wurde vernäht, mit etwas Airolgaze bedeckt, diese mit 
Kautschukheftpflaster befestigt und der Kranke auf seinen Wunsch, da die Pfingst- 
tage seine Anwesenheit zu Hause benötigten, sein Zustand aber befriedigend war, 
schon am 5. Juni in die Behandlung seines Arztes entlassen. Es erfolgte glatte 
Heilung. 

Das entfernte Gebiß enthielt vier Zähne und hatte eine Länge von 3,5 cm 
und eine Breite von 4 cm. 

Als ich neulich die Abhandlung Naumann'’s: »Beiträge zur Oesophagotomia 
cervicalis externa zur Entfernung von Fremdkörpern in der Speiseröhre« im 83. Bande 
der Deutschen Zeitschrift für Chirurgie las und daraufhin die Literatur genauer 
durchmusterte, war ich erstaunt, zu finden, daß der von mir eingeschlagene Weg 
bisher nur in zwei Fällen mit ebenfalls gutem Erfolge von Kramer begangen war 
gemäß seiner Mitteilung im Zentralblatt für Chirurgie 1904 Nr. 50, sonst aber von 

niemand ernstlich versucht oder gar empfohlen ist, obgleich unter den 366 in der 
Literatur niedergelegten Fällen von Ösophagotomie zur Entfernung von Fremd- 
körpern eine ganze Reihe vertreten sind, in denen sich jener so einfache und nahe- 
liegende Gedanke meiner Überzeugung nach leicht und mit gutem Erfolge hätte 
verwirklichen lassen. 


1332 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 


Es besteht ja nach den bisherigen Erfahrungen kein Zweifel, daß es in man- 
chem Falle gelingt, mittels des Osophagoskops Fremdkörper aus der Speiseröhre 
zu entfernen. Aber nicht jeder Chirurg und nicht jede Anstalt besitzt dieses In- 
strument und die zu seinem wohltätigen Gebrauche nötige Ubung. | So blieb bis- 
her zur Entfernung der meisten festsitzenden Fremdkörper nur die Ösophagotomie 
übrig. Daß aber diese, wenn sie auch nicht mehr die Gefahren besitzt wie früher, 
doch nicht gleichgültig für den Kranken ist, lehrt die Statistik. Dann und wann 
fällt ihr doch ein Kranker zum Opfer, wie auch wieder die erwähnte Mitteilung 
von Naumann lehrt, nach der ein Operierter, bei dem ein Gebiß seit 2 Tagen 
in der Speiseröre gesteckt hatte, an einer septischen Nachblutung aus der A. thy- 
reoidea superior infolge von Phlegmone colli starb. 

Aber auch schon die bei günstigem Ausgange der Operation fast stets folgende 
Fistelbildung, die auch nach der sorgfältigsten sofortigen Naht der Speiseröhre 
gewöhnlich nicht ausgeblieben ist, bedeutet für den Kranken eine große Unbequem- 
lichkeit — erfordert sie doch eine Behandlungsdauer von 3—4 Wochen — und für 
den Arzt besonders im Anfang eine Quelle der Sorge. 

Man sollte deshalb grundsätzlich — und der Zweck dieser Mitteilung ist es, 
darauf noch einmal hinzuweisen — in jedem nur irgendwie geeigneten Falle nach 
entsprechender Freilegung der Speiseröhre wie bei meinem Pat. zunächst durch 
schonende Versuche eine etwaige Verschieblichkeit des Fremdkörpers nach oben 
festzustellen suchen und, wenn sie vorliegt, diesen ohne Eröffnung der Speiseröhre 
nach oben befördern. Das kann und darf natürlich nur bei Fremdkörpern ge- 
schehen, die noch bequem vom Hals aus zu erreichen sind und die noch nicht zu 
lange liegen, so daß eine etwaige Erweichung der gedrückten Speiseröhre und 
daher Perforation und Blutung durch die Entfernungsversuche nicht zu befürchten 
ist, und muß selbstverständlich unterbleiben, wenn schon Schwellung am Hals oder 
gar Blutung aufgetreten ist. . 

Das Verfahren ist, wie schon Kramer hervorhob, ungefährlich und bringt 
dem Kranken im Falle des Mißlingens keinen Schaden, im Falle des Gelingens 
aber großen Nutzen, indem es ihn vor Gefahren bewahrt und die Behandlungs- 
dauer ganz wesentlich abkürzt. 


10) H. Oppenheim. Über einen bemerkenswerten Fall von Tumor 
cerebri. 
(Berliner klin. Wochenschrift 1906. Nr. 30.) 


Die Krankheitserscheinungen waren: Jackson’sche Krämpfe in der rechten 
Körperhälfte von sensiblem und motorischem Charakter, Ausfallserscheinungen in 
der rechten Körperhälfte, die sich fast ausschließlich auf den rechten Arm be- 
schränken; und zwar handelt es sich in erster Linie um Bewegungsataxie, ferner 
um Monoplegie, besonders der Hand und Finger, mit besonderer Beeinträchtigung 
der Zweckbewegungen, so daß man auch von einer Apraxie sprechen kann. Ziem- 
lich erhebliche Sensibilitätsstörungen, die am meisten Lageempfindung und Stereo- 
gnostik betreffen. Im rechten Beine sind diese Erscheinungen nur in geringem 
Grade vorhanden. Obwohl Hirndrucksymptome fehlen, wird auf Grund dieser 
Symptome ein Neubildungsprozeß diagnostiziert, der seinen Sitz im oberen hinteren 
Bereiche der hinteren Zentralwindung links und im anstoßenden Teile des Scheitel- 
lappens hat. 

Bei der von Borchardt vorgenommenen Operation wurde die etwa hühnerei- 
große Geschwulst genau an der bezeichneten Stelle gefunden. Sie saß in der 
Rinde und drang ziemlich tief in das subkortikale Marklager vor; sie konnte mit 
dem Finger stumpf und, wie es schien, in toto enukleiert werden. Pat. überstand 
die Operation gut. Am 5. Tage nach derselben konnte festgestellt werden, daß 
die Stereoagnosis der linken Hand im wesentlichen sich zurückgebildet hatte. 


Langemak (Erfurt). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 1333 


11) Hinsberg. Zur operativen Behandlung der eitrigen Meningitis. 
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd.L. p. 261.) 

H. stellt zehn Fälle aus der Literatur zusammen, bei denen nach Inzision der 
Dura und Drainage des Subduralraumes sicher nachgewiesene Meningitiden zur 
Heilung kamen; bei fünf weiteren wurde durch das gleiche Verfahren zunächst 
eine erhebliche Besserung erzielt, wenn auch der tödliche Ausgang nicht verhindert 
werden konnte. 

H. zieht daraus den Schluß, daß wir nicht mehr berechtigt sind, Pat. mit 
Meningitis als verloren anzusehen und von einem Eingriff Abstand zu nehmen. 
Der zitierte Fall von Kümmel beweist, daß selbst bei scheinbar schon moribunden 
Pat. noch eine Heilung möglich ist. Soweit sich das bis jetzt beurteilen läßt, 
ist es für den Erfolg ausschlaggebend, daß der Eingriff so früh wie möglich er- 
folgt — ein Postulat, das freilich oft schwer zu erfüllen ist, da die ersten Anfänge 
der Meningitis oft wenig charakteristische Symptome machen. Ferner ist es wün- 
schenswert, daß die Inzision nahe der Infektionsstelle der Meningen erfolgt. Doch 
beweist der Küm mel’sche Fall, daß auch eine weit entfernt liegende Inzision 
zum Ziele führen kann. Wesentlich scheint ferner eine ausgiebige Drainage ver- 
mittels Saugtampons zu sein. (Selbstbericht.) 


12) Held. Vincent’s bacillus and spirillum, the causal agent of 
chronic suppurative otitis media necessitating radical operation — 
meningitis — death. 

(Post-graduate 1906. September.) 

Ein Kind von 3 Jahren und 2 Monaten erkrankte nach einer akuten Polio- 
myelitis und unmittelbar nach Scharlach und Masern an beiderseitiger Otitis media 
suppurativa. Mehrere Wochen war nichts Besonderes zu bemerken, bis plötzlich 
eine höchst übelriechende Sekretion einsetzte und der Gehörgang sich mit einer 
grauen Membran bedeckte. 

Die bakteriologische Untersuchung ergab den fusiformen Bazillus und die 
Vincent’sche Spirochäte in Reinkultur. Von den Mandeln waren derartige Or- 
ganismen nicht zu züchten. 

Die Radikaloperation zeigte ausgedehnte Nekrose im Mittelohr; es trat danach 
tödliche Meningitis ein. W. v. Brunn (Rostock). 


13) Boenninghaus. Ein Fall von doppelseitiger zerebraler Hörstörung 
mit Aphasie. 
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. XLIX. p. 165.) 

Der Pat. B.’s, ein 45jähriger Mann, wurde 1902 plötzlich total taub, gleich- 
zeitig verlor er die Sprache, so daß nur ein unvollständiges Lallen möglich war. 
Die Sprache besserte sich allmählich so, daß man wieder imstande ist, den Pat. 
zu verstehen, doch spricht er noch sehr fehlerhaft. Das Gehör trat in Spuren 
nach 2 Monaten wieder auf, bis 1904 besserte es sich erheblich. Trotzdem ver- 
steht der Kranke kein Wort. Diagnose: Sprachtaubheit, Paraphasie. 

Als anatomische Grundlage dieses eigentümlichen Krankheitsbildes nimmt B. 
einen apoplektischen Herd im linken sensorischen Sprachzentrum an, während die 
analoge Stelle auf der rechten Seite schon durch einen 5 Jahre früher erlittenen 
apoplektischen Insult zerstört war. 

Bezüglich der Details und der interessanten Folgerungen, die sich daraus für 
den Verlauf der Hörbahn ergeben, muß ich auf das Original verweisen. 

Hinsberg (Breslau). 


14) Voss (Riga). Über das Sensorium bei der otitischen Sinusthrombose 
nebst Bericht über einen Fall von Eintritt der Thrombose unter dem 
Bild eines Schlaganfalles. 

(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd.L. p. 118.) 

Das Sensorium bei der otitischen Pyämie ist häufig bis zum Tode ungetrübt, 
manchmal jedoch, besonders bei den sehr schnell unter dem Bilde der akuten 


1334 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 


Sepsis verlaufenden Fällen, werden dauernde Trübungen und Delirien beobachtet. 
So entsteht ein dem Typhus ähnliches Krankheitsbild, wie ein von V. mitgeteilter 
Fall illustriert. 

Bei einem anderen Pat. V.’s war von Beginn der Behandlung an tiefe Be- 
nommenheit vorhanden, die fast unmittelbar nach der Operation (Ausräumung des 
thrombosierten Sinus) schwand. 

Bei einem dritten Pat. V.’s trat, anscheinend im Momente der Obliteration 
des Sinus, ein apoplektiformer Anfall auf, den V. auf die Zirkulationsstörung zu- 
rückführt. Eine Autopsie konnte leider nicht vorgenommen werden. 

Hinsberg (Breslau). 


15) Maier. Uber Geschmacksstérungen bei Mittelohrerkrankungen. 
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. XLVII. p. 178.) 

Die Frage, inwieweit die Chorda tympani die Zunge mit Geschmacksfasern 
versorgt, ist noch nicht einwandsfrei entschieden. M. suchte sie ihrer Lösung 
näher zu bringen, indem er bei Pat. mit Mittelohraffektionen, bei denen eine Er- 
krankung oder Zerstörung der Chorda tympani mit großer Wahrscheinlichkeit 
anzunehmen war, sorgfältige Geschmacksprüfungen vornahm. 

Er erhielt dabei fast stets Ausfallserscheinungen von wechselnder Ausdehnung 
und verschiedenem Charakter, die wohl den Schluß erlauben, daß auch die Betei-. 
ligung der Chorda individuell sehr verschieden ist. Die Schädigungen waren teils 
dauernd, teils vorübergehend. 

Auch für die Beantwortung der Frage, ob alle Geschmacksfasern durch die 
Chorda geben, und zu welchen Nerven die Chordafasern von der Paukenhöhle aus 
ziehen, erhielt er interessante Resultate. Hinsberg (Breslau). 


16) Renton. Note on excision of Gasserian ganglion. 
(Glasgow med. journ. 1906. September.) 

Mitteilung zweier Fälle von Exstirpation des Ganglion Gasseri. 

Im ersten Falle handelte es sich um eine Frau von 35 Jahren, die früher 
bereits mehrere Operationen wegen ihres Leidens überstanden hatte. Pat. wurde 

heilt. 

= Der zweite Pat. war ein Mann von 77 Jahren, der nach Neurexairese des 
zweiten Astes 21/, Jahre lang beschwerdefrei gewesen war. Dann wurde die Ent- 
fernung des Ganglions nötig. — Verf. operiert nach Cushing, Pat. starb nach 
6 Wochen an Influenza. W. v. Brunn (Rostock). 


17) Erdheim. Uber Schädelcholesteatome. 
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. XLIX. p. 281.) 

Für die Cholesteatome des Schläfenbeines werden heute zwei verschiedene 
Entstehungsmöglichkeiten angenommen: entweder aus versprengten Epidermis- 
keimen (echtes Cholesteatom) oder aus Epidermis, die im Verlauf einer Mittelohr- 
eiterung durch eine Trommelfellperforation in die Warzenfortsatzräume wanderte. 

Fälle, die mit Sicherheit als auf die erste Weise entstanden aufgefaßt werden 
müssen, sind bisher sehr selten. 

E. stellt sie zusammen und berichtet dann über zwei Präparate aus dem 
Museum des Wiener pathologischen Institutes, die ohne allen Zweifel als echte 
Cholesteatome aufgefaßt werden müssen. Beide saßen an der Stelle, wo Hinter- 
haupt-, Scheitel- und Schläfenbein zusammenstoßen; das eine war durch sein Wachs- 
tum sekundär mit den Warzenfortsatzzellen in Verbindung getreten, das andere 
war von den Mittelohrräumen völlig getrennt. Hinsberg (Breslau). 


18) Bezold. Sektionsbefund eines Falles von einseitiger angeborener 
Atresie des Gehörganges und rudimentärer Muschel. 
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. XLVIII. p. 175.) 

Bei der Autopsie der betreffenden Frau (46 Jahre alt) fand sich, wie in den 
bisher bekannten analogen Fällen, vom Gehörgange keine Spur. Tube normal. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 1335 


Hammer und Ambos rudimentär entwickelt, Steigbügel normal, anscheinend gut 
beweglich. Paukenhöhle nach außen knöchern begrenzt, Trommelfell vollständig 
fehlend. Inneres Ohr normal. Hinsberg (Breslau). 


19) Lebram. Über Störungen des Gehörorganes nach Unterbindung 
der Carotis. 
(Zeitschrift fiir Ohrenheilkunde Bd. L. p. 176.) 

Während die Gefahren der Carotisunterbindung für das Gehirn und das Auge 
ziemlich genau bekannt sind, wurden die Störungen des Gehörorganes im Anschluß 
an diesen Eingriff bisher wenig beachtet. 

L. konnte nun sechs Fälle von Hörstörung und einen von ÖOtalgie nach 
Carotisunterbindung aus der Literatur zusammenstellen. Als Ursache nimmt L. 
eine Anämie im Gebiete der Art. auditiva interna an. Hinsberg (Breslau). 


20) Lebram. Über Spontanblutungen infolge von Arrosion des Sinus 
transversus bei Scharlachotitis. 
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. L. p. 77.) 

L. berichtet über drei Fälle, bei denen im Anschluß an eine Scharlachmastoi- 
ditis durch Arrosion des Sinus transversus eine spontane Blutung entstand. Bei 
zwei Pat. war er vorher freigelegt worden, beim dritten nicht. Letzterer ging an 
der Blutung zugrunde, während sie bei den beiden ersten zum Stehen gebracht 
werden konnte. Pat. I heilte, Pat. II erlag der schweren Scharlachinfektion. 

Hinsberg (Breslau). 


21) Voss. Zur operativen Freilegung des Bulbus venae jugularis. 
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. XLVII. p. 265.) 


22) Grunert. Zur Arbeit von Stabsarzt Dr. Voss: »Zur operativen 
Freilegung des Bulbus venae jugularis.« 
(Ibid. Bd. XLIX. p. 30.) 


23) Voss. Bemerkungen zu meiner Methode der Bulbusoperation. 
(Ibid. Bd. XLIX. p. 269.) 


Unter Umständen kann man durch die Fortdauer pyämischer Symptome trotz 
Eröffnung des thrombosierten Sinus sigmoid. und trotz Unterbindung der V. jugu- 
laris gezwungen werden, auch den Bulbus der V. jug., der bei den früheren Ope- 
rationsmethoden in der Regel unberührt blieb, freizulegen und zu drainieren. Q. 
hat vor kurzem die dabei in Betracht kommenden Operationsmethoden, die Indi- 
kationen und Resultate der Bulbusfreilegung ausführlich bearbeitet. 

In der zuerst angeführten Arbeit berichtet nun V. über eine von der G.’schen 
etwas abweichenden Operationsmethode und über vier durch sie erzeilte Heilungen. 

Die beiden anderen Arbeiten enthalten eine Polemik zwischen V. und G. dar- 
über, ob die V.’sche Methode wirklich etwas prinzipiell Neues bringe. 

Hinsberg (Breslau). 


24) Hölscher. Über die Ausfüllung großer Operationshöhlen im Felsen- 
beine mit Paraffin. 
(Zeitschrift führ Ohrenheilkunde Bd. XLVIIL p. 209.) 


Politzer hat vorgeschlagen, man solle die durch die Aufmeißelung des 
Warzenforteatzes entstehende Knochenhöhle einige Zeit nach der Operation, sobald 
die Wunde granuliert und sobald der Zugang zum Antrum mastoid. geschlossen 
ist, mit Paraffin ausfüllen und die Wundränder vernähen. Vorteil: Bedeutende 
Abkürzung der Heilungsdauer. H. berichtete über drei nach dieser Methode be- 
handelte Fille, bei denen das Paraffin ganz oder fast ganz reaktionslos einheilte. 
Heilungsdauer 2—3 Wochen. Hinsberg (Breslau). 


1336 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 


25) J. E. Hagen-Torn. Geschwülste der Augenhöhle, die sich infolge 
cystoider Dilatation der Stirnhöhlen entwickeln (Sinusitis frontalis 
chronica cum dilatatione). 

(Russki Wratsch 1906. Nr. 37.) 


H. bringt die Krankengeschichten und Photographien zweier Pat., die an dieser 
seltenen Krankheit litten. Beide bekamen das Leiden nach einem Hufschlage gegen 
die Nasenwurzel, der den Ausführungsgang der Stirnhöhle verlegte. Die erste 
Kranke, 20 Jahre alt, wurde 10 Jahre nach dem Unfall operiert. Das linke Auge 
ist durch das vierfach vergrößerte obere Lid verdeckt; letzteres kann nicht empor- 
gehoben werden. Hinter dem Lid eine Geschwulst von der Größe einer Kinder- 
faust. Oberer Rand der Augenhöhle uneben, mit Osteophyten besetzt, dazwischen 
fluktuierend. Durch zwei seitliche Schnitte wird das Lid emporgeschlagen, die 
Geschwulst eröffnet; sie enthält eine dicke, rahmartige, gelbe Flüssigkeit, etwa 
200,0. Die Höhle ist von Schleimhaut ausgekleidet; auf ihrem Boden befinden 
sich Knochenscheidewände und Zellen, die Bienenzellen ähneln. Die untere Wand 
der Höhle ist die weit nach unten verdrängte obere Orbitalwand; sie wird entfernt. 
Die Höhle ist aus der Stirn-, Sieb- und Keilbeinhöhle durch Zusammenfließen 
gebildet. Der Augapfel atrophisch, von der Größe einer kleinen Kirsche, wird 
entfernt. Die Schleimhaut der Höhle wird mit dem Löffel entfernt, die Wände 
geglättet, die Höhle mit Jodoformgaze tamponiert, das obere Lid an seine Stelle 
verlagert und die Schnitte vernäht. Nach 6 Wochen mit sehr geschrumpfter 
Höhle entlassen. — Die zweite Pat. wurde vom Verf. vor mehreren Jahren bei 
Prof. Weljaminow beobachtet. Hier war das Auge erhalten und nur 11/3 Finger 
breit nach unten verdrängt; am oberen Orbitalrand ebenfalls Osteophyten. Die 
Höhle war aus der ausgeweiteten Stirnbeinhöhle, wahrscheinlich auch aus der 
Siebbeinhöhle entstanden. Auch hier war das Trauma vor vielen Jahren — als 
Pat. noch Kind war — passiert. E. Gückel (Wel. Bubny, Poltawa). 


26) Bohosiewicz und Herman. Uber die totale Oberkieferresektion 
bei malignen Neubildungen. 
(Lwowski Tygodnik lekarski 1906. Nr. 29—31.) 

Auf Grund von acht in der chirurgischen Klinik des Prof. Rydygier in 
Lemberg operierten Fällen mit 25% Mortalität verfechten Verff. die nicht verein- 
zelt dastehende Ansicht, der ganze Oberkiefer sei in allen Fällen von bösartigen 
Geschwülsten rechtzeitig total zu entfernen. Die Operation wird nach der Methode 
von Dieffenbach-Fergusson vorgenommen. R. operiert in sitzender Lage 
und nicht bei herabhängendem Kopfe, in Chloroformnarkose, ohne vorhergegangene 


Tracheotomie oder Unterbindung der Carotis. Bogdanik (Krakau). 
27) C. Pfeiffer. Über die Röntgentherapie der symmetrischen Tränen- 
Speicheldrüsenerkrankung. 


(Beiträge zur klin. Chir. Bd. L. Hft. 1.) 


Bei einem 10jährigen Jungen, welcher in der v. Bruns’schen Klinik auf- 
genommen war wegen typischer symmetrischer Tränen- und Speicheldrüsenerkran- 
kung und totalen Ausfalles der sekretorischen Funktion, führte die lokale Anwen- 
dung der Röntgenstrahlen während 240 resp. 360 Minuten in wiederholten Sitzungen 
zu einer idealen Rückbildung der Drüsenschwellungen und einer zeitweisen Rück- 
kehr der Sekretion. Die Wirksamkeit der Röntgenstrahlen war eine rein lokale 
und wurde nicht etwa auf dem Blutweg übermittelt. 

Wiederholte Blutuntersuchungen stellten eine Hypereosinophilie fest, welche 
vielleicht als Bestrahlungserfolg aufzufassen ist. 

Vergleichende Untersuchungen jeweils exzidierter Drüsenstückchen ergaben, 
daß unter dem Einfluß der Bestrahlung die Lymphocyteninfiltration verschwand 
und zum Schluß durch Granulations- und Bindegewebe ersetzt wurde. Eine die 
Wiederkehr der Sekretion erklärende Drüsenneubildung war nicht festzustellen. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 1337 


Es scheint demnach die Röntgentherapie den spontanen Heilungsvorgang zu be- 
schleunigen. 

Bei den guten, unmittelbaren Erfolgen, welche nach den bisherigen Beobach- 
tungen der Röntgentherapie der Mikulicz’schen Krankheit zukommen, ist deren 
vorsichtige Anwendung gewiß gerechtfertigt, um so mehr, da sie in geschulten 
Händen keinen Schaden stiftet und, die Resultate der anderen therapeutischen 
Bestrebungen recht spärliche sind. Ob sie zu Dauerheilungen führt, muß die 
weitere Beobachtung lehren. Reich (Tübingen). 


28) Nicoll and Teacher. Case of teratoma of the tongue. 
(Glasgow med. journ. 1906. September.) 

N. entfernte bei einem eine Woche alten Kind eine Geschwulst der rechten 
Zungenhälfte von der Größe 9:6:5 cm. Der Ansatz an der Zunge hatte einen 
Durchmesser von 3cm. Die Geschwulst enthielt knorpelige Massen, ferner Cysten, 
die von Magenschleimhaut, und solche, die von Dickdarmschleimhaut ausgekleidet 
waren, weiterhin Cysten, deren Wand aus flimmerndem Zylinderepithel gebildet 
war, war somit ein Teratom. Umgeben war die Geschwulst fast ganz von Ober- 
haut mit Talgdriisen und Haaren. Die Gewebe hatten durchweg den Charakter 
von solchen eines ausgetragenen Kindes. W. v. Brunn (Rostock). 


29) T. Gabourd. Fibro-lipome médian de la face supérieure du voile 
du palais. 
(Gaz. des hôpitaux 1906. Nr. 109.) 

Seit ca. 3 Jahren hatte die 55 Jahre alte Frau schon Beschwerden. Die Nase 
war wie verstopft; Pat. roch nicht mehr, mußte mit offenem Munde atmen. All- 
mählich konnte sie nichts Festes mehr schlucken und litt unter schwerer Atemnot. 
Als Ursache wurde schließlich eine mit einem dünnen Stiel auf der nasalen Fläche 
des weichen Gaumens entspringende Geschwulst entdeckt, die die Choanen fast 
ganz verlegte. Sie wurde mit einer Zange ergriffen und der dünne Stiel einfach 
durchrissen. Das ganze war 8—9 cm lang und erwies sich mikroskopisch als 
Fibrolipom, von derb elastischer Konsistenz und glatter Oberfläche. 

V. E. Mertens (Breslaun). 


30) Amblard. Mort subite par oedème pulmonaire suraigue au cours 
d’une peri-amygdalite phlegmoneuse. 
(Gaz. des höpitaux 1906. Nr. 94.) 

Ein im übrigen kerngesunder Mann erkrankte an einer phlegmonösen Angina. 
Am 5. Krankheitstage wurde inzidiert, worauf eine erhebliche Besserung eintrat. 
Pat. betrachtete sich am 6. Tage bereits als fast geheilt, als er abends um 11 Uhr 
ganz plötzlich kollabierte und in »weniger als einer Minute« tot war. Die Sektion 
ergab Lungenödem, sonst aber makro- und mikroskopisch durchweg normale Be- 
funde. 

Die Ursache dieses plötzlichen Ödems erblickt A. in einer Parese des Herz- 
muskels. Die Parese ihrerseits soll eine Folge der Reizung des Vagus sein, die 
in seinem Cervicalteile durch Druck des Abszesses erfolgte. 

V. E. Mertens (Breslau). 


31) Dervaux. Spina bifida ouvert, opéré le troisième jour après la 
rupture, chez une petite fille de dix jours. 
(Arch. de méd. des enfants 1906. Oktober.) 

Die Operationen von Spina bifida mit gliicklichem Ausgange sind nicht allzu 
zahlreich, so daß der Fall des Verf.s einiges Interesse verdient. Es handelte sich 
um ein wenige Tage altes Mädchen, das eine etwa apfelgroße Geschwulst der 
Lendengegend darbot. Ein 7 cm dicker Stiel verband sie mit dem Körper und 
wurde unterhalb ein Substanzverlust des knöchernen Wirbelkanales, in welchen 
man die Spitze des Zeigefingers hineinlegen konnte, gefühlt. Die Geschwulst war 


1338 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 


an einer stecknadelkopfgroßen Stelle geplatzt, und es floß durch diese Öffnung in 
reichlicher Menge eine kristallklare Flüssigkeit. Die Afteröffnung war inkontinent. 
Durch die vorgenommene Operation wurde der nur meningeale Flüssigkeit enthal- 
tende Sack ausgeschnitten, die Öffnung vernäht und die Heilung in etwa 15 Tagen 
erzielt, wobei ein Punkt, welcher durch Kotmassen verunreinigt worden war, etwas 
eiterte. Nachträglich besserte sich auch die Stuhlinkontinenz und war nach 
4 Wochen vollkommen verschwunden. E. Toff (Braila). 


32) Renton. Laminectomy performed three years ago in a male pa- 
tient suffering from Pott’s disease. 
(Glasgow med. journ. 1906. September.) 


Ein 20jähriger Mann mit vollkommener Paraplegie, Sensibilitätsverlust, Urin- 
retention und Reflexsteigerung durch einen Buckel wurde nach vergeblicher 
3 Monate fortgesetzter Extensionsbehandlung operiert; drei Processus spinosi mit 
den Wirbelbögen wurden entfernt. 

In 14 Tagen war die Sensibilität wiedergekehrt, 1 Jahr später konnte Pat. 
wieder gehen und hatte keine Blasen- oder Mastdarmstörungen mehr. 


W. v. Brunn (Rostock). 


33) Oppenheim und Borchardt. Über zwei Fälle von erfolgreich 
operierter Rückenmarksgeschwulst. 
(Berliner klin. Wochenschrift 1906. Nr. 26.) 


1. Fall: 33jährige Pat. Geschwulst in der Höhe des 7. Cervicalsegmentes 
links mit Kompression des Markes in dieser Höhe, extramedullär gelegen und 
gutartig, wurde angenommen, weil am linken Arm eine atrophische Parese von 
segmentärer Beschaffenheit, analoge linksseitige Sensibilitätsstörungen, auch am 
linken Beine, bestanden. Die Kopfbewegungen waren etwas schmerzhaft, auch 
wurde Druck auf den linken Querfortsatz des 6. und 7. Halswirbels schmerzhaft 
empfunden. Die Affektion hatte sich allmählich entwickelt und nach und nach an 
Terrain gewonnen. Im Verlaufe von ca. 9 Monaten entwickelte sich eine Kon- 
traktur und Lähmung der Beine bis zur Bewegungsunfähigkeit, Incontinentia urinae 
et alvi. 

Die Geschwulst wurde genau an der angenommenen Stelle intradural gefunden, 
stumpf ausgelöst und als ein Fibrom bzw. Fibrosarkom bei der histologischen 
Untersuchung erkannt. Allmählicher Rückgang der Lähmungserscheinungen bis 
auf Funktionsstörungen am linken Arme. Wundverlauf kompliziert, aber gut 
endend. 


2. Fall: 49jähriger Pat. Geschwulst in der Höhe des mittleren Dorsalmarkes 
mit starker Kompression des Markes von hinten und von den Seiten angenom- 
men, weil eine ausgesprochene Parese im rechten Beine, beiderseits Bewegungs- 
ataxie und Sensibilitätsstörungen an beiden Beinen bestanden. Nach der Opera- 
tion allmählicher Rückgang aller Störungen bis auf die Ataxie, die aber nach 
2 Monaten schon so weit gebessert ist, daß vollständige Heilung zu erhoffen ist. 
Die Geschwulst hatte gallertige Beschaffenheit und ging von der Arachnoidea aus. 


Die Gefahren der spinalen Operationen sind der Blutverlust und die Hirn- 
druckerniedrigung durch starken Liquorabfluß. B. tritt für die einzeitige Lamin- 
ektomie ein. Bei schnellem Operieren und gut ausgeführter Tamponade kann man 
selbst bei fettreichen und muskulösen Individuen den Blutverlust auf ein verhältnis- 
mäßig geringes Maß beschränken. B. operierte bei horizontaler Bauchlage mit 
etwas erhöhtem Becken; er hält es für möglich, daß durch diese Lagerung der 
Liquorabfluß niemals so groß wurde, daß besondere Maßnahmen zu seiner Ver- 
hütung oder Verringerung hätten ergriffen werden müssen. 

Langemak (Erfurt). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 1339 


34) Coltelloni. Sur la présence de tissu lymphoide dans la paroi 
de certains kystes branchiaux du cou. 
Thèse de Paris, G. Steinheil, 1905. 


C. berichtet über zwei durch Exstirpation der Geschwulst geheilte Individuen 
mit Kiemengangscyste; im ersten Falle handelte es sich um eine orangengroße 
Geschwulst der rechten, im zweiten Fall um eine mandarinengroße der linken 
Halsseite. Beide Male war die Geschwulst 2 Jahre vor der Operation zuerst be- 
merkt worden. Veränderungen tuberkulöser Art an Lymphdrüsen oder an den 
Lungen zeigte weder der erste Fall (Dame von 19 Jahren), noch der zweite Pat. 
(21jähriger Herr). Die Cysten waren weder mit der Oberhaut, noch mit der 
Schleimhaut der Rachenhöhle in Zusammenhang; sie enthielten eine grünliche, 
eiteräbnliche Flüssigkeit. 

Die durch Lec&ne ausgeführte histologische Untersuchung ergab, daß die 
Wand der Cysten mit einer der Mundschleimhaut gleichenden Epithelschicht aus- 
gekleidet war; nirgends war Verhornung zu bemerken; diese Epithellagen ruhten 
auf einer mehr oder minder dicken Schicht Iymphoiden;Gewebes, hier und da mit 
Follikeln durchsetzt. 

Der ganze Aufbau der Cystenwand erinnert derartig an die Bilder, welche 
normale Tonsillen darzubieten pflegen, daß C. vorschlägt, diese Cysten als »Kystes 
branchiaux amygdaloides« zu bezeichnen. Sie wurden früher von Albarran 
»Kystes ganglionnaires« genannt, aber mit Unrecht, da sie mit den Halslymph- 
knoten gar nichts zu tun haben. W. v. Brunn (Rostock). 


35) Da Costa. Report of a case of tumor of the carotid body. 
(Annals of surgery 1906. September.) 


Der sogenannte Carotidenkörper sitzt im Teilungswinkel der Art. carotis com- 
munis; nach einigen Autoren wächst er bis zur Pubertätszeit, dann verfällt er in 
normalen Fällen der Atrophie. Eine Geschwulst entsteht erst dann, wenn diese 
Atrophie ausbleibt; jedoch auch in diesem Falle wächst die an und für sich sehr 
kleine Geschwulst sehr langsam. Die Symptome, die bei weiterem Wachstum ein- 
treten, bestehen in Ohrenschmerzen, Schluckbeschwerden, Pupillenverengerung, 
vasomotorischen Störungen im Gesicht. Die Geschwulst wird dann fühlbar an der 
Halsseite, über ibr hört man ein systolisches Geräusch. Wenn der Carotidenkörper 
nicht pathologisch vergrößert ist, so hat er nur die Größe eines Getreidekornes, 
seine Farbe ist braunrot, er entwickelt sich von der Innenhaut der Carotis. Verf. 
operierte einen Fall von vergrößertem Carotiskörper. Die Ausschälung war 
schwierig, es mußte ein Stück der Carotis communis reseziert werden. Abgesehen 
von einer nachfolgenden Hemiplegie machte die Unterbindung der Carotis keine 
Störungen. Die Geschwulst erwies sich als ein Endotheliom; sie hatte eine fibröse 
Kapsel, von welcher Scheidewände ins Innere drangen und Alveolen bildeten; 
einige Alveolen wurden aber direkt von Blutgefäßendothelien umgrenzt. Die 
Alveolen enthielten verschieden geformte Zellen mit großem basophilem Kerne. 
Nach C. soll die Geschwulst nur entfernt werden bei das Leben bedrohenden Er- 
scheinungen. Herhold (Brandenburg). 


36) Enochin. Die Unterbindung der Schilddrüsenarterien beim Kropfe. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXX. Hft. 4.) 


E. gibt die Krankengeschichte von sechs vaskulösen, umfangreichen Kröpfen, 
bei denen die Unterbindung der Schilddrüsenarterien vorgenommen wurde Er 
konstatiert, daß bald nach der Operation eine Verkleinerung des Kropfes eintritt, 
und daß diese in der Folgezeit noch mehr zunimmt. Als das beste Verfahren wird 
die Unterbindung nach Drobnik für die untere, nach v. Langenbeck für die 
obere Arterie anzuwenden sein. Das kosmetische Resultat ist nicht immer gut. 

E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


1340 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 


37) C. Blauel. Zur Exothyreopexie. 
(Beitrage zur klin. Chirurgie Bd. L. Hft. 1.) 

Daß die unbedingte Verwerfung der Exothyreopexie nicht berechtigt ist, lehren 
zwei Beobachtungen aus der v. Bruns’schen Klinik. 

Bei einem jungen Manne mit großem doppelseitigen, retrosternalen Kropfe 
mußte wegen akuter, lebensbedrohlicher Asphyxie ohne jede Vorbereitung und 
Desinfektion operiert werden. Nach Luxation der einen Kropfhälfte wird die 
völlig kollabierte Luftröhre erst nach Anhakung und Distraktion für die künstliche 
Atmung frei. Halbseitige Exstirpation und Luxation der anderen Hälfte beseitigen 
zwar momentan die Trachealkompression, welche aber sofort wiederkehrt, wenn 
man den Kropfrest zurücksinken läßt. Da die Größe des Kropfes eine genü- 
gende Dislokation nicht gestattet, die Resektion aber nicht nur durch den schweren 
Kollaps, sondern auch die Gefahr einer akuten Vereiterung des Restes mit an- 
schließenden Ausfallserscheinungen kontraindiziert erscheint, so wird die Exothyreo- 
pexie ausgeführt als einzige Operation, die unter Vermeidung der Tracheotomie 
definitiv die Trachealstenose beseitigt. Bei der nach 16 Tagen erfolgten Entlas- 
sung war die Wunde bis auf eine kleine Granulationsfläche geheilt und der Kropf 
auf 1/, seiner Größe geschrumpft. 

In einem anderen Falle mit halbseitiger Exstirpation und partieller Resektion 
waren es kosmetische Rücksichten, welche die Exothyreopexie an Stelle der sonst 
notwendigen Dislokation des Kropfrestes treten lieBen. 

Nach diesen Erfahrungen hat die Methode aus der Reihe der Verlegenheits- 
operationen auszuscheiden. Wenn auch keine Operation der Wahl, ist die Exo- 
thyreopexie eine Methode, welche unter bestimmten Verhältnissen allein unter 
Vermeidung der Tracheotomie sowohl der vitalen als kausalen Indikation gleich- 
zeitig genügt und selbst kosmetischen Rücksichten dienstbar sein kann. 

Beich (Tübingen). 


38) Whipple. Disseminated tuberculosis in relation to the thoracic 
duct and vascular tubercles. 
(Johns Hopkins hospital bulletin 1906. August.) 


In 27 Fällen von Tuberkulose hat Verf. den Inhalt des Ductus thoracicus 
auf die Gegenwart von Tuberkelbazillen untersucht, und zwar mit dem Färbe- 
verfahren. 

In zwei Fällen von akuter Miliartuberkulose fand er reichliche Mengen von 
Bazillen; die hauptsächliche Lokalisation im Blutgefäßsystem war in dem einen 
Fall ein tuberkulöser Thrombus in einer Lungenvene, im anderen Fall ein großer 
verkäster Tuberkel der Aorta. 

Unter 19 Fällen von subakuter Tuberkulose waren bei 14 die Ergebnisse der 
Untersuchung vom Inhalte des Ductus thoracicus positiv. In allen diesen Fällen, 
auch in den zwei vorhin genannten, waren die Mesenteriallymphknoten verkäst. 

Ein Fall war besonders bemerkenswert: Einen der Fälle dieser zweiten Gruppe, 
in welchen sämtlich eine Dissemination des Prozesses über den Körper vorhanden 
war, hatte Verf. schon in die dritte Gruppe (Fälle ohne Dissemination) einreihen 
wollen, als ihn der Befund von zahlreichen Bazillen im Ductus thoracicus zu einer 
mikroskopischen Untersuchung der Organe veranlaßte. Hierbei ergab sich, daß 
alle parenchymatösen Urgane von kleinsten Tuberkeln dicht durchsetzt waren. 

In den sechs Fällen chronischer Tuberkulose, die eine Dissemination nicht 
erkennen ließen, war der Ductus thoracicus frei von Bazillen. 

W. v. Brann (Rostock). 


39) O. Pfeiffer. Über allgemeines interstitielles Emphysem. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. L. Hft. 1.) 
Die Mitteilung aus der v. Bruns’schen Klinik bezieht sich auf einen Pat. 
mit einem perforierenden Lungenschu8. Im Verlaufe von wenigen Stunden war 
ein hochgradiges Emphysem entwickelt, das sich in kurzem iiber Brust, Hals, Ge- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 1341 


sicht, die oberen Extremitäten, Bauch und Hodensack ausdehnte, nur die untere 
Extremität frei ließ und durch Fortschreiten auf das Mediastinum schwere Atem- 
not erzeugte. 

Die Arbeit ist besonders deshalb bemerkenswert, weil es bei dem Pat. durch 
vorzügliche Röntgenbilder, welche der Arbeit zum Teil beigegeben sind, gelang, 
die Luft nicht nur im Unterhautzellgewebe, sondern auch in dem zwischen ein- 
zelnen Muskeln und Sehnen, zwischen Muskeln und Knochen und selbst zwischen 
einzelnen Muskelbündeln gelegenen Bindegewebe nachzuweisen. 

Wenn bisher infolge ungenügender Erfahrung über die Ausdehnungswege der 
in den Körper eingedrungenen Luft von allgemeinem Hautemphysem geredet 
wurde, so dürfte sich die genauere Bezeichnung »allgemeines interstitielles 
Emphysem«, wie Verf. vorschlägt, empfehlen. Beich (Tübingen). 


40) L. Spengler. Zur Chirurgie des Pneumothorax. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLIX. p. 68.) 

Verf. verfügt über ein eigenes Material von 33 Fällen von tuberkulösem 
Pneumothorax mit 10 = 30% Heilungen, womit in sechs Fällen zugleich Dauer- 
heilung der Lungentuberkulose verbunden war. 

Acht fiebernde Tuberkulöse wurden durch das Auftreten eines Pneumothorax 
und Exsudats vollständig entfiebert, vier dauernd, 

Unter dem längeren Bestande des Ergusses heilten drei Lungentuberkulosen 
definitiv aus, während die anderen nach Rückbildung des Exsudates Fortschritte 
machten. 

Auch die offenen tuberkulösen Lungenfistelin kommen unter dem intrafemo- 
ralen Druck eines Pneumothorax und viel eher noch eines dazutretenden Ergusses 
mit Fibrinausscheidungen zu einem häufig definitiven Verschluß; dies traf bei 
sämtlichen geheilten Fällen des Verf.s zu. Um daher bei zu kleinem oder zurück- 
gehendem Exsudat ein solches von ausreichender Größe durch Reinfektion zu er- 
zeugen, läßt Verf. in therapeutischer Absicht die Kranken aufstehen, sobald deren 
Allgemeinzustand es gestattet. 

Bei einer frischen Pleuritis ist Bettruhe erforderlich. Bei fehlender oder ge- 
ringer Temperatursteigerung, also besonders bei serösem, seropurulentem oder 
sterileitrigem Exsudate läßt man dieses in Ruhe, bis die Fistel sich geschlossen 
hat und beginnt nach 2 bis 3 Wochen mit Punktionen in Intervallen von 8 bis 
14 Tagen mit Aspiration von allmählich steigenden Exsudatmengen. Hiermit wird 
ein Rezidiv des Pneumothorax verhindert. 

Für die Beurteilung eines tuberkulösen Pneumothorax ist die Temperaturkurve 
vor dessen Eintritt wichtig. Häufig macht er an sich kein Fieber, mitunter ver- 
läuft er mit 6—14tägigem hohem Fieber, ohne daß ein eitriges oder gar jauchiges 
Exsudat resultierte. 

Die Anlegung einer weit offenen Thoraxfistel nach Unverricht zur Therapie 
des Pneumothorax verwirft Verf. als erfolglos. 

Verläuft ein Exsudat längere Zeit mit hohem Fieber bei Ausschluß einer Neu- 
infektion der anderen Lunge, also bei kokkenhaltiger und putrider Pleuritis, so 
kommt die breite Thorakotomie event. Thorakoplastik und Naht der Lungenfistel 
in Betracht. | 

Fiir die Falle von Pneumothorax, bei welchen sich nach langerem Bestehen 
kein Exsudat bildet und die Temperatur normal ist, halt Verf. die therapeutische 
Erzeugung eines Exsudates, z. B. durch Injektion von Höllensteinlösung, für ge- 
rechtfertigt. Reich (Tübingen), 


41) Horn. Über die Operation der eitrigen pleuritischen Exsudate. 
Inaug.-Diss., Leipzig, 1902. 

H. berichtet über 50 in der Kinderklinik zu Leipzig mit Rippenresektion be- 
handelte Fälle von Pleuraempyem. Bei 41 Kindern fanden sich im Eiter Pneumo- 
kokken, bei vier außer Pneumokokken noch Staphylokokken, bei einem Pneumo- 
und Streptokokken, dreimal Staphylokokken, einmal Staphylo- und Streptokokken. 


1342 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 


In 34 Fällen genügte die Resektion einer Rippe, in 15 Fällen mußten zwei rese- 
ziert werden. 39 Heilungen, 8 Pat. starben. Mohr (Bielefeld). 


42) O. Pfeiffer. Zur Diagnose der Bronchiektasen im Böntgenbilde. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. L. Hft. 1.) 


Ein Junge, der vor 5 Jahren wegen eines metapneumonischen Empyems zu 
Hause eine Rippenresektion durchgemacht hatte, kam wegen einer Thoraxfistel in 
der v. Bruns’schen Klinik zur Aufnahme. Röntgenographisch ließen sich zahl- 
reiche sackförmige Bronchiektasen in der ganzen linken Lunge und ein Fremd- 
körper im Brustkorbe nachweisen. Letzterer erwies sich bei der Operation als ein 
zurückgebliebenes Drain, das in eine mit einem Hauptbronchus kommunizierende 
Höhle eingeschlossen war. Eine eitrige Pneumokokkenperikarditis führte zum 
Tode. 

Der Fall ist deswegen besonders interessant, weil er eine Kontrolle des 
Röntgenbefundes durch die Sektion bringt. 

Die hieraus sich ergebende genaue Darstellbarkeit pulmonaler Veränderungen 
eröffnet die Aussicht für die Lungenchirurgie, daß sowohl die topische Diagnose 
als die Frage nach der Ausdehnung und Verbreitung von Bronchiektasen, Gan- 
gränherden usw. durch die Röntgenuntersuchung der Lungen gelöst und damit die 
Vorbedingungen fiir eine operative Inangriffnahme gefördert werden. 

Reich (Tübingen). 


43) F. T. Travers. Suture of perforating wound of the heart, death 
on the eleventh day. 
(Lancet 1906. September 15.) 

Das Auffallende an diesem Falle von ausgedehnter Herznaht bei einem 19jäh- 
rigen Arbeiter war: Die Tamponade der perforierenden Wunde des rechten Ven- 
trikels durch einen Knochensplitter des Brustbeines, wodurch die Blutung fast 
absolut gestillt wurde. Das Herz zeigte eine sehr bemerkenswerte Toleranz gegen- 
über der Verletzung und den Hantierungen bei der Operation. Die Pulsation be- 
stand regelmäßig weiter, obwohl drei Finger durch den Riß in den Herzventrikel 
eingeführt waren. Die Schwächung des Pat. durch den sehr erheblichen Biutver- 
lust war enorm, allein die Anlegung jeder einzelnen Naht wurde als direkter Reiz 
auf die Herztätigkeit empfunden. 

Nach der Naht wurde der Herzbeutel frei drainiert, so daß eine Stauung der 
sehr reichlich abgesonderten Perikardialflüssigkeit nicht eintrat. Der schließliche 
tödliche Ausgang am 11. Tage wurde indessen doch noch durch die sogenannte 
Herztamponade herbeigeführt, und zwar durch ein Blutgerinnsel, welches sich über 
der Nahtstelle gebildet hatte. 

Eine photographische Abbildung und zwei schematische Zeichnungen sind in 
die interessante Mitteilung eingefügt. H. Ebbinghaus (Dortmund). 


44) Braendle. Über die Tuberkulose der Brustdrüse und die Dauer- 
resultate ihrer operativen Behandlung. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. L. Hft. 1.) 


Zu den früheren Beobachtungen von Habermaas und Mandry aus der 
v. Bruns’schen Klinik werden elf weitere Fälle mitgeteilt. 

Das Auftreten der Brustdrüsentuberkulose beschränkt sich nicht auf das fort- 
pflanzungsfähige Alter, sondern kommt auch nach Eintritt der Menopause vor. 
Die elf Pat. hatten alle geboren, sieben von ihnen gestillt. Keine der Pat. hatte 
eine nachweisbare Lungenaffektion. Zwei tuberkulöse Lymphome. Die Axillar- 
drüsen waren in 85% affiziert. Durchweg handelte es sich um die konfluierende 
Form der Brustdrüsentuberkulose. 

Abgesehen von einem Falle, der unter Exkochleation und Drainage ausheilte, 
wurde bei den übrigen zehn Fällen die Brustamputation mit Drüsenausräumung 
vorgenommen und durchweg glatte Wundheilung innerhalb 8—14 Tagen erzielt. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 1343 


Bei 16 für die Frage der Dauerheilung verwertbaren Fällen ergaben sich 
15 Dauerheilungen und ein Rezidiv, welch letzteres vermutlich von einer Rippen- 
caries ausging. Die Beobachtungszeit umfaßt 1—19 Jahre. Drei Pat., welche 
ohne Rezidiv geblieben waren, starben an Lungenphthise. Eine spätere Erkran- 
kung der anderen Drüse ließ sich nie ermitteln. 

Nach diesen Erfahrungen muß bei einer Zahl von 93,75% Dauerheilungen die 
Prognose der Mammatuberkulose quoad sanationem und auch quoad vitam als 
günstig bezeichnet werden. Reich (Tübingen). 


45) H. Delagéniére. Contribution à l'étude de la chirurgie du pan- 
créas d’après dix observations. 
(Arch. prov. de chir. 1906. Nr. 4 u. 5.) 


D. berichtet über zehn eigene Fälle aus dem Gebiete der Pankreaschirurgie, 
.darunter einen Fall von Pankreascyste, einen Fall von Pankreasstein, zwei Fälle von 
Karzinom des Pankreaskopfes, drei Fälle von chronischer Pankreatitis und drei 
Fälle, bei denen ein Magenkarzinom auf das Pankreas übergegriffen hatte. Die 
Pankreascyste hat er durch Einnähen und Tamponade des Sackes zur Heilung ge- 
bracht. Die Pankreassteine, die sich neben Gallensteinen fanden, waren zahlreiche 
hirsekorngroße, weichliche Konkremente. Sie wurden nach Inzision des Pankreas- 
kopfes mit Finger und scharfem Löffel samt dem sie umgebenden weichen Gewebe 
entfernt, die Höhle temponiert und völlige Heilung erzielt. Von den beiden Fällen 
von Karzinom des Pankreaskopfes dürfte nur der eine sicher primär von der Drüse 
ausgegangen sein. In diesem Falle brachte die Cholecystogastrostomose vorüber- 
gehenden Erfolg. In zwei Fällen von auf das Pankreas übergegriffenen Magen- 
karzinomen wurden bei der Resektion kleinere Teile der Bauchspeicheldrüse ent- 
fernt. Im dritten sehr weit vorgeschrittenen machte D. wegen hochgradigen Ikterus 
noch die Cholecystostomie, die dem Kranken vorübergehend große Erleichterung 
schaffte. In den Fällen von Pankreatitis chronica führte er einmal bei Kompres- 
sion des Choledochus durch den vergrößerten Pankreaskopf die Cholecystoduodeno- 
stomie und zweimal die Cholecystostomie in Verbindung mit der Gastroenterostomie 
aus, letztere einmal wegen Kompression des Duodenums durch die Pankreas- 
geschwulst, das andere Mal wegen Sanduhrmagen. Zum Schluß seiner Arbeit ver- 
breitet sich Verf. näher über die Pankreatitis chronica und gibt als bestes opera- 
tives Verfahren dieses Leidens an die Einpflanzung des nach Zurückschlagen des 
Duodenums freipräparierten und durchschnittenen Ductus choledochus in den Magen 
oder in eine vom Pankreas freie Stelle des Duodenums. Das Verfahren wird aus- 
führlicher beschrieben. Müller (Dresden). 


46) Donth. Beitrag zur Pankreaschirurgie. 
(Prager med. Wochenschrift 1905. Nr. 45.) 


Bei einem 38jährigen Brauknecht entwickelte sich nach einem Deichselstoß 
in die Oberbauchgegend innerhalb 3 Monaten eine mehr als mannskopfgroße Pankreas- 
cyste. Verf. laparotomierte, entleerte durch Punktion reichlich 3 Liter einer 
braunen, kaffeesatzartigen Flüssigkeit, spaltete dann die Cystenwand und vernähte 
die Schnittränder mit denen des Bauchfelles. Die Höhle wurde nach v. Mikulicz 
austamponiert; in 11/3, Monaten schloß sich die Fistel, später bildete sich ein kleiner 
Bauchwandbruch. Gutzeit (Neidenburg). 


47) B. Niederle. Uber chronische interstitielle Pankreatitis. 
(Sbornik klinicky Bd. VII. p. 249.) 


Bei einem 41 jahrigen Weibe diagnostizierte Verf. aus Schmerzen in der rechten 
oberen Bauchhälfte, Erbrechen, Ikterus und einer großen Geschwulst im rechten 
Hypochondrium einen den Ductus choledochus verlegenden Gallenstein. Bei der 
Operation fand sich eine vom Pankreaskopf ausgehende, höckrige Geschwulst von 
derber Konsistenz, die den Pylorus, das Duodenum und die Gallengänge kom- 


1344 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 


primierte, und die Verf. als bösartig ansprach. Nach der Operation (Gastroentero- 
stomie) gingen alle Symptome zurück, und die Frau wurde geheilt entlassen. 
8 Monate nach der Operation war die Geschwulst gänzlich verschwunden. 

G. Mühlstein (Prag). 


48) Bunting. Acute haemorrhagic pancreatitis following obstruction 
of the bile papilla. 
(Johns Hopkins hospital bulletin 1906. August.) 


Ein 51jähriger Weißer, der schon seit längerer Zeit an Verdauungsbeschwerden 
gelitten hatte, erkrankte plötzlich mit heftigen Leibschmerzen und DarmverschluB. 
Die Leparotomie ergab außer einigen Verwachsungen, die gelöst wurden, nichts 
Besonderes. Die bald nach dem kurze Zeit darauf erfolgten Tode vorgenommene 
Obduktion zeigte, daß eine vollkommene Verlegung der Papilla Vateri durch einen 
Gallenstein vorlag; die Gallenwege waren prall mit Galle gefüllt; es bestand offen- 
bar als Folge der Steineinklemmung in der Papille eine akute Pankreatitis mit 
Fettnekrose. W. v. Brunn (Rostock). 


49) Weil. Primäres Riesenzellensarkom des Pankreas. 
(Prager med. Wochenschrift 1905. Nr. 41.) 


Die Geschwulst wurde als Nebenbefund bei der Sektion der Leiche einer 
62jährigen an Gehirnblutung verstorbenen Frau entdeckt. Sie war kuglig, lag im 
Pankreasschweif und stellte eine 4 cm im Durchmesser haltende Cyste dar. Mikro- 
skopisch unterschied sie sich in nichts von einer Epulis oder einem Riesenzellen- 
sarkom des Knochenmarkes. 

In der Literatur ist nur noch ein zweiter Fall von primärem Riesenzellensar- 
kom des Pankreas bekannt (Piccoli, Ziegler’s Beiträge Bd. XXII.) 

Gutzeit (Neidenburg). 


60) C. Sick (Hamburg). Erfahrungen über den äußeren Milzbrand 
beim Menschen. 
(Vereinsbl. der pfälzischen Arzte 1906. Juli.) 


Im Laufe der Jahre hat Verf. 42 Fälle äußeren Milzbrandes behandelt. Die 
meisten Kranken hatten sich die Infektion bei der Arbeit mit Fellen zugezogen, 
die teils aus Rußland, teils aus Amerika und Afrika stammten. 17mal saß die 
Infektion ‚seitlich am Halse; von diesen Pat. starben 12. S. führt diese bösartigere 
Form auf die rasche und weite Ausbreitung des Ödems im lockeren Zellgewebe 
des Halses zurück. i1imal war die Pustel am Kopf (Auge, Stirn, Wange, Ohr- 
gegend), 3mal am Nacken, 5mal am Oberarm und 6mal am Unterarme lokalisiert. 
Von diesen Pat. starben nur 3. Der Tod tritt unter den Zeichen der Herzschwäche 
und Dyspnoe auf. Die Sektion läßt neben den Milzbrandbazillen meist auch Sta- 
phylokokken und Streptokokken in den Organen nachweisen, ebenso auch im Se- 
krete des Primäraffektes. Bei tödlich verlaufenden Fällen kann es zu einer Gas- 
entwicklung im Gewebe durch den E. Fraenkel'schen Gasbazillus kommen. 

Die Therapie war in den ersten Jahren eine aktive: Exzision, Kauterisation, 
Karbolinjektionen rings um die Pustel usw. Später führten konservative Verfahren: 
Alkoholumschläge und möglichste Ruhestellung, an den Extremitäten auch Suspen- 
sion, zu sehr befriedigenden Resultaten. 

Die Krankengeschichten sind der kleinen, interessanten Mitteilung in kurzen 
Auszügen beigegeben. Goebel (Breslau). 


Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man 
an Prof. B. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- 


handlung Brestkopf & Härtel, einsenden. 
Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig, Nürnbergerstraße 36/38. 


Zentralblatt 
CHIRURGIE 


E. vu Beman, F, Kinig, E ee 





Dreiunddreißigster Jahrgang. 


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Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei halbjähriger 
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten. 


Nr. 51. Sonnabend, den 22. Dezember. 1906. 





Inhalt: V. E. Mertens, Technisches zur Fistelbehandlung. (Original-Mittellung.) 

1) Karewski, Catgut. — 2) Worden, Saller, Pancoast, Davis, Gastroptosis. — 3) Gelpke, 
Nicht krebsige Magenleiden. — 4) Kreuzer, 5) Gaudemet, Magengeschwiir. — 6) Moullin, 
Magenkrebs. — 7) Filnt, Magen-Darmanastomosierung. — 8) Jeanbran und. Riche, Innere 
Hernie durch das Foramen Winslowii. — 9) Schlatter, Dinndarmresektion. — 10) und 
11) Pólya, Vereinigung des durchtrennten Dünndarmes. — 12) Connell, Darmnaht. — 
13) Gil, Appendicostomie. — 14) Babes, Blind- und Dickdarmgeschwülste. — 15) Brüning, 
Mastdarmkrebs. 

Mindes, Benzin-Jodcatgut. (Original-Mitteilung.) 

16) Freie Vereinigung der Chirurgen Berlins. — 17) Baudoln, Sterilisation chirurgischen 
Materials. — 18) Bartlett, Drahtnetze gegen Bauchbriiche. — 19) Jepson, Perineale Bauch- 
hohlendrainage. — 20) Woolsey, 21) Czarnik, Darmperforation bei Typhus. — 22) Ingbert, 
Leistenbruch. — 23) Kraus, Omphalektomie. — 24) Vayhinger, Zwerchfellbruch. — 25) Le- 
wonewski, Verschluckte Mantelgeschosse. — 26) Kuzmik, Magen-Bauchwandiistel. — 
27) Leriche, Perforierendes Magengeschwür. — 28) Renton, 29) Gordon, 30) Mackenzie, 
31) v. Haberer, Verengerungen am Pylorus und obersten Darmabschnitten. — 32) Brunner, 
Magenoperationen. — 33) Delaloye, Gastroenterostomie. — 34) MacCallum, Kernreiche 
Hamangiome des Darmes. — 35) MacCallum, Phlegmonöse Darmentzündung. — 36) Kachler, 
Traumatische Darmverengerung. — 37) Jaboulay, Meckel’sches Divertikel. — 38) Weber, 
39) Moschcowltz, Volvalus der Flexura sigmoidea. — 40) Estes, Myofibrom des Darmes. — 
41) Finsterer, 42) Cushing, Darmkrebs. — 43) Reuterskiöld, Widernatürlicher After. — 
44) Rittershaus, Embolie und Thrombose der Gekrösgefäße. — 45) Glinski, Milzmangel. — 
46) Hörz, Traumatische Milzzerreißung. — 47) Borszéky, Leberverletzungen. — 48) Boyreau, 
Leberabszeß. — 49) Ikonnikow, Lebercysten. — 50) Schmid, 51) Hawkes, Gallensteine. — 
62) Mayo, 53) Mc Williams, Operationen an Leber und Gallenwegen. — 54) Ewald, Nervöse 
Leberkolik. — Berichtigung. 





(Aus der chirurg. Abteilung des Allerheiligen-Hospitals zu Breslau. 
Prof. Tietze.) 


Technisches zur Fistelbehandlung. 
Von 


Dr. Vietor E. Mertens, 
Sekundärarzt. 
Als am diesjährigen Chirurgenkongreß über die Stauungshyperämie 
diskutiert wurde, ist von mehreren Rednern auch betont worden, daß 
51 


1346 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 


postoperative »alte Fisteln« erfolgreich mit der Saugglocke behandelt 
werden können. 

Die übliche Behandlung von Fisteln besteht heute in der Aus- 
kratzung mit dem scharfen Löffel. Man entfernt die schlaffen, lebens- 
unfähigen Granulationen und schafft so frischblutende Flächen, die 
wieder die gewünschte Heilungstendenz aufweisen. Die Auskratzungen 
haben aber zwei Fehler: sie verlangen die Anwendung der Narkose 
in weitaus den meisten Fällen und hinterlassen größere Wunden. Es 
lag daher nahe, Versuche mit der hyperämisierenden Saugglocke zu 
machen; gelang es, den anämischen Granulationen genug frisches Blut 
zuzuführen, so gab es keinen Grund mehr, warum die Fisteln nicht 
heilen sollten. Je vollständiger die Anfrischung gelang, um so 
schneller mußte die Heilung erfolgen. Um die Schnelligkeit und 
Vollkommenheit der Anfrischung auf die Spitze zu treiben, habe ich 
bei der Fistelsaugung eine etwas veränderte Technik angewendet. Ich 
setze jetzt die Saugglocke am Anfange der Sitzung mit maximal ge- 
steigertem Unterdruck auf, so daß die stärkste Saugwirkung erreicht 
wird, die der Ballon überhaupt hergibt. Durch die so bewirkte plötz- 
liche, gewaltsame Füllung sollen die an die Fistel angrenzenden und 
in den Gratulationsresten noch vorhandenen Gefäße zum Bersten ge- 
bracht, die torpiden Granulationen zerrissen, soll eine Wundfläche von 
der Ausdehnung der Fistelwandung hergestellt werden. In der Tat 
ergießt sich aus der Fistelöffnung alsbald ein Blutstrom, der so stark 
ist, daß mehrere Kubikzentimeter Blut in der Glocke stehen können. 
Dann wird, wie üblich, ®/, Stunden weiter gesaugt. Die Blutung läßt 
allmählich nach; zuletzt wird noch etwas Serum aspiriert. Am näch- 
sten und übernächsten Tage wird genau in derselben Weise verfahren. 
Weitere Saugung erübrigt sich. Es erfolgt schnelle Heilung in etwa 
einer Woche. 

Zu bemerken ist noch, daß die starke Saugung keine Schmerzen 
macht, wohl weil es sich um chronische, nicht akut entzündliche Zu- 
stände handelt, sei es, daß man mit einer Fistel zu tun hat, die nach 
einer Operation zurückblieb, sei es, daß eine zufällig gesetzte Wunde 
nicht heilen will. 

Die beiden Fälle, auf die ich mich stützen will, sind folgende: 


1) K. W., 37 Jahre alt. Pat. hatte sich vor 3 Tagen durch Quetschung eine 
Hautwunde am linken Handrücken zugezogen. Es fand sich (3. Februar 1906) eine 
4 mm lange, 1 mm klaffende Wunde, deren Grund graugelb belegt war. Bei Druck 
auf die nicht schmerzende Umgebung entleerte sich eitrige Flüssigkeit. Sonden- 
untersuchung, die nicht zu Blutung führte, ergab, daß die Haut in etwa 5-Mark- 
stückgröße unterminiert war. 4 Tage wurde mit feuchten Verbänden behandelt. 
Der Status blieb unverändert. Am 5., 6. und 7. Tage wurde forciert gesaugt, 
wobei es stark blutete. Am 12. Tage lag die Haut fest an, und der 4 mm lange 
Spalt zeigte gute Granulationen. — Dieser Fall brachte mich auf die Anfrischung 
durch forcierte Saugung. 

2) O. S., 45 Jahre alt. Er wurde wegen eines paranephritischen Abszesses 
operiert. 5 Wochen später bekam ich ihn zur poliklinischen Weiterbehandlung. 
Er hatte eine schmale, granulierende Wunde, die 5 cm tief war. Trotz aller Be- 
mühungen, sie offen zu halten, schloß die Wunde sich bis auf einen 5 cm tiefen 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 1347 


Fistelgang, der hartnäckig allen therapeutischen Angriffen widerstand. Nachdem 
es 7 Wochen so gegangen war, griff ich zur Anfrischung durch die Saugglocke. 
Am 1., 2. und 3. Tage wurde forciert gesaugt, dann nur indifferent verbunden. 
Am 5. Tage war die Fistel noch 8 mm tief, und zwar stieß die Sonde überall auf 
festen Widerstand. Am 7. Tage fand sich nur noch eine minimale Delle, die von 
der übrigen Narbe kaum zu unterscheiden war. 


Selbstverständlich bin ich weit davon entfernt, behaupten zu 
wollen, daß diese Fälle nicht auch »von selbst« geheilt wären, wenn 
man ihnen genügend Monate Zeit gelassen hätte. Man wird aber 
zugeben müssen, daß es ein Erfolg der Therapie ist, wenn eine 7 Wo- 
chen bestehende Fistel in 7 Tagen nach Einleitung eben dieser Therapie 
sich schließt. Konnte doch von den drei klassischen Forderungen bei 
der Fistelbehandlung bisher am wenigsten dem »cito« genügt werden. 

Das »cito« kommt aber noch auf andere Weise zu seinem Rechte, 
nämlich da, wo die Fistel sich trotz der Anfrischung nicht schließt! 
Zeigt eine forciert gesaugte Fistel nicht in wenigen Tagen eine ganz 
ausgesprochene Neigung zur Heilung, so verdankt sie einem Fremd- 
körper ihr Dasein. In dieser Erkenntnis ist aber die Indikation zu 
einem Eingriff enthalten und damit zugleich die Möglichkeit gegeben, 
die Dauer der Krankheit abzukürzen. 

Auch hier seien zwei Fälle zitiert: 


3) J. K., 32 Jahre alt. Er kam in ganz schwerem Zustand auf die Station. 
Wir diagnostizierten eine Vorderarmphlegmone. Ich fing an, mit der Binde zu 
stauen, kam aber nicht zum Ziel; es mußten ausgiebige Inzisionen gemacht wer- 
den, und Pat. konnte erst nach fast 2 Monaten entlassen werden. Wegen zwei 
kleiner Fisteln am Handgelenk behielt ich ihn in poliklinischer Behandlung. Ich 
fing sehr bald an forciert zu saugen. Das Resultat war gleich Null, es bildeten 
sich sogar noch weitere Fisteln. Ich glaubte daraufhin, mein erster, kurz vorher 
errungener Erfolg (1. K. W.) sei zufällig gewesen und fuhr nach den gewöhnlichen 
Regeln zu saugen fort, aber gleichfalls ohne Erfolg. Schließlich entdeckte ich in 
der Tiefe eines Ganges rauhen Knochen. Die weitere Untersuchung ergab, daß 
eine Osteomyelitis des Radius vorgelegen hatte. Es wurde nekrotomiert und ein 
Sequester entfernt. Heilung. 


4) P. G., 41 Jahre alt. Am 25. April wurde ihm wegen Tuberkulose das 
linke Handgelenk reseziert, wobei die Strecksehnen verkürzt wurden. Zunächst 
erfolgte glatte Heilung. Mitte Juni bildeten sich drei kleine Fisteln. Die am 
14. Juli eingeleitete forcierte Saugung führte nicht zur Heilung. Vielmehr begann 
kurze Zeit darauf eine Auswanderung von Seidenfäden. Als 25 Fäden ausgestoßen 
waren, schlossen sich die Fisteln sehr schnell, Anfang August. Bis jetzt (Ende 
November) ist alles heil geblieben. 


An sich ist es gewiß eine banale Tatsache, daß Wunden, in 
deren Tiefe Fremdkörper sitzen, offen bleiben. Wie aber erkennt 
man, ob in einer fistelnden Wunde ein Fremdkörper steckt, oder ob 
andere Ursachen für das Ausbleiben der Heilung vorliegen? Ist es 
nicht zuweilen unsere völlige Unkenntnis über die Ursachen, die uns 
abhält, dem Pat. einen Eingriff vorzuschlagen, und die uns veranlaßt, 
in der Hoffnung, daß »es doch noch zuheilt«, den Kranken immer 
wieder mit Drainagen, Atzungen usw. hinzuhalten? 

51* 


1348 Zentralblatt für Chirurgie Nr. 51. 


Mir scheint, daß jede Methode zur Beschleunigung der Heilung, 
jede Handhabe zur Erkennung der Verzögerungsursachen willkommen 
sein muß. Ich möchte daher folgende Thesen zur Prüfung empfehlen: 

1) Postoperative und posttraumatische, nicht spezifische Fisteln 
heilen nach Anfrischung mittels der Saugglocke, d. h. unter forcierter 
Saugung, in sehr kurzer Zeit. 

2) Zeigt eine so angefrischte Fistel nach wenigen Tagen noch keine 
Neigung zur Heilung, so besteht sie auf Grund eines Fremdkörpers, 
und damit ist die Indikation zu einem baldigen operativen Vorgehen 


klar gegeben. 





1) Karewski. Über gebrauchsfertiges, dauernd steriles asep- 


tisches Catgut. 
(Berliner klin. Wochenschrift 1906. Nr. 21.) 

Die Bemühungen des Verf., ein gebrauchsfertiges Catgut so zuzu- 
bereiten, daß es strengste bakteriologische Kontrolle garantiert, keinerlei 
die Gewebe schädigende Substanzen enthält, daß es eine starke Zug- 
festigkeit und Elastizität besitzt, es so zu bewahren, daß es keiner 
späteren Infektion ausgesetzt und unbegrenzt haltbar ist, scheinen 
gelungen zu sein. Die Sterilisation geschieht durch Alkoholdampf. 
Die im Alkoholgefäß erkalteten Röhren werden unten zugeschmolzen, 
im Vakuum mit absolutem Alkohol, dem je nach der Stärke der 
Fäden 1—3% Gilyzerin zugesetzt ist, gefüllt, alsdann oben zugeschmol- 
zen und nunmehr, um etwaige aus der Luft aspirierte Keime zu zer- 
stören, nochmals 1 Stunde lang auf 103° erhitzt. Die Gläser kann 
man desinfizieren. Schnell vorübergehendes Kochen in Sodalösung 
verändert den Inhalt nicht. Angebrochene Röhren kann man dadurch 
keimfrei erhalten, daß man sie mit dem Halse nach unten in 70% igen 
Alkohol versenkt. 


Das Catgut ist bereits bei zahlreichen Operationen erprobt. 
Langemak (Erfurt). 


2) Worden, Sailer, Pancoast, Davis. A clinical study of 
gastroptosis, with special reference to the value of the bis- 
mut skiograph shadow in determining the topographie of 

the gastrointestinal tract. 
(Univ. of Pennsylvania med. bulletin 1906. August.) 


W. hat in 40 Fallen von Gastroptose — auch im Hinblick auf 
die Indikationsstellung zur Operation — den Magen in der Weise 
durchleuchtet, daß er 6—32 Unzen einer Schleimsuspension von Bismut. 
subnitricum (1—4 Unzen) den Pat. einnehmen ließ oder durch die 
Magensonde einführte; unmittelbar darauf wurde eine Röntgenaufnahme 
im Stehen bei möglichst angehaltenem Atem gemacht und dann so- 
fort, um Vergiftungserscheinungen vorzubeugen, die Wismutsuspension 
wieder ausgehebert. W. schließt aus seinen Versuchen, daß die 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 1349 


Röntgendurchleuchtung des Magens und des Darmes zu diagnostischen 
Zwecken bei weitem jede andere Methode übertrifft; das gleiche gilt 
für die Therapie, besonders auch für die operative, da man schon vor 
der Operation sich sehr genau über die Verhältnisse orientieren kann. 
Die Durchleuchtung erwies sich als diagnostisch wertvoll bei Striktur, 
Erweiterung und Divertikelbildung der Speiseröhre, bei Erweiterung, 
Senkung, Sanduhrform und Krebs des Magens, bei Verengerung, Er- 
weiterung und Geschwulstbildung des Darmes, bei Senkung des Kolons 
und der Flexur. W. teilt seine Befunde ausführlich mit, wobei 
bemerkenswert ist, daß er in 15 von 40 Fällen von Gastroptose eine 
erhebliche Knickung der Pylorusgegend feststellte. Auch seine Ver- 
suche, den Dickdarm nach rektaler Injektion von 2 Unzen Wismut 
in 8 Unzen Milch oder Schleimlösung zu durchleuchten, ergaben hervor- 
ragende diagnostische Resultate. Das Wismut stieg in 15 Minuten 
bis zur Deocoecalklappe auf; dagegen hielt es in zwei Fällen von 
Striktur an der Strikturstelle an. Aufsteigendes Querkolon sowie die 
Flexura hepatica in ihrer Lage stets deutlich sichtbar. Fünf Fälle 
wurden operiert; 3mal Gastroenterostomie, Imal Fixation des Magens, 
imal Fixation des Magens und Kolons (6 Röntgenbilder). 

S. stellte durch das genannte Verfahren in einem Falle, in 
welchem wegen Pylorusstenose die Gastroenterostomie ausgeführt war, 
fest, daß das Wismut an der Anastomosenstelle leicht in den Darm 
übertrat, die Offnung also gut funktionierte. 

P. bildet in 29 Skizzen die verschiedenen, von ihm erhobenen 
Röntgenbefunde ab. Die Knickung des Pylorus, die Wirkung von 
Bandagen auf die Lage des Magens, die Einwirkung der Gastroentero- 
stomie und der Gastrofixation auf die Lage der Teile, der Einfluß 
der Operation auf einen Fall von Senkung des Querkolons, und der 
Befund bei Ptose und Geschwulst der Flexur werden abgebildet, die 
Technik wird ausführlich erörtert. 

C. berichtet über einen Fall von teilweiser Verlegung des Je- 
junums; die Laparotomie zwecks Lösung der angenommenen Ver- 
wachsungen konnte wegen des schlechten Allgemeinzustandes des Pat. 
nicht zu Ende geführt werden, und es wurde eine Enterostomie aus- 
geführt. ©. ließ nun Wismutsuspension einnehmen und injizierte gleich- 
zeitig solche in die Kotfistel, um vor einer zweiten Operation im 
Röntgenbild festzustellen, wo der Sitz der Verengerung sei und wie die 
Fistel zur Stelle der Striktur liege. Es wurde mit Sicherheit fest- 
gestellt, daB die Verengerung nicht weit entfernt oberhalb der Offnung 
lag; die Operation bestätigte diesen Befund. In zwei Fällen von 
Fistelbildung am absteigenden Kolon wurden die genaueren Beziehungen 
zwischen Fistelgang und Darm durch das Verfahren festgestellt. Bei 
mehreren Pat. wurde Ptosis des Querkolons und einer oder beider 
anstoßenden Flexuren leicht erkannt, und in einigen Fällen, in denen 
Verwachsungen wegen des engen Aneinanderliegens zweier Darm- 
schlingen nach dem Röntgenbild angenommen wurde, dieser Befund 
durch die Operation bestätigt. Bei einem weiteren Pat. wurde der 


1350 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 


Sitz einer bösartigen Striktur im absteigenden Kolon deutlich gemacht, 
ebenso wurde mehrfach bei Erkrankungen der Flexura sigmoidea der 
Röntgenbefund bei der Operation bestätigt. Mohr (Bielefeld). 





3) Gelpke. Zur Frage der chirurgischen Behandlung nicht 
krebsiger Magenleiden. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXX. Hft. 4.) 

Verf. ist der Ansicht, daß die Gastroenterostomie bei gutartigen 
Magenleiden eine immer noch zu gefährliche Operation ist. Er glaubt, 
daß man deswegen nach anderen ungefährlicheren Methoden suchen 
muß. Er gibt für viele Fälle der Pyloroplastik den Vorzug. Wenn 
eine ausgesprochene Ptosis des Magens besteht, großer Tiefstand des 
Magens mit oder ohne Dilatation des Organes vorhanden ist, so fügt 
er auch noch die Gastropexie hinzu derart, daß er ungefähr die Hälfte 
der vorderen Magenwand parallel der großen Kurvatur direkt an den 
unteren Rippenbogen heftet oder an die vordere Bauchwand in der 
Nähe des Rippenbogens befestigt. Er hat so mit Erfolg neun Fälle 
operiert, deren Krankengeschichten beigefügt sind. 

E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


4) Kreuzer. Die chirurgische Behandlung des runden 
Magengeschwürs und seiner Folgezustände an der Krön- 
lein’schen Klinik in Zürich in den Jahren 1887— 1904. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLIX. p. 330.) 

Die umfangreiche, wertvolle Arbeit wurde im Auszug von Krön- 
lein vorgetragen auf dem deutschen Chirurgenkongreß 1906 und ist 
als solche ausführlich referiert im Zentralbl. f. Chir. 1906 Nr. 28, 
Beilage p. 92 ff. Reich (Tübingen). 





5) M. C. Gaudemet. De l'intervention chirurgicale dans 


lulcere non perforé de l’estomac. 
Thèse de Paris, @. Steinheil, 1906. 

Indikation zum chirurgischen Eingreifen ist nach G. vorhanden 
bei andauernden Schmerzen, sowohl solchen infolge der Ulzeration als 
auch infolge Verwachsungen und Narbenstenosen; ferner bei Hämor- 
rhagien und bei Stenoseerscheinungen. Bei einmaligen heftigen Blu- 
tungen rät G.,auch von der Operation abzusehen. Die Schwierigkeit 
des Auffindens der sog. Exulceratio simplex (Dieulafoy) zeigt der 
Umstand, daß Hartmann selbst auf dem Sektionstische den Sitz der 
Ulzeration erst nach mehreren Untersuchungen feststellen konnte. 
Bei wiederholten Blutungen hält dagegen G. chirurgisches Eingreifen 
für angezeigt, und zwar soll dies bei Zeiten geschehen, ehe infolge zu 
starker Dilatation schwere Veränderungen in der Schleimhaut Platz 
gegriffen haben. Als Operation der Wahl wird im allgemeinen die 
Gastroenterostomie zu gelten haben. Eine Pylorusresektion wird man, 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 1351 


wegen der unverkennbar damit verbundenen Vorzüge, dann wählen, 
wenn sie leicht und schnell ausführbar ist. Denn die Resektion bleibt 
immer ein gefährlicherer Eingriff als die Gastroenterostomie. Bei 
ihr ist die Methode nach Billroth II vorzuziehen, weil an einer 
anderen Stelle des Magens noch ein Geschwür sitzen kann und weil 
man auf die Vorteile der Gastroenterostomie wird nicht verzichten 
wollen. Selbstredend wird man die Resektion auch anwenden, wenn 
man karzinöse Entartung des Geschwürs befürchtet. Die Möglichkeit 
einer krebsigen Entartung eines gewöhnlichen Geschwürs aber als 
Grund für die Resektion anzuführen, ist nicht angängig, da die Gastro- 
enterostomie durch die Möglichkeit der leichteren Heilung auch die 
Wahrscheinlichkeit einer krebsigen Entartung vermindert. 

Die Unterscheidung zwischen entzündlicher Geschwulst und Neu- 
bildung ist nicht nur makroskopisch, sondern oft auch mikroskopisch 
sehr schwer zu stellen. Hat man die Überzeugung, daß eine Neu- 
bildung vorliegt, ist natürlich die Resektion angezeigt. Bei einem 
wahren Geschwür, auch bei dem blutenden, empfiehlt Verf. aber zu- 
nächst die Gastroenterostomie. Die Exzision des Geschwürs ist erst 
in einer zweiten Operation vorzunehmen, falls die Blutungen sich 
dauernd wiederholen. Dieses Vorgehen, wie es Jaboulay gemacht 
hat, ist um so eher zu empfehlen, als man der zweiten Billroth’schen 
Methode den Vorzug geben wird. Ist man genötigt, die Gastroentero- 
stomie als vordere anzulegen, so soll man eine Enteroanastomose zu- 
fügen. Niemals soll man nach der Gastroenterostomie die innere 
Behandlung vergessen, da man es mit einer kranken Schleim- und 
Muskelhaut zu tun hat. — Verf. beschreibt dann die von Ricard 
geiibte Methode der Gastroenterostomie. Die Jejunumschlinge wird 
dabei senkrecht angenäht, das duodenale Ende nach der kleinen 
Kurvatur hin gerichtet. Nach Zurechtlegung für die Naht liegt die 
Darmschlinge rechts, der Magenteil links. Die Einschnitte an Magen 
und Darm nach Anlegung der ersten Naht werden nur in Ausdehnung 
der der großen Kurvatur benachbarten Hälfte der aneinander genähten 
Schlingen angelegt. Die Kanten des Mesokolonschlitzes werden an 
den Magen mit einigen Nähten befestigt. Die vertikale Suspension 
des oberen Teiles hat Ricard auch angewendet, wenn er den unteren 
Anastomosenteil, nicht vertikal, sondern schräg nach dem Pylorus zu 
genommen hat. Durch die vertikale Suspension wird Spornbildung 
im absteigenden Schenkel unmöglich gemacht. Bei der hinteren 
Gastroenterostomie gewährleistet die vertikale Suspension auch ein 
Weiterfließen des Darminhaltes vom Duodenum her auf der hinteren 
Wand des Darmes beim Magen vorbei. 

Verf. bringt 40 Krankengeschichten von Fällen, bei denen die 


vertikale Suspension in Anwendung gekommen ist. 
E. Moser (Zittau). 





1352 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 


6) C. M. Moullin. ‘The early diagnosis of cancer of the 
stomach. 
(Lancet 1906. September 22.) 

Der bekannte Verf. beleuchtet hier mit seiner reichen Erfahrung 
in klassischer Weise die Frühdiagnose und Frühtherapie des Magen- 
krebses. Wenn überhaupt von erfolgreicher operativer Behandlung 
des Carcinoma ventriculi die Rede sein soll, so muß diese Behandlung 
früh einsetzen. Kontinuierliche leichte Schmerzhaftigkeit und Appetit- 
losigkeit, insbesondere für Fleischnahrung, bei einem bisher gesunden 
Menschen in und über mittlerem Alter, geben Verdacht auf Magen- 
krebs. Schmerzhaftigkeit kommt von den Zerrungen des Parietal- 
peritoneums bei den Kontraktionen des Magens, die das karzinomatöse 
Hindernis zu überwinden trachten. Da 60% aller Magenkrebse am 
Pylorus liegen, wird sie also in über der Hälfte der Fälle nicht fehlen. 
Je mehr verengert die Pforte, desto größer der Krebs also, und desto 
heftiger die Schmerzhaftigkeit. 

Weichen die beiden Symptome, die event. mit Gewichtsverlust 
einhergehen, nicht einer der üblichen Behandlungsmethoden in einigen 
Wochen, so ist 1) eine chemische Untersuchung des Mageninhaltes 
nach einem Probefrühstück oder 2) eine Probelaparotomie zu machen. 
Sowohl das Ewald’sche, wie das Boas'sche Probefriihstiick werden 
vom Verf. wegen ihrer wenig appetitanregenden Bestandteile abfällig 
beurteilt; sie können, weil: sie ohne Appetitreiz genossen werden, un- 
möglich ein Bild von der Sekretionsfähigkeit der Magensäfte geben. 
Beim karzinomatösen Magen betont Verf. mit Recht die Wichtigkeit 
des Vorhandenseins von Milchsäure und dem Oppler-Boas’schen 
Bazillus, sowie das Fehlen der freien Salzsäure, er verhehlt indessen 
nicht, daß freie Salzsäure auch bei anderen Krankheiten fehlen kann, 
so bei chronischer Gastritis, vorgerückter Lungentuberkulose, Herz- 
krankheiten, Magenwandatrophie und auch, wie Verf. bei einem Falle 
beobachtete, beim Karzinom des Colon transversum. Der Wert der 
chemischen Magensaftuntersuchung ist nur eine Sicherung der Dia- 
gnose »Magenkrebs« bei positvem Ausfalle. Die Untersuchung sollte 
in allen Fällen wiederholt stattfinden. In allen Fällen sollte weiterhin, 
auch wenn die chemische Untersuchung die Diagnose nicht bestätigt, 
falls die Magensymptome nicht sehr bald schwinden, in kürzester Zeit 
die Probelaparotomie ausgeführt werden. Sie läßt nur in den aller- 
seltensten Fällen in Stich; würde zu ihr, so schließt Verf. seine be- 
merkenswerten Ausführungen, viel häufiger als bisher geschieht, die 
Zuflucht genommen, dann würden die Statistiken über die Erfolge 
der Magenkrebsoperationen anderes erzählen. 

H. Ebbinghaus (Dortmund). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 1353 


7) J. M. Flint. Über eine neue Methode zur Herstellung 
von Anastomosen am Magen-Darmtrakte. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXX. Hft. 4.) 


Als das Ideal der Anlegung einer Anastomose am Magen-Darm- 
kanal sieht es Verf. an, wenn bei der Operation der Speiseweg gar 
nicht eröffnet wird und infolgedessen gar keine Beschmutzung der 
Peritonealhöhle zustande kommen kann. Er hat zu diesem Zweck 
eine Methode ersonnen, die im wesentlichen darin besteht, daß eine 
eigens konstruierte lange Schere mit verschieden langen Drahtbranchen 
in den Darm eingeführt wird. Dieselbe durchschneidet erst nach An- 
legung sämtlicher Nähte die Darmwände und stellt so die Kommuni- 
kation her. Es kann dabei kaum etwas Darminhalt ausflieBen. An 
den beigegebenen Abbildungen wird die Methode klar ersichtlich. 
.Sie muß im Originale nachgelesen werden, da ein Referat die Einzel- 
heiten der Technik nicht erschöpfen kann. In dem Tierexperimente 
hat sich das Verfahren bewährt. Versuche am lebenden Menschen 
liegen noch nicht vor. F. hält die Methode für kürzer als alle 
anderen, mit Ausnahme der Knopfanwendung. 

E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


8) E. Jeanbran et V. Riche. L’occlusion intestinale par 
Vhiatus de Winslow; hernies internes à travers l'hiatus de 


Winslow. 
(Revue de chir. XXVL ann. Nr. 4 u. 5.) 


Die Arbeit gehört zu den interessanteren und bietet an praktisch 
wichtigen anatomisch-topographischen und klinischen Einzelheiten viel 
beherzigenswertes. Ist auch die Einklemmung von Darmschlingen im 
Hiatus Winslowi bisher selten — etwa 20mal — beobachtet worden, 
so muß sie doch dem Chirurgen geläufig und darf besonders im Fall 
eines zu diagnostizierenden oder zu operierenden Darmverschlusses ihm 
nicht fremd sein: ihre Erkennung, besonders aber die Reduktions- 
manöver können nämlich besonders schwierig sein. Von einer Hernie 
im vollen Sinne des Wortes kann nicht eigentlich gesprochen werden: 
Die Bursa ist ein präformierter Raum und ein Bruchsack besteht 
nicht. Bisher ist niemals vor der Operation die richtige Diagnose 
gestellt worden, obgleich in den ersten Stunden und Tagen ein für 
diese Form des Darmverschlusses recht charakteristisches Bild be- 
steht: eine epigastrisch gelegene ziemlich gut umschriebene Vorwölbung, 
die, wenn Kolon durch die Öffnung hinter den Magen gelangt, ober- 
halb des Nabels, wenn sichs um Dünndarm handelt, mehr in der 
Nabelgegend, um diese herum sich zieht. Doch selbst wenn der Leib 
eröffnet ist, bleibt die Diagnose schwierig. Die Entlastung der ge- 
blähten Schlingen wird oft erforderlich, und ist erschwert, weil das 
Mesenterium in der Tiefe fixiert, das Konvolut nicht vor die Wunde 
zu bringen ist. 


51** 


1354 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 


Wenn nach Ausschluß aller anderen Formen innerer Einklemmung 
schließlich die im Hiatus verschwindende Schlinge entdeckt ist, so 
entsteht die erneute schwere Aufgabe der Befreiung des oft sehr fest 
eingeschnürten, gelegentlich mit Magen und selbst Milz verwachsenen 
Darmabschnittes. Wiederholt ist sie mißlungen, oder der Darm riß ein. 
Verff. raten nun, das Lig. hepatogastr. durch den eingeführten linken 
Zeigefinger anzuspannen, vorsichtig das vordere Blatt dicht am Duo- 
denum zu spalten und nach innen vom Choledochus in einer schmalen, 
dreieckigen Lücke zwischen diesem und Vena portae stumpf einzugehen 
und von da aus das hintere Blatt nach unten abzulösen und so den 
Hiatus zu erweitern. Erst dann beginne man mit der Reduktion und 
überzeuge sich zuletzt, daß kein Darm in der Bursa zurückgeblieben. 

Damit ist natürlich der reiche Inhalt der Abhandlung noch nicht 
erschöpft, die es verdient, gelesen zu werden. Christel (Metz). 





9) C. Schlatter. Über die Darmfunktion nach ausgedehnten 


Dünndarmresektionen. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLIX. p. 1.) 

Eine Literaturzusammenstellung mit 20 Fällen von Dünndarm- 
resektionen von über 2 m Länge zeigt, daß die obere Grenze für die 
Zulässigkeit der Darmausschaltung beim Menschen außerordentlich 
schwankt, indem manchmal erstaunliche Kürzungen auffallend gut 
ertragen, in anderen Fällen kleinere Resektionen mit schwersten Er- 
nährungsstörungen beantwortet werden. 

Eine untere Grenzzone der Resektionen, bei der Verdauungs- 
störungen nicht zu erwarten sind, auf 2 m oder !/; der Darmlänge zu 
normieren, scheitert schon daran, daß nicht die Länge des wegfallen- 
den, sondern des zurückbleibenden Darmteiles von Bedeutung und 
dessen Messung ausgeschlossen ist. Zwei eigene Fälle des Verf.s mit 
7- und 2jähriger Beobachtungszeit, bei denen Dünndarmresektionen 
von 2 resp. 1,5 m ausgeführt waren, lehren, daß das Ausbleiben von 
Ernährungs- und Darmstörungen an sorgfältige Auswahl und reich- 
liche Zufuhr von Nahrung einerseits, eine gewisse Verringerung der 
Kraftausgabe andererseits gebunden ist. Ä 

Genaue Stoffwechsel- und Kotuntersuchungen ergaben insbesondere, 
daB die Eiweiß- und Fettverluste bei reichlicher und angepaßter Nah- 
rung abnorm hohe sind. Während bei dem einen Pat. mit 2m Darm- 
resektion durch geeignete Ernährung sich eine volle Kompensation und 
gute Arbeitsfähigkeit erzielen ließ, bedurfte es bei der zweiten Pat. 
mit nur 1!/, m Darmausschaltung enormer Nahrungsmengen und weit- 
gehendster körperlicher Schonung, um das Stoffwechselgleichgewicht 
zu erhalten. Den Grund für die funktionellen Darmstörungen in 
letzterem Falle sieht Verf. in einer durch ausgedehnte peritonitische 
Verwachsungen bedingten Verminderung der Resorptionsfähigkeit des 
Darmrohres. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 1355 


Aus diesen Beobachtungen folgt, daß allgemein gültige Normen 
für die Grenzwerte erlaubter Darmkürzungen sich nicht aufstellen 
lassen, und ein Begutachter sich mit einem günstigen Entlassungs- 
befund nicht begnügen darf, sondern die für die Kompensation not- 
wendigen Bedingungen individuell prüfen und sehr in Rechnung stellen 
muß. Reich (Tübingen). 





10) E. A. Pölya. Versuche zur Vereinigung des Dünndarmes 


mittels einfacher Unterbindung. 
(Budapesti Orvosi Ujsäg 1906. Nr. 3. [Ungarisch.)) 

Die von Travers aufgeworfene und neuerdings von Duplay- 
Assaki und Duplay-Cazine gemachten Versuche, die ineinander 
invaginierten Darmstümpfe über einen Ring abzubinden, wiederholte 
P. an neun Hunden. In fünf Fällen wurde Heilung erreicht; vier 
Todesfälle, zweimal nach Abgang des Ringes infolge von Spätperfo- 
ration (6—8 Tage nach der Operation); einmal ging die Naht am 
2. Tage vollständig auseinander, einmal verursachte die Perforation 
eines Bauchwandabszesses ins Peritoneum den Tod; Ring an der Ver- 
einigungstelle, Naht reaktionslos, hält augenscheinlich, doch löst sie 
sich schon beim leichten Zug. Auch in den geheilten Fällen starke 
peritoneale Verwachsungen um die Nahtstelle. 

Somit scheint es, daB bei diesem Vorgehen das Durchschneiden 
des Unterbindungsfadens und die AbstoBung desselben in einer Zeit 
erfolgen, wo die Serosaflächen noch nicht mit hinlänglicher Sicherheit 
zusammengeklebt sind, und demzufolge ist das Verfahren immer un- 
sicher und gefahrvoll, wenn auch in einigen glücklichen Fällen Hei- 
lung erzielt werden kann. P. Steiner (Budapest). 





11) E. A. Pölya. Versuche mit der Jobert’schen Invagi- 
nation und Demesenterisation zur Vereinfachung der Darm- 
nähte. 

(Magyar Orvosi archivum Bd. VII. Hft. 4. [Ungarisch.)) 

Verf. suchte in einer Reihe von Tierversuchen (Hunde) fest- 
zustellen, ob die Jobert’sche Darmnaht, die im Anfang der 80er 
Jahre, in einer Zeit, wo man den Wert einer Darmnahtmethode noch 
nicht vollständig beurteilen konnte, und die aprioristisch doch gewisse 
Vorteile (Zeitersparnis) zu gewähren scheint, nicht mit einigen, der 
heutigen Technik entsprechenden Modifikationen anwendbar wäre. 
9 Dünndarm-, 3 Dickdarmresektionen mit zirkulärer Vereinigung, 
3 laterale Ileokolostomien und 4 Y-förmige Gastroenterostomien wur- 
den nach dieser Methode ausgeführt. 

Die Experimente zeigten, daß bei der zirkulären Vereinigung nur 
beim Dickdarm eine Wegbehinderung zu befürchten ist, beim Dünn- 
darm kommt dies nie vor; Gangrän der Nahtstelle ist auch zu ver- 
meiden, wenn man die Demesenterisation vorsichtig und nur am in- 
vaginierten Darmstumpfe vornimmt und die Gefäße des Mesenterium 


a 


1356 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 


(die beim Hunde allerdings sehr ungünstig knapp am Darme verlaufen), 
bei der Naht des Mesenterialspaltes hinlänglich schont. Die Todes- 
fälle nach Dünndarmresektionen (5) können eher technischen Fehlern 
(zweimal Umstechung der Mesenterialgefäße während Vernähung des 
Mesenterialspaltes, dreimal durch unzulängliche oder zu tief geführte 
Nähte hervorgerufene kleine Perforationen) als der Methode zugeschrie- 
ben werden; doch scheint diese nicht dieselben Sicherheiten zu ge- 
währen, wie die zweireihige Naht. — Anders ist es mit den lateralen 
Einpflanzungen; hier wurde nie eine Nahtinsuffizienz beobachtet, und 
die Methode — zu diesem Zweck übrigens schon von Adelmann- 
Haken, Senn und Jesset empfohlen — ermöglicht eine große 
Schnelligkeit in der Ausführung. P. Steiner (Budapest). 





12) Connell. Capillarity in intestinal sutures. 
(Journ. of the amer. med. assoc. 1906. August 11.) 

Versuche, welche die Gefahrlosigkeit der in das Darminnere ein- 
dringenden Nähte beweisen sollen. Gedrehte und geflochtene Seiden- 
und Leinenfäden, Pagenstecher’sches Nahtmaterial und Catgut wur- 
den untersucht durch Eintauchen eines Endes in Methylenblaulösung. 
Dann wurden Versuche am Darme des lebenden Tieres gemacht, in- 
dem ein Teil des Darmes zweiseitig abgeklemmt wurde und durch 
diesen die verschiedenen zn untersuchenden Fäden durchzogen wurden, 
so daß ein Stück im Darminnern lag und die freien Enden aus den 
Stichkanälen hervorsahen. Der abgeschlossene Teil der Darmlichtung 
wurde mit Methylenlösung gefüllt, die Fäden bis zu 2 Stunden liegen 
gelassen. Die Ergebnisse lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: 
1) Gedrehte Seide ist stärker kapillär als geflochtene; je dicker der 
Faden, desto stärkere Wirkung. 2) Gespannte Fäden haben geringere 
Kapillarität als lose hängende. Knoten im Faden bilden ein gewisses 
Hindernis für aufsteigende Flüssigkeit. 3) Feuchte Fäden saugen 
stärker als trockene. 4) Durch die Darmwand durchgezogene Fäden, 
selbst wenn sie von sonst stark kapillärem Materiale sind, drainieren 
Flüssigkeit aus dem Darminnern nicht nach außen, wenigstens nicht 
während der Zeit von 2 Stunden. 5) Daher ist die Naht, welche alle 
Schichten des Darmes durchdringt, nicht so gefährlich, wie bisher an- 
genommen, wie auch die praktische Erfahrung schon gezeigt hat. 
Trapp (Bückeburg). 





13) M. Gil. Appendicostomia. 
(Revista de med. y cir. pract. de Madrid 1906. Nr. 942.) 

G. empfiehlt in seiner ausführlich geschriebenen Arbeit die von 
R. W. Weir vor einigen Jahren angegebene Operation der Appen- 
dicostomie als Ersatzoperation für die kompliziertere Kolostomie. Die 
Operation besteht in einem nach Wahl anzulegenden etwa 4 cm langen 
Haut-Muskelschnitt, Eröffnung des Bauchfelles, Hervorziehen des Wurm- 
fortsatzes, Einnähung desselben in die Hautwunde unter gleichzeitiger 


Zentralblatt für Chirurgie Nr. 51. 1357 


Fixation des Peritoneums und Abtragung des Wurms ca. 1 cm ober- 
halb des Austrittes aus der Hautwunde. — Bei nicht eiligen Fällen 
kann an Stelle der Einnähung des 
Wurms zunächst nur dessen Be- 
festigung mit Hilfe von zwei Sicher- 
heitsnadeln vorgenommen werden (s. 
Figur). 

Folgende Indikationen werden 
für die Operation aufgestellt: 

1) Behandlung gewisser Erkran- 
kungen des Dünn- und Dickdarmes 
durch Irrigationen. 

2) Bekämpfung eines gefährliche 
Grade annehmenden Meteorismus. 
3) Künstliche Ernährung. 

G. hält es für möglich, nach 
Dehnung des Wurmfortsatzstumpfes die Innenwandung des Blinddarmes 
mit Hilfe eines Spekulums dem Auge zugänglich zu machen. 

Die Durchspülung des Ilium soll durch eine die Ileocoecalklappe 
passierende Gummisonde erfolgen; — in gleicher Weise soll in dazu 
geeigneten Fällen die künstliche Ernährung vorgenommen werden, die 
oft vom Mastdarm aus sehr schlechte Resultate liefert. Im Gegensatze 
zu den früheren Operationen wird besonders auf die leichte Heilbar- 
keit der Operationswunde sowie den Umstand hingewiesen, daß die 
Kranken infolge des ständigen ventilartigen Verschlusses der Darm- 
wunde sich weder beschmutzen, noch einen üblen Geruch verbreiten. 

Stein (Wiesbaden). 








14) J. Babes. Erfahrungen über einzeitige Resektion von 
Coecal- und Kolontumoren. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXX. Hft. 4.) 


Für die Dickdarmgeschwülste hat sich mit Recht das Verfahren 
der Operation in mehreren Zeiten eingebürgert. Doch gibt es eine 
Reihe von Fällen, die nach B.’s Ansicht durchaus das einzeitige Ent- 
fernen der Geschwulst erlauben. Stenosenerscheinungen geben keine 
Kontraindikation. Wenn der Allgemeinzustand gut, das Herz leistungs- 
fähig ist und bei der Operation die Geschwulst gut mobilisierbar er- 
scheint, kann man sich ruhig zur einzeitigen Exstirpation entschließen. 
Seine guten Erfolge schreibt Verf. in erster Linie der Art der von 
ihm angewandten Narkose zu. Er gibt vor der Operation 0,015 Mor- 
phium subkutan. Die Eröffnung der Bauchhöhle geschieht unter 
lokaler Anästhesie bis auf das Peritoneum parietale. Die Spaltung 
des letzteren und die Orientierung im Bauchraume findet unter kurzem 
Atherrausche statt. Die übrige Operation erfolgt dann bei Bewußt- 
sein des Pat. bis zur Bauchdeckennaht, die noch mit einigen Schleich- 
spritzen beendet wird. 


1358 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 


Technisch wird so verfahren, daß nach möglichst ausgedehnter 
Resektion die Enden mit dem Enterotrib gequetscht und blind ver- 
schlossen werden. Dann wird eine seitliche Anastomose hergestellt, 
event. unter Mobilisierung der fixen Flexuren. Die letztere geschieht 
durch bogenförmige Spaltung des Peritoneum parietale und stumpfes 
Abschieben des betreffenden Darmteiles. Bei Resektion zu großer 
Darmabschnitte wird die Vereinigung durch Deokolostomie bewirkt. 
Doppelkarzinome kommen hier und da einmal am Dickdarme vor. Sie 
sollen ebenfalls in einer Sitzung entfernt werden. Von seinen zehn 
einzeitigen Resektionen hat Verf. keine verloren. Die Fälle, in denen 
er nur palliative Eingriffe ausführen konnte, boten wenig erfreuliche 
Erfolge. E. Siegel (Frankfurt a. M.). 
15) F. Brüning. Ein Beitrag zur Diagnose und Operation 

der hochsitzenden Mastdarmkarzinome. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVIIL. p. 617.) _ 

Mitteilung eines Falles von einem dicht oberhalb des Uberganges 
von Colon descendens in die Flex. sigmoidea sitzenden, stenosierenden 
Karzinom, dessen Diagnose bei negativem Tuschierbefund erst durch 
die Rektoskopie sichergestellt werden konnte. 

Verf. nimmt AnlaB, die Rekto-Romanoskopie nach Strauss gerade 
zur Frühdiagnose hochsitzender Mastdarmkrebse wärmstens zu emp- 
fehlen. 

Von den für die Operation in Betracht kommenden kombinierten 
Methoden gibt Verf. dem Kraske’schen abdominosakralen Vorgehen 
den Vorzug, da es zumal bei rechtzeitiger Operation keine größere 
Sterblichkeit (ca. 52%) als die anderen Methoden aufweist, dabei aber 
die funktionell besten Resultate liefert. So erfolgte auch im mit- 
geteilten Falle Heilung mit Kontinenz. 

In technischer Hinsicht gebührt dem medianen Bauchschnitte der 
Vorzug vor seitlichen Schräg- oder Querschnitten mit Durchtrennung 
des Rectus, da er nicht nur sehr gute Übersicht und Zugänglichkeit 
verschafft, sondern auch eher das Auftreten von Narbenbrüchen ver- 
hindert. Die Eröffnung der Douglas’schen Falte läßt sich auf ab- 
dominalem Wege leichter und sicherer ausführen als von unten. Die 
Abbindungen des Mesosigmoideum sollen 2cm vom Darmansatz ent- 
fernt bleiben zur Schonung der anastomosierenden Randgefäße. 

Verunreinigung des Operationsgebietes wird am besten vermieden, 
wenn man sowohl bei kombiniertem als rein sakralem Vorgehen die 
Resektion erst nach vollkommener Mobilisierung und Vorziehung der 
Geschwulst sowie nach doppelter Unterbindung des Darmes mit Gaze- 
streifen vornimmt. Auf abdominale Drainage sollte man meist ver- 
zichten. 

Während bisher die kombinierte Kraske’sche Methode nur für 
die Karzinome gewählt wurde, deren untere Grenze sich nicht mehr 
oder kaum von unten erreichen läßt, glaubt Verf., daß man bei aus- 
gebildeter Technik die Grenzen der abdominosakralen Resektion nach 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 1359 


unten verriicken solle, weil auf abdominellem Wege die sicherste und 
ausgiebigste Mobilisierung möglich und damit eine Darmgangrän am 
ehesten zu vermeiden sei, und weiterhin bei diesem Vorgehen sich 
auch die erkrankten Lymphdrüsen in ausgedehntem Maße entfernen 
lassen. Reich (Tübingen). 


Kleinere Mitteilungen. 
(Aus dem allgemeinen Krankenhause zu Drohobycz.) 


Benzin-Jodcatgut. 
Von 
Dr. Mindes. 


Bezugnehmend auf den in Nr. 45 d. Bl. erschienenen Aufsatz über Jodcatgut- 
präparation mittels Chloroform-Jodtinktur von Dr. Burmeister, möchte 
ich die Art der Catgutpräparation bekannt geben, wie sie Dr. Koztowski seit 
3 Monaten in unserem Spital eingeführt hat. 

Kozłowski verwendet Catgut, welches in 1%ige Benzin-Jodlösung gelegt 
war. Die einzelnen Rohcatgutfäden werden auf kurze Glasröhrchen gewickelt und 
in weißes Filtrierpapier gehüllt, welches mit einem Faden umbunden wird. Eine 
beliebige Anzahl solcher Wickel kommt in einen weiten, mit einer 1% igen Benzin- 
Jodlösung gefüllten Glasbehälter, aus welchem sie nach 2tägigem Liegen in einen 
zweiten mit frischer, 1%iger Benzin-Jodlösung gefüllten Glasbehälter gelegt werden. 
Nach 2-3 Tagen werden sie herausgenommen und in ein leeres Glasgefäß ge- 

eben. 
3 Nach der Entnahme aus der Lösung wird das Catgut infolge der Verdunstung 
des Benzins sehr rasch trocken, hat eine tiefdunkle Farbe, ist geradezu unzerreiß- 
lich, quillt im Gewebe nicht auf und ist in hohem Grad antiseptisch. Da es ständig 
in dem mit Jod getränkten Filtrierpapier liegt, bleibt es immer trocken und asep- 
tisch, ja sogar immer antiseptisch wegen seines Gehaltes an kristallinischem Jod. 

Die leitende Idee bei beiden Arten der Präparation ist wohl dieselbe, dagegen 
hat die Benzin-Jod- gegenüber der Chloroform-Jodlösung den Vorzug der Billigkeit. 


16) Freie Vereinigung der Chirurgen Berlins. 


Außerordentliche Sitzung am 23. Oktober 1906 in der Heilanstalt des Herrn 
Immelmann. 


Vorsitzender: Herr Israël. 


1) Herr Immelmann: a. Osteoarthritis deformans coxae 
Krankenvorstellung. 

Die Erkrankung ist äußerst selten beobachtet. In der Literatur finden sich 
nur sechs Fälle beschrieben. Die Diagnose ist nur mittels Röntgenstrahlen zu 
stellen. Der Kopf nimmt eine spitz ausgezogene Form an. Die Pfanne erweitert 
und vertieft sich bedeutend, so daß es zur Pfannenwanderung kommt. Prognose: 
quoad restitutionem ungünstig. Therapie: Bäder, Massage, Gymnastik, Hessing- 
scher Schienenhülsenapparat. Im äußersten Notfalle Resektion des Schenkelkopfes. 
Vorstellung zweier Pat. 

b. Ischias scoliotica. Pat. leidet an linksseitiger Ischias mit linksseitiger 
Lenden- und rechtsseitiger Rückenskoliose. I. schließt sich der mechanischen Theorie 
über die Entstehung dieser Skoliose an; er hat in subakuten Fällen oft das Hes- 
sing’sche Stützkorsett in Verbindung mit mediko-mechanischer Behandlung mit 


1360 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 


Erfolg angewandt; in akuten Fällen rät I, den Pat. in der Stellung einzugipsen, 
in der er die wenigsten Schmerzen hat. 


2) Derselbe: Die Behandlung von Gelenksteifigkeiten mit Bier- 
schen Saugapparaten. Bisher sind Apparate für Hand-, Ellbogen-, Fuß- und 
Kniegelenk konstruiert. Bei akut erkrankten Gelenken beschränkt man sich am 
besten darauf, Hyperämie in den betreffenden erkrankten Organen hervorzurufen. 
Bei allen chronischen Fällen benutzt man die Apparate, um Streckung resp. Beu- 
gung der Gelenke hervorzurufen. Die Wirkung ist eine ganz enorme. Demonstra- 
tion der betreffenden Apparate während der Anwendung bei Pat. 


3) Herr Jaquet: a. Über die Köhler’sohe Verbesserung der Röntgen- 
technik bei sehr starken Pat. J. demonstriert ein von Alban Köhler in 
Wiesbaden angegebenes Verfahren zur Erzielung brauchbarer Röntgenbilder bei 
übermäßig starken Personen. Es werden zu diesem Zwecke statt einer Platte zwei, 
die mit den Schichtseiten zusammengelegt werden, genommen. Die nicht belich- 
teten, hellen Partien bleiben hell, während die belichteten, dunklen Teile der 
Platten doppelt dunkel erscheinen. Die Negative werden so viel differenzierter. 


b. Plastische Röntgenbilder und deren Anfertigung. J. beschreibt 
das Verfahren zur Erzielung plastischer Röntgenbilder. Es wird von dem Negativ 
ein Diapositiv gemacht und dann werden beide Platten mit den Schichtseiten nach 
außen zusammengelegt. Das Diapositiv bewirkt, leicht verschoben, als diffuser 
Schatten die Plastik des Negativs. Um hiervon Positive zu machen, fertigt man 
sich erst eine sog. »>plastische Kopierplatte« an, von der beliebig viele Abzüge 
gemacht werden können. 


4) Herr Immelmann: a. Orthophotographie der Aneurysmen und 
Mediastinaltumoren. I. demonstriert die von seinem technischen Assistenten, 
Herrn Lepper, erfundene Methode, mittels des Orthodiagraphen die Aneurysmen 
und Mediastinaltumoren in natürlicher Größe zu photographieren. Vergleichende 
Bilder zeigen ein Aortenaneurysma, nach der alten Methode photographiert, sowie 
dessen Orthodiagramm und Orthophotogramm. 


b. Projektionvon 20 ausgewählten Röntgenbildern aus der Ohir- 
urgie. Neben den Réntgenbildern der beiden an Osteoarthritis leidenden Pat. 
werden noch drei von I. früher beobachtete gleichartige Fälle projiziert. Weiter- 
hin werden Bilder von Knochennaht bei veralteten Fällen von Pseudarthrose, die 
verschiedene Durchlässigkeit der Nieren-, Harnleiter-, Blasen- und Gallensteine u.a.m. 
vorgeführt. 

c. Demonstration der neuen von Lepper konstruierten Spalt- 
blende, deren Wesen darin besteht, daß zwischen Röntgenröhre und Pat. eine 
in Länge und Breite verstellbare Spaltblende durch einen kleinen Motor während 
der Aufnahme in horizontaler Richtung hin und her bewegt wird, wodurch die 
sekundäre Strahlung fast ganz vermieden wird. Der Wert dieser Blende liegt 
hauptsächlich darin, daß wir jetzt Übersichtsaufnahmen großer Körperteile von 
ganz bedeutender Schärfe machen können. Sie wird von der Firma Gebrüder 
Loewenstein, Berlin, angefertigt. 


17) Baudoin. Essai critique sur la stérilisation du matériel chirurgical. 
Thèse de Paris, &. Steinheil, 1906. 


Verf. hat sich der Mühe unterzogen, sämtliche bisher empfohlenen Sterilisations- 
methoden einer eingehenden Nachprüfung zu unterziehen. Die Antiseptika sind 
in ihrer Wirkung fast alle unzuverlässig mit Ausnahme des Sublimats von 10/. 
Demnach will B. die Antiseptika zur Sterilisation nur dann angewendet wissen, 
wenn aus äußeren Gründen eine aseptische Behandlung nicht möglich ist. Zur 
Sterilisation der Instrumente hat sich am wirksamsten das übliche 20 Minuten 
währende Auskochen in 2xiger Sodalösung erwiesen, entgegen der Sterilisation 
mittels trookener Hitze, im Autoklaven usw. 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 1361 


Die Sterilisation der Kompressen usw. im Schimmelbusch bei 100° hält B. 
nicht für ausreichend, vielmehr muß dieselbe im Autoklaven unter starker Span- 
nung vorgenommen werden. Eine vorzügliche Methode ist auch die der Sterilisa- 
tion in 9Oxigen Alkoholdämpfen von 120° während einer Stunde, jedoch sind die 
Kosten sehr hoch. Metalldraht, Fil de Florence und Seide werden ebenfalls am 
sichersten im Autoklaven sterilisiert. 

Die größte Schwierigkeit bietet es, ein absolut keimfreies und dabei zugfestes 
Catgut zu erlangen. Im allgemeinen ist die Sterilisation mittels Antisepticis un- 
zuverlässig; allein in Betracht kommt beim Catgut die Methode nach Claudius 
(Jod-Jodkalilösung). Wie Verf. gezeigt hat, ist die bakterizide Wirkung eines Anti- 
septikums bei gleicher Konzentration nicht gleichmäßig, da die Spezies und die 
Vitalität der Bakterien hierbei eine große Rolle spielen; wenn die angestellten 
Versuche mit Jod-Jodkali auch günstig ausfielen, so glaubt B. doch, mit Rücksicht 
auf die erwähnte Inkonstanz, es nicht verwenden zu sollen. Die Sterilisation in 
trockener Luft bei 140° und 2stündiger Dauer gibt ebenfalls gute Resultate; jedoch 
ist dabei zu beachten, daß, wie bei jeder Sterilisation im Trockenschranke, die 
Temperatur nicht überall gleichmäßig ist, und daß an den Stellen, wo eine Über- 
hitzung stattgefunden hat, das Catgut brüchig wird. 

Setzt man Catgut, welches sich in einer wasserfreien Flüssigkeit, wie Alcohol 
absolutus, Azeton, Chloroform, Xylol, Benzin, befindet, einer Temperatur von 120° 
1 Stunde lang aus, nachdem man den Faden vorher mit Bacillus subtilis infiziert 
hat, so läßt sich jedesmal auf der mit dem Faden beschickten Platte eine Kultur 
beobachten. Daß die wasserfreien Flüssigkeiten selbst bei hohem Druck und Tem- 
peratur in das Zentrum des Fadens eindringen, läßt sich leicht demonstrieren, in- 
dem man die Flüssigkeit färbt. Es zeigt sich dann, daß beim Durchschneiden des 
Fadens nur die Oberfläche gefärbt ist, während das Zentrum seine ursprüngliche 
Farbe behalten hat. 

Die Sterilisation im Autoklaven ist wegen des Aufquellens des Materiales 
nicht möglich. 

B. beschreibt unter dem Namen Tyndallisation ein Verfahren, welches vorzüg- 
liche Resultate gibt. Dasselbe ist folgendes: Das Catgut wird in Röhrchen getan, 
welche mit 90%igem Alkohol gefüllt sind, und verschlossen. Die Röhrchen werden 
10 Stunden täglich in einen Paraftinofen gelegt, welcher auf 60° eingestellt ist. 
Nach vielen Kontrollversuchen hat B. herausgefunden, daß nach 3 Tagen (täglich 
10 Stunden) das Catgut vollkommen steril ist. Bei einer Temperatur von 120° in 
absolutem Alkohol erhitztes Catgut war niemals steril. Verf. erklärt sich dieses 
auffallende Resultat damit, daß es sich um eine Kombination von Wasser und 
Hitze handelt, insofern als die Hitze nur dann wirksam ist, wenn die Flüssigkeit, 
in welcher sich das Catgut während des Erhitzungsprozesses befindet, eine gewisse 
Wassermenge enthält. Als einfaches und sicheres Verfahren empfiehlt B. demnach 
diese Methode dringend. 

Gefäße, Lösungen usw. werden am besten im Autoklaven sterilisiert. 

Gummihandschuhe werden ebenfalls im Autoklaven keimfrei gemacht; nach B. 
dringt jedoch der Dampf nicht genügend in das Innere der Finger ein, und man 
hat somit nur äußerlich sterile Handschuhfinger. Um eine sichere Sterilisation zu 
erzielen, steckt B. in jeden Finger ein Stück Gummidrain, wodurch bewirkt wird, 
daß der Dampf überall eindringt. Levy (Wiesbaden). 


18) Bartlett. Five years experience with an original filigree intendet 
to prevent and to cure abdominal herniae. 
(Journ. of the amer. med. assoc. 1906. September 8.) 

Durch Versuche an Hunden stellte B. fest, daß Drahtnetze (Silberdraht) sehr 
gut einheilen und der Bauchwand die frühere Festigkeit verleihen. Die Seitenteile 
des Netzes brauchen nicht tief unter die Wundränder zu reichen. Ee ist zweck- 
mäßig, fertige Drahtnetze vorrätig zu halten und sie nicht erst durch Einziehen 
von Drähten in der Wunde zu bilden. B.’s Netze bestehen aus einem Mitteldraht, 
von dem seitliche Schlingen ausgehen (s. Fig). Der Mitteldraht kommt in die 


1362 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 


Nahtrichtung zu liegen, das Netz wird durch zwei Nähte an den Enden befestigt. 
B. verwandte es mit Erfolg bei Hernien aller Art, bei Bauchwunden nach Drainage, 
prophylaktisch und in solchen Fällen, bei denen ein Bauchbruch zu erwarten war. 





Während 5 Jahren hat er 22 Fälle so behandelt und die Erfahrung gemacht, daß 
das Drahtnetz weder bei Schwangerschaft noch beim Wachstum irgendwie hinderlich 
ist. Eine Anzahl Krankengeschichten ist ausführlich mitgeteilt. 

Trapp (Bückeburg). 


19) W. Jepson. Drainage of the pelvic cavity of the male (in peri- 
tonitis). 
(Amer. journ. of surg. 1906. Oktober.) 

Verf. hat in 19 Fällen von Peritonitis mit Beckenexsudat, meist nach Appendi- 
citis, außer dem vorderen oder ileo-coecalen Schnitt eine perineale Drainage an- 
gewandt, indem er mit der linken Hand in den Douglas ging und mit der rechten 
Hand eine Inzision !/, Zoll nach innen vom Tuber ischii in die Tiefe bis durch 
den Levator ani machte und dann mit einer Kornzange bis zur Bauchhöhle durch- 
drang zwischen Blase und Ductus deferens, oberhalb und nach innen von letzterem, 
gerade an der Stelle, wo es von der Beckenwand auf die hintere und seitliche 
Blasenwand übergeht. Nur drei Pat. starben; bei einem dieser zeigte sich am 
5. Tage nach der Operation Urin im Eiter. Das Phänomen führt Verf. auf Harn- 
leiterarrodierung durch Drucknekrose zurück (keine Autopsie). 

Goebel (Breslau). 


20) G. Woolsey. Observations on the diagnosis and treatment of 
typhoid perforation. 


(Med. and surg. report of the Presbyterian Hospital in the city of New York 
Vol. VII. 1906. Marz.) 


Verf. tritt warm für die operative Behandlung der Typhusperforation ein: 
Sieben Fälle hat er selbst operiert, zehn weitere finden sich in den Annalen des 
Hospitals. Bei diesen 17 Fällen, die übersichtlich in einer Tabelle zusammen- 
gestellt sind, trat die Perforation im Mittel am 27. Tage, am frühesten am 10., 
am spätesten am 66. ein. Man ist geneigt anzunehmen, daß die Perforation wahr- 
scheinlich in schweren Fällen, bei den mit Meteorismus und Hämorrhagie ver- 
bundenen und endlich bei Typhus ambulatorius ist. Das stimmt nicht; nur 4mal 
fand sich vorher Hämorrhagie und nur Imal Meteorismus, so daß also die meisten 
Fälle typischen und nicht abnorm schweren Typhus betrafen. 

Das wesentliche Symptom ist der plötzliche intensive Bauchschmerz;; er war 
15mal vorhanden; dazu einmal in geringer Intensität. Meist ist er in der unteren 
Hälfte rechts lokalisiert. Das zweite Symptom ist Empfindlichkeit (Tenderness) 
und Rigidität (Muskelspannung). Aber diese weisen schon fast auf konsekutive 
Peritonitis hin; es sollte also vor ihrem Auftreten operiert werden. Erstere fand 
sich 7mal als Früh-, 5mal als späteres Symptom, Rigidität nur 4mal im Anfang 
entwickelte sich aber 9mal kurz vor der Operation. Erbrechen war 4mal, Meteo- 
rismus 2mal als Initialsymptom vorhanden. Initialer Temperaturabfall fehlte stets; 
frühzeitiger Collaps ist mehr ein Zeichen von Hämorrhagie als Perforation. Unter 
den späteren (Peritonitis-) Symptomen fand sich Meteorismus 13mal, Flanken- 
dämpfung 4mal, Fehlen der Abdominalatmung und der Leberdämpfung je 5ma 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 1363 


Die Leukocytenzählung ergab wenig Anhaltspunkte. Anstieg von Temperatur, 
Puls und Respiration war die Regel, man soll aber operieren, ehe dieser erfolgt. 

»Wir brauchen nichts, als den charakteristischen Schmerz, Empfindlichkeit 
einer bestimmten Stelle und Muskelspannung zur Indikation sofortiger Operation, 
und wir brauchen auf die beiden letzten Symptome nicht zu warten, bevor wir 
zu einer Explorativoperation schreiten!« 

Verf. bevorzugt Allgemeinnarkose, er macht den Schnitt durch den rechten 
Rectus und spült mit reichlicher heißer Kochsalzlösung aus. Drainage am besten 
mit Zigarettendrain nach Übernähen der perforierten Stelle. Gegen die Anlegung 
eines Kunstafters ist W. wegen der Operationsverlingerung. Das Bett soll am 
Kopfende erhöht werden. 

Von den I? Fällen kamen 4 = 23,5% durch; von Verf.s eignen sechs Hospital- 
fällen zwei; sein erster Pat. starb ihm auf dem Operationstische. Die Operation 
wurde 2—50 Stunden, im Durchschnitt 10,3 Stunden nach dem Durchbruche vor- 
genommen; leider wird nicht angegeben, ob die geheilten Fälle besonders früh 
operiert sind. Jedenfalls waren diese aber sämtlich im jugendlichen Alter von 
9—13, 17 und 23 Jahren. 

Ausführlich teilt Verf. endlich einen Fall von Perforation der Flexura sig- 
moidea mit, die nach Absuchen des Ileum von einem Medianschnitt aus aller- 
dings gefunden wurde, aber doch nach 18 Stunden zum Tode der Pat. führte. 
Nach Harte und Ashhurst kamen von 190 Typhusperforationen nur sieben auf 
den Dickdarm und von diesen nur einer auf die Flexur. Goebel (Breslau). 


21) Czarnik. Zwei Fälle von Darmperforation im Verlaufe von Darm- 
typhus bei Kindern. 
(Lwowski Tygodnik lekarski 1906. Nr. 40 u. 41.) 

Verf. beschreibt zwei Fälle von Darmperforation, welche Prof. Schram im 
Sophien-Kinderhospital operierte. Bei einem 6jährigen Knaben mit peritonealen 
Erscheinungen wurde die Perforationsstelle trotz Laparotomie während des Lebens 
nicht gefunden, erst bei der Autopsie. Es ist daher nicht ausgeschlossen, daß die 
Perforation erst nachträglich erfolgte. Bei einem 9 Jahre alten Mädchen wurde 
bei der Operation ein 3—4 mm im Durchmesser betragendes Loch im Dünndarme 
mittels Naht vereinigt. Das Kind starb einige Stunden später. 

Verf. sammelte 45 operierte Fälle von Darmperforation bei Kindern im Ver- 
laufe von Darmtyphus mit 22 Todesfällen = 48,8%. Diese Erfolge sprechen zu- 
gunsten der Operation. Bogdanik (Krakau). 


22) Ingbert. Inguinal hernia of the bladder. 
(Journ. of the amer. med. assoc. 1906. August 4.) 

Bei einem 60jährigen Farmer, der schon längere Jahre einen Leistenbruch 
hatte, trat allmählich Irreponibilität desselben ein. Der Bruch machte nur wenig 
Beschwerden, die hauptsächlich beim Urinlassen auftraten. Bei der Operation fand 
sich in dem sehr weiten Leistenkanal ein hühnereigroßes, sehr hartes Gebilde, von 
dem der Bruchsack sich nur schwer abschälen ließ und dessen zentrales Ende im 
inneren Leistenringe scharf eingeschnürt war. Nach Bloßlegung war die Oberfläche 
rauh, zeigte kräftige Muskelzüge; nach Trennung des einklemmenden Ringes 
konnte man den Zusammenhang mit der Blase feststellen. Der eingeklemmt 
gewesene Teil zeigte starke Stauungserscheinungen, wurde aber reponiert und die 
Operation nach Bassini beendet. Die Heilung war durch Eiterung teilweise 
gestört, ergab aber befriedigendes Endergebnis. Irgendwelche Blasenstörungen 
traten nicht auf. Trapp (Bückeburg). 


23) R. Kraus. Uber die Dauerresultate der Omphalektomie bei 
Nabelbriichen. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. L. Hft. 1.) 
Verf. unterzog in der v. Bruns’schen Klinik 22 vor mindestens Jahresfrist 
nach Condamin-Bruns mit Omphalektomie operierte Fälle von Nabelbrüchen 
einer Nachuntersuchung. 


1364 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 


Bei den an 5 Männern und 17 Weibern vorgenommenen Operationen wurde, 
abgesehen von einem älteren, durchgreifend genähten Fall durchweg die drei- 
schichtige Etagennaht ausgeführt, und zwar früher mit Catgut und Silberdraht, 
neuerdings mit Seide und Zwirn. Die Heilung erfolgte stets per primam inten- 
tionem; nur zwei leichte Störungen durch Fettnekrose waren‘zu verzeichnen. Von 
22 Fällen blieben 13 (= 59%) 1—13 Jahre lang rezidivfrei. Die 9 Rezidive be- 
trafen durchweg fettleibige Personen. Von 4 Frauen, die sämtlich nach der Ope- 
ration, zum Teil kurz nachher, geboren hatten, trat bei 3 wiederum ein Nabel- 
bruch auf. 

In den Rezidivfällen war die versenkte Naht 3mal mit Catgut, 4mal mit 
Silberdraht, imal mit Zwirn ausgeführt. Die Silberdrahtnaht ist daher seit län- 
gerer Zeit aufgegeben. Auffallend erscheint, daß Rezidive ebenso oft nach kleinen 
wie nach großen Nabelbrüchen erfolgten. 

Von 10 Pat., die nach der Operation Leibbinden trugen, bekamen 5 ein Re- 
zidiv, von 12 ohne Bandage nur 4; es ist demnach ein wirksamer Narbenschutz 
durch Bandagen nicht garantiert. 

Die Condamin-Bruns’sche Methode der Radikaloperation der Nabelbrüche 
liefert mit ihrer einfachen Technik und ihren guten Heilungsverhältnissen Dauer- 
resultate, welche hinter denen komplizierterer Methoden nicht zurückstehen, und 
verdient daher allgemeine Beachtung. Reich (Tübingen). 


24) Vayhinger. Zur Operation inkarzerierter Zwerchfellhernien. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. L. Hft. 1.) 


Verf. fand in der Literatur 77 Fälle von operierten Zwerchfellbrüchen, und 
zwar 52 freie, 25 eingeklemmte Brüche. Unter den 25 bei Einklemmung von 
Zwerchfellbrüchen unternommenen Operationen wurde der Bruch nur in 17 Fällen 
erkannt und als direktes Operationsziel in Angriff genommen, und zwar bei sechs 
Fällen mit Ausgang in Heilung. 

Diese Statistik wird durch einen Fall aus der v. Bruns’schen Klinik be- 
reichert. Es handelt sich um einen Pat., der nach einem Bruststich zunächst 
wieder vollkommen arbeitsfähig geworden, dann aber plötzlich unter Ileussym- 
ptomen erkrankt war. Erst bei der sofort nach Einlieferung vorgenommenen 
Laparotomie ließ sich die genaue Diagnose auf Einklemmung der linken Flexur 
in einem engen Zwerchfellspalt stellen. Die Einklemmung wurde gelöst, der gan- 
gränverdächtige Darm vorgelagert und eine Kolostomie angelegt. Die Zwerch- 
fellwunde wurde von der Bauchhöhle aus durch Naht geschlossen. Nachdem Pat. 
alsbald im Kollaps gestorben war, ergab die Sektion außer einem Pneumothorax 
eine beginnende Peritonitis. 

Nach der Statistik der eingeklemmten und operierten Zwerchfellbrüche waren 
10 angeboren, 16 traumatisch; eingeklemmt war 19mal der Dickdarm, speziell die 
linke Flexur, imal der Dünndarm, 6mal der Magen. Vor der Operation wurde 
die Diagnose in 10, bei der Operation in 8, bei der Sektion in 8 Fällen gestellt. 
Bei gestellter Diagnose wurde 3mal der transpleurale, 7mal der abdominelle Weg 
bei der Operation beschritten. Nach den Heilungserfolgen und den sonst bei 
Herniotomien üblichen Grundsätzen empfiehlt sich die transpleurale Methode vor 
der abdominellen, welch letztere mit großen Schwierigkeiten beim Nahtverschluß 
der Bruchpforte zu kämpfen hat. Reich (Tübingen). 


25) K. P. Lewonewski. Ein Fall von glatten, metallischen Fremd- 
körpern im Magen-Darmkanale. 
(Russki Wratsch 1906. Nr. 37.) 
Ein 17jähriger Kosak hatte 45 schon gebrauchte Mantelgeschosse verschluckt, 
um — laut einem in jener Gegend herrschenden Aberglauben — gegen feindliche 
Kugeln gefeit zu sein. Nach ein paar Tagen traten Schmerzen in der Magen- 


gegend, später Symptome von Bleivergiftung auf. Im Krankenhause gingen sechs 
Geschosse spontan ab. Da die übrigen im Magen blieben und die Vergiftungs- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 1365 


symptome lebensgefährlich wurden, machte man 42 Tage nach dem Verschlucken 
die Gastrotomie und entfernte elf Geschosse aus dem Magen. Nach 32 Tagen 
geheilt entlassen. Die übrigen 28 Geschosse waren also, vom Pat. unbemerkt, von 
selbst abgegangen. Die Geschosse wogen ursprünglich je 13,688; die sechs, die 
per anum abgingen, je 13,636, die elf aus dem Magen entfernten je 13,589. 

E. Gückel (Wel. Bubny, Poltawa). 


26) Kuzmik. Spontane Magen-Bauchwandfistel bei Lues. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVIII. p. 586.) 

Ein von der Submucosa der vorderen Magenwand ausgehendes Gumma führte 
zu einer Verklebung der Magenserosa mit der Bauchwand und durch Zerfall zu 
einer Magen-Bauchwandfistel. 

Verf. unterscheidet eine gummöse und allgemein infiltrative Form der syphi- 
litischen Magenerkrankung und glaubt, daß eine solche häufiger vorkommt als all- 
gemein angenommen wird. In verdächtigen Fällen wird daher der Versuch einer 
antiluetischen Behandlung ratsam sein. Beich (Tübingen). 


27) R. Leriche. Sur le traitement chirurgical de l’ulcöre calleux 


penetrant de l’estomac. 
(Revue de gyn. et de chir. abdom. 1906. Nr. 2.) 

L. teilt zwei Fälle mit, in denen eine Operation keinen Nutzen mehr hat 
bringen können. 

Bei dem ersten Pat., einem 47jährigen, seit 30 Jahren magenleidenden Fuhr- 
mann, bei dem nur eine Probelaparotomie vorgenommen werden konnte, ergab die 
Obduktion in dem mit der Milz fest verwachsenen Magen eine hohlhandgroße 
Ulzeration, die in die Milz durchgebrochen war und Aste der Art. splenica an- 
gefressen hatte, außerdem ein zweites, stecknadelkopfgroßes Geschwür an der 
kleinen Kurvatur. In erstgenanntem Geschwüre wird mikroskopisch Karzinom mit 
kleinen runden Zellen festgestellt. Auch in dem Geschwüre der kleinen Kurvatur 
ist eine ausgedehnte Infiltration mit kleinen runden Zellen, die man hier gar 
nicht ohne weiteres als Karzinomzellen erkannt hätte. Die Neubildung wird ala 
bösartiges Epitheliom sarkomatöser Art aufgefaßt. 

Im zweiten Falle hatte bei einem 49jährigen, seit 12 Jahren magenleidenden 
Dienstmädchen eine Gastroenterostomie keine Rettung mehr bringen können; die 
Resektion war unmöglich gewesen. Es lagen zwei Geschwüre vor, von denen das 
eine, größer als ein Fünffrancsstück, an der vorderen Magenwand lag und zu Ver- 
wachsungen mit der Leber und zu einer Einschnürung des Magens geführt hatte, 
das andere in Handtellergröße tief ins Pankreas und in das verdickte Mesocolon 
transversum durchgebrochen war. Eine Neubildung lag nicht vor. 

L. betont die Wichtigkeit der chirurgischen Behandlung der Magengeschwüre 
bei guter Zeit. Nur die Probelaparotomie kann über den Eingriff entscheiden. 
Die Resektion ist die überlegenere Behandlungsmethode und schon aus dem Grund 
anzuwenden, weil in dem kallösen Geschwür eine Neubildung verborgen sein kann, 
was gerade französischen Autoren gegenüber zu betonen ist. Um gute Dauer- 
resultate zu erhalten, soll die Resektion wegen Geschwüres aber stets mit der 
Gastroenterostomie verbunden werden. Selbst einer nur beschränkten segmentären 
Resektion soll man die Gastroenterostomie folgen lassen. Dagegen soll die 
Gastroenterostomie allein nur vorgenommen werden, wenn die Resektion unmög- 
lich ist. | 

Zur Technik der Resektion weist L. auf die von Jedlicka geiibte Methode 
der Magenplastik hin, von deren leichter Ausführbarkeit er sich an der Leiche 
überzeugt hat. E. Moser (Zittau). 


28) Renton. Dilatation of the stomach due to adhesions round 


pylorus. 
(Glasgow med. journ. 1906. September.) 
Zwei erwachsene weibliche Personen, eine bereits 60 Jahre alt, kamen mit Er- 
scheinungen von Pylorusstenose und erheblicher Gewichtsabnahme in Behandlung. 


1366 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 


Die Laparotomie ergab als Ursache in beiden Fällen Verwachsungen am Py- 
lorus; in einem der Fälle war die mit dem Pförtner verwachsene Gallenblase an 
der Stenose schuld. 

Lösung der Verwachsungen führte beide Male zur Genesung mit erheblicher 
Zunahme des Körpergewichtes. W. v. Brunn (Rostock). 


29) Gordon. A case of recurrent uncontrollable vomiting ending in 
death. 
(Brit. med. journ. 1906. Oktober 6.) 

Kurzer Bericht über einen seltenen Befund als Ursache von beständigem Er- 
brechen bei einem 6jährigen Mädchen, das zum Verhungern des Kindes führte. 
Der Magen und oberer Teil des Duodenums waren gewaltig erweitert infolge einer 
Drehung des unteren Drittels des Duodenums durch sehr feste Verwachsungen. 
Ahnliche Anfälle von Erbrechen reichten in die früheste Kindheit zurück. G. hält 
den Zustand daher für angeboren. Weber (Dresden). 


30) Mackenzie. The hour-glass duodenum. 
(Journ. of the amer. med. assoc. 1906. August 4.) 

Besprechung der Entstehungsweise aus dem peptischen Geschwiir und der 
Möglichkeit der Abhilfe durch plastische Operationen, entweder der Duodeno- 
Duodenostomie oder Gastroenterostomie oder beider zusammen. Krankengeschichte 
von fünf selbst beobachteten Fällen: 

1) 66jähriger Mann, litt seit lange an Hyperazidität, hatte schweres Blutbrechen 
mehrmals durchgemacht. Bei dem sehr heruntergekommenen Manne bestand be- 
deutende Magenerweiterung; Geschwulst fehlte bei der Untersuchung. Erst bei 
der Operation wurde die Ursache in sehr enger ringförmiger Einschnürung des 
Duodenums in Nähe des Pylorus gefunden. Da keinerlei Verwachsungen vorlagen 
und das Duodenum leicht beweglich war, wurde hintere Gastroenterostomie leicht 
ausgeführt, die zu völliger Besserung führte. 2) 5Ojähriger Mann, litt seit Jahren 
an Hyperazidität, zweimal Blutbrechen. Aussehen anämisch, sonst kein Befund 
mitgeteilt. Bei der Operation fand sich die Verengung des Duodenums etwa 
4 cm unterhalb des Pylorus, ober- und unterhalb war Taschenbildung eingetreten. 
Hintere Gastroenterostomie brachte bedeutende Erleichterung, aber kein völliges 
Schwinden aller Beschwerden. 3) 76jährige Frau, die viele Jahre lang an Magen- 
beschwerden litt. In der Pylorusgegend war eine Geschwulst fühlbar. Die Frau 
war sehr heruntergekommen. Bei der Operation zeigte sich der Anfangsteil des 
Duodenums stark verdickt, die Vorderwand war allein noch weich und in Falten 
zu erheben. Es zeigte sich, daß die Verdickung auf chronischer Geschwürsbildung 
beruhte, nicht bösartig war. Pyloroplastik brachte völlige Heilung, Pat. lebte noch 
5 Jahre beschwerdefrei. 4) 70jähriger Mann litt lange an Magenbeschwerden, war 
sehr heruntergekommen. Bei Operation fanden sich sehr zahlreiche Verwachsungen, 
der Pylorusteil des Magens war narbig verändert, der obere Teil des Duodenum 
ebenso wie der Pylorus verengert und eingezogen. Hintere Gastroenterostomie 
brachte zunächst Erleichterung, nach 6 Wochen trat anhaltendes Gallenbrechen 
durch Rückstauung ein mit schneller Kräfteabnahme, der Pat. erlag. 5) Bei 
38jähriger Person (Geschlecht fehlt) mit lange bestehenden Magenbeschwerden fand 
sich bei der Operation eine sattelförmige Einziehung der Vorderwand des Duo- 
denum. Plastik, indem nach Längsschnitt quer vernäht wurde (Duodenoplastik). 

Aus dem Mitgeteilten schließt M.: 1} Duodenalgeschwüre verlaufen sehr lang- 
sam. 2) Sie erzeugen stets Verziehung und Verengung des Duodenum, oft in 
Sanduhrform. 3) Die besten Operationsergebnisse hat man bei Erhaltung des 
duodenalen Weges durch Plastik. Trapp (Bückeburg). 


31) v. Haberer. Ein seltener Fall von Stenose des Magens und des 
obersten Dünndarmes. 
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XVL Hft. 3.) 


Eine stenosierende Geschwulst am Pylorus, eine zweite in der obersten Ileum- 
schlinge führte zu vorderer Gastroenterostomie mit Enteroanastomose. Die nächst- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 1367 


gelegenen mesenterialen Lymphdrüsen stark geschwollen. Die Sache wurde dem 
makroskopischen Befunde nach für Tuberkulose gehalten; die mikroskopische 
Untersuchung einer Mesenterialdrüse ergab keine tuberkulösen Veränderungen. Als 
nach 1/, Jahr erneute Stenose auftrat, wurde die Dünndarmgeschwulst reseziert; 
sie erwies sich als Lymphosarkom. Das Bemerkenswerte ist, daß die Geschwülste 
gegenüber dem Befunde bei der ersten Operation zurückgegangen waren, und daß 
der Prozeß auf einen so kleinen Teil des Darmkanales beschränkt blieb. 
Haeckel (Stettin). 


32) C. Brunner. Über Keimprophylaxis, Technik, Wundverlauf und 
Wundfieber bei aseptisch angelegten Eingriffen am Magen. Die un- 
mittelbaren und späteren Resultate meiner Magenoperationen. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLIX. p. 580.) 

Von 1896 bis 1905 hat B. folgende Operationen an Magen und Darm aus- 


geführt: 
A. Aseptisch angelegte intraperitoneale Operationen: 
operative + infolge 
Zahl Heilung Operation 
Resektionen 19 14 5 
Gastroenterostomien 52 45 7 
Pyloroplastik 3 2 1 
Gastrolysis 1 1 0 
Gastroplikation 1 1 0 
B. Aseptisch angelegte Operationen mit 
extraperitonealer Eröffnung d. Magens 25 18 7 
C. Operationen bei schon vorhandener 
peritonealer Infektion: Verletzungen 
und Geschwürsperforation 8 4 4 
D. Operationen im Bereiche des Darmes 
wegen Magenaffektion 3 2 1 


Die Hauptinfektionsquelle, welche nie vollkommen zu umgehen ist, bildet bei 
aseptisch angelegten Magen-Darmoperationen der Magen-Darminhalt. Die hier- 
durch erzeugten Peritonitiden sind meist bedingt durch Streptokokken und Coli- 
bazillen, welch letztere im Kulturverfahren alle anderen Gattungen überwuchern, 
weshalb die Untersuchung des frischen Ausstrichpräparates nicht zu unterlassen ist. 
Auch der im Magen heimische Bacillus subtilis erlangt unter Umständen patho- 
gene Eigenschaften. Experiment und klinische Erfahrung haben die Abschwächung 
der Bakterienvirulenz durch die Salzsäure des Magens nachgewiesen. Hieraus er- 
klärt sich der meist schwerere Verlauf der Peritonitiden bei Operationen des 
Magenkarzinoms. 

Was die Technik der Keimprophylaxis anlangt, so ist B. der Fürbringer- 
schen Methode der Hände- und Hautdesinfektion treu geblieben und verwirft 
Zwirn- und Gummihandschuhe ebenso wie Gummidecke. Um den Austritt von 
Magen-Darminhalt zu verhindern, haben sich bajonettförmige Klemmen besonders 
bewährt, nur das Jejunum wird bei der Gastroenterostomie durch Lampendocht 
abgeschlossen, Bei sonst strenger Asepsis ist gegenüber den Keimen der klaffenden 
Magen-Darmlichtungen eine lokale Antisepsis rationell. Zur Reinigung der Magen- 
Darmwunden, sowie zur Tränkung der abstopfenden Kompressen wird Aktollösung 
1:1000 als unschädliches, aber wirksames Desinfiziens benutzt. 

Der Wundverschluß der Magen-Darmwunden wird stets durch zweireihige 
Naht, nie durch Murphyknopf bewerkstelligt. 

Bei der Magenresektion verdient die II. Billroth’sche Methode den Vorzug, 
weil sie radikalstes Vorgehen gestattet und bei auftretendem Karzinomrezidiv neue 
Stenoseerscheinungen am ehesten umgeht. Der Duodenalstumpf wird von B. 
neuerdings extraperitoneal versorgt durch Einnähung in den Wundwinkel der 
Bauchdecken. Von 10 derart operierten Pat. starb keiner an Peritonitis infolge 
Nahtinsuffizienz des Duodenalstumpfes. 


1368 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 


Ein postoperatives Wundfieber ist bei aseptisch angelegten und geheilten Fällen 
von intraperitonealen Operationen die Regel, bewegt sich aber meist in subfebrilen 
Grenzen, um dann vom 3. oder 4. Tage an Iytisch abzufallen. Ebenso erfährt der 
Puls eine Frequenzsteigerung, welche nicht immer zur Temperatursteigerung im 
Verhältnis steht. 

Von den Magenresektionen wegen Pyloruskrebs erfolgten sieben nach der 
Methode Billroth I, eine nach Kocher, zehn nach Billroth II. Es starben 
postoperativ an Peritonitis drei (Billroth I), an Bronchopneumonie ein, an 
Lungenembolie ein Pat. Dauerheilungen gehören noch zu den Seltenheiten. Als 
Mittel der Lebensdauer nach überstandener Operation fand sich 1Jahr und 4 Monate. 

Die Gastroenterostomie, die wegen Karzinom nur bei den nicht mehr resek- 
tionsfähigen Fällen mit Stauungserscheinungen ausgeführt wurde, ergab eine Sterb- 
lichkeit von 20% bei Krebs, von 4,5% bei Geschwür, also eine Gesamtsterblich- 
keit von 13,46%. Nie war Peritonitis Todesursache. Neuerdings führt Verf. 
ausschließlich die von v. Hacker angegebene Gastroenterostomia retrocolica 
posterior mit horizontaler Suspension beider Schlingenenden aus. Die durch die 
Gastroenterostomie bei Krebs erzielte Lebensverlängerung berechnet sich auf 
170 Tage. Die Dauererfolge bei Geschwürsstenose sind durchaus günstige. 

Der Jejunostomie beim Magenkrebs will Verf. ihre Berechtigung nicht ganz 
absprechen. Reich (Tübingen). 


33) L. Delaloye. Beitrag zur Gastroenterostomie. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXIII. p. 502.) 

D. berichtet über die Erfahrungen mit der Gastroenterostomie, die im Kantons- 
spitale St. Gallen unter Dr. G. Feurer gemacht wurden. Es handelt sich um 
117 Fälle aus den Jahren 1887 bis 1905, deren chirurgische Versorgung deshalb 
besonders interessiert, weil fast ausschließlich mittels Methodus antecolica anterior 
vorgegangen und ferner in den meisten Fällen die Jejunumschlinge mit dem Magen 
nicht iso- sondern antiperistaltisch vernäht wurde. Mit der isoperistaltischen Darm- 
anlagerung nämlich, die nach den Vorschlägen von Rackwitz aus der Lücke- 
schen Klinik bis zum Jahre 1897 in 38 Fällen geübt wurde, ergab sich 6mal Ein- 
tritt von Circulus vitiosus. Als man von dann an aber dazu überging, die Schlinge 
antiperistaltisch zu befestigen und sie möglichst kurz zu nehmen (so daß eben keine 
Kompression des Querkolons zu befürchten war), wurden die Resultate sofort 
besser, und bei den folgenden 79 Fallen wurde Circulus vitiosus nur noch 2mal 
beobachtet, übrigens durch die Braun’sche Enteroanastomose zur Heilung ge- 
bracht. D. weist darauf hin, daß bei antiperistaltischer Darmanlagerung Lage und 
Verlauf des Darmes ungleich natürlicher und ungezwungener erscheint als bei der 
isoperistaltischen, auch daß bei diesem Verfahren Darmachsendrehungen kaum 
möglich sind. Die Länge der zur Fistelanlage benutzten Dünndarmschlinge betrug, 
wie bei einigen zur Sektion gelangten Fällen nachgemessen ist, 21—30 cm. Über 
die erzielten Resultate ist mitzuteilen, daß 30 Pat. noch im Spitale starben (also 
25,64%), davon 4 an Circulus vitiosus. Auf Karzinome entfallen 79 Fälle mit 
30,3% Sterblichkeit. Die Genesenen lebten durchschnittlich noch 7 Monate. Mit 
gutartigen Magenleiden sind 38 Kranke operiert, mit 15,79% Sterblichkeit. Von 
den Genesenen sind 8 an verschiedenen Krankheiten gestorben, 18 sind zur Stunde 
gesund, seit 1—10 Jahren nach der Operation. Unter den Gestorbenen dieser 
Gruppe interessiert besonders einer, der 6 Jahre nach der Gastroenterostomie an 
Ulcus pepticum jejuni, und zwar durch Perforationsperitonitis starb. Dieser Fall 
wird von D. eingehender besprochen und mit den sonst bekannt gewordenen (28) 
Fällen dieser Erkrankung verglichen. Danach stehen, was die Gefahr des Eintritts 
derselben betrifft, die einfachen Appositionsmethoden ohne Enteroanastomose 
günstiger als die anderen. Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


34) MacCallum. Multiple cavernous haemangiomata of the intestine. 


(Johns Hopkins hospital bulletin 1906. August.) 


Verf. referiert zunächst die wenigen bisher bekannt gewordenen ähnlichen Be- 
funde und macht von folgendem Falle Mitteilung: 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 1369 


Ein 5ijähriger Weißer, der außer Pneumonie noch keine Infektionskrankheit 
überstanden hatte, hatte seit einigen Monaten über Verdauungsbeschwerden zu 
klagen. Frühmorgens mußte er stets erbrechen; vor 2 Jahren hat er Bluterbrechen 
gehabt. Zuletzt hatte er Kopfweh, Schwindel und Harnzwang. Er war starker 
Trinker und kam betrunken ins Krankenhaus, wo er starb. 

Die nach wenigen Stunden vorgenommene Obduktion ergab, daß neben Ar- 
teriosklerose eine Atrophie der Hirnwindungen, chronische Pankreatitis, beginnende 
Lebercirrhose, Hirnödem und Bronchopneumonie vorlag. 

Der gesamte Dünndarm war von zahllosen, bis zu 8 mm großen, dunklen 
Flecken durchsetzt; die mikroskopische Untersuchung zeigte, daß man es mit ka- 
vernösen Angiomen zu tun hatte, die aus den Venen der Submucosa hervorgegangen 
waren. Die Schleimhaut war überall unversehrt. 

Die Abbildung eines kleinen aufgespanunten Dünndarmteiles zeigt in ganz be- 
sonders schöner Reproduktion etwa 40 dieser Angiome. 

W. v. Brunn (Rostock). 


35) MacCallum. Phlegmonous enteritis. 
(Johns Hopkins hospital bulletin 1906. August.) 

Nach eingehender Besprechung der bisher publizierten Fälle dieser seltenen 
Erkrankung berichtet Verf. über einen Fall eigener Beobachtung. 

Ein 75 Jahre alter Neger wurde von einem Wagen auf der Straße überfahren 
und ins Krankenhaus gebracht. Er war zuerst bewußtlos, kam aber bald zu sich, 
hatte eine Kopfwunde und klagte über Leibschmerzen. Nach Verheilung der Kopf- 
wunde ging er nach Hause und erkrankte 3 Wochen nach dem Unfalle von neuem 
mit heftigen Leibschmerzen, Erbrechen und Darmverschluß. Die Operation ergab 
daß wohl ein wenig trübe Flüssigkeit in der Bauchhöhle war, aber keine Perito- 
nitis; abgesehen von einer Härte in der linken Nierengegend, die mit der Krank- 
heit selbst offenbar nichts zu tun hatte, fand sich eine Verdickung und Verhärtung 
der obersten Partie des Jejunum; das Mesenterium zeigte nichts Besonderes; die 
Gefäße waren gesund; die Serosa des Darmteiles injiziert, sonst unverändert. Von 
einer Einklemmung oder einem anderen Hindernis der Darmpassage nichts zu be- 
merken. Da Pat. kollabierte und auch ein sonstiger Eingriff nicht indiziert zu 
sein schien, wurde die Bauchwunde geschlossen. Der Kranke starb tags darauf 
und wurde nach wenigen Stunden seziert. Dabei ergab sich, daß es sich um eine 
Phlegmone der Darmwand, verursacht durch Streptokokken, gehandelt hatte. 
Schleimhaut und Serosa waren im wesentlichen unverändert, die Darmgefäße 
durchgängig. Die 30 cm lange Dünndarmpartie setzte sich scharf gegen den ge- 
sunden Darm beiderseits ab. Die Muskel- und Bindegewebsfasern der Muscularis 
und Submucosa waren auseinander gedrängt durch Flüssigkeit, Zellen und Fibrin. 
Schrumpfung und Verkalkung der linken Niere. W. v. Brunn (Rostock). 


36) Kachler. Über eine eigentümliche Form von traumatischer Darm- 
verengerung. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVII. p. 831.) 


Bei einem 22 Monate alten, zuvor gesunden Kinde entwickelte sich ca. 
2 Wochen nach einer zunächst symptomlos verlaufenen Bauchkontusion ein zu- 
nehmender chronischer Ileus. Als dessen Ursache fand sich 30 cm oberhalb der 
Jleocoecalklappe eine mehrere Zentimeter lange Verwachsung der Dünndarmwand 
am Mesenterialansatz, infolge deren es zur Entstehung eines divertikelähnlichen, 
3 cm langen Gebildes mit einem hohen Sporn und von außerordentlicher Rigidität 
gekommen war. Der zuführende Darmteil war stark erweitert und hypertrophisch, 
der anschließende Teil hatte Bleistiftdicke und keine Lichtung mehr. Es fehlten 
Zeichen einer frischen oder alten Peritonitis, die Schleimhaut war überall unver- 
sehrt. 

Diese im Vergleich zu den gewöhnlichen traumatischen Darmstenosen sehr 
frühzeitig einsetzende Verengerung erklärt Verf. durch eine ischämische Muskel- 
lähmung infolge Thrombose der zugehörigen Mesenterialarterie. Pat. erlag kurz 


1370 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 


nach der Enteroanastomose und Anlegung einer nach Analogie der Appendi- 
kostomie hergestellten Darmfistel. Reich (Tübingen). 


37) Jaboulay. Sur le diverticule de Meckel. 
(Province med. 1906. Nr. 33.) 


Kurze Betrachtung über Häufigkeit, Anatomie und Folgeerscheinungen des 
Meckel’schen Divertikels. Letztere können zum Ileus und seltener zur Perito- 
nitis nach Analogie der Wurmfortsatzentzündung führen. In den meisten Fällen 
jedoch stellt das Divertikel ein völlig harmloses Anhängsel dar. J. hat sechs Fälle 
beobachtet; 2 davon bei Operationen. Einmal war das Divertikel in einem Leisten- 
bruch eingeklemmt, das andere Mal wurde es bei einem Pyloruskarzinom 30 cm 
unterhalb des Duodenum gefunden und zur Anastomose, ähnlich der Roux’schen 
Y-Methode, benutzt. A. Hofmann (Karlsruhe). 


38) F. K. Weber. Zur Frage vom Volvulus S romani. 
(Russki Wratsch 1906. Nr. 34 u. 35.) 


W. bringt die Krankengeschichten von zehn Fällen Viermal war bei akutem 
Volvulus der Darm gangränös; davon wurde zweimal der Darm aufgedreht, ein- 
mal vor die Wunde gelagert, einmal am nächsten Tage reseziert und die Enden 
in die Bauchwunde genäht; alle vier starben. — 5) Megacolon congenitum 
(Hirschsprung), chronischer Volvulus, Laparotomie, Aufdrehung, Entleerung 
durch Inzision; nach 10 Monaten Rezidiv, unvollständige Drehung, Kolostomie, 
Heilung mit spontanem Schluß der Fistel. 6) Subakuter Volvulus, Tod nach 
20 Stunden (nicht operiert) infolge Gangrän der Blinddarmschleimhaut; Blinddarm 
stark gebläht, da die Bauhin’sche Klappe fest geschlossen war. 7) Subakuter Vol- 
vulus, Laparotomie, Aufdrehung; nach 21/, Jahren Rezidiv, Gangrän des S romanum, 
Resektion des Darmes, Tod. 8) 46 Jahre alte Bauersfrau; Blinddarm mit sehr 
langem Gekröse weit nach links verlagert (bis über die Mittellinie), samt dem 
Colon ascendens bis zumDurchmesser von 20 cm gebläht. S romanum liegt — um 
180° gedreht — in der rechten Hälfte des Bauches, das Blinddarmgekröse zu- 
sammenpressend; es ist bis auf 14 cm im Durchmesser gebläht, die Schlinge vom 
Fuß bis zur Spitze 65 cm lang, die Darmwand hypertrophisch. Bei der Tastung 
vor der Operation hielt man den Blinddarm für das Sromanum und umgekehrt. 
Aufdrehung. Heilung. 9) Subakuter Volvulus, Schwangerschaft im 6. Monate. 
Laparotomie, Aufdrehung, Punktion des Darmes. Nachts vorzeitige Geburt. Hei- 
lung. 10) Linksseitige Eierstockscyste mit Stieldrehung um 360°; dabei war das 
S romanum mitgedreht worden. Gangrän des Darmes. Entfernung der Cyste; die 
Darmschlinge wurde vor die Wunde gelagert und am nächsten Tage reseziert. 
Heilung. 

In Fall 5 und 9 handelte es sich um die Hirschsprung’sche Krankheit. 

E. @tickel (Wel. Bubny, Poltawa). 


39) A. V. Moschcowitz. A new form of intestinal obstruction. The 
methods for preventing a recurrence of volvulus of the sigmoid 


flexure. 
(New York and Philadelphia med. journ. 1906. Juli 14.) 


Die Anheftung der Flexura sigmoidea an der vorderen Bauchwand, rechts von 
der Medianlinie, die Sigmoidopexie, fiihrte in einem von fiinf Fallen M.’s zur 
Strangulation einer Anzahl von Diinndarmschlingen, 3 Wochen nach der Opera- 
tion; eine neue Laparotomie zeigte die Schlingen zwischen der fixierten Flexur- 
schlinge und der linken vorderen Bauchwand eingeklemmt; Pat. starb einige 
Stunden danach. 

Die Befürchtung, daß diese Einklemmung als Folge der Sigmoidopexie ein- 
treten könne, ist von mehreren Autoren geäußert, aber noch nie der wirklich ein- 
getretene Fall beschrieben worden. In einer kritischen Besprechung der verschie- 
denen Methoden zur Verhütung von Rezidiven des Volvulus hält M. trotzdem die 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 1371 


Sigmoidopexie noch für die relativ beste Operation, der nur bei sehr gutem 
Allgemeinbefinden und günstigen lokalen Verhältnissen die Resektion der Schlinge 
vorzuziehen wäre. Lengemann (Bremen). 


40) Estes. Myofibroma of the large intestine. 
(Annals of surgery 1906. August.) 

Bei einem Manne entwickelte sich in der linken Fossa iliaca eine harte An- 
schwellung mit Fieber; durch Schnitt wurde Eiter entleert. Nachdem der Kranke 
dann 6 Jahre gesund geblieben war, trat eine erneute harte Anschwellung an der- 
selben Stelle auf, die zu Erscheinungen des Darmverschlusses führte. Bei der 
Laparotomie fand man eine die Flexura sigmoidea ganz einbettende, mit der Wand 
derselben in innigem Zusammenhange stehende Geschwulst. Dieselbe erwies sich, 
nachdem sie reseziert und die Darmenden wieder End-zu-End vereinigt waren, als 
ein aus glatten Muskelfasern und Bindegewebe bestehendes Fibromyom. Atiolo- 
gisch mußte ein chronischer tuberkulöser Prozeß in den äußeren Lagen des Darmes 
in Frage kommen, da hier Tuberkel angetroffen wurden. 

Der Kranke ging einige Tage nach der Operation zugrunde. E. weist auf die 
Seltenheit des infolge chronischer tuberkulöser Entzündung entstandenen Fibro- 
myoms hin. Herhold (Brandenburg). 


41) J. Finsterer. Zwei Fälle von Dünndarm- (Jejunum-, Heum-) 


Karzinomen. 
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXIII. p. 567.) 


Die Fille stammen aus der Hochenegg’schen Klinik in Wien und betreffen 
einen 68jährigen und einen 45jährigen Mann, die beide wegen sicherer chronischer 
Dünndarmstenosen, ohne daß palpatorisch die Geschwulst nachweisbar war, lapa- 
rotomiert wurden. Bei beiden konnte die zirkuläre Geschwulst reseziert werden; 
der erste Pat. starb an Peritonitis, der zweite genas, erkrankte aber nach 1/sjäh- 
rigem Wohlbefinden an karzinöser Mastdarmstenose infolge von Metastasenbildung 
im Douglas mit Ubergreifen auf Mastdarm und Blase und starb. Es handelt sich 
in beiden Fällen um skirrhöse Krebse mit Schrumpfungsprozessen. Literatur- 
verzeichnis von 16 Nummern und makroskopische Abbildungen der Resektions- 
präparate sind beigefügt. Meinhard Schmidt (Cuxhaven). 


42) Cushing. The operative treatment of cancer of the large intestine, 
causing dangerous intestinal obstruction. 
(Annals of surgery 1906. August.) 

Zweizeitig operierter Fall eines Adenokarzinoms, das an der Vereinigungsstelle 
der Flexura sigmoidea und des Colon descendens seinen Sitz hatte. Zunächst wurde 
nur die Kolostomie, später die Resektion mit End-zu-Endvereinigung der durch- 
schnittenen Darmenden ausgeführt; der Fall verlief günstig; 2 Jahre nach der Ope- 
ration kein Rezidiv. C. rät zur zweizeitigen Operation bei Dickdarmkarzinomen. 

Herhold (Brandenburg). 


43) A. Reuterskiöld. Zur Operationstechnik des Anus praeternatu- 


ralis. 
(Hygiea 67. Jahrg. p. 1303.) 

Um die Infektion des Bauchfelles zu verhüten, gibt Verf. ein Verfahren an, 
das nachgeprüft zu werden verdient. Die Wundfläche wird zuerst mit in Sublimat- 
lösung getränkten Mullkompressen bedeckt, über welchen ein Stück Wachstaffet 
an die Haut vernäht wird; dann wird der Leib an der Rectusscheide eröffnet. 
Etwa 20 cm vom widernatürlichen After entfernt wird der Darm in gewöhnlicher 
Weise reseziert, die Enden invaginiert, die laterale Anastomose angelegt und ver- 
senkt. Die Stümpfe des an der Bauchwand festhaftenden Darmstückes wurden in- 
zwischen, in Sublimatkompressen eingehüllt, außerhalb der Bauchwunde festgehalten. 
Dann wurde ihr Mesenterium gelöst und unterbunden, und ein wenig vom Schnitt- 


1372 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 


rand entfernt die freien Darmenden mit einer Tabaksbeutelnaht verschlossen. Nach 
Entfernung des zuerst über dem Anus praeternaturalis gelegten Verbandes wurden 
mit einer schmalen, langen, gebogenen Zange die beiden Schenkel des resezierten 
Darmstückes invaginiert und vorgezogen, die Laparotomiewunde verschlossen und 
schließlich das Darmstück aus seinen Verwachsungen gelöst. Vorsichtigerweise 
wurde diese Wunde mit Jodoformgaze drainiert. 

Der Fall betraf einen sehr elenden 73jährigen Greis, der nach einem monate- 
langen Krankenlager mit einer vom Trigonum Scarpse bis zwei Finger über das 
Lig. Pouparti sich erstreckenden Wunde eingeliefert wurde. Völlige Heilung. 

A. Hansson (Cimbrishamn). 


44) Rittershaus. Beiträge zur Embolie und Thrombose der Mesen- 
terialgefäße. 
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XVI. Hft. 3.) 
Von den beiden Fällen von Embolie der Gekrösgefäße wurde der eine ope- 
riert; die Diagnose schwankte zwischen Perforationsperitonitis und Strangulations- 
ileus. 1,70 m brandigen Darmes vom untersten Teile des Deums wurden reseziert, 
die Darmenden in die Bauchwunde eingenäht, oberhalb eine Enteroanastomose 
angelegt. Tod nach 5 Tagen. Die Autopsie zeigte Embolie mehrerer zum Deum 
gehender Gekrösarterienäste; die Embolie stammte von ausgedehnter Atheroma- 
tose der Aorta. — Bei dem zweiten Pat., der an Herzinsuffizienz starb, konnte 
eine Diagnose nicht gestellt werden. Bei der Sektion fand sich die sehr seltene 
— bisher nur zweimal beobachtete — isolierte Verstopfung der Art. mesenterica 
inferior, die zu Infarkt des Colon descendens und des S romanum geführt hatte. 
Die Diagnostik wird unter steter Berücksichtigung der im ganzen bisher be- 
obachteten 100 Fälle erörtert, die Unterschiede bei Verschluß der Mesenterial- 
arterien oder -venen werden auseinandergesetzt; die einzig erfolgversprechende 
Therapie, Resektion des brandigen Darmes, ist bisher nur mal ausgeführt worden; 
davon heilten zwei Fälle. Haeckel (Stettin). 


45) Glinski. Angeborener Mangel der Milz. 
(Przeglad lekarski 1906. Nr. 42.) 

Bei einer 45 Jahre alten, an Lungentuberkulose verstorbenen Frau wurde bei 
der Autopsie keine Milz gefunden. Es ist der zehnte veröffentlichte Fall und 
interessiert den Chirurgen insofern, als er zur Genüge beweist, daß man obne Milz 
leben kann. Bogdanik (Krakau). 


46) Hörz. Uber Splenektomie bei traumatischer Milzruptur. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. L. Hit. 1.) 

Zur Kasuistik der subkutanen Milzzerreißungen wird ein Fall aus der 
v. Bruns’schen Klinik mitgeteilt. Es handelte sich um eine Zerreißung durch 
Hufschlag. Nachdem Nahtversuche gescheitert waren, wurde die Milz exstirpiert 
und eine selbständig ernährte Nebenmilz zurückgelassen. Das Milzbett wurde tam- 
poniert und die Bauchwunde bis auf eine Tamponlücke durch Etagennaht ge- 
schlossen. Es trat überraschend schnelle Heilung und Erholung ein. 

Zu der umfangreichen Berger’schen Statistik sammelte Verf. aus der Lite- 
ratur eine Serie von 35 neuen Fällen von Splenektomie wegen subkutaner Milz- 
ruptur. Letztere ergab für sich eine Sterblichkeit von 28,6%, gegenüber 42% der 
Berger’schen Statistik. 

Ausfallserscheinungen wurden in dem beschriebenen Falle nicht beobachtet, 
ebenso wenig wie Veränderungen der Schilddrüse, des Knochenmarkes oder der 
Lymphdriisen. Eine Reihe von sorgfältigen Blutuntersuchungen ergab, daß die 
Erythrocyten zunächst auf die Hälfte der Norm gesunken waren, um diese nach 
11/g Monaten wieder zu erreichen. Eine auf Ausfall der Milzfunktion zu beziehende 
Hyperleukocytose ließ sich nicht feststellen. Die Lymphocyten zeigten anfangs eine 
erhebliche Vermehrung bis zu 36%, während sich später eine Hypereosinophilie 
bis zu 9% einstellte. Reich (Tübingen). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 1373 


47) Borszéky. Über offene Leberverletzungen. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVIII. p. 558.) 

Kasuistischer Beitrag von zwei Fällen. In dem einen handelte es sich um 
einen Leberschuß mit gleichzeitiger Magenperforation. Naht der Magenöffnung 
und Versorgung der Magenwunde durch tiefgreifende Nähte führten zur Heilung, 
die nur durch eine spät auftretende Hämoptoe kompliziert war. 

Im zweiten Fall, einer Stichverletzung der Leber mit Verletzung von Magen, 
Pankreas und V. renalis, konnte die Nahtversorgung von Leber und Magen und 
Tamponade der Pankreaswunde den Tod nicht aufhalten. 

Verf. rät zu sofortiger chirurgischer Behandlung aller penetrierenden Bauch- 
verletzungen und sieht in der weitgreifenden Naht die gegebene Therapie für 
Leberwunden. Die Tamponade ist nur ein Notbehelf, und der Behandlung mit 
Gelatinelösung, strömendem Dampf und Heißluft kommt nur die Bedeutung von 
interessanten Experimenten zu. Nach angestellten Versuchen ist die Qualität des 
Nähmateriales bei Leberwunden gleichgültig für die Heilung; in den mitgeteilten 
Fällen wurde Catgut verwandt. Reich (Tübingen!'. 


48) Boyreau. Le grand abcès du foie nostras dans la region tou- 


lousaine. 
(Province méd. 1906. Nr. 33.) 

Der Leberabszeß soll nach B. in Mittelfrankreich und speziell in der Gegend 
von Toulouse keine seltene Erkrankung sein. Verf. berichtet über 15 Fálle, die 
zum größten Teil operativ angegriffen wurden (13 operiert, davon 8 gestorben, 
2 nicht operiert und gestorben). Atiologisch wird der Dysenterie nur ein kleiner 
Piatz eingeräumt. Wir finden u. a. Trauma, Enteritis, erweiterte Hämorrhoiden 
und Pleuritis dafür verantwortlich gemacht. (Die nicht ungewöhnliche Veranlas- 
sung, welche die ope gibt, ist nicht beriicksichtigt. 

A. Hofmann (Karlsruhe). 


49) P. S. Ikonnikow. Zur Kasuistik der wahren, nicht parasitären 
Lebercysten. 
(Russki Wratsch 1906. Nr. 38.) 

Ein Fall aus Prof. S. P. Fedorow’s Klinik. 44 Jahre alte Lehrerin, vor 
15 Jahren Ikterus, später Schmerzen in der Lebergegend. Vor 6 Wochen ent- 
deckte Pat. eine Geschwulst; eine ähnliche soll vor 4 Jahren vorhanden gewesen, 
doch mit Nachlassen der Schmerzen geschwunden sein. Geschwulst kindskopfgroß; 
an ihrer unteren inneren Fläche sitzt eine zweite, eigroße. Laparotomie (9. Ok- 
tober 1904); man findet eine Cyste, die mit breiter Basis hinten unten am rechten 
Leberlappen sitzt. Eröffnung der Cyste, Entleerung einer klaren, gelblichen Flüs- 
sigkeit mit Flocken, die Cholestearinkristalle enthalten. Ein Teil der Cystenwand 
wurde entfernt, der Rest in die Bauchwunde eingenäht, die Höhle tamponiert. 
Die Fistel entleerte nach 2 Monaten nur wenig Schleim, war im Mai 1905 nur 
noch 4 cm tief; im Februar 1906 von Zeit zu Zeit Temperatursteigerungen bis 
40°, die nach Entleerung des gestauten Schleimes schwinden. In der letzten Zeit 
kommt Galle aus der Fistel. Die friiheren Schmerzen sind geschwunden, Pat. geht 
ihrem Beruf als Lehrerin nach. Mikroskopisch erwies sich die Cyste als Gallen- 
gangscystadenom. 

Zu den von Hofmann bis 1902 gesammelten 18 Fällen fügt I. außer obigem 
noch zwei weitere hinzu: den von Bland Sutton (Ref. d. Bl. 1906 Nr. 9) und 
den von Diwawin (aus Prof. Bobrow’s Klinik), beschrieben in Med. Obosrenje 
1904 Nr. 12: Mann, 39 Jahre alt, Geschwulst links im Bauch, Ascites, Ikterus; 
linker Leberlappen kindskopfgroß, rechter Lappen vergrößert; durch Punktion 
wurden 300 ccm klarer, gelblicher Flüssigkeit mit 5°%/, Eiweiß, Mucin, roten Blut- 
körperchen, Fibrin und Gallenpigment entleert. Keine mikroskopische Unter- 
suchung; nach 5 Monaten unter Frostanfällen gestorben. — Was die Therapie 
betrifft, so sind sechs Fälle mit totaler Exstirpation der Cyste geheilt, vier mit 


1374 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 


Punktion gestorben; von elf mit Inzision und Drainage (zum Teil mit partieller 
Exzision) behandelten sind acht geheilt, drei gestorben. Die Punktion ist also zu 
verwerfen. Ebenso spricht sich I. gegen den Vorschlag von Leppmann aus, 
die eingenähte Cyste gründlich mit dem scharfen Löffel auszuschaben. 

E. Gtickel (Wel. Bubny, Poltawa). 


50) Schmid. Cholelithiasis mit seltener Komplikation. 
(Med. Korrespondenzblatt des württemb. ärztl. Landesvereins 1906. September 20.) 
S. berichtet über eine 62jährige Frau mit sehr kompliziertem Krankheits- 
verlauf: einerseits die Erscheinungen einer schon länger in Anfällen sich bemerkbar 
machenden Gallensteinkolik, andererseits die eines vereiterten, multilokulären, 
beiderseits subphrenischen Leberechinokokkus, zum Schluß noch die eines links- 
seitigen subphrenischen Abszesses und Eitersenkung im Mesokolon. Die Erkran- 
kung begann mit einem Gallensteinkolikanfalle, dann traten septikopyämische Er- 
scheinungen in den Vordergrund, so daß an ein Empyem der Gallenblase mit 
Gallensteinen gedacht wurde. Einige Tage später heftiger Schmerzanfall unterhalb 
des linken Rippenbogens mit Dämpfung daselbst, Probepunktion des angenom- 
menen subphrenischen Abszesses negativ. Bei der Laparotomie fand sich in der 
verwachsenen und mit Steinen gefüllten Gallenblase kein eitriger Inhalt, Leber im 
ganzen leicht geschwollen und ihr unterer Rand abgestumpft, scharf umgrenzte 
Peritonitis in der Gegend des Foramen Winslowi. Nach der Operation keine Bes- 
serung der septischen Erscheinungen, Tod nach 4 Tagen. Sektionsbefund: rechter 
Leberlappen mit dem Zwerchfell verwachsen, seine Substanz fast vollständig durch 
einen großen, mit Eiter und sulzig verquollenen gelblichen Blasen angefüllten Ab- 
szeß ersetzt; am linken Leberlappen mehrere nußgroße Abszesse von gleicher Be- 
schaffenheit; einer derselben war gegen die Wirbelsäule zu perforiert und hatte 
zu einer Eitersenkung im Mesocolon transversum geführt. Die mikroskopische 
Untersuchung ergab Echinokokkus. Zwischen linkem Leberlappen und Zwerchfell 
eine Eiteransammlung in dünner Schicht. Mohr (Bielefeld). 


51) F. Hawkes. A case of intrahepatic calculi, removal, drainage. 
(Med. and surg. report of the Presbyterian hospital in the city of New York. 
Vol. VO. 1906. März.) 

26jähriger armenischer Maschinist hat 6 Jahre vor Eintritt in das Hospital an 
Schmerzanfällen in der rechten Bauchseite und Erbrechen, geringer Gelbsucht und 
Verstopfung ohne Frost oder Fieber gelitten und wurde deshalb vor 2 Jahren 
wegen Cholelithiasis cholecystektomiert, aber ohne daß Steine gefunden wurden. 
Die Wunde heilte. Jetzt noch immer dieselben Anfälle Ein Röntgenbild zeigt 
Steine in der Leber, anscheinend höher als die großen Ductus. Inzision der alten 
Cholecystektomiewunde ergibt lediglich Verwachsungen, aber bei Abtasten der 
Leberkuppel rechts, etwa 4 Zoll vom freien Rande nach oben, werden in der Leber- 
substanz Steine gefühlt. Tamponade, um Verwachsungen herbeizuführen. Erneute 
Operation nach 4 Tagen mit schräger Inzision am Rippenbogen. Die drei Steine 
werden unter ziemlichen Schwierigkeiten und starker Blutung aus narbigem, indu- 
riertem Gewebe entfernt. Tamponade. Heilung von den Schmerzanfällen. 

Die Steine stellten sphärische Kalkmassen von weißgrauer Farbe von !/g—1/,, Zoll 
Durchmesser dar. Leider ist an dem wiedergegebenen Röntgenbilde nichts zu 
sehen, und die beigegebene Abbildung der Steine ist naiv-skizzenhaft. Verf. spricht 
nichts über die Atiologie der Steine. Ref. möchte an die Residuen eines Leber- 
abszesses denken, für dessen — latentes — Bestehen und Verschwinden Nationalität 
des Kranken, Symptome und pathologisch-anatomischer Befund sehr wohl sprechen 
dürften. Goebel (Breslau). 


52) Mayo. A review of fifteen hundred operations upon the gall- 
bladder and bile passages with especial reference to the mortality. 
(Annals of surgery 1906. August.) 


Bericht über 1500 Operationen an dem Gallensystem mit 4,43% Sterblichkeit, 
eingeschlossen sind hierbei die durch akute Perforation, septische Peritonitis, bös- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 1375 


artige Neubildungen, Lungenembolie, Myokarditis usw. hervorgerufenen Todesfälle. 
Unter den 1500 Operationen waren 845 Cholecystostomien mit 2,13% Todesfällen, 
319 Cholecystektomien mit 3,43% Sterblichkeit. Die letztere Operation wurde bei 
Erkrankung der Gallenblase und Cysticussteinen ausgeführt, während die erstere 
in allen einfachen Fällen zur Anwendung kam, in denen keine Kontraindikation 
gegen diese einfache Methode vorlag. Unter den 1500 Fällen befanden sich 207 
am Choledochus ausgeführte Operationen und 86 Fälle, in denen das Pankreas mit 
beteiligt war. Bezüglich der ersteren unterscheidet M. vier Gruppen: Gruppe 1 
umfaßt jene Fälle, in welche keine zur unverzüglichen Operation drängenden Er- 
scheinungen vorhanden waren; im ganzen 105 mit 2,9% Sterblichkeit. Gruppe 2 
mit 61 Fällen und 16% Todesfällen; hier bestand Fieber mit Malariatypus, 
Schüttelfröste, Gelbsucht, neben dem Stein im Choledochus fanden sich auch solche 
im Ductus hepaticus. Gruppe 3: Vollständige Verlegung des Ductus choledochus 
mit 3436 Todesfällen. Gruppe 4: Bösartige Fälle mit 33,3% Sterblichkeit; meistens 
handelt es sich um Karzinom. In jenen Erkrankungen, in welchen das Pankreas 
mit beteiligt war, gaben die akuten Pankreatitiden eine absolut schlechte Pro- 
ose. 

Pa Beziiglich der Behandlung der Gallengangs- und Gallenblasenleiden schligt M. 
möglichst frühzeitige Operation vor; man soll nicht so lange warten, bis der Stein 
in den Choledochus gerückt ist. Herhold (Brandenburg). 


53) C. A. McWilliams. Critical analysis of 186 operations upon the 
liver and gall passages, and the after-results. 


(Med. and surg. report of the Presbyterian hospital in the city of New York. 
Vol. VII. 1906. März.) 


Die Arbeit umfaßt das einschlägige Material des Hospitals von 1890 — 1905. 
111 Operationen Steine halber mit 13 Todesfällen. Ausführliche Tabellen. Ikterus 
fand sich in 59%; von 70 Pat., bei denen Steine in Gallenblase und Cysticus waren, 
hatten 47%, von 53 Pat., die Steine in der Gallenblase allein aufwiesen, hatten 43% 
und von 27 mit Steinen im Choledochus 92% Gelbsucht. (Wie bei diesen Zahlen 
nur 111 Operationen herauskommen, ist allerdings unklar!) Drei Pat. starben an 
postoperativer Hämorrhagie infolge Cholämie. 

Nur viermal waren Steine vor der Operation abgegangen. 

An Bakterien wurden Streptokokken, Staphylokokkus aureus und albus, 
Pyocyaneus, Coli usw. teils allein, teils kombiniert gefunden. Unter 99 Pat. waren 
80 Weiber. Die Prognose der Operation ist desto schlechter, je tiefer die Steine 
sitzen (Gallenblase und Cysticus 6,5%, Choledochus 29,6% Mortalität). Die Drainage 
des Choledochus ergab viel bessere Resultate als die primäre Naht. Die Dauer- 
resultate werden besonders berücksichtigt: Von 69 Nachuntersuchten waren 45 frei 
von Symptomen, 7 gebessert, 16 nicht gebessert, 12 erforderten Sekundäropera- 
tionen, 1 zeigte wahrscheinliche Neubildung von Steinen, 6 Hernien, bei 7 Pat. 
waren Steine bei der Operation übersehen. Postoperative Lungenkomplikationen 
kamen 4mal — 4% und linksseitige Phlebitis der Saphena einmal vor. Verglei- 
chende Tabellen lehren die Überlegenheit der Cholecystektomie vor der Chole- 
cystostomie. 

Wegen Cholecystitis ohne Steine wurde 14mal mit 3 Todesfallen operiert. Die 
Leukocytenzahl war dabei meist vermehrt. 2mal fand sich Bakterium coli, imal 
Schimmelpilze. 

Wegen Lebercirrhose mit Ascites wurde 12mal Talma’sche Operation ge- 
macht; 7 = 58,3% starben im Anschluß an die Operation, und zwar bei atrophischer 
Cirrhose 4 von 6, bei hypertrophischer 3 von 6. Wichtig ist die Gegenwart von 
Ikterus vor der Operation, indem nur 3 von den 7 Gestorbenen diesen aufwiesen. 
Von den Überlebenden war bei einem die Operation ganz erfolglos, vier wurden 
ausgezeichnet geheilt (6 Monate bis 6 Jahre Beobachtungszeit). Die Technik be- 
stand in Rauhmachen der Leber- und Milzoberfläche und des entsprechenden 
Parietalperitoneums mittels Schwamm und Annähen des Netzes an das letztere; 


1376 | Zentralblatt fir Chirurgie. Nr. 51. 


Schluß der Wunde, aber Glasdrain in den unteren Winkel, solange sich noch 
Ascites entleerte. 

Wegen bösartiger Geschwülste der Leber- und Gallenblase wurde 2ömal 
operiert, stets nur probatorisch, doch wurde 2mal cholecystostomiert. Interessant 
war die Beobachtung von Fieber vor der Operation in 8 Fällen und die sehr hohen 
Leukocytenzahlen des Blutes (bis 20000), die, zusammen mit dem Fieber, öfter zur 
Disgnose eines Leberabszesses verleiteten. 

Von Echinokokken kamen 2 zur Inzision, 4mal wurde wegen unklarer Leber- 
symptome Laparotomie vergebens gemacht und Hydatidencysten erst bei der 
Autopsie tief an der hinteren Leberoberfläche verborgen aufgefunden. 

An Leberrupturen allein kamen 3, an Leber- mit Choledochusruptur und an 
Gallenblasenruptur je 1 Fall zur Operation, endlich 1 Schußwunde von Leber, 
Zwerchfell und Pleura. Nur letztere heilte. Verf. empfiehlt unmittelbare Laparo- 
tomie. 

Den Schluß der interessanten Arbeit bildet die Statistik der Leberabszesse: 
16 Pat., von denen 7 starben. Von 6 mit multiplen Abszessen starben 4. Nur 
5 Fälle wiesen vorhergehende Diarrhöe (Dysenterie) auf, 5 aber auch Verstopfung. 
Bei 5 fehlte Ikterus bei der Operation und in der Anamnese. 13 waren Männer, 
6 starke Alkoholiker. Das Alter schwankte zwischen 12 und 48 Jahren, war aber 
meistens um 30. 1 Kranker war vorher an akuter Mastoiditis und Sinusthrombose 
operiert. Bei 10 Fällen fehlte jegliches ätiologische Moment. 1 Pat. hatte 9 Mo- 
nate vor der Leberoperation eine leichte Appendicitis überstanden. Die Leukocyten- 
zahl war zum Teil sehr hoch, aber prognostisch nicht verwertbar. An Kompli- 
kationen fanden sich: Empyem, subphrenischer Abszeß (7), Pneumonie rechts, 
Kommunikation mit Bronchus (+), Peritonitis und Schwangerschaft (+), Pericarditis 
purulenta (+), septische Lungeninfarkte (+), ulzerative Kolitis (+) — dürfte wohl 
eher als primäre Ursache zu betrachten sein (Ref.) —, Inguinalabszeß und Parotitis. 
2 Pat’ zeigten später, und zwar nach 27 Tagen und nach 10 Monaten, erneute 
Abszesse; letzterer Pat. erlag der zweiten Erkrankung. Bei 2 dauerte die Diarrhöe 
nach der Operation an, von ihnen hatte der eine später den zweiten Abszeß. Es 
ist daber wohl anzunehmen, daß eine erneute Infektion der Leber von der Diarrhöe 
aus erfolgte (Ref). Bei der Autopsie fand man ulzerative Kolitis und septische 
Infarkte der Lungen. 5 weitere Pat., die nach der Operation untersucht werden 
konnten, sind ganz ohne Beschwerden. Goebel (Breslau). 


04) Ewald. Uber nervése Leberkolik. 
(Therapie der Gegenwart 1906. Nr. 9.) 

E. berichtet über einen durch Operation bestätigten Fall, wo bei einer hyste- 
rischen Person umschriebene, unter der Form von Gallenstein- resp. Leberkoliken 
verlaufende Schmerzanfälle zur Beobachtung kamen. Die Anfälle waren so heftig, 
daß Pat. zur Morphinistin wurde. Die Operation führte zur Heilung der Pat. Ob 
es sich dabei um postoperative Suggestion oder um Anderung der Druck- und 
Zirkulationsverhältnisse durch die Operation handelte, läßt E. dahingestellt. 

Silberberg (Breslau). 


Berichtigung. P. 1220 Z. 15 v.o. lies Verebély statt Verchely. 





Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man 
an Prof. B. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- 
handlung Brestkopf & Härtel, einsenden. 


Drack und Verlag von Breitkopf & Hartel in Leipzig, Nürnbergerstraße 36/38. 


Zentralblatt 
CHIRURGIE 


herausgegeben 
E. vu Borman, F, Kinig, E iter 





Dreiunddreißigster Jahrgang. 


ETC A EEE EEE EEE EEE R T EE E EEE EET SEE TE IIE IT TE DIE aI 
Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei halbjähriger 
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten. 


Nr. 52. Sonnabend, den 29. Dezember. 1906. 





Inhalt: 1) Koplik, Schädelperkussion. — 2) Wicart, Hirnabszeß. — 3) Thomson, Ent- 
zündung der Keilbeinhöble. — 4) Moschcowitz, Neuralgie des Trigeminus. — 5) Massler, 
Empyem des Sinus frontalis. — 6) Rhein, Zahnlösung. — 7) Martin, Schilddrüsenvergröße- 
rung. — 8) Bangs, 9) Shoemaker, Prostatahypertrophie. — 10) Blauel, Harnleiterverletzun- 
gen. — 11) Jungano, Nierenveränderungen bei Trypanosomeninfektion. — 12) Forgue, Ho- 
denektopie. 

13) Ballance, Bluterguß ins Kleinhirn. — 14) Clalrmont, Doppelte Schädelplastik. — 
15) Paget, 16) Laurens, 17) Boulay, Mastoiditis. — 418) Lemere, Osteom der Nase. — 
19) Alexandre, Speichelstein. — 20) Massier, Mandeltuberkulose. — 21) Aka, Retropharyngeal- 
abszeß. — 22) Fordyce, Geschwürsbildung in Nase, Rachen und Kehlkopf. — 23) Deissier, 
Caput obstipum. — 24) Keen und Funke, Geschwulst der Carotisdrüse. — 25) Böhme, Stau- 
ungsbehandlung bei urologischen Erkrankungen. — 26) Galatzli, Harnröhrenverengerung. — 
27) Weinreich, Blasengeschwülste. — 28) Daum, Blasen-Scheidenfistel. — 29) Gray, Bös- 
artige Blasenerkrankungen. — 30) Mendés, Hoher Blasenschnitt. — 31) Borrmann, Blind 
endigender Harnleiter. — 32) Suarez, 33) Franklin, NicrenzerreiBung. — 34) Hewitt, Ein- 
fluB von Infektionen und Intoxikationen auf die Nieren. — 35) Ellot, Nierenstein. — 
36) Dawydow, Nierenechinokokkus. — 37) Brian, Knochengeschwulst zwischen Niere und 
Nebenniere. — 38) Ghon und Mucha, 39) Albrecht, Paranephritische Abszesse. — 40) Wijn- 
hausen, Hydrokele. — 41) Blanck, 42) Schön, Hodengeschwülste. — 43) Schroeder, Eier- 
stockscyste. 





i) H. Koplik. Percussion of the skull as a means of placing 
the indication for the performance of lumbar puncture with 
special reference to its application in cerebrospinal menin- 
gitis of the epidemic type. 
(New York med. record 1906. September 29.) 


K. hält die Schädelperkussion für die Diagnose des Hydrocephalus, 
sowohl bei Zerebrospinalmeningitis als auch bei Tuberkulose für wich- 
tig. Wenn die Seitenventrikel durch seröse Flüssigkeit ausgedehnt 
sind, ändere sich der Schall je nach der Kopfstellung. Die Lumbal- 
punktion ist ein lebensrettender Eingriff bei Zeichen akuter Druck- 
steigerung. Loewenhardt (Breslau). 


52 


1378 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 


2) Wicart. Les absces du lobe sphéno-temporal du cerveau 


dorigine otique. 188 S. 
Paris, Henry Paulin, 1906. 

Der otogene Hirnabszeß bietet oft diagnostische Schwierigkeiten, 
die unüberwindlich sind. Der Autor stellt in seiner Abhandlung Sätze 
auf, wonach es gelingen sollte, durch die Hilfsmittel der Untersuchung 
der Lumbalflüssigkeit und derjenigen des Blutes eine präzise Diagnose 
zu stellen. 

Gleichwohl hat man den Eindruck, daß ihn diese Hilfsmittel, wie 
es aus den acht der Arbeit angegliederten Krankengeschichten hervor- 
geht, im Stiche gelassen haben. Die Sätze, daß bei einer geringen 
Infektion, wie bei extraduralen Eiterungen, die Leukocytose gering, 
bei schwerer Infektion, wie bei Sinusphlebitis und umschriebener 
Meningitis, die Leukocytose mittelmäßig gesteigert und endlich bei der 
schwersten Infektion, bei der diffusen Meningitis, die Leukocytose ge- 
waltig ist, dürfte ebenso wie der Befund der Lumbalflüssigkeit doch 
nur mit Vorsicht verwertet werden. 

Gerade da, wo man auf diese erwähnten Hilfsmittel angewiesen 
ist, können sie irre führen, wie das der Autor ja selbst beweist. 

Was die Häufigkeit des otogenen Hirnabszesses anlangt, so waren 
unter 200 komplizierten Fällen 100 Hirnabszesse. Die akute Mittel- 
ohrentzündung führt nur selten zum HirnabszeB. Verf. redet von 
24 Fällen. Der Abszeß selbst zerfällt nach dem Verf. in drei histo- 
logisch verschiedene Abteilungen: in die nekrotische Zone, in Abszeß- 
wand und in die Zone des gereizten Gewebes. 

Zur Operation werden die üblichen Verfahren empfohlen. Viel 
kann prophylaktisch durch eine geeignete Behandlung chronischer 
Ohreiterungen geleistet werden. Als Operation der Not kommt noch 
die Lumbalpunktion bei bedrohlichem Hirndruck in Frage, die Verf. 
in diesen Fällen der Trepanation vorausschickt. Für die absolut in- 
fausten Fälle schlägt er eine Eröffnung des Duralsackes zwischen 
zweitem und drittem Lendenwirbel vor. 

Der außerordentlich ausführlichen und übersichtlichen Abhand- 
lung ist ein umfassendes Literaturverzeichnis beigefügt, das bis auf 
das Jahr 1768 zurückgeht. Jedenfalls kann die Lektüre des Werkes 
nur empfohlen werden. A. Hofmann (Karlsruhe). 





3) St. Clair Thomson. Cerebral and ophthalmic complica- 
tions in sphenoidal sinusitis. 
(Brit. med. journ. 1906. September 29.) 

Die Statistik hat nachgewiesen, daß in 30% aller darauf unter- 
suchten Leichen Erkrankungen der Nasennebenhöhlen sich finden, und 
daß nächst der Oberkieferhöhle die Keilbeinhöhle am häufigsten er- 
krankt. Im Verhältnis dazu sind zerebrale Komplikationen als Folge 
von Nebenhöhleneiterungen recht selten nachgewiesen worden, dürften 
aber zahlreicher beobachtet werden, wenn bei den Sektionen ein 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 1379 


größeres Augenmerk darauf gerichtet würde. Verf. berichtet über 
zwei Pat. aus seiner Beobachtung, die an einer eitrigen Basalmeningitis 
bzw. einer Thrombophlebitis des Sinus cavernosus starben als Folge 
einer Keilbeinhöhleneiterung. Beide Fälle wurden im Leben richtig 
erkannt, beide bestätigten durch die Sektion die Diagnose. Im An- 
schluß an diese beiden sehr genau berichteten Fälle bespricht T. als 
erster in England diese Komplikationen und vermehrt die Kasuistik 
von Dreyfuss (13 Fälle) und Toubert (24 Fälle) auf 42 Fälle. Aus- 
geschlossen wurden alle Fälle, in denen die intrakranielle Komplika- 
tion die Folge von Verletzungen, Geschwülsten, luetischen oder tuber- 
kulösen Entzündungen der Keilbeinhöhle waren. Er fand im einzelnen 
Meningitis, Thrombose des Sinus cavernosus, Abszeß, Sepsis durch 
Meningitis, Duralabszeß, hämorrhagische Encephalitis, Phlebitis des 
Sinus cavernosus, Encephalitis, Blutungen. Die Thrombose des Sinus 
cavernosus zeigt sich meist zuerst durch Augensymptome: Odem der 
Papille, Chemosis, Exophthalmus, Augenmuskellähmung, Empfindlich- 
keit des Augapfels. Nach ausführlicher Besprechung der pathologischen 
Anatomie, der Bakteriologie, der Pathogenese stellt T. folgendes fest: 
Die Infektion der Schädelhöhle hängt wesentlich ab von der Virulenz 
der Keime und der verminderten Widerstandsfähigkeit und nimmt 
ihren Weg durch Knochenperforationen, durch die Diplo&, durch Venen 
und Lymphgefäße. Sie erzeugt meistens Sinusthrombose und Basal- 
meningitis, während andere Komplikationen viel seltener sind. Weder 
die lange Dauer noch die Höhe der Veränderungen in der Keilbein- 
höhle sind von wesentlicher Bedeutung für die Ausbreitung der Ent- 
zündung. 

Zur Vorbeugung muß jede Keilbeinhöhleneiterung behandelt wer- 
den durch Sorge für guten AbflußB. Auch schwere Augenveränderun- 
gen, sogar Blindheit eines Auges, können völlig zurückgehen auf 
Öffnung und Drainage des Sinus sphenoidalis. 

Der thrombosierte Sinus cavernosus wurde einmal mit anatomi- 
schem Erfolg in Angriff genommen von Dwight auf dem Wege, den 
Krause eingeführt hat zur Entfernung des Ganglion Gasseri, aber 
Pat. starb einige Stunden später. Von Grünert und Luc stammen 
Leichenversuche, den Sinus cavernosus von der Nase aus zu erreichen. 
Bei Thrombose der Vena ophthalmica ist der Krönlein’sche Weg 
zu retrobulbären Geschwülsten gegeben. Weber (Dresden). 





4) A. V. Moschcowitz. The surgical treatment of trige- 
minal neuralgia. 
(New York med. record 1906. September 29.) 

M. verlangt möglichst frühzeitige Operationen bei Trigeminus- 
neuralgie, um den Eingriff zu einem möglichst peripheren mit Erfolg 
gestalten zu können. Die Foramina sollen nach der Durchtrennung 
des Nerven mit Gold- oder Silberzapfen verstopft werden (cf. Pertbes, 
Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXVI p. 401). Bei Affektion 

b2* 


1380 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 


‚des oberen oder unteren Maxillaris ist »Abbé’s Operation« indiziert; 
ein Zelluloid- oder Goldknopf wird dabei interponiert. 
Loewenhardt (Breslau). 





5) H. Massier. Du traitement de lempyème latent du 


sinus frontal par la résection du cornet moyen. 
(Revue hebdom. de laryngol., d’otol. et de rhinol. 1906. Nr. 39.) 

Wenn auch Verf. nichts Neues bringt, so ist die Arbeit wohl aus 
dem Gefühle heraus entstanden, daß die Fortschritte auf dem Gebiete 
der extranasalen Operationen leicht die Indikationen hierfür über 
Gebühr erweitern könnten. Und das nicht mit Unrecht! Wenn man 
bedenkt, wie viel auf endonasalem Wege erreicht werden kann, um 
den Canalis nasofrontalis zu erweitern und so dem Eiter Abfluß zu 
schaffen, so erstaunt man über die Fülle von extranasalen Opera- 
tionen, die publiziert werden. Hajek und andere berufene Vertreter 
haben dem ja auch Ausdruck gegeben und geraten — abgesehen von 
schwer infektiösen Eiterungen —, möglichst lange auf endonasalem 
Wege Heilung anzustreben. Vier Beobachtungen illustrieren die obigen 
‚Anschauungen des Verf.s. F. Alexander (Frankfurt a. M.). 





6) Rhein. Treatment of loosened teeth. 
(Journ. of the amer. med. assoc. 1906. Juli 28.) 

Die verschiedenen Ursachen der Lösung des Zahnes werden be- 
sprochen. Im Vordergrunde des Interesses steht die Benutzung der 
Röntgenaufnahme zur Diagnose der Ursache, und an einer Reihe von 
Beispielen (Bilder) wird gezeigt, wie mit Hilfe des Röntgenbildes 
kleine, symptomlose Abszesse an der Zahnwurzel, Schwund des 
Alveolarfaches, Resorption von Teilen der Wurzel und ähnliche Affek- 
tionen nachgewiesen werden können, Erkrankungen, die auf anderem 
Wege nicht feststellbar sind, und deren richtige Erkenntnis die Therapie 
wesentlich beeinflußt. Auch einige Aufnahmen, welche die Schienung 
eines losen Zahnes an seine Nachbarn zeigt, sind beigefügt. 

Trapp (Bückeburg). 





7) Martin. The significance of some enlargement of the 
thyroid gland. 
(Brit. med. journ. 1906. September 22.) 

Verf. gebraucht den Ausdruck »Thyreokele«, um eine einfache, 
reine Vergrößerung der Schilddrüse zu bezeichnen. Eine wenn auch 
noch so schwach sichtbare Vorwölbung am Halse, die auf die Schild- 
drüse zu beziehen ist, bedeutet nach ihm eine Abweichung von der 
Norm. Diese Drüsenvergrößerung steht in engem ursächlichem Zu- 
sammenhange mit dem Wachstumsreiz der Jugend, mit »unregelmäßigen 
Gewohnheiten des Körpers« (Überfülltheit der Schulen, Mangel an 
Körperübung, chronische Verstopfung usw.), mit der Pubertät, der 
Menstruation, der Schwangerschaft, dem Geschlecht. In der weit 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 1381 


überwiegenden Mehrzahl werden Frauen befallen, besonders Mehr- 
gebärende Während der Schwangerschaft fand man bis zu 81% 
Fälle von Schilddrüsenvergrößerung, die nach der Geburt verschwand, 
um mit jeder neuen Schwangerschaft wiederzukehren. Auch zwischen 
Chlorose und Schilddrüsenvergrößerung besteht ein naher Zusammen- 
hang. Das Trinkwasser spielt in seinen Fällen sicherlich keine wesent- 
liche Rolle. 

Zur Behandlung empfiehlt Verf. Schilddrüsenextrakt. Von 40 Fällen 
heilte er 12, besserte er wesentlich 13, geringfügig 15. Durchschnitt- 
lich wandte er den trockenen Extrakt für 3 Monate an bis zum Auf- 
treten eines leichten Thyreoidismus: Vermehrung der Pulsfrequenz bei 
Verminderung der Spannung und Vergrößerung der Welle. M. be- 
tont am Schluß noch einmal: die Anforderungen erhöhter Leistungen 
des Körpers, wie Wachstum, Pubertät, Schwangerschaft, Menstruation, 
sind bei Menschen mit schwacher Schilddrüsentätigkeit ein genügender 
Reiz zur Vermehrung der Drüsenmenge. Weber (Dresden). 





8) L. B. Bangs. Scme observations on prostatectomy. 
(New York med. record 1906. Juni 23.) 

B. betont, daß bei der Entscheidung zur Vornahme der Prostat- 
ektomie der Allgemeinzustand des Pat., dessen soziale Lage und auch 
die Fähigkeit, ärztliche Vorschriften zu befolgen, sehr in Betracht 
kommen, ferner ob der Gebrauch des Katheters durchzuführen sei 
oder fehlschlage und schließlich die Überlegung, ob der Eingriff selbst 
auch wirklich von Nutzen sei. Verf. gibt dann einige Kranken- 
geschichten, aus denen hervorgeht, wie oft wichtige Symptome über- 
sehen werden. Kleine Organe sind entfernt worden, die gar keine 
eigentliche Obstruktion hervorgerufen haben. Besonders sind Zustände 
von chronischer interstitieller Cystitis zu beachten, wodurch die Ka- 
pazität der Blase so herabgesetzt wird, daß die Frequenz der Miktion 
von ihnen allein herrührt. Nur bei klaren Indikationen kann ein 


Vorteil aus der operativen Behandlung verwertet werden. 
Loewenhardt (Breslau). 





9) J. V. Shoemaker. The galvanic and other treatment of 


the prostate. 
(New York med. record 1906. August 4.) 
S. fand aus eigener Erfahrung, daß bei der Behandlung der 
Prostatahypertrophie der galvanische Strom vom höchsten Werte sei 


bei Einführung der negativen Elektrode in den Mastdarm. 
Loewenhardt (Breslau). 





10) C. Blauel. Über subkutane Ureterverletzungen. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. L. Hit. 1.) 
Unter Ausschluß gynäkologischer Verletzungen konnte Verf. in 
der Literatur 11 sicher erwiesene Fälle von subkutaner Harnleiter- 


1382 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 


verletzung auffinden und bringt eine weitere Beobachtung aus der 
v. Bruns’schen Klinik zur Mitteilung. 

Die Verletzung kommt durch schwere Gewalteinwirkung zustande, 
welche meist eine direkte, nämlich Überfahrung 5, Quetschung 1, 
Riß 3mal, selten eine übertragene ist (2mal Fall aus der Höhe). 

Vor Verletzung durch direkten Druck, wie er in 6 Fällen an- 
zunehmen war, ist der Harnleiter nicht nur durch seine Lagerung auf 
dem M. psoas, sondern insbesondere durch seine große Verschieblich- 
keit im retroperitonealen Zellgewebe geschützt. Allein gerade letztere 
Eigenschaft kann verhängnisvoll werden, wenn der Harnleiter, vor der 
Gewalt ausweichend, von dieser auf der Wirbelsäule erreicht wird, wie 
dies nicht nur bei Hufschlägen usw., sondern auch bei Überfahrungen, 
dem häufigsten Entstehungsmechanismus, zutrifft. Die angestellten 
Leichenversuche bestätigten diese Erklärung. 

Die Entstehung von Harnleiterverletzungen durch hydraulische Pres- 
sung ist bisher nur in 1 Fall als Fernwirkung erwiesen. Auch durch 
gewaltsamen Zug wird der sonst sehr dehnungsfähige Harnleiter mit- 
unter verletzt, zumal über dem Querfortsatz des 2. Lendenwirbels. 

Die Verletzungen sitzen in der Mehrzahl der Fälle in der oberen 
Hälfte des Harnleiters und sind teils vollkommene, teils unvollkom- 
mene Kontinuitätstrennungen, bei welchen sich die Muskulatur ein- 
rollen kann. 

Zu den gewöhnlichsten Mitverletzungen gehören Schädigungen des 
Peritoneums mit intraperitonealem Urinerguß, der Därme und der 
Niere, sowie Bruch der Rippen und Wirbel. 

Die entweder sofort oder nach eingetretener Nekrose der ver- 
letzten Harnleiterpartie sich entwickelnde retroperitoneale Urininfiltra- 
tion führt zur Bildung einer Pseudohydronephrose, deren Inhalt in 
der Regel weniger bluthaltig ist als bei analogen Nierenverletzungen. 
Die durchaus ungünstige Prognose des intraperitonealen Urinergusses 
erklärt sich aus der unausbleiblichen Infektion, welche entweder durch 
Aufsteigen von der Blase oder wahrscheinlich häufiger von geschädig- 
ten Darmpartien ausgeht. 

Die typische Spätfolge subkutaner Harnleiterverletzungen stellt 
die traumatische Hydronephrose, bedingt durch Narbenverschluß des 
Harnleiters, dar. 

Die für die Diagnose in Betracht kommenden Symptome werden 
nicht nur häufig durch die Mitverletzungen in den Hintergrund ge- 
drängt, sondern sind auch nur für eine Verletzung des Harnapparates 
im ganzen, nicht speziell des Harnleiters, charakteristisch, so daß eine 
exakte Diagnose sich nur mit Hilfe des Cystoskops stellen läßt. 

Die Mortalität der Harnleiterverletzungen ist noch eine hohe: von 
12 Pat. starben 2 an Chok, 3 infolge Urinergusses in die Bauchhöhle, 
1 an Urämie, 1 infolge später Vereiterung einer Hydronephrose. 

Therapeutisch wird bei früh diagnostizierten Fällen ohne Neben- 
verletzungen Naht oder Plastik des Harnleiters berechtigt sein. In 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 1383 


den meisten anderen Fällen kommt Inzision der Urinansammlung und 
eine mehr abwartende Behandlung in Frage. Beich (Tübingen). 





11) M. Jungano. Les lésions anatomo-pathologiques du rein 
dans l'infection expérimentale provoquée par le trypanosome 
Brucei. 

(Ann. des malad. des org. gén.-urin. 1906. Nr. 19.) 

Verf. hat an mit Trypanosomen infizierten Mäusen und Meer- 
schweinchen pathologisch-anatomische Untersuchungen über die Ver- 
änderungen an den Nieren angestellt und glaubt, daß diese Verände- 
rungen hervorgerufen werden durch von den Parasiten stammende 
lösliche Produkte, gegenüber denen die epithelialen Elemente der 
Niere ganz besonders empfindlich sind. Paul Wagner (Leipzig). 





12) E. Forgue (Montpellier). Technique de la cure opéra- 
toire de lectopie testiculaire. 
(Presse méd. 1906. Nr. 90.) 


In einem ausfiihrlichen, mit zahlreichen guten Illustrationen aus- 
gestatteten Aufsatze beschreibt F. die Operation des ektopischen 
Hodens. Um gute und bleibende Resultate zu erhalten, muß man 
sich vor Augen halten, daß der Hoden durch dreierlei Bänder in 
seiner falschen Stellung zurückgehalten wird: durch Adhärenzen, welche 
die Elemente des Samenstranges an den peritoneo-vaginalen, mitunter 
offenen oder auch geschlossenen Überzug befestigt; durch die un- 
genügende Länge des spermatischen Gefäßbündels, endlich durch die 
Kürze des Ductus deferens. 

Der Operationsvorgang ist in Kürze folgender. Angenommen, es 
handle sich um den häufigsten Fall, eine inguinale Ektopie mit 
offenem Scheidenkanale, mit oder ohne entwickelten Bruch. Der 
Schnitt wird schief in der Richtung des Leistenkanals und hoch 
hinauf, wie bei der Bassini’schen Operation, vorgenommen. Die 
Aponeurose des Obliquus externus wird über der ganzen Länge des 
Leistenkanals gespalten und hierauf der untere Rand des ÖObliquus 
internus und des Transversus, sowie auch der obere Rand des Lig. 
Pouparti freigelegt. Auf diese Weise werden die perifunikulären Ad- 
härenzen bis hoch hinauf freigelegt. Hierauf werden alle Hüllen des 
Funiculus, einschließlich die Vaginalis, der Länge nach durchschnitten 
und letztere quer durchtrennt, um auf diese Weise eine Hülle für 
den Hoden zu bilden. Nach oben hin muß die Serosa so hoch wie 
möglich von den Elementen des Samenstranges abgelöst werden, was 
für die Befreiung der Gefäße von großer Bedeutung ist. Letztere 
können bis in die Fossa iliaca abpräpariert werden, falls man durch 
Zug am Hoden eine Resistenz von seiten derselben fühlt. Bei 
geschlossenem Vaginalkanale muß nach oben das peritoneale Infun- 


1384 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 


dibulum desselben aufgesucht und inzidiert werden, um die Samen- 
stranggefäße freimachen zu können. Sind die Widerstände von seiten 
der Blutgefäße beseitigt, so findet man den Ductus deferens meist 
genügend lang, um den Hoden hinunterziehen zu können. Derselbe 
wird nun auf dem Boden des Hodensackes fixiert und der Leisten- 


kanal nach der Bassini’schen Methode geschlossen. 
E. Toff (Braila). 





‚Kleinere Mitteilungen. 


13) Ballance. Case of traumatic hemorrhage into the lateral lobe of 
the cerebellum treated by operation with recovery. 
(Surgery, gynecology and obstetrics Bd. III. Hft.1 u. 2.) 

12jähriger Knabe war 2 Monate vor Aufnahme in die Klinik gefallen und 
mit dem rechten Scheitelbein aufgeschlagen. Außer leichter, schnell vorüber- 
gehender Betäubung und Nasenbluten traten zunächst keinerlei Erscheinungen auf. 
Bei der Aufnahme dagegen fand sich leichtes Fieber, Pat. lag zusammengekrümmt 
stets auf der rechten Seite, hatte Erbrechen, Kopfweh und Schwindel, der Gang 
war völlig unkoordiniert, ebenso die Bewegungen des linken Armes; linker Knie- 
reflex verstärkt, rechter abgeschwächt. Beim Gehen strebte Pat. von links nach 
rechts und bei den Schwindelanfällen schienen ihm auch die Gegenstände in 
gleicher Richtung zu laufen. Neuritis optica und Nystagmus waren vorhanden. 
Während 3monatiger Beobachtung ging ein Teil der Hirnerscheinungen zurück; 
die Parese von Arm und Bein blieb, das Gesicht verschlechterte sich. Deshalb 
Bloßlegung der linken Kleinhirnhälfte; sie stand unter Druck. Eine Geschwulst 
fand sich nach Eingehen mit dem Finger in die Kleinhirnsubstanz in etwa 3 cm 
Tiefe. Nach ihrer Entfernung, die sich durch den Eingangskanal leicht vollzog, 
erwies sie sich als ein altes, festes Blutgerinnsel. Die Wundheilung verlief glatt, 
über die Zeit des Verschwindens der Lähmungen usw. ist nichts gesagt. 4 Jahre 
nach der Operation ist das einzige noch an die früherere Erkrankung erinnernde 
leichte Abschwächung der groben Kraft in der linken Hand und geringer Nystagmus 
des linken Auges, Trapp (Bückeburg). 


14) P. Clairmont. Doppelte Schädelplastik. 
(Wiener klin. Wochenschrift 1906. Nr. 42.) 

Verf. deckte mit Erfolg zwei 6,5><3,5 cm und 8><4 cm große Schädeldefekte 
plastisch in einer Sitzung, den einen mit einer Zelluloidplatte nach Fränkel, den 
anderen mit v. Hacker-Durante’schen Periost-Knochenlappen. Vor der 
Müller-König’schen Plastik soll letzteres Verfahren den Vorzug haben, daß es 
bei leichterer Technik — subaponeurotisch ausgeführt — keinen Weichteildefekt 
hinterläßt; vor der strengste Asepsis voraussetzenden Fränkel’schen Methode, daß 
es schon bei granulierenden Schädelwunden ausführbar ist. 

Lessing (Hamburg). 
15) Paget. Simulation of mastoid disease. 
(Brit. med. journ. 1906. September 22.) 

Bericht über Vortäuschung einer Mastoiditis in zwei Fällen von Kranken- 
schwestern, von denen besonders der zweite interessant ist. Eine schon als hyste- 
risch bekannte Schwester, die an einer ganz leichten Otorrhöe litt, bot bei Auf- 
nahme das Bild einer schweren intrakraniellen Komplikation dar: Lethargie, 
Bewegungslosigkeit, ganz schwache, flüsternde Stimme, Stöhnen vor Schmerz, 
Reaktionslosigkeit gegen alles, was um sie her vorging. So lag sie 14 Tage, bis 
nach Ablauf dieser Zeit Krimpfe in Hand und Arm der gegeniiber liegenden 
Seite P. zur Operation veranlaßten. Der Eingriff war ganz negativ, trotzdem lang- 
same Besserung. 1 Jahr später Wiederholung des gleichen Symptomenbildes. 

Weber (Dresden). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 1385 


16) @. Laurens. Résection cranienne pour ostéomyélite diffuse. de la 
mastoide et de l’ecaille occipitale; phlebite du sinus lateral et du 
golfe de la jugulaire; septicémie otogéne prolongée; quatre opérations; 
guérison. 
(Revue hebdom. de laryngol., d’otol. et de rhinol. 1906. Nr. 40.) 


Der ausführlichen Überschrift ist noch folgendes von Belang aus der sehr 
interessanten Krankengeschichte nachzutragen: Am 11. November Aufmeißelung 
und Resektion großer Teile des Occiput; die Wunde erstreckte sich bis 8 cm hinter 
den Gehörkanal Am 12. November Schüttelfrost; Eröffnung des Sinus, der Eiter 
enthält. Am 16. November Freilegung der Jugularis, die frei erscheint; in den 
folgenden Tagen Fortdauer pyämischer Symptome, Leberschwellung usw. Am 
20. November Freilegung und Eröffnung des Bulbus, bis zu dem sich die Throm- 
bose erstreckt. Am 21. November voll ausgebildete Meningitis, die 2 Tage anhält. 
Die pyämischen Symptome, speziell die Fröste, dauern bis Ende Dezember an. 
Dann langsame Heilung; auffallend war die fast völlige Regeneration der Kno- 
chen in so großer Ausdehnung. F. Alexander (Frankfurt a. M.). 


17) M. Boulay. Abcés épidural extériorisé par le trou déchiré 
postérieur. 
(Revue hebdom. de laryngol., d’otol. et de rhinol. 1906. Nr. 36.) 


_ Wenige Tage nach Operation einer ausgedehnten Mastoiditis mit Freilegung 
des Sinuskanales erkrankte Pat. von neuem unter Fieber und mit Schmerzen an 
der betreffenden Halsseite. Da er sich nicht zu einem zweiten Eingriff entschließen 
konnte, nahm die Schwellung der Halsgegend beträchtlich zu, und bei Druck auf 
dieselbe entleerte sich schließlich Eiter aus der retroaurikulären Wunde. Erst 
2 Monate nach der ersten Operation willigte Pat. in einen weiteren Eingriff, und 
hierbei zeigte sich, daß der Eiter im knöchernen Sinuskanal, also durch das Fora- 
men jugulare, seinen Weg gefunden; am Bulbus fand sich ein »epiduraler« Abszeß. 
Pat. starb in derselben Nacht. Autopsie verweigert. Auffallend ist das Fehlen 
jeglicher Symptome von seiten der Hirnnerven (IX., X., XI). Verf. fand nur drei 
Fälle in der Literatur, und zwar von Rossi, Kessel und Laurens publiziert. 

F. Alexander (Frankfurt a. M.). 


18) Lemere. A remarkable osteo-calcareus tumor in the nose. 
(Journ. of the amer. med. assoc. 1906. Juli 28.) 


Bei einem 1djährigen Mädchen fand sich im linken, undurchgängigen Nasen- 
loch eine harte Geschwulst, die bei Versuch der Entfernung den größten Wider- 
stand leistete und erst nach wiederholten Angriffen mit Fraisen, Bohrern und 
Meißeln, nachdem eine Anzahl dieser Werkzeuge zu Bruch gegangen war, entfernt 
werden konnte. Sie erwies sich als ein völlig versteinertes Osteom, das vom Sieb- 
bein ausgegangen zu sein schien; wenigstens wiesen die Öffnungen der Ernährungs- 
gefäße und der Zusammenhang auf diesen Ursprung hin. 
Trapp (Bückeburg). 


19) @. Alexandre. Un cas de calcul de la glande sous-maxillaire. 
(Revue de chir. XXVI. ann. Nr. 5.) 


Die Mitteilung verdient Interesse, weil A. aus dem Konkrement in Bouillon 
Leptothrix in Reinkultur züchten konnte, und der infektiöse Ursprung somit er- 
wiesen ist. Seltsam und noch unerklärt ist das vorwiegende Vorkommen linkerseits. 

_ Diagnostisch kommt für Speichelsteine der Austritt von Eitertropfen aus den 

Öffnungen der Kanäle (hier also Warthon’scher Kanal) und Schwellung der 

Gland submaxill. mit ungleicher Konsistenz der einzelnen Partien in Betracht. 
Christel (Metz). 


1386 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 


20) H. Massier. Tuberculeuse amygdalienne & forme amygdalienne. 
(Revue hebdom. de laryngol., d’otol. et de rhinol. 1906. Nr. 37.) 

Die eine Gaumenmandel war in toto vergrößert und zeigte eine graublaue 
Farbe mit Erweiterung einiger Gefäße an der Oberfläche. Die histologische Unter- 
suchung führte zur Diagnose. Ablösung von den Gaumenbögen und sorgfältige 
Enukleation brachten Heilung. F. Alexander (Frankfurt a. M). 


21) Aka. Abcés rétro-pharyngien inférieur consécutif & l’ablation des 
adénoides chez un adulte. 
(Revue hebdom. de laryngol., d’otol. et de rhinol. 1906. Nr. 38.) 

Die 26jährige Pat. hatte eine stark schleimigen Eiter sezernierende Rachen- 
mandel mit einem sekundären Rachenkatarrh; die Rachenmandel wurde mit einem 
Moure’schen Adenotom entfernt, nachdem eine kalte Nasenspülung vorausgeschickt 
war; eine ebensolche folgte der Operation. Nach 14 Tagen erschien Pat. mit einer 
starken Vorwölbung der hinteren unteren Rachenwand; dieselbe bedeckte die Ary- 
knorpel und hatte sich unter großen Beschwerden unmittelbar nach der Operation 
zu entwickeln begonnen. Eröffnung mit dem Galvanokauter, 3—4tägige Eiter- 
entleerung. Heilung. Verf. möchte weder dem Adenotom, noch den kalten Nasen- 
spülungen, noch dem tastenden Finger die Schuld beimessen, sondern neigt der 
Ansicht zu, daß eine akute Infektion auf dem Boden der chronisch entzündeten 
Rachenschleimhaut als Ursache am wahrscheinlichsten anzusehen sei. 

F. Alexander (Frankfurt a. M.). 


22) J. A. Fordyce. A case of undetermined tropical ulceration in- 


volving the nose, pharynx and larynx, with histological findings. 
(Journ. of cutan. diseases, incl. syphilis Vol. XXIV. Nr. 1.) 

Ein 24jähriger, in Panama geborener Schwarzer litt an geschwiirigen Pro- 
zessen im Rachen, Kehlkopf, am Naseneingang und am rechten inneren Augen- 
winkel. Außerdem fanden sich bereits abgeheilte, durch Narben kenntliche Stellen 
im Rachen und an einem Arme. Die Erkrankung hatte vor 6 Jahren in der Nase 
begonnen; ein Polyp war aus der Nase entfernt worden, die Krankheit hatte dann 
immer weitere Fortschritte gemacht. Die zurzeit bestehenden Ulzerationen sind 
nicht erheblich tief und durch einen scharfen, etwas erhabenen Rand begrenzt. 
Die zunächst gestellte Diagnose war Lues. Infektion negiert. Energische Queck- 
silber- und Jodkalikur ohne Erfolg, daher als zweite Diagnose Tuberkulose gestellt. 
Im Eiter und Schnittpräparaten waren Tuberkelbazillen nicht nachzuweisen, des- 
gleichen Impfversuche an Meerschweinchen und Tuberkulininjektion an dem Pat. 
ohne Erfolg. Daher wurde auch Tuberkulose als nicht vorliegend betrachtet, wenn 
sich auch in den Schnitten zahlreiche, mit wandständigen Kernen versehene Riesen- 
zellen fanden. Blastomykosis, Aktinomykosis, Rhinosklerom und Lepra waren wegen 
Fehlens der spezifischen Erreger auszuschließen, es wurde deshalb als endgültige 
Diagnose »tropische Ulzeration« gestellt. 

Im Anschluß hieran berichtet F. W. Arnold, daß er in Guam 30 ganz ähn- 
liche Fälle geseben habe. 

Sehr gut gelungene Photographien von den makroskopischen und mikroskopi- 
schen Bildern sind der Arbeit beigefügt. 0. Urban (Breslau). 


23) W. Deissler. Ätiologie und Therapie des Caput obstipum con- 


genitum et spasticum. 
Diss.-Inaug., Leipzig, 1902. 

Ausgezeichnete historische Übersicht über das Thema und Mitteilung der 
Resultate aus der Leipziger Kinderklinik (Tillmanns): Während der letzten 
10 Jahre wurden dort 32 Schiefhälse operiert, und zwar mit Ausnahme von vier 
mittels offener Myotomie. Die vier Ausnahmen wurden nach Mikulicz reseziert. 
Die Resultate waren gut, bei nachuntersuchten Fällen fanden sich nie Rezidive. 

Goebel (Breslau). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 1387 


24) Keen and Funke. Tumor of the carotid gland. 
(Journ. of amer. med. assoc. 1906. August 8.) 

b6jähriger Mann kam wegen Geschwulst an der linken Halsseite, die seit 
18 Jahren bestand, sehr langsam aber stetig wuchs und außer der Verunstaltung 
keine Beschwerden machte, in K.’s Behandlung. Die Geschwulst maß 13cm in 
der Breite, reichte vom Unterkieferast 10 cm abwärts und lag hauptsächlich vor 
dem linken Kopfnicker, erstreckte sich aber unter seiner ganzen Breite nach hinten. 
Sie pulsierte durch die Lage auf der Carotis, war weich ohne zu fluktuieren. 
Diagnose: Lipom. Nach Freilegung machte die vorliegende Geschwulst zunächst 
dem Aussehen nach und infolge der reichen Gefäßversorgung — viel ausgedehnte 
Venen waren an seiner Oberfläche sichtbar — den Eindruck eines versprengten 
Kropfes. Bald aber änderte K. seine Diagnose in die einer Geschwulst der Carotis- 
drüse, da die Carotis mitten durch die Geschwulst durchging. Die Jugularis com- 
munis lag an der Oberfläche, und Arterie wie Vene waren so fest verwachsen, daß 
Ausschälung oder Abpräparieren ausgeschlossen war. Sie wurden reseziert und 
die Geschwulst entfernt; sehr große Schwierigkeit bereitete die Blutung, etwa 
60 Unterbindungen wurden gemacht. Vagus, Sympathicus und Hypoglossus, Speise- 
und Luftröhre lagen nach der Ausschaltung bloß. Am 2. Tage nach der Opera- 
tion, die zunächst gut überstanden war, trat sehr akutes Lungenödem auf, dem der 
Tod folgte. Es folgt die sehr genaue grob-anatomische und histologische Beschrei- 
bung mit guten Abbildungen der Geschwulst. Im Anschluß an diese Beobachtung 
bringt K. die Krankengeschichten von im ganzen 29 Fällen dieser seltenen Ge- 
schwulst und eine allgemeine Besprechung derselben unter Berücksichtigung aller 
Gesichtspunkte. Reichliche Literaturangaben sind beigefügt. 

Trapp (Bückeburg). 


25) Böhme. Kurzer Bericht über durch Bier’sche Stauung mit Saug- 
glocken bei Bubonen und einigen urologischen Erkrankungen erzielte 


Erfolge. 

(Zentralblatt f. d. Krankheiten d. Harn- u. Sexualorgane Bd. XVII. Hft. 7.) 

Einige mit Erfolg durch Stauung behandelte Fälle, neben Bubonen je ein 
Fall von | 

1) Chorda penis infolge vereiterter para-urethraler Cyste, 

2) para-urethraler Cyste im Sulcus coronarius, 

3) Ulcus orificii urethrae, 

4) Cavernitis urethrae, 

5) massenhaft akut blennorrhoischen para-urethralen Gängen; Hypospadie 
zweiten Grades. Grunert (Dresden). 


26) 8S. Galatzi. Rétrécissement congénital de ľurètre incontinence 


diurné, ureterotomie interne, guerison. 
(Ann. des malad. des org. génito-urin. 1906. Nr. 19.) 

Das früher angezweifelte Vorkommen von angeborenen Verengerungen der 
Harnröhre ist jetzt namentlich durch die Untersuchungen von Bazy und seine 
Schüler sichergestellt. Die bisher mitgeteilten Beobachtungen sind nicht sehr zahl- 
reich und betrafen in der Hauptsache junge Leute, bei"denen die Möglichkeit einer 
gonorrhoischen Infektion doch nicht sicher auszuschließen war. Verf. teilt nun 
die sehr interessante Krankengeschichte eines 8jährigen Knaben mit, der seit 
3 Jahren an Harninkontinenz litt, und zwar nur während des Tages, wenn er 
herumlief und spielte. Nachts bestand niemals Inkontinenz, ebensowenig am Tage, 
wenn sich der Knabe ruhig verhielt. Therapeutisch war bisher alles mögliche, 
aber ohne jeden Erfolg versucht worden. Die sehr schwierige Untersuchung der 
Harnröhre mittels Guyon’scher olivenförmiger Sonden ergab ein deutliches 
Hindernis am penoskrotalen Winkel; es fand sich daselbst ein resistenter, narben- 
artiger Strang, der 2/, des Umfanges des Kanals einnahm und nur die obere Wand 
freiließ. Urethrotomia interna; vollkommene, anhaltende Heilung; keine Spur von 


1388 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 


Inkontinenz mehr. Wie in anderen Beobachtungen, so fanden sich in dem Falle 
des Verf.s auch noch andere Mißbildungen an den Genitalorganen: Phimose, Ver- 
wachsungen zwischen Präputium und Glans, Ektopie beider Hoden, eigentümliche 
Krümmung des Penis wie bei der Hypospadie. Wahrscheinlich beruhen alle diese 
Hemmungsmißbildungen auf hereditärer Syphilis. Paul Wagner (Leipzig). 


27) Weinreich. Zur Pathologie und Therapie der gutartigen Harn- 
blasengeschwülste. 
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXX. Hft. 4.) 

Verf. bespricht die Frage der Umwandlung gutartiger Blasenpapillome in bös- 
artige Geschwiilete. Wenn sich dieses Vorkommnis auch nicht ableugnen läßt, so 
ist es doch keineswegs für jeden Fall nachzuweisen. Unter Nitze’s 150 intra- 
vesikal operierten Fällen ist diese Umwandlung nicht ein einziges Mal aufgetreten. 
Darunter befindet sich ein Fall, der schon 10 Jahre in Beobachtung steht, und bei 
dem wiederholt im Laufe dieser Zeit neue Papillome exstirpiert wurden. Die von 
Nitze mit der endovesikalen Methode erzielten Erfolge bei Abtragung dieser Ge- 
schwiilste sind besser als die mit Sectio alta von verschiedenen Operateuren ge- 
wonnenen. W. halt Nitze’s Verfahren auch für ungefährlicher und für um so 
wertvoller, als man sich bei Rezidiven, wie sie ja nicht selten sind, leichter zu 
einem wiederholten Eingriff als bei dem hohen Bilasenschnitt entschließen wird. 
Verf. hat selbst drei Pat. mit Erfolg endovesikal operiert. 

E. Siegel (Frankfurt a. M.). 


28) Daum. Blasen-Scheidenfistel, verursacht durch einen Blasenstein. 
(Lwowski Tygodnik lekarski 1906. Nr. 39.) 

Verf. beschreibt einen seltenen Fall, wo ein Blasenstein infolge Druckes die 
Blase gegen die Scheide perforierte und in der Klinik des Prof. Mars in Lem- 
berg operiert wurde. Er betraf eine 50jährige Frau, die dreimal entbunden und 
normale Wochenbetten durchgemacht hatte. In der vorgefallenenen vorderen 
Scheidenwand war eine kreuzergroße, dünnwandige Öffnung, aus der Harn aus- 
sickerte, die übrigens durch einen Stein verlegt war. Die Fistelöffnung wurde 
erweitert, ein Stein von 3><4><31/g cm Größe entfernt, dann die Wunde ge- 
schlossen. Glatte Heilung. Bogdanik (Krakau). 


29) A. L. Gray. The Roentgen ray treatment of malignant disease 
of the bladder through a suprapubic incision. Report of a case. 
(Amer. journ. of surgery 1906. Oktober.) 

Bei einem 67jährigen Priester wurde durch Sectio alta ein kinderfaustgroßes 
Plattenepithelkarzinom von einem handgelenkdicken Stiel im Blasengrunde abge- 
tragen, und letzterer 1 Woche nach der Operation mit Röntgenstrahlen behandelt, 
Jeden 2. Tag wurde eine Sitzung von 10 Minuten Dauer vorgenommen, indem ein 
die Strahlen leitendes Rohr durch die offen gebliebene Wunde bis direkt auf den 
Stiel eingeführt wurde. Für Nebenabfluß des Urins wurde Sorge getragen. Voll- 
kommenes Verschwinden des Stieles und Bildung einer linearen Narbe nach 
21 Sitzungen, dann in etwa 6 Wochen Schluß der suprapubischen Wunde. Bisher 
— 6 Monate lang — kein Rezidiv. Verf. denkt auch an eventuelle, durch die 
Bestrahlung bedingte Radioaktivität des Urins. Goebel (Breslau). 


30) P. Mendés. De la cystotomie sus-pubienne chez les jeunes 


enfants. 
(Ann. des malad. des org. génito-urin. 1906. Nr. 18.) 

Bei einem 5 Monat alten Knaben mit Steinbeschwerden konnte Verf. mit 
Hilfe des Guyon’schen Explorators einen Blasenstein nachweisen. Chloroform- 
narkose; hoher Blasenschnitt; Entfernung eines 4 g schweren Phosphatsteines. 
Fortlaufende Catgutnaht der Blasenschleimhaut; Verschluß der Blasenwunde durch 
fünf Seidenknopfnähte; Naht der Bauchdecken; Drainage im unteren Wund- 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 1389 


winkel; während der ersten 3 Tage Dauerkatheter. Heilung am 15. Tage. Verf. 
hat in der Literatur keinen Fall gefunden, wo der hohe Steinschnitt in so jugend- 
lichem Alter vorgenommen wurde. Er selbst verfügt noch über 31 weitere hohe 
Steinschnitte, die er bei Kranken männlichen Geschlechts im Alter von 4 bis 
68 Jahren ausgeführt hat. In 27 Fällen nahm er die Blasennaht vor und hatte 
dabei 21 vollständige Erfolge. Paul Wagner (Leipzig). 


31) R. Borrmann. Ein Fall von blind endigendem Ureter mit cysti- 
scher Vorwölbung der Harnblase, kombiniert mit Cystenniere der- 
selben Seite. 

(Virchow’s Archiv Bd. CLXXXVI. p. 25.) 


Bei der Autopsie eines 5i/g Monat alten Kindes, das an einem Pleuraempyem 
zugrunde gegangen war, zeigte sich, daß der linke Harnleiter etwa in der Mitte 
der Wandschichten der Blase blind geendigt hatte. Durch den Druck des Urins 
war die Muskulatur der Blasenwand auseinander gedrängt. Es war so zur Bildung 
eines cystischen Sackes gekommen, der sowohl nach der Lichtung der Harnblase 
zu vorsprang, als auch nach hinten außen in den Douglas hinein sich ausdehnte, 
Der in die Harnblase sich hinein erstreckende Teil hatte zu einer teilweisen Ver- 
legung des rechten Harnleiters und einer beginnenden Hydronephrose der rechten 
Niere geführt. Der linke Harnleiter selbst war in keiner Weise erweitert, die linke 
Niere in einen gänseeigroßen cystischen Sack verwandelt. Die ausführlichen Aus- 
einandersetzungen über die Entstehungsweise dieser Mißbildung müssen im Ori- 
ginal nachgelesen werden. Neu und bisher nicht beobachtet sind nach den An- 
gaben B.'s die in seinem Falle vorhandene Verdrängung und Aufsplitterung der 
Blasenmuskulatur durch die allmählich an Größe zunehmende Cyste, ferner der 
Umstand, daß der linke Harnleiter selbst in keiner Weise erweitert war, und daß 
sich die Cyste nicht allein in die Blasenlichtung, sondern auch nach dem Douglas 
zu entwickelt hatte. Doering (Göttingen). 


32) L. Suarez. Rupture sous-cutanée du rein; son mécanisme. 
(Ann. des malad. des org. gén.-urin. 1906. Nr. 18.) 


Uber die Symptomatologie, pathologische Anatomie und Behandlung der sub- 
kutanen Nierenzerreißungen sind die Ansichten kaum noch geteilt, um so mehr 
jedoch über den Mechanismus der Verletzung. Verf. operierte einen 21 jährigen 
Mann, der durch einen Hufschlag gegen die linke Brustseite eine schwere Nieren- 
quetschung mit Hämaturie erlitten hatte. Bei der lumbalen Freilegung der Niere 
fand sich diese nach unten und innen verschoben. Sie zeigte normale Größe und 
normales Aussehen mit Ausnahme des unteren Endes. Hier fand sich ein ca. 5 cm 
langer Längsriß, der mit Catgut genäht wurde. Naht der Weichteile, Drainage. 
3 Tage später verschwand die Hämaturie, kehrte dann aber am 8. Tage nach der 
Operation wieder; vom 14. Tage an rasch fortschreitende Besserung und voll- 
kommene Heilung. — Verf. gibt nun einen kurzen kritischen Überblick über die 
verschiedenen Ansichten, die von den verschiedenen Autoren über den Mechanis- 
mus der Nierenquetschung vorgetragen werden. Für die meisten Fälle ist die 
Gueterbock’sche Theorie genügend. In dem vom Verf. mitgeteilten Fall ist 
nun aber bemerkenswert, daß, obwohl das Trauma den seitlichen Brustkorb traf, 
der Nierenriß sich nur am unteren Nierenpole befand, also an der Stelle, die von 
der Einwirkungsstelle des Trauma am entferntesten lag. Verf. findet die Erklärung 
hierfür darin, daß bei Erschlaffung der Befestigungsmittel der Niere diese nach 
unten und innen verschoben wird, und zwar in der Art, daß der untere Nierenpol 
von der Lendenwirbelsäule nur 2—3 cm entfernt ist. Bei Gewalteinwirkungen von 
oben her wird dann der untere Nierenpol gegen die Körper der Lendenwirbel- 
säule gequetscht, und es kommt dann zu Einrissen, die auf den unteren Teil der 
Niere beschränkt bleiben. Paul Wagner (Leipzig). 


1390 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 


33) A. L. Franklin. Rupture of both kidneys with intraperitoneal 
hemorrhage; removal of all of left kidney and part of right kidney; 
recovery. 

(Amer. journ. of surgery 1906. Oktober.) 


16jähriges Mädchen fiel 4 Fuß tief von einem Eisenbahnwagen mit dem Leib 
quer auf die Schienen und ging noch 1/2 km. Dann Koliken, Chok, Unruhe. 
Temperatur nach 1 Stunde normal, Puls 127, irregulär; Bauch ausgedehnt, Rigi- 
dität des rechten Rectus, Erbrechen usw. Katheter ergibt blutigen Urin. Opera- 
tion, anfangs abgelehnt, nach 18 Stunden: Im Bauche Blut und Urin. Rechte 
Niere tief unten direkt vor dem 3. und 4. Lendenwirbel, durch ein festes, fibröses, 
1/2 Zoll im Durchmesser haltendes Band an ihrem untern Pol mit der linken Niere 
verbunden (Hufeisenniere?). Drei Querrisse der rechten Niere. Die linke Niere 
buchstäblich in Fragmente zerschmettert, ganz ohne Kapsel und vom Harnleiter 
getrennt. Unterbindung der Gefäße, Entfernung der ganzen linken und eines, in 
Brei zermalmten, Teiles der rechten Niere. Die zurückbleibenden Teile der letz- 
teren (nicht mehr als 2/, des gesamten Nierengewebes) zeigten zwei Risse, die mit 
Gaze tamponiert wurden. Schluß des Bauches nach Spülung und Füllung mit 
Kochsalzlösung mittels durchgreifender Silkwormnähte, natürlich unter Drainage. 
Adrenalin und Ergotol wurden, wie vor, auch nach der Operation subkutan ge- 
geben, außerdem Kochsalzinfusionen. 6 Stunden nach der Operation fanden sich 
in der Blase etwa 42,5g Blut und Urin. Die Gaze wurde den 6. Tag entfernt. 
Es entleerte sich 5 Tage lang danach viel Urin aus der Öffnung; sie schloß sich 
nach 16 Tagen. Die Pat. verließ das Hospital am 23. Tage und befindet sich jetzt 
(nach 6 Monaten) sehr wohl. Goebel (Breslau). 


34) Hewitt. Necrosis of epithelium in the kidney in infections and 
intoxications. 
(Johns Hopkins hospital bulletin 1906. August.) 


H. bestätigt die Angaben zahlreicher Autoren, daß bei Infektionen und In- 
toxikationen verschiedener Art das sezernierende Parenchym der Nieren besonders 
früh und schwer von Nekrose betroffen wird. 

Dies demonstriert er an zehn Fällen eigener Beobachtung, darunter allein an 
fünf Fällen von akuter gelber Leberatrophie auf Grund von Infektionen; in den 
Organen, im Herzblut oder den Exsudaten fand sich einmal Bakterium coli allein, 
zweimal zugleich mit Streptokokken, zweimal zugleich mit Staphylokokkus aureus; 
in einem Falle von Delirium tremens waren Bakterium coli und Bakterium acidi 
lactici nachzuweisen; in einem Falle von Beckenabszeß mit Peritonitis und Pleu- 
ritis wuchsen Streptokokken und Staphylokokkus aureus; einmal — Rippenbrüche, 
Pleuritis, Perikarditis — waren die Platten verunreinigt. 

W. v. Brunn (Rostock). 


35) E. Eliot. Renal calculus: symptoms and treatment. 


(Med. and surg. report of the Presbyterian hospital in the city of New York Vol. VIL. 
1906. März.) 


Analyse von fünf Fällen, Abbildungen der extrahierten Steine und Reproduk- 
tion von zwei Röntgenbildern. Dreimal wurde Pelviotomie, einmal Nephrektomie 
— nachdem infolge einer früheren vergeblichen Nephrektomie Verwachsungen übrig 
geblieben waren und eine Vene zerrissen war — und einmal Sektionsschnitt ge- 
macht. Stets glatte Heilung. Verf. analysiert die Symptome (Kryoskopie wird 
nicht erwähnt) und geht besonders eingehend auf die Frage: Sektionsschnitt oder 
(hinteren) Nierenbeckenschnitt ein. Die Furcht, daß bei letzterem Fisteln bleiben, 
ist nur bei Harnleiterstenose berechtigt. Die Steine sind dabei leicht zu finden, 
event. muß man mit einem Finger in das Nierenbecken eingehen und die Niere 
bimanuell abtasten. Goebel (Breslau). 


Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 1391 


36) M. 8. Dawydow. Uber Echinokokkencysten der Niere, die sich 
von Zeit zu Zeit ins Nierenbecken öffnen und ihre Tochterblasen ent- 


leeren, und von deren Behandlung. 
(Russki Wratsch 1906. Nr. 36.) 

Die 41 Jahre alte Pat. leidet seit ihrem 14. Jahr an Nierenkolik, nach welcher 
sich durch die Harnröhre Blasen entleeren. Sie kam am 24. Dezember ins Kranken- 
haus mit Ileuserscheinungen und Schmerzen in der linken Niere, die nach Aus- 
scheidung einer Blase aufhörten. Vom 1.—4. Januar und am 13. Januar neue 
Kolikanfälle; dabei Milz vergrößert, linke Niere im heißen Bade zu fühlen; im 
Harn reichlich Eiter; zum Schluß der Anfälle werden jedesmal Blasen entleert 
(2—10), bis erbsengroß; nur eine Blase erreichte die Größe eines kleinen Apfels. 
In die vorgeschlagene Operation willigte Pat. nicht ein. Die Deuserscheinungen 
waren sekundäre. 

Aus der Literatur bringt D. mehrere Fälle von ähnlich langer Dauer des 
Leidens (u. a. den Fall von G. J. Baradulin — Med. Obosrenje 1905 Nr. 20 —: 
Ein 45jähriger Geistlicher; seit dem 16. Jahre Nierenkolik; im 38. Jahre bemerkte 
er zum ersten Male den Abgang einer Blase mit 50 Tochterblasen; Nephrektomie 
rechts; mit Fistel entlassen). D. hat früher auch einen Fall von Leberechinokokkus 
mit ähnlichem Verlaufe beschrieben (Med. Obosrenje 1905 Nr. 22): Der Echino- 
kokkus entleerte sich periodisch durch die Gallengänge in den Darm, was durch 
die Anamnese und Untersuchung des Kotes festgestellt wurde. 

E. Qückel (Wel. Bubny, Poltawa.. 


37) O. Brian. Uber eine aus Knochenmark bestehende Geschwulst 
zwischen Niere und Nebenniere. 
(Virchow’s Archiv Bd. CLXXXVI. p. 258.) 

Bei einer 62jährigen Frau, die an mehrfachen Geschwülsten gelitten hatte — 
Mammakarzinom — Uteruskarzinom — Kystome der Ovarien und Uterusmyome —, 
fand sich bei der Sektion zwischen Niere und Nebenniere eine eigroße, auf dem 
Durchschnitt rotbraun gefärbte Geschwulst, die sich bei genauer histologischer 
Untersuchung als vollständig aus Knochenmark bestehend erwies. Erklärt wird 
das Entstehen der Geschwulst durch eine Heterotopie des Knochenmarkes im 
Laufe der embryonalen Entwicklung. Alles genauere Detail ist im Originale nach- 
zulesen. Am Schluß der Arbeit ein ausführliches Literaturverzeichnis. 

Doering (Göttingen). 


38) Ghon und Mucha. Zur Ätiologie der perinephritischen Abszesse. 


(Beiträge zur Kenntnis des anaeroben Bakterien des Menschen.) 
(Zentralblatt für Bakteriologie usw. Bd. XLII. Hft. 6.) 

Verff. fanden in dem grünlichgelben, stinkenden Eiter eines in der v. Eisels- 
berg’schen Klinik geöffneten perinephritischen Abszesses ausschließlich und in 
ziemlich reichlicher Menge bisher unbekannte, grampositive, mittelstarke Bazillen, 
die Sporen bildeten und streng anaerob wuchsen. Die Beschreibung des Keimes 
in seinen morphologischen, kulturellen und biochemischen Eigenschaften und in 
seinem schwach tierpathogenen Verhalten hat nur fachwissenschaftliches Interesse. 

W. Goebel (Köln). 


39) W. Albrecht. Über metastatische paranephritische Abszesse. 
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. L. Hft. 1.) 

Aus der v. Bruns’schen Klinik veröffentlicht Verf. sechs Fälle von para- 
nephritischen Abszessen, bei welchen sich als Ausgangspunkt der Metastase 3mal 
Furunkel, 2mal Panaritien und imal Afterabszeß nachweisen ließen. 

Bezüglich des näheren Infektionsvorganges schließt sich Verf. der Auffassung 
an, daß die metastktische, paranephritische Infektion meist, wenn auch nicht aus- 
nahmslos, durch die Niere vermittelt wird derart, daß ein primärer Nierenabszeß 
durch Überleitung oder Durchbruch die pararenale Eiterung bedingt. 

Reich (Tübingen). 


1392 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 


40) O. J. Wijnhausen. Bijdrage tot de kennis van de Cytodiagnostiek 
der Hydroceles. 
(Nederl. Tijdschr. v. Geneesk. 1906. Nr. 14.) 

Verf. hat in 58 Fällen die Punktionsflüssigkeit von — meist chronischen — 
Hydrokelen oytologisch untersucht. Die Zahl der Formelemente in ihr war sehr 
wechselnd. Die Flüssigkeit von gewöhnlich chronischen Hydrokelen enthält meist 
sehr wenige. Man findet am häufigsten Endothelzellen, doch sind immer auch 
Lymphocyten vorhanden. Enthält die Hydrokelenflüssigkeit viele Formelemente 
und besonders Lymphocyten, so muß man ätiologisch an Tuberkulose denken. — 
Die akute Hydrokele enthält viele polynukleäre Leukocyten. 

E. H. van Lier (Amsterdam). 


41) Blanck. Zur Kenntnis der Geschwülste des Bauchhodens. 
Inaug.-Diss., Rostock, 1906. 


Im Anschluß an einen in der Rostocker Klinik operierten Fall hat Verf. die 
Literatur über obige Erkrankung zusammengestellt und 19 Fälle gefunden, in denen 
es sich neunmal um Sarkom, fünfmal um Karzinom, zweimal um eine Misch- 
geschwulst (Sarkom mit epitheloiden Zellkomplexen von karzinomatösem Charakter 
und Myxosarkom) handelte. Über den histologischen Befund der fehlenden drei 
Geschwülste ist nichts angegeben. Grunert (Dresden). 


42) Schön. Maligne Hodengeschwülste in den beiden ersten Lebens- 
dezennien. 
Inaug.-Diss., Leipzig, 1903. 

S. stellt die bisher beobachteten Fälle zusammen und berichtet über folgenden 
von Tillmanns operierten Fall von Hodenkrebs bei einem 11/, Jahre alten Kinde: 
Seit einigen Monaten allmähliche Anschwellung des linken Hodens, bei der Auf- 
nahme rundliche, prall elastische, schmerzlose Hodengeschwulst mit normalem 
Nebenhoden und Samenstrang. Kastration. Der entfernte, etwas über taubenei- 
große Hoden zeigte äußerlich vollkommen glatte Beschaffenheit, mikroskopisch 
handelte es sich um ein Adenokarzinom. 

S.’s Zusammenstellung von 71 Fällen von bösartigen Hodengeschwülsten zeigt, 
daß 68% der Fälle im jüngsten Kindesalter vorkommen, daß ein rapider Abfall 
vom 5.—1Ö5. Jahre stattfindet und erst von da ab wieder, in der Zeit der Pubertät, 
eine Steigerung auftritt. Mohr (Bielefeld). 


43) E. Schroeder (Königsberg). Eine ossifizierte Oyste des Ovariums. 
(Zeitschrift für Gynäkologie u. Geburtshilfe Bd. LVII. Hft. 3.) 


S. entfernte bei einer 31jährigen Pat. wegen Cervixkarzinom den Uterus mit 
beiden Adnexen, welch letztere infolge einer überstandenen Infektion schwer ver- 
ändert waren. Von besonderem Interesse ist allein die linksseitige, gänseeigroße 
Eierstocksgeschwulst, die beim Betasten dasselbe Gefühl wie ein Kindskopf bei 
Kraniotabes auslöste. Die Wand der Cyste — als solche erwies sich die Geschwulst — 
war nämlich bis auf wenige weiche Partien von wahrer Knochensubstanz gebildet. 
Mikroskopisch waren Knochenkörperchen mit feinen Ausläufern einwandsfrei nach- 
zuweisen. Der Inhalt der Cyste bestand aus bernsteingelber, klarer Flüssigkeit 
mit zahlreichen Cholestearinkristallen, ihre innere Auskleidung aus einer glatten, 
glänzenden Haut, die sich mikroskopisch nur als Granulationsgewebe erwies (?). 
Da die den Knochen umgebende Schicht Ovarialparenchym enthielt, ist der ova- 
rielle Sitz der Knochencyste zweifellos. Ref. glaubt, daß wahrscheinlich ein durch 
Entzündung degeneriertes Dermoid vorliegt. Kroemer (Gießen). 





Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man 
an Prof. B. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags- 
handlung Breitkopf & Härtel, einsenden. 


Druck und Verlag von Breitkopf & Hartel in Leipzig, Nürnbergerstraße 36/38. 


Zentralblatt 
CHIRURGIE 


herausgegeben 
von 


E. vu Borman, Pi, Ace, 





Dreiunddreißigster Jahrgang. 









Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei halbjähriger 
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten. 


Nr, 28. Beilage. 1906. 








Bericht über die Verhandlungen 


der 


Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, 


XXXV. Kongreß, 
abgehalten vom 4.—7. April 1906 


im Langenbeck-Hause. 


Druck und Verlag von Breitkopf und Hartel in Leipzig. 
1906. 


Inhalt. 

Allgemeine chirurgische Pathologie und Therapie: 1) D&dderlein, Der primäre 
Keimgehalt der Operationswunden. — 2) Wrede, Ausscheidung von Bakterien durch die 
Schweißdrüsen. — 3) Kelling, Das Blut Krebskranker. — 4) Diskussion über die Stauungs- 
hyperämie bei akuten Entzündungen. — 5) Klapp, Das Schröpfverfahren bei chirurgischer 
Tuberkulose. — 6) Pochhammer, Tetanie. — 7) Krönlg, Rückenmarksanästhesie im Sko- 
polamindämmerschlaf. — 8) Küster, Silberdrahtnaht. — 9) Clairmont, Röntgenbehandlung 
allgemeiner Lymphomatose. — 10) Deikeskamp, Die Knochenarterien bei Knochenverren- 
kungen und Frakturen. — 11) Lexer, 12) Tietze, Knochencysten. — 13) Wrede, Knochen- 
aktinomykose. — 14) Könlg, Traumatische Osteome. — 15) Bosse, Hereditäre Gelenklues, 
— 16) Hofmann, Knöcherne Ankylosen. 

Kriegschirurgie: 17) Zoege v. Manteuffel, Erste Hilfe auf dem Schlachtfelde. — 
18) Schaefer, Diensttauglichkeit nach Schußverletzungen. — 19) Goldammer, Trockene 
Wundbehandlung in Sidwestafrika. — 20) Bornhaupt, Gelenkschiisse. — 21) Brentano, 
Gefäßschüsse. — 22) Colmers, Schußfrakturen. — 23) Henle, Nervenschüsse. — 24) Hilde- 
brandt, Schädelschüsse. — 25) v. Oettingen, Bauchschüsse. 

Kopf und Gesicht: 26)Röttger, Schlafzustand nach Fall auf den Hinterkopf. — 27) Sauer- 
bruch, Blutleere Operationen am Schädel. — 28) Borchardt, Zur Trepanation. — 29) Bor- 
chard, Osteoplastische Deckung von Schädeldefekten. — 30) Krause, Operationen in der 
hinteren Schädelgrube. — 31) Bardenheuer, Behandlung der Neuralgien. — 32) Steiner, 
Facialisplastik. — 33) Eckstein, Nasenplastik durch Paraffin. — 34) Schultze, Gesichts- 
lupus. — 35) Plücker, Mißbildung des Gesichtsskeletts. — 36) Bunge, Uranoplastik. — 
37) Zondek, Mikulicz’sche Krankheit. — 38) Heidenhaln, Zungenkrebs. 

Wirbelsäule, Hals und Brust: 39) Braun, Rückenmarksschuß. — 40) Riedel, Hals- 
fistel. — 41) Rehn, Thymusstenose und Thymustod. — 42) Kocher, 1000 Kropfexzisionen. 
— 43) Payr, Transplantation von Schilddrüsengewebe in die Milz. — 44) Noetzel, Infek- 
tion und Bakterienresorption in der Pleurahöhle. — 45) Goebell, 46) Wendel, 47) Sultan, 
Herzverletzungen. — 48) und 49) Kölliker und Glücksmann, Osophagoskopisches. 

Bauchhéhle und Bauchorgane: 60) Dreesmann, Tampondrainage der Bauchhöhle. — 
51) Sprengel, Schenkelbrüche. — 52) Graser, Nabel- und Bauchwandbrüche. — 53) Krön- 
leln, Die operative Behandlung des Magengeschwirs. — 64) Neugebauer, Hirschsprung- 
sche Krankheit. — 55) Kraske, Die Operation hochsitzender Mastdarmkrebse. — 56) Jaffé, 
Milzexstirpation bei Banti’scher Krankbeit. — 57) v. Stubenrauch, Plastische Operationen 
am Gallensystem. — 58) Blecher, Pankreasruptur. — 59) Doberauer, Pankreatitis. 

Harnorgane: 60) Neumann, Blasenzerreißung. 

Gliedmaßen: 61) Lexer, Radiusbruch. — 62) Rosenberger, Eiterung der Fingergelenke. 
— 63) Bardenheuer, Hüftgelenkpfannenresektion. — 64) Braun, Willkürliche Hüftver- 
renkung. — 65) v. Brunn, Schicksal des Silberdrahtes bei Kniescheibennaht. — 66) Kausch, 
Knochenimplantation. — 67) Lossen, Unterschenkelvaricen und -Geschwüre. — 68) Bor- 
chard, Sarkomatöses Unterschenkelangiom. — 69) Brodnitz, Osteoplastische Resektion des 
Fußgelenkes. — 70)Samter, Plastische Deckung von Exartikulationsstümpfen. — 71) Draudt, 
Extremitätenmißbildung. — 72) Joachimsthal, Fußdeformitäten. 


Allgemeine chirurgische Pathologie und Therapie. 


1) Döderlein (Tübingen). Bakteriologische Experimental- 

untersuchungen über den primären Keimgehalt der Opera- 

tionswunden mit einem neuen Vorschlag zu dessen Ver- 
hütung. (Mit Demonstrationen.) 


Redner berichtet über bakteriologische Untersuchungen über den 
primären Keimgehalt der Bauchhöhle und Bauchwunde, die er im 
Verfolge früherer wieder aufgenommen und bei 100 Laparotomien 
durchgeführt hat. Das erste Ergebnis dieser geht dahin, daß trotz 
des modernen und verschärften Wundschutzes, bestehend in peinlich- 
ster Asepsis, Gebrauch von Gummihandschuhen, Gummimanschetten, 
Gesichtsmaske, Küstner’schem Gummituch zum Abdecken des Opera- 
tionsfeldes, sowohl Bauchhöhle wie Bauchwunde in jedem Falle keim- 
haltig werden. Es stimmt dieses Untersuchungsergebnis mit seinen 
eigenen früheren, wie mit den Arbeiten von Brunner, Schenk und 
Lichtenstein überein, wonach keimfreies Operieren überhaupt un- 
erreichbar wäre. Redner ist mit diesen Autoren auch einig in der 
Annahme, daß als letzte und hauptsächlichste Infektionsquelle für die 
Operationswunden die Haut des Operationsgebietes selbst, für Laparo- 
tomien also die Bauchhaut, in Betracht kommt. Zur Ausschaltung 
dieser genügt, wie die Untersuchungen gezeigt haben, die Desinfektion 
der Haut nicht, da ebensowenig, wie die verschiedensten Händedesin- 
fektionen eine vollständige Entkeimung der Händehaut möglich machen, 
auch die Bauchhaut durch Infektionsprozedur bis in ihre Tiefe hinein 
frei von Spaltpilzen gemacht werden kann. Dagegen gelang es durch 
ein bestimmtes Verfahren die Haut an der Abgabe ihrer Bakterien 
zu verhindern, und zwar empfiehlt Redner hierzu folgendes: 

Nachdem die Kranken durch Baden, Abseifen und Rasieren ge- 
reinigt sind, wird die Haut des Operationsgebietes, bei Laparotomien 
also die Bauchhaut und die angrenzenden Partien der Oberschenkel, 
mit Formalinbenzin oder Jodbenzin (Heussner) intensiv abgerieben 
und sodann mit reiner Jodtinktur bepinselt. Es soll dadurch die Haut 
für die Dauer der Operation möglichst derb gemacht werden. Über 
diesen Jodanstrich wird dann durch eine sorgfältig hergestellte, sterili- 
sierte Gummilösung eine mit der Haut sich fest verbindende Gummi- 
membran erzeugt!. Nach wenigen Minuten ist die Gummilösung auf 
der Haut durch Verdampfen des Benzins getrocknet, durch Bestreuen 


1 Ein hierzu nötiges und zweckdienliches Instrument, sowie die unter dem 
Namen »Gaudanin« geschützte Lösung ist zu beziehen durch Zieger & Wigand 
Leipzig-Volkmarsdorf, Gummiwarenfabrik. 

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mit sterilisiertem Talcum wird ihre Klebrigkeit beseitigt, und es ist 
jetzt eine dünne, glatte, glänzende, sterile Gummimembran fest mit 
der Haut verbunden, die über die Dauer der Operation hinweg die 
Keimabgabe der Haut zuverlässig verhindert und nach der Operation 
durch Abwaschen mit Benzin leicht beseitigt werden kann. Redner 
demonstriert zahlreiche Kulturproben, die bei Laparotomien gewonnen 
wurden, und auf der einen Seite den Keimgehalt der ohne Gummi- 
schutz durchgeführten Operation, auf der anderen Seite aber die Keim- 
freiheit solcher unter vollem Gummischutz ausgeführter zeigen und 
schließt damit, daß durch Ausschalten dieser letzten Infektionsquelle 
das von Lister erstrebte Ideal keimfreien Operierens erreicht sei. 

(Erscheint ausführlich in der deutschen med. Wochenschrift.) 

(Selbstbericht.) 

Diskussion. 


M. v. Brunn (Tübingen): In der v. Bruns’schen Klinik wurden 
Parallelversuche mit dem verschärften Wundschutz Döderlein’s an- 
gestellt. Aus einigen 60 Versuchsreihen ergab sich, daß nach der 
gewöhnlichen Desinfektion das Operationsfeld stets mehr oder weriger 
große, nur allzuoft aber geradezu verblüffend große Bakterienmengen 
enthält. Eine Festlegung dieser Bakterien ist dringend erwünscht. 
Die Gummidecke leistet diese Festlegung in idealer Weise. Sie haftet 
ausgezeichnet und ist trotz ihrer Dünne sehr haltbar. Es gelingt 
durch sie, auch in sehr bakterienreichen Gebieten ein steriles Opera- 
tionsfeld zu erzielen. In der v. Bruns’schen Klinik wird die in der 
Fabrik erhältliche Gummistammlösung mit Jodbenzin bis zu einem 
Jodgehalt von 2°/,, verdünnt und eine Desinfektion mit 1%/,‚igem Jod- 
benzin nach Heusner der Anlegung des Gummiüberzuges voraus- 
geschickt. (Selbstbericht.) 


Heusner (Barmen) verwirft das Waschen der Haut vollkommen, 
er will die Haut nur durch Aufpinseln einer 1°/,.igen Jodbenzinlösung, 
der etwas Paraffinöl zugesetzt ist, bepinselt und dadurch die Keime 
fixiert wissen. 


v. Oettingen (Berlin) rät, namentlich im Kriege, die Umgebung 
der Wunden mit einer Mastixlösung (Mastix 20,0, Chloroform 50,0, 
Ol. Lin. gtt. 20) zu bestreichen und danach sterile Gaze auf der 


Wunde zu befestigen. Herhold (Altona). 
Herhold (Altona) bevorzugt dem gegenüber die vorschriftsmäßigen 
Verbandpäckchen. (Selbstbericht.} 





2) Wrede (Kénigsberg). Uber Ausscheidung von Bakterien 
durch die Schweißdrüsen. 


Die Ausscheidung von Bakterien mit dem SchweiB behielte ihre 
groBe klinische Bedeutung, auch wenn sie nicht als Kampfmittel des 
Körpers gegen die Bakterien in Betracht kommt, wie man früher wohl 
annahm. 


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Klinische Untersuchungen über das Vorkommen einer solchen 
Ausscheidung haben jedoch zu widersprechenden Ergebnissen geführt. 
Sie lassen sich auch nicht einwandsfrei anstellen, weil man die in den 
Poren der Haut sitzenden Bakterien nicht ausschalten kann. 

Experimentelle Untersuchungen sind nur von Brunner gemacht 
worden. Nach Injektion der entsprechenden Bakterien in die Blut- 
bahn gelang es ihm, im Schweiß einer Katze Milzbrandbazillen, im 
Schweiß eines Ferkels in zwei von drei Untersuchungen den Staphylo- 
kokkus pyogenes aureus und im Schweiß eines anderen Ferkels den 
Bacillus prodigiosus nachzuweisen. 

Krikliwy konnte Brunner’s Resultat bezüglich des Milzbrand- 
bazillus nicht bestätigen. Gegen den Staphylokokkenversuch läßt sich 
einwenden, daß der Staphylokokkus pyogenes aureus schon spontan 
auf dem gewählten Untersuchungsgebiete, dem Schweinerüssel, vor- 
kommt. Vortr. hat daher den dritten Versuch Brunner’s mit dem 
Prodigiosusbazillus gleichfalls nachgeprüft, konnte jedoch trotz 6maliger 
Wiederholung dessen Ergebnis nicht bestätigen. 

Vortr. kommt daher zu dem Schluß, daß bisher ein einwands- 
freier Beweis dafür noch nicht erbracht ist, daß Bakterien von den 


Schweißdrüsen aus der Blutbahn ausgeschieden werden. 
(Selbstbericht.) 


Diskussion. 


Brunner (Münsterlingen) berichtet über seine Versuche (Ein- 
spritzen von Prodigiosus in Schweine, in deren Schweiß — durch Pilo- 
karpin reichlich erregt — derselbe dann leicht nachzuweisen war), für 
deren Unanfechtbarkeit er eintritt. Goebel (Breslau). 


Wrede(Königsberg): Gerade der von Brunner betonte gleichzeitige 
Befund zahlreicher Bakterien auch im Speichel erklärt vielleicht den 
Unterschied der Untersuchungsergebnisse. Die Tiere sondern unter der 
Pilokarpinwirkung Speichel in Strömen ab. Brunner hat sie während 
des Versuches unter Narkose gehalten. Wie leicht konnte also dabei 
Speichel durch die Maske auf den Rüssel übertragen werden. 

(Selbstbericht.) 





3) Kelling (Dresden). Über eine neue hämolytische Reaktion 
des Blutserums bei Krebskranken und ihre diagnostische 
und statistische Verwendung in der Chirurgie. 


Die Reaktion gründet sich darauf, daß bestimmte Wirbeltierblut- 
körperchen, hauptsächlich vom Huhn, seltener vom Schwein und Schaf, 
vom Blut der Krebskranken schneller und stärker gelöst werden als 
von Gesunden und anderen Kranken und auch schneller und stärker 
als die übrigen Wirbeltierblutkörperchen. Es zeigte sich, daß diese 
Reaktion parallel ging zur Präzipitinreaktion, daß man durch dieselbe 
unter besonderen Versuchsbedingungen sonst nicht palpable Krebs- 
geschwülste diagnostizieren kann; das spezifische Lösungsvermögen ist 


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ferner konstant bei ein und demselben Krebskranken. Wie der pri- 
mare Tumor, so reagieren auch die Metastasen. Exstirpation des 
Tumors beseitigt die Reaktion; die spezifische Reaktion ist unabhängig 
von der Zellform des Tumors. Die Reaktion läßt sich ferner wieder 
erzielen durch Einspritzung von Geschwulstmassen in Tierkörper; und 
zwar lassen sich die Geschwülste in zwei Gruppen teilen: in solche, 
welche gegen ‚Wirbeltierblutkörperchen reagieren, deren Ursache auch 
auf embryonale Wirbeltierzellen zurückführt, und in solche, welche 
nicht reagieren, und deren Ursache er in Zellen wirbelloser Tiere 
sucht. Er befürwortet, diese Reaktion an geschwulstkranken Pat., 
welche der Operation unterworfen werden, auszuführen, um bei den 
verschiedenen Organen für die verschiedenen Geschwulstformen eine 
Statistik biochemischer Reaktionen zu erhalten und so weitere Auf- 
schlüsse über die Ursachen der Geschwulstbildung zu bekommen. 
(Selbstbericht.) 





4) Diskussion über die Stauungshyperämie bei akuten Ent- 
zündungen. 


Habs (Magdeburg): Kontraindikationen sind: 1) Erysipel. Bei 
vier Fällen schritt das Erysipel rücksichtslos über die Stauungsbinde 
weiter, ja es wurde schlimmer. 2) Vorhandensein von Venenthrom- 
bosen (Embolie der Lunge in einem Falle). 3) Diabetes. — Arterio- 
sklerose ist keine Kontraindikation. 

Als prophylaktisches Mittel wurde die Stauung angewandt bei 
vier Fällen von Verletzungen, die verspätet oder verschmiert in ärzt- 
liche Behandlung kamen; weiter nach Extraktion von Fremdkörpern usw. 
Stets wurde Eiterung vermieden. Die Stauung ist unwirksam gegen 
die syphilitische Infektion. 


Körte (Berlin) hat die Stauung trotz schwerem Diabetes bei 
einem brandigen Daumenpanaritium angewandt. Das Brandige stieß 
sich ab und der Finger heilte. 


Croce (Berlin) (im Namen von Rotter) findet die Erfolge nicht 
befriedigend bei Osteomyelitis, empfiehlt kleine Inzisionen, auch bei 
beginnenden Phlegmonen, da sie nicht schaden. Die Anwendung der 
Saugglocke bei Panaritien ist zu schmerzhaft und führt nicht zu guten 
Resultaten. Aber bei subpektoralen und axillaren Abszessen hat sie 
gutes geleistet. Bei perityphlitischem Abszeß wirkt die Saugung gut, 
wenn keine Kommunikation mit dem Darme besteht; sehr gut ist sie 
für Stichkanaleiterungen nach Operationen. 


Sick (Hamburg) hat 250 Fälle nach Bier behandelt mit meist 
günstiger Beeinflussung, besonders bei schweren Phlegmonen. Er be- 
tont die Aufhebung der Schmerzen, die schnellere Heilung, das bessere 
funktionelle Resultat. Deletär wirkte die Behandlung bei Strepto- 
kokkenphlegmonen, hier trat akute Hautgangrän ein; ebenso bei Dia- 
betikern, bei varikösen Geschwüren und Thrombose, resp. Thrombo- 


— — 


phlebitis. Ein Kranker starb. Bei Erysipel war die Methode in ein- 
zelnen Fällen vortrefflich, in einem Fall aber veranlaßte zu starke 
Schwellung und zu großer Schmerz das Fortlassen der Binde, über 
welche das Erysipel hinwegschritt. Mehrmals trat letzteres während 
der Stauung eiternder Wunden auf. Von Milzbrand wurden zwei 
Fälle gut, einer konnte die Stauung bei sehr starkem, prallem Odem 
nicht vertragen. Bei einem Falle von Osteomyelitis der Tibiadiaphyse 
trat Vereiterung des Kniegelenkes ein. Andererseits zeigte ein Mäd- 
chen mit schwerer Angina und Schultergelenksvereiterung gutes Re- 
sultat. 

Die Methode eignet sich bloß für die Krankenhausbehandlung, 
da sie zu aufmerksame Überwachung verlangt. Goebel (Breslau). 


Stich (Breslau) berichtet über die Erfahrungen an der Garr?- 
schen Klinik, die sich auf über 200 genauer registrierte und zahlreiche 
leichtere, ausnahmslos günstig verlaufene Fälle aufbauen. Auf sehr 
gute Erfolge kann die Garr&’sche Klinik bei der Behandlung akuter 
Sehnenscheidenphlegmonen und Panaritien zurückblicken. Es wird 
dies — neben der Stauungsbehandlung — auf die kleinen Inzisionen 
und die möglichste Vermeidung der Tamponade zurückgeführt. Ein 
ungünstig verlaufener Fall ist event. technischen Schwierigkeiten zu- 
zuschreiben. Das enorme reaktive Odem erschwert nämlich bei der 
Stauungsbehandlung öfters den frühzeitigen Nachweis von Eiter. 

Bei der akuten Osteomyelitis hat die Stauungshyperämie auch in 
frischen Fällen oft versagt. Garrè will deshalb hier wieder sofort 
den Knochen eröffnen. Den Grund hierfür bildet namentlich ein ein- 
gehender geschilderter Fall von Osteomyelitis der oberen Humerus- 
metaphyse, bei dem unter der Stauung, obwohl — bei beseitigten 
Schmerzen — wohl kaum technische Fehler gemacht wurden, im 
Laufe einiger Wochen die ganze Humerusdiaphyse nekrotisch wurde. 
Die Anwendung der Saugglocke bot bei der puerperalen Mastitis 
einige Male insofern Schwierigkeiten, als — wohl infolge lebhafter 
Granulationsbildung und dadurch verursachten Ventilverschlusses — 
einige Tage nach der Stichinzision kein Eiter mehr abfloß. Erst als 
in diesen Fällen ein kleines Drain eingeführt wurde, waren auch 
hierbei die Resultate gute. | 

Nachteile der Stauungsbehandlung wurden, abgesehen von den 
erwähnten Fällen, nie beobachtet, speziell nie ein Erysipel oder die 
Entstehung von Abszessen an den Stauungsstellen bei pyogenen All- 
gemeininfektionen. 

Besonders beachtenswert erscheint die prophylaktische ‘Stauung . 
bei infektionsverdächtigen Wunden, z. B. nach primärer Sehnennaht. 

(Selbstbericht.) 


Danielsen (Marburg) hat 260 Fälle nach Bier behandelt, und 
zwar viele Fälle poliklinisch, die sonst stationär behandelt wären. In 
sechs Fällen (= 2%) versagte die Methode. Auch wenn die Entzün- 
dungserscheinungen in einigen Tagen noch nicht zurückgehen, soll 


— — 


man noch warten. Erst wenn die Entzündungserscheinungen das Stau- 
ungsgebiet überschreiten und hohe Temperaturen eintreten, ist die alte 
Behandlung indiziert. D. beobachtete auch bei partieller Sehnen- 
nekrose Erhaltung der Funktion. Goebel (Breslau). 

Bardenheuer (Köln) bekennt sich als begeisterter Anhänger der 
Bier’schen Stauung. Er macht jedoch darauf aufmerksam, daß allzu- 
leicht eine Reihe Fehler im Anfang gemacht würden und führt die- 
selben namentlich an. Erst seit dem Augenblicke, wo er durch das 
Entgegenkommen von Geh.-Rat Bier einen seiner Assistenten auf einen 
Monat gegen einen solchen von Geh.-Rat Bier austauschen konnte, 
ist er in der Handhabung der Methode sicher geworden und hat vor- 
zügliche Resultate zu verzeichnen. 

Die Bier’sche Stauung erheischt sehr viel Aufmerksamkeit und 
Sachkenntnis und darf nicht aus der Hand des einen Assistenten in 
die Hand des anderen wandern. B. bespricht die Resultate, welche 
er mit derselben gehabt hat, und hebt für alle Entzündungsformen 
die gleiche Wirksamkeit der Methode hervor. Besonders wirksam 
hat sich dieselbe gezeigt bei Sehnenscheidenphlegmonen, zumal den 
sog. V-Phlegmonen, wenn die beiden Bursae synoviales der Finger- 
beuger vereitert waren. Gute Resultate hatte B. ferner besonders 
bei akuter Vereiterung von Gelenken (Knie-, Fußgelenk, Schulter-, 
Ellbogen-, Fingergelenken), bei akuter eitriger Osteomyelitis und Peri- 
ostitis, bei phlegmonöser Bursitis und anderen Phlegmonen, bei 
Parulis, Karbunkeln und Abszessen. 

B. hebt besonders die Sehnenscheidenphlegmonen hervor, deren 
er 12 behandelt und 10 mit fast voller Funktion geheilt hat, wie die 
herumgereichten Photographien zeigen. Unter den Sehnenscheiden- 
phlegmonen befanden sich 7 V-Phlegmonen, von denen 6 mit nahezu 
voller Funktion heilten. Fast ebenso gut waren die Resultate bei 
Osteomyelitis und eitriger Periostitis. Behandelt wurden 7 Fälle von 
Osteomyelitis des Femur, der Tibia, Fibula, des Talus und Calcancus, 
des unteren Humerusendes und der Ulna. 2 Fälle waren sehr schwer, 
darunter einmal multiple Osteomyelitis mit Sepsis, 4 Fälle mittelschwer, 
1 Fall leicht. Geheilt wurden unter Stauung und kleinen Inzisionen 
alle 7 Fälle, 2 darunter allerdings mit Bildung von Sequestern, die später 
entfernt werden mußten. Im Röntgenbilde zeigten 4 Fälle Verände- 
rungen, deren Bilder vorgelegt wurden. Auffallend günstig wirkte 
die Stauung in 8 Fällen von Gelenkvereiterungen, die teils infolge 
Stichverletzung, teils fortgeleitet von benachbarten osteomyelitischen 
Knochenherden oder als pyämische Metastasen entstanden waren. So 
heilten in einem Falle Osteomyelitis der Tibia, das vereiterte Knie- 
und FuBgelenk, sowie das pyämisch vereiterte Ellbogengelenk fast mit 
voller Beweglichkeit. In einem 2. Falle von Osteomyelitis des unteren 
Endes der Fibula, des Talus und Calcaneus, Vereiterung des Sprung- 
gelenkes und Chopart’schen Gelenkes trat Heilung mit völliger Er- 
haltung der Beweglichkeit in beiden Gelenken ein. Abgesehen von 
diesen Fallen verliefen giinstig und heilten mit nahezu voller Funktion 


PIERRE 


eine spontane Vereiterung des Schultergelenkes, 3 traumatisch ver- 
eiterte Fingergelenke. Mit Versteifung heilte ein traumatisch ver- 
eitertes Kniegelenk; nach ausgedehnter Resektion heilte ein vereitertes 
Schultergelenk nach Stichverletzung, an dem die Stauung einen Miß- 
erfolg hatte. (Selbstbericht.) 


Heidenhain (Worms) betont, daß man 1) nicht genug darauf 
achten kann, daß das Odem in der Stauungspause verschwindet, und 
daß man später weniger lange staut; daß man 2) immer den Eiter 
entleert. Er hat in letzter Zeit die Sehnenscheiden quer in den Falten 
der Haut gespalten, so daß die Narben später nicht sicht- und fühl- 
bar, oder störend sind. Es ist ihm aufgefallen, wie beweglich die 
Narben nach Stauungsbehandlung sind. Daher hat er prinzipiell alle 
Verletzungen der Finger zweimal täglich mit prophylaktischer Stauung 
behandelt. Goebel (Breslau). 


Lexer (Königsberg): Die Erkenntnis, daß bei der Behandlung 
örtlicher Infektionen eine Vernichtung der Infektionsstoffe durch kein 
äußeres Mittel erreicht werden kann, hat zu dem Grundsatze geführt, 
die rasche Entfernung der Infektionsstoffe aus dem Ent- 
zündungsherde zu erstreben, und man hat dies durch frühzeitige Ein- 
schnitte und durch die Saugkraft der Tamponade erreicht. Den 
dritten noch möglichen Weg hat Bier beschritten. Der Grundgedanke 
seiner Behandlung ist, durch Steigerung der natürlichen Abwehr- 
vorgänge das Gewebe bzw. den Organismus in Stand zu setzen, 
selbst mit der Infektion fertig zu werden. Ein solches Verfahren 
kann sich ohne Gefahr nur bei verhältnismäßig leichten Formen durch- 
führen lassen, bei schweren ist es ein gewagtes Spiel. Denn mehr 
noch als bei jeder anderen Behandlung hängt hier der Ausgang von 
der Schwere der Infektion und der Widerstandskraft des Körpers ab. 

L. hatte bei allen leichteren Formen mit geringem Fortschreiten 
und geringem Fieber gute Erfolge. Doch war der Gesamtverlauf 
nicht kürzer, da man noch über die Heilung hinaus zu stauen 
gezwungen ist, um Rezidive zu vermeiden. Bei schwereren Fällen 
war der Erfolg verschieden. Günstigen Ausgängen stehen örtliche 
und allgemeine Verschlimmerungen gegenüber, welche durch die 
Stauungsbehandlung herbeigeführt worden sind. Eine Erklärung 
hierfür sieht L. in den gesteigerten Vorgängen im Entzündungs- 
gebiete, welche unter Umständen, nämlich bei heftigen Infektionen, 
für das Gewebe schädlich werden. Es läßt sich dies kurz dahin zu- 
sammenfassen, daß infolge der örtlich vermehrten Schutzstoffe eine 
gesteigerte Bakteriolyse eintritt, daß dadurch bei schweren Infektionen 
eine große Menge der Endotoxine der Eitererreger frei wird, welche 
sich während der Stauung infolge verminderter Resorption anhäuft, 
infolge vermehrter Transudation weithin in die Umgebung des Herdes 
verbreitet, je nach der Dauer der Einwirkung und dem Grade der 
Konzentration das Gewebe schädigt und so den Boden vorbereitet für 
die ebenfalls vermehrten gewebslösenden Fermente. 


Zur, A, ne 


Daher die Kataplasmawirkung der Stauung, das rasche und weit- 
gehende Einschmelzen der Infiltrate, die ausgedehnte Unterminierung 
der Haut, die Durchbrüche des Eiters in die gesunde Umgebung und 
der oft verschleppte Verlauf durch immer neu entstehende Infiltrate 
und Abszesse. Durch die Endotoxine besonders der Streptokokken 
kommt die häufig bei der Stauung auftretende erysipelähnliche Röte 
der Haut zustande. Das nicht selten beobachtete wirkliche Erysipel 
während der Stauungsbehandlung erklärt L. durch Überempfindlichkeit 
des Organismus infolge der resorbierten Streptokokkenendotoxine. 
Eine bakterielle Allgemeininfektion kann infolge der vermehrten Re- 
sorption nach Abnahme der Binde eintreten. In der Eingangspforte 
finden sich die Krankheitserreger fast stets bis zur Heilung vor. 

Zwar wird die ganze Arbeit, welche man dem Gewebe und dem 
Organismus bei der Stauungsbehandlung zur Bekämpfung des Feindes 
zumutet, noch durch Einschnitte unterstützt. Aber sie bilden nur ein 
nebensächliches Moment des Verfahrens und werden möglichst klein 
angelegt, und nur nach eingetretener Reifung. Es ist zu betonen, 
daß man auch mit den bisherigen Verfahren bei subkutanen und 
tendinösen Panaritien, wenn sie frisch inzidiert wurden und leicht 
verliefen, ausgezeichnete funktionelle Erfolge hatte. 

Alle Nachteile, welche die Stauungsbehandlung einem heftig ent- 
zündeten Gewebe bringen muß, fallen fort, wenn es sich um breite, 
offene Verletzungs- und Operationswunden handelt, oder wenn Ent- 
zündungsherde vor der Einleitung der Stauung breit inzidiert worden 
sind. Denn hier wirkt die Hauptkraft der Stauungshyperämie, das 
mechanische Ausschwemmen der Infektionsstoffe mit dem 
Transsudate nach außen; und gleichzeitig kommt wieder der alte Be- 
handlungsgrundsatz, die Entfernung der Infektionsstoffe aus dem 
Herde, zur vollen Geltung. Deshalb empfiehlt L. die Stauungs- 
behandlung in schweren Fällen nur als Ersatz der Tamponade; und 
zwar soll sie erst dann zur Anwendung kommen, wenn frühzeitig und 
gründlich inzidiert ist, und die Blutung durch primäre Tamponade 
steht. 

Das Fortlassen der feststellenden Verbände wird ebenso verworfen 
wie das frühe Bewegen und das Ausdrücken des Eiters. 

Die Saugbehandlung, bei welcher von vornherein der Hauptnach- 
druck auf der mechanischen Entfernung der Infektionsstoffe liegt, 
wirkt ausgezeichnet und rasch, wo es sich um erweichte Infiltrate oder 
bei Furunkeln um nekrotische Pfröpfe handelt. Dagegen wird bei 
nicht begrenzten, noch im Fortschreiten begriffenen Entzündunfen 
trotz Stichinzision der Verlauf leicht verschleppt, die Einschmelzung 
leicht vermehrt und die Ausbreitung in die Tiefe oft gefördert. Auch 
das regenerative Infiltrat ist größer und hartnäckiger als nach der 
Schnittbehandlung ohne Saugung. (Selbstbericht.. 


Perthes (Leipzig). Der Grund der giinstigen Wirkung der Aspira- 
tion, den wir bei Furunkeln, Karbunkeln — auch beim diabetischen —, 


Ze, ji ar 


Panaritien und Mastitis augenfällig beobachten, ist nicht nur in der 
Hyperämie, wie in der Entfernung des Eiters und nekrotischer 
Pfröpfe zu suchen; es ist vielmehr wesentlich, daB sich die Wirkung 
der Aspiration weit in das Gewebe erstreckt und hier einen zu der 
Inzisionswunde bzw. zu einem Hautdefekte hingehenden Saftstrom er- 
zeugt. Dadurch werden die Bakteriengifte nicht nur verdiinnt, sondern 
auch nach außen abgeführt. Bereits im Jahre 1898 wurde diese 
giftabführende Wirkung der Aspiration, diese » Umkehrung 
des Lymphstromes« von P. in seiner Arbeit über Aspirationsbehandlung 
des Empyems betont und experimentell bewiesen. Wenn man einem 
Kaninchen das Doppelte der tödlichen Dosis Strychnin, gelöst in 
2 ccm Wasser, in den Unterschenkel injiziert, einen Schnitt über die 
infiltrierte Partie macht und 2 Stunden mit einem Unterdruck von 





Alex. Schädel, Leipzig, 
Reichsstraße 14. 
Preis: 4 35.— 


50 ccm Wasser aspiriert, so treten überhaupt keine Krämpfe ein, 
trotz Anwendung einer Dosis, die das Kontrolltier 5—10 Minuten 
nach der Injektion mit einem plötzlichen Streckkrampf tot hinwirft. 
Bei dem gleichen Versuche ohne Aspiration, aber mit Inzision, bleibt 
das Tier am Leben, aber unter schweren Krämpfen. Bei Aspiration 
ohne Inzision bleiben schwere Erscheinungen aus, so lange die Aspira- 
tion funktioniert. Hört sie auf, so treten tödliche Streckkrämpfe ein. 
Der Versuch veranschaulicht die giftabführende Wirkung der Aspira- 
tion und beleuchtet auch den Wert der Inzision bei akuten Ent- 
zündungen. Auch mit ‘einfacher Inzision in entzündetes Gewebe er- 
reichen wir Abflu8 von Giftstoffen. Durch Aspiration wird diese 
giinstige Wirkung wesentlich gesteigert. DaB, abgesehen von dieser 
Ausspülung der Gewebe von Innen her, auch die Hyperämie an sich 


Se. HR 


einen günstigen Einfluß auf den Ablauf des Krankheitsprozesses bei 
akuter Entzündung hat, zeigt sich bei Rückbildung beginnender 
Furunkel und Panaritien unter Stauungshyperämie, also in Fällen, in 
denen eine Offnung in der Haut nicht besteht. 

Bei der praktischen Verwendung der Aspiration ist es von 
wesentlicher Bedeutung, die Stärke der Aspiration beliebig regeln und 
für bestimmte Zeit konstant erhalten zu können. Diese Möglichkeit 
genauer Dosierung ist gegeben bei Verwendung des Bunsen’schen 
Flaschenaspirators, der von Storch (Kopenhagen) und P. zur Aspira- 
tionsdrainage des Empyems verwandt wurde. Das Wasser, das aus 
einer Flasche a durch einen die seitlichen Tuben verbindenden 
Gummischlauch in eine tiefer stehende Flasche 5 abzuströmen bestrebt 
ist, erzeugt in der Flasche a und dem damit verbundenen Saugglas 
für den Vorderarm bei luftdichtem Abschluß eine Luftverdünnung, 
deren Grad sich nach der Niveaudifferenz der Wasserspiegel in beiden 
Flaschen richtet und also durch Verschieben der Flaschen beliebig 
und genau eingestellt werden kann. (Selbstbericht.) 


Canon (Berlin) macht theoretische Bemerkungen mit Berück- 
. sichtigung der Verhältnisse der Blutbakteriologie und empfiehlt lang- 
same Aufhebung der Stauung, da bei raschem Aufheben Bakterien 
in die Blutbahn treten können. 


Hofmann (Karlsruhe) hat abdominelle Stauung angewandt, indem 
die Binde in Nabelhöhe angelegt wurde. Bei einer Urinphlegmone 
wurde so eine trockene Gangrän erzielt. 

Die Leukocytose wird, auch außerhalb der Gefäße, bei der Saugung 
von Fisteln verringert. Bei der Stauung wird der Blutdruck erhöht. 
(Demonstration von sphygmographischen Kurven.) Wenn man zu stark 
staut, bekommt man keine Erhöhung, sondern Verminderung des Blut- 
druckes. 


Heller (Greifswald) betont aus der Greifswalder Klinik besonders 
den Wert der Methode bei infizierten Verletzungen; nicht so günstig 
ist sie bei akuter Osteomyelitis; zweimal traten sekundäre Erysipele 
(Streptokokken nachgewiesen) und zweimal Sekundärinfektionen auf; 
ein Erysipelas migrans wanderte ohne weiteres über die Binde, drei 
gangränöse Erysipele heilten rasch; einmal trat Thrombose der Arm- 
vene auf. H. wünscht eine genauere Formulierung, wie weit man eine 
wirksame Behandlung durch Stauung erwarten kann. Jedenfalls ist 
die Stauungswirkung zeitlich begrenzt. Bei länger anhaltender Eite- 
rung, bei Sinken der Körperkräfte läßt die lokale Reaktion nach; 
dann also fort mit der Stauung. 


Küster (Marburg) sah bei einem eiternden Nierenechinokokkus 
mit widerwärtigem Geruch unter Saugen rasche Heilung eintreten. 


Ranzi (Wien) hat stets eine Abkürzung der Heilungsdauer bei 
Stauung, nicht aber, oder nur zum Teil, bei Saugung beobachtet. In 
der ersten Zeit machte er trockene, später — wegen Verklebung der 


et TR ne 


Wundränder — feuchte Verbände. Man soll nicht zu früh aufhören, 
besonders nicht bei Mastitiden und Panaritien. 


Thöle (Danzig) spricht gegen diejenige Ansicht, welche die 
Bier’sche Behandlung für eine wissenschaftliche hält. Die Bier’sche 
Lehre ist von teleologisch-anthromorphistischen und mechanischen An- 
schauungen beherrscht. Gegen die Bier’schen Ansichten ist auf die 
Lehre von den Gefäßnerven zu verweisen, welche total vernachlässigt 
wird. Goebel (Breslau). 


Haasler (Halle) berichtet über seine Erfahrungen in der Hallenser 
Klinik und Poliklinik. 

Abgesehen von Furunkeln u. ä. wurden über 100 Fälle von 
akuten Entzündungen aller Art nach dem Bier’schen Verfahren be- 
handelt. Kopfstauung wurde bisher nicht angewendet. 

Nachteilige Folgen wurden im allgemeinen nicht beobachtet. 
In einem Falle von Achselabszeß, der poliklinisch mit Saugstauung 
behandelt wurde, trat tödlich verlaufende Meningitis hinzu, doch bleibt 
es, da eine genaue Sektion nicht ausgeführt wurde, zweifelhaft, ob ein 
direkter kausaler Zusammenhang zwischen den beiden Entzündungen 
bestand, ob durch frühzeitige ausgiebige Inzisionen der Ausgang abzu- 
wenden gewesen wäre. 

H. hat sich besonders für die Verwendbarkeit des Bier’schen 
Verfahrens für die poliklinische Therapie interessiert, für seine 
L eistungsfähigkeit bei den wichtigsten Formen der chirur- 
gischen akuten Entzündung, den beginnenden progredienten 
Infektionen, den Panaritien und Phlegmonen. 

Um nicht die eine Methode nach der Erinnerung, die andere 
nach dem augenblicklichen Eindrucke zu bewerten, hat H. von ca. 
50 derartigen Fällen möglichst gleichwertige, nach Alter der Pat., 
Lokalisation, Intensität und Dauer der Infektion ausgewählt, die eine 
Reihe nach der alten Behandlungsart, die andere nach Bier be- 
handelt. Nach diesen möglichst exakten Vergleichen kann H. für 
diese progredienten Entzündungsformen dem Bier’schen 
Verfahren eine Uberlegenheit nicht zuerkennen. 

Die Behandlungsdauer war nicht kürzer, die Behandlung für die 
Pat. lästiger (Fingersauger, Zeitverlust); für die Arzte bedingt sie 
viel Aufwand an Zeit und Raum; für den poliklinischen Unterricht 
ist die Methode zu schwierig, zuwenig präzisiert in den Anweisungen, 
die der Anfänger verlangt. H. wird daher in der poliklinischen Praxis 
für diese progredienten Entzündungsformen zunächst die bisherige 
Inzisionsbehandlung beibehalten, nur in gewissen Fällen (Sehnen- 
beteiligung) mehr als Nachbehandlung das Bier’sche Verfahren an- 
wenden. 

Anders liegt der Fall bei den gut abgegrenzten akuten Entzün- 
dungen, Furunkel, Abszesse u. & Dann besonders auch bei der Be- 
handlung der Mastitis besitzt das Bier’sche Verfahren große Vorzüge 
vor der alten Behandlungsart. H. hat an zwölf Mastitisfällen durch- 


une | gr 


weg überraschend günstige Resultate gesehen. Für diese Krankheits- 
gruppen, sowie auch für manche andere akute Entzündungen, wie 
z. B. die Arthritis gonorrhoica, ist dem Bier’schen Verfahren auch in 
der poliklinischen Therapie ein bleibender Platz sicher. 
(Selbstbericht.) 
Blumberg (Berlin) demonstriert eine Pat., die seit 8 Wochen 
Schmerzen am Endglied eines Fingers hatte. Eine kleine Offnung, 
die ein Tröpfchen wasserklare Flüssigkeit entleerte, wurde zu 2 mm 
Durchmesser erweitert und durch Saugung ein kleines Glasstückchen 
entfernt. Goebel (Breslau). 


H. Stettiner (Berlin) bemerkt auf Grund von etwa 60 meist 
ambulant und mit Saugapparaten behandelten Fällen bezüglich der 
Technik, daß er den Ersatz eines großen Glases durch mehrere 
kleinere Gläser nicht für gleichwertig hält. Überhaupt kommt es viel 
auf die richtige Form und Größe des Glases an. Der Panaritien- 
sauger eignet sich für den Daumen, nicht so für die anderen Finger. 
Bei Panaritien hat Redner aber gerade in einer Anzahl von Fällen, 
in welchen er früher die Endphalanx geopfert hätte, durch die Saug- 
methode nach vorheriger Inzision den Knochen erhalten können. 
Auch bei Mastitis hat er gute Erfahrungen zu verzeichnen, namentlich 
auch in der Beziehung, daß die Mutter das Stillungsgeschäft nur auf 
kurze Zeit zu unterbrechen brauchte. Schließlich weist er darauf hin, 
daß die Saugapparate in gewissem Sinne, wie das auch von Kocher 
angedeutet ist, die Drainage ergänzen und ersetzen können. Wenn 
nach einer Operation mit Entfernung des auf 24 Stunden eingelegten 
Drains sich noch stärkere Sekretion zeigt, empfiehlt sich die An- 
wendung eines Saugglases. Ebenso kommen durch ihre Anwendung 
alte Fisteln ohne Anwendung des scharfen Löffels schnell zur Aus- 
heilung, von denen übrigens erfahrungsgemäß ein großer Teil gerade 
durch zu lange fortgesetzte Drainage oder Tamponade entstanden ist. 

(Selbstbericht.! 


Katzenstein (Berlin) fragt Herrn Hofmann, wie der Blutdruck 


stärker werde, er glaube, daß es sich nur um eine scheinbare Erhöhung 
des Blutdruckes handle. 


Hofmann (Karlsruhe) legt den Hauptwert auf die Differenz des 
diastolischen und systolischen Druckes. Es besteht eine Mehrarbeit 
des Herzens, was zu beachten ist. 


Gebele (München) hat 200 Fälle klinisch behandelt. Mastitis 
mit vielen kleinen Abszessen führte zur Ablatio und später zu Tod an 
Sepsis. Im großen und ganzen aber hatte er gute Erfolge und betont 
Lexer gegenüber gerade den Vorteil, die Tamponade fortfallen lassen 
zu können. Goebel (Breslau). 

Klapp (Bonn) bespricht einige technische Kleinigkeiten. Er 


empfiehlt, das Fingersaugglas mit einem abgeschnittenen weichen 
Gummifingerling als Manschette zu beziehen. Die Anwendung ist 


— 15 — 


dann schonender. Uber die mehrfach geäußerten schlechten Resultate 
bei Knochenpanaritien kann K. nicht klagen. Er hat häufig teilweise 
Sequestrierungen gesehen, niemals aber den Verlust der ganzen 
Phalangen. 

K. zeigt ferner ein von Braun (Bonn) angegebenes einfaches 
Verfahren zur Befestigung der Stauungsbinde, welches darin besteht, 
daß das letzte Ende mit Wasser festgeklebt wird. Die Befestigung 
ist recht praktisch und vollkommen sicher. 

Hier und da geäußerte weniger gute Erfolge bei der Behandlung 
der Mastitis mit der Saugglocke führt K. auf Mangel an Geduld und 
technische Fehler zurück. (Selbstbericht.) 


Bier (Bonn) hat 1500 akute Entzündungen behandelt, 1100 mit 
Saugung. Von 25 Sehnenscheidenphlegmonen, wo die Sehne selbst 
sichtbar war, sind 17 ohne jede, 8 mit partieller Nekrose geheilt, von 
22 Fällen von akuter Osteomyelitis 11 mit, 10 ohne Nekrose; 1 starb 
an Pyämie, die schon vorher bestand. Die ohne Nekrose geheilten 
sind die leichteren Fälle. 

Bei den Gelenken legt B. besonderes Gewicht darauf, daß schwere 
traumatische — nicht nur die im allgemeinen leichter heilbaren meta- 
statischen — Eiterungen günstig beeinflußt, zum Teil mit normaler 
Funktion geheilt wurden. 

Von 28 Ohreiterungen, davon 27 mit Mastoiditis, sind 16 mit 
guter Hörfunktion geheilt, nur Stichinzision in den Warzenfortsatz- 
abszeß (Kontrolle durch Spezialisten). Besonders die frischen Fälle 
eignen sich für die Behandlung. | 

Beziiglich des Erysipels und bei Streptomykose wurden keine guten 
Erfolge beobachtet. 


Lexer gegentiber betont B., daf es kein Prinzip ist, kleine In- 
zisionen zu machen, aber, wo man mit ihnen auskommt, ist es eben 
besser. Die aktiven Bewegungen sind richtiger als die passiven, und 
zwar besonders die in warmen Bädern. Betreffs der mechanischen 
Durchspülung ist zu bemerken, daß der ganze Vorgang noch zuwenig 
geklärt ist, so daß man bestimmte Erklärungen noch nicht geben kann. 
Feststellende Verbände verwirft er nicht prinzipiell, aber man kann 
auf sie verzichten. 

Schmerzen trotz Stauung sind nicht immer eine Kontraindikation 
für diese; es kommt auf die richtige Technik an. 

Thöle gegenüber weist B. auf die Wandlungen der Wissenschaft 
hin und darauf, daß man ihn früher für einen Vitalisten gehalten habe, 
während Thöle ihn jetzt für einen Mechaniker erkläre. 

Als allgemeine Sätze betont B., daß die Hyperämie und ihre 
Folgezustände nicht Schmerzen macht, sondern sie lindert, daß sie 
nicht Nekrose macht, sondern sie vermeidet, daß die Entzündung end- 
lich ein nützlicher Vorgang ist. Goebel (Breslau). 





ou 6 


5) Klapp (Bonn). Die Behandlung der chirurgischen Tu- 
berkulose mit dem Schröpfverfahren. 


K. bespricht in großen Zügen die Technik des Schröpfverfahrens, 
wie es sich seither am besten zur Behandlung der chirurgischen Tuber- 
kulose bewährt hat. Im allgemeinen schließt sich das Verfahren an 
das bei akuten, lokalen Entzündungen geübte an. Die Dauer jeder 
Sitzung braucht nicht so ängstlich innegehalten zu werden. Am besten 
eignet sich die zur Erweichung (Abszeß- und Fistelbildung) neigende 
Form der chirurgischen Tuberkulose. 

K. geht dann etwas näher auf die Wirksamkeit der Schröpf- 
behandlung ein und bespricht ferner die von Quervain und Garr? 
gemachten Einwände gegen die Spaltung kalter Abszesse. Letztere 
ist nicht zu rechtfertigen, wenn nicht mit einem hyperämisierenden 
Verfahren nachbehandelt wird. Geschieht das aber, so bleibt die sonst 
zu erwartende Sekundärinfektion aus, wie die Fälle der Bonner Klinik 
beweisen. 

Experimentelle Versuche haben erwiesen, daß die in Saugbehand- 
lung befindlichen offenen Tuberkulosen eine recht geringe Infektiosität 
besitzen. Die von Garrd befürchtete Gefahr für die Angehörigen 
scheint demnach nicht groß zu sein. 

Zum Schluß empfiehlt K. die Anwendung großer Sauggefäße 
für die Behandlung synovialer Tuberkulosen. Dabei scheint eine 
häufige Punktion des Exsudats günstig zu wirken, was in Anologie 
steht zu den günstigen Resultaten, welche die Augenkliniker mit der 
häufigen Punktion der vorderen Kammer bei der Iristuberkulose ge- 
macht haben. (Selbstbericht.) 


6) C. Pochhammer (Greifswald). Zur Prophylaxe und Be- 
handlung des Tetanus. 


P. weist zunächst kurz auf die Unzulänglichkeit der Serumbehand- 
lung beim Tetanus hin. Nach Ausbruch des Starrkrampfes sei das 
Antitoxin fast stets wirkungslos, wie man es auch appliziere. Mehr 
zu erwarten ist dagegen von der prophylaktischen Verwendung des 
Antitoxins, welche bereits von verschiedenen Seiten auf Grund günstiger 
Erfahrungen empfohlen worden ist. Das Fehlschlagen der immuni- 
sierenden Wirkung des Antitoxins bei frischen, einer Tetanusinfektion 
verdächtigen Wunden ist bisher nur bei der prophylaktischen Verwertung 
ausländischer Sera beobachtet. Eine nicht ausreichende Wirkung 
der Schutzimpfung mit einem Antitoxinpräparat der Höchster Farb- 
werke erlebte P. jedoch kürzlich bei einer schweren Maschinen- 
verletzung eines Fußes. Die prophylaktische Injektion wurde 14 Stunden 
nach dem Unfall ausgeführt. Trotz guten Wundverlaufes meldeten 
sich 14 Tage später Vorboten eines ausbrechenden Starrkrampfes 
in Gestalt lokaler Zuckungen und eigentümlich spannender 
Schmerzen in dem verletzten Beine. 3 Wochen später setzten 


ee: 


erst ausgesprochene Allgemeinerscheinungen des Starrkrampfes ein, 
Trismus und Opisthotonus. Es entstand das Bild des Tetanus as- 
cendens, das sonst fast ausschließlich beim Tier beobachtet wird. 
Der weitere Verlauf der Erkrankung war äußerst protrahiert. 
Erst gegen Ende des tödlich verlaufenden Starrkrampfes setzten re- 
flektorische Zwerchfellkrämpfe ein. Der Tod trat 39 Tage nach der 
Verletzung ein, er wurde, wie auch die Obduktion ergab, lediglich 
durch den Wundstarrkrampf herbeigeführt. Die prophylaktische Serum- 
injektion hat entschieden den Beginn und den Verlauf des Starr- 
krampfes bis zu einem gewissen Grad aufgehalten, den tödlichen Aus- 
gang indes nicht abwenden können. P. rät daher, bei verdächtigen 
Fällen sich nicht mit einer Schutzimpfung zu begnügen, sondern 
dieselbe nach 10—14 Tagen zu wiederholen, besonders wenn sich 
Vorboten eines ausbrechenden Starrkrampfes, wie lokale 
Zuckungen und spannende Schmerzen in dem verletzten Gliede, be- 
merkbar machen. (Selbstbericht.) 


Diskussion. 


Hecker (Stettin) schließt sich den Vorschlägen Pochhammer’s 
an, daB mehrere Dosen Antitoxin gegeben werden, und berichtet über 
seine Untersuchungen über häufiges Vorkommen von Tetanuserregern 
in den Soldatenkleidern und Schuhen usw. 


Riedel (Jena) hatte keinen Erfolg bei ausgebrochener Krankheit, 
wohl aber bei prophylaktischer Anwendung. Er stellt es dahin, ob 
hiermit nicht häufiger Versuche anzustellen wären. 


Körte (Berlin) hat in 16 Jahren keine sechs Tetanusfälle, aber 
als Assistent von Wilms in derselben Stadtgegend 14 gesehen; er 
glaubt, daß der Tetanus sehr viel seltener geworden ist und würde 
sich sehr besinnen, Tetanusantitoxin prophylaktisch einzuspritzen. 

Goebel (Breslau). 


Deutschländer (Hamburg) teilt eine Beobachtung mit, in der 
es bei einem 20jährigen Mädchen trotz einer 18 Stunden nach dem 
Auftreten der ersten Symptome erfolgten Einspritzung von 20 ccm 
Serum zu einer äußerst stürmischen Entwicklung von Tetanuskrämpfen 
kam, und in der dieselben nach reichlicher Entleerung des unter hohem 
Drucke befindlichen Liquor cerebrospinalis durch Lumbalpunktion 
bereits 1 Stunde nach der Punktion wie abgeschnitten aufhörten. 

(Selbstbericht.) 


Friedrich betont die territoriale Verbreitung des Tetanus; in 
Pommern herrscht viel Tetanus. Kein Fall, der in der Klinik be- 
handelt ist, ist tetanisch geworden, außer der von Pochhammer mit- 
geteilte. Stauung nützt bei Tetanus nichts. 


Zoege v. Manteuffel (Dorpat) hat die eingespritzten Fälle zu 
Hause ebenso zugrunde gehen sehen wie im Kriege. Er hat von acht 
Fällen nur einen durchgebracht. Er fragt, wann man denn im Krieg 
einspritzen solle? 

Chirurgen-Kongreß 1906. 2 


ee) AR as 


Henke (Charlottenburg) warnt vor dem Aufgeben der Serum- 
therapie. Warum soll man die Injektionen nicht wiederholen? Das 
Serum wirkt ja gegen das Gift, und nicht gegen die Bazillen. 


Zoege v. Manteuffel (Dorpat): Es ist nicht zu vergessen, daß 
die Inkubationszeit die Prognose gibt! 


Hecker (Stettin): Jede schwere Verletzung wird mit Antitoxin 
behandelt und niemals bemerkten wir eine Störung. 


Riedinger (Würzburg) erwähnt einen Fall von Tetanus nach 
Nagelverletzung des Fußes. In Würzburg kommen viele Fälle vor. 
Territoriale Verhältnisse sind maßgebend. R. machte zweimal Ampu- 
tation ohne Erfolg. 


Körte (Berlin) macht auf die verschiedenen Formen des Tetanus 
aufmerksam. Er hat einen puerperalen, der als schwerster gilt, mit 
Morphium und Chloral geheilt. 


v. Wrede (Petersburg) schließt sich Zoege v. Manteuffel an. 
Die Fälle, die in den ersten 7 Tagen auftreten, sind verloren. Er be- 
handelt mit Morphium-A tropin (letzteres, um den Kollaps zu vermeiden). 
Von zwölf so behandelten Fällen sind acht geheilt. Das beste Antidot 
ist bei den Krämpfen der Respirationsmuskeln der Sauerstoff. 


Krönlein (Zürich) sieht in Zürich viele Fälle, warnt vor Ilu- 
sionen bei Anwendung des Antitoxins. Er hat es subkutan, intra- 
venös und auf beiden Wegen zu gleicher Zeit gegeben, ohne Erfolg, 
wenigstens in den Fällen, die einen Prüfstein abgeben, also bei Te- 
tanus acutissimus. 


Braun (Göttingen) hat trotz prophylaktischer Impfung vier Fälle 
von Tetanus gesehen und berichtet über einen Fall von operativem 
Tetanus: Ein Pat. mit Schußverletzung des Knies erkrankte nach 
8—9 Tagen an Tetanus. Ein Pat., der an Hernie am nächsten Tag 
operiert wurde, erkrankte wenige Stunden später ebenfalls. Beide 
starben. Der Tetanusbazillus ist äußerst widerstandsfähig, also lege 
man besonderes Gewicht auf das Auskochen der Instrumente. 


Bornhaupt (Riga) hat von 15 Fällen im Kriege nur drei geheilt, 
trotz Einspritzung. Morphium wirkte gut. Die geheilten Fälle hatten 
ein langes Inkubationsstadium (7—10 Tage). 


Kocher (Bern) spricht zugunsten der prophylaktischen Injektion. 
Ein Fall von schwerer, verschmierter Armverletzung, der konservativ 
behandelt wurde, bekam trotz Injektion nach 3 Wochen Tetanus, 
heilte aber. 


Körte (Berlin) hat nie die prophylaktische Injektion gemacht 
und sah trotzdem keinen Tetanus. 


Hecker (Stettin) berichtet über Erfahrungen in China, und 


erinnert an die bekannte Tatsache, daß in Cuba jeder Fußverletzung 
Tetanus folgt. 


— 19 — 


Wendel (Marburg) erwähnt einen Fall (Küster), der einen Diener 
Behring’s betraf. Derselbe infizierte sich mit stark virulentem Ma- 
terial. Sofortige Auswaschung der Wunde mit und Injektion von 
Tetanusantitoxin. Nach 3 Tagen Anfall, aber Heilung durch intra- 
neurotische Injektion. 


Zeller (Stuttgart) injizierte bei einem Fall allerschwersten Tetanus 
die Hälfte der großen Dosis Antitoxin in den Wirbelkanal, die andere 
Hälfte in den Schädel. Pat. wurde sofort besser, die Krämpfe sistier- 
ten usw. Aber nach 24 Stunden Tod im Kollaps. 


Deutschländer (Hamburg) betont nochmals, daB seiner Ansicht 
nach die Lumbalpunktion durch Aufhebung des Druckes und Ent- 
leerung des Giftes wirkt. 


Pochhammer weist im Schlußworte darauf hin, daß sicher zu 
impfen sind: Wunden am Fuße, besonders mit Gartenerde beschmutzte, 
und Wunden, in die Fremdkörper geraten sind, insbesondere Schuß- 
verletzungen. Goebel (Breslau). 


7) Krönig (Freiburg i. Br.). Über Rückenmarksanästhesie 
bei Laparotomien im Skopolamindämmerschlaf. 


K. berichtet über Versuche, welche er mit einer Kombination von 
Lumbalanästhesie mit dem Skopolamindämmerschlaf in der Freiburger 
Universitäts-Frauenklinik durchgeführt hat. Die Rückenmarksanästhesie 
allein, auch in ihrer verbesserten Form mit Stovain, Alypin usw., hat 
bei Laparotomien und gynäkologischen Operationen bisher deshalb 
wenig Anwendung gefunden, weil die unangenehmen Begleitumstände, 
welche sich bei ausschließlicher Rückenmarksanästhesie bei den La- 
parotomierten ergeben, zu erhebliche sind. Die unbequeme Lagerung 
der Kranken auf dem Operationstische bei vaginalen und abdominellen 
Laparotomien, das Anschnallen der Arme, die kaum zu vermeidenden 
Anordnungen und Befehle des Operateuers während des operativen 
Eingriffes beeinträchtigen die Psyche der Kranken so sehr, daß da- 
durch postoperativ nervöse Störungen eintreten können. Das Ver- 
fahren erscheint zu inhuman. 

Durch relativ kleine Dosen von Skopolamin-Morphium sind wir, 
wie Gauss bei Gebärenden gezeigt hat, in der Lage, einen Zustand 
hervorzurufen, welchen man am besten mit dem Namen »Dämmer- 
schlaf« bezeichnen kann, d. h. die Gebärenden perzipieren wohl den 
Schmerz, aber sie apperzipieren ihn nicht mehr, oder die Erinnerungs- 
bilder an den abgelaufenen Geburtsakt verwischen sich so schnell 
wieder, daß bei Beendigung der Geburt die größte Zahl der Ge- 
bärenden keine Ahnung von dem ganzen Vorgange hat. Diese Ver- 
wischung der Erinnerungsbilder schien K. geeignet zu sein, der Rücken- 
marksanästhesie bei Bauchhöhlenoperationen das Inhumane zu nehmen. 
In einem Zeitintervall von 10 Wochen wurde in der Freiburger 


2% 


— 20 — 


Klinik mit verschwindenden Ausnahmen weder bei geburtshilflichen, 
noch bei gynäkologischen Operationen eine Inhalationsnarkose mehr 
ausgeführt. In diese Zeit fallen 160 größere geburtshilfliche und gynä- 
kologische Operationen, darunter 65 abdominelle Laparotomien, 28 va- 
ginale Operationen mit Eröffnung der Bauchhöhle. 

Die Technik ist folgende: Etwa 2 Stunden vor Beginn der 
Operation erhält die Pat. eine Mischung von 3 dmg Skopolamin und 
1 cg Morphium. Nach 1 Stunde wird diese Einspritzung wieder- 
holt. Erweist sich nach Ablauf einer weiteren Stunde die Pat. noch 
nicht im Dämmerschlaf befindlich, was am besten durch die Prüfung 
der Erinnerungsbilder festgestellt wird, so wird jetzt Skopolamin 
allein in kleinen Dosen von 1!/, dmg auf einmal injiziert. Mehr als 
9 dmg Skopolamin und 2 cg Morphium gibt K. nicht. Ist nach dieser 
Zeit noch kein Dammerschlaf eingetreten, so wird zur Einleitung des- 
selben 1—1!/, Lachgasballon mit dem Bennetinhalor im Beginne der 
Operation zur Einatmung gebracht. Sollte auch dies nicht genügen, 
so wird Chloroformäther gegeben, wobei aber zu erwähnen ist, daß 
dies niemals bei Stovaininjektionen in den Rückenmarkskanal nötig war. 

Zur Erzielung des Dämmerschlafes ist es wichtig, vor allem die 
Sinneseindrücke, Gehörs- und Gesichtsempfindungen von der Kranken 
fern zu halten. Deshalb bekommen die Kranken eine große dunkel- 
schwarze Brille aufgesetzt, außerdem werden Antiphone in den Hör- 
gang gesteckt und darüber noch dicht abschließende große Gummi- 
platten über die Ohrmuscheln gestülpt. 

In den Rückenmarkskanal wurde in den meisten Fällen Stovain- 
Billon eingespritzt, und zwar für Laparotomien 0,08—0,12 cg Stovain, 
für vaginale Operationen mit Eröffnung der Bauchhöhle 0,08 cg Stovain. 
In der Geburtshilfe wurde meist Novokain verwendet. Die Injektion 
geschah in den letzten Fällen mit dem von K. angegebenen Apparat 
zur Lumbalpunktion unter genauester Kontrolle des Druckes während 
der Infusion. 

Die Kranken wissen meist nachher von dem ganzen Ablauf der 
Operation nichts, weil die Erinnerungsbilder verwischt sind. Die Frauen 
schlafen meist tief und ruhig während der ganzen Operation. Der 
Hauptvorteil ist in dem Verhalten der Operierten nach der Operation 
zu erblicken. Von den erwähnten 160 Operierten haben 154 nach der 
Operation weder Nausea noch Erbrechen gehabt. Flüssigkeit wird 
dabei gewöhnlich schon einige Stunden nach der Laparotomie gereicht. 
Eine postoperative Bronchitis ist in keinem Falle beobachtet worden. 
Die Rekonvaleszenz konnte erheblich abgekürzt werden. Pat. mit 
Kystomektomien, abdominellen Totalexstirpationen des myomatösen 
Uterus, vaginalen Exstirpationen, Magen- und Darmoperationen konnten 
gewöhnlich zwischen dem 2. und 6. Tage post operationem aufstehen. 

Von unangenehmen Erscheinungen wurde unter den 160 Fällen 
12mal Kopfschmerzen beobachtet, darunter 8mal leichte, 4mal schwere 
Kopfschmerzen. 

Es bleibt abzuwarten, wie weit durch Verbesserung der Infusion 


— 21 — 


vor allem mit dem K.’schen Apparat diese Nebenerscheinungen ver- 
meidbar gemacht werden können. (Selbstbericht.) 





8) E. Küster (Marburg). Die Silberdrahtnaht als perkutane 
Tiefennaht. 


Im Anschluß an einen von Madelung auf dem vorjährigen 
Chirurgenkonkreß gehaltenen Vortrag über den postoperativen Vorfall 
der Baucheingeweide betont K., daß er seit dem Jahre 1892 nur in 
einem einzigen, genauer mitgeteilten und besonders ungünstigen Falle 
ein ähnliches Unglück erlebt habe und daß er dies der von ihm an- 
gewandten Nahtmethode zuschreiben müsse. Bis zu jenem Jahre ver- 
wandte er die Schichtennaht der Bauchwunde mit Catgut unter Hin- 
zufügung einer Hautnaht aus Seide; er hatte damit recht befriedigende 
Ergebnisse, bis er durch einen Mißerfolg darüber belehrt wurde, daß 
eine solche Naht bei Spannung des Bauchfelles nicht ausreicht, um 
Blutungen in die Bauchhöhle und umgekehrt phlegmonöse Infektionen 
der Bauchwand zu verhindern. Dadurch wurde er naturgemäß auf eine 
Verstärkungsnaht durch tiefgreifenden Silberdraht geführt. 

Seit dem Januar 1893 hat K. 1185 Operationen mit Eröffnung 
des Bauchfelles gemacht, darunter 433 Hernien operiert, so daß 752 
reine Bauchschnitte übrig bleiben; bei allen Fällen kam die Silberdraht- 
naht zur Anwendung. Dazu kommt aber eine erhebliche Anzahl 
anderer Fälle ohne Bauchfellverletzung, in welchen sie gleichfalls gute 
Dienste getan hat. Die Technik war folgende: 


1) Bei Laparotomien. Nach aseptischen Operationen beginnt die 
Naht mit der Durchführung mehrerer Silberdrähte durch die ganze 
Dicke der Bauchwand mit Einschluß des Bauchfelles. Sie liegen in 
der Entfernung von ca. 4 cm voneinander und bleiben zunächst un- 
geknüpft. Dann folgt die Schichtennaht mit Catgut, des Bauchfelles, 
der Muskeln, der Fascie getrennt, eine fortlaufende Seidennaht der 
Haut und zum Schluß die Zusammenfügung der Silberdrahtenden, 
teils indem sie einmal genüpft und dann zusammengedreht, teils von 
vornherein nur fest zusammengezogen und umeinander gedreht werden. 
Bei eitrigen Prozessen der Bauchhöhle (Epityphlitis, Cholecystitis) wird 
auf die Schichtennaht gewöhnlich ganz verzichtet; die Wunde wird 
in der Regel, unter Offenlassung des unteren Wundwinkels, nur mit 
zusammengerollten, durchgreifenden $ilberdrähten geschlossen, welche 
lang gelassen werden, um sie im Notfall aufdrehen und sofort wieder 
schließen zu können. Auch hier erfolgt in den meisten Fällen eine 
schnelle und zuverlässige Heilung. Nur bei Bauchfelltuberkulose 
dürfen die Nähte nicht zugleich durch das Bauchfell hindurchgehen, 
weil der tuberkulöse Prozeß gern durch die Stichkanäle hindurch nach 
außen kriecht. 


2) Hernien. Bei allen Methoden der Versorgung des Bruchsackes, 
welche insbesondere beim Leistenbruche sich herausgebildet haben, ist 


— 22 — 


eine Verstärkung der Nahtlinie durch tiefgreifende perkutane Drähte 
verwendbar und wünschenswert. 

3) Wanderniere. Die früher von ihm geübte Befestigung des 
unteren Nierenpoles an der unteren Rippe mittels versenkter Silber- 
drähte hat K. dahin abgeändert, daß er nur noch perkutane Drähte 
verwendet. 

4) Knochenbrüche. Nachdem K. schon vor mehr als 20 Jahren 
indirekte perkutane Drahtnähte bei Kniescheibenbrüchen verwendet 
hatte, benutzt er neuerdings direkte Drähte der Knochenbruchstücke, 
läßt sie aber gewöhnlich nicht bis in das Gelenk hineingehen. Brüche 
der Extremitätenknochen werden nur genäht, wenn ihre Reposition 
und die Erhaltung einer genauen Aneinanderlagerung der Bruch- 
flächen auf große Schwierigkeiten stößt. Die perkutanen Drähte 
werden dann gekreuzt angelegt. Zugleich beschreibt K. eine leichte 
Methode der Durchführung von Metalldrähten durch die Knochen. 

5) Kniegelenksresektion. Die Patella wird unter allen Umständen 
fortgenommen, die Reste der fibrösen Kapsel durch Catgutnähte ver- 
einigt. Die Stümpfe des Quadriceps und des Lig. patellare werden 
durch perkutane Silberdrähte zusammengefügt. 

Die Vorteile der perkutanen Silberdrahtnaht sind: 

1) Sie bringt auch die tiefen Teile der Wunde in feste Berüh- 
rung zueinander, begünstigt demgemäß schnelle Vereinigung und be- 
schränkt Blutansammlungen und deren Zersetzung. 

2) Sie beschränkt die Entstehung von Bauchbrüchen, selbst bei 
Eiterungen in der Bauchhöhle. 

3) Sie ist jederzeit und ohne Schmerz für den Kranken leicht zu 
entfernen. (Selbstbericht.) 


9) Clairmont (Wien). Über einen mit Röntgenstrahlen be- 
handelten Fall von allgemeiner Lymphomatose. 


C. demonstriert die Moulagen eines 45jährigen Pat. vor und nach 
der Röntgenbehandlung. Es handelte sich um einen 5 cm hohen, 
über das Dorsum der rechten Hand und des rechten Vorderarmes 
ausgebreiteten Tumor, der in der Haut gelegen und neben welchem 
allgemeine Lymphdrüsenschwellungen, Vergrößerung der Leber und 
Milz, sowie kleinere Hauttumoren am Hals, Nacken, Rücken der 
linken Hand und beiden Füßen vorhanden waren. Es handelte sich, 
wie durch eine Probeinzision bestätigt wurde, um einen von dem lym- 
phatischen Gewebe ausgehenden Tumor. Nach einmonatiger Behand- 
lung, während welcher Zeit die rechte Hand 30mal mit weicher Röhre 
durch 10—15 Minuten bestrahlt wurde, kam es zu einem fast voll- 
ständigen Schwinden des großen Tumors. Der Pat., der früher arbeits- 
unfähig war, konnte nach dieser symptomatischen Besserung, welche 
die rechte Hand betraf, wieder arbeiten. Die anderen Körperteile 
wurden weniger häufig bestrahlt und zeigten dementsprechend eine 
geringe Besserung. C. möchte vorläufig von einer histologischen De- 


— 23 — 


finition des Handtumors (Lymphosarkom oder Pseudoleukämie) absehen 
und behält sich die Besprechung des Blutbefundes und der histologi- 
schen Veränderungen durch die Röntgenbestrahlung einer späteren 
ausführlichen Mitteilung vor. (Selbstbericht.) 


10) Delkeskamp (Königsberg). Das Verhalten der Knochen- 
arterien bei Knochenerkrankungen und Frakturen. 


Die von Lexer geübte Methode der Injektion intraossaler Ge- 
fäBe mittels einer Quecksilber-Terpentinverreibung mit nachfolgender 
Skelettierung der Knochen und röntgenographischer Abbildung der- 
selben wurde bei verschiedenen Knochenerkrankungen angewandt und 
das Verhalten der so sichtbar gemachten Gefäße bei chronischen Ent- 
zündungen, Wachstumsstörungen, malignen Tumoren und Frakturen 
studiert. Das Material zu diesen Untersuchungen gaben meist ampu- 
tierte Gliedmaßen ab; jedoch wurden auch Leichenteile unmittelbar 
post mortem und endlich Extremitäten vom Hunde nach experimen- 
tell erzeugter Fraktur injiziert. Unter den chronischen Entzündungen 
wurden in erster Linie Fälle von Tuberkulose untersucht. Bei der 
Gelenktuberkulose ist meist eine auffällige Wucherung der epiphysären 
Gefäße zu konstatieren, die metaphysären Arterien und die Nutritia 
selbst zeigen weniger Beziehungen zu dem tuberkulösen Prozeß; nur 
in einem Falle (Sprunggelenkstuberkulose) waren rosenkranzartige Er- 
weiterungen an der Nutritia tibiae zu sehen, die nur als abnorme 
Brüchigkeit der Gefäßwand infolge tuberkulöser Erkrankung derselben 
gedeutet werden konnten. Eine noch stärkere Verästelung als die epi- 
physären Knochengefäße erfahren die Arteriae articulares bei der Ge- 
lenktuberkulose. 

Ein Oberschenkel, welcher wegen Carcinoma cruris amputiert 
wurde, war 30 Jahre vor der Ablatio Sitz einer eitrigen Osteomyelitis 
mit Bildung von Knochensequestern. Durch das Injektionsverfahren 
wurde nachgewiesen, daß die untere Nutritia völlig verloren gegangen 
und durch ein reichliches Netz periostaler Gefäße ersetzt war, die in 
den ehemaligen Entzündungsherd eingewachsen waren. 

Interessante Bilder wurden durch die Knocheninjektion des Ell- 
bogens eines an Syringomyelie erkrankten Mannes gewonnen. |Die 
stark deformierten Gelenkenden weisen ein weitverzweigtes Netz epi- 
physärer Arterien auf, die sowohl vielfach untereinander, als auch mit 
der Nutritia selbst anastomosieren. 

Unter den Wachstumsstörungen gaben die rachitischen Knochen 
der unteren Extremität eines 3jährigen Knaben, der an interkurrenter 
Diphtherie ad exitum kam, Gelegenheit zur Untersuchung. Die Nutri- 
tia zeigt eine stark büschelförmige Auflösung gegen die Knorpelfugen 
zu, an der Epiphysenlinie findet sich die stärkste Vaskularisation. Der 
Unterschenkel wurde 26 Tage ante exitum wegen rachitischer Ver- 
biegung osteotomiert. Bei der Heilung des künstlichen Knochenbruches 
ist das Periost in hohem Maße beteiligt; von demselben aus dringen 


genen, DA. Eu 


starke Gefäße in die eröffnete Knochenmarkshöhle ein und bahnen die 
Bildung des Kallus an. 

Bei den malignen Knochentumoren ist eine Neubildung abnorm 
verlaufender Knochengefäße am deutlichsten ausgesprochen. Während 
die Gefäße innerhalb des Tumors so zahlreich sind, daß die Geschwulst- 
masse nach der Injektion auf der Röntgenplatte ganz gleichmäßig mit 
Quecksilbermasse angefüllt erscheint, treten nach der Entfernung des 
Tumors die abnormen periostalen Gefäße deutlich hervor; dieselben 
dringen in großer Zahl gegen die Diaphyse des betreffenden langen 
Röhrenknochens vor und anastomosieren mit der meist ebenfalls ge- 
wucherten Nutritia. Diese Gefäße sind offenbar als die Bahnen der 
malignen Neubildung aufzufassen, auf denen diese in den Knochen 
eindringt und sich in demselben so rasch verbreitet. Ein Enchondro- 
sarkom der Schulter eines 60jährigen Mannes und ein Carcinoma 
cruris eines gleichaltrigen Pat. zeigten in dieser Beziehung ähnliche 
Verhältnisse. 

Schließlich wurde noch das Verhalten der Knochengefäße in den 
verschiedenen Stadien der Frakturheilung beobachtet. Es ergab sich, 
daß der Knochenbruch einen enormen Reiz auf die Nutritia des 
Knochens ausübt. Dieselbe antwortet darauf mit Neubildung von 
Asten, welche schon in den ersten Tagen nach stattgehabter Fraktur 
erscheinen und in den ersten Wochen an Stärke und Zahl ständig 
zunehmen. Mit vollendeter Konsolidation gehen die Gefäßneubildungen 
zurück; am Ende der 6. Woche sind annähernd normale Gefäß- 
verhiltnisse wieder zu konstatieren. Hand in Hand mit der Wuche- 
rung der intraossalen Gefäße geht eine Wucherung des periostalen 
Gefäßnetzes; die Aste des letzteren dringen vielfach in die Markhöhle 
ein und folgen hier den Bahnen der zerstörten Nutritia. Besonders 
bei Frakturen mit Dislokationen ist dies im Interesse der wiederher- 
zustellenden Ernährung der Markhöhle und der Callusbildung von 
Bedeutung. (Selbstbericht.) 





14) Lexer (Königsberg. Uber die Cysten der langen 
Röhrenknochen. 


Bezüglich ihrer Entstehung besteht keine einheitliche Auffassung, 
da sich zwcı Ansichten gegenüberstehen: gehören diese eigentümlichen 
Bildungen, welche mit langsamem Verlaufe den jugendlichen Röhren- 
knochen und mit Vorliebe die Metaphysen befallen, als Erweichungs- 
cysten, wie schon Virchow lehrte, zu den echten Tumoren, oder ent- 
stehen sie auf dem Boden der von Paget und v. Reklinghausen 
beschriebenen und Ostitis fibrosa deformans benannten Knochenkrank- 
heit? v. Mikulicz, welcher mit Entschiedenheit die Geschwulst- 
genese ablehnte, ließ sich durch den charakteristischen Krankheitsver- 
lauf verleiten, eine besondere Krankheit aufzustellen, welche er Osto- 
dystrophia cystica nannte. 

Der von L. beobachtete und operierte Fall gibt einen neuen Bei- 


— 25 — 


trag zu dieser Frage. Bei dem 14jährigen Knaben, bei welchem sich 
nach einer Kontusion der rechten Schulter vor 4 Jahren eine Ver- 
dickung der oberen Humerushälfte entwickelt hatte, wurde klinisch die 
Diagnose auf ein zentrales cystisches Enchondrom der rechten 
oberen Humerusmetaphyse gestellt. Die Operation ergab eine einzige 
große mit bräunlicher Flüssigkeit gefüllte Cyste, welche von der Nach- 
barschaft der Knorpelfuge bis ins mittlere Drittel der Diaphyse sich 
erstreckte, deren Wände, vielfach durchlöchert, nur aus ganz dünner 
Corticalis bestanden, und deren glattwandige Innenfläche durch das 
Vorhandensein septenartiger Vorsprünge die Herkunft aus einem Tumor 
verriet. Die ganze veränderte Partie des Knochens wurde subperiostal 
reseziert und der entstandene Defekt durch ein entsprechendes Stück 
einer Fibula ersetzt, welche frisch samt Periost aus einem amputierten 
Gliede stammte. Darüber wurde der Periostschlauch vernäht und die 
Wunde geschlossen. Die Einheilung ist gut gelungen. Röntgenbilder 
zeigen, daß sich an dem eingepflanzten Knochenstück nicht das geringste 
geändert hat; nur ist aus dem Periost eine dicke Knochenschale gebildet 
worden. Die Funktion ist normal und die ehemalige Verkürzung aus- 
geglichen. 

Vom mikroskopischen Befunde ist hervorzuheben, daß sich nirgends 
Tumorgewebe vorfand, daß aber das Vorhandensein zahlreicher hya- 
liner Knorpelinseln in der Wandung der ganzen ÜUyste für die ebe- 
malige Entwicklung eines später verflüssigten Enchondroms spricht. 
Denn in dieser Ausdehnung bis weit in die Diaphyse hinein kommen 
solche Knorpelinseln nur bei Enchondromen vor, wie an einem Präpa- 
rate gezeigt wird. Wenn auch die gelegentliche Entstehung von 
Knochencysten bei entzündlichen Erkrankungen nicht bestritten werden 
kann, so zeigt doch der operierte Fall, daß nur die genaue mikro- 
skopische Untersuchung der ganzen Cystenwand eine richtige Deutung 
ermöglicht. (Selbstbericht.) 





12) Tietze (Breslau). Uber die Osteodystrophia juvenilis 
cystica (Mikulicz). 


Redner demonstriert Präparate und Photographien eines Falles 
von Knochencyste, fiir welche er die Entstehung aus einer Ostitis 
fibrosa in Anspruch nimmt, nachdem er die zurzeit bestehenden An- 
schauungen über die Ursachen der Knochencysten kurz besprochen 
hat. Es handelt sich um ein junges Mädchen von 18 Jahren, bei 
welcher sich im 13. Lebensjahre nach Fall auf dem Eise reißende 
Schmerzen im rechten Oberschenkel entwickelt hatten. Sie sucht 
jetzt das Hospital auf wegen rechtsseitiger Oberschenkelfraktur. Bei 
weiterer Beobachtung finden sich Knochencysten im rechten Ober- 
schenkel an der Frakturstelle und im rechten Schienbein. Es wird 
schließlich operiert. Das Femur und ebenso später die Tibia erweisen 
sich bei ganz verdünnter Corticalis als ausgegossen mit einer fibrösen 
Masse, die stellenweise deutlich den Übergang in Erweichung und 


adis OF Zu 


Cystenbildung erkennen läßt, im allgemeinen nach dem Typus osteoi- 
den Gewebes gebaut ist und nirgends Knorpelzellen, wohl aber an 
einigen Stellen eine dichtere Anhäufung von|Gewebszellen nach Sarkom- 
typus erkennen läßt. Dieses fibröse Gewebe geht unmittelbar in die 
Cysten über, die die bekannte Beschaffenheit tragen. 

Redner sucht dann noch nachzuweisen, daß aus dem Befunde von 
Knorpelzellen in der Nachbarschaft einer Knochencyste nicht durchaus 
auf die Entstehung aus einem Chondrom geschlossen werden müsse. 

(Selbstbericht.) 
Diskussion. 


König (Jena) hat zwei Fälle von Cysten der Schlüsselbeine bei 
jungen Mädchen gesehen, die einen ganz dünnflüssigen, bräunlichen 
Inhalt und ganz dünne, tapetenglatte Wandung hatten. Die Tapete 
bestand aus einer dünnen Schicht eines Riesenzellensarkomgewebes. 


Goebel (Breslau) hat die Mikulicz’schen Fälle gesehen und 
kann, besonders in dem einen Falle, wo multiple Cysten beider Femora, 
Ulnae, Tibiae, Rippen usw. bestanden, nicht zugeben, daß Traumen 
die Cystenbildung bedingt haben sollen. Die Mikulicz’sche Ansicht 
ist jedenfalls nicht ohne weiteres ad acta zu legen, denn die Knorpel- 
inseln in der Nähe der Cyste können ebenso gut für Enchondrom als 
für kongenitale dystrophische Prozesse herangezogen werden. Auch 
erscheint es wunderbar, daß gerade immer die ganze Geschwulst durch 
die Einwirkung des Traumas zugrunde gehen soll; man könnte nach 
Analogie wohl erwarten, daß sich, falls wirklich ein Tumor vorliegt, 
die peripheren Teile erhalten hätten und nur die zentralen zugrunde 
gegangen wären. 

Haberer (Wien) betont, daß das von ihm gewonnene histologische 
Bild, wie er im Verein mit v. Mikulicz konstatieren konnte, ein ganz 
anderes war, als das der Mikulicz’schen Fälle. 


Schlange (Hannover) weist darauf hin, daß es eben mehrere 
Arten von Oystenbildung gibt, so Fälle auf dem Boden einer Riesen- 
zellengeschwulst, auf entzündlichem Wege, z. B. infolge einer peri- 
ostalen Verdickung und nachherigen rarefizierenden Ostitis. Das von 
Tietze gegebene Bild weist Übergänge zur Coxa vara auf. 


Tietze hat auch eine Cyste infolge Erweichung eines Riesen- 
zellensarkoms gesehen. 


Korte (Berlin) beobachtete drei Cysten, alle im oberen Femur. 
Die ersten beiden Falle hat Virchow untersucht, er hielt sie fiir 
erweichte Enchondrome; dasselbe Bild bot der dritte, von Benda 
untersuchte Fall. 

Fritz König (Altona) meint, man solle nicht von Tumor, z. B. 
Enchondrom, sprechen, aus dem die Cyste entstehe. Es handle sich 
nur um Gruppen von Knorpelzellen, die, während des Wachstums von 
der Epiphysenknorpellinie abgedrängt, an irgendwelchen Stellen der 
Diaphyse liegen. Aus diesem ruhenden Keim — oder den Keimen — 


— 297 — 


wird, event. nach einem Trauma, durch Weiterentwicklung und Um- 

bildung eine Cyste; in anderen Fällen kann freilich ein Enchondrom 

daraus entstehen, aber das ist keine notwendige Zwischenstufe. 
(Selbstbericht.) 


Riedel (Jena) betont, daß es jugendliche Individuen mit zahl- 
reichen solchen Knorpelinseln gibt; auch bei Osteomyelitis albuminosa 


bilden sich Cysten im Knochen ohne eine Spur von Nekrose. 
Goebel (Breslau). 





13) Wrede (Königsberg). Hämatogene Osteomyelitis durch 
Aktinomykose. 


Die Aktinomykose der Knochen entsteht fast ausschließlich durch 
kontinuierliches Vordringen der Aktinomykose von den benachbarten 
Weichteilen her, nur ganz ausnahmsweise kommt sie auch durch Me- 
tastasenbildung auf dem Blutwege zustande. Vortr. hat in der Lite- 
ratur nur drei sichere Fälle metastasischer Knochenaktinomykose 
finden können. In allen drei Fällen handelte es sich um Lungen- 
aktinomykose mit zahlreichen Weichteilmetastasen, und die Knochen- 
metastasen traten klinisch wenig oder gar nicht in Erscheinung. 

Vortr. zeigt ein Präparat von hämatogener Osteomyelitis actino- 
mycotica in der oberen Femurmetaphyse mit beträchtlicher Zerstörung 
des Knochens. Die Erscheinungen der Knochenmetastase standen in 
diesem Fall im Vordergrunde des Krankheitsbildes, während der 
Ausgangsherd in den Lungen so wenig sich bemerkbar machte, daß 
er erst bei genauer klinischer Untersuchung festgestellt wurde. Da- 
neben fanden sich noch mehrere metastasische Weichteilherde. 

Es machte sich auch in diesem Falle von Aktinomycesmetasta- 
sierung die Beziehung des metaphysären Gefäßgebietes zu metastati- 
schen Osteomyelitiden deutlich geltend. (Selbstbericht.) 


14) Fritz König (Altona). Über traumatische Osteome. 


Indem K. von der als Myositis ossificans traumatica bezeichneten 
Affektion absieht, will er nur von den außerordentlich seltenen Knochen- 
geschwülsten reden, die nach einmaligem Trauma am Knochen selbst 
entstehen — ohne jede Fraktur. 

Nach heftigem, kantenartig wirkendem Trauma, z. B. Hufschlag 
am Oberschenkel, treten etwa 8 Tage später Schmerzen und zu- 
nehmende Geschwulstbildung auf. Dieselbe ist in diesem Stadium dem 
periostalen Sarkom sehr ähnlich. Neben der Anamnese scheint in ge- 
wissen typischen Fällen der plötzliche Abfall des Tumors am unteren 
Ende diagnostisch verwertbar. Ein Röntgenbild demonstriert, wie die 
aufwärts vom Knochen abgehende lange Geschwulst hier sich nach 
oben wieder umkehrt — tabakspfeifenähnlich. Nicht immer aber ist 
völliger Knochenschatten im Röntgenogramm; auch treten hellere 
Partien in ihm auf. Nach etwa 1/, Jahr bleibt der Tumor im 


— 28 — 


Wachstum stehen (wie im I. Fall) oder bildet sich teilweise zurück 
(Fall II des Vortr.) Bezidive durch erneutes Trauma sind selten. 

Im dritten Falle (gleichzeitig Rückenmarkslähmung) konnte K. das 
4 Monate nach dem Unfalle gewonnene Leichenpräparat studieren. Dieses 
Studium hat für diesen Fall gezeigt, daß die Wucherung wesentlich 
zwischen Periost und der sehnigen Ansatzplatte der Muskulatur sitzt, 
teils bindegewebig, teils ossifiziert ist. Auch an nicht zerrissenen 
Stellen bildet das Periost in seiner Innenschicht zierliche Knochen- 
bälkchen; diese durchbrechen Cambium und Adventitia des Periosts 
und breiten sich in der fibrösen Bildung aus — außerdem scheint die 
sehnige Muskelabgangsplatte an der Knochenneubildung teilzunehmen. 
Im ganzen ähnelt der Prozeß sehr dem »periostalen Callus«, welcher 
sich in Weichteilen bildet an Stellen, die von der in der Nähe sitzenden 
Fraktur selbst nicht betroffen sind. K. geht auf den Entstehungs- 
modus noch im einzelnen ein; um die Gewächse richtig zu rubrizieren, 
möchte er sie »frakturlose Callusgeschwülste« genannt wissen. 

Diese Auffassung mahnt uns bezüglich der Therapie zu konser- 
vativrem Verhalten. Nach K.’s Ansicht ist die Diagnose immer zu 
stellen; einmal erkannt, sollen die Geschwülste nur dann operiert 
werden, wenn unerträgliche Beschwerden dazu zwingen. Die große 
Zahl der Rezidive nach Operation dieser Affektion, die so wie so stehen 
bleibt oder gar zurückgeht, die mäßigen Erfolge betreffs Besserung 
der Erwerbsbeeinträchtigung, die oft sehr beträchtliche Ausdehnung 
des Eingriffes sind Gründe zur Zurückhaltung. Haben wir uns ein- 
mal zur Operation entschlossen, dann freilich sollen wir radikal vor- 
gehen und alle diese Teile mit entfernen, welche zur Wucherung bei- 
tragen, also die oberste Oorticalisschicht, Periost samt Tumor und 
die darüber liegende sehnige Muskelsursprungs- oder Ansatzschicht. 

(Selbstbericht.) 
Diskussion. 

v. Bramann (Halle a. S.) sah einen Fall mit gar keinem Knochen- 
zusammenhange; mehrere Fälle, die Rammstedt veröffentlicht hat, 
standen ebenfalls nicht mit dem Knochen in Zusammenhang, zum Teil 
waren sie mit Cysten (zwischen zwei Knochenschalen) kombiniert. 


Hecker (Stettin) betont den prinzipiellen Unterschied zwischen 
den Ausführungen König’s und v. Bramann’s. Letzterer sprach 
von der alten Form des Reit- oder Exerzierknochens, die andere Form 
ist neu. 

Zoege v. Manteuffel (Dorpat): Es kommen Hamatome, An- 
eurysmen, die verknéchern, vor. Virchow hat mir gesagt: Das ist 
alles eins, es sind Zellen vom Periost, die wandern und dann wuchern. 

König (Altona) betont, daß er nur von Geschwiilsten am Kno- 
chen sprach, nicht von Myositis ossificans. Jene Fälle müssen etwas 
anderes sein. 

Blecher (Brandenburg) hat in allen seinen Fällen, die Busse 
untersucht hat, lediglich Myositis ossificans konstatieren können. Dabei 


— 29 — 


war aber auch das Periost verletzt und also gereizt. Diese beiden 
Prozesse (im Muskel und Periost) verwachsen nachher und bilden eine 
Geschwulst. Wenn die Ossifikation in dem König’schen Falle vom 
Periost ausginge, so wäre es wunderbar, daß gerade ein Schatten 
zwischen Periost und Knochen existiert. Goebel (Breslau). 


15) Bosse (Berlin). Histologisches und Radiologisches zur 
tardiven Form der hereditären Gelenklues. 


Den ersten Hinweis auf Gelenkentzündungen als ein Symptom 
der Lues hereditaria tarda verdanken wir den Ophthalmologen Foer- 
ster (1876). Auch in der Folge waren es hauptsächlich Augenärzte, 
welche auf dieses Leiden aufmerksam machten. Trat ihnen doch täg- 
lich in klinischer und besonders poliklinischer Praxis in Kombination 
interstitielle Keratitis und Gelenkleiden vor Augen. Diese Tatsache 
trägt zweifelsohne Schuld daran, daß die hereditär-luetischen Gelenk- 
leiden nicht die allgemeine Beachtung gefunden haben, welche sie 
vielleicht verdienen. Denn bis in die jüngste Zeit tobte zwischen den 
Ophthalmologen der Streit über die wahre Atiologie dieser Keratitis- 
form. Nachdem derselbe schließlich dahin entschieden war, daß nicht 
die Syphilis allein, sondern eine ganze Reihe anderer akuter und 
chronischer Ernährungsstörungen, wie Tuberkulose, Malaria, Rheuma- 
tismus, Influenza u. ä., eine Keratitis verursachen können, nachdem 
sogar festgestellt war, daß auch Tiere — Hund, Bär, Pferd — von 
dieser Krankheit befallen werden können, kann es nicht Wunder 
nehmen, wenn auch die hereditär-luetische Herkunft der Gelenkaffek- 
tionen in Zweifel gezogen wurde. Ganz abgesehen von den prin- 
zipiellen Gegnern der Lues hereditaria tarda (Hochsinger), war es 
besonders die Michel’sche Schule, welche immer und immer wieder 
auf die Tuberkulose. als Ursache der Augenaffektionen hinwies. Be- 
sonders E. v. Hippel suchte noch 1893 den anatomischen Nachweis 
dieser Grundkrankheit zu liefern; im Jahre 1895 diagnostizierte er 
unter 80 Fällen von Keratitis interstitialis 28mal Tuberkulose und 
warnt direkt vor ihrer Deutung in syphilitischem Sinne. Auch ich 
habe mich im Jahre 1895 in meiner Inaug.-Diss. aus der Schweig- 
ger’schen Klinik bemüht, über die Häufigkeit des Zusammentreffens 
von Keratitis interstitialis und Gelenkaffektionen als Symptome der 
hereditären Lues zahlenmäßig etwas festzustellen: von 46 Fällen sicher 
konstatierter luetischer Hornhautentzündungen waren 17 —= 37% von 
Gelenkentzündungen befallen. Wie sehr sich seitdem die Lehre von 
der Zusammengehörigkeit beider Affektionen auf der Basis der here- 
ditären Lues unter den Forschern Bahn gebrochen hat, mögen Sie 
daraus ersehen, daß der vorhin erwähnte E. v. Hippel 10 Jahre 
später in 56% einen Zusammenhang zwischen hereditärer Lues und 
Keratitis konstatiert, und daß er die gleichzeitigen Gelenkleiden als 
pathognomonisch für ererbte Syphilis rühmt. 


nr, Ag ers 


Daß eine Erklärung der in Rede stehenden Affektionen über- 
haupt so lange Jahre uns mangeln konnte, dafür sehe ich den Haupt- 
grund in dem Fehlen geeigneten Sektionsmateriales und damit der 
sicheren pathologisch-anatomischen Forschungsgrundlage. Dank dem 
liebenswürdigen Entgegenkommen meines Chefs habe ich in der chi- 
rurgischen Klinik der kgl. Charit€ zu Berlin diesem Mangel abhelfen 
können, indem ich histologische (dreimal) und radiologische (11 Fälle) 
Untersuchungen in größerer Menge anstellen durfte; die histologi- 
schen an drei zum Zwecke genauer Diagnose unternommenen Probe- 
exzisionen. 

Das Wesentliche des histologischen Prozesses ist das Vorhanden- 
sein eines zellreichen Granulationsgewebes mit wechselndem Gefäß- 
reichtum. Im Stratum internum der Synovialmembran ist dasselbe 
meist in einer verschiedenen dicken basalen und marginalen Zellschicht 
geordnet; zwischen denselben im Stroma tritt dasselbe in einander 
parallelen schmalen Zügen auf. Doch kommt es auch hier zu Haufen 
geballt vor, wie es für die Intermediärschicht (Gefäßschicht) die Regel 
zu sein pflegt, wenngleich auch hier gelegentlich eine basale Zell- 
anhäufung statthat. Das Stratum fibrosum ist in allen drei Fällen 
an der Entzündung gänzlich unbeteiligt. 

Speziellere Veränderungen der Innenschicht sind: diffuse Ödemati- 
sierung des Stroma, Exsudation in das Gewebe hinein, dasselbe in 
erweiterte Lymphräume parallel und dicht unter der Oberfläche mit 
Verzweigungen. In die Gewebshöhlen hinein haben hier und da 
Blutungen stattgefunden. Die Gewebsexsudation hat ganze Lagen 
oberflächlicher Zellkonglomerate von der Unterlage abgehoben, so daß 
diese frei in der Gelenkhöhle flottieren. Mehrere solcher benachbarter 
abgehobener Zellagen sind miteinander zur Verklebung gekommen und 
umsäumen auf diese Weise exsudatgefüllte Hohlräume Im ersten 
Falle finden sich in längs getroffenen Gefäßen Leukocytenthromben, 
welche massenhaft durch die hier zerstörte Wand in das Nachbar- 
gewebe auswandern. Auch Vorstadien solcher Thrombosen sind mehr- 
fach erkenntlich. Ich erwähne diese letzten Befunde ausdrücklich, 
weil sie eine Erklärung geben für die Entstehung eitriger Gelenk- 
entzündungen, wie sie Heubner immer noch leugnet. Eine andere 
Erklärung für die Entstehung derselben liefern die oben geschilderten 
abgehobenen Zellagen, welche schließlich ganz abreißen können; eine 
dritte ist die Möglichkeit des Durchbruches verkäster Knochengum- 
mata — wobei allerdings zu berücksichtigen ist, daß es sich dabei 
nicht um purulente, sondern nur um puriforme Ergüsse handelt. 

In unseren Fällen ließen sich Gummata nur zweimal nachweisen, 
und zwar stets superfiziell, den marginalen Zellagen des Stratum in- 
timum gewissermaßen knopfförmig aufgesetzt. Sie enthalten nur spo- 
radisch Riesenzellen ohne Langhans’ schen Typus, wie überhaupt alle 
Attribute der Tuberkulose fehlten. 

Ein gelegentlich auftretender Knorpelpannus besteht histologisch 
aus feinsten zum Teil äußerst gefäßreichen Zöttchen. Im übrigen 


ete Sn 


sind aber Zottenbildungen in vermehrtem MaBstabe nur im zweiten 
Falle vorhanden. 

Das paraartikuläre Gewebe ist in zweifacher Weise an dem Pro- 
zesse beteiligt: erstens in Gestalt von Gefäßveränderungen — es handelt 
sich um bindegewebige Intimawucherung und adventitielle Kapselbil- 
dung — und zweitens in Gestalt von Muskelatrophien; es handelt sich 
um einfache Atrophien mit Sarkolemmkernwucherung, Degeneration 
der kontraktilen Substanz und des Sarkolemms, und zwar von innen 
nach außen bis zum partiellen Schwund der elastischen Fasernetze. 

Die radiologischen Untersuchungen hatten hauptsächlich den 
Zweck, festzustellen, inwieweit Knochenveränderungen an der Ent- 
stehung der Gelenkleiden bei der Spätform der kongenitalen Lues 
beteiligt sind. Diese Knochenaffektionen können sein einerseits solche 
der hereditär-luetischen Frühsyphilis, wie sie an den Wachstumsgrenzen 
in die Erscheinung treten, und andererseits solche, die uns aus der 
Tertiärperiode der erworbenen Lues geläufig sind. Ohne auf Einzel- 
heiten eingehen zu können, sei berichtet, daß wir sowohl Wegner’s 
Osteochondritis epiphysaria als gummés osteomyelitische Prozesse als 
reaktive Periostitis ossificans teils mit, teils ohne Gummabildung mittels 
des Röntgenverfahrens nachweisen konnten. Allerdings ist eine radio- 
logische Darstellung nur des dritten Stadiums der Wegner’schen Er- 
krankung mit Sicherheit möglich, bei welchem die verbreiterte Ver- 
kalkungszone durch gummöse Prozesse perlschnurartig ausgebuchtet 
oder von gröberen Defekten unterbrochen is. Dagegen sind die 
ersten Stadien mit wenig verbreiterter, zackiger Verkalkungszone und 
beträchtlicher Knorpelwucherung radiologisch weniger leicht erkennbar, 
bzw. einer Verwechslung mit Rachitis ausgesetzt. In drei unserer 
Fälle, welche mit englischer Krankheit kompliziert waren, ließ sich 
eine Unterscheidung der beiden Knochenaffektionen auf Grund viel- 
facher Röntgenbilder aus allen Körperregionen ermöglichen. 

Eine genauere Differentialdiagnose soll noch Gegenstand einer 
späteren Arbeit werden. Nicht genug hervorgehoben muß werden, 
daß zur Beurteilung der Röntgenbilder eine genaue Kenntnis der 
Epiphysenlinien, sowie eine systematische Röntgenuntersuchung des 
ganzen Knochensystems einschließlich der kurzen Röhrenknochen und 
des Schädels erforderlich ist. 

Das Verhältnis unserer histologischen zu den radiologischen Be- 
funden gestaltet sich kurz folgendermaßen: 

Im ersten Falle bestand eine Synovitis gummosa ohne sicheren 
spezifischen Knochenbefund. 

Im zweiten Falle eine ebensolche mit den schwersten diaphysären 
und epiphysären Veränderungen. 

Im dritten Falle die Gummata im histologischen Bilde der ein- 
fachen Synovitis, obgleich ein Prozeß beider Femurepiphysen vorliegt. 

In bezug auf Einzelheiten muß ich bei der Kürze der zur Ver- 
fügung stehenden Frist auf meine demnächst erscheinende ausführ- 
liche Arbeit verweisen. (Selbstbericht.) 





ei En 


16) M. Hofmann (Graz). Zur Behandlung der knöchernen 
Gelenksankylosen. 


Die operativen Erfolge der Behandlung knöcherner Gelenksanky- 
losen sind bisher keine günstigen. Es wurden geübt die Resektion 
oder die Arthrolysis (Wolff) mit oder ohne Interposition von Muskeln, 
Fascien, Fettlappen oder verschiedenen Fremdkörpern. Die Erfolge 
werden beeinträchtigt einerseits durch die hohe Gefahr neuerlicher 
Ankylosierung oder durch Bildung von Schlottergelenken, andererseits 
durch die eine, oft außerordentliche Geduld und Ausdauer im Ertra- 
gen von Schmerzen erfordernde Nachbehandlung. Auch ist ein großer 
Teil der wenigen bisher erzielten günstigen Erfolge zu beziehen auf 
noch vorhandene Reste der ursprünglichen Überknorpelung, von denen 
außerordentlich rasch, wenigstens im Tierversuch, eine vollständige 
Überknorpelung der Gelenkenden erfolgen kann, die neuerliche Anky- 
losierung erschwert. Um nun neuerliche Ankylosierung auch bei Fehlen 
jeden Restes der ursprünglichen Überknorpelung zu verhindern, wur- 
den in einem Falle vollständig knöcherner Ankylose im Ellbogengelenke 
nach Resektion des Radiusköpfchens und Durchmeißelung, entsprechend 
dem ursprünglichen Gelenkspalt zwischen Ulna und Humerus, die 
wunden Knochenflächen vollständig mit Periostlappen bedeckt, die der 
vorderen Tibiafläche entnommen und durch einige Nähte in ihrer 
"Lage fixiert wurden. Das mit der Osteoblastenschicht dem Knochen 
aufliegende Periost mußte nach Anheilung einen natürlichen Abschluß 
der Knochenenden gegen ihre Umgebung bilden und so ihre gegen- 
seitige knöcherne Verwachsung hindern. Die Leichtigkeit, mit der 
sich Periost übertragen läßt, machen es für einen solchen Versuch 
besonders geeignet, auch zeigten Tierversuche, daß auf Knochenwunden 
transplantiertes Periost außerordentlich leicht anheilt. Auch in dem 
so operierten Falle erfolgte die Heilung per primam bei rechtwinklig 
gebeugtem Vorderarm. Nach 4 Wochen verließ Pat. das Spital; bis 
dahin wurden Bewegungen vermieden, einerseits, um das frisch ange- 
heilte Periost nicht etwa zu schädigen, andererseits weil ja die Gefahr 
einer neuerlichen Ankylose infolge der Periostüberkleidung der Gelenk- 
enden nicht bestand und passive Bewegungen gerade in der ersten 
Zeit recht schmerzhaft sind. Allmählich nahm Pat. seine Arbeit als 
Landmann wieder auf. Derzeit, 8 Monate nach der Operation, kann 
Pat. das Ellbogengelenk vollständig strecken und mit Kraft bis zu 
80° beugen. Pro- und Supination sind frei. Auch jetzt bessert sich 
sein Zustand noch weiter. Dieses günstige Resultat wurde ohne jede 
forcierten passiven Bewegungen durch allmähliche Aufnahme der natür- 
lichen Arbeit in vollständig schmerzloser Weise erzielt und berechtigt 
zu gleichen Versuchen mit Periostüberkleidung der resezierten Gelenk- 
enden, eventuell nur eines derselben, auch an anderen ankylosierten 


Gelenken. (Selbstbericht.) 


— 33 — 


Diskussion. 


Helferich (Kiel) erinnert an die Interposition von Muskelläppchen, 
wie er sie z. B. beim Kiefergelenk und in letzter Zeit beim Hüft- 
gelenke mit gutem Erfolg angewandt hat. Es ist diese Interposition 
also auch dort möglich, wo ein starker Druck herrscht. 


Bier (Bonn) empfiehlt, Muskel- oder Muskel-Fettlappen zwischen 
zu legen. Goebel (Breslau). 


Kriegschirurgie. 


17) Zoege v. Manteuffel (Dorpat). Über die erste ärztliche 
Hilfe auf dem Schlachtfelde. 


Die Institutionen des Militärsanitätswesen setzt Redner als be- 
kannt voraus. Im roten Kreuz waren außer den verschiedenen fliegen- 
den und Reservelazaretten als Novum fliegende Kolonnen zu Pferd ein- 
gerichtet, die in gewissen Fällen sich sehr brauchbar erwiesen, in Zu- 
kunft aber jedenfalls mit einem Transport zusammen zu organisie- 
ren sind. 

Was lehrt uns nun der russisch-japanische Krieg? Viel Neues 
konnte man nicht erwarten, da namentlich der Burenkrieg die meisten 
Fragen bereits beantwortet hatte. 

Wo soll dem Verwundeten die erste Hilfe gewährt werden? In 
Berücksichtigung der Tragweite moderner Geschütze ist der Punkt 
etwa 4 km hinter der Schlachtlinie zu suchen, im Gebirge kann man 
näher heran. Jedenfalls soll man die Rückspur der Soldaten beachten, 
ferner stets die Bahnhöfe. 

An Verwundungen gab es wenig Granatverletzungen, noch weniger 
Verletzungen mit kalter Waffe; die große Masse gab das japanische 
Spitzgeschoß und das Schrapnell. — Im Gebirge hat man Kopf- und 
Brustschüsse, bei Kavalleriegefecht Beinschüsse, in Trancheen Kopf- 
und Armschüsse zu erwarten. Beim Liegen betrug das Verhältnis der 
Schrapnellverletzungen zu Flintenprojektilen über 25%. 

Wichtig ist die Frage, wieviel Verwundete sind zu erwarten? 
Die Schlachten in der Mandschurei haben die neue Tatsache ergeben, 
daß 1/, aus dem Kampf ausscheidet; davon bleibt 1/, tot, d. h. von 
der Iststärke ist ca. 1/4 auf dem Verbandplatze zu erwarten. 

Ein Arzt kann in einer Nacht ca. 100 Verbände machen. Die 
russische Armee war bei Mukden etwa 300 Batallione stark, hatte also 
75000. Verwundete zu erwarten und zu deren Versorgung eigentlich 
7500 Arzte resp. Studenten und Heilgehilfen nötig. Tatsächlich waren 
ca. 2700 Arzte vorhanden, von denen aber ein großer Teil weit zurück 
in der Reserve stand. Mukden gab tatsächlich auf die Etappen 
62000 Verwundete. Das individuelle Paket ist gut gebraucht worden 
und hat sich bewährt. Vorschriften existierten, von Wreden redigiert, 

Chirurgen-Kongreß 1906. 3 


Zu DA neat 


waren aber zu wenig bekannt. Die allgemeine Regel, so schnell wie 
möglich zu verbinden, führte zu Polypragmasie. 

Die Fragen, die der Burenkrieg offen ließ, betrafen vornehmlich 
den Schädel. Hier kann nicht unerwähnt bleiben, daß die Diametral- 
schüsse mit Ausschuß durchaus nach der von Bergmann aufgestellten 
Regel ein Noli me tangere bildeten. Diametralschüsse ohne Austritt 
verlangten ebenfalls abwartendes Verhalten und führten erst nach 
Röntgendurchleuchtung und Symptomen zur Operation in den Reserve- 
lazaretten. Anders die Tangentialschüsse; sie müssen so früh wie 
möglich operiert werden. Schon im Sommer verliefen sie ungünstig 
durch tief eingetriebene Splitter, im Winter, wo Schutz und Mützen 
und Pelzfetzen hineingerissen werden, war vollends die Gefahr der 
Infektion und Meningitis und Encephalitis groß. Operierte man nicht, 
so eiterten die Wunden stets, und dann kam die Operation meist zu spät. 

Halsschüsse gaben nur von Gefäßen her Indikation zur Operation; 
davon.wird später berichtet werden. — Die queren Halsschüsse heilten 
meist ohne Störung. 

Brust und Thorax bestätigte die Erfahrungen des Burenkrieges. 
Nur will ich bemerken, daß man mit der Punktion der Ergüsse 
warten soll und etappenweise vorzugehen hat, d. h. nicht alles auf ein- 
mal abzapfen soll, weil sonst aus der Lunge Keime aspiriert werden 
können; ferner drohen wohl auch Nachblutungen. 

Herzschüsse noli me tangere; ich habe 7 Herzschüsse; glatt 
heilen sehen. 

Wirbelsäule brachte nichts Neues, nur immer das alte traurige 
Bild. Jedenfalls soll man nicht operieren, wenn quere Lähmung und 
Ausschuß besteht. Fehlt letzterer, ist die Lähmung nicht genau quer, 
sondern unregelmäßig, so kann man laminektomieren. Erfolge waren 
wenig. Jedenfalls soll man warten, da möglicherweise Blutungen, die 
‚ Ursachen sind, die sich resorbieren können. 

Flintenschüsse gehen meist quer glatt durch. Schrapnellschüsse 
sind meist infiziert. 

Uber Bauchschüsse wird noch berichtet werden. 

Ich erwähne hier aber: die Blasenschüsse, die bei konservativer 
Behandlung, insofern es sich um Verletzungen mit Spitzgeschoß han- 
delte, glatt heilten. — Schrapnellschüsse sind nach wie vor wohl meist 
gleich zu operieren. 

Leberschüsse sind zu operieren und zu tamponieren, was nicht 
gemacht wurde. 

Uber die Extremitäten kann ich nur sagen, daß die alte v. Berg- 
mann’sche Regel: nicht anrühren und sofort eingipsen, voll bestätigt 
wurde, sowohl durch positive als negative Versuche. 

Über die Gefäßverletzungen siehe die Diskussion. 

(Selbstbericht.) 





seran OR Sa 


18) Schaefer (Berlin). Diensttauglichkeit nach Verwundungen 
mit modernen Schußwaffen. 


S., der das Langenbeck-Stipendium zum Besuche des russischen 
Kriegsschauplatzes erhalten hat, spricht seinen Dank aus,und berichtet 
kurz über seine Tätigkeit im fernen Osten. Nach der Schlacht bei 
Mukden hat er im Vereine mit zwei russischen Ärzten in der Armee 
Kuropatkin’s umfangreiche Untersuchungen — über 7000 Fälle — 
in die Front zurückgekehrter Verwundeter vorgenommen und dabei 
gleichzeitig bei den einzelnen Regimentern statistische Erhebungen 
angestellt. Die Resultate demonstriert er an einer Reihe von Ta- 
bellen. 

Danach sind die Verluste bei den untersuchten Korps — dem 
L und II. sibirischen und dem I. europäischen Korps — zwar hohe 
gewesen, aber doch nicht so beispiellos hohe, wie man es vielfach an- 
genommen hat. Sie entsprachen vielmehr im allgemeinen den Ver- 
lusten der preußischen Truppen in den blutigeren Schlachten des 
deutsch-französischen Krieges. Die Offiziere haben durchweg weit 
höhere Verluste gehabt als die Mannschaften. — Eine zweite Tabelle 
bringt die Verluste in Beziehung mit der Gesamtkopfstärke, d. h. zu 
der Summe aus dem ursprünglich vorhandenen Bestand und dem nach- 
gesandten Ersatze, beantwortet also die Frage: Wie groß war die 
Gefährdung des einzelnen Mannes durch das feindliche Feuer? Beim 
I. sibirischen Korps sind unter 100 Mann nicht weniger als 44 zu 
Schaden durch das feindliche Feuer gekommen, wenn man die Ver- 
mißten nicht mitrechnet, 38, davon gefallen 5. 1870 waren diese 
Zahlen viel kleiner. Daraus läßt sich aber nicht der Schluß ziehen, 
daß das japanische Feuer wirksamer gewesen sei, als seinerzeit das 
französische. Denn diese Prozentsätze hängen in erster Linie von der 
Taktik ab. Die russischen Truppen sind viel häufiger ins Feuer ge- 
kommen, als seinerzeit die deutschen. — Das Verhältnis der Gefal- 
lenen zu den Verwundeten betrug nach S.’s Material 1: 5,5, ist also 
gegen früher nicht ungünstiger geworden. — Eine dritte Tabelle illu- 
striert den Ausgang der Verwundungen. Auffallend gering ist der 
Prozentsatz der nachträglich ihren Verletzungen Erlegenen (3). Selbst 
wenn man in Betracht zieht, daß ein großer Teil der Todesfälle nicht 
zu der Kenntnis der Truppen gekommen ist, scheint es doch sicher 
zu sein, daß die Prognose für die Verwundeten, die überhaupt lebend 
das Schlachtfeld verlassen, weit besser gewesen ist als früher. Uber- 
raschend hoch war der Prozentsatz der wieder dienstfähig gewordenen 
Verwundeten; S. fand 3 Monate nach der Schlacht bei Mukden etwa 
die Hälfte aller Verwundeten wieder in der Front vor, bei einzelnen 
Regimentern mehr als 500 Mann, darunter Leute, die, drei- ja viermal 
verwundet, immer wieder in die Front zurückgekehrt waren. Diese 
Zahlen haben in den höheren russischen Stäben überrascht, und ein 
Divisionsgeneral wollte die Erhebungen S.’s verbieten, weil er fürchtete, 
die Leute würden sagen: >»Mit so einem miserablen Gewehr haben 


3% 


—— 386 — 


die Russen sich schlagen lassen«. — Eine vierte Tabelle zeigt die 
Verteilung der Wunden auf die verschiedenen Körperteile und W affen- 
arten. Die Artilleriewirkung war durchaus nicht so gering, wie in der 
Presse vielfach behauptet worden ist. S. berechnet sie auf 15%. — 
Eine fünfte Tabelle gibt einen Überblick über die operative Tätigkeit 
auf den Hauptverbandplätzen, die minimal war. So hat ein Divisions- 
lazarett während des ganzen Feldzuges an mehr als 2000 Verwundeten 
nicht mehr als 10 Operationen vorgenommen. — Zum Schluß spricht 
sich 8. über den Einfluß der Entfernung auf die Schußwirkung aus, 
der seiner Ansicht nach hinter dem der Konsistenz der Gewebe zurück- 


tritt, und über den hohen Wert des Verbandpäckchens. 
(Selbstbericht.) 





19) Goldammer (Hamburg). Erfahrungen mit trockener 
Wundbehandlung im südwestafrikanischen Kriege. 


Vortr. erwähnt kurz die Schwierigkeiten, unter denen in Afrika 
die ärztliche Tätigkeit im Felde zu leiden hatte, die in letzter Linie 
alle auf der Unproduktivität und Wasserarmut des Landes, sowie den 
enormen Entfernungen und schlechten Transportverhältnissen beruhten. 
Unter diesen Verhältnissen hat sich die trockene Wundbehandlung 
glänzend bewährt. Sie hat über die Schwierigkeiten hinweggeholfen, 
auf die man bei dem Versuch der Durchführung der Asepsis stoßen 
mußte, und sie hat bei einfachster Ausführung und geringstem Material- 
verbrauch ausgezeichnete Erfolge ergeben. 

Bei allen Knochenverletzungen ist es dringend geboten, die 
trockene Wundbehandlung mit sofortiger und exaktester Fixation zu 
verbinden. Eine von dem Vortr. gegebene kurze Übersicht über die 
behandelten Fälle an der Hand von Zahlen dient zum Beweis des 


Gesagten und zur Erläuterung der erzielten Erfolge. 
(Selbstbericht.) 





20) L. Bornhaupt (Riga). Über die Schußverletzungen der 
Gelenke im russisch-japanischen Kriege 1904—05. 


In dem von mir geleiteten Lazarett der Moskauer Iberischen 
Gemeinde sind von 2265 Verwundeten 157 solche behandelt worden, 
bei denen es sich um eine Verletzung eines Gelenkes handelte. Somit 
machen die Gelenkverletzungen 7% aus. Gegen 4,5% im Kriege 
70/71 und 2,5% im Kriege auf Cuba ist der hohe Prozentsatz der 
Gelenkverletzungen durch die Mehrbelastung meines Lazaretts mit 
schweren Fällen zum Teil zu erklären, da dasselbe dem Bahnhof gegen- 
über gelegen war. 

Die Zahl der Kniegelenkschüsse macht 54% aus und übertrifft 
bei weitem die Anzahl der Verletzungen übriger Gelenke. Es folgen 
32 Fälle von Ellbogengelenkschüssen, ferner stellen die Schulter- 
gelenkverletzungen 12,1% der Gesamtzahl dar, 10 Fälle mit der 
Schußverletzung der Sprunggelenke bilden 6,3%, und endlich machen 


— — 


die Schüsse ins Hüft- und Handgelenk 3,8 und 3,4% aus. Die 
Häufigkeit, mit der die einzelnen Gelenke betroffen werden, bildet 
dieselbe Reihenfolge, die auch in den letzten Kriegen festgestellt wor- 
den war. 

Von 157 Gelenkverletzungen sind 108 — also 688% — durch 
ein Mantelgeschoß verursacht; 39mal, also in 25% der Fälle, lag 
eine Verwundung durch eine Schrapnellkugel vor, und endlich fällt 
der Rest von 6,2% nuf die Zerstörungen durch die Granatsplitter. 

Die Mantelgeschoßwunden mit Ausschuß ins Sprunggelenk haben 
in 60% der Fälle zur Eiterung und Operation geführt. Dagegen 
sind sämtlicheMantelgeschoßwunden mit Ausschußins Knie- 
gelenk bei konservativer Behandlung fast reaktionslos geheilt. 

Von den Mantelgeschoßwunden des Ellbogengelenks sind 95,5%, 
von solchen des Schultergelenks 93% konservativ geheilt. 

Sobald das Projektil stecken bleibt, was bei Mantelgeschossen in 
14%, bei Schrapnellkugeln aber in 69,2% der Fälle beobachtet wurde, 
steigt der Prozentsatz der Eiterungen gleichmäßig bei der Verletzung 
aller Gelenke bis 50—66 %. 

Die schweren Formen der Eiterungen waren durch die stecken- 
gebliebenen Schrapnellkugeln und durch den mangelhaften Transport 
ohne fixierende Verbände bedingt. 

Die Transportverhältnisse und die fixierenden Verbände bilden 
auf dem Schlachtfelde die beiden Mittel, durch welche die Anzahl der 
verstümmelnden Operationen und der Todesfälle verringert werden 
kann. 

Im Lazarett bestand die Behandlung der reaktionslos, ohne Tem- 
peratursteigerung heilenden Gelenkschüsse in frühzeitiger Massage und 
in Bädern. Unter Umständen sind die Gelenke am 5.—6. Tage massiert 
worden; bei der geringsten Temperatursteigerung aber wurde die 
Massage unterbrochen. Die ausgedehnten Blutergüsse an den oberen 
Extremitäten verzögerten die Heilung. Verwundete mit Kniegelenk- 
schüssen gingen häufig nach einer l4tägigen Behandlung umher. 

Von den 157 Pat. sind nur 37 — also 23,5% —- operativ be- 
handelt worden; und zwar waren 44 Operationen an diesen 37 Ver- 
wundeten durch die Eiterungen in den verschiedenen verletzten 
Gelenken veranlaßt. 14mal haben wir amputieren, einmal aus dem 
Schultergelenk exartikulieren müssen. 

10 Amputationen entfallen auf die vereiterten Kniegelenke. 
Während wir mit den Resultaten nach den Resektionen verschiedener 
vereiterter Gelenke durchaus zufrieden sein können, da wir keinen 
Todesfall zu beklagen haben, machte uns die Behandlung der vereiter- 
ten Kniegelenke recht viel Sorgen. 

An der Hand der bakteriologischen Befunde sind wir zur An- 
sicht gekommen, daß man in allen den Fällen mit einer Arthrotomie 
vorgehen muß, wo es sich nicht um Streptokokken handelt. Die mit 
Streptokckken infizierten Kniegelenke dürften nur in den ersten Tagen 
nach der Verletzung arthrotomiert werden; hat dagegen ein mit Strepto- 


Bee JR. eu 


kokken infiziertes Kniegelenk einen längeren Transport — womög- 
lich uneingeschient — bestehen müssen, so kann Pat. nur durch eine 
Amputation gerettet werden. 

Ein mit Staphylokokken infiziertes Kniegelenk kann durch eine seit- 
liche Eröffnung der Kapsel geheilt werden. Bei schwereren Infek- 
tionen dagegen genügt die seitliche Inzision nicht, und gibt die breite 
Eröffnung des Kniegelenks mit dem Textor’schen Schnitt, die Exstir- 
pation der Kapsel und ausgiebige Tamponade der hinteren Wand 
bessere Resultate als die Resektion. 

Von 4 mit Resektion behandelten Fällen haben wir 25% Heilung, 
von 6 mit Arthrektomie behandelten Fällen 66,7% Heilung erzielt. 

Bevor wir uns zu diesem oder jenem Eingriff an einem vereiterten 
Kniegelenk entschließen, ist die Punktion des Gelenkes und die 
bakteriologische Untersuchung des Eiters von großer Wichtigkeit. 

Im ganzen haben wir 7 Todesfälle zu beklagen, von denen 2 auf 
die Verletzungen des Hüftgelenks und 5 auf die des Kniegelenks 
fallen. Während die Gesamtmortalität bei den Gelenverletzungen bei 
uns 4,46% beträgt, machte dieselbe nach dem amerikanischen Sani- 
tätsbericht 1898/99 3,74% aus. 

Die Mortalität der Mantelgeschoßwunden der Gelenke be- 
trägt nur 2,7%, und zwar beziehen sich alle die Todesfälle ausschließ- 
lich auf die Verletzungen des Kniegelenks. 

8,3% aller Gelenkverletzungen, die durch ein Mantelgeschoß 
zustande gekommen waren, sind zur Resektion bzw. Arthrotomie ge- 
kommen, 5,5% von denselben erforderten eine Amputation; die übrigen 
86,2% der Mantelgeschoßwunden der verschiedenen Gelenke 
sind bei konservativer Behandlung geheilt. 

Diese Zahlen sprechen lebhaft für die konservative Behandlung 
der Gelenkschüsse im Kriege. Da die Sekundärinfektionen in zweiter 
Linie zu befürchten sind und nach unserer Erfahrung der Beschaffen- 
heit der Schußwunden wegen zu den seltenen Ausnahmen gehören, so 
soll die konservative Behandlung schon auf dem Schlachtfelde in 
erster Linie gegen die eventuell mit dem Geschoß primär ins Ge- 
lenk eingedrungene Infektion gerichtet und daher nicht nur durch 
Schutzverbände, sondern vor allen Dingen durch fixierende Verbände 
und reichliche, bequeme Transportmittel eingeleitet werden. 

Auch die Stauungsbehandlung nach Bier dürfte im nächsten 
Kriege bei den Gelenkschüssen von einer wesentlichen Bedeutung sein. 

(Selbstbericht.) 


21) Brentano (Berlin). Über Gefäßschüsse. 


B. bespricht die Schußverletzungen der Blutgefäße unter Zugrunde- 
legung von 8 Fällen, welche in dem Charbiner Lazarette der deutschen 
Vereine vom Roten Kreuz zur Beobachtung kamen. Die Fälle hatten 
das Gemeinsame, daB es sich hauptsächlich um Schußwunden aus 
dem japanischen Infanteriegewehr (Kaliber 6.5 mm) handelte, und daß 


— 39 —— 


die Hautwunden bereits ganz oder nahezu geheilt waren, als die Pat. 
zur Aufnahme gelangten. Von den 8 Fällen kamen 7 zur Operation. 
In dem achten handelte es sich um einen Lochschuß der Aorta, der 
zufällig bei einer Sektion gefunden wurde. Der betreffende Pat. hatte 
die Verletzung 70 Tage überlebt und starb an den Folgen einer 
Nachblutung, die, soweit sich dies feststellen ließ, nicht aus der durch- 
schossenen Aorta, sondern aus der Leber stammte. (Demonstration 
des Präparates.) In den 7 übrigen Fällen wurde die Schußstelle opera- 
tiv freigelegt und reseziert nach Abbindung des Gefäßstammes ober- 
und unterhalb der Verletzung, sowie sämtlicher Seitenäste. Die so 
behandelten Fälle kamen zur reaktionslosen Heilung ohne nachweis- 
bare Zirkulationsstörung peripher von der Resektionsstelle. Vortr. warnt 
vor zu frühzeitigem Eingreifen bei Gefäßschußverletzungen. Nament- 
lich widerrät er die Operation, solange noch große Hämatome bestehen 
mit Rücksicht auf die Gefahr der Infektion und der peripheren Gan- 
grän. Die sekundäre Gefäßnaht scheint ihm nur ausnahmsweise mög- 
lich zu sein. Sie müßte in fast allen Fällen eine zirkuläre sein, weil 
sich wegen der Größe des Defektes eine lineare Vereinigung nicht 
ausführen läßt. Die Naht ist zudem erschwert durch die seröse 
Durchtränkung der Gefäßwand und die dadurch bedingte Verminde- 
rung der Elastizität, Folgen der Resorption des Blutergusses. 

In den operierten Fällen handelte es sich 4mal um Streifschüsse, 
die 3mal die Art. brachialis, Imal die Art. radialis betrafen, und 3mal 
um Lochschüsse mit Erhaltung doppelseitiger Kontinuität des Gefäß- 
rohres (Art. iliaca ext., femoralis und tibialis ant). Vortr. hält die Loch- 
schüsse für weniger günstig in bezug auf Spontanheilung als die Streif- 
schüsse, von welchen er 2 Fälle (die Art. brachialis betreffend) schon 
6 Tage nach der Verwundung geschlossen fand. Der Verschluß war 
dadurch zustande gekommen, daß die benachbarten Nerven und 
Fascien mit den verletzten Gefäßen durch ein plastisches Exsudat zu 
einem Ganzen verbacken waren. Daß die Arterie in diesen Fällen 
verletzt gewesen sein mußte, konnte aus dem Verlaufe des Schußkanals 
und dem Fehlen bzw. der Abschwächung des Pulses peripher von 
der Wunde geschlossen werden. Dazu kam die auffallend harte Be- 
schaffenheit der Narbe und Störungen in der Funktion der beteiligten 
Nerven. Die Indikation zur Operation gab neben den letztgenannten 
Symptomen die Befürchtung ab, es könne sich noch nachträglich an 
der Stelle der Verletzung ein Aneurysma entwickeln, wie dies im Buren- 
kriege beobachtet wurde. 

In 3 Fällen (Art. radialis, tibialis ant., brachialis) bestanden soge- 
nannte falsche Aneurysmen, die 8, 11 bzw. 14 Tage nach der Ver- 
wundung operiert wurden, als nur noch Beste eines Hämatoms nach- 
zuweisen waren. 

Die Schußverletzung der Diaca ext. hatte zur Entstehung eines 
hühnereigroßen Aneurysmas an der Einschußstelle geführt, das 83 Tage 
nach der Verwundung unter Erhaltung der nicht mitverletzten Vene 
exstirpiert wurde. Die stark nach außen umgekrempelten Ränder der 


— 40 — 


Ausschußöffnung standen in Verbindung mit einem Loche der Fascia 
iliaca, unter der ein großes Hämatom lag. 

Ein arterio-venöses Aneurysma, hervorgerufen durch gleichzeitige 
Durchbohrung der Art. und Vena femoralis im Scarp a’schen Dreieck 
(Lochschuß), wurde 19 Tage nach der Verwundung operiert. 

Demonstration von 6 durch die Operation gewonnenen Präparaten. 

(Selbstbericht.) 





22) Colmers (Leipzig). Erfahrungen aus dem russisch-japa- 
nischen Kriege über die Therapie bei Schußfrakturen der 
Extremitäten. 


C. stellt zunächst fest, daß die Art der durch das japanische 
Kleinkalibergeschoß hervorgerufenen Knochenverletzungen im wesent- 
lichen übereinstimmt mit den Erfahrungen der letzten Kriege und 
besonders den Ergebnissen der experimentellen Arbeiten, die von 
der Medizinalabteilung des preußischen Kriegsministeriums ausgeführt 
worden sind. 

Von entscheidender Bedeutung für die Prognose der Schußfrak- 
turen ist die erste Hilfe auf dem Schlachtfeld und der Trans- 
port bis in das nächste Lazarett. Auf Grund seiner Beobach- 
tungen, namentlich nach der großen Mukdener Schlacht, stellt C. 
folgende Forderungen auf, die besonders für die ärztliche Versorgung 
der Verwundeten bei großen Schlachten, wo hohe Anforderungen an 
das Sanitätspersonal gestellt werden, Geltung haben sollen. 

1) Die Desinfektion der Wunden hat überhaupt zu unter- 
bleiben, wenn sie nicht lege artis vorgenommen werden kann. 

2) Der erste Verband soll in einer leicht komprimierenden 
Einwicklung in anti- bzw. aseptische Verbandstoffe bestehen 
und einer möglichst exakten Schienung der Fraktur. 

3) Als chirurgischer Eingriff bei Schußfrakturen kommt auf dem 
Hauptverbandsplatze prinzipiell nur die primäre Amputation in 
Frage. Sowohl das Aufsuchen und Unterbinden blutender Gefäße 
soll unterbleiben, als auch ganz besonders die Tamponade der Schuß- 
wunden. 

4) Es soll angestrebt werden, die Verwundeten mit Schußfrak- 
turen, deren Verbände entsprechende Signaturen tragen sollen, mög- 
lichst rasch in das nächste Kriegslazarett zu befördern. 

5) Während des Transportes ist jeder Verbandswechsel 
streng zu vermeiden. 

6) Der erste Verbandswechsel soll erst in demjenigen Lazarett 
erfolgen, in dem der Verwundete voraussichtlich die nächsten 
2 Wochen bleiben wird (das sind eben die Kriegs- bzw. Reserve- 
lazarette) und wo unmittelbar im Anschluß daran der erste Gips- 
verband angelegt werden kann. 

Den Gipsverband hilt C. fiir das souveräne Mittel bei der 
Behandlung der Schußfrakturen, der es nicht bloß ermöglicht, schwere 


— 1 — 


Splitterbrüche, sondern auch infizierte Frakturen erfolgreich konser- 
vativ zu behandeln. 

Das Röntgenverfahren ist sehr wertvoll für die Behandlung der 
Frakturen, hat aber nur Berechtigung, in den Kriegs- und Reserve- 
lazaretten verwendet zu werden. a 

Wegen des häufigen Wechsels der Arzte, durch deren Hände der 
Verwundete auf dem kurzen Wege vom Schlachtfeld bis in das nächste 
Kriegslazarett geht, hält es C. fiir notwendig, daß für die Behandlung 
der Schußfrakturen ein Schema, das die oben ausgesprochenen 
Forderungen enthält, den Arzten in die Hände gegeben werden 
muß, an das sich strikte zu halten diese verpflichtet sein 
müssen. (Selbstbericht.) 





23) Henle (Dortmund). Über Verletzungen der peripheren 
Nerven. 


Infolge der großen Entfernung vom Kriegsschauplatze bekam das 
Tokio-Lazarett der deutschen Vereine vom Rothen Kreuz nur altes 
Material, aber aus diesem ausgesucht die chirurgisch interessantesten 
Fälle. 

Unter 276 Pat. hatten 34 (12%) Verletzungen der peripherischen 
Nerven. Diesen galten 21 Operationen oder 10% der Gesamtzahl 
von 195 Eingriffen. 

Reine Neuralgien waren 6 vorhanden, dazu noch 11 kombiniert 
mit Lähmungen. Von diesen 17 Neuralgien heilten 6 ohne Eingriff 
(Stauung, Heißluft usw.). Bei 11 mußte operiert werden. Zweimal 
handelte es sich um Beseitigung eines Druckes, der auf Nerven lastete: 
ein Aneurysma und ein narbig geschrumpfter Pectoralis minor. Die 
Exstirpation des Aneurysma bzw. des Muskels führte Heilung herbei. 
4mal wurden Nerven und Narben gelöst und in weiche Gewebe ge- 
bettet; 3 Heilungen. In einem Falle wurde der Medianus nach 
3 Wochen wieder aufgesucht, da die Schmerzen nicht nachließen. Er 
war wieder in Narben eingeschlossen. Resektion eines narbigen Stückes 
des Nerven; Umhüllung mit einem aus der Bauchhaut gewonnenen 
Fettlappen. Die Neuralgie schwand, ebenso in drei weiteren Fällen, 
wo wegen komplizierender Lähmungen reseziert werden mußte, und in 
zwei Fällen von Pfropfung. 

Also 12 Operationen mit 11 guten Erfolgen. Alle 11 Pat. quoad 
neuralgiam geheilt. Demnach sind diese anatomisch klaren Neuralgien 
prognostisch günstig für verschiedenartige Operationen, deren wirk- 
samer Faktor immer die Auslösung der Nerven oder der Nerven- 
stümpfe aus Narbengewebe darstellt. 

Schwieriger liegen die Lähmungen, weil bei ihnen das Alter der 
Affektion mitspricht. Dieses betrug nur einmal 2 Monate, sonst immer 
darüber, 3—9 Monate. 29 Pat. mit Lähmung. Bei 8 war unblutige 
Behandlung von Erfolg; 4 Fälle waren aussichtslos, 17 wurden 
operiert: 3mal Beseitigung von Druck (zwei Aneurysmen, geschrumpfter 


— — — 


Pectoralis minor); 2 gute, 1 Mißerfolg. 2 Neurolysen, 1 gut. 8 An- 
frischungen mit Naht, 3 gut, 5 Mißerfolge. 

Die Naht wurde mit feiner Seide ausgeführt. 2mal wurde die 
Nahtlinie mit Fettlappen umwickelt, einmal mit der verletzten und 
darum resezierten Arteria brachialis (Modifikation des Foramitti- 
schen Verfahrens). 

In einer Anzahl von Fällen waren die Nerven wegen zu großer 
Diastase zwischen den Stümpfen nicht zu vereinigen. In einem Falle 
von Verletzung des Radialis wird der proximale Stumpf längs- 
gespalten, ein hinreichendes Stück der einen Hälfte abgeschnitten und 
zwischen die Stiimpfe transplantiert. Kein Erfolg. Ein anderer Ra- 
dialis wird an den Medianus gepfropft. Pfropfungen im ganzen sechs, 
drei mit Erfolg. (3mal Ulnaris auf Medianus, imal Medianus auf 
Ulnaris, Imal Radialis auf Medianus, imal Peroneus auf Tibialis.) 

Ein Teil der Pfropfungen wird unterhalb der Verletzung gemacht, 
weil an der Verletzungsstelle selbst wegen bestehender Osteomyelitis 
nicht aseptisch operiert werden kann (analog der Darmausschaltung 
bei unzugänglichem Darmverschluß). 

In einigen Fällen wurde der ganze Stamm des gelähmten Nerven 
an einen seitlichen Lappen des gesunden Nerven implantiert. Besteht 
noch irgendwelche Aussicht auf Wiederdurchgängigwerden des ge- 
lähmten Nerven, macht man besser nur eine Anastomose, indem man 
auch vom gelähmten Nerven nur einen Lappen mit distaler Basis an 
einen Lappen mit proximaler Basis des Entnahmenerven fixiert. 
Dieser letztere Lappen betrug in allen Fällen von Pfropfung etwa 
1/3 der Dicke des Nervenstammes. 

Im ganzen also an 17 Pat. mit Lähmungen 20mal operiert, 9mal 
mit gutem, 11mal mit schlechtem Erfolg, resp. von 17 Pat. waren 
neun gebessert. Geheilt waren nur zwei Pat., bei allen übrigen waren 
die betreffenden Bewegungen vorhanden, aber noch kraftlos. Un- 
günstig für die Resultate war die zu kurze Beobachtungszeit nach den 
Operationen (in einigen Fällen nur 1 Monat). Es ist daher wahr- 
scheinlich, daB von den als ungeheilt angegebenen noch manche aus- 
heilen. 

Jedenfalls ist es wünschenswert, daß in künftigen Kriegen die 
Nervenverletzungen möglichst frühzeitig den Reservelazaretten zuge- 
führt werden, damit sie dort rechtzeitig, wenn nötig, chirurgische Hilfe 
erhalten. (Selbstbericht.) 


24) Hildebrandt. Schädelschüsse. 

Wenn schon die Anschauung, in einem modernen Feldzuge würde 
der Chirurg kaum mehr Schädelschüsse zu Gesicht bekommen, hin- 
fällig geworden ist, so muß doch deren Mortalität noch immer als 
sehr hoch betrachtet werden. Im Burenkriege sind nach der gewöhn- 
lichen Annahme 70% hiervon auf dem Schlachtfelde geblieben, von 
den Überlebenden dagegen ungefähr die Hälfte, vielleicht auch noch 
etwas darüber, genesen. | 





— AO Zn 


Nicht zum mindesten ist dies günstige Resultat auf die Therapie 
zu beziehen. Die häufigste Todesursache bildet das Auftreten einer 
Infektion; ihre Verhütung muß daher unsere Hauptaufgabe bilden. 
Ganz besonders gefährdet sind die Tangentialschüsse, welche sich 
bekanntlich durch große Weichteil- und Knochenzerstörung auszeichnen. 
Die einzige Möglichkeit, hier eine Vereiterung zu vermeiden, liegt in 
dem primären Debridement. Legt man die Hirnrinde in der ganzen 
Wundausdehnung frei, reinigt sie von Splittern, Blutkoagula und Detri- 
tus, so erzielt man bei ihnen meist reaktionslose Heilung. 

Aber auch bei den tiefen perforierenden Schüssen, welche 
mit schweren Hirnsymptomen vergesellschaftet sind, ist die Trepana- 
tion von gutem Erfolge gezeitigt. Die operierten Fälle waren von 
schnellerer und vollständigerer Genesung gefolgt, als die nur mit Ok- 
klusion behandelten. 

Von einem chirurgischen Eingriffe sind also nur die Verwundeten 
auszuschließen, welche sich in hoffnungslosem Zustande befinden, sowie 
diejenigen tiefen perforierenden Schüsse mit kleinen Hautöffnungen, 
bei denen keinerlei Hirnsymptome bestehen. 

Die Prognose der Schädelverletzungen ist durch die Einführung 
der neuen Spitzgeschosse (Balle DHS.) ungünstiger geworden, da diese 
sich häufiiger überschlagen, als das ältere ogivale Gewehrprojektil. Die 
hieraus resultierende größere Weichteil- und Knochenverletzung wird 
die operative Freilegung des Hirns noch notwendiger machen als bisher. 

(Selbstbericht.) 


Diskussion. 


v. Bergmann (Berlin) spricht sich gegen das von Zoege emp- 
fohlene frühzeitige Operieren der Schädelschüsse — auch der Tan- 
gentialschüsse — aus, zumal wenn die Verwundeten nachher einen 
5—6tägigen Transport aushalten müssen; nur die sekundäre Trepana- 
tion bei drohenden Erscheinungen (Meningitis, Abszeß) will er gelten 
lassen. Gegenüber Bornhaupt verwirft er das Massieren der geheilten 
Gelenkschüsse, da man nie wisse, ob nicht noch Infektionskeime ein- 
gekapselt im Gelenk liegen. Bei allen Knochen- und Gelenkschüssen 
fordert er eine gut durchgeführte Fixation, vor allem durch Gips- 
verband, welche das beste aseptische Mittel sei. Die Gefäßunterbindung 
auf dem Schlachtfelde sei nicht absolut zu verwerfen; liege die Gefahr 
des schnellen Verblutungstodes vor, so müsse eben der Arzt eingreifen, 
wo es auch sei. Herhold (Altona). 


Z oege (Dorpat) beharrt bei seinem Standpunkte der primären Erwei- 
terung der Tangentialschüsse am Schädel. Zu den Ausführungen des 
Herrn Brentano muß ich folgendes bemerken: Die Herren in Charbin 
(auch Bornhaupt) haben durchgesiebtes Material bekommen. Deswegen 
erscheinen ihnen die Gefäßverletzungen und Aneurysmen so harmlos. 
Ich habe sie in den vorderen Linien, in den Zügen und Etappen- 
lazaretten und im Rücken der Armee mir angesehen und kann daher 
darüber urteilen. Auf dem Wege verbluten eine ganze Reihe. Außer- 


a Al, zu 


dem ist die Unterbindung der frischen Verletzung doch einfacher als 
die Operation des Aneurysma. Am schlechtesten ist die Prognose in 
den ersten 3—12 Tagen, weil hier die Infiltration die Kollateralen 
erdrückt, oft bis zu dem Grade, daß Gangrän schon vor Unterbindung 
des Hauptstammes eintritt. Hier ist man dann ebenso wie bei Nach- 
blutung gezwungen, zu ungünstiger Zeit zu operieren und die starre 
Höhle nachher zu tamponieren, was wieder Nachblutung wegen Eite- 
rung geben kann. 

Wenn Brentano und Bornhaupt behaupten, man soll die Ge- 
fäßverletzungen in den vorderen Linien in Ruhe lassen und evakuieren, 
so ist das grundfalsch. Man soll sie so früh wie möglich auf dem 
ersten Verbandplatz operieren. Dazu gehört zweierlei: 1) Die Diagnose, 
und die ist mit dem Sthetoskop (v. Wahl) zu stellen. 2) Asep- 
tische Hände, und hier muß man Gummihandschuhe mit haben, wie 
ich das vor dem Kriege schon empfohlen habe. — Ich habe nach 
diesen Prinzipien gehandelt und habe manchen vom Verbluten gerettet 
und manche Gangrän inhibiert. — Amputationen wurden namentlich 
nötig bei Gangrän direkt nach Verletzung oder nach intermediärer 
Unterbindung. (Selbstbericht.) 


v. Brakel (Libau) empfiehlt bei Schußverletzungen der Knochen 
und Gelenke als Haupterfordernis gut angelegte feste Verbände. 


Majewski (Budapest) empfiehlt zum ersten Verband die Hydr- 
argyrumoxydat-V aselingaze. 


Reger (Hannover) sieht den Beweis erbracht, daß das moderne 
Geschoß ein humanes sei, während v. Wreden (Petersburg) das Geschoß 
namentlich in seinen Nahwirkungen durchaus nicht als ein humanes 
bezeichnen will. Herhold (Altona). 





25) v. Oettingen (Berlin). Bauchchirurgie im Kriege. 


v. Oe. faBte seinen Vortrag folgendermaBen zusammen: 

1) Die aus früheren Kriegen gemeldete relative Gutartigkeit des 
kleinkalibrigen Mantelgeschosses gegenüber dem alten Bleigeschoß und 
dem modernen Artilleriegeschosse hat sich bestätigt und bezieht sich 
auch auf das Arusaka- und Muratagewehr. 

2) Die Schußwirkungen bei Verwundungen durch Mantelgeschoß 
aus der Nähe (bis 400 m) haben gegen früher eine Verschlimmerung 
erfahren; von da ab ist es eine bedeutend günstigere. 

3) Die Prognose des einzelnen Falles hängt in erster Linie ab: 

I. Von der Anatomie der Schußwunde, II. von dem Verhalten vor 
dem Transport, III. vom Transport, endlich IV. von der Therapie. 

4) Theoretisch sollte kein Bauchschuß durch Mantelgeschoß 
primär laparotomiert werden, mit Ausnahme der mit rapid zunehmenden 
Blutungen im Abdomen. 

5) Die Behandlung ist konservativ. 

6) Die Verletzungen durch Schrapnellkugeln, durch alle Arten 


— 4 — 


von deformierten Geschossen, Granatsplitter und sekundäre Geschosse 
sind wegen ihrer anatomischen Beschaffenheit die prognostisch un- 
günstigsten Verletzungen. 

7) Theoretisch müßte fast jede dieser Verletzungen laparotomiert 
werden. 

8) Da die Praxis ergeben hat, daß einige Fälle bei konservativer 
Behandlung durchkommen, die Laparotomie aber kaum einen Verwun- 
deten rettet, so ist die primäre Laparotomie, wenigstens für den Feld- 
arzt, auch hier zu verwerfen. 

9) Den Feldärzten, deren Zahl im Kriege die der Chirurgen im 
Kriege um das 20fache übersteigt, muß eine Art Schema, wie für die 
Behandlung aller Schußwunden, so auch für die Bauchschüsse ge- 
geben sein. 

10) In der Einheitlichkeit der Therapie im Felde liegt das summum 
salus der Verwundeten. 

11) Die Statistik einzelner Organisationen während des Feldzuges 
gibt ein unklares Bild der Verhältnisse. 

12) Schätzungsweise dürfte auf Seiten des Siegers bei allen Bauch- 
schüssen und bei konservativer Therapie eine Gesamtmortalität von 
45% das Richtige treffen, während auf der niederliegenden Seite die 
Mortalität 55% und mehr betragen dürfte. 

13) Die Laparotomie im Felde ist nicht geeignet, diese Prozent- 
zahl zu verbessern. 

14) Die sekundäre Laparotomie rettet vielen das Leben, wo ein 
primärer Eingriff den Tod zur Folge gehabt hätte. 

15) Nur die Belehrung des Soldaten und des Sanitätspersonals, 
sowie ein weiterer Ausbau des Transportwesens werden auf die Ver- 
besserung dieser Zahlen einen günstigen Einfluß haben. 

(Selbstbericht.) 


Kopf und Gesicht. 


26) Röttger (Berlin. Permanenter Schlafzustand nach Fall 
auf den Hinterkopf. 


R. demonstriert seinen Pat. Derselbe liegt seit nunmehr 11/, Jahren 
(Juni 1904) stets in gleicher Stellung mit geschlossenen Augen, die 
Stirne leicht gerunzelt, ohne je ein Wort gesprochen oder auch wäh- 
rend der 3 Monate dauernder Beobachtung in der Maison de santé 
in Schöneberg irgendeine Veränderung in seinem Zustande gezeigt zu 
haben. 

Im Vordergrunde des Krankheitsbildes steht die vollkommene Auf- 
hebung jeder psychischen Funktion und Hemmung aller Willens- 
äußerungen (Pat. verlangt nie zu essen usw.) mit gleichzeitigem abso- 
lutem Stimmungsmangel, dabei aber Erhaltung der subkortikalen und 
automatischen Zentren. Bei dem langen unveränderten Bestande der 
Gesamterscheinungen, die auch bei genauer klinischer Beobachtung 


— 6 — 


festgestellt wurden, erscheint Simulation, an die anfangs wegen 
schwebender gerichtlicher Untersuchung gedacht werden mußte, aus- 
geschlossen. Da weiterhin keinerlei Symptome für eine intrakanielle 
Blutung oder Herderkrankung bestehen, hält Vortr. den Fall für 
einen schweren hysterischen Stupor, herbeigeführt auf der Basis eines 
schon vorher wenig agilen Gehirns durch den psychischen Chok der 
bevorstehenden Untersuchung und in letzter Linie durch den mecha- 
nischen Insult des Falles auf den Hinterkopf. Prognostisch ist der 
Fall sehr dubiös. ‘Selbstbericht.) 





27) Sauerbruch (Greifswald). Blutleere Operationen am 
Schädel unter Überdruck und Beiträge zur Hirndrucklehre. 


S. ist im Anschluß an seine Versuche über intrathorakale Opera- 
tionen in der Kammer dazu übergegangen, die Wirkung kompri- 
mierter Luft auf Organe und Gefäße zu prüfen. Er ließ z. B. einen 
Überdruck von ca. 50 mm Hg auf die Leber an Versuchshunden 
wirken und beobachtete dabei eine so starke Kompression der Gefäße, 
daß das Organ »blutleer«e durchschnitten werden konnte Die als 
Nebenerscheinung auftretende Verdrängung des Zwerchfells und der 
Lunge macht eine praktische Anwendung unmöglich. Anders ist es 
beim Schädel. Es gelingt hier, die Wirkung der komprimierten Luft 
schärfer auf das Operationsgebiet zu lokalisieren. Die Schädelopera- 
tionen, namentlich die Durchtrennung der Knochen, vollziehen sich bei 
Überdruck von 20—30 mm Hg »blutleere«. Die bestehende Gefahr 
der Luftembolie läßt sich durch geeignetes Vorgehen sicher vermeiden. 
Die praktische Anwendung des Verfahrens beim Menschen bleibt zu- 
nächst fraglich; dagegen gibt es Aufschluß über einige wichtige Fragen 
des Hirndruckes. Diese Einzelheiten müssen im Original eingesehen 
werden. (Erinnerungsschrift an Joh. v. Mikulicz. Juniheft der Grenz- 
gebiete.) ‘Selbstbericht.) 





28) Borchardt (Berlin). Demonstration zur Trepanation. 


Redner zeigt einen kleinen 13jährigen Jungen, den er vor 
11/, Jahren wegen Herzverletzung operiert hat. Der Knabe war auf 
einen Baum geklettert, auf ein Eisengitter heruntergefallen und hatte 
sich gepfählt. 21/, Stunden nach der Verletzung hat B. ihn zur 
Operation bekommen. Eine sehr große Wunde in der mittleren 
Axillarlinie hatte den Thorax weit eröffnet; von da aus resezierte B. 
5—6 Rippen in großer Ausdehnung. Der Herzbeutel wurde geöffnet, 
das Herz hervorgeholt. Es zeigte sich eine penetrierende Wunde an 
der Hinterwand des linken Ventrikels; die wurde mit Seidenknopf- 
nähten geschlossen. Da außerdem noch Symptome für eine Bauch- 
verletzung sprachen, so wurde sofort noch die Laparotomie ange- 
schlossen, aber keine Verletzung der Bauchorgane gefunden. Der 
Junge ist geheilt, befindet sich sehr wohl. (Selbstbericht.) 





u A on 


29) Borchard (Posen). Über die osteoplastische Deckung 
von Schädeldefekten nach Durante-v. Hacker. 


Die Operationsmethode der Deckung von Schädeldefekten durch 
unter der Haut verschobene, gestielte Periostknochenlappen ist in der 
Zwischenzeit schon wiederholt angewandt worden. Verf.: hat sie syste- 
matisch an zwölf Fällen durchgeführt und kommt zu dem Resultat, 
daß dieselbe allen Anforderungen gerecht wird, da selbst größte 
Defekte von 12 zu 7 cm dadurch in kurzer Zeit knöchern verschlossen 
werden können, ebenso wie die Methode ausführbar ist bei kongenitalen 
Schädeldefekten kleiner Kinder. Es gelang ihm, eine Knochenlücke, 
welche nach Operation einer Meningokele sincipitalis duplex zurück- 
geblieben war, knöchern durch einen aus der Stirn genommenen Lap- 
pen zu schließen. Es ist der Modifikation, nach welcher eine einfache 
seitliche Verschiebung des Lappens, so daß die Wundfläche, des, Kno- 
chens auf die harte Hirnhaut resp. das Gehirn selbst zu liegen kommt, 
der Vorzug zu geben vor der Deckung mit Periost nach innen, also 
mit querer Umklappung des Lappens, sowie der mit einfacher Periost- 
verschiebung. Es ist bei der Operation nicht nötig, einen sehr dicken 
Knochenlappen zu nehmen, da so bei gleichem Erfolg die Blutung aus 
der Diploe vermieden wird, außerdem aber der Lappen selbst sich viel 
besser dem Gehirn anpaßt. Unbedingt nötig dagegen ist es, daß die 
Haut sofort primär vereinigt werden kann. Etwaige Verwachsungen 
zwischen Lappen und Gehirn sind nicht so sehr zu fürchten, da die- 
selben weniger abhängig sind von der Wundfläche des Knochenlappens 
als wie von dem Intaktsein der Dura. Nur wenn letztere verletzt ist, 
kommt es zu Verwachsungen, unabhängig ob der Periostknochenlappen 
mit seiner Wundfläche oder mit dem Periost dem Gehirn aufliegt. 
Die Operationsmethode ist somit in allen Fällen zu empfehlen, wo 
eine primäre Deckung durch wiedereingepflanzte Knochenstücke nicht 
möglich ist und wo andererseits sich das Müller-König’sche Ver- 
fahren, welches technisch auch schwieriger ist, nicht empfiehlt. 

(Selbstbericht.) 





19) F. Krause (Berlin). Operationen in der hinteren Schädel- 
grube. 


Von den neun Operierten ist mir keiner an Kollaps, an Blutung oder 
Meningitis gestorben. Gestorben sind drei von den neun, eine Frau am 
6. Tag an Pneumonie — das Gehirn und die Meningen haben sich bei 
der Obduktion intakt erwiesen —, die zwei anderen Kranken, weil der 
Tumor oder die hirndruckerzeugende, raumbeengende Masse nicht ent- 
fernt werden konnte. 

Als Beispiel gebe ich hier im Referate nur einen Fall wieder, 
der mir im Juni 1905 von Herrn Geh.-Rat Ziehen zur Operation 
zugewiesen wurde. Es handelte sich um einen sog. Tumor des Klein- 
hirnbrückenwinkels, der also zwischen der Spitze des Felsenbeines, dem 
Pons Varoli und dem Kleinhirn gelegen war. 


— AAR ee 


In der Technik gehe ich noch genau so vor, wie ich sie im Jahre 
1898 bei zwei Fällen in Altona angewandt habe. Die Arbeit steht 
in der Festschrift zu Exzellenz v. Esmarch’s 80. Geburtstag in den 
Bruns’schen Beiträgen. Ich bilde einen Lappen mit unterer Basis, 
der in der Mitte bis an den Sinus occipitalis heranreicht, den Sinus 
transversus nach oben hin überschreitet und auf den Sinus sigmoideus 
übergreift. Es ist durchaus nötig, daß man diese beiden letzteren frei- 
legt. Ich operiere mit der Hand, verwende die elektrische Trepanation 
nicht mehr, benutze vielmehr den Doyen’schen Bohrer, die Braatz- 
schen Sonden und die Dahlgreen’sche Zange, letztere mit einer 
kleinen Modifikation (zu kaufen bei Windler). 


Wenn der Weichteil-Knochenlappen heruntergeschlagen ist, wird die 
Dura ebenfalls als Lappen mit unterer Basis umschnitten, und zwar un- 
mittelbar unterhalb des Sinus transversus, dicht lateral vom Sinus sigmoi- 
deus und median vom Sinus occipitalis, und nach unten gelegt. Dann 
liegt die betreffende Kleinhirnhemisphäre frei, und Sie können schon 
dadurch, daß Sie den Kopf zur Seite neigen lassen, die hintere Felsen- 
beinfläche zugänglich machen, nahe bis an den Facialis- und Acusti- 
cus. Wenn Sie nun vorsichtig mit dem Hirnspatel, wie ich ihn 
für das Ganglion Gasseri benutze, die Kleinhirnhemisphäre zur Seite 
drängen, so kommt der Facialis und Acusticus in der Tiefe zu 
Gesicht. 

Verschieben Sie das Kleinhirn statt von außen nach innen mehr 
von unten außen nach oben innen, so bekommen Sie auch den Vagus, 
den Glossopharyngeus und den Hypoglossus zu Gesicht. Die Nerven 
sind durchaus deutlich wahrzunehmen; ich habe sie nicht bloß selbst 
gesehen, sondern auch dem hinter mir stehenden Maler und den an- 
wesenden Neurologen und Arzten, denen ich die Kranken verdanke, 
demonstrieren können. 


Nun kam bei der 44jährigen Frau, als die rechte Kleinhirnhemi- 
sphäre schräg medianwärts und nach oben zurückgezogen wurde — die 
Operation führte ich am 22. Juni 1905 aus —, der Tumor in der Tiefe 
von 5i/, cm, von der Oberfläche des Schädels aus gemessen, zu Ge- 
sicht. Er war von einer spinnegewebigen Haut überkleidet. Ich zerriß 
diese mit einem stumpfen Häkchen, setzte einen starken, scharfen 
Haken in den Tumor ein und versuchte, ihn zu luxieren. Es ist aus 
Leichenbefunden bekannt, daß diese Tumoren abgekapselt und leicht 
ausschälbar sein können. Das gelang nicht, denn der Haken riß aus. 
Ich ging nun mit einem großen Löffel, wie man ihn zur Entbindung 
von Gallensteinen anwendet, hinter den Tumor und hob ihn heraus; 
er war daumengliedgroß. Die Operation hat 1 Stunde 10 Minuten 
gedauert. 


Die Frau ist geheilt entlassen und in der Berliner Neurologischen 
Gesellschaft vom Privatdozenten Dr. Seiffer im November 1905 vor- 
gestellt worden. Die krankhaften Symptome sind fast sämtlich ver- 
schwunden; eine gewisse Störung ist zurückgeblieben, die Narbe ist 


ana A — 


ektatisch. Ich führe das auf die Entfernung des Knochens zurück, 
den ich in diesem Falle bei der einzeitigen Operation geopfert habe. 

Die Symptome waren erstens die des allgemeinen Hirndruckes und 
zweitens die örtlichen. Erstere, die sich langsam im Laufe von 3 Jahren 
entwickelten, sprachen für die Gutartigkeit des Tumors. In der Tat 
handelte es sich um ein Fibrom, allerdings ein zellreiches. Die Sym- 
ptome bestanden in Schwindelanfällen, Kopfschmerzen, Taumeln nach 
der rechten Seite. Dann trat Doppeltsehen hinzu, Erbrechen, zuweilen 
auch Bewußtlosigkeit und Krampfanfälle. So kam die Kranke zur Auf- 
nahme in die Charité, und es wurden dann sehr genaue Nervenstatus 
aufgenommen, aus denen ich kurz angebe, daß von den Hirnnerven 
beteiligt waren: der Olfactorius, beide Optici durch ausgesprochene 
Stauungspapille; dann waren die Augenmuskelnerven, Oculomotorius, 
Trochlearis und Abducens beteiligt durch Doppeltsehen und Nystagmus. 
Was den Trigeminus betrifft, so hatte die Frau eine vollständige An- 
ästhesie der Hornhaut auf der betreffenden Seite. Der Facialis war 
wenig beteiligt, der Acusticus in höchstem Maße. Der Acusticus teilt 
sich in zwei Teile, deren Trennung sebr wichtig ist, in den Cochlearis 
für das Hörvermögen — die Frau war auf der kranken Seite voll- 
kommen taub für alle Untersuchungsmethoden — und den Vestibu- 
laris, welcher das Gleichgewichtsgefühl vermittelt. Die Frau war bei 
offenen Augen nicht imstande, gerade zu gehen, bei geschlossenen 
Augen fiel sie um. Vagus, Accessorius waren nicht beteiligt, dagegen . 
ist etwas Geschmacksdifferenz auf beiden Zungenhälften festgestellt 
worden. | (Selbstbericht.) 

Diskussion. 

Braun (Gottingen) empfiehlt, bei den Erscheinungen von Klein- 
hirngeschwülsten zunächst die Punktion des vierten Ventrikels zu ver- 
suchen, da es sich zuweilen nur um einen Hydrocephalus desselben 
handelt, und die Druckerscheinungen nach ein bis zwei Punktionen 
verschwinden können. 

Kausch (Schöneberg) operiert am Schädel stets zweizeitig; von 
der Ventrikelpunktion verspricht er sich keinen Erfolg und er schlägt 
statt dessen die Drainage des vierten Ventrikels vor. 

Herhold (Altona). 

Borchardt (Berlin) macht auf einen Sinus aufmerksam, der bei 
den Operationen in der hinteren Schädelgrube zuweilen gefährlich 
werden kann, den Sinus marginalis, der an der Umrandung des 
Foramen occipitale verläuft. In den chirurgischen Arbeiten ist er leider 
gar nicht berücksichtigt worden. Dieser Sinus ist in manchen Fällen 
enorm groß, größer noch als der Sinus transversus. Er kommt, wie 
Redner sich an Präparaten überzeugt hat, in ca. 10% der Fälle vor, 
ist stets rechts stärker als links. Sollte er verletzt werden — nament- 
lich bei der temporären Resektion kann das vorkommen —, so ist die 
Blutstillung wohl nur durch Tamponade zu erreichen. 

Was die Lappenbildung anbelangt, so geht B. insofern etwas 
anders vor als Prof. Krause, als er von vornherein den Lappen 

Chirurgen-Kongreß 1906. 4 


— 50 — 


etwas höher herausschneidet als Krause, indem er um 4 cm 
über die Protuberantia occip. externa hinausgeht. B. tut das des- 
halb, weil er an einer ganzen Reihe von Präparaten im anatomischen 
Institut gesehen hat, daß der Sinus transversus bis an die Protube- 
rantia occip. ext. hinaufreichen kann. Sein Schnitt hält also die 
Mitte zwischen dem von Krause, Schede, Kocher u. a. ausgeführten 
und dem von Duret empfohlenen, der bis 8 cm über die Protuberantia 
occip. ext. geht. 

Für die Blutstillung aus den Foramina emissaria hält er sich eine 
Anzahl Elfenbeinnägel oder Holzflöckchen vorrätig, die er einschlägt 
und nachher im Knochenniveau abschneidet.. 

Im allgemeinen ist er dafür, den Knochen zu opfern, weil es sich 
ja an und für sich schon um sehr komplizierte Operationen handelt. 
Wenn man osteoplastisch beide Hemisphären freilegt, so hat man 
gefürchtet, daß der Knochen am Foramen occip. magnum brechen 
und die Medulla oblongata verletzt werden könne. Diese Gefahr ist 
wohl nicht groß; denn wenn der Knochen selbst an dieser Stelle 
bricht, so ist eine sehr dicke Membran da, welche das Gehirn schützt: 
die Membrana atlanti occipitalis; und wenn man diese durch- 
schneidet, kommt man nicht auf die Medulla oblongata, sondern auf 
die Tonsille des Kleinhirns; die Medulla oblongata selbst liegt noch 
ein gut Stiick weiter davon. 

Am schwierigsten zu behandeln sind die Tumoren des Kleinhirn- 
briickenwinkels. B. hat dreimal Gelegenheit gehabt, solche Tumoren 
zu operieren. Im ersten Falle hat er nicht nur die Hinterhaupt- 
schuppe fortgenommen, sondern das ganze Ohr mit entfernt. Das 
kann man ja tun, da es sich meist um Pat. handelt, die ihr Gehör 
schon verloren haben. Es gelang auf diese Weise nach Unterbindung 
und Durchschneidung des Sinus transversus die Geschwulst gut heraus- 
zubekommen; aber wegen starker Blutung mußte tamponiert werden, 
und 48 Stunden später ist die Pat. unter Symptomen des Druckes 
auf die Medulla oblongata zugrunde gegangen. 

Die Hauptgefahr der Operationen am Kleinhirnbrückenwinkel 
besteht darin, daß man in der Nähe des Vagus und der Medulla 
oblongata operiert, und um diese möglichst wenig zu schädigen, hat 
Frazier einen sehr beachtenswerten Vorschlag gemacht, der dahin 
geht, Teile des Kleinhirns zu opfern. B. ist in seinem ersten Falle 
ohne dieses Hilfsmittel ausgekommen. Im zweiten Falle, den er 
operierte, konnte er ebenfalls den Tumor erreichen, ohne Kleinhirn 
zu opfern; als er aber die Geschwulst entfernt hatte, war der Hirn- 
prolaps so kolossal, daß er das Kleinhirn nicht zuriickbrachte; er 
mußte daher ein Stück vom Kleinhirn opfern. Die Pat. hat davon 
keine Beschwerden gehabt, ist aber leider 6 Tage nach der Operation 
an Schluckpneumonie zugrunde gegangen. 

Den dritten Pat., den Redner vorstellt, hat er vor einem halben 
Jahre operiert; wahrscheinlich ist ein Stückchen des Tumors zurück- 
geblieben. Es war einer von denjenigen Pat., die zu einer noch 


in u een 


günstigen Zeit zur Operation gekommen sind, d. h. vor der gänzlichen 
Erblindung. In diesem Falle waren die Verhältnisse zum Schädel 
so ungünstig, daß Redner, um an den Tumor heranzukommen, den 
größten Teil der rechten Kleinhirnhemisphäre entfernen mußte. Der 
Pat. befindet sich im Augenblick — es ist ein halbes Jahr nach der 
Operation — sehr wohl. Die schweren Anfälle von Kopfschmerzen 
und ÖOhrensausen, die ihn des Lebens überdrüssig machten, sind ver- 
schwunden, und er hat noch eben einen dankerfüllten Brief geschrieben. 
Allerdings läßt sich die zunehmende Atrophie der Papille nicht 
aufhalten. 

Pat. hat an Stelle des Knochendefektes eine Hernie und hinter 
derselben eine Liquoransammlung, die ab und zu durch Punktion 
abgelassen werden muß. Das ist auch bei dem Falle so, den Herr 
Prof. Krause operiert hat. (Selbstbericht.) 


31) Bardenheuer (Kéln). Das Wesen und die operative 

Behandlung der Neuralgie mittels Aufmeifelung des Kanales, 

durch welchen der Nerv verläuft, und die Verlagerung des 
Nerven in Weichteile. 


B. spricht als Ursache fiir die Entstehung der Neuralgie das Be- 
stehen einer venösen Hyperämie in den Knochenkanälen, durch welche 
die Nerven’ verlaufen, an. 

Es entsteht nach dem Vortr. infolge irgendeiner peripheren Ur- 
sache: Erkältung, Traumen, Entzündung usw., eine periphere Hyper- 
ämie, welche entlang den Nervenästchen bis zu dem ihm zugehörigen 
Knochenkanale hinaufsteigt, in welchem sie durch die Unnachgiebig- 
keit der knöcheren Wand ständig wird und sich zum Odem, zur 
Perineuritis, zu Verwachsung mit dem Knochenkanale weiter ent- 
wickelt. 

Die venöse Hyperämie wandert bei längerem Bestehen aufwärts 
bis zu den übrigen Asten, bis zum Stamme, bis zu den Ganglien. 
Diese venöse Hyperämie kann auch durch innere Ursachen, die im 
Blut oder in den Gefäßwänden usw. liegen, allerwärts entstehen, dem- 
entsprechend aber auch in den betreffenden Knochenkanälen, woselbst 
sie wiederum aus gleichen Ursachen ständig wird. 

Aus diesem Grunde empfiehlt B. die Entfernung einer Wand des 
Kanales und die sanfte Hervorhebung des Nerven aus demselben, die 
Lagerung desselben in einiger Entfernung von der entstandenen 
Knochenwundfläche und an letzter Stelle die Überlagerung eines sub- 
kutanen, aus der Nähe genommenen Muskelperiostlappens unter den 
Nerven über die Knochenwundfläche. 

B. gibt alsdann einen Bericht über vier von ihnen selbst operierte 
Neuralgien des Trigeminus und einen gleichen von Oberarzt Dr. Straeter- 
Düsseldorf und stellt außerdem zwei geheilte Fälle vor. 

Alle Fälle sind geheilt worden. 

4* 


Nur in einem Falle ist ein Rezidiv nach 13 Monaten eingetreten, 
weil bei der Operation ein Bruch des Unterkiefers entstand und nach- 
träglich sich eine stärkere Phlegmone und sekundär eine Nekrose der 
Bruchenden entwickelte. Es bestand ein Schmerzpunkt dort, wo der 
Nerv über den Callus lief. 

Die nachgeschickte Exzision des Bindgewebscallus um den Nerven 
heilte den Pat. (seit 6 Monaten). 

Die Heilungsdauer beträgt in den übrigen 4 Fällen 14, 7, 8, 3 
Monate. 

Das Leiden bestand in den 5 Fallen 3, 6, 10 (2mal), 12 Jahre. 

B. glaubt daher, dieses Verfahren wenigstens zum Versuche der 
Neurektomie resp. der Ganglionexzision vorausschicken zu diirfen, zu- 
mal da der Eingriff ein gefahrloser ist und die event. nachherige 
Ausführung der anderen Methoden nicht beeinträchtigt. 

(Selbstbericht.' 


32) Steiner (Berlin). Facialisplastik. 


Bei der 21jährigen Dame trat vor 4 Jahren eine Lähmung der 
linken Gesichtshälfte auf; im frühen Kindesalter war in Rußland 
wegen linksseitiger Ohreiterung eine Anmeißelung des Warzenfortsatzes 
gemacht worden. — Die üblichen therapeutischen Methoden der Facialis- 
parese versagten, auch eine von Dr. Stuert in Königsberg vor 
2 Wochen ausgeführte Freilegung des Facialis war ohne Erfolg. 

Die Kranke wurde mir im Juli v. J. von Herrn Geh.-Rat Prof. 
Bernhard und Herrn Dr. Haike überwiesen mit vollständiger links- 
seitiger Facialisparese und absoluter Entartungsreaktion im Gebiete 
des befallenen Nerven. 

Ich entschloß mich, da jede Aussicht auf eine Heilung geschwun- 
den war, und das junge Mädchen, wie ein Blick auf die Photographie 
zeigt, schon bei Ruhigstellung des Gesichtes eine bedeutende Ver- 
zerrung nach der gesunden Seite hatte, zur Operation. 

Dieselbe wurde in der Weise ausgeführt, daß ich zunächst den 
Accessorius freilegte, was technisch schwierig war, da der Nerv im 
Narbengebiete der beiden voraufgegangenen Ohroperationen verlief; 
sodann suchte ich den Facialisstamm bei seinem Austritt aus dem 
Foramen stylomastoideum auf und schnitt denselben daselbst durch. 
Ich begnügte mich nicht damit, den Facialis an den Accessorius seit- 
lich anzunähen, sondern ich durchschnitt den Accessorius vollständig 
und vernähte das zentrale Accessoriusende mit dem peripheren Facialis- 
stumpfe; sodann wurde das periphere Accessoriusende in die Nähe der 
Nervenanastomose gelagert. 

4 Monate nach dieser Operation setzte ein juckendes Gefühl 
in der Haut der linken Gesichtshälfte ein, sodann machten sich da- 
selbst unregelmäßige fibrilläre Muskelzuckungen bemerkbar; 
nach weiteren 6 Wochen — 51/, Monate nach der Operation — traten 
bei Hochheben des linken Armes bzw. der linken Schulter die linken 
Gesichtsmuskeln in Aktion, erst nur angedeutet, dann immer deut- 


— — — — — ese - 


pets, J aa 


licher; die elektrische Untersuchung ergab, daß die Entartungsreaktion 
im Gebiete des Facialis wie des Accessorius geschwunden war und 
die betreffenden Nerven und Muskeln dem Zuckungsgesetze gehorchten. 
Seit einigen Wochen kann das linke Auge, welches früher stark tränte, 
wieder geschlossen werden, endlich ist die Verzerrung des Gesichtes 
nach rechts nahezu vollständig geschwunden, da in den früher ge- 
lähmten Muskeln durch die wiederhergestellte Verbindung mit dem 
Zentralnervenorgan ein normaler Tonus vorhanden ist. 

Wenn auch vorläufig die Willensimpulse ausschließlich vom Acces- 
sorius ausgehen, was ın Gestalt der unwillkommenen Mitbewegungen 
in Erscheinung tritt, so glaube ich doch, daß das bisherige Resultat 
— die Aufhebung der Gesichtsverzerrung und die wiedererlangte Fähig- 
keit des Lidschlusses mit konsekutiver Behinderung des lästigen Trä- 
nens — das Operationsverfahren als einen zweifellosen Fortschritt er- 
scheinen läßt, zumal eine weitere Besserung mit Sicherheit zu er- 
warten ist. | 

Im allgemeinen glaube ich, daß die Prognose der Nervenanasto- 
mosierung zur Heilung von Lähmungen um so besser ist, je stärker 


die Muskeln sind, welche der befallene Nerv versorgt. 
(Selbstbericht.) 


33) Eckstein (Berlin). Paraffininjektionen und -Implantationen 
5 bei Nasenplastiken. 


Zur Schaffung von Paraffinprothesen haben in den verflossenen 
5 Jahren eine Reihe von verschiedenen Präparaten Verwendung ge- 
funden: Weichparaffine, Hartparaffine und Mischungen von beiden. 
Hiervon sind indessen einzig, die von E. empfohlenen Hartparaffin- 
sorten, welche bei mehr als 50° C schmelzen, im Körper hinreichend 
fest, um gefahrlos verwandt zu werden. Sie geben auch wegen ihrer 
Härte und wegen der Unfähigkeit, sich sekundär zu verschieben, die 
besten Resultate. Die Embolien, die nach den Einspritzungen vorkamen, 
waren meist die Folge der Verwendung zu weichen Materiales. Die 
wenigen bei Hartparaffin berichteten traten sekundär als Folge un- 
zweckmäßiger Technik auf und lassen sich nicht vermeiden. Die Fälle 
von Erblindung nach Nasenkorrekturen — 13!! — kamen niemals bei 
Verwendung von hochschmelzendem Hartparaffin vor. Dieses letztere 
wird auch wahrscheinlich überhaupt nicht resorbiert. Klinisch hat 
sich jedenfalls auch bei Fällen, die 5 Jahre hindurch beobachtet 
wurden, niemals eine Verkleinerung gezeigt. Histologisch liefert das 
Hartparaffin differente Bilder, je nachdem es sich im Gewebe fein 
verteilt oder in größeren Depots ansammelt. 

Was die Injektionstechnik anbetrifft, so hat Vortr. in der ganzen 
Zeit nichts Nennenswertes zu ändern gehabt. Der wesentlichste Fort- 
schritt ist die Implantation vorher exakt zurecht geschnittener 
Prothesen aus Hartparaffin vom Schmelzpunkt 75° C. Sie kommt 
dann in Anwendung, wenn die Injektion infolge zu starker narbiger 


u BR 


Verwachsung oder mangelhafter Ausdehnungsfähigkeit der Haut un- 
genügende Resultate liefert. Das ist besonders bei Plastiken am 
Nasenrücken, aber auch am Nasenflügel der Fall, in welch letzteren 
mit Hilfe einer besonderen Implantationspinzette feinste Plättchen 
implantiert werden, wenn sie eingesunken oder narbig eingezogen sind. 
Vorzüglich eignet sich das Verfahren zur Kombination mit der Injek- 
tion, mit der man zuerst alles erreichen soll, was sich bequem er- 
reichen läßt. Das Resultat wird dann eventuell durch ein winziges 
Stückchen Paraffin vervollständigt. Auf diese Weise kann man bei 
den schwersten Sattelnasen schnurgerade Profile erzeugen, die den 
vorgenommenen Eingriff nicht mehr ahnen lassen. 

An einer großen Anzahl von Bildern und Pat. demonstriert Vortr. 
einwandsfreie Dauerresultate bei den verschiedensten Nasendeformitäten. 

Bei insgesamt ca. 200 Nasenplastiken hat er oft ideale Resultate 
erzielt, ohne daß sich jemals ein Unglücksfall ereignet hätte. 

(Selbstbericht.) 


34) Schultze (Duisburg). Die chirurgische Behandlung des 
Gesichtslupus. 


Die chirurgische Behandlung des Gesichtslupus bezieht sich auf 
die radikale Exstirpation mit nachfolgender Transplantation nach 
Thiersch. 

An der Hand zahlreicher Diapositive wurde die Technik der Ex- 
stirpation, der Transplantation, sowie der Plastik erörtert. 

Die Exstirpation des Lupus erfolgt unter Anwendung der Exten- 
sion. Die Haut wird mit festen Zangen gefaßt, extendiert, exstirpiert. 
Der Assistent stillt die Blutung durch Kompression, das blutende Feld 
sofort bedeckend. Bei der Transplantation wird das Material nach 
der Reihe geschnitten. Jeder Lappen wird auf einem Tupfer aus- 
gebreitet und in Kochsalz gelegt. Bei der Übertragung breitet man 
die Lappen auf einer Flasche oder einem Glasdeckel aus und wälzt 
resp. preßt die Lappen auf. Durch Klauenschieber mit der Haut 
fixiert, wird der Lappen eingenäht. Ein Verband mit kleinsten Tupfern 
besorgt ein exaktes Anliegen der Lappen. 

Eine wichtige Rolle spielt der Klauenschieber beim Transplan- 
tieren von Höhlen. Der Lappen wird mit der Haut festgeklemmt 
und dann in die Tiefe geschoben, eine Methode, die sich vorzüglich 
bewährt hat. 

Ektropionkorrektur wird stets durch Aushülsen des unteren Lides, 
Extension und Transplantation beseitigt, auch in den schwersten 
Fällen. 

Der kleinste Lupus ist stets zu exstirpieren und niemals in anderer 
Weise zu behandeln. 

Wir teilen dann die einzelnen Formen ein in: 

Lupus einer oder beider Wangen, Lupus des ganzen Gesichtes 
und Kinnes, Lupus der Nase. Lupus der Lippe. 


— — 


Der Lupus einer oder beider Wangen ist in einer oder zwei 
Sitzungen, je nach dem Allgemeinzustande, zu exstirpieren. Die Ex- 
stirpation ist in keiner Weise begrenzt. Die Prognose ist giinstig; 
die Nachoperationen beziehen sich nur auf kleine Herde. 

Beim Lupus des ganzen Gesichtes sowie des Kinnes ist in meh- 
reren Sitzungen zu arbeiten. Zuerst die Wangen, dann Kinn und 
Lippen. Die größte Ausdehnung spricht nicht gegen die Operation. 
Die Prognose ist gut; Nachoperationen häufiger. 

Lupus der Nase bietet die schwierigsten Verhältnisse, gibt die 
meisten Rezidive. Bei Erkrankung der äußeren Nase ohne Beteiligung 
der Schleimhaut gibt die Exstirpation in beliebiger Ausdehnung ein 
gutes kosmetisches Resultat. Ist die Schleimhaut erkrankt, so unter- 
scheiden wir folgende Operationstypen, je nach der Lokalisation des 
Lupus, von dem Standpunkt ausgehend, möglichst die Konfiguration 
der Nase zu erhalten. 

a. Bei Lupus der Nasenflügel ist die mediane Spaltung der Nase 
indiziert, der Exstirpation folgt die Transplantation und Naht, wodurch 
die Nase rekonstruiert ist. 

b. Bei Lupus des Septum ohne Perforation ist ebenfalls die me- 
diane Spaltung, Exstirpation und Transplantation indiziert mit nach- 
folgender Naht. 

c. Handelt es sich um Lupus des Septum mit Perforation, so ist 
die mediane Spaltung der Nase notwendig, und zwar ohne nachfolgende 
Naht. Es muß dann die Nase so lange offen gehalten werden, bis 
man sich von der Ausheilung des Naseninnern überzeugt hat. Den 
Nasenfliigel kann man unter Extension legen durch Fixation des 
Fadens auf der hinteren Wange. Eine Plastik ist nicht zu um- 
gehen. 

d. Ist die Nasenspitze erkrankt und sind ausgedehnte Zerstörungen 
mit nachfolgendem Verluste der Spitze vorhanden, so ist plastischer 
Ersatz notwendig. 1/,—1 Jahr später soll erst die Plastik vorgenommen 
werden, nachdem alles abgeheilt ist. 

Die Behandlung des Lupus der Lippen hängt ab von der Lokali- 
sation. 

a. Einzelherde, welche nur einen Teil der Lippe umfassen, sind 
mit gutem kosmetischem Resultate zu entfernen. 

b. Erkrankung der ganzen Lippe ohne Ektropion läßt sich eben- 
falls noch ohne Plastik zum Ausheilen bringen. 

c. Lupus der Lippe mit Ektropion erfordert Plastik aus der Um- 
gebung. 

d. Totaldefekt der Lippe verlangt ebenfalls plastischen Ersatz, 
event. die temporäre Plastik, sofern die Umgebung wegen lupöser Er- 
krankung kein Material bietet. 

Die Resultate beziehen sich auf eine Zeit von 2—15 Jahren. Es 
kamen zur Behandlung 78 Fälle: 

1) 28 Fälle von kleinem Lupus, welche sämtlich geheilt wurden; 
1l1mal war eine Nachoperation notwendig. 


— — 


2) 16 Fälle von Lupus der Wangen mit 14 Heilungen und 2 Total- 
rezidiven. 8mal wurde nachoperiert. 

3) 13 Fälle von Lupus des ganzen Gesichtes mit 10 Heilungen, 
3 Rezidiven. 9mal wurden Nachoperationen notwendig. 

4) 21 Fälle von Lupus der Nase mit 6 Rezidiven, 9 Fälle un- 
bestimmt, 6 geheilt. Nachoperationen in sämtlichen 21 Fällen. 

Den Resultaten entnehmen wir, daß Nachoperationen sehr häufig 
vorgenommen werden müssen. Es beziehen sich diese Eingriffe auf 
kleine, meist peripher gelegene und selten zentral vorhandene Lupus- 
knötchen, welche bei der Exstirpation nicht entfernt wurden. 
(Selbstbericht.) 


35) Plücker (Wolfenbüttel). Mißbildung des Gesichtsskeletts. 


P. demonstriert einen Fall von Mißbildung des Gesichtsskeletts, 
der für die Frage von der Bedeutung des Processus nasalis lateralis 
an dem Aufbau des Gesichts von großem Interesse ist. 

Es handelt sich um eine vollständige Hemmungsbildung im Ge- 
biete des Y-förmigen Spaltsystems (nach Merkel) der linken Gesichts- 
hälfte einer gesunden 40!/,jahrigen Frau W. aus K. — Komplika- 
tionen durch persistierende Spaltbildungen fehlen. Durch embryonale 
Vernarbung ist eine ausgezeichnete Vereinigung im Gesichtsskelett 
zustande gekommen. 

Wir finden dreierlei: 

I. Mißbildung im Gebiete der Mundbucht-Augenspalte.e Kolobom 
der Chorioidea und Iris. 

II. Fehlen der linken äußeren Nasenhälfte mitsamt der knöchernen 
Umrandung der Apertura piriformis des Oberkiefers linkerseits. Nasen- 
bein und Tränenbein fehlen vollständig, die Seitenteile der linken 
Nasenhälfte im Bezirke der Pars respiratoria sind mindestens ver- 
kümmert. Nerven- und Choanenbildung ist normal. 

II. Ausfall am Alveolarkieferteil und Lippe im Spaltgebiete 
zwischen Processus nasalis lateralis und mesalis. Das Gaumendach 
des Oberkiefers ist links steil und schmäler wie rechts, und zwar um 
den Teil, den der supponierte äußere Zwischenkiefer bilden müßte mit 
dem äußeren Schneidezahn. Die Lippe ist links !/, cm kürzer als 
rechts. 

Die MiBbildung ist auf eine Entwicklungshemmung zurückzuführen, 
die vor die 6. Embryonalwoche zu datieren ist. 

Die Ursache ist unbekannt. (Selbstbericht.) 





36) Bunge (Königsberg i. Pr... Zur Technik der Urano- 
plastik. 
Nach den letzten vorliegenden statistischen Arbeiten über Erfolge 


der Operation der Gaumenspalte sind primär lückenlose Nahtheilungen 
bei der Langenbeck’schen Uranoplastik nur in 30% (v. Eisels- 





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berg, v. Mikulicz), bzw. 60% (Kappeler) erzielt. Die gleich un- 
günstigen Resultate, die in der Königsberger Klinik auch in den 
letzten Jahren erzielt wurden, veranlaßten Vortr. zu dem Versuche, 
durch Abänderung der Nahttechnik eine Besserung der primären 
Heilung zu erreichen. Die Vorbedingungen für primäre Heilung liegen 
bei den in der Königsberger Klinik operierten Kindern insofern be- 
sonders ungünstig, als schwere, die primäre Heilung gefährdende, jeder 
Behandlung trotzende Nasen-Rachenkatarrhe die Regel sind. Dazu 
kommt hier die Häufigkeit postoperativer, schwerer, fieberhafter Bronchi- 
tiden und Pneumonien, bei denen eine primäre, lückenlose Nahtheilung, 
wie die Nachuntersuchungen des Vortr. zeigten, geradezu eine Selten- 
heit ist. Besondere Sorgfalt wurde auf die Verhütung der Dehiszenz 
der Nahtlinie an der Prädilektionsstelle am Übergang vom harten zum 
weichen Gaumen gelegt. Diese Stelle erscheint besonders gefährdet 
aus verschiedenen Gründen. Einmal scheint sie Zerrungen beim Schluck- 
akte besonders ausgesetzt zu sein; dann aber ist sie schwer breit zu 
adaptieren, da dieser wenig voluminöse Teil des Gaumens nicht, 
wie der mobilisierte mukös-periostale Überzug des harten Gaumens, 
nasalwärts eine Wundfläche, sondern Schleimhautüberzug hat. An 
dieser Stelle muß daher für eine besonders ausgiebige Anfrischung 
durch Abtragung eines Streifens der nasalen Schleimhautfläche gesorgt 
werden. Diese Stelle scheint aber außerdem, wie die häufig hier zu 
beobachtenden Nekrosen der Wundränder beweisen, nach der Ab- 
lösung des mukös-periostalen Lappens besonders ungünstigen Ernäh- 
rungsbedingungen ausgesetzt zu sein. Der Weg, durch eine nach dem 
gewöhnlichen Prinzip angelegte zweietagige Naht die primären Heilungs- 
chancen zu verbessern, war nicht gangbar, da dadurch zuviel des 
an sich schon meist spärlichen Lappenmateriales aufgebraucht worden 
wire. 

Die Idee einer zweietagigen, luft- und wasserdicht schlieBenden 
Naht lieB sich jedoch verwirklichen durch Verwendung einer kleinen 
Abänderung der von Halsted für die Haut angegebenen fortlaufenden 
subkutanen (bzw. hier submukösen) Drahtnaht. 

Die Naht wurde in der Weise ausgeführt, daß bei hängendem 
Kopfe nach Anfrischung und Ablösung der Lappen nach v. Langen- 
beck mit Abmeißelung der Humuli pterygoidei nach Billroth mög- 
lichst weit entfernt vom Wundrande, natürlich aber noch in der Wund- 
fläche, eine mit dünnem, aber zugfestem Aluminiumbronzedraht armierte 
Nadel eingestochen und in der Weise zickzackförmig unter tiefem Ein- 
stechen in die Wundränder durchgeführt, wie dies Fig. 1 zeigt. Die 
Naht beginnt in der Uvula und endet vorn. Beim Anziehen des Drahtes 
legen sich die angefrischten Flächen unter kammförmigem Aufstellen 
der Wundränder breit aneinander. Ist die ganze Naht gelegt, so 
werden die Wundränder durch Anziehen des vorderen und hinteren 
freien Drahtendes mittels je eines Nadelhalters nochmals fest anein- 
ander gepreßt. Der Draht liegt dann ungefähr so, wie die punktierte 
Linie in Fig. 2 zeigt. Vorderes und hinteres Drahtende werden so 


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abgeschnitten, daB sie noch etwas aus der Nahtlinie hervorragen, werden 
nicht geknotet oder sonstwie befestigt. 

Uber diese erste Nahtreihe kommt eine zweite Nahtreihe mittels 
feiner Seidenknopfnähte wie bei der gewöhnlichen Nahtmethode, unter 
exakter Naht der Hinterfläche der Uvula. 

Nachbehandlung und Entfernung der Seidenknopfnähte wie ge- 
wöhnlich. 

Fig. 2. 





Der Draht bleibt bis zum 14. Tage liegen. Von da an wird durch 
Ziehen am vorderen Drahtende versucht, ihn herauszuziehen. Es ge- 
lang dies bisher stets ohne Schwierigkeit. 

Bei den bisher nach dieser Nahttechnik operierten 16 Fällen 
gelang es Vortr. 8mal (50%), lückenlose Nahtheilung zu erzielen. Die 
Mißerfolge sind bedingt durch fehlerhafte, in der Ausbildung der Naht- 
methode begründete Technik einerseits, durch postoperative Pneumonie 
bzw. fieberhafte Bronchitiden (4mal) andererseits. Da die Technik 
jetzt genügend ausgebildet ist, so wird sich voraussichtlich der Prozent- 
satz der primären lückenlosen Heilungen beträchtlich steigern lassen. 

(Selbstbericht.: 
Diskussion. 

Ranzi (Wien) hat zwölf Fälle nach Bunge operiert: acht sind 
primär geheilt, zwei boten stecknadelkopfgroße, zwei größere Lücken. 
Auch mit einer gewöhnlichen Nadel war die Naht gut möglich. 





euer — 


Kuhn (Kassel) empfiehlt die Verwendung der peroralen Tubage 
bei der Uranoplastik. 


Sprengel (Braunschweig): Die Zuverlässigkeit beruht auf zwei 
Momenten: guter Mobilisierung am Übergange des harten in den weichen 
Gaumen und guter Naht. Er verwendet gerade und krumme, nur 
2 cm lange Nadeln. Goebel (Breslau). 





37) Zondek (Berlin). Schwellung der Tränen- und Speichel- 
drüsen. 


Z. demonstriert zwei Pat. mit symmetrischer Schwellung der 
Tränen- und Speicheldrüsen, der sog. Mikulicz’schen Krankheit. 
Der eine Fall ist der bereits von Tietze vor 10 Jahren beschriebene 
Fall aus der Mikulicz’schen Klinik. Der kurze und außerordentlich 
günstige Verlauf in dem anderen Falle läßt an die Möglichkeit denken, 
daß derartige Erkrankungen häufiger vorkommen dürften, aber nicht 
beobachtet bzw. beachtet werden. (Selbstbericht.) 


Diskussion. 


Ranzi (Wien) sah einen Fall, der hauptsächlich die Parotis, aber 
auch etwas die Submaxillares betraf, nach 5—6 Röntgenbestrahlungen 
zurückgehen. Ein späteres Rezidiv wich nochmaliger Bestrahlung. 

Goebel (Breslau). 





38) L. Heidenhain (Worms). Funktioneller Erfolg nach 
Operation ausgedehnter Zungenkrebse vom Mund aus. 


H. stellte zwei Männer vor, welchen er vor 7 und 5!/, Jahren 
wegen ausgedehnten Karzinoms eines Seitenrandes die Zunge vom 
Mund aus entfernt hatte. Der Mundboden war in beiden Fällen 
nicht ergriffen. Die Operation begann mit Ausräumung der Lymph- 
drüsen am Hals, in der Mitte, wie auf beiden Seiten, seitlich hinunter 
bis zum Schlüsselbein, soweit Drüsen überhaupt auffindbar waren, 
bei welcher Gelegenheit beiderseits die Art. lingualis unterbunden 
wurde. H. erinnerte dabei an die schönen Untersuchungen von Kütt- 
ner über die Verbreitung des Zungenkrebses und des Gesichtskrebses 
in den Lymphbahnen am Hals und bemerkte, daß er auch beim Lippen- 
krebs grundsätzlich eine so ausgedehnte Drüsenausräumung mache. 
(Heilungsverhältnis beim Lippenkrebs 93% — 13 von 14 Fällen — 
bei einer Beobachtungsdauer von 3—8 Jahren.) Nach vollendeter 
Drüsenausräumung wurde die Zunge mit einer Hakenzange gefaßt, 
stark hervorgezogen und mit der Cooper’schen Schere unter Er- 
haltung der gesunden Mundbodenschleimhaut horizontal am Mundboden 
abgetrennt. Bei solchem Vorgehen läßt sich die Zunge mit Leichtig- 
keit so weit aus dem Munde hervorziehen, daß die Papillae circum- 
vallatae in die Ebene der Zähne kommen. Folgt die Zunge nicht ge- 
nügend, so trennt man den einen oder beide vordere Gaumenbögen 


— 60 — 


mit der Schere. Die Zunge wurde unter Erhaltung der Zungenbasis 
in der Ebene der Papillae circumvallatae ampufiert. Die Kranken 
haben in wahrhaft wunderbarer Weise gelernt, den verbliebenen Zungen- 
grund und die Reste der Mundbodenmuskulatur zu bewegen und zu 
benützen. Sie strecken den Zungengrund bis an die Zähne hervor. 
Bissenbildung und Schlucken sind nicht gestört. Beider Sprache ist 
klar verständlich. Selbst die Zungenlaute spricht der eine rein, der 
andere fast rein. 
Die vorgestellten Fälle sollen zeigen, 


1) daß die Ausräumung aller auffindbaren Lymphdrüsen am Halse 
gute Aussickt auf Dauerheilung gibt (da Zungenkrebse in Worms 
selten sind, hat H. seine Erfahrungen über den Lippenkrebs mit heran- 
gezogen); 

2) daß man, um ein örtliches Rezidiv zu vermeiden, die Zunge 
in ganzer Breite fortnehmen kann und soll, auch wenn es sich um 
eine halbseitige Erkrankung handelt. Die Funktion des Zungenrestes 
wird doch gut. (Selbstbericht.) 


Wirbelsäule, Hals und Brust. 


39) W. Braun (Berlin). Operativ behandelter Fall von 
Rückenmarkschuß nebst dazu ausgeführten Tierversuchen. 


B. demonstriert zunächst einen 15jährigen Knaben, dem er vor 
22 Monaten, am 37. Tage nach der Verletzung, ein im Rückenmark 
selbst steckendes Bleigeschoß operativ entfernte. 

Es handelte sich um einen Schuß aus einer Teschingpistole 6 mm) 
zwischen fiinftem und sechstem Brustwirbel. Die Verletzung fiihrte 
zunächst zu vollständiger Lähmung und Erlöschen der Sensibilität, zu 
Verlust der Sehnenreflexe, Blasen- Mastdarmlähmung. Röntgeno- 
gramme zeigten das Geschoß im Wirbelkanal. Bis zu der Operation 
kehrte die Berührungs- und Temperaturempfindung im linken, die 
aktive Beweglichkeit im rechten Bein in bescheidenem Umfange wieder. 
Die Blasenlähmung bestand noch fort. 

Bei der Operation fanden sich Tuchfasern in einer Delle der Dura. 

Erst durch Punktion des Markes nach Eröffnung der Dura gelang 
es, das Geschoß im Innern des Markes in einer größeren Höhe nach- 
zuweisen. Nach Längsinzision im Bereiche der Hinterstränge wurde 
es entfernt. 

Etwa 2—3 Wochen post operationem war die Blasenfunktion 
wieder normal. Die Sensibilität ist allmählich mehr und mehr zurück- 
gekehrt; jedoch besteht noch Analgesie des rechten Beines. 

Auch die Motilität hat sich gebessert; allerdings vereitelten hoch- 
gradige Spasmen längere Zeit Stehen und Gehen. Jetzt vermag der 
Knabe im Stützapparat zu stehen und zu gehen. Trotz der aus- 
gedehnten Zertrümmerung des Markes ist also die Besserung eine 


u, Sole. wre 


recht erhebliche, und es ist anzunehmen, daß die Ausfallserscheinungen 
noch weiterhin zurückgehen werden. 

Zur Lösung der Frage nach der Bedeutung und den Folge- 
erscheinungen eines intramedullär sitzenden Fremdkörpers (Geschoß) 
hat B. an 29 Hunden in der Weise experimentiert, daß nach Frei- 
legung und Inzision des Rückenmarkes Schrotkugeln mit feiner Pin- 
zette in das Mark gebracht wurden. Abgesehen von den im unmittel- 
baren Anschluß an den Eingriff gestorbenen, starb eine größere Zahl 
der Tiere bald unter Fortbestehen schwerster Lähmungserscheinungen. 
Bei einigen schwer affızierten Tieren versuchte B. durch Entfernung 
der Kugel Besserung zu erzielen, einmal mit eklatantem und unzweifel- 
haftem Erfolg. Im Gegensatze dazu stehen Tiere, bei denen das 
Geschoß im Mark einheilte und trotzdem nach kurzer Zeit ziemlich 
vollständige Wiederherstellung der Motilität eintrat. Die Resultate 
der mikroskopischen Untersuchung werden wegen der Kürze der Zeit 
nicht mitgeteilt. 

B. formuliert schließlich die Indikationen zur Laminektomie bei 
Schußverletzungen des Markes, vorausgesetzt, daß das Geschoß oder 
Splitter im Wirbelkanal sitzen: 

1) Maßgebend für die Indikationsstellung ist die Schwere der 
Markläsion, abgesehen von den Fällen, wo Komminutivbrüche oder 
drohende Infektionen zur Frühoperation drängen. 

2) In leichten Fällen mit von vornherein geringfügigen oder sich 
schnell bessernden Erscheinungen besteht im allgemeinen keine Indi- 
kation zum Eingriff; denn kleine Geschosse finden manchmal neben 
dem Mark hinreichenden Platz; das Finden derselben ist trotz guter 
Röntgenogramme oft schwierig; schließlich sind Geschosse mehrfach 
falsch lokalisiert und vergeblich gesucht worden. 

3) In Fällen mit schweren Marksymptomen und langsamer oder 
ausbleibender Besserung, die durch intra- oder extradural wirkende 
Fremdkörperkompression oder Fremdkörperreiz ihre Erklärung finden 
können, ist die Operation indiziert. 

4\ Solche Operationen dürfen aber nur unter günstigen äußeren 
Verhältnissen unter Zugrundelegen guter Röntgenogramme und sorg- 
fältiger Segmentdiagnose vorgenommen werden. Nur so kann den 
solchen Operationen unzweifelhaft innewohnenden Gefahren erfolgreich 
begegnet werden. (Selbstbericht.) 


40) Riedel (Jena). Demonstration einer in toto exstirpierten 
medianen Halsfistel. 


Das Präparat stammt von einem 10jährigen Knaben, der wieder- 
holt ohne Erfolg operiert worden war. Die Fistel verlief in derber 
Hülle über die vordere Fläche des Zungenbeines; 3 cm oberhalb des- 
selben verengte sie sich plötzlich zu einem fadenförmigen Kanale; 
letztere stieg zwischen den Muskeln zum Foramen coecum empor. 
Wahrscheinlich haben die früheren Operateure diesen feinen Kanal 


— 62 — 


übersehen, wodurch das Rezidiv entstanden ist, während in anderen 
Fällen die Operation der Fistel deshalb erfolglos gewesen ist, weil 
die Fistel, durch den Körper des Zungenbeines selbst verlaufend, 
(Schlange, König jun.) sich dem Auge entzog. Bei dieser Lage 
der Fistel ist die Resektion des mittleren Teiles des Zungenbeines 
indiziert (Schlange), um die Fortsetzung des Ganges nach oben zu 
finden. (Selbstbericht., 





41) L. Rehn (Frankfurt a. M.). Die Thymusstenose und der 
Thymustod. 


In jiingster Zeit sind lebhafte Debatten fiir und wider die Existenz 
eines Thymustodes geführt worden, wie bei den Verhandlungen der 
Kinderärzte auf der Naturforscherversammlung in Karlsbad, so auch 
in den Fachblättern. Es ist nicht das erstemal, daß der Thymus 
wegen ein heftiger Streit unter den Arzten ausgebrochen ist. In vielen 
Kreisen ist bekannt, daß der damalige Streit Mitte des 19. Jahr- 
hunderts durch Friedleben’s sorgfältige Arbeit für Jahre hinaus 
dahin entschieden wurde: »Es gibt keinen Druck der Thymus, weder 
auf die Luftwege, noch auf das Herz und die Gefäße, noch auf die 
Nerven«. u 

Friedleben hat das Verdienst, die Übertreibungen in der Lehre 
von dem Einfluß einer großen Thymus richtiggestellt zu haben, aber 
zugleich hat er bedauerlicherweise das Wahre an der Sache für Jahre 
hinaus verschwinden lassen. ` 

Noch jetzt beherrscht seine Lehre die Köpfe der Arzte. Wenn 
A. Paltauf und seine Anhänger jeden Einfluß einer großen Thymus 
auf die Gesundheit leugnen, so geschieht es immer noch unter An- 
lehnung an Friedleben. 

Paltauf erklärt, daß es sich bei den sog. Thymustodesfällen um 
Individuen mit Iymphatischer Konstitution handle, welche eine geringe 
Resistenz gegen Schädlichkeiten aller Art aufweisen. Man mag zu- 
geben, daß die Hyperplasie der Thymus nicht selten mit Hyperplasie 
anderer Lymphdrüsen vergesellschaftet ist; man mag zugestehen, daß 
Individuen dieser Art minderwertig sind; aber ganz bestimmt muß 
man betonen, daß sehr große Thymusdrüsen gefunden wurden ohne 
sog. Status lymphaticus, daß seine Ansicht über den Thymustod 
falsch ist. 

Es ist mit aller Sicherheit erwiesen, daß eine große Thymus sehr 
wohl charakterisierte Druckwirkungen im Mediastinalraum erzeugen kann. 
Schon Astley Cooper hat diesen Beweis erbracht. Dann haben sich 
Virchow, Cohnheim, Weigert u. a. für eine derartige Wirkung 
ausgesprochen. Heutzutage sollte man darüber nicht mehr streiten. 
Man könnte darüber streiten, ob diese Störungen häufig vorkommen 
oder nicht. 

Es wird von Wichtigkeit sein, kurz auf die Anatomie der Thymus 
hinzuweisen. Ihre Physiologie ist fast völlig unbekannt, obwohl die 


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Driise im embryonalen Leben sicher eine groBe Rolle spielt. Nach 
Beard sollen in ihr die ersten Leukocyten entstehen. Es wäre von 
Interesse, bestimmtes über das Wachstum der Drüse im postembryo- 
nalen Leben zu wissen. Aber hier treffen wir schon auf große Meinungs- 
verschiedenheiten. Nach den einen wächst die Drüse bis zum zweiten 
Lebensjahre, weiterhin zwar noch in die Länge, aber auf Kosten der 
Dicke. Nach anderen wächst sie bis in die 20er Jahre hinein. Sicher 
ist, daß erhebliche Verschiedenheiten bezüglich der Größe der Thymus 
gefunden werden, daß die Drüse nach dem 2. Lebensjahre beträchtlich 
wachsen kann, daß bei Erwachsenen nicht allzu selten sehr große 
Thymusdrüsen gefunden worden sind, namentlich bei Leukämie, ein- 
fachem und Basedowkropf, und daß selbst im spätesten Alter Drüsen- 
reste nachgewiesen werden können. 

Verschieden, wie das Wachstum der Drüse, ist ihre Gestalt. 

Im allgemeinen kann man sagen, daß sie aus zwei meist unsym- 
metrischen Lappen besteht, welche wie ein Polster in den vorderen 
Teil des Mediastinum hineingeschoben sind. Die Drüse ist von einer 
festen Kapsel eingehüllt. Diese Kapsel bildet nach der Schilddrüse 
hin einen spaltförmigen Raum. Die vordere Kapselwand setzt sich 
seitlich in die Gefäßscheide der großen Halsgefäße fort, die hintere 
geht in die prätracheale Fascie über. Mit dem oberen Teile des 
Sternum ist die Kapsel lose verwachsen, fest dagegen mit dem Herz- 
beutel und den Gefäßen des Mediastinum. Die Kapsel umhüllt die 
Drüse wie ein weiter Sack. 

Die GefaBversorgung ist nicht immer dieselbe. Meist kommen 
die Artt. thymicae von der Art. thyreoid. inf. und Art. mam. int. 
Die Venen sind stärker entwickelt und führen ihr Blut in die V. anonym., 
V. thyreoid. inf. bzw. ima, V. mam. int. Die Nerven der Driise stam- 
men vom Sympathicus, die Lymphgefäße sind spärlich. 

Dicht an der äußeren Kapselwand verlaufen die Nn. phrenici. 
Der linke N. vagus und N. recurrens kommen mit der Drüse in 
nächste Nachbarschaft. Die Drüse selbst reicht zungenförmig auf den 
Herzbeutel herab. Sie deckt nach oben hin weiter die A. anonym., 
die V. anonym. sin. und schiebt sich in den Raum zwischen A. anonym., 
A. carot. dext. einerseits, Oarotis sin. andererseits, so daß sie hier auf 
die Luftröhre zu liegen kommt. Das ist auch der Raum, welcher ihr 
bei einem Wachstum die geringsten Hindernisse in den Weg stellt. 

Was haben wir nun an sicheren Beweisen für die Existenz von 
Stenosierung der Luftwege durch eine große Thymus? 

Wir verfügen über 28 Sektionsergebnisse, welche über Druck- 
marken an den Luftröhren berichten, und über 5 Operationen an der 
Thymus, deren Erfolge eine Druckwirkung der Thymus außer Zweifel 
setzen. Was lehren uns diese Erfahrungen? 

Nicht das Gewicht einer Thymus, nicht die Größe allein, sondern 
‚ ihre Form ist ausschlaggebend. Eine große, flache Drüse kann viel- 
leicht bedeutungslos sein, eine kurze, dicke Drüse schwere Erschei- 
nungen machen. So verschieden wie die Form der Drüse ist auch die 





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Art ihrer Druckwirkung. Bei Neugeborenen scheint die Stelle be- 
sonders gefährdet, wo die A. anonym. die Luftröhre kreuzt. Im übrigen 
findet sich bald eine Abplattung von vorn nach hinten, bald eine seit- 
liche Beengung, ja es kann auch der eine oder andere Hauptbronchus 
zusammengedrückt werden. Es gibt kein Schema in dieser Beziehung. 

Flügge konnte noch eine andere Art Druckwirkung nachweisen, 
nämlich die seitliche Verschiebung der mediastinalen Gebilde. Wie 
Dr. Demmer uns mitteilt, hat er einen Fall erlebt, wo neben der 
Luftröhre auch der Osophagus komprimiert zu sein schien. 

Wie haben wir uns nach unseren klinischen Erfahrungen die 
Druckwirkung vorzustellen ? 

Die Thymus steigt normalerweise bei jeder Inspiration in den 
Brustraum hinab, bei jeder Exspiration herauf. Je stärker die Atem- 
bewegungen sind, desto stärker ist ihre Bewegung. 

Bei Kindern mit großer Thymus ist öfters bei der Exspiration 
eine kleine, weiche Geschwulst im Jugulum wahrgenommen worden, 
eine Erscheinung, welche bei Druckstörungen pathognostische Bedeu- 
tung erhält. Die klinische Erfahrung hat gelehrt, daß bei Stenosis 
thymica in der Regel nur die Inspiration gehemmt ist. Das ist aus 
dem oben gesagten leicht zu erklären. 

Die Drüse übt eine Art Ventilwirkung aus, indem sie bei dem 
Einatmen gewissermaßen aspiriert wird, während sie beim Ausatmen 
aus dem Thorax hervorgepreßt wird und die Thoraxorgane freigibt. 

In der Tat lassen sich für die Ventilwirkung Beweise bringen. 
Je forcierter die Einatmung ist, je stärker die Beengung der Luft- 
wege. Ein einfaches Anziehen der Drüse mittels ihrer Kapsel, ein 
Herausnähen der Drüse, d. h. eine Fixierung derselben, läßt sofort 
und dauernd die Stenose verschwinden. 

Nicht immer liegen die Verhältnisse so einfach. Nehmen wir die 
Fälle, wo eine Thymus die Luftröhren seitlich umwachsen hat, oder 
wo eine Drüse fest und unbeweglich auf der Luftröhre lastet, dann 
wird ein einfaches Anziehen der Drüse nicht genügen, den Druck zu 
heben. Man wird vielleicht manche dieser Fälle daran erkennen 
können, daß auch die Exspiration erschwert ist. 

Nun gibt es aber noch eine Form der Atmungsstörung durch eine 
große Thymus, welche akut einsetzt, event. rasch zum Erstickungstode 
führt, oder rasch vorübergeht. Charakteristisch ist das völlig uner- 
wartete, plötzliche Einsetzen der Atemnot, das anfallsweise Wieder- 
kehren mit freien Intervallen. Diese Form macht einer Erklärung 
große Schwierigkeit. Es kann sich, entsprechend den klinischen Er- 
scheinungen, nur um eine rasch eintretende, event. rasch vorüber- 
gehende Beengung im mediastinalen Raume handeln. Eine solche 
Beengung kann bereits durch eine entsprechende Körperhaltung ein- 
treten. Denken wir nur, daß eine große Thymus, welche durch irgend- 
welche Ursachen eine unbedeutende Vergrößerung ihres Volumens 
erfahren hat, eben anfängt, die Luftzufuhr zu beeinträchtigen. Das 
Kind wird sofort versuchen, durch Erheben des Kopfes mehr Luft zu 


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bekommen; steigert es diese Haltung durch Zurückbiegen des Kopfes, 
durch lordotische Ausbiegung der Hals- und oberen Brustwirbel, so 
wird eine wesentliche Verengerung des mediastinalen Raumes zustande 
kommen. Diese Haltung wird bezeichnenderweise bei vielen Thymus- 
todesfällen beschrieben. Aber man sollte annehmen, daß wohl Neu- 
geborene, kleine Kinder mit kraftlosen vorderen Halsmuskeln oder 
Menschen in Narkose so sterben können, aber niemals ein Mensch, 
der imstande ist, den Kopf sofort vorwärts zu beugen. Viele Fälle 
bedürfen einer anderen Erklärung. Die Thymus muß einer raschen 
Volumsänderung fähig sein. Ich weiß, daß der Streit über eine solche 
Möglichkeit alt ist. Aber ich sehe nicht ein, warum man diese Mög- 
lichkeit in Abrede stellen will. »Ich habe aus meinen beiden Opera- 
tionen ersehen, wie wenig genügt, um einen gefährlichen Druck auf- 
zuheben, und schließe daraus logischerweise, daß schon geringfügige 
Vergrößerungen starke Wirkungen hervorbringen können.< Geringe 
Anschwellungen kommen schon infolge der sekretorischen Tätigkeit 
vor. Die kleinen Ernährungsadern lassen freilich nicht auf irgend 
erhebliche arterielle Blutüberfüllung schließen, wohl aber kann gewiß 
durch gehemmten Venenabfluß eine Stauungshyperämie von Bedeutung 
geschaffen werden. Ich weiß, daß wir uns hier auf einem zweifel- 
haften Gebiete befinden. \Venn man aber beobachtet, wie ein Kind 
mit ruhiger Atmung und guter Gesichtsfarbe beim Schreien rasch 
cyanotisch und nun sofort der pfeifende Stridor hörbar wird, so kann 
man die Möglichkeit eines respiratorischen Anschwellens nicht von 
der Hand weisen. Es sind einige Anhaltspunkte vorhanden für die 
Mutmaßung, daß die Thymus bei Infektionskrankheiten — so z. B. 
bei Diphtherie — eine Anschwellung erfahren kann. Wahrscheinlich 
gibt es noch andere Ursachen, deren Erkenntnis der Zukunft vor- 
behalten bleibt. 

Über das Faktum, daß durch Blutüberfüllung eine Thymus rasch 
anschwellen und sogar beim Erwachsenen zum sofortigen Erstickungs- 
tode führen kann, habe ich leider eine traurige Erfahrung machen 
müssen. Ein junges Mädchen wurde wegen Morbus Basedowi operiert. 
Die Operation war gut verlaufen. Einige Stunden später stellte sich 
Atemnot ein, welche unter rascher Steigerung zum Erstickungstode 
führte. Die Sektion (Weigert) ergab als einziges Hindernis der 
Atmung eine außerordentlich große Tlıymus. Hier hatte allerdings 
durch Unterbindung der Art. thyreoid. inf. und der unteren Kropf- 
venen eine gewaltsame Änderung der zirkulatorischen Verhältnisse 
stattgefunden und als deren sofortige Folge eine derartige Volums- 
zunahme der Thymus, daß Erstickung eintrat. (Siehe Gluck, Dwor- 
nitschenko.) 

Es muß hier übrigens bemerkt werden, daß eine akut auftretende 
Atemnot von langer Hand vorbereitet sein kann. Dahin gehören jene 
plötzlichen Todesfälle, bei welchen die Sektion eine Abplattung, Säbel- 
scheidenform der Luftröhre erkennen ließ. 

Die großen Gefälsstäimme des Mediastinum scheinen sich eher eines 


Chirurgen-KongreB 1906. 5 


foe OR 


Druckes erwehren zu können. Es sind aber doch Fälle von Hans 
Kohn, dann aus Ranke’s Klinik und von Lange veröffentlicht, 
welche Druckwirkungen auf das Herz und die Gefäße erkennen 
lassen. 

Ich gebe in kurzen Zügen ein klinisches Bild der Trachealstenosis 
thymica. 

Die Erkrankung tritt nicht selten mit der Geburt auf und endigt 
rasch mit dem Tode. In anderen Fällen bemerkt man schon bei dem 
Neugeborenen ein leichtes inspiratorisches Einsinken des Jugulum, bei 
Unruhe des Kindes tritt inspiratorischer Stridor hinzu, event. Cyanose. 
Oder es entwickelt sich das typische Bild des inspiratorischen Säug- 
lingsstridors. Dieser verläuft meist ohne Dyspnoeattacken. 

Wenn Säuglinge besonders betroffen werden, so ist das spätere 
Kindesalter bis zum 4. Jahr und später nicht gesichert gegen eine 
Erkrankung. Die Beengung der Luftwege kann nicht nur allmählich, 
sondern sehr akut einsetzen. 

Die Stenosis thymica kann dann in der Form einzelner Atemnot- 
anfälle in Erscheinung treten. Je nachdem sind die Kinder nach dem 
Anfalle völlig frei von Beschwerden. Jeder akute Anfall von Dyspnoe 
ist gefahrvoll. Der Pat. kann im ersten oder im späteren Anfall er- 
sticken. »Es gibt ein familiäres Vorkommen des inspiratorischen Stri- 
dors, der Thymushyperplasie und des Thymustodes. « 

Ich habe vor 10 Jahren den ersten Fall von Thymusstenose 
durch Operation geheilt. Es sind dann von Fritz Koenig, Pur- 
rucker, Ehrhardt drei weitere Fille operiert. Vor kurzem habe 
ich wiederum wegen einer Thymusstenose eingreifen miissen. 

Es handelte sich um ein 4monatiges, anscheinend normales Kind 
von guter Gesichtsfarbe. Das Kind liefS von Geburt an ein leichtes 
Einsinken des Jugulum bei der Inspiration erkennen. Beim Schreien 
aber änderte sich das Bild in besorgniserregender Weise. Das Gesicht 
des Kindes wird bläulich und die Inspiration tönend (Stridor), die 
obere Halsgrube und das Epigastrium werden stark eingezogen. Die 
Cyanose nimmt zu. Kurz, der Luftmangel ist sehr bedenklich. Die 
Eltern fürchteten mit Recht, das Kind könne einmal »weg« bleiben. 
Sobald sich das Kind beruhigt, verschwindet rasch das drohende Bild. 
Der kleine Pat. liegt ruhig atmend da. Nur das leichte inspiratorische 
Einsinken des Jugulum blieb als warnendes Zeichen bestehen. Im 
Anfalle könnte man an einen Stimmritzenkrampf denken. Man sucht 
unwillkürlich das Hindernis der Atmung im Kehlkopfe. Bei der Aus- 
atmung aber bemerkt man, wie sich eine rundliche Geschwulst im 
Jugulum vordrängt — die beengende Thymus. 

Zuweilen gibt die palpatorische Perkussion einen Fingerzeig für 
die Diagnose. 

Hochsinger hat mit Recht auf den Nutzen der Röntgenaufnahme 
aufmerksam gemacht. Ich möchte namentlich auch die Durchleuchtung 
empfehlen. 

Die beschriebene Form der Atmungsstörung, der inspiratorische 


— 67 — 


Stridor der Säuglinge, gilt in den Kreisen der Laryngologen und 
Kinderärzte als eine harmlose, spontan heilende Erkrankung. Avellis 
hat zuerst die Ansicht geäußert, daß bei allen Fällen dieser Art die 
Thymus als Ursache der Krankheit anzusprechen sei. Pröbsting, 
Hochsinger haben sich dieser Meinung angeschlossen, und ich muß 
sagen, daß unsere klinischen und operativen Erfahrungen durchaus 
für diese Ansicht sprechen. Allerdings haben jene Arzte das Bild 
der Erkrankung viel zu eng gefaßt, wie wir bereits gesehen haben. 

Es mag eine ganze Anzahl scheinbar harmloser Fälle geben, wo 
der inspiratorische Stridor mit dem Wachstum schwindet, wo bedroh- 
liche Dyspnoe überhaupt niemals eintritt. Aber in hohem Grad un- 
heimlich bleiben diese Fälle! Wer kann unberechenbare Ereignisse 
vorhersehen, welche das Leben dieser kleinen Pat. bedrohen? Sah 
doch Avellis selbst einen kleinen Jungen von 4 Jahren rasch und 
völlig unerwartet ersticken, und erzählt doch Moritz Schmidt, daß 
er in einer Familie drei Kinder an chronischem Stridor sterben sah, 
während ein viertes Kind mit der gleichen Erkrankung am Leben 
blieb. 

Unsere klinischen Erfahrungen, die vielfach beschriebenen Thymus- 
todesfälle mit dem deutlichen Charakter des Erstickungstodes beweisen 
zur Genüge, daß die Stenosierung der Luftwege durch eine große 
Thymus eine ganz tückische, gefährliche Erkrankung bedeutet. In 
jedem Fall ist besondere Vorsicht geboten. Ein Anfall von irgendwie 
erheblicher Atemnot gibt die Indikation zur sofortigen Operation. 
Diese Operation hat die Thymus in Angriff zu nehmen. Denn die 
Tracheotomie, wenn sie auch in einigen Fällen Erleichterung gebracht 
hat, war bisher nicht imstande, ein Kind von dem Tode zu retten. 

Der Eingriff kann sehr gut ohne Narkose gemacht werden. Durch 
Längsschnitt im Jugulum dringt man zwischen dem M. sternohyoideus 
in den prätrachealen Raum vor. Man erkennt hinter dem Manubrium 
sterni die Drüsenkapsel, welche bei jeder Exspiration deutlich vor- 
gewölbt wird. Die Kapsel wird mit Pean’schen Klemmen gefaßt und 
mit mäßiger Kraft angezogen. Unter Umständen gelingt es ganz 
leicht, die Drüse hervorzuziehen, und man kann feststellen, daß die 
Atmung frei geworden ist. Andernfalls ist die Drüsenkapsel sofort 
zu spalten. Eine extrakapsuläre Ausschälung der Drüse ist unaus- 
führbar; man muß sie innerhalb der Kapsel ausschälen. In den Fällen 
Purrucker’s und Ehrhardt’s konnte ein großer Teil der Drüse 
herausgezogen und entfernt werden. Ehrhardt hat von einer totalen 
Entfernung gesprochen. Das ist nicht sehr wahrscheinlich. Fritz 
Koenig hat ebenfalls ein Stück der Drüse reseziert. Ich konnte in 
meinem zweiten Falle nicht so leicht zum Ziele kommen, da die Drüsen- 
substanz abriß und bei jeder Inspiration tief in der Brust verschwand. 
Man muß also jede Exspiration benutzen, um ein weiteres Stück zu 
entfernen. Event. könnte man sehr vorsichtig mittels eines stumpfen 
Löffels die Drüse hervorheben. Die Kapsel sollte immer, schon der 
Drainage halber, herausgenäht werden. Sämtliche Operationen haben 


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bis jetzt ein vollkommenes Resultat gehabt. Es ist noch niemals nötig 
gewesen, das Manubrium sterni zu entfernen. Das dürfte nur in den 
seltensten Ausnahmsfällen angezeigt sein. 

Für gewöhnlich bedeutet die operative Beseitigung der Thymus- 
stenose einen relativ einfachen Eingriff. 

Können wir es wagen, uns auf Grund unserer zeitigen Erfah- 
rungen auf das Gebiet der strittigen Tihymustodesfälle zu begeben? 
Es handelt sich um jene Todesfälle, bei welchen die Sektion keine 
Verengerung der Luftwege nachweisen konnte. 

Wir können die Fälle einteilen: 

1) in solche, welche prodromale Stenoseerscheinungen darboten; 

2) in solche, welche ohne Prodrome verliefen, aber unter deut- 

lichen Erstickungserscheinungen starben; 

3) in solche, wo der Tod unbeobachtet oder blitzähnlich eintrat. 

Es scheint mir zweifellos, daß in den Fallen der ersten und 
zweiten Kategorie die Thymus als Todesursache angeschuldigt werden 
muß, wenn auch der Nachweis der Luftröhrenbeengung fehlte. Letz- 
teres kann einesteils von der Art der Sektion abhängig gewesen sein, 
andernteils ist die Beengung vielleicht überhaupt nicht mehr an der 
Leiche vorhanden gewesen. Beides ist sehr wohl möglich. 

Die Fälle der dritten Reihe bleiben zweifelhaft insofern, ob es 
sich um einen Herztod handelt oder um eine plötzliche totale Kom- 
pression der Luftwege, oder ob eine sonstige Todesursache in Frage 
kommt. Im übrigen wäre die Indikation für die Operation dieselbe, 
gleichviel, ob durch die Thymus die Luftzufuhr gehindert oder das 
Herz direkt oder indirekt geschädigt wird. 

Ich weiß, daß ich nur über die bescheidenen Anfänge unserer 
Erkenntnis berichtet, gewissermaßen nur einen Umriß für einen Bau 
vorlege, welcher nur durch allseitige Mitarbeit aufgeführt werden kann. 
Wir haben eigentlich nur einen Besitz wiedergewonnen, welcher uns 
verloren ging, aber jetzt freilich so, daß er uns nicht wieder entrissen 
werden kann. Die Stenosis thymica ist ein klinisch und autoptisch 
sichergestelltes Krankheitsbild. Aber täuschen wir uns nicht! Dunkel, 
wie die Physiologie der Thymus, ist ihre Pathologie! Wir beginnen 
erst mit der Aufklärung ihrer rein mechanischen Wirkungen. Und 
was harrt noch auf diesem Gebiet einer Aufklärung und Bestätigung! 
Ich habe vermieden, mich auf rein hypothetische Dinge, wie Reflex- 
wirkungen durch Nervenreiz, oder auf Hyperthymisation des Blutes 
(Svehla) einzulassen. Die Ansichten v. Mikulicz’ über die Wirkung 
des Thymussekretes auf die Schilddrüse sind wohl auch fallen gelassen. 
Um so mehr würden wir eingehende Forschungen über die Physiologie 
der Thymus begrüßen müssen, welche uns Aufschlüsse über den Zweck 
der Drüse bringen. ‘Original.) 

Diskussion. 

Fritz König (Altona) hat 2mal Kinder in dem ersten Lebensjahre 
wegen Thymusstenose operiert, vor 9 Jahren und in diesem Winter. 
Beide hatten Stenose mit Anfällen, hatten in- und exspiratiorischen 


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Stridor, man konnte die Thymusdrüse am Halse fühlen. Beim letzten 
Falle fiel auch eine stark konvexe Wölbung der oberen Thorax- 
apertur auf. 

Zur Diagnose muß eine Stenose der oberen Luftwege aus- 
geschlossen werden. Ob eine rechte Kompression der Trachea oder 
eine Beeinträchtigung der darunter liegenden Nerven und Gefäße 
durch die Thymus das Krankheitsbild hervorruft, scheint nicht für 
jeden Fall gleich zu sein. In seinem zweiten Falle erreichte K. durch 
Resektion und Fixation des linken Thymuslappens und auch durch 
tiefe Tracheotomie keine Heilung; es kamen sogar Anfälle wieder. 
Deshalb entfernte K. in zweiter Sitzung den linken Lappen vollständig 
und erweiterte den Eingang in den Thorax durch Resektion am 
Sternum. Es trat eine zweifellose Besserung ein, und Anfälle hatten 
sich nicht mehr eingestellt. 

K. stellt sodann den jetzt 9jährigen Knaben vdr, bei dem er 
im Alter von 3 Monaten wegen Thymusstenose die Thymus partiell 
reseziertt und an die Fascie genäht hat. Die an die Operation an- 
schließende Besserung führte zur Heilung. Dagegen entwickelte sich 
alsbald eine schwere Rachitis, so daß der Knabe erst mit 41/, Jahren 
laufen lernte.‘ 

Diese Beobachtung läßt an den Zusammenhang denken, welcher 
nach Basch zwischen Thymusdrüse und Knochenbildung bestehen 
soll. Jedenfalls hält K. es nicht für gerechtfertigt (wenn überhaupt 
möglich), eine Thymus ganz zu entfernen, man soll Partialoperationen 
machen und event. den Zugang ins Mediastinum durch Sternum- 
resektion erweitern. ‘Selbstbericht.) 


F. Krumm (Karlsruhe) hat vor 11 Jahren einen hierhergehérigen 
Fall beobachtet: Ein 2jähriges Kind war unter heftiger, allmählich 
zunehmender in- und exspiratorischer Dyspnoe erkrankt. Eine exakte 
Diagnose war nicht möglich, die vorgenommene Tracheotomie war er- 
folglos. Die Sektion des am folgenden Tage verstorbenen Kindes er- 
gab eine hochgradige Vergrößerung der Thymusdrüse, die sich haupt- 
sächlich im Winkel zwischen Trachea und rechtem Bronchus entwickelt 
und hier zur hochgradigen Kompression geführt hatte. Die Thymus 
zeigte im Innern eine buchtige Höhlenbildung, die mit einer gelb- 
grünlichen visciden, eiterähnlichen Flüssigkeit gefüllt war. Mit einer 
wirklichen Abszeßbildung oder auch, wie man schon angenommen hat, 
mit Lues hat die Erkrankung vermutlich nichts zu tun. Es handelt 
sich wohl um abnorme Involutionsvorgänge der Thymus. Da die 
großen Gefäße zum Teil in der dicken Thymuswand verliefen, wäre 
eine Mobilisierung nicht möglich gewesen. Inzision und Drainage vom 
Jugulum aus hätte aber wohl das Kind am Leben erhalten können. 

(Selbstbericht.) 


a I — 


42, Kocher (Bern‘. Über ein drittes Tausend Kropfexstir- 
pationen. 


Am 3. August 1905 haben wir unsere dreitausendste Kropf- 
operation ausgeführt. Für die Beurteilung des gegenwärtigen Standes 
der operativen Chirurgie darf es wohl ein gewisses Interesse bean- 
spruchen, an Hand der Resultate dieses 3. Tausends unserer Kropf- 
operationen, welche von November 1900 bis August 1905, also binnen 
nicht ganz 5 Jahren, an derselben Klinik und Poliklinik ausgeführt 
worden sind, zu prüfen, wie weit die Handhabung aller modernen 
Mittel der Wundbehandlung die chirurgische Therapie gefördert hat. 

Was zunächst die Mortalität anlangt, so sind von den 1000 Fällen, 
Struma maligna, Strumitis, Basedow und gewöhnliche Kröpfe zusanı- 
men genommen, 7 Fälle gestorben. 

Es ist fast selbstverständlich, daß ein verhältnismäßig starker 
Anteil dieser Mortalität auf Rechnung der Struma maligna zu stehen 
kommt. Hier sind unter 36 Fällen 3 Todesfälle zu verzeichnen. Wenn 
man bedenkt, wie kompliziert derartige Eingriffe sind, bei welchen der 
Tumor mit den großen Halsgefäßen, der Trachea und dem Osophagus 
oft fast verwachsen ist, so ist damit ohne weiteres gesagt, daß der 
üble Ausgang nicht Folge der Kropfoperation ist, sondern veranlaßt 
durch die Zirkulationsschädigung des Gehirns bei der Ligatur der 
Carotis communis oder durch die Folgen ausgedehnter Resektion von 
Trachea und Osophagus. 

Von 8 Strumitisfällen ist keiner gestorben. 

Von 52 Kropfexzisionen wegen Basedow’scher Erkrankung ist bloß 
ein einziger Todesfall eingetreten, und zwar im Anschluß an eine 
Nachblutung, welche eine Wiedereröffnung der Wunde notwendig 
machte, eine Verletzung, die ihrerseits zu einer exzessiven Tachykardie 
Anlaß gab mit rascher Herzinsuffizienz. 

Es bleiben %4 Operationen gewöhnlicher Strumen übrig. Hier 
trat 3mal Tod infolge der Operation ein, in allen Fällen bei kompli- 
zierten Strumen: Einmal infolge Nachblutung bei einer angeborenen 
Cachexia thyreopriva, bei welcher ein starker Druck auf die Trachea 
die Enucleation des Kropfes nötig machte. Derartige Kranke sind 
für Blutverluste sehr empfindlich. 

Der zweite Fall betrifft eine Pat., welche an Pneumonie starb, 
nachdem die Halswunde schon völlig verheilt war. Die Pat. litt, 
wie die Autopsie ergab, außer an der bei der Statusaufnahme kon- 
statierten Bronchitis an »Atrophia et Dilatatio cordiss und Atrophie 
beider Nieren. 

Der dritte Fall betrifft einen Herrn, der von Kind auf an 
doppelseitiger Recurrenslähmung litt mit schwerem inspiratorischem 
Stridor und hochgradiger Myokarditis. Dieser Pat. wurde nicht im 
Spital operiert. 

Diese Zusammenstellung unserer Resultate von 1000 Fällen darf 
wohl die Schlußfolgerung als gerechtfertigt erscheinen lassen, daß wir 


— 1 — 


in der chirurgischen Therapie des Kropfes zu dem Punkte gekommen 
sind, sagen zu dürfen: Die Operation eines Kropfes ist bei dem 
jetzigen Stande der Chirurgie ohne Lebensgefahr ausführbar, selbst 
bei tiefer Lage des Kropfes, erheblicher Größe und selbst bei älteren 
Leuten, wenn das Herz gesund ist. Haben wir doch nach der Zu- 
sammenstellung unseres ersten Assistenten Dr. Elsässer bei den 
robusteren Spitalpatienten unter 661 Fällen bloß den einzigen Todesfall 
“durch Nachblutung bei einem Kachektischen erlebt. 

Dieses Resultat darf bis zu einem gewissen Grade als Maßstab 
gelten für die Prognose großer Operationen überhaupt, denn eine 
Kropfoperation ist in der Mehrzahl der: Fälle ein schwerer Eingriff, 
welcher hohe Anforderungen an die chirurgische Kunst stellt, zumal 
wenn der Tumor besonders groß, stark verwachsen, sehr gefäßreich 
ist und vor allem, sobald er sich tief in den Thorax hineinerstreckt 
in Form der Struma intrathoracica und zu starker Atemnot ge- 
führt hat. 

Die Ehre dieses glücklichen Resultates unserer therapeutischen 
Bestrebungen bei einem so schweren Leiden kommt dem Dreigestirn 
Pasteur, Koch und Lister zu, die wir uns deshalb mit voller Be- 
gründung zu Ehrenmitgliedern der Gesellschaft erkiiren. Man lese 
zur Illustration dieser Tatsache Aussprüche namentlich französischer 
Autoren noch aus den Jahren 1875 und 1885 nach, wie denjenigen 
von Luton, dem Erfinder der Jodinjektionen, wenn er schreibt: »Il 
y a lieu de s'étonner qu'une opération aussi redoutable soit encore 
sérieusement conseillée de nos jours!.« 

Wir haben keinen einzigen Infektionsfall erlebt unter diesen 
1000 Fällen, welcher das Leben des Pat. gefährdet hätte. Im Privat- 
spital, wo wir seit Jahren unsere Pat. mit Dr. Albert Kocher ope- 
rieren und durch ihn nachbehandeln lassen können, sind unter den 
293 gutartigen Strumen des 3. Tausend bloß 7mal lokale Wund- 
infektionen vorgekommen und demgemäß die durchschnittliche Auf- 
enthaltsdauer der Pat. vom Aufnahme- bis zum Entlassungstage bloß 
10 Tage. Dabei haben wir uns der einfachsten Form reiner Asepsis 
bedient. Wir waschen uns und unsere Pat. bloß nach der Für- 
bringer-Ahlfeld’schen Methode mit heißem Wasser und Seife und 
mit Alkohol (75%ig), bringen kein Antiseptikum in unsere frischen 
Wunden — es sei denn, daß sie durch Eiter bei Strumitis oder durch 
Sekrete bei Eréffnung von Trachea oder Osophagus infiziert worden 
sind —, legen aseptische Gaze unmittelbar auf die Wunde. 

Von Antiseptika kommt Sublimat bloB zum Kochen der Seiden- 
fäden, welche wir ausschließlich benutzen, zur Anwendung, ferner 
Thymolkrüll auf die aseptische Verbandgaze zum Desinfizieren des 
serös blutigen Sekretes, welches in den ersten 24 Stunden in den 
Verband fließt. 

Dagegen legen wir einen kapitalen Wert auf sehr genaue Blut- 





ı Vgl. Duget, Goitres et médication jodée interstitielle. Paris 1886. 


— 72 — 


stillung, wobei die von uns modifizierten Arterienklemmen große 
Dienste leisten; und ferner haben wir festgehalten an der Drainage 
zur Ableitung von Blut und blutigem Serum, weil wir auf Grund der 
Friedrich’schen Experimente auf diesen nach außen gerichteten 
Flüssigkeitsstrom großen Wert zur Verhütung von Infektion legen, 
wie wir auch die Meinung haben, daß in der Bier’schen Hyperämie- 
behandlung akuter Entzündungen mittels Saugapparaten bei offener 
Eiterung dem erwähnten Moment eine Hauptwichtigkeit zukommt. 
Aber es sei nachdrücklich betont, daß mit Aufhören jeglichen Blut- 
nachflusses Drainröhren, bei uns als Regel nach 24 Stunden, sofort 
entfernt werden. 

Eine Gefahr klebt der Kropfoperation — wenn wir von reinen 
Zufälligkeiten und der Kombination mit gleichzeitigen anderen lebens- 
gefährlichen Eingriffen absehen — nur noch an, wenn Organerkran- 
kungen anderer Körperorgane vorliegen, der Lungen, der Nieren, 
aber als ausschlaggebendes Moment des Herzens. Wie aus unserer 
Statistik ersichtlich, sind, abgesehen von dem Accidens einer Nach- 
blutung, die beiden Todesfälle unter den 903 Exzisionen einfacher 
Kröpfe durch gleichzeitige schwere Herzleiden veranlaßt, ebenso der 
einzige Basedowtodesfall. 

Dem Chirurgen ist das eine ernste Mahnung, jeden Kropfpatienten 
auf absolute oder relative Insuffizienz des Herzens zu prüfen. Verdacht 
auf Insuffizienz und Kompensationsstörung seitens des Herzens wird 
rege durch gestörten Rhythmus der Herzschläge, sowie durch Dilatation 
des Herzens oder einzelner Herzabschnitte. 

Sobald Tachykardie und Verbreiterung der Herzdämpfung vor- 
handen ist, und vollends wenn sie mit unregelmäßigem Pulse kom- 
biniert ist, muß das Herz auf seine Leistungsfähigkeit bei vermehrter 
Inanspruchnahme durch Anstrengung oder Ermüdung (nach Gräup- 
ner) oder durch künstliche Vermehrung der Widerstände im Kreislauf 
(nach Katzenstein) geprüft werden. 

Schon ein Absinken des Blutdruckes, mit Riva-Rocei gemessen, 
von dem Mittelmaß von 150 mm Hg unter 120 macht die Vornahme 
einer eingreifenden Operation bedenklich. Dieselbe Messung gibt 
neben dem Grade der Dyspnoe auch den Anhaltspunkt für die Zu- 
lässigkeit einer allgemeinen Narkose. Wir vermeiden dieselbe überall, 
wo die Pat. Schmerzen einigermaßen ertragen können. Denn abge- 
sehen von der Gefahr zu starken Sinkens des Blutdruckes bei Herz- 
insuffizienz hat die Narkose den Nachteil, daß sie die Sicherheit, den 
Recurrens zu vermeiden, erheblich verringert (einen Sänger oder Sän- 
gerin haben wir nie in Narkose operiert); ferner verringert die Nar- 
kose die Garantie eines völlig aseptischen Verlaufes, weil durch Er- 
brechen leicht der Verband und mit ihm die Wunde unvermutet 
verunreinigt wird. 

Für den Arzt und Internen aber ist unsere Schlußfolgerung, daß 
wir zurzeit nur noch vorhandene Herzinsuffizienz bei einer Kropf- 
operation als ernstliche Gefahr zu fürchten haben, eine eindringliche 


ee Hg, gen 


Mahnung, es nicht erst zu der Entwicklung eines Kropfherzens kom- 
men zn lassen, bevor man seinem Pat. zu einer Operation rät. Und 
noch viel ernster mahnt dieselbe Erfahrung, nicht künstlich ein Kropf- 
herz durch innere Mittel zu erzeugen, welche bei bestimmten Kropf- 
formen a priori keine Aussicht auf Erfolg haben, wir meinen die 
übermäßige und zu lange Anwendung von Jodmitteln und noch viel 
mehr den häufigen Mißbrauch der Schilddrüsenpräparate, welch letz- 
tere bei der Kropfbehandlung viel mehr Schaden als Nutzen ange- 
richtet haben. 

Daß zunehmende Dyspnoe eine klare Indikation ist zu operativer 
Beseitigung eines stenosierenden Kropfes, das sehen zur Stunde alle 
urteilsfähigen Arzte ein. Aber daß zumal unter dem Einfluß zuneh- 
mender Dyspnoe und dem Mißbrauch von Jodmitteln bei gewissen 
Kropfformen sich das sog. Kropfherz entwickelt, welches eine eben so 
große Gefahr für die Pat. darstellt, wie die Atmungsbehinderung, 
das wird noch allgemein übersehen. Uber Entstehung und Bedeutung 
des Kropfherzens werde ich in kurzem auf dem Kongreß der In- 
ternen (in München), welche ihr Interesse der Schilddrüsenfrage zu- 
gewandt haben, zu diskutieren in der Lage sein und kann mich deshalb 
hier auf die chirurgische Seite der Frage beschränken. Aber das 
möchte ich schon hier ganz besonders betonen, daß das Kropfherz bei 
Basedow’scher Erkrankung eine Hauptrolle spielt. Verhüten wir seine 
Entwicklung, so werden wir auch in der operativen Behandlung des 
Basedow die Prognose viel besser stellen können. Verhiiten aber 
kann man es am einfachsten durch die Frühoperation. Es ist ein 
unter Internen nicht nur, sondern auch unter Chirurgen verbreiteter 
verhängnisvoller Irrtum zu glauben, die Operation sei bei Basedow ein 
ultimum refugium. Nur in Frühstadien gibt sie tadellose Erfolge. 
Und deshalb sage ich Ihnen als Chirurgen: Lassen Sie sich auf Kropf- 
operationen nicht mehr ein, wenn das Herz insuffizient ist, wie es bei 
Kropfherz im vorgeschrittenen Basedow der Fall ist. 

Wie entscheidend für das Schicksal des Pat. die Frühoperation 
bei malignen Strumen ist, braucht hier nicht gesagt zu werden. Frei- 
lich ist die Frühdiagnose maligner Strumen nicht leicht. Es ist aber 
bei allen wachsenden und drückenden Strumen, zumal wo sie sich bei 
Erwachsenen in kurzer Zeit entwickeln oder bei vorher bestandener 
Schwellung in kurzem erheblich vergrößern, die operative Beseitigung 
unbedingt indiziert. Handelt man danach, so ist vorauszusehen, daß 
man auch bei diesen prognostisch schlimmsten Formen der Schilddrüsen- 
erkrankung die Resultate erreichen wird, welche die Operation gut- 
artiger Gewächse schon jetzt aufweist. 

Nur die eine Möglichkeit darf man selbst unter diesen günstigen 
Auspizien nicht aus dem Auge lassen. Die Entwicklung leichter 
Hypothyreosis auch nach partieller Strumektomie. Sie läßt sich nur 
verhüten, wenn man bei jeder Operation sich Rechenschaft gibt, ob 
genügend leistungsfähiges Schilddrüsengewebe zurückblieb, und danach 
sein Verfahren abändert, d.h. an Stelle der idealen einseitigen Exzision 


Se. A, eet 


die Kombination derselben mit Resektion oder Enukleation des Kropfes 
setzt. Läßt sich bei Fällen dringlicher Exzision so nicht Schaden 
verhüten, so ist er durch nachträgliche Schilddrüsentherapie, welche 
hier ihre Triumphe feiert, mit Sicherheit auszugleichen. Original.' 


43) Payr (Graz). Transplantation von Schilddrüsengewebe 

in die Milz; experimentelle und klinische Beiträge zur Lehre 

von der Schilddrüsentransplantation und über Organtrans- 
plantation. 


P. hat die von Schiff begründete, durch die exakten und 
grundlegenden Arbeiten von Eiselberg’s und Enderlen’s zu 
einem gewissen Abschluß gebrachte Frage der Schilddrüsentransplan- 
tation aufs neue einer experimentellen Bearbeitung unterzogen. 

Dies schien insbesondere wegen der noch nicht völlig geklärten 
Anschauungen über die Dauer der durch die gelungene Einheilung 
der Drüse bedingten Schutzwirkung vor den Folgen des Schilddrüsen- 
verlustes wünschenswert. 

Aus verschiedenen Gründen faßte P. zwei dem lymphatischen 
System angehörige Organe, das Knochenmark und die Milz, als Im- 
plantationsstätte ins Auge. 

Fast alle experimentellen Untersuchungen P.’s beziehen sich auf 
die Transplantation der Schilddrüse in die Milz. 

Die Blutzirkulationshältnisse dieses Organes, die erst durch 
Arbeiten aus neuester Zeit als im wesentlichen geklärt angesehen wer- 
den können, sind derart günstige, wie wohl in keinem zweiten Organe. 
Für das Gelingen einer Überpflanzung eines drüsigen Organes sind 
zweifellos auch die primären Ernährungsverhältnisse an der Stätte der 
Transplantation von Belang. 

Die von einem dünnen und für die Diapedese ungemein zugäng- 
lichen Endothellager ausgekleideten, zahlreichen sinuösen Hohlräume 
der Milzpulpa ermöglichen einen direkten Austausch von zelligen 
Elementen und Gewebsflüssigkeiten zwischen letzterer und dem Blut- 
gefäßsystem. 

Seit Ende 1902 hat P. gegen 50 Tierversuche an Hunden, 
Katzen, sowie lediglich zu morphologischen Untersuchungen auch an 
Kaninchen und Meerschweinchen ausgefiihrt. 

Die Technik der Transplantation besteht in der möglichst 
raschen und schonenden Übertragung der ganzen Schilddrüse oder 
eines Lappens in die schon vorher durch Laparotemie freigelegte und 
in zweckentsprechender Weise vorgelagerte Milz. 

Die Milz wird an der Konvexität, besser noch an einem ihrer 
scharfen Ränder — der Margo anterior eignet sich hierzu am besten — 
eingeschnitten, die Wunde in der Milzkapsel mit einer eigenen Dila- 
tationspinzette (Fig. 1) zum Klaffen gebracht und nun mittels eines 
messerförmigen, halbscharfen Spatels (Fig. 2) eine Tasche in sie 


— 75 — 


gemacht, die, wenn möglich, sowohl in der Größe als in der Form 
dem zu überpflanzenden Schilddrüsenstück entsprechen soll. 

Das Schilddrüsenstück wird mittels ein gabelförmigen Instrumen- 
tes (Fig. 3) gefaßt und in die Tasche versenkt. Meist wurde der be- 
treffende Schilddrüsenlappen vorher durch Sektionsschnitt halbiert oder 
mit mehreren Einschnitten versehen und mit nach außen gekehrter 
Schnittfläche in die Milztasche versenkt. Das eingeschobene Gewebs- 
stück stillt die aus bestimmten. anatomischen Gründen sonst so hart- 
näckige Blutung aus dem Milzparenchym in ausgezeichneter Weise. 
Die Milzwunde wird mit einigen ziemlich weit ausgreifenden ganz feinen 


Fig. 1. 





Seidennähten verschlossen und ein Stück Netz mit einigen weiteren 
Nähten darüber befestigt. Betreffs der ja bei allen Milzwunden so 
gefürchteten Blutung läßt sich feststellen, daß durch das Ein- 
schieben des Schilddrüsenlappens in die entsprechend große Milztasche, 
sowie durch die in verschiedener Weise gemachte Naht der Milz- 
wunde und der Milzkapselinzision es in allen Fällen ohne 
Schwierigkeiten gelungen ist, die Blutung zu beherrschen und 
daß kein einziges Versuchstier, soweit sich dies feststellen läßt, 
eine Nachblutung bekam oder an einer solchen zugrunde ging, ob- 
wohl auch an Milzen von sehr großen Hunden gearbeitet wurde, an 
denen Blutung und Blutstillungsverhältnisse doch ganz ähnlich wie 
beim Menschen sind. In einigen Fällen wurde die von P. und Mar- 
tina für die Leber empfohlene Magnesiumplattennaht zum Schluß 
der Milzwunde, in anderen eine Art Zapfennaht mit Netz als 
lebendem Material zum Schutze gegen das Einschneiden der Fäden 
verwendet. In der Mehrzahl der Fälle genügte für die Blutstillung 
die einfache Naht. 


aa Jo e 


Bei der Wahl eines der beiden Milzränder für die Kapselinzision 
und die Anlegung der Tasche ist die Naht sehr erleichtert dadurch, 
daß sich Nadel (gerade, drehrund) und Faden geradlinig und weit- 
ausgreifend durch das Milzgewebe führen lassen, wobei die Gefahr 
des Einschneidens der Fäden eine viel geringere ist, als bei der Naht 
an der Konvexität. P. verweist übrigens darauf, daß sich auch bei 
der Behandlung der Milzverletzungen die Stich- und Schnittverlet- 
zungen als häufig zur Naht geeignet. erwiesen haben, während man 
bei Rupturen hauptsächlich wegen der Gefahr des Ubersehens von 
Einrissen die Splenektomie ganz allgemein für das normale Ver- 
fahren ansieht. 

Es ist selbstverständlich, daß bei allen diesen Versuchen alle 
chemischen, thermischen, mechanischen, vor allem aber bak- 
teriellen Schädlichkeiten sorgfältigst fern gehalten werden müssen; 
je geringer das Trauma ist, dem das zu überpflanzende Gewebsstück 
bei der Übertragung ausgesetzt wird, je günstiger die Ernährungs- 
bedingungen sind, unter die es gesetzt wird, desto besser sind die 
Aussichten für das Gelingen der Transplantation. Die Anordnung 
der Tierversuche war in dreifacher Weise verschieden. 


a. Exstirpation eines Schilddrüsenlappens, Implantation desselben 
in die Milz. Nach 10—30 Tagen wird der zweite am Hals entfernt. 
Nun ist das Tier (abgesehen von möglicherweise vorhandenen Neben- 
schilddrüsen) bloß durch das in der Milz befindliche Drüsenstück vor 
den Folgen des Schilddrüsenverlustes geschützt. 

In einer Sitzung wurde bei einem Teile der Versuchstiere, die 
diese beiden Eingriffe ohne thyreoprive Erscheinungen überlebten, die 
Splenektomie ausgeführt und dadurch Athyreosis herbeigeführt. Nach 
diesem Modus wurden die meisten Tiere operiert. 


b. Bei einer kleinen Zahl der Versuchstiere wurde die ganze 
Schilddrüse gleich beim ersten Eingriff exstirpiert und in die Milz 
eingepflanzt. Nach genügend lange fortgesetzter Beobachtung wurde 
durch die Milzexstirpation das Tier seiner Schilddrüsenfunktion be- 
raubt. 


c. Bei einigen Versuchstieren wurde so vorgegangen, daß in der 
ersten Sitzung der eine Schilddrüsenlappen in die Milz implantiert 
wurde. Nach 20—30 Tagen wird der andere Lappen gerade so wie 
es beim ersten Eingriffe geschah, abermals in die Milz an anderer 
Stelle implantiert. Auch hier besorgte nach entsprechend langer Zeit 
die Milzexstirpation den gewünschten Schilddrüsenverlust. 


Diese Art der Versuchsanordnung erhält dem Versuchstiere nach 
P.’s Ergebnissen das größtmögliche Quantum an funktionierendem 
Schilddrüsengewebe. 

Mehrmals wurden sowohl Hunde als Katzen mit Kolloidstrumen 
angetroffen; auch diese wurden zur Implantation verwendet. | 

Die Ergebnisse von P.’s Tierversuchen sind, kurz zusammen- 
gefaBt, folgende: 


Zus. 177 


Man muß zwischen den morphologischen und funktionellen 
Resultaten der Transplantation unterscheiden. 

Was die funktionellen Ergebnissen anlangt, so ist zu erwähnen, 
daß es gelang, eine Anzahl von Hunden und Katzen ohne 
irgendwelche Krankheitserscheinungen längere Zeit, !/; bis 
i/, Jahr, und darüber, sogar über 10 Monate am Leben zu er- 
halten, obwohl am Halse sicherlich der ganze Schilddrüsenbestand 
samt den sichtbar gewordenen Epithelkörperchen exstirpiert worden 
war; wenn diese günstigen Resultate auch nur bei einem Teile der 
Versuchstiere, ca. !/; derselben, zu erzielen waren, so sind dieselben 
dennoch tatsächlich beweisend und ausschlaggebend. Große 
Reihen ununterbrochen günstiger Erfolge hat bisher überhaupt kein 
Bearbeiter dieses Themas zu verzeichnen gehabt. Mißerfolge sind 
häufig. Technische Fehler, ungenügende Wartung der sorgfältiger 
Pflege bedürftigen Tiere, sowie endlich interkurrente Erkrankungen 
tragen einen großen Teil der Schuld an den zu beobachtenden Miß- 
erfolgen. Diejenigen Tiere, die an den Folgen ungenügender Schild- 
drüsenfunktion zugrunde gingen, erlagen nur zum geringen Teile der 
Tetanie, häufiger einem der Cachexia strumipriva entsprechenden 
Siechtum. 

Doch sei besonders darauf hingewiesen, daß P., um den Wert 
der Einpflanzung in die Milz auch unter strengster Kontrolle zu prüfen, 
zwei bisher allgemein als ungünstig angesehene Faktoren meist nicht 
ausschaltete und die Tiere auch zur Winterszeit in ungeheizten Räumen 
hielt, sie auch Fleischnahrung erhielten. 

Nach der Milzexstirpation gingen die Tiere fast immer in kürzester 
Zeit, meist unter tetanischen Erscheinungen zugrunde. 

Uber das morphologische Verhalten der transplantierten 
Schilddrüse ist bei gutem Gelingen folgendes zu sagen: Die Einpflan- 
zungsstelle in der Milz ist gewöhnlich an der Netzbekleidung sogleich 
zu erkennen. Am Durchschnitte durch Milz und implantiertes Schild- 
drüsenstück ist die Abgrenzung zwischen der dunkelroten, an Milz- 
körperchen etwas reicheren Pulpa und dem graurötlichen oder grau- 
gelblichen Drüsenstück eine deutliche. Die Größe des eingepflanzten 
Stückes ist wohl fast immer vermindert, meist um 1/,—1/3 seiner ur- 
sprünglichen Dimensionen. Bei Überpflanzung von Kolloidstrumen ist 
die Größenabnahme eine viel erheblichere, dagegen das Aussehen dem 
einer normalen transplantierten Drüse entsprechend. Die Form der 
eingeheilten Stücke ist fast immer rund oder elliptisch. Zuweilen sieht 
man auf der Drüsenschnittfläche braunes Pigment. 

Alle durch Sektion der Tiere oder durch Splenektomie gewonne- 
nen Implantationspräparate wurden einer genauen histologischen 
Untersuchung unterzogen. 

Das wesentliche der dabei erhobenen Befunde ist, daß die primäre 
zentrale Nekrobiose des überpflanzten Stückes viel weniger ausgedehnt 
ist, als bei dem bisher gebrauchten Modus der Transplantation; manch- 
mal scheint sie fast ganz auszubleiben. Die Regenerationsvorgänge 


Shee, YO. pa 


von seiten des erhalten gebliebenen Schilddriisengewebes sind sehr be- 
deutende. 

Der Kolloidgehalt der nach langerem Zeitraum untersuchten ein- 
gepflanzten Driisen ist ein sehr wechselnder; manchmal, wie es auch 
andere Untersucher (Enderlen, Sultan) fanden, speziell in der Peri- 
pherie ein sehr bedeutender, in anderen Fällen ein geringer, aber 
gleichsam über den ganzen Querschnitt gleichmäßig verbreiteter. 

Viele Untersuchungsobjekte bieten selbst nach längerer Zeit, 
3—6--9 Monate, in jeder Beziehung vollkommen das Aussehen 
eines normalen, kolloidbildenden Schilddrüsengewebes dar. 
(Demonstration einer größeren Anzahl histologischer Bilder.) 

P. berührt im Anschluß an seine Tierversuche noch kurz die 
Frage der Organtransplantation überhaupt und betont, daß nach den 
Ergebnissen der verschiedenen Bearbeiter dieser Frage (u. a. Ales- 
sandri, Lubarsch, Ribbert) und der eigenen Untersuchungen die 
einzelnen drüsigen Organe bei der Transplantation ein recht verschie- 
denes Verhalten aufweisen; bei manchen gelingt die Überpflanzung 
relativ leicht, bei anderen mißlingt sie immer. Die Ursache dieser 
eigentümlichen Differenzen sucht P. in den verschiedenen physiologi- 
schen Aufgaben der betreffenden Organe. Besonders jene mit aus- 
gesprochen »innerer Sekretion« scheinen für die Transplanta- 
tion viel geeigneter zu sein, als jene mit vorwiegend äußerer 
Sekretion. 

Seit Kocher, 1883, ist die Schilddrüsentransplantation 
auch beim Menschen ausgeführt worden, und zwar wegen postopera- 
tiver Tetanie, Oachexia strumipriva, Myxödem und Kretinis- 
mus. Der Erfolg war meist negativ, oder doch nur vorübergehend, 
selbst wenn die anfängliche Besserung eine sehr bedeutende war 
(Bircher). Gerade Enderlen’s Tierversuche haben eine Erklärung 
für die Unbeständigkeit derselben gegeben. 

P. berichtet nun über einen Fall von Transplantation von 
Schilddrüsengewebe in die Milz bei einem Kinde mit schwe- 
rem, infantilem Myxödem. 

Das 6jährige, vollständig verblödete Kind, mit allen typischen 
Erscheinungen schwersten infantilen Myxödems behaftet, war 
schon 3!/, Jahre vergebens mit verschiedenen Schilddrüsenpräparaten 
erfolglos gefüttert worden. 

Der Eingriff wurde in der Weise begonnen, daß der Mutter des 
Kindes in Narkose die Schilddrüse freigelegt wurde und ein un- 
gewöhnlich großer, ganz normales Schilddrüsengewebe enthaltender 
Processus pyramidalis exstirpiert wurde. 

Gleichzeitig wurde dem Kinde durch einen mit dem linken 
Rippenbogen parallel verlaufenden Schnitt die Bauchhöhle geöffnet, 
die Milz vorgezogen, in den unteren Pol nahe dem vorderen Rande 
des Organes ein Einschnitt gemacht, von diesem aus eine entsprechend 
große und geformte Tasche gebildet und in diese das durch Sektions- 
schnitt fast durchtrennte und mit den Schnittflächen nach außen ge- 


— —— 


kehrte Schilddriisenstiick eingefiihrt. Die Milzwunde wurde durch 
Naht geschlossen und durch einen Netzzipfel gedeckt, kleine Gaze- 
streifen eingelegt und nun die Bauchhöhle geschlossen. 

Der Verlauf war bei Mutter und Kind ein befriedigender. 

Der Erfolg beim Kind ist jetzt nach 5 Monaten sowohl soma- 
tisch als intellektuell ein ausgezeichneter. Besonders hervorzuheben 
ist, daß das Kind in kurzer Zeit das Gehen und Stehen gelernt hat, 
selbst essen kann, und sehr bedeutendes Wachstum (12 cm) eingetreten 
ist. Ob dieser Erfolg anhalten wird, läßt sich natürlich nicht mit 
Sicherheit behaupten, doch ist es auffallend, daß nach dem fast völligen 
Versagen der internen mit größter Sorgfalt in einer pädiatrischen 
Klinik durchgeführten Schilddrüsentherapie die Transplantation so 
Hervorrades geleistet hat. Darauf möchte P. das Hauptgewicht legen. 

P. betont ausdrücklich, daß er aus diesem bisher ja sehr erfreu- 
lichen Erfolge durchaus keine irgend weitergehenden Folgerungen für 
die Zukunft ziehen will, und daß weitere Beobachtungen nötig sein 
werden, um über die Berechtigung dieser Art von Schilddrüsentrans- 
plantation zu urteilen. 

P. belegt seine Ausführungen durch Demonstrationen von Prä- 
paraten (der die Schilddrüsenpfropfungen enthaltenden Milzen) zahl- 
reicher histologischer Bilder derselben, von Tafeln, welche die Technik 
der Einpflanzung in die Milz und solchen, welche die günstige Um- 
wandlung im Aussehen des Kindes darstellen. 'Selbstbericht.) 


Diskussion. 


Kocher (Bern) hatte auch einzelne merkwiirdige Erfolge, nament- 
lich bei Implantation der Schilddriise zwischen Bauchfell und Bauch- 
wand. Alle möglichen Organe sind von ihm zur Implantation benutzt, 
z. B. Venen, Arterien (Femoralis). Aber die Mehrzahl der Kranken 
geht zugrunde. In letzter Zeit ist ein Verfahren, das sich am Tiere 
sehr bewährt hat, statt großer, ganz kleine Stücke zu implantieren 
(Christiani), vielfach zur Anwendung gekommen. 

Goebel (Breslau). 

Payr bemerkt, daß er ja selbst schon sich mit aller Vorsicht 
über die praktische Bedeutung des Verfahrens geäußert habe. 

Die Verwendung ganz kleiner Gewebsstücke zur Transplantation 
halte er nach seinen zahlreichen Versuchen für weniger gut, da durch 
das Trauma des Zerschneidens, der Uberpflanzung immer ein Teil des 
zu transplantierenden, Gewebes zugrunde geht und das erhalten ge- 


bliebene im Verhältnis zur Größe des ganzen Stückchens gering ist. 
'Selbstbericht.) 


44) Noetzel (Frankfurt a. M.). Experimentelle Unter- 
suchungen über die Infektion und die Bakterienresorption 
in der Pleurahöhle. 


Die praktische Erfahrung, daß auch nach aseptischen Operationen 
in der Pleurahöhle infolge der unvermeidbaren Unvollkommenheiten 


— 80 — 


der Asepsis meist Eiterung eintritt, hat zu der Anschauung geführt, 
daß die Pleurahöhle im Gegensatz zur Peritonealhöhle eine außer- 
ordentlich geringe Widerstandskraft gegen Bakterien besitzt. Dem- 
gegenüber hat Redner durch Tierexperimente nachgewiesen, daß die 
natürliche Resistenz der normalen Pleurahöhle eine sehr große und der- 
jenigen von Haut- und Muskelwunden überlegen ist. So z. B. ver- 
trägt die Pleurahöhle desKaninchens anstandslos !/, ccm und bei großen 
Kaninchen 1 ccm einer Bouillonkultur von Staphylokokken, von welcher 
0,3 ccm bei intravenöser Impfung die Tiere tötet und von welcher 
bei der intrapleuralen Impfung die minimalen an der Impf- 
kanüle haftenden Mengen noch Abszesse in der Thoraxmuskulatur 
machen. Diese natürliche Restistenz, welche derjenigen der Peri- 
tonealhöhle analog, wenn auch wohl quantitativ geringer ist, wird aber 
vollkommen gebrochen, wenn durch Eröffnung der Pleurahöhle ein 
Pneumothorax zustande kommt, wie es bei den intrapleuralen Opera- 
tionen ohne Anwendung der Sauerb ruch’schen Kammer oder des 
Brauer’schen Überdruckverfahrens der Fall ist. Die Versuchstiere, 
bei welchen ein Pneumothorax gemacht wurde, erkrankten nach 
Impfung derselben und auch noch kleinerer Staphylokokkendosen regel- 
mäßig an schwerer fibrinös-eitriger Pleuritis. 

Redner prüfte ferner die Schnelligkeit der Bakterienresorption aus 
der Pleurahöhle und fand, daß, ebenso wie früher von ihm für die 
Peritonealhöhle nachgewiesen wurde, auch von der Pleurahöhle eine 
sofortige Resorption der Bakterien stattfindet, so daß 5 Minuten nach 
der intrapleuralen Impfung die Bakterien (Pyocyaneus) bereits im Blut 
und in den inneren Organen durch das Schimmelbusch’sche Ver- 
fahren nachgewiesen werden können. Diese Resorption ist aber ebenso- 
wenig wie in der Peritonealhöhle die Ursache der Resistenz, sondern 
die Bakterienvernichtung erfolgt in der Pleurahöhle selbst. Diese 
reagiert auf die Infektion zunächst mit einem leukocytenhaltigen Exsu- 
dat, welches dann in der Folge wieder verschwindet. Man kann diese 
Vorgänge in allen Stadien an den getöteten und sezierten Tieren be- 
obachten. (Selbstbericht..) 
45) Goebell (Kiel). Über Herzschußverletzungen. 

G. stellt einen 23jährigen Kellner vor, bei welchem er am 
21. Juni 1905 eine Stunde nach einem Tentamen suicidii mit 7 mm- 
Revolver wegen Herz- und Lungenschusses zu operieren durch bedroh- 
liche Symptome veranlaßt war. 

Vortr. machte einen Wehr-Pagenstecher’schen Lappen, fand 
den Lungenzipfel durchschossen und nähte die Lungenwunde Aus 
der Schußwunde des Herzbeutels floß reichlich Blut in die Pleura- 
höhle. Nach breiter Eröffnung des Perikards fand sich ein Streif- 
schuß des linken Ventrikels, Einschuß fast 2 cm lang, Ausschuß etwa 
3 cm nach hinten ebenso lang, mäßige Blutung (100 cem Blut im 
Herzbeutel). Naht der Einschußwunde mit vier J odcatgutknopfnähten, 
der Ausschußwunde mit fünf. Danach blutete es noch im Strahl aus 


— 81 — 


dem hinteren Wundwinkel der vorderen Wunde; durch eine fünfte 
schräge, tiefgreifende Naht stand die Blutung. Naht des Perikards 
und der Pleura. Naht des zurückgeklappten Türflügellappens. 

Nur je ein dünnes Drain blieb 12 Stunden in der Perikard- und 
in der Pleurawunde. Nach 24 Stunden wurde der Pneumothorax mit 
Potain’schem Apparat entleert. Heilung ohne Komplikation. — Pat. 
ist jetzt vollkommen arbeitsfihig. Das Herz ist völlig gesund. 

Vortr. bespricht die diagnostischen Schwierigkeiten bei gleich- 
zeitiger Lungen- und Herzverletzung. Er empfiehlt, bei Schußverlet- 
zungen dieser Art nur, wenn die Erscheinungen bedrohlich sind, zu- 
nächst durch den Explorativschnitt sich zu vergewissern, ob das Herz 
verletzt ist oder nicht. Ist das Herz getroffen, so muß es so frei- 
gelegt werden, daß man zur Herzwunde guten Zugang hat. Dabei 
kann man je nach Lage des Einschusses und der Richtung des Schuß- 
kanales den Explorativschnitt benutzen. Es ist nicht zu empfehlen, 
sich auf eine bestimmte Methode festzulegen. (Selbstbericht.) 


46) Wendel (Magdeburg). Zur Chirurgie des Herzens. 

Nachdem die auf rund 100 Fille angewachsene Kasuistik mit 
Naht behandelter Falle von Herzverletzung eine Heilungsziffer von 
44% ergeben hat, kann die prinzipielle Berechtigung, jeden Fall von 
Herzverletzung operativ zu behandeln, nicht mehr bestritten werden. 
Uber die Technik der Operation, vor allem über die Methode der 
Freilegung des Herzens gehen aber die Ansichten noch erheblich aus- 
einander. Verf. hat in einem Falle von perforierender Stichverletzung 
des linken Ventrikels bei einem 19jährigen Knechte mit Erfolg die 
Herznaht ausgeführt, und zwar, soweit aus den früheren Publikationen 
ersichtlich, zum erstenmal nicht in dem Öperationssaale mit seinen 
günstigen Verbältnissen, sondern auf dem Lande, am Orte der Ver- 
letzung, in der Gesindestube eines hessischen Bauerngutes, bei äußerst 
primitiver künstlicher Beleuchtung (Laterne) und mit sehr beschränkter 
Assistenz. Die Operation wurde 5 Stunden nach der Verletzung aus- 
geführt. Während 4 Stunden war ununterbrochen von dem erst kon- 
sultierten Arzte mit dem durch die erweiterte Stichwunde eingeführten 
Finger komprimiert worden. Die Pleura war nicht verletzt. Infolge 
der vorhandenen, im vierten linken Interkostalraum gelegenen, er- 
weiterten Wunde war eine der angegebenen Lappenmethoden für die 
Freilegung des Herzens nicht anwendbar. Vielmehr wurde die vor- 
handene Wunde präparando noch mehr erweitert, und als die Herz- 
verletzung sichergestellt war, ein atypischer Lappen mit unterer Basis 
gebildet. 

Der glatte Verlauf des Falles ist nicht zum wenigsten auf die 
fehlenden Komplikationen seitens Pleura und Lunge zurückzuführen. 
Wenn daher überhaupt eine typische Operationsmethode für die Frei- 
legung des Herzens empfohlen werden soll, so darf sie nicht trans- 
pleural, sondern muß extrapleural sein, und zwar auch für diejenigen 

Chirurgen-Kongreß 1906. 6 


un BI — 


Fälle, bei denen die Pleura verletzt ist. Denn fast die Hälfte der 
Fälle ist an septischen Prozessen gestorben, die von der verletzten 
oder eröffneten Pleura auf den Herzbeutel iibergriffen. Es ist daher 
vorzuziehen, bei vorhandener Pleuraverletzung nach extrapleuraler 
Freilegung des Herzens die Pleurawunde ebenso wie die Herzbeutel- 
wunde zu nähen und beim Auftreten eines Pleuraempyems dieses, wie 
sonst üblich, durch Rippenresektion an tiefster Stelle, hinten, zu er- 
öffnen. Nach Besprechung der in der Literatur vorhandenen Opera- 
tionsmethoden empfiehlt daher Verf. die Methode von Kocher unter 
der Voraussetzung, daß überhaupt ein schematisches Vorgehen am 
Platze ist. (Selbstbericht.) 


47) C.Sultan (Leipzig). Über Herzverletzungen und Herznaht. 

Vorstellung eines geheilten Pat., bei dem 5 Tage nach einer 
Stichverletzung der Brust Zeichen von Hämoperikard, Kollaps, ver- 
breiterte Herzdämpfung, leiße Töne auftraten. Der im übrigen ganz 
zugenähte Herzbeutel wurde durch ein dünnes Drain drainiert. Pleura 
nicht drainiert. 

Ein zweiter, von S. operierter Pat. ist 48 Stunden später gestorben, 
und zwar an einer Nachblutung aus der verletzten, aber zunächst 
thrombosierten Art. mammaria interna. Der genähte Herzstich saß 
hier auch wie im ersten Fall im linken Ventrikel, außerdem wurde 
aber hier bei der Autopsie ein zweiter, in den rechten Ventrikel führender 
und durch einen parietalen Thrombus verschlossener Stich gefunden. 

Demonstration des zu dem letzten Falle gehörenden Herzpräparates. 
Außerdem eines Photogrammes von einem Herzen, in dessen linken 
Ventrikel eine Nähnadel eingedrungen und eingeheilt ist (Leipziger 
pathol. Institut). Ferner wird ein Präparat demonstriert, das einem 
ö3jährigen Mann entstammt, der eine Etage hoch: herabgesprungen 
ist und schwere Verletzungen erlitt, denen er 5 Tage später erlag. 
Man sieht einen langen Riß im Herzbeutel, das Herz ist völlig in 
die linke Pleurahöhle herausluxiert. (Leipziger pathol. Institut.) 

S. hält die extrapleuralen Operationsmethoden für nur recht selten 
anwendbar. Meist ist die Pleura mit verletzt. Sodann läßt sich häufig 
die Diagnose einer Herzverletzung gar nicht bestimmt stellen, man 
muß sich bei Beginn der Operation mit der Feststellung einer intra- 
thorakalen Blutung begnügen. Oft wird die Situation so dringend 
sein, daß man sich auf eine sorgfältige, methodische Schonung der 
Pleura im Interesse der gebotenen Schnelligkeit des Vorgehens nicht 
wird einlassen dürfen. (Selbstbericht.) 

Diskussion. 

Brackel (Libau) berichtet über einen Fall von Granatsplitter- 
verletzung der Herzgegend, welcher zu eitriger Herzbeutelentzündung 
führte. Der Granatsplitter wurde nebst Kleiderfetzen aus dem Herz- 
beutel entfernt und auf die Stelle der Herzspitze, an welcher sich ein 
kleiner Muskelriß befand ein Tampon gelegt. Der Mann erlag nach 
14 Tagen einer Pneumonie. 


— 83 — 


‘Borchardt (Berlin) stellt einen Knaben vor, bei welchem er vor 
einigen Jahren die Naht einer penetrierenden Herzwunde ausgeführt 
hatte. Herhold (Altona). 


Jaffe (Posen): Redner schließt sich Herrn Sultan an, insofern 
auch er während der Versorgung einer Herzstichverletzung die Be- 
obachtung gemacht hat, daß bei Gelegenheit der Eröffnung des Peri- 
kardialsackes und bei Gelegenheit der Naht noch große Blutverluste 
eintreten können, so daß die bisher leidliche Herztätigkeit versagt. 
In solchem kritischen Momente nutzt nach der Erfahrung des Redners, 
solange das Herz, überhaupt noch lebensfähig ist, folgendes Mittel: 
Man füllt mittels einer Pravaz’schen Spritze nach der schnell an- 
gelegten Naht den linken Ventrikel mit physiologischer Kochsalzlösung: 
das nicht mehr schlagende Herz fängt sofort wieder zu schlagen an. 

| (Selbstbericht.) 


v. Zawadzki (Warschau): Ein junger Mann von 19 Jahren 
bekam vor kurzem aus unmittelbarer Nähe auf einer der Straßen 
Warschaus zwei Revolverschüsse. Einen in den linken Vorderarm, 
einen zweiten in den vierten Interkostalraum, zwischen der linken 
Parasternal- und der linken Mammillarlinie. Keine Ausgangsöffnung. 

Einige Minuten nach der Verletzung sah ich den Kranken, er 
befand sich wohl, nur war seine Gesichtsfarbe etwas blaß, aber der 
Puls regelmäßig. Nach dem übligen Verbande habe ich Überführung 
des Kranken nach dem Warschauer Praga-Hospital angeordnet, was 
erst nach Ablauf von 2 Stunden ausgeführt werden konnte. Bei der 
Aufnahme ist der Kranke etwas blaß, Puls regelmäßig, aber be- 
schleunigt (120 pro Minute). Bei der Durchleuchtung bemerkte ich 
auf dem Schirme ganz deutlich einen Schatten in der Herzgegend, der 
den Durchmesser einer gewöhnlichen Revolverkugel übertraf. 

In den Nachtstunden und im Laufe der folgenden Tage befand 
sich der Kranke recht wohl, kein Bluterguß in das Perikard und in 
die Pleurahöhlen, keine Hämoptoe; trotz des Verbotes spazierte der 
Verletzte im Krankensaal herum. 

Nach 14 Tagen machte ich zwei Röntgenaufnahmen, die eine in 
der Brustlage, die andere in der Rückenlage. 

Auf der ersteren sehen wir zwei kleine, dicht nebeneinander 
liegende Projektile, auf der zweiten ebenfalls zwei Projektile, aber 
viel größere. Da die Entfernung der Röhre von der Platte in den 
beiden Aufnahmen 45 cm betrug, so glaube ich nicht irre zu gehen, 
daß die Kugel näher der Brustfläche zu liegen kam. 

Angesichts nur einer Einschußöffnung ist es doch merkwürdig, 
daß wir an den beiden Röntgenplatten zwei Projektile menu 
finden. 

Da es unmöglich ist, anzunehmen, daß in unserem Falle zwei 
Kugeln durch eine einzige Hautöffnung in die Tiefe drangen, so 
glauben wir annehmen zu dürfen, daß wir es mit einer Längs- oder 
Querspaltung der Kugel zu tun haben. Da die Offnung recht klein 

gi 


ey. N, „es 


ist, die Ränder derselben glatt und die beiden Kugelhälften dicht 
nebeneinander liegen, so folgern wir daraus, daß die Zweiteilung der 
Kugel erst innerhalb des Körpers erfolgt ist. Ein Fehler bei der 
Herstellung der Kugel mag hier die Ursache abgegeben haben. 

Bei der Röntgenaufnahme habe ich an der verletzten Stelle auf 
der Brust ein kleines Stück Draht angelegt, in der Mitte dieses 
Drahtes liegt die Einschußöffnung. Bei der Durchleuchtung sah ich, daß 
die Kugelbewegung nicht vom Herzen, sondern vom Atmen: abhängt. 
Auf dem Schirm ist es deutlich bei der Atmung wahrzunehmen, daß 
die obigen zwei Kugelhälften sich immer zwischen drei Rippen bewegen, 
ohne ihre wechselseitige Lage zu ändern. (Selbstbericht.) 


48) Kölliker (Leipzig) und Glücksmann (Berlin). Ösophago- 
skopische Bilder. 


Die Demonstration erstreckt sich auf eine Anzahl farbiger Dia- 
positive, welche das Gebiet der Speiseröhrenerkrankungen, gesehen 
durch das G.’sche Osophagoskop, darstellen, und zwar wurden vorgeführt: 
die normale Speiseröhre, Veränderung der Lumenweite derselben im 
Sinne der Dilatationen und Verengerungen aus verschiedenen Ursachen, 
traumatische Vorgänge in Form von Narben und Fremdkörpern, die 
Infektionskrankheiten der Speiseröhre (Diphtherie, Herpes), sowie eine 
etwas größere Reihe der verschiedenen Manifestationen des Karzinoms 
in seinem ersten wandständigen und seinem zweiten zirkulären Stadium. 
Die Bilder sind sämtlich durch das Instrument nach der Natur ge- 
zeichnet. Der Vortr. (G.) schließt mit dem Hinweis auf die praktische 
ösophagoskopische Demonstration, welche die beiden Vortr. gemein- 
schaftlich während der folgenden Kongreßtage abzuhalten beabsichtigen. 
Bei diesen praktischen Demonstrationen zeigte K. einen von ihm 
neu angegebenen doppelten ösophagoskopischen Tubus mit besonderer 
Einführvorrichtung, G. einen besonders für Auswärtsuntersuchungen 
geeigneten leichten (3 Pfund) und billigen (27 Mk.) Akkumulator 


für Licht und Kaustik, erhältlich bei G. Härtel (Berlin/Breslau). 
(Selbstbericht.) 





49) Kölliker (Leipzig). Ösophagoskopische Demonstrationen. 


K. nahm am 5., 6. und 7. April in der Klinik des Herrn 
Dr. Glücksmann ösophagoskopische Demonstrationen mit 
seinem QOsophagoskop vor. Sein ösophagoskopischer Tubus ist ein 
Doppelrohr; im inneren Rohre befindet sich ein Bougie mit oliven- 
förmigem Knopfe, das je nach der Stärke entweder im Tubus festsitzt 
oder beliebig weit vorgeschoben werden kann. Bei Einführung des 
Ösophagoskops wird das Bougie erst fest, sobald der Tubus den Ring- 
knorpel passiert hat, der zweite röhrenförmige Mandrin dagegen erst, 
wenn der Tubus ganz eingeführt ist. Die Vorteile dieses Ösophago- 
skops sind: | 


ur BR Zum 


1) Das Abbrechen oder die Ablösung des Nelaton’schen Bougies, 
wie es sich am Rosenheim’schen Tubus befindet, ist vermieden. 
Außerdem erschweren die weichen Mandrins häufig die Einführung 
des Ösophagoskops, indem sie sich seitlich umlegen. 

2) Nach Passieren des Ringknorpels geschieht die weitere Ein- 
führung des Rohres unter Beleuchtung mit dem Uasper’schen Pan- 
elektroskop. Der Mikulicz’sche Trichter kann sowohl auf den inneren, 
als auf den äußeren Tubus aufgesetzt werden. Beim Starck’schen 
Tubus kann die Einführung auch unter Beleuchtung geschehen, aber 
der abgestumpfte Mandrin des K.’schen Tubus schützt die Schleim- 
haut der Speiseröhre vor Verletzungen und gleitet leicht vorwärts. 

3) Ist das Ösophagoskop zu stark, dann kann auch das innere, 
dünnere, Rohr allein als Tubus benutzt werden. 

4) Vor dem Gottstein’schen Osophagoskop mit Hohlobturator 
und Gleitsonde hat das Instrument den Vorzug, daß es unter Beleuch- 
tung eingeführt wird, und daß der innere Tubus als ösophagoskopische 
Röhre Verwendung finden kann. (Selbstbericht.) 


Bauchhöhle und Bauchorgane. 


50) Dreesmann (Koln). Zur Tampondrainage der Bauch- 
hohle. 

Mit Rücksicht auf die verschiedenen Nachteile der bisherigen 
Methode der Drainage in der Bauchhöhle empfiehlt D. die Anwendung 
von Glasröhren von 1—4 cm Durchmesser und 5—20 cm Länge, die 
unten geschlossen sind und seitliche Öffnungen nicht über 0,2 cm 
Durchmesser haben. Die tamponierende resp. aufsaugende Gaze kommt 
in das Glasrohr und kann nach Bedürfnis mehrmals am Tage ohne 
Schwierigkeit und ohne die geringsten Beschwerden für den Pat. ge- 
wechselt werden. Außerhalb der Glasröhren kommt keine Gaze in 
die Bauchhöhle, abgesehen von Fällen, in denen eine stärkere Nach- 
blutung zu befürchten ist. Bewährt hat sich die Methode in den 
letzten 3 Jahref, in denen sie konsequent durchgeführt wurde, beson- 
ders bei perityphlitischen Abszessen, Abszessen im Douglas, nach 
Cholecystektomie und Choledochotomie, Resektion des Magens und 
des Kolon. In seltenen Fällen (3—4mal unter vielleicht 200 Fällen) 
drängte sich, wenn die Öffnungen im Rohr zu groß sind oder die 
Gaze dasselbe nicht genügend ausfüllt, Netz oder Granulationen durch 
die Offnungen in das Rohr; durch rotierende Bewegung läßt es sich 
ohne größere Schwierigkeit entfernen, im Notfall nach galvanokausti- 
scher Entfernung der Granulationen bei künstlicher Beleuchtung. 
Darmnekrose tritt nach den bisher gemachten Erfahrungen, die auch 
von anderer Seite bestätigt wurden, nicht ein. Das Glasrohr muß 


lediglich an die äußere Bauchhaut angenäht werden. 
(Selbstbericht.) 





— 6 — 


51) Sprengel (Braunschweig). Zur Technik der operativen 
Behandlung der Schenkelhernien. 


Vortr. will gegenüber den bisher bekannten Methoden einen prin- 
zipiell neuen Weg in der Behandlung gewisser Schenkelhernien der 
Frauen einschlagen, nämlich den operativen Verschluß der inneren 
Mündung des Schenkelkanals von der Bauchhöhle aus. Die Operation 
setzt sich aus folgenden Akten zusammen: 

1) In flacher Beckenhochlagerung Freilegung des Bruchsackes 
durch Längsschnitt, Eröffnung und Revision desselben, sowie Befreiung 
verlöteter Kontenta. 

2) Laparotomie transrektal, der Bruchseite entsprechend. Ab- 
dämmung der Baucheingeweide außer den Organen des kleinen 
Beckens. 

3) Einführen einer Mikulicz-Zange durch den Schenkelkanal 
in den Bruchsack und Invagination desselben in die Bauchhöhle. 

4) Feste Zusammenrollung des Bruchsackes und Vernähung vor 
dem Ostium internum unter Heranziehen und Mitvernähen des in un- 
mittelbarer Nähe zum Leistenkanal ziehenden Lig. rotundum uteri. 

5) Verschluß der Bauchwunde und des Längsschnittes über dem 
Schenkelkanal. 

In fünf Fällen, von denen der älteste revidierte etwa 10 Monate 
zurückliegt, wurde ein tadelloses Resultat erzielt. 

In dem einen derselben handelte es sich um doppelseitigen 
Schenkelbruch bei gleichzeitigem beginnenden Prolaps des Uterus. 
Der Uterus konnte durch das geschilderte Verfahren vorzüglich ge- 
hoben werden. 

Die Methode findet nach S. nicht bei kleinen, frischen Brüchen, 
sondern bei alten Brüchen von großem Umfang und namentlich in 
rezidivierenden Fällen ihre Anwendung. Sie ist wahrscheinlich leichter 
und weniger gefährlich als die prothetischen Methoden und die kom- 
plizierten Plastiken. (Selbstbericht.) 





52) E. Graser (Erlangen). Zur Technik der Radikaloperation 
großer Nabel- und Bauchwandhernien. Fascienquerschnitt 
nach Pfannenstiel-Menge. 


Das Problem eines guten Dauerverschlusses bei großen Hernien 
ist ein sehr schwieriges; auch nach sorgfältig ausgeführter, gut ge- 
lungener Operation folgt nicht selten früher oder später ein Rezidiv. 
Je größer der Bruch, um so geringer die Chancen einer Dauerheilung. 
Busse berechnete aus der v. Eiselsberg’schen Klinik in Königs- 
berg 1901 noch 43% Rezidive; bei großen Brüchen sind die Aus- 
sichten auf Dauerheilung noch schlechter. 

Auch die überaus zahlreichen Vorschläge immer neuer Methoden 
und Modifikationen sprechen für die Unsicherheit der bisher geübten 
Verfahren. 





— 87 — 


Mit den Resultaten unserer Bauchnähte nach Laparotomien bei 
Verwendung der Naht in Schichten mit exakter Vereinigung der 
vorderen fibrösen Scheiden können wir heute zufrieden sein. Bei 
Nabelbrüchen liegen die 
Verhältnisse meistens un- Fig. 1. 
günstiger wegen der oft vor- — 
handenen großen Spannung 
der Bauchwand, besonders 
bei fettreichen Pat. und na- 
mentlich wegen des der Nar- 
be gefährdenden Zuges der 
seitlichen Bauchmuskulatur. 

Einen wesentlichenFort- 
schritt bedeutete die 1893 
durch Gersuny eingeführte 
Freilegung und Vernä- 
hung der Musculi recti; 
sie ist aber oft recht schwie- 
rig und die Spannung bei 
großen Brüchen sehr hinder- 
lich. 

Die günstigen Resultate, 
welche Pfannenstiel in 
bezug auf die Vermeidung 
von Bauchnarbenbriichen mit 


seinemsuprasymphysären F 
| TREE N EEE 


Fascienquerschnitt er- 

‘elt 1 q Pf Freilegung des Bruchringes und der vorderen 
zieito, egten annen- Bauchaponeurose. Andeutung des Fascienquer- 
stiel selbst schon frühzeitig schnittes. 


die Verwendung dieser Me- 

thode zur Beseitigung der Diastasen der Mm. recti nahe. Dieser 
Anregung folgend, hat Menge einige Fälle im Sinne Pfannenstiel’s 
operiert (Zentralblatt für Gynäkologie 1903). Er empfahl am Schluß 
dieser Mitteilung eine Modifikation dahingehend, daß das Vorderblatt 
der Rectusscheiden prinzipiell vor jeder Verletzung zu sichern sei, und 
riet daher, die hintere Rectusscheide einzuschneiden, um die Auslösung 
und Vernähung der geraden Bauchmuskeln möglichst hoch nach oben 
und unten ausführen zu können. 

G. vollführte nun vier derartige Operationen bei sehr umfang- 
reichen Nabel- und Bauchbrüchen und kann die Methode angelegent- 
lich empfehlen. 

Der Eingriff ist ein sehr großer, die Operationen dauerten bis zu 
3 Stunden; es entstehen enorm große Wundflächen, die zahlreichen 
versenkten Nähte bei den meist sehr fettreichen Bauchdecken sind 
eine strenge Probe auf die Aseptik; aber der Verlauf und Erfolg 
war bei allen vier Fällen ein über Erwarten ausgezeichneter. 

Der Hautschnitt wird quer über die größte Höhe der Bauch- 








— — 


geschwulst gelegt; die Länge des Querschnittes betrug zwischen 35 und 


50 cm. 
Fig. 2. 


ote pall ee Fina Ai As Daga oe 





Erweiterte Linea alba mit Andeutung der Spaltung der hinteren Rectusscheide. 
Verhältnis unterhalb der Linea semicircularis Douglasi. 


Fig. 3. Fig. 4. 





3) 


Aushülsung der geraden Bauchmuskeln und Vereinigung der Mm. recti in der Mittellinie. 
vertikale Peritonealnaht. 


Der Bruchsack wird bald eröffnet, die Eingeweide von Verwach- 
sungen befreit, Netz zum Teil reseziert, die verdünnten Teile des 


— 89 — 


Bruchsackes bis zum Bruchring abgetragen. Nun ist eine Trennung 
der Rectusscheiden in ein vorderes und hinteres Blatt un- 
bedingt nötig; da eine solche Trennung im Bereiche des narbigen 
Bruchringes kaum oder doch nur sehr schwer durchzuführen ist, wird 
die vordere Rectusscheide (Vorderfascie) in querer Richtung 
bis an den äußeren Rand des oft recht weit seitlich verlagerten Mus- 
culus rectus beiderseits gespalten und nun die ganze vordere Apo- 
neurosenplatte in einem zusammenhängenden Lappen ab- 
gehoben. Wo eine Trennung nicht möglich ist, muß man entlang 
dem inneren Rande des Rectus die Kommissur der Rectus- 
scheiden spalten; dabei soll man ängstlich darauf achten, daß das 
vordere Blatt nicht ver- 

letzt wird und die Trennung Fig. 5. 

‘mehr in den hinteren Schich- 
ten der Rectusscheiden erfolgt; 
oben und unten, wo die Mus- 
culi recti sich wieder in der 
Mittellinie einander nähern, 
jedoch ohne sich zu berühren, 
macht man rechts und links 
in die hintere Rectus- 
scheide einen Längsschnitt 
neben der Linea alba, so daß 
das Fasergewebe dieser Linea 
alba, als straffe, binde- 
gewebige Platte mit dem 
vorderen Lappen in Zusam- 
menhang bleibt. 

Nach Trennung dieser 
Lappen vollführt man vorsich- 
tig möglichst stumpf mit dem 
Finger oder der Kocher- 
schen Kropfsonde die Aus- 
hülsung der geraden Mus- 
keln. Bei den Inskriptionen Querer Verschluß der vorderen fibrösen Scheide 
muß man mit der Schere nach- (vordere Bauchfascie;. 
helfen. Die Auslösung muß 
sehr sorgfältig sowohl von den vorderen, wie den hinteren fibrösen 
Scheiden erfolgen, ohne Zerreißung der Muskelfasern, mit Erhaltung 
der Nerven. Es ist oft sehr mühsam, gelingt aber bei zielbewußtem 
schonendem Vorgehen, wie die Erfahrung bei den operierten schwierigen 
Fällen gezeigt hat. Erst wenn die Auslösung völlig beendet ist, kann 
man an den Nahtverschluß des Bauchfelles am besten zusammen 
mit der hinteren Rectusscheide herangehen. Meist sind wegen der 
Spannung Knopfnähte nötig. Die Vereinigung kann schon wegen der 
Längsschnitte oben und unten nur in vertikaler Linie geschehen, event. 
kann man rechts und links seitlich einige Quernähte zur Verkleinerung 
der Spalte hinzufügen. 





ee 


aan G0 


“33 Jetzt folgt gleichfalls in vertikaler Richtung die Vereinigung 
der geraden Bauchmuskeln mit Knopfnähten, von denen einige 
weitergreifen, andere darüber gelegte die Ränder etwas übereinander 
schlagen. Wenn die Muskeln gut isoliert sind, geht dies meist ohne 
besondere Spannung, die Muskelfasern vertragen auch eine solche sehr 
schlecht, zumal sie meist atrophisch sind. Man ist aber eigentlich 
mehr darüber erstaunt, wie gut und massig die Muskelbäuche erhalten 
geblieben sind. 

Jetzt werden die Ränder der vorderen Aponeurose (Vorder- 
fascie) geglättet und mit einer recht soliden Reihe von Knopfnähten 
(Jodseide oder Catgut) ganz exakt vereinigt. Wenn man Überschuß 
hat, kann man ein Blatt unter das andere hereinschlagen und so ver- 
doppeln, wie es Mayo gelehrt hat. 


Fig. 6a. Vor der Operation. 








Von der Haut samt Fettgewebe kann man gewöhnlich noch ein 
handbreites Stück in glattem Schnitt abtragen, worauf gleichfalls eine 
Quernaht mit einigen versenkten Nähten durch das Fettgewebe ange- 
legt wird. 

Die Befürchtung, es möchte die vordere Fascie zum Teil 
nekrotisch werden, ist durch die Erfahrung widerlegt; auch die 
Sorge, es möchten die zurückbleibenden Weichteile nicht zur Be- 


—— 


deckung ausreichen, scheint nach dem Erfolg: in diesen besonders 
schwierigen Fällen grundlos zu sein. Es wäre ja ganz unmöglich, die 
Ränder des Bruchringes unter Mitfassen des Musculi recti zusammen- 
zuziehen; es ist aber etwas ganz anderes, wenn die durch chroni- 
nische Entzündung verdickten Fascien und Aponeurosen- 
blätter wieder entfaltet sind. 

Auf sorgfältigste Blutstillung wurde besonders geachtet. Ein 
Glasdrain wurde nur einmal seitlich durch eine Lücke der vorderen 
Bauchfascie eingeführt; die Wundhöhle ist aber so vielbuchtig, daß 
man von einem Drain nicht viel erwarten kann. Stets wurde ein 
breiter Sandsack aufgelegt. 


Fig. 6b. 1 Jahr nach der Operation. 





Bei den umfangreichen Eventrationen wurde eine bis zu 4 Wochen 
dauernde Vorbereitungskur, bestehend in Bettlage, schmaler fliissiger 
Kost, taglichem Purgieren, Kompression mit schweren Schrotbeuteln 
und täglichen Repositionsversuchen, vorausgeschickt, jede Spur von 
Bronchitis beseitigt, Digitalis gegeben. 

Bis zum Eintreten der ersten Stuhlentleerung war der Zustand 
der Pat. ein recht ernster; nach der Stuhlentleerung waren alle Be- 


— 92 — 


schwerden und Sorgen verschwunden. Der Heilungsverlauf der Wunden 
war stets ein ungestörter. 

Der schlimmste Fall ist nun schon seit Jahresfrist in tadellosem 
Zustande geblieben; nach dem Befunde bei der letzten Untersuchung 
erscheint ein Rezidiv fast ausgeschlossen. Bei Anspannung der Bauch- 
presse entsteht eine kranzförmige Einziehung durch die Recti und die 
Quernarbe. 

Die Operation ist deswegen besonders zu empfehlen, weil sie an- 
nähernd normale anatomische Verhältnisse wieder herstellt. 

(Selbstbericht.) 


Diskussion. 


Kausch (Berlin) hat in zwei Fällen Silberdrahtnetz eingelegt und 
Rezidive bekommen. Das starre Netz war später einfach zerrissen. 
In diesem Falle hat K. den Rectus freigelegt, oben und unten längs 
vereinigt und in der Hüfte in Sternform durch Kreuznaht (Bronze) 
zusammengezogen. 


Seefisch (Berlin) rät, um den Meteorismus nach der Operation 
zu vermeiden, wenige Stunden nachher Physostigmin zu geben. 


Heller (Stettin) bemerkt, daß man die Recti durch um sie ge- 
legte Silberdrahtfäden heranziehen kann, empfiehlt ebenfalls Physo- 
stigmin. 

Sprengel (Braunschweig) hat den fibrösen Ring dubliert; des- 
halb soll man kein fibröses Gewebe opfern. 


Wullstein (Halle a. S.) hat (in Leichenexperimenten) den unteren 
Teil des Pectoralis major heruntergeschlagen, es aber wegen der Schä- 
digung der Innervation am Lebenden nicht versucht. 

Er hat — umgekehrt, wie bei der Operation der Syndaktylie — 
die eine Aponeurose vorn, die andere hinten durchtrennt und die 
Blätter dann nach hinten, resp. vorn, umgeschlagen und vernäht. 
Dann gingen die Recti sehr gut zusammen. 


Graser warnt vor der Naht mit Spannung durch die Recti. 
Die Naht, die um die Recti herumgeschlagen wird, ist unbedingt zu 
verwerfen. Herr Kausch wird sicher ein Rezidiv erleben. Ebenso 
verwirft G. alle Muskelplastiken, die nichts wert sind. 

Goebel (Breslau). 


53) Krönlein (Zürich). Die operative Behandlung des Magen- 
geschwürs. 


Auf Grund der Ergebnisse untenstehender Tabellen faßt Redner 
seinen Vortrag folgendermaßen zusammen: 

1) Es ist festgestellt, daß durch die interne Therapie das 
Magengeschwür in einer beträchtlichen Anzahl von Fällen nicht 
zur Heilung gebracht werden kann, und daß die unmittelbaren günsti- 
gen Erfolge später häufig durch Wiederauftreten der Krankheitssym- 


— 3— 


ptome oder ernste Folgezustände des Magengeschwürs getrübt werden. 
Diese Mißerfolge dürften sich bei genauer Berücksichtigung der 
Spiitresultate auf ca. 1/, der behandelten Fälle belaufen und mit einer 
Mortalität von ca: 10—13 % einhergehen. 

2) Es ist ferner festgestellt, daß viele der bei interner Therapie 
ungeheilt gebliebenen Kranken nachträglich durch eine operative 
Behandlung geheilt oder wenigstens erheblich gebessert werden. 

3) Die unmittelbaren Operationsverluste bei der chirurgi- 
schen Behandlung des Magengeschwürs sind in den letzten Jahren 
gegen früher ganz bedeutend geringer geworden und dürften gegen- 
wartig, je nach der Wahl der einzuschlagenden Operationsmethode und 
je nach der Umschreibung der Indikation, ca. 8—10% betragen. 

4) Die Spätresultate bei den nach der Operation Entlassenen 
sind höchst erfreuliche; vollständige Genesung wird in 61%, er- 
hebliche Besserung in 24 %, im ganzen also in 85% ein sicherer 
positiver Erfolg auf Jahre hinaus konstatiert. Dabei sind die 
Spätverluste sehr gering und wesentlich nur bedingt durch das immer- 
hin seltene Auftreten eines Ulcus-Karzinoms (3 %). 

5) Die Heilung des Magengeschwiirs bei operativer Behandlung 
bezieht sich einerseits auf die Vernarbung des offenen Ulcus, 
andererseits auf die Wiederherstellung normaler Funktionen 
des Magens in motorischer und sekretorischer Hinsicht. 

6) Aus den Untersuchungen von Dr. Kreuzer (chirurgische Klinik 
Zürich) ergibt sich in letzteren Beziehungen folgendes: 

a. Eine vor der Operation vorhandene Dilatation des Magens 
geht fast immer bis zur annähernd normalen Größe des Organes zurück, 
um so langsamer, je hochgradiger die Dilatation war. — Bleibt eine 
ausgesprochene Dilatation bestehen, so läßt das ÖOperationsresultat 
überhaupt zu wünschen übrig. 

b. Die vor der Operation gestörte sekretorische Funktion des 
Magens zeigt in der Mehrzahl der operierten Fälle nach einiger Zeit 
wieder normales Verhalten. 

c. Die gesteigerte Azidität sinkt in allen Fällen, oftmals bis 
zur Norm, in nicht wenigen Fällen unter dieselbe, um dann aber nach- 
träglich wieder zur Norm zurückzukehren. 

d. War die Azidität vor der Operation normal, so sinkt sie 
nach derselben unter die Norm, um sich später zur Norm zu erheben. 

e. War die Azidität vor der Operation vermindert, so wird 
sie nach der Operation normal oder wenig gesteigert; seltener bleibt 
sie gleich oder nimmt einen noch niedrigeren Wert an. 

f. Freie Salzsäure ist in der größten Zahl der Fälle auch nach 
der Operation vorhanden, meistens in geringerer Menge als vor der 
Operation; in einer kleinen Zahl fehlt sie in der ersten Zeit nach der 
Operation, um sich später wieder einzustellen. 

g. In den Fällen, in denen vor der Operation keine Salzsäure 
vorhanden war, ist letztere nach der Operation meistens wieder nach- 
weisbar; seltener fehlt sie auch jetzt. Subnormale Azidität und 


— 04. — 


Fehlen freier Salzsäure brauchen keine subjektiven Beschwerden 
zu involvieren und können auch nicht als Nachteile der Operation be- 
zeichnet werden, da dieser Mangel nur die Folge des durch die Ope- 
ration geförderten und beschleunigten Abflusses des Mageninhaltes nach 
dem Darm ist. 

h. Der häufig auftretende Rückfluß der Galle in den Magen 
hat keine ausgesprochenen Beschwerden zur Folge und scheint nach 
längerer Zeit zu verschwinden. 

i. Der Rückfluß von Pankreasaft in den Magen ist relativ 
selten nachweisbar. 


Wahl der Operationsmethode. 


7) Bei der” operativen Behandlung des Magengeschwürs handelt 
es sich nicht sowohl um die Elimination des Geschwürs mittels des 
Messers als vielmehr um die Herstellung günstiger Bedingungen 
für eine rasche Vernarbung des Geschwürs und normale 
Funktion des Magens. 


8) Diese Bedingungen werden dadurch erfüllt, daß die Auf- 
stauung und häufig auch die Zersetzung des Mageninhalts 
verhindert wird. 


9) Dieser Indikation genügt aber keine Operation so vollkommen 
und in einer heutzutage so wenig gefahrvollen Weise wie die Gastro- 
enterostomie, zumal die Gastroenterostomia posterior retrocolica nach 
v. Hacker. 


10) Die Gastroenterostomie ist daher bei der operativen 
Behandlung des Magengeschwürs als das Normalverfahren zu be- 
zeichnen. Die mit dieser Operation erzielten Erfolge sind um so glän- 
zender, je mehr die oben genannten Störungen der Magenfunktionen 
(Aufstauung und Zersetzung des Mageninhaltes, motorische Insuffizienz, 
Gastrektasie) das Krankheitsbild des Magengeschwürs komplizieren, 
also namentlich bei ausgesprochenen Stenosen des Pylorus, ausge- 
dehnten schwieligen Verwachsungen des Magens mit Nachbar- 
organen, z. B. der Leber, dem Pankreas usw. 


11) Aber auch bei anderen Komplikationen hat sich die 
Gastroenterostomie in vielen Fällen als wirksam erwiesen, so bei 
der Ulcusblutung und speziell bei dem sog. kallösen Magen- 
geschwür. 

12) Die Exzision des Magengeschwürs soll nur ganz — 
weise ausgeführt werden. Schon der Umstand, daß das Magengeschwür 
häufig multipel auftritt, daß ferner die topische Diagnose selbst 
bei freigelegtem Magen oft ganz unmöglich ist, und endlich, daß die 
Operation der Exzision auf unüberwindliche Schwierigkeiten 
stoßen kann, sollte von diesem Verfahren abmahnen. Zudem genügt 
die Operation der Indicatio causalis viel weniger als die Gastroentero- 
stomie und müßte eigentlich, um einigermaßen als rationell gelten 
zu können, stets mit dieser letzteren Operation kombiniert werden. 


— 95 — 


13) Die Pyloroplastik und die Gastrolyse haben keine Exi- 
stenzberechtigung mehr. 

14) Die Resektion des Pylorus bei Pylorusstenose und Pylorus- 
ulcus kann dann gerechtfertigt sein, wenn die Induration, der kallöse 
Tumor, den Verdacht auf Karzinom aufkommen läßt. Sonst tritt 
auch hier die Gastroenterostomie in ihr Recht. 


Indikationen zum operativen Eingriff. 


15) Der von v. Mikulicz schon im Jahre 1897 aufgestellte all- 
gemeine Satz gilt auch noch heute und lautet: 

Die chirurgische Behandlung des Magengeschwürs ist dann ins 
Auge zu fassen, »wenn eine konsequente, eventuell wiederholte kur- 
mäßige innere Behandlung keinen oder nur kurzdauernden Erfolg gibt 
und der Kranke somit durch schwere Störungen: Schmerzen, Erbrechen, 
Dyspepsie, in der Arbeitsfähigkeit oder dem Lebensgenusse schwer 
beeinträchtigt ist. Die äußeren Lebensverhältnisse des Kranken können 
hier unter Umständen mitbestimmen «. 

Wir reihen diesem allgemeinen Satze noch folgende enger ge- 
faBte an: 

16) Jede sicher nachgewiesene Stenose des Pylorus, gleich- 
gültig, ob erheblichen oder leichteren Grades, fällt der operativen 
Behandlung anheim. 

17) Bei funktioneller, motorischer Insuffizienz erheb- 
lichen Grades (atonischer Gastrektasie, Gastrektasie und 
Gastroptose) kann ein operativer Eingriff (Gastroenterostomie) in 
Frage kommen, wenn die interne Therapie einen nennenswerten Erfolg 
nicht erzielt hat, und die soziale Stellung des Kranken eine Besserung 
seines Zustandes dringend verlangt. 

18) Das Auftreten kleinerer, aber öfter rezidivierender 
Blutungen im Verlaufe des Magengeschwürs verstärkt die sub 15) 
formulierte allgemeine Indikation und verlangt die Gastroentero- 
stomie. Eine andere Operationsmethode ist zu verwerfen. 

19) Bei lebensgefährlichen, foudroyanten Blutungen 
erscheint das Risiko des Zuwartens und der Verschiebung der 
Operation bis zu dem Momente, wo der Kranke sich wieder etwas von 
dem Blutverlust erholt hat, geringer als dasjenige des sofortigen ope- 
rativen Einschreitens. Kommt es aber zur Operation, so wird auch 
hier in den meisten Fällen die Gastroenterostomie dem Versuche 
direkter Blutstillung vorzuziehen sein. 

20) Die in neuester Zeit von einigen chirurgischen Seiten gefor- 
derte Frühoperation des einfachen Magengeschwürs entbehrt 
einer ernsten Begründung. 


A. Interne Ulcusbehandlung. 


1) Statistik von J. C. Warren in Boston (1899). 


187 Falle im ganzen resp. 125 Fille, bei welchen die Dauererfolge durch 
spätere Nachforschungen festgestellt werden konnten. 


— 


Dauererfolge. 


—————————— ——— 


| Fate | % | 


Vollständige Heil 43. saa! bleibende Erfol 
ollständige Heilung | | eibende Erfolge Ins 











Rezidive | 54 a2 temporäre Erfolge 
Übergang des Ulcus in Karzinom 3 24 | 
Pylorusstenose mit Dilatation 13 10,4 | 
Tod infolge von Perforation | 6 4,8 Unbedingte Mißerfolge 22,4% 
Tod infolge von Blutung 6 | 4,8, 
125 


2) Statistik von J. Schulz in Breslau (1903). 
291 Fälle im ganzen, resp. 157 Fälle, bei welchen die Dauererfolge durch 
spätere Nachforschungen festgestellt werden konnten. 
I. Unmittelbare Resultate bei der Entlassung. 
a. bei den 291 Fällen. 


pS — — 


| Fälle | 23 | 





| f 
Geheilt 165 | 56,7 \ Erfreuliche Erfolge 89% 
Gebessert | 9 | 323 |f 
Nicht gebessert | 15 51 
Gestorben | 16 | ve MiGerfolge 11% 
291 


b. bei den 157 Fallen. 


| Fille | % | 








Geheilt 97 


; | 
| 61,8 : |Erfreuliche Erfolge 96,8 % 
Gebessert 55 35,0 


Nicht gebessert 5 3,2 MiBerfolge 3,2% 


— — 


157 


II. Dauererfolge 
(nach 6 Monaten bis zu 24 Jahren). 


rn 


| Fälle | % 
— — — — 
Völlig gesund 84 | 53,5 \ 
Nachhalt te E 
Mit geringen Beschwerden 87 | 23,5 J Ree eg a 
Mit erheblichen Beschwerden 24 15,2 
Gestorben (an Komplikationen MiBerfolge 23% 
des Ulcus) | 12 ; | 


157 





za G gen 
B. Operative Ulcusbehandlung (Chirurgische Klinik Zürich). 


I. Unmittelbare Operationsresultate 


bei 101 Fällen von 112 Operationen des Zeitraumes 1887—1906 (Anfang März), 
> 8 > > 96 > > > 1887—1904 (Ende). 


1887—1906 1887—1904 


Ge- 
heilt 











Ge- 
storben 











Falle: 





Ulcus und Ulcusstenosen 65 11 
Gastrektasie 1 2 1 
Gastrektasie und Gastroptose 1 2 1 
Gastritis haemorrhagica — 2 — 
Ulcus pepticum in jejuno — 1 — 

|101 | 87 | 14 | 85 | 72 | 13 


Mortalität: 13,8% Mortalität: 15,3% 


Funktionelles Resultat 
bei der Entlassung der 72 Fälle des Zeitraumes 1887—1904: 





Fälle x% 
Geheilt 65 | 76,5 Erfreuliche 
Gebessert 7 8,2 || Erfolge 84,7% 


Gestorben | 13 | 15,8 | Mißerfolge 


1887—1906 1887—1904 








Ge- | Ge- , Ge- | Ge- 
heilt |storben Fälle | heilt |storben 
Operationen: 
Resectio pylori 4 3 1 4 3 1 
Gastroenterostomie 89 79 10 14 65 9 
Pyloroplastik 1 1 — 1 1 
Gastrolyse 2 1 1 2 1 1 
Gastrotomie 4 4 — 4 4 — 
Exzision und Naht des Ulcus 2 2 — 1 1 — 
Enteroanastomose 4 4 — 4 4 — 
Cholecystotomie 1 1 — 1 1 — 
Probelaparotomie 5 3 2 5 3 2 
12 | 98 | 14 || 96 | 83 | 13 


Mortalität: 125% Mortalität: 13,5% 
Chirurgen-Kongreß 1906. 7 


— 98 — 


IL Dauererfolge 


(nach wenigstens 6 Monaten bis auf viele Jahre hinaus) bei 73 Operierten des 
Zeitraumes 1887—1904. 










Gestorben 
Kompli- 
Ge- | Un- |? Unbekannt 
Operation Anzahl/Geheilt bessert! geheilt — geblieben 






Resectio pylori 














Gastroenterostomie 6 
Pyloroplastik — 
Probelaparotomie — 
Gastrotomie — 
Exzision und Naht des Ulcus — — — — 
Iajalıe|s| 2| 5 
| | 57%| 22%| u| 3% | 7% 
Se E —— 
79% Erfolge 14% Mißerfolge 
Funktionelle Dauerresultate 
bei 67 Fällen, in welchen die Nachforschung erfolgreich war 
Fälle | x | 
i Nachhaltige 
Geheilt 41 61 51 — 85% 
Ungeheilt 8 12 ‘6 ii 
Gestorben an Komplika- ee 
des Ulcus Karzinom) 2 | 3 oz Mißerfolge 
En 
(Selbstbericht.) 
Diskussion. 


L. v. Rydygier (Lemberg) stellt die vor 25 Jahren wegen eines 
Magengeschwüres gastrektomierte Pat. vor und tritt nochmals für die 
Resektion beim Ulcus in geeigneten Fällen mit allem Nachdruck 
ein, und zwar aus folgenden Gründen: Kein operatives Verfahren 
kann mit absoluter Sicherheit eine Radikalheilung des Ulcus garan- 
tieren; kennen wir ja bis jetzt leider nicht einmal die letzte und wahre 
Ursache seiner Entstehung, und nur durch ihre Entfernung könnten 
wir auf einen sicheren Dauererfolg rechnen. Jedenfalls hat aber die- 
jenige Operation mehr Aussicht auf einen sicheren vollständigen und 
radikalen Erfolg, welche Verhältnisse schafft, die den normalen am 
nächsten kommen — und das ist unzweifelhaft die Resektion: Die 
Gastroenterostomie schafft nur günstigere Abflußbedingungen aus dem 
Magen. Die Resektion leistet dasselbe plus Eliminierung des Ulcus. 


— 99 — 


Auch in dem Falle, wo mehrere Geschwüre gleichzeitig im Magen 
vorhanden sind, wird durch die Resektion wenigstens dasjenige ent- 
fernt, welches die größten Veränderungen in der Magenwand hervor- 
gerufen hat (kallöse Ulcusränder. Die Resektion des Geschwüres 
schafft überdies bessere, den normalen ähnlichere Abflußverhältnisse, 
wie die Gastroenterostomie, da nach der Resektion der Mageninhalt 
sich an der normalen Stelle mit dem Pankreassaft und der Galle 
mischt, und so wenigstens eine Entstehungsursache des Ulcus pep- 
ticum vermieden wird. 

Daß die Resektion der kallösen Ränder die Heilung des Ulcus 
beschleunigt und sichert, wird niemand im Ernste bestreiten. Zwar 
wissen wir, daß solche kallösen Geschwüre nach der Gastroenterostomie 
auch ohne Exzision ihrer Ränder heilen können, aber ebensogut lehrt 
uns die Erfahrung, daß sie trotz der Gastroenterostomie vor ihrer 
Ausheilung den Tod herbeiführen können: Ali Krogius verlor inner- 
halb 15 Monate vier Pat. nach dieser Operation (zwei an Verblutung, 
zwei an Perforation) infolge des mit Absicht zurückgelassenen Ge- 
schwüres. 

Auch das spätere Befinden der Pat. läßt nach der Gastroentero- 
stomie nicht selten viel zu wünschen übrig: infolge der nicht gelösten 
Verwachsungen des Geschwüres mit dem Pankreas usw. entstehen 
Schmerzen und andere Beschwerden. Clairmont veröffentlicht aus 
der v. Eiselsberg’schen Praxis die Resultate nach 33 Gastroentero- 
stomien: 8 sind unmittelbar nach der Operation gestorben; von den 
25 Überlebenden sind 9 nach längerer Zeit gesund befunden, 8 nicht 
geheilt; 6 sind noch im weiteren Verlaufe verstorben, 2 verschollen. 
Also von 33 Gastroenterostomierten sind im Verlaufe von 2—5!/, Jahren 
nur 9 Geheilte geblieben! 

Die bisherigen Statistiken geben für gewöhnlich kein genaues Bild 
von den wirklichen Erfolgen nach der Gastroenterostomie, da alle Fälle, 
die einige Zeit nach der Operation sterben, und wo die Sektion ein 
Karzinom nachweist, einfach eliminiert werden, weil ein Irrtum in der 
Diagnose während der Operation angenommen wird und sie den wegen 
Karzinom Operierten zugezählt werden; obschon es sich nicht leugnen 
läßt, daß das Karzinom sich nach der Gastroenterostomie auf dem 
Boden des Ulcus entwickelt haben kann. Auf diese Weise verschwin- 
den diese Fälle ganz aus den Zusammenstellungen über die Erfolge 
der Gastroenterostomie beim Ulcus, anstatt sie doppelt zu belasten 
einmal, indem sie überhaupt nicht zur Heilung führten, und zweitens, 
indem sie zur Entstehung eines Ulcus-Karzinoms Vorschub geleistet 
haben. 

Die Häufigkeit der Entstehung des Ulcus-Karzinoms ist bis jetzt 
überhaupt noch nicht mit Bestimmtheit bekannt: einige nehmen 5%, 
andere 30% an. Mir scheint, die höheren Zahlen kommen der Wirk- 
lichkeit näher. Jedenfalls werden wir zur Entfernung des Magenkarzi- 
noms in seinen allerersten Anfängen — gleichsam in statu nascendi — 
nur dann kommen, und damit auch endlich bessere Dauererfolge nach 


7” 


— 100 — 


dieser Operation erreichen, wenn wir häufiger die Resektion beim 
Magengeschwür ausführen. Wenn man jetzt allgemein zugibt, daß in 
den Fällen, wo Verdacht auf Entstehung von Karzinom im Ulcus vor- 
liegt, eine Indikation zur Resektion vorliegt, so hat man zwar den 
richtigen Weg betreten, aber man ist in der ersten Hälfte stehen 
geblieben. Wir wissen ja, wie schwer es ist, zu sagen, wann der 
Krebs angefangen hat, sich im Magengeschwür zu entwickeln — das 
zeigt uns so deutlich die schöne Arbeit R. Jedlicka’s. 

Der Grund, warum die meisten Chirurgen bis jetzt so ungern 
sich zur Magenresektion beim Ulcus entschließen, ist in der herrschen- 
den Überzeugung von der großen unmittelbaren Gefahr dieser Opera- 
tion zu suchen; trotzdem z. B. R. Jedlicka nur 3% Mortalität nach 
der Resektion beim Uleus in der Ma ydl’schen Klinik aufgewiesen 
hat. Es läßt sich zwar nicht leugnen, daß die Resektion eine tech- 
nisch schwierigere Operation ist wie die Gastroenterostomie und auch 
— wenigstens bis jetzt — eine etwas gefährlichere, aber jedenfalls 
nicht in dem Grade, wie es allgemein angenommen wird; denn die 
Sterblichkeit nach der Resektion beim Ulcus ist entschieden viel ge- 
ringer, als die nach der beim Karzinom, und die letztere schwebt den 
meisten vor. 

Für die etwas größere unmittelbare Gefahr nach der Operation 
entschädigt uns reichlich der viel bessere spätere Erfolg und die Aus- 
sicht einer wirklichen Dauerheilung, wie das so deutlich die vorgestellte 
Pat. beweist, welche jetzt, 25 Jahre nach der Resektion, vollständig 
gesund ist. (Selbstbericht.) 


Kocher (Bern) befürwortet die Gastroenterostomia anterior, da die 
Operation die besten Resultate gebe, welche sich am schnellsten aus- 
fiihren lasse. 


Kausch (Schöneberg) versucht erst die Pyloroplastik und macht 
erst dann die Gastroenterostomie, wenn jene nicht ausführbar ist. 
Herhold (Altona). 


Kelling (Dresden) hat 74 Fälle von chronischem Magengeschwür 
operiert mit drei Todesfällen. Er bevorzugt die hintere Gastroentero- 
stomie mit Enteroanastomose. Drei Viertel der Fälle werden durch 
diese Operation dauernd geheilt. In einem Teile der Fälle kommt es 
zu Rezidiven, event. auch mit erheblichen Blutungen, welche aber bei 
den Operierten unzweifelhaft leichter ausheilen, als vorher. Die Ur- 
sache für das Magengeschwür sieht K. bei den Männern in Arterio- 
sklerose, bei Frauen in nervösen Gefäßkrämpfen, die meistens von den 
Genitalien aus reflektorisch ausgelöst werden. Wenn die Geschwüre 
nicht spontan heilen, so sind hauptsächlich folgende Ursachen dafür 
verantwortlich: ungünstiger Sitz des Geschwürs am Pylorus, un- 
günstiger Geschwürsboden (Leber oder Pankreas), starke Gastroptose 
und konstitutionelle Ursachen (Anämie und Neurasthenie). Die ersten 
drei Kategorien können durch die Operation günstig beeinflußt werden. 

(Selbstbericht.) 


— 101 —— 


Kümmell (Hamburg)' weist auf die Wichtigkeit der frühzeitigen 
kräftigen Ernährung der Kranken hin. Er bezeichnet die Gastro- 
enterostomie als das Normalverfahren; es ergab ihm 20% Heilungsfälle. 

Heidenhain (Worms) rät zu sorgfältiger längerer Beobachtung 
des Stuhles auf Blut. 

Körte (Berlin) bespricht die von ihm wegen perforierten Magen- 
geschwürs operierten Fälle; die Prognose ist hierbei nur günstig, 
wenn die Operation innerhalb der ersten 24 Stunden nach der Perfora- 
tion ausgeführt werden kann. Herhold (Altona!. 

Katzenstein (Berlin): Für die Frage der Indikationsstellung 
der Gastroenterostomie beim Ulcus ventriculi ist bisher der Einfluß, 
den diese Operation auf die chemischen Vorgänge im Magen hat, 
unterschätzt worden. Allerdings sind von mehreren Forschern, auch 
von Herrn Krönlein, bei gastroenterostomierten Menschen durch 
Verabreichung von Probemahlzeiten nach dieser Richtung hin Unter- 
suchungen angestellt worden. Diese können uns aber keinen genauen 
Aufschluß für die vorliegende Frage geben, da sie uns nur zu einer 
bestimmten Zeit die chemischen Vorgänge anzeigen. K. hat daher, 
um eine exakte Vorstellung dieser Vorgänge zu erhalten, bei Hunden 
Magenfisteln angelegt und an diesen die Veränderungen des Magen- 
mechanismus vor und nach der Gastroenterostomie studiert. Nach 
den verschiedensten Arten der Gastroenterostomie (ant., poster., mit 
und ohne Knopf) fließt regelmäßig Dünndarminhalt in den Magen ein, 
und zwar periodenweise, bestimmten Phasen der Verdauung sich an- 
passend. Die Folge dieses Eindringens alkalischen Darmsaftes in den 
mit saurem Inhalt gefüllten Magen ist eine Herabsetzung bzw. ein 
Verschwinden der Azidität, ein Vorgang, der jedoch nicht nur die 
Folge dieser chemischen Umsetzung ist, sondern vor allem auch durch 
nervös reflektorische Vorgänge bedingt wird. 

Da das eiweißverdauende Ferment des Magens, das Pepsin, nur 
in saurer Reaktion wirksam ist, so ist die erste Folge der Gastro- 
enterostomie die mangelhafte Eiweißverdauung, die zeitweise durch 
das Trypsin des Pankreassaftes übernommen wird. Zweitens konnte 
ich im Magen nach Gastroenterostomie einen neuen Vorgang nach- 
weisen, nämlich eine beträchtliche Fettverdauung, bedingt durch die 
Fett emulgierende Eigenschaft der Galle und das im Pankreassaft 
vorhandene Fettferment. 

Es verhält sich demnach der Magen nach Gastroenterostomie 
bezüglich seiner Verdauungskraft einzelner Speisen umgekehrt wie der 
normale Magen: für diesen gelten übermäßig fette Speisen als schwer, 
da sie im Magen eine Veränderung nicht erleiden. Der Magen nach 
Gastroenterostomie verdaut reichlich Fett, und ich konnte meinen 
Kranken nach Gastroenterostomie z. B. Mayonnaise in einer Menge 
geben, wie sie der normale Mensch nicht vertragen kann. Dagegen 
sind übermäßig viel Eiweißstoffe, die im normalen Magen verdaut 
werden und daher als leicht gelten, schwer verdaulich für den Magen 
mit Gastroenterostomie. 


— 10 — 


Wir können aus diesen Versuchen für die vorliegende Frage der 
Wirkung der Gastroenterostomie auf das Ulcus ventriculi folgende 
Schlüsse ziehen: 

1) Die Gastroenterostomie bringt das Ulcus nicht, wie man bisher 
annahm, durch eine raschere Entleerung des Magens zur Heilung, da 
ich nachweisen konnte, daß die Ingesta genau so lange im Magen mit 
Gastroenterostomie als im normalen bleiben. Vielmehr sind es schwer- 
wiegende chemische Veränderungen, vor allem die Herabsetzung bzw. 
das Verschwinden der vorher überreichlich vorhandenen Salzsäure, die 
das Ulcus zur Heilung bringen. Mit der Anwendung der Gastro- 
enterostomie bei Ulcus ventriculi treiben wir mithin durch- 
aus eine kausale Therapie. 

2) Bezüglich der Nachbehandlung empfehle ich auf Grund dieser 
experimentellen und einiger klinischen Erfahrungen eine wesentliche 
Bevorzugung der Fettkost (vom ersten Tage ab Sahne, dann Butter, 
Speck usw... Denn hierdurch wird die im Magen vorhandene Galle 
und der Pankreassaft gebunden, das postoperative Erbrechen vermieden, 
und die Kranken erholen sich infolge der ausgiebigen Zerlegung des 
Fettes im Magen und die rasche Assimilation sehr rasch. 

(Selbstbericht.) 

Hans Lorenz (Wien) präzisiert den Standpunkt der Wiener 
II. chirurgischen Universitätsklinik Hochenegg’s. 

Er hält die Exzision der Geschwüre sowohl in Form der segmen- 
tären als der zirkulären Resektion nur in Ausnahmsfällen für berechtigt, 
die segmentäre Resektion ohne gleichzeitige Anlegung einer Magen- 
Darmfistel sogar für unzulänglich. Bei der Resektion sei man nie 
sicher, ob man nicht noch ein versteckt liegendes Ulcus übersehe, 
man sei nicht sicher vor neuerlich auftretenden Geschwüren mit all 
ihren Folgen, während die Gastroenterostomie in der großen Mehrzahl 
der Fälle vollkommen ausreiche, die Geschwüre zur Ausheilung zu 
bringen. Dieser Standpunkt wurde von Hochenegg seit jeher ver- 
treten, und L., der sich vor fast 3 Jahren gegen die prinzipielle Re- 
sektion selbst bei kallösen penetrierenden Geschwüren, selbst dann, 
wenn sie während der Operation einreißen, gewendet hat, konstatiert 
mit Genugtuung den Umschwung, der seither zu gunsten der Gastro- 
enterostomie stattgefunden hat. Die Resultate, die von Hochenegg 
und an seiner Klinik mit der Gastroenterostomie erzielt wurden, sind 
vorzügliche gewesen; daß die Heilung beim Ulcus nicht bloß eine 
Heilung in klinischem, sondern auch eine solche in anatomischem 
Sinne war, dafür sprechen die Ergebnisse der von dem Operateur 
der Klinik, Herrn Fibich, vorgenommenen experimentellen Unter- 
suchungen. 

An der von L. vertretenen Klinik ist also die Operation der 
Wahl beim Ulcus die Gastroenterostomie. Es wird womöglich die 
Gastroenterostomia retrocolica posterior angelegt, mittels Naht, und 
zwar in der von Hochenegg seit mehr als 1'/, Dezennien geiibten 
und auf seine Veranlassung hin 1897 publizierten Weise, d. h. es wird 


— 103 — 


zur Anastomose das oberste Jejunum, die direkte Fortsetzung des 
Duodenum verwendet und in anisoperistaltischem Sinn an den Magen 
geheftet, so daß es nach der Operation gewissermaßen als Verlänge- 
rung der Pars horizontalis inferior duodeni in gleicher Richtung wie 
diese verläuft. Auf die Einhaltung dieser Vorschriften glaubt L. es 
zurückführen zu können, daß Circulus vitiosus und Ulcus pepticum 
jejuni die Fälle der Klinik Hochenegg verschont haben. 
(Selbstbericht.) 

Graser (Erlangen) zeigt: 1) ein Sektionspräparat von Ulcus 
pepticum jejuni mit Perforation und tödlicher Arrosionsblutung 
nach einer vor 4 Jahren mit Murphyknopf ausgefiihrten Gastrojejuno- 
stomia posterior. Die Anastomose war bis auf Bleistiftdicke zirkulär 
verengt. 

Er bespricht: 2) die Tatsache, daß die klinischen Erscheinungen 
einer Pylorusstenose oft auffallend gering sind; daß Retention 
und Erbrechen völlig fehlen können und nur Schmerzen bestehen 
unter Anführung eines besonders beweisenden, gut beobachteten und 
mit Erfolg operierten Falles. 

3) Die Operation mit Murphyknopf hat G. aufgegeben; die 
Zeitersparnis ist sehr gering; mehrmals sah er nachträgliche Ver- 
engerung der Anastomose; einmal schnitt der Kopf durch ohne eine 
Verklebung erzeugt zu haben (bei Ascites). 

4) G. bevorzugt die Gastrojejunostomia retrocolica poste- 
rior (v. Hacker) und glaubt, daß diese Methode auch in den 
Händen weniger geschulter Operateure der vorderen vorzuziehen ist, 
bei der doch leichter der Circulus vitiosus vorkommt. 

6) Bei gutartigen Stenosen hat G. prinzipiell immer die Y-Methode 
nach Roux ausgeführt, alle 17mal mit bestem Erfolg; bei guter 
Nahttechnik dauert sie kaum 1 Stunde; die Abflußbedingungen sind 
ausgezeichnet. 

6) Die Pyloroplastik hat G. verlassen, weil er mehrfach nach- 
träglich wegen erneuter Stenose noch einmal operieren mußte. 

7) bespricht er technische Neue- 
rungen bei der Magenduodenal- 
naht und der Gastrojejunostomie 
nach Billroth II (Einpflanzung des 
Magens in den Darm, nicht umgekehrt). 

8) erzählt er die Operationsgeschichte 
einer Gastroduodenostomie bei an- 
geborener Anomalie des Darmes. 
(Frei bewegliches Duodenum, Mesenteri- 
um commune von Diinndarm und Dick- 
darm bis zur Flexura lienalis). 





‘Selbstbericht.) 
Fibich (Wien) hat experimentelle Untersuchungen angestellt 
über die Einwirkung der Gastroenteroanastomose auf das 
Ulcus ventriculi. 


— 104 — 


Die Resultate derselben lauten: | 

1) Durch Unterbindung einiger Aste der Arteria coronaria 
ventriculi, dextra inferior, Exzision eines 1 cm großen Schleimhaut- 
stückes und Atzung der Ränder des Defektes mittels Salzsäure lassen 
sich beim Hunde lang andauernde, in der ersten Zeit fast jeder 
Heilungstendenz entbehrende Ulzerationen im Magen erzeugen, ent- 
gegen den einfachen Magenschleimhautdefekten, welche in der kürzesten 
Zeit (20 Stunden bis 2 Tage) zuheilen). 

2) Wird zugleich mit der Erzeugung eines solchen Ulcus eine 
Gastroenteroanostomose ausgeführt, so entsteht kein Ulcus und der 
Defekt verheilt wie eine einfache Schleimhautexzision. 

3) Wird zu einem schon einige Tage bestehenden Ulcus nach- 
träglich eine Gastroenteroanastomose zugefügt, so verliert dasselbe 
die Charaktere eines Ulcus und heilt in der kürzesten Zeit zu. 

4) Zu der Erklärung der Einwirkung der Gastroenteroanastomose 
auf ein Ulcus genügt nicht die Annahme eines raschen und steten 
Abflusses des Magensaftes, da experimentelle Gastrostomien, welche 
den Abfluß des Magensaftes durch ein Glasdrain ermöglichten ohne 
den Speisebrei durchzulassen, auf die Heilung der experimentellen 
Ulcera keinen Einfluß hatten. (Selbstbericht.) 


Clairmont (Wien) kann auf Grund des Materiales der v. Eisels- 
berg’schen Klinik die Ansicht Krönlein’s nicht teilen, daß die 
Spätresultate bei den wegen Ulcus ventriculi Operierten höchst erfreu- 
liche waren (Punkt 4 der Zusammenfassung). Die Gastroenterostomie 
kam in 91 Fällen zur Anwendung, also in ungefähr der gleichen Zahl 
von Fällen, wie in der Zusammenstellung Krönlein’s. 81 Fälle 
wurden geheilt, 10 erlagen der Operation (11% Mortalität). Betrachten 
wir das Fernresultat, so zeigt sich, daß nur in 58% der Fälle ein 
erfreuliches Resultat zu konstatieren war. Diese Zahl weicht von der 
Krönlein’s, welcher in 85% einen sicheren positiven Erfolg auf 
Jahre hinaus feststellen konnte, wesentlich ab. C. wendet sich gegen 
die Schlußfolgerung Rydygier’s, daß die Gastroenterostomie zugun- 
sten der Resektion zu verlassen sei. Die ungünstigen Resultate fordern 
vielmehr auf, nachzuforschen, warum der eine Fall durch die Gastro- 
enterostomie günstig, der andere nicht beeinflußt wurde. Es zeigt 
sich, daB diejenigen Pat., deren Ulcus am Pylorus gelegen war, durch 
die Gastroenterostomie geheilt oder gebessert, jene aber, bei welchen 
das Geschwür entfernt vom Pylorus, z.B. an der kleinen Kurvatur 
lag, nur in vereinzelten Fällen durch diese Operation beschwerdefrei 
wurden. 

In der v. Eiselsberg’schen Klinik wurde in letzter Zeit schon 
der Versuch gemacht, die Operationsmethode nach der Lage des Ulcus 
zu wählen. Daraus resultiert die Kombination der Gastroenterostomie 
mit der Jejunostomie, der segmentären oder zirkulären Resektion, der 
unilateralen Pylorusausschaltung nach v. Eiselsberg. Kausch’s 
Empfehlung der Gastroduodenostomie hält C. für verfehlt, weil sie 


— 105 —— 


nicht der Hyperazidität durch Einleitung des alkalischen Darmsaftes 
in den Magen entgegentritt. 

Die Gastrolyse und die plastischen Operationen am Magen sind 
zu verlassen. Ebenso hat die Jejunostomie allein keine guten Erfolge 
gezeitigt. Als einzige absolute Indikation zur Resektion des Ulcus 
muß nach den schlechten Resultaten, die mit konservativen Methoden 
erzielt wurden, die schwere unmittelbar lebensgefährliche Ulcusblutung 
gelten. C. möchte schließlich noch darauf aufmerksam machen, daß 
den Fällen von Perigastritis, wo ein Ulcus ventriculi oder eine Chole- 
cystitis nicht vorhanden ist, meist ein Ulcus duodeni zugrunde liegt. 
In der v. Eiselsberg’schen Klinik wurden unter 172 Geschwüren 
10 im Duodenum beobachtet. (Selbstbericht.) 


Braun (Göttingen) verwirft die Resektion bei Magengeschwür. 
Herhold (Altona). 


Noetzel (Frankfurt a. M.): Von 13 perforierten Magen- 
geschwüren wurden 7 durch Operation geheilt. 2 Fälle wurden 
innerhalb der ersten 4 Stunden operiert und zeigten noch keine 
Peritonitis; davon starb 1 an Kollaps. Die übrigen Fälle hatten 
bereits Peritonitis. Von diesen wurden operiert innerhalb der ersten 
10 Stunden 3 mit ebensoviel Heilungen, nach 24 Stunden 3 mit 
1 Heilung und 2 Todesfällen, nach 48 Stunden 2 mit ebensoviel 
Heilungen, nach 3 Tagen und darüber 3 mit ebensoviel Todesfällen. 

Die Behandlung bestand in Exzision des Geschwüres, drei- 
schichtiger Naht des Magens, auf welche ein Tampon gelegt wird, und 
gründlicher Ausspülung und Drainage der Bauchhöhle mittels zweier 
seitlicher Kontrainzisionen, auch wenn noch keine Peritonitis bestand. 

Von den geheilten Fällen wurden fünf nachuntersucht und 
beschwerdefrei befunden, davon zwei nach mehr als 21/, Jahren. 
Eine Pat. starb 3 Monate nach der erfolgreichen Operation an anderer 
Ursache und zeigte bei der Sektion eine ideale lineäre Narbe des 
Magens. (Selbstbericht.) 


Barth (Danzig) weist auf die Schwierigkeit der Diagnostik des 
Ulcus duodeni hin, welches wegen seiner schlechten Prognose dringend 
der chirurgischen Behandlung bedarf. Er selbst hat 5mal Gelegenheit 
gehabt, dabei einzugreifen. In einem Falle handelte es sich um eine 
Perforation in die freie Bauchhöhle, die sich klinisch in nichts von 
der Perforation des Ulcus ventriculi unterschied. In einem anderen 
Falle kam es zu einem lokalisierten Abszeß unter der Leber, der 
zweizeitig eröffnet und zur Heilung gebracht wurde. 3mal wurde 
wegen chronischer Beschwerden die Gastroenterostomie gemacht und 
Heilung erzielt. Sitzt das Geschwür in der Nähe des Pylorus, so 
können die nämlichen Erscheinungen bestehen wie beim Ulcus ventri- 
culi (Hyperazidität, Schmerzen, Erbrechen, wie B. in einem Falle fest- 
stellte, während in einem anderen nur Schmerzen in der Pylorusgegend 
vorhanden waren ohne objektiven Befund. Ebenso fehlten alle ob- 
jektiven Symptome in einem Falle von Ulcus im absteigenden Teile 


— 106 — 


des Duodenum, der sich durch zeitweise auftretende rasende Schmerzen 
rechts von der Wirbelsäule auszeichnete und einfach hierdurch der 
Diagnose getrotzt hatte, bis eine heftige Darmblutung Aufklärung 
brachte. Die Gastroenterostomie, in extremis ausgeführt, brachte 
Heilung und völlige Genesung, wie nach 1!/, Jahren festgestellt wurde. 
Da die Mehrzahl der Fälle von Ulcus duodeni an Verblutung oder 
Perforation zugrunde gehen, und da diese Ereignisse in etwa 2/, der 
Fälle ohne alle vorherigen Symptome eintreten (nach der Statistik von 
Perry und Shaw), so bleibt nichts übrig, als auch bei unsicherer 
Diagnose auf subjektive Beschwerden hin einzugreifen und event. die 
Gastroenterostomie zu machen, die nach den bisherigen Erfahrungen 
gute Resultate ergibt. (Selbstbericht.) 


Brodnitz (Frankfurt a. M.) demonstrierte vor 3 Jahren ein Prä- 
parat eines Ulcus pepticum, das sich an der 2 Jahre zuvor wegen 
Pylorusstenose ausgeführten vorderen Gastroenterostomieöffnung ent- 
wickelt hatte; nach der Resektion wurde Pat., um einem Rezidive 
vorzubeugen, andauernd unter Bismut gehalten; trotzdem 5 Monate 
später Rezidiv; wegen zunehmender Beschwerden Jejunostomie; trotz- 
dem keine merkliche Besserung. Hierbei zeigte es sich, daß bei 
Nahrungseinführung in die Fistel eine sehr starke Magensaftsekretion 
auftrat. Es ist also ein Irrtum, wenn man glaubt, durch die Jejuno- 
stomie die Magenfunktion ausschalten zu können. 

Die Ursache des Ulcus pepticum liegt sicherlich in einer uns 
bisher unbekannten individuellen Disposition. Wenn das Geschwür 
auch äußerst selten auftritt, so soll man doch an seine Möglichkeit 
denken und deshalb die vordere Gastroenterostomie bevorzugen. Die 
hintere schützt nicht vor dem Ulcus, die Gefahr der Perforations- 
peritonitis ist jedoch entschieden größer, als bei der vorderen, bei der 
es zu flächenhaften Verwachsungen mit den Bauchdecken kommt. 

(Selbstbericht.) 





54) Neugebauer (Mahrisch-Ostrau). Zur Diagnostik der 
Hirschsprung'’schen Krankheit. 


Im vergangenen Jahre hat N. zweimal Gelegenheit gehabt, diese 
Krankheit zu beobachten. Die anamnestischen Angaben und der 
Untersuchungsbefund ließen mit großer Wahrscheinlichkeit die Dia- 
gnose machen. Doch schien es erwünscht, ein Verfahren zu besitzen, 
welches imstande wäre, mit unumstößlicher Sicherheit diese seltene 
Krankheit zu erweisen. Die bisherigen Methoden, Aufblähung und 
Wismutfüllung, sind hier nicht gut anwendbar; erstere wegen des oft 
von Haus aus schon bedrohlichen Zwerchfellhochstandes, letztere wegen 
der enormen Ausdehnung und starken Kotfüllung des Darmes. 

Das Mittel, um die abnorme Ausdehnung der hauptsächlich in 
Betracht kommenden unteren Dickdarmteile sichtbar zu machen, ist 
ein höchst einfaches. Es wurde eine Metallspiralsonde nach Kuhn 
hoch in den Darm hinauf eingeführt, was in beiden Fällen sehr leicht 


— 107 — 


gelang, dann wurden die Kranken durchleuchtet und photographiert. 
Im Röntgenogramme sieht man in beiden Fällen mit ganz auffälliger 
Übereinstimmung die durch den Mastdarm aufgestiegene Sonde in 
einem großen Bogen die Nabelgegend nach rechts umgehen, bis ans 
Zwerchfell aufsteigen und dann nach links umbiegen. (Demonstration. 

Die Bilder lassen keinen Zweifel darüber, daß es sich in beiden 
Fällen um eine ungeheuer große Flexura sigmoidea und im Zusammen- 
halt mit dem übrigen Untersuchungsbefund um die Hirschsprung- 
sche Krankheit handelte. 

Der Wert dieser Untersuchungsmethode liegt auch darin, daß 
man sich in zweifelhaften Fällen sofort Gewißheit verschaffen kann; 
denn die Sonde wird mit dem Durchleuchtungsschirme sehr deutlich 
gesehen, und es bedarf keiner Photographie. Das negative Ergebnis 
einer solchen Untersuchung, bei welcher der Kuhn’schen Sonde der 
vielfach bezweifelte Weg durch die S-Schlinge ins Colon descendens 
und transversum bis zum Colon ascendens gelungen war, wird vor- 
‚gezeigt. 

Das 9monatige Kind starb an Darmkatarrh, das 11jährige wurde 
-operiert. In beiden Fällen war das S und das Colon transversum 
betroffen, im letzteren auch der Mastdarm. Ein Klappenverschluß 
‚konnte in keinem Falle nachgewiesen werden. Beim letzgenannten 
Kranken wurde der nicht erweiterte Anfangsteil des Colon transver- 
sum mit dem stark erweiterten Mastdarm knapp über dem Serosa- 
umschlage anastomosiert. Der Knabe, welcher bis zu seinem 11. Lebens- 
jahre fast nie von selbst Stuhl hatte, ist nun seit 6 Monaten völlig 
geheilt. Ein Ausdruck der Heilung ist auch die Wiederherstellung 
der Leberdämpfung, welche vor der Operation fehlte. (Demonstration.) 

Der volle Erfolg durch eine einfache, noch im Bereiche der 
..Erweiterung gelegene Anastomose spricht schon allein mit großer 
Wahrscheinlichkeit gegen die Anwesenheit eines Klappenverschlusses. 

(Selbstbericht.) 





55) P. Kraske (Freiburg i. B.). Uber die weitere Entwick- 
lung der Operation hochsitzender Mastdarmkrebse. 


Der Vortr. beschränkt sich auf eine Besprechung der kombinierten 
‘Operationen, die es ermöglichen, auch in den Fällen von Rektum- 
karzinom, die durch keine der gewöhnlichen Methoden zu operieren 
sind, den Tumor noch zu entfernen. In vereinzelten Fällen ist schon 
früher von verschiedenen Operateuren, die bei der Operation von 
unten auf unerwartete Schwierigkeiten stießen, die Laparotomie zu 
Hilfe genommen und dadurch die Exstirpation erst möglich gemacht 
worden. Diese »Notoperationen« ergaben sehr schlechte Resultate, 
und nach des Vortr. Ansicht können die Resultate auch nur besser 
werden, wenn die Laparotomie nicht mehr als letztes Mittel nach 
vorausgegangenen vergeblichen Exstirpationsversuchen vorgenommen 
wird, sondern wenn sie planmäßig ausgeführt und wenn mit ihr die 


— 108 — 


Operation begonnen wird: Die kombinierte Operation soll keine 
perineo- oder sacro-abdominale, sondern sie muß eine abdomino- 
sacrale oder -perineale sein. Vortr. hat die abdomino-sacrale Opera- 
tion in zehn Fallen gemacht, und zwar hat er dabei stets die Re- 
sektion des erkrankten Mastdarmteiles mit nachfolgender Naht und 
Wiederherstellung der Kontinuität des Darmes und der Erhaltung 
der Sphinkterfunktion ausgeführt. Das namentlich von Quénu aus- 
gebildete Verfahren der Totalexstirpation des ganzen Rektums mit 
Anlegung eines definitiven Anus iliacus verwirft er. Die Mortalität 
der bisher ausgeführten kombinierten Operationen ist noch ziemlich 
hoch; nur etwa die Hälfte der Kranken sind durchgebracht worden. 
Von des Vortr. eigenen zehn Kranken sind sechs gesund geworden. 
Die hohe Mortalität erklärt sich, wenn man bedenkt, daß es ausnahms- 
los die schwersten, sonst überhaupt nicht operablen Fälle waren, in 
denen die kombinierte Operation gemacht wurde. Die Erfolge wer- 
den sicher besser werden, wenn man die Operation nicht bloß auf die 
verzweifelten Fälle beschränkt und die Technik der Operation, die 
doch sicherlich große Vorzüge hat, noch weiter vervollkommnet. 
(Selbstbericht.) 
Diskussion. 

Kümmell (Hamburg) ist bei beweglichen, nicht zirkulären Karzi- 
nomen mit beweglichem Mastdarme für Sphinkterdehnung und Her- 
unterziehen der Geschwulst durch denselben. Sechs Fälle mit gutem 
Resultat: einer seit 10 Jahren geheilt, einer nach 8 Jahren an anderer 
Krankheit gestorben. Für höhere, weit ins Bindegewebe gehende Kar- 
zinome wird der parasakrale Schnitt, höchstens mit Steißbeinresektion, 
empfohlen. Bei höher liegenden Geschwülsten Bauchschnitt: Meso- 
rektum abbinden, aber nicht durchtrennen, Ablösen des Mesenterium, 
event. bis zum Anfangsteile des Colon transversum, Umschneiden des 
Bauchfelles und so weit wie möglich tiefes Hineinwühlen in das Becken- 
bindegewebe, dann entweder Trendelenburg’sches Verfahren (In- 
vagination), drei Fälle, oder Schluß der Laparotomiewunde, pararektaler 
Schnitt und Resektion der Geschwulst außerhalb der Wunde; 14 Fälle 
mit sechs Todesfällen. 


Kocher (Bern) glaubt, daß man sich vorher klar sein muß, wie 
man operieren soll, ob von oben oder von unten; und zwar soll man 
ersteres machen, wenn die Geschwulst im Bereiche des Bauchfelles 
liegt und man den Sphinkter schonen kann, aber dann nur von oben; 
ebenso bei tiefer liegendem Krebs nur von unten; die gefährlichen 
Methoden empfiehlt K. nur ganz ausnahmsweise. In einem Falle 
machte er bei sicherer Krebsdiagnose die Operation von unten und 
fand kein Karzinom, dann von oben und fand ein Karzinom des Colon 
pelvinum, das durch den Kot nach unten gedrängt gewesen war. In 
einem anderen Falle, der von gynäkologischer Seite an Ovarialkystom 
operiert war, war das Karzinom von unten nicht zu erreichen. K. 
machte von oben die Resektion mit Murphyknopf und führte, um Kot- 
stauung zu vermeiden, ein Drain durch die Knopföffnung. 


— 109 — 


Rehn (Frankfurt a. M.) hält die kombinierte Methode für sehr 
gefährlich; seine Resultate sind schlecht. Es handelt sich um Fragen 
der Technik. Man soll zwischen die Blätter des Mesorektum ein- 
gehen, wodurch man rasch bis zum Mastdarme kommt. Man soll 
rasch operieren, deshalb event. in zwei Zeiten, da dann die beiden 
Hauptgefahren vermieden werden: Kollaps und Darmgangrän. Näht 
man das proximale Darmende oben ein und wartet, bis sich die Ge- 
fäße erholt haben, so wird letztere vermieden. Eine Frau, die so 
operiert wurde (nach 8 Tagen zum zweiten Male), wurde gesund. 

Goebel (Breslau). 

Hans Lorenz (Wien) spricht an Stelle seines Chefs, Prof. 
Hochenegg, der in letzter Stunde in Wien zurückgehalten wurde. 

Die abdominalen bzw. kombinierten Methoden müßten als wesent- 
licher Fortschritt der Mastdarmchirurgie freudig begrüßt werden, 
1) wenn sie uns in die Lage setzen würden, Karzinome noch zu exstir- 
pieren, deren Sitz und Ausdehnung die Operation auf dorsalem Wege 
bereits verbietet, 2) wenn die Gefahr der Operation vom Bauche her, 
bzw. der kombinierten Operation geringer wäre als jene der Operation 
von rückwärts, 3) wenn die kombinierte Methode technisch leichter 
ausführbar wäre, als die rein dorsale Methode und 4) wenn die neueren 
Methoden wenigstens größere Radikalität und dadurch bessere Dauer- 
resultate verbürgen würden. 

Das alles haben die neueren Methoden bisher noch nicht erreicht, 
Ihre Gefahr ist noch immer beträchtlich größer, als jene der dorsalen 
Methode; schönere Dauerresultate, als die letztere uns beschieden hat, 
wurden bisher nicht erzielt, und technisch leichter ist die kombinierte 
Methode doch auch nicht. Namentlich beim Manne mit seinem engen 
Becken ist die Ablösung der tieferen Partien des Colon pelvicum vom 
Bauche her ein sehr schwieriger Akt; beim Weibe ist es freilich viel 
leichter, aber gerade bei diesem stößt wegen des weiteren Beckens 
auch die Auslösung selbst sehr hoch sitzender Karzinome von rück- 
wärts her meist auf keine übermäßigen Schwierigkeiten. 

Der abdominale Weg wurde von Hochenegg zum erstenmal 
1889 eingeschlagen (behufs Entfernung eines kongenitalen Sakral- 
tumors; vgl. Wiener klin. Wochenschrift 1839 Nr. 26 u. ff.). Seither 
hat Hochenegg ihn wiederholt betreten; er hat auf diesem Wege 
5 hochsitzende Mastdarmkarzinome exstirpiert (3 davon starben infolge 
der Operation, 1 später an der Grundkrankheit, 1 lebt rezidivfrei seit 
1%2), und auch L. hat ihn benutzt. Obwohl also an der Klinik 
Hochenegg dieser Weg kein ganz ungewohnter ist, so wird doch die 
Eröffnung des Bauches per laparotomiam beim Mastdarmkrebs nur 
als äußerster Notbehelf angesehen, z. B. in dem seltenen Falle, daß 
eine hoch oben am Mesosigma angelegte Ligatur reißt und durch 
Retraktion des Gefäßes eine von rückwärts her nicht mehr stillbare 
Blutung auftritt. Deshalb verfügt auch die Schule Hochenegg trotz 
ihrem großen Mastdarmmaterial nur über wenige abdominodorsale 
Operationen. 


— 10 — 


Solange die Resultate der abdominodorsalen Methode nicht weit 
bessere sein werden, wird die Klinik an dem skizzierten Standpunkte 
festhalten und als Normalverfahren auch für die hochsitzenden Krebse 
die dorsale Methode beibehalten, die Hochenegg und seinen Schülern 
bei keineswegs engherzig gezogenen Indikationsgrenzen sich aufs beste 
bewährt hat. Unter den 220 von Hochenegg selbst exstirpierten 
Mastdarmkarzinomen befinden sich sehr viel hochsitzende; dazu kämen 
dann noch die vielen von seinen Assistenten operierten Fälle, so daß 
die Klinik über Zahlen verfügt, die allein schon zum Mitreden in der 
zur Diskussion gestellten Frage berechtigen. 

Die abdominodorsale Methode dürfte erst dann bessere Resultate 
ergeben und erst dann häufiger indiziert sein, wenn wir erst einmal 
jene fatal situierten Krebse, denen man weder von oben her noch 
von rückwärts her allein operativ gut beikommt, häufiger als bisher 
in ihren Anfangsstadien zu sehen bekommen werden. Die Früh- 
diagnose dieser Krebse ist mittels der Rektoromanoskopie, die an der 
Klinik Hochenegg in ausgedehntestem Maße verwendet wird, möglich ; 
wir bekommen diese Fälle aber so gut wie niemals frühzeitig in die 
Hand; und das hängt in erster Linie davon ab, daß die kleinen, 
wandständigen Karzinome hoch oben im Mastdarm und im untersten 
S romanum lange Zeit so geringe Symptome machen, daß die Mehr- 
zahl der Kranken erst dann zum Arzt geht, wenn schon Stenosen- 
symptome aufgetreten sind. 

Mit dem Auftreten von Stenosensymptomen rücken aber diese 
Karzinome erfahrungsgemäß tiefer und damit in den Machtbereich der 
sakralen Methode. Um die Diagnose der hochsitzenden Karzinome 
frühzeitiger stellen zu können, muß somit erst das Publikum erzogen 
werden, auch geringen Mastdarmbeschwerden und namentlich dem 
geringsten Blutabgange weit größere Bedeutung beizumessen als bisher. 

(Selbstbericht.) 

Poppert (Gießen). Im Hinblick auf die größere Gefährlichkeit 
und die angeblich unbefriedigenden funktionellen Erfolge der Resektion 
mit Erhaltung des Sphinkters haben sich in letzter Zeit mehrfach Ope- 
rateure gegen die Resektion ausgesprochen (Schuchard, Wiesinger 
und Witzel); auch bei dem nach Qu&nu genannten Verfahren der sog. 
kombinierten Amputation wird ebenfalls auf die Erhaltung des Schließ- 
muskels grundsätzlich verzichtet. 

Vortr. zeigt an der Hand der in der Gießener Klinik gewonnenen 
Erfahrungen, daß dieser Standpunkt durchaus zu verwerfen ist. Wenn 
auch zugegeben ist, daß die Resektion mit nachfolgender Darmnaht 
im Durchschnitt eine größere Sterblichkeit aufweist wie die einfache 
Amputation mit Opferung des Sphinkters, so beweisen die Zahlen der 
Gießener Klinik, daß die Art der Darmversorgung, d.h. die Wahl der 
Amputation oder der Resektion, die Mortalität doch nicht in dem 
Grade beeinflußt, wie dies von vielen Seiten behauptet wird. So hat 
Vortr. bei 35 Amputationen 3 Todesfälle zu beklagen gehabt (je 
ein Fall an Herzschwäche, Pneumonie und Jodoformintoxikation), was 


— 111 — 


einer Mortalität von 8,6% entspricht; unter 28 Resektionen hat er 
aber nur einen Todesfall (an Herzschwäche) zu verzeichnen, was 3,6% 
Mortalität ergibt. 

Auch die Behauptung, daß der Versuch der Darmvereinigung 
gewöhnlich fehlschlage, ist nach den Erfahrungen des Vortr. nicht 
zutreffend: von 20 Resektionsfällen mit nachfolgender zirkulärer Naht 
heilten 10 per. prim., 6mal kam es zu einer vorübergehenden Kot- 
fistel, die sich spontan oder infolge einer Nachoperation wieder schloß, 
und in nur 4 Fällen wurden die Kranken mit einer kleinen Fistel 
entlassen. ° 

Vortr. glaubt daher die Vorschlige derjenigen Chirurgen, welche 
eine Verringerrung der Mortalität durch grundsätzliche Opferung des 
Schließmuskels erstreben, zurückweisen zu müssen, um so mehr, als 
weder die Drehung des Darms nach Gersuny, noch die Bildung 
eines Anus glutaealis nach Witzel einen einigermaßen befriedigenden 
Ersatz für die verlorengegangene Sphinkterwirkung zu bieten vermögen. 

(Selbstbericht.) 


Hackenbruch (Wiesbaden) empfiehlt die Entfernung des Mast- 
darmes unter Rückenmarksanästhesie (vier Fälle). 


Meyer (Brüssel): Die Hauptgefahr ist die lange Dauer. Depage 
nimmt eine Steißbeinresektion mit stumpfer Ablösung des oberen Teiles 
des Mastdarmes nach Bardenheuer vor und zieht den Stumpf ohne 
Naht durch. Dauer 1/, Stunde. Bei Bauchlagerung ist das Opera- 
tionsgebiet viel zugänglicher, besser zu sehen, die Blutung viel geringer, 
die Narkose gut. Diese Lage ist überhaupt bei allen Operationen an 
«en hinteren Körperteilen zu empfehlen. 


Küster (Marburg) spricht für zweizeitige Operation, für Resek- 
tion, wenn sie möglich ist; er hat die lumbale Anästhesie in einer 
ganzen Anzahl Fälle angewandt. 


Bardenheuer (Köln) hat mit der peritonealen Operation schlechte 
Resultate gehabt, aber nach der alten Methode 60—70 cm Darm unter 
stumpfer Ablösung fortgenommen. Es dauert nie länger als 1/, Stunde, 
meist kommt man in 1/, Stunde zum Ziele: Stumpfes Vorgehen, dop- 
peltes Unterbinden des Darmes, kein zu starkes Zerren; event. mobili- 
siert er bis zum Colon transversum. 


Braun (Göttingen) hat bei einem Karzinom des Colon pelvinum 
zuerst einen künstlichen After angelegt und dann Resektion mit 
Murphyknopf gemacht. 


Schlange (Hannover) hält die Fälle für sehr selten, wo man 
nicht entweder vom Bauch aus oder vom Kreuzbein her das Karzinom 
entfernen kann. Wo man dieses von unten fühlen kann, kann man 
sakral vorgehen. S. empfiehlt Kunstafter — nicht Kotfistel —, ziem- 
lich hoch oben über der Geschwulst. Dann 8—14 Tage Abführen. 
Dadurch wird die Operation sauberer und das Karzinom beweglicher. 
Für tiefsitzendes Karzinom ist die Durchziehmethode sehr gut. 


— 112 — 


Jaffe (Posen): Redner meint, daß über die Zweckmäßigkeit der 
Erhaltung des Sphinkterenabschnittes, wenn eine solche Konservierung 
überhaupt möglich sei, keine Frage sein könne. Nur müsse man 
diesen zu erhaltenden unteren Abschnitt ganz genau im Auge behalten 
in Rücksicht auf die Möglichkeit des Vorhandenseins von sog. Im- 
plantationsmetastasen. Solche können entstehen durch Herunterfallen 
von Geschwulstbestandteilen aus dem manche Male weit entfernten 
primären Karzinom; sie bevorzugen die Afterportion. Redner hat 
solche Fälle selbst erlebt. Man ist alsdann natürlich genötigt, den 
gahzen unteren Abschnitt sekundär zu opfern. (Selbstbericht.) 


König (Jena) warnt vor zu schnellem Operieren, vor der lokalen 
Operation Kümmell’s, bei der man die Drüsen nicht entfernen kann. 
Die kombinierte Methode hat K. für das Karzinom aufgegeben, da- 
gegen hält er sie für,ausgezeichnet bei der Mastdarmsyphilis, weil man 
sich nur dadurch vor der Fistel retten könne. 


Körte (Berlin) glaubt, daß wir bei dem hochsitzenden Mastdarm- 
karzinom an der Grenze sind. Kraske wolle die Grenze hinaus- 
schieben, aber es sei ihm doch lieber, daß jemand, der sterben muß, 
ohne ihn stirbt. 


Kraske (Freiburg i. Br.) spricht nochmals für die kombinierte 
Methode. Die Bedenken, daß die Funktion des Sphinkters bei der 
sakralen Methode leide, möchte er zerstreuen. Von der Kolostomie 
Schede’s hat er keinen wesentlich anderen Wundverlauf gesehen, 
den späteren Schluß des Afters findet er nicht so einfach. 

Goebel (Breslau). ; 





56) Jaffé (Posen). Uber den Wert der Milzexstirpation bei 
Banti’scher Krankheit. 


Redner gibt kurz eine Darstellung von der Entwicklung der 
Banti’schen Krankheit. Im Symptomenkomplex (Milzvergrößerung 
mit sklerotischen Veränderungen an der Milzvene, eine gewisse Form 
der Anämie, Ascites, Lebercirrhose) ist als höchst bedeutungsvoll der 
Umstand hervorzuheben, daß der Milztumor den übrigen Symptomen 
zeitlich vorauszugehen habe. Es beginnt ferner die Auffassung des 
Ascites als eines mehr selbständigen Symptoms. Und so erscheint die 
Beseitigung dieses Ascites (sonst aufgefaßt als symptomatische Therapie), 
in einer ganz anderen, viel bedeutungsvolleren Gestalt. 

Andererseits ist auch die Lehre von der atrophischen Lebercir- 
rhose in einer Art Umwandlung begriffen insofern, als die Bedeutung 
des regelmäßig vorhandenen Milztumors und des Ascites als reiner 
Stauungssymptome nicht mehr ganz anerkannt werden; also die Vor- 
stellung von mehr aktiven Prozessen in der Milz (auch bei Lebercir- 
rhose) tritt hervor. 

Redner schildert alsdann kurz einen von ihm operierten ausge- 
sprochenen Fall von Banti’scher Krankheit, und zwar einen Fall 


— 113 — 


im letzten Stadium mit ungeheurem Ascites, in welchem gegen alles 
Erwarten die Splenektomie einen außerordentlich bessernden, vielleicht 
heilenden Einfluß ausgeübt hat. Nach der Operation ein Umschwung 
des ganzen Befindens mit einer Erholung des Organismus trotz außer- 
ordentlich vorgeschrittener, bei der Operation konstatierter atrophischer 
Lebercirrhose! 

So tritt fiir gewisse Formen der atrophischen Lebercirrhose die 
Splenektomie in Konkurrenz mit der Talma’schen Operation, welch 
letztere Operation vielleicht mehr durch eine Beeinflussung der erkrank- 
ten Serosa, als durch Eréffnung von Kollateralbahnen wirkt. Die 
Splenektomie könnte für manche Fälle von Lebercirrhose, .falls die 
Forschung solche Fälle zu charakterisieren imstande sein wird, der 
Indicatio causalis genügen. ‚Selbstbericht.) 


57) v. Stubenrauch (München). Über plastische Opera- 
tionen am Grallensystem. Mit Demonstration. 


Der Vortr. demonstriert zunächst einen Mann, an welchem 
vor fast einem Jahre wegen Choledochusstenose infolge Pancreatitis 
chronica eine Drainage der Gallenwege nach außen ausgeführt worden 
war. Eine Cystoenterostomie oder Cystogastrostomie war damals wegen 
abnormer Kleinheit und ungiinstiger Lage der Gallenblase, sowie 
wegen Fixation des großen Netzes in zwei Leistenbruchsäcken nicht 
durchführbar. Da die Pankreasschwellung sich nicht zurückbildete, 
wurde aus der temporären Fistel eine permanente. Es wurde dann 
ein Serosa-Muscularis-Mucosalappen mit oberer Basis aus dem Pylorus- 
teil des Magens und Dünndarmes geschnitten, um 180° umgeklappt, mit 
der Serosafläche auf den Choledochusdefekt gelegt. mit seinem Schleim- 
hautende an den Schleimhautrand der kleinen Gallenblase angenäht 
und schließlich Duodenum und Magen bis auf einen kleinen, zur Auf- 
nahme eines Drains bestimmten Zwickel an der Basis des Lappens 
straff zugenäht. Der Kranke ist nunmehr von der kompletten Gallen- 
fistel mit Bauchbruch geheilt. 

Im Anschluß an die Demonstration berichtet der Vortr. 
unter Vorzeigung von Präparaten über Tierversuche, welche die Mög- 
lichkeit erwiesen, noch andere Wege zur operativen Heilung einer 
kompletten Gallenfistel einzuschlagen, so z. B. einen Depage’schen 
Kanal in die Gallenblasen-Cysticus- oder Choledochusfistel zu implan- 
tieren oder ein ausgeschaltetes Darmstück subkutan in die Umgebung 
der Gallenfistel einzupflanzen. (Näheres im Original.) 

Vortr. betont, daß bei Choledochusstenose infolge chronischer 
Pankreatitis in erster Linie eine Cholecystenterostomie oder Cysto- 
gastrostomie, in zweiter Linie, wenn die erwähnten Methoden unge- 
eignet sind, eine Neueinpflanzung des Choledochus in den Darm oder 
Magen ‚ausgeführt werden solle. Nur dann, wenn auch letzteres Ver- 
fahren nicht durchführbar ist, darf eine plastische Operation gemacht 
werden. Vor einer einfachen temporären Ableitung der Galle nach 

Chirargen-KongreB 1906. 8 


— 114 — 


außen ist bei der durch Pankreasschwellung bedingten Choledochus- 
stenose nach der vom Vortr. gemachten Erfahrung abzuraten. 
(Selbstbericht.) 


58) Blecher (Brandenburg a. H.). Demonstration einer durch 
Laparotomie geheilten Pankreasruptur. 


23jähriger Mann erhielt am 31. Januar d. J. einen Hufschlag 
gegen die Magengegend. In den nächsten Tagen allmählicher Kräfte- 
verfall, Schmerzen im Epigastrium, starkes Erbrechen. Am 4. Februar 
bestand starke Anämie, kein freier Erguß in der Bauchhöhle, kein 
Zeichen einer Peritonitis, dagegen eine undeutliche Resistenz im Epi- 
gastrium, dortselbst fünfmarkstückgroße Dämpfung zwischen Magen 
und Kolon. Es wurde danach die Diagnose auf umschriebene Blutung, 
ausgehend vom Pankreas, gestellt. Bei der Laparotomie fand sich 
hinter dem Kolon, das nach oben geschlagen wurde, eine retroperito- 
neal und zwischen den Mesokolonblättern gelegene Höhle mit Blut 
und Gerinnseln. Ursprung der Blutung war ein Riß auf der Rück- 
seite des Pankreaskörpers, der tamponiert wurde. Ziemlich glatte Hei- 


lung; im Urin 3 Tage p. op. Zucker. Zurzeit völliges Wohlbefinden. 
(Selbstbericht.) 


59) Doberauer (Prag). Über die Todesursache bei der akuten 
Pankreatitis. 


Bei der akuten Pankreaserkrankung, deren Kenntnis eines der 
modernsten Gebiete der Chirurgie darstellt, haben wir in letzter Zeit 
sowohl was das Verständnis der Atiologie und Pathogenese der Krank- 
heit betrifft, sowie in Hinsicht auf die Diagnose und auf die erfolg- 
reiche operative Behandlung recht erfreuliche Fortschritte gemacht. 
Die wissenschaftliche Erforschung dieses Gebietes wurde bekanntlich 
durch Balser’s Entdeckung der abdominellen Fettgewebsnekrose er- 
öffnet, und sie hielt sich auch bis in die jüngste Zeit vorwiegend an 
diese merkwürdigste und sinnfällige Begleiterscheinung der akuten 
Pankreatitis. Dabei geriet eine Frage etwas außerhalb des Gesichts- 
kreises der Forscher, nämlich die nach der eigentlichen und letzten 
Ursache des Todes, welcher im Gefolge der akuten, gemeinhin mit 
Fettgewebsnekrose vergesellschafteten Pankreatitis so häufig und ver- 
hältnismäßig rasch eintritt. Es ist bekannt, daß die Krankheits- 
erscheinungen der akuten Pankreatitis außerordentlich schwere und 
stürmische sind, wie sie nur den ganz ernsten, gemeinhin letalen ab- 
dominellen Erkrankungen eigen sind. Wir sehen, daß kräftige, robuste 
Körper, welche ja vorwiegend von der Krankheit befallen werden, in 
wenigen Tagen, oft Stunden erliegen können. Die Pankreatitis leistet 
da gelegentlich mehr als die schwerste innere Inkarzeration. Dabei 
steht der durch Autopsie in vivo oder post mortem erhobene Befund 
in auffallendem Mißverhältnis zu diesen schweren klinischen Symptomen: 


— 11 — 


Es findet sich disseminierte Fettgewebsnekrose bei ganz akutem Tode 
ohne jegliche Reaktion. Die kann bei unseren Erfahrungen iiber ihre 
relative Benignität den Tod nicht verschuldet haben. Es geht wohl 
‘eine Auffassung dahin, eine durch Fettspaltung erzeugte Seifenver- 
giftung als Ursache des Todes zu beschuldigen. Doch kann man, ab- 
gesehen von den wiederholt durch Autopsie gemachten Erfahrungen 
über die Ausheilung von Fettgewebsnekrosen, nur schwer an eine 
solche Seifenvergiftung glauben in Fällen, wo bei bestehender tödlich 
verlaufender Pankreaserkrankung nur Spuren von Fettgewebsnekrose 
gefunden werden. 

Wir finden bei der Autopsie ferner im Bauchraume regelmäßig 
mehr oder minder reichlichen serös-hämorrhagischen Erguß; es ist 
naheliegend, zunächst als Todesursache eine Peritonitis anzunehmen; 
allein in sehr akuten Fällen bietet sich fast nie makroskopisch das 
Bild einer solchen. Die Serosa ist meist ganz zart. Wo dieselbe 
gerötet ist, beruht dies nicht auf Entzündung, sondern auf subserösen 
Blutungen. Es finden sich keine Beläge und in vielen Fällen keine 
Bakterien, weder in dem Exsudat noch in den Fettnekrosen, noch im 
Pankreas. Selbst wenn diese gefunden werden, ist damit durchaus 
nicht gesagt, daß ihre Anwesenheit mit dem Tod in kausalem Zu- 
sammenhange stehe. Bakterienfunde in Leichen können auf postmor- 
taler Auswanderung aus dem Darme stammen. Und wenn auch sicher 
schon intra vitam das Exsudat bakterienhaltig war, so müßte doch 
zunächst eine lokale Reaktion, also eine Peritonitis mit eitrigem Ex- 
sudat, Trübung und Entzündung der Serosa usw. entstehen. Selbst 
dann aber braucht es eine gewisse Zeit, ehe die Resorption der Bak- 
teriengifte den Organismus tötet. 

Man nahm nun seine Zuflucht zu den nervösen Reflexwirkungen, 
dem abdominalen Chok und glaubte, daß infolge der räumlichen 
Nachbarschaft des Pankreas zum Plexus solaris Blutergüsse im Pan- 
kreas oder akute Vergrößerungen des Organes eine mechanische Reizung 
des Plexus verursachen, welche den schweren, zum Tode führenden 
Kollaps bedinge. Die große Bedeutung des abdominalen Choks ist 
unanfechtbar; wir wissen, daß Menschen in demselben rapid zugrunde 
gehen können, ehe noch anatomische Veränderungen sich entwickelt 
haben. Ich erinnere nur an den raschen Tod bei schwerer innerer 
Darmeinklemmung, wo gelegentlich die Katastrophe so furchtbar schnell 
eintritt, daß weder Peritonitis, noch Intoxikation die Zerstörung des 
Lebens bewirkt haben können. Da handelt es sich aber um sichere 
schwere mechanische Insultationen des Bauchfelles, beziehungsweise 
der Intestina mit ihren sympathischen Nervenapparaten. Beim Pan- 
kreas aber kann man nur ausnahmsweise einen Befund feststellen, 
welcher wirklich eine mechanische Einwirkung des Krankheitsprozesses 
in dem Organ: auf den Plexus solaris darstellt, z. B. eine Apoplexie 
im Pankreaskopf. Ein solcher Zusammenhang fehlt vollständig, wenn 
der Krankheitsherd im Schwanzteile des Pankreas sitzt, oder wenn 
die Erkrankung überhaupt nicht eine Vergrößerung des Organes be- 


gr 


—— 116 —— 


dingt. Das Exsudat im Bauchraume, welches die akute Pankreas- 
erkrankung begleitet, kann diese mechanische Einwirkung nicht haben; 
denn dasselbe ist in der Mehrzahl der Fälle frei und kann den Plexus 
nicht mehr und weniger belästigen, als irgendeine andere Form des 
freien Ascites. Gerade aber, wenn es abgesackt ist und zu Tumoren- 
und Cystenbildungen im Oberbauchraume führt, wie es in den, das 
akute Stadium überwindenden Krankheitsfällen so häufig der Fall ist, 
bestehen die schweren Allgemeinerscheinungen nicht. 

In der Ausschaltung lebenswichtiger Funktionen des erkrankten 
Pankreas kann die Ursache des schweren Verlaufes gleichfalls nicht 
gesehen werden; zumindest können Ausfallserscheinungen, die wir mit 
unseren Untersuchungsmethoden (Harn- und Stuhluntersuchungen) nach- 
weisen können, gerade bei den schweren akuten Fällen der Pankrea- 
titis nur ausnahmsweise oder doch keineswegs regelmäßig gefunden 
werden. 

Per exclusionem der erwähnten Möglichkeiten und durch das 
eigentümliche klinische Bild der Erkrankungen mit ihrem rapiden 
Verlaufe gewinnt die Annahme einer Vergiftung an Wahrscheinlich- 
keit, und zwar nicht durch Bakterientoxine, sondern durch eine spezi- 
fische, dieser Pankreaserkrankung eigentümliche Schädlichkeit. Mi- 
kulicz (‘Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und 
Chirurgie Bd. XII) spricht die Meinung aus, daß die schädliche 
Wirkung des Pankreassekretes nicht nur auf den Fermenten desselben 
beruht, sondern auch auf den Zerfallsprodukten der abgestorbenen 
Pankreaszellen. Auf dem vorjährigen Kongresse deutscher Natur- 
forscher und Arzte in Meran behandelten von Bergmann und Gu- 
leke (seither ist von Guleke die bezügliche Publikation im » Archiv 
für klin. Chirurigie«e Bd. LXX VIII erschienen) diese Frage auf Grund 
experimenteller Untersuchungen. Dieselben führen sie zu der Über- 
zeugung, daß das Pankreas als solches toxisch wirke, wenn es von 
einem Hund entnommen und einem anderen in die Bauchhöhle ge- 
bracht werde, und daß die Ursache dieser toxischen Wirkung wahr- 
scheinlich das Trypsin sei, da gegen Trypsin immunisierte Hunde die 
Einverleibung vertragen. 

Ich ging im vorhinein von der Idee aus, daß durch die Erkran- 
kung des Pankreas eine Substanz produziert werde, welche giftig wirkt, 
und suchte die Existenz derselben dadurch nachzuweisen, daß ich den 
eventuellen Unterschied der Wirkung feststellte, welche das gesunde 
Pankreas einerseits und das durch bestimmte Vorbehandlung krank 
gemachte Pankreas andererseits bei seiner Applikation auf Versuchs- 
tiere ausüben würde. 

Es gelingt, mit verschiedenen Mitteln bei Tieren — ich verwendete 
zu den betreffenden Versuchen Hunde — eine Erkrankung zu erzielen, 
welche unter den Erscheinungen der Fettgewebsnekrose, des hämor- 
rhagischen peritonealen Ergusses, subseröser Blutungen im Bauch- 
raum usw. zum Tode der Versuchstiere führt, also eine sichere Ana- 
logie mit der menschlichen Pankreatitis erkennen läßt. Ich erreichte 


— 117 — 


dieses Ziel mit absoluter«Regelmäßigkeit durch ein Verfahren, welches im 
Prinzip auch Hildebrand, Katz und Winkler und Körte geübt 
haben, nämlich durch die doppelte Ligatur und Durchtrennung des 
Pankreas. Es konkurrieren da bei der Erzeugung der Pankreatitis die 
Sekretstauung, die Zirkulationsstörung und die Gewebsläsion, und ich 
lasse es dahingestellt, welchem von diesen drei Faktoren der Haupt- 
anteil zukommt. 

Ich habe 21 Hunde so behandelt und stets das gleiche Bild: 
Fettgewebsnekrose, hämorrhagischen Erguß ins Peritoneum, subseröse 
Blutungen an Darm und Mesenterien bekommen. Das Pankreas selbst 
war vielfach sukkulent und mißfarbig, oft aber makroskopisch nicht 
wesentlich verändert. Die Tiere starben nach 24 Stunden oder waren 
doch um diese Zeit so elend, daß der bevorstehende Tod mit Sicher- 
heit zu erkennen war; einzelne gingen auch einige Stunden früher zu- 
grunde; einer lebte 30 Stunden. Die meisten ließ ich nicht verenden, 
sondern tötete sie, wenn die Krankheitserscheinungen ausgesprochen 
waren, um das Pankreas frisch entnehmen zu können und nicht mit 
dem Einwande der Leichenfäulnis rechnen zu müssen. Wenn ich nun 
dieses Pankreas anderen gesunden Hunden in die Bauchhöhle brachte, 
so erkrankten dieselben und verendeten gleichfalls in 24 Stunden. Die 
Obduktion ergab denselben Befund wie bei den mit Ligatur behan- 
delten Hunden. Die Applikation des Pankreas nahm ich in der Weise 
vor, daß ich das Organ aseptisch in einer Reibschale soweit zerrieb, 
daß der Brei durch eine starke Kanüle mit einer gewöhnlichen Spritze 
den Tieren in die Bauchhöhle injiziert werden konnte. Ich wollte 
damit einerseits das Öperationstrauma der Laparotomie vermeiden, 
andererseits das Pankreas rascher zur Resorption bringen. Tatsäch- 
lich fand sich bei dem am Tage darauf verendeten oder getöteten 
Tiere wenig oder nichts mehr von dem injizierten Pankreas im Bauche 
vor. Es wurden drei Hunde mit intraperitonealer Injektion von 
Pankreas behandelt. Die näheren Details dieser Experimente habe 
ich schon im letzten Hefte der »Beiträge zur klinischen Chirurgie« 
veröffentlicht und will darauf nicht weiter eingehen. 

Nun behandelte ich sechs Hunde mit Injektionen von ebenso zu- 
bereitetem frisch und steril entnommenem Pankreas von gesunden 
Hunden. Kein einziges dieser Tiere ging zugrunde. Meistens reagierten 
sie auf den Eingriff überhaupt nicht und blieben ganz gesund und munter. 

Es wirkt also nicht die Substanz des gesunden Pankreas tödlich, 
sondern nur die des in bestimmter Weise erkrankten Organes. Die Zer- 
fallsprodukte des erkrankten Pankreas sind nicht identisch mit den 
bei Nekrose eines beliebigen Organes entstehenden Eiweißspaltungs- 
produkten. Denn dieselben sind auch in dem normalen, dem Körper 
entnommenen Pankreas enthalten und ebenso in anderen der Nekrose 
verfallenden Organen, ohne daß dieselbe schädliche Wirkung eintritt. 
Wenn ich einem Tiere den Milzstiel unterband und tags darauf die 
kolossal vergrößerte, sukkulente und fast nekrotische Milz exstirpierte, 
zerkleinerte und dieselbe einem anderen Hunde in die Bauchhöhle 


— 118 — 


brachte, so blieb derselbe ganz gesund. Wenn tatsächlich eine spezi- 
fische Giftwirkung des kranken Pankreas besteht, so müßte ein Zu- 
sammenhang zwischen der Schwere der Krankheitserscheinungen und 
den einverleibten Dosen des Giftes bestehen und eine Gewöhnung der 
Tiere an steigende Dosen möglich sein. Ich habe drei Hunde in der 
Weise behandelt, daß ich ihnen zunächst normales Pankreas intra- 
peritoneal einverleibte, nach einem kürzeren oder längeren Intervall 
ca. ein halbes Pankreas eines mittelgroßen, krank gemachten Hundes 
subkutan (die betreffende Quantität wurde ohne Abszeßbildung resor- 
biert) und schließlich eine geringe Menge, etwa !/,—!/, eines ganzen 
kranken Pankreas intraperitoneal. Unter dieser Vorbehandlung magerten 
die Tiere etwas ab, erholten sich aber ziemlich schnell wieder. Etwa 
1 Woche nach der letzten Applikation bekamen die Hunde eine ganze, 
sonst tödliche Dosis krankes Pankreas (im breiigen Zustande ca. 
20 ccm) intraperitoneal. Alle drei Tiere überstanden die Injektion 
ohne schwere Erkrankung; sie waren einen Tag etwas matt, am zweiten 
schon munter und nahmen Nahrung. Bei einem dieser Tiere machte 
ich, nachdem alle diese Prozeduren überstanden hatten, den Versuch, 
ob es auch die sonst in allen Fällen tödlich verlaufene Unterbindung 
und Durchschneidung des Pankreas überstehen würde, und der Ver- 
such fiel im positiven Sinne aus; das Tier blieb gesund. 

Somit ergeben die Versuche bisher. folgende Resultate: 

1) Das gesunde und frisch dem lebenden oder eben getöteten 
Tier entnommene Pankreas wird von den Tieren bei intraperitonealer 
Applikation gut vertragen. 

2) Durch Unterbindung und Durchtrennung des Pankreas läßt 
sich eine nach ihren Symptomen der menschlichen Pankreatitis ähn- 
liche Erkrankung erzeugen, welche das Versuchstier tötet. 

3) Das auf diese Weise erkrankte Pankreas wirkt, auf andere 
Tiere übertragen, tödlich, und zwar in derselben Weise wie die Unter- 
bindung des Pankreas. Es muß somit in dem unterbundenen Organe 
durch den besonderen Krankheitsprozeß eine Substanz produziert 
werden, welche das pathogene Moment darstellt. 

4) Diese Ansicht findet eine weitere Stütze darin, daß es durch 
allmähliche Einverleibung immer größerer Dosen von derartig erkranktem 
Pankreas gelingt, Tiere gegen dasselbe immun zu machen. Sie sind 
damit immun nicht gegen Pankreassubstanz als solche, sondern gegen 
einen in derselben enthaltenen giftigen Körper; denn auch die Unter- 
bindung und Durchtrennung des Pankreas, welche denselben giftigen 
Körper produziert, ist für solche Tiere unschädlich. 

Aus diesen Versuchsresultaten läßt sich bei der sinnfälligen Ana- 
logie der künstlich erzeugten Erkrankung der Hunde mit der mensch- 
lichen Pankreatitis der Schluß ziehen, daß auch bei letzterer eine 
spezifische Giftwirkung des erkrankten Pankreas die Ursache der 


schweren klinischen Symptome bzw. des Todes der erkrankten Indivi- 
duen darstelle. (Selbstbericht.) 


— 119 — 


Harnorgane. 


60) Neumann (Mainz). Behandlung der intraperitonealen 
BlasenzerreiBung ohne Blasennaht. 


Die schlechte Prognose der intraperitonealen Blasenzerreißung 
scheint zum Teil dadurch bedingt zu sein, daß die Verletzten schon 
mit einer manifesten Peritonitis zur Operation kommen. Ein Teil 
der Pat. stirbt aber auch an einer postoperativen Bauchfellentzündung 
und ein weiterer nach Ansicht der beteiligten Operateure an Operations- 
chok. So kommt es, daß in der Literatur erst etwa 40 Fälle von 
Heilungen bekannt sind. Bei diesen unterblieb nach der Laparotomie 
nur fünfmal die Blasennaht, und der Blasenriß heilte unter Tam- 
ponade. Vortr. verfügt über den sechsten so geheilten Fall: 

Ein Unteroffizier erhielt durch den Stiel eines schweren Holz- 
hammers, mit dem er einen Pfahl einrammen wollte, einen heftigen 
Stoß gegen die Blasengegend. Die Laparotomie, 23 Stunden nach 
der Verletzung ausgeführt, ergab einen breiten intraperitonealen Riß 
an der hinteren linken Seite der Blase. Als zur Blasennaht ge- 
schritten werden sollte, trat ein schwerer Kollaps ein. Daher wurde 
von der Naht Abstand genommen und auf den Rif ein faustgroßer 
Tampon gedrängt und dessen Ende aus der Bauchwunde heraus- 
geleitet. 20 Stunden danach ließ der Kranke zum ersten Male wieder 
Urin in geringen Mengen, stark mit Blut vermischt. In der Folge 
wurden sehr häufig geringe Urinmengen willkürlich entleert, deren 
Blutgehalt sich bald verringerte und dann ganz aufhörte. Am 9. Tage 
wurde der Tampon entfernt. Der Blasenriß war geheilt. Nach Ent- 
fernung des Tampons wurde sofort seltener Urin gelassen. Es trat 
völlige Heilung mit Dienstfähigkeit ein. 

Der Fall lehrt, daß man auf die Blasennaht verzichten kann, 
wenn besondere Umstände dazu nötigen. Es scheint dann aber Wert 
darauf zu legen sein, daß der Tampon so groß ist, daß er die Blase 
stark komprimiert und dadurch ein Anstauen des Urins sowie seinen 
Abfluß in die Bauchhöhle unmöglich macht. — Die Frage, ob man 
einen Dauerkatheter einlegen solle oder nicht, ist prinzipiell nicht zu 
. erledigen. Ist der Pat. imstande, häufig willkürlich Urin zu lassen, 


so dürfte der Dauerkatheter erübrigen. (Selbstbericht.) 
Gliedmaßen. 

61) Lexer (Königsberg). Zur Behandlung der typischen 
Radiusfraktur. 


Demonstration eines einfachen Flanellbindenverbandes für 
Radiusfrakturen, welcher gleichzeitig die Retention garantiert und 


— 120 —— 


doch alle Bewegungen gestattet mit Ausnahme derjenigen, welche eine 
abermalige Dislokation herbeiführen könnten. Der Verband wird 
5—7 Tage lang getragen, aber täglich zur Vornahme von Massage, 
passiven und aktiven Bewegungen und zum Gebrauch eines warmen 
Armbades gewechselt. In 20 so behandelten Fällen ist die Heilung 
mit guter Funktion und guter Stellung schon in 2 Wochen einge- 
treten. (Selbstbericht.} 


62) Rosenberger (Würzburg). Über konservative Behand- 
lung eiternder Fingergelenke. 


R. erkannte den Grund für die Tatsache, daß eiternde Finger- 
gelenke eine sehr geringe Neigung zur Heilung haben, in den unver- 
meidlichen Bewegungen des Gelenkes beim Verbandwechsel. Deshalb 
war er bestrebt, das Gelenk so zu fixieren, daß das Verbinden mög- 
lich war, ohne das Gelenk zu bewegen. Durch eine schmale Papp- 
deckelschiene stellte er den Finger in der Weise ruhig, daß er mit 
einem 11, bis 2 cm breiten Gazestreifen eine Umwicklung vornahm, 
das Geschwür bzw. die Fistel aber freiließ. Die Gazestreifen wurden 
dann mit Kollodium bestrichen und dadurch ein ganz fester, ge- 
fensterter Verband erzielt. Polsterung war nicht nötig. Die Schiene 
muß selbstverständlich an einer Seite angelegt werden, wo kein Ge- 
schwür und keine Fistel vorhanden ist. 

Die Weiterbehandlung gestaltet sich dann sehr einfach, denn es 
kann der Finger jetzt so oft als nötig verbunden werden, ohne daß 
das Gelenk bewegt wird. 

Auf diese Weise hat R. bis jetzt 14 Fälle, wie sie hintereinander 
im Verlaufe von 6 Jahren an den verschiedensten Gelenken vorgekommen 
sind, zur Ausheilung gebracht. Der 15. Fall ist noch in Behandlung. 

Die Zeit, die zur Ausheilung nötig war, schwankte zwischen 
3 und 10 Wochen. 

Als Ursache der Gelenkeiterung wurde 8mal Phlegmone und 
6mal ein Trauma festgestellt. 

Die Endresultate waren folgende: In 4 Fällen blieb das Gelenk 
steif; in 2 Fällen war die Beweglichkeit eine geringe, einmal ziemlich 
gut, fünfmal gut, einmal sehr gut und einmal normal. Der Enderfolg 
hängt von der Intelligenz des Pat. und der Nachbehandlung ab. 
Ubrigens waren alle Pat. mit dem Verfahren sowohl wie mit dem Er- 
folg sehr zufrieden. R. ist der Anschauung, daß bei einem gutwilligen, 
intelligenten Menschen, der fleißig Bewegungen macht und sich längere 
Zeit hindurch einer Massagekur unterzieht, die Beweglichkeit immer 
eine gute sein wird. (Selbstbericht.) 


63) Bardenheuer (Köln). Hüftgelenkpfannenresektion. 


B. sagt, daß in den Fällen, wo die Resektion ausgeführt wird, 
fast ausnahmslos die Pfanne entweder primär oder sekundär meist so 


—— 121 —— 


stark beteiligt sei, daß die Resektion der Hüftgelenkpfanne vom 
Sprengel’schen Schnitt aus mit ausgeführt werden muß. 

Während der Operation nun überzeuge er sich mittels des pal- 
pierenden Fingers von der inneren Fläche des Beckens aus, hinter dem 
abgehobenen Psoas, ob der Beckenboden resp. die drei das Gelenk kon- 
stituierenden Knochen vorgetrieben oder verdickt sind. 

Bei der langen Dauer des Leidens nach der lange fortgesetzten 
konservativen Behandlung ist dies meist der Fall, so daß auch gleich 
bei dem erwähnten Befunde der Entschluß feststeht, die Pfanne mit 
zu resezieren. 

Vom oberen Ende des Femur ‚wird womöglich nur der Kopf fort- 
genommen. 

Als Vorzüge für die Resektion der Pfanne spricht B. an: 


1} die Möglichkeit der Erzielung der Heilung in den verzweifelten 
Fällen von eitriger Koxitis in dem neugebildeten Gelenke nach einer 
früheren typischen Resektion, in welchen er früher das neue Gelenk 
meist wiederum eröffnete, das obere Ende des Femur nachresezierte, 
‚die Pfanne nochmals auslöffelte, wobei aber meist keine Ausheilung 
erzielt wurde. 

Er hat im ganzen seit dem Jahre 1898 37 Radon der Pfanne 
ausgeführt, 29 wegen Tuberkulosis, 8 wegen sept. Osteomyelitis. 

Unter diesen 29 Fällen befanden A 7 Fälle, in welchen früher 
die typische Resektion ausgeführt worden war. Die Indikation zur 
Operation gab in diesen Fällen das Fortbestehen der Eiterung, der 
Tuberkulose und die Bedrohung des Lebens durch die letztere. 

Durch die Pfannenresektion wurden sie geheilt. 

Unter diesen Fällen befanden sich 3, die schon mehrmals operiert 
worden waren, eine sogar 5Dmal, und zwar die Pat., welche er 
vorstellte. 


Als zweiten Vorzug erwähnt er, daß man durch diese Operation in 
der Lage ist, alles tuberkulöse zu entdecken und zu entfernen. 

Unter den 29 Fällen sind noch 5 in Behandlung, 6 sind gestorben, 
die übrigen 18 Pat. sind l4mal afıstulös, 4 mit einer geringes Sekret 
spendenden Fistel ausgeheilt, die sich sicher bald noch schließen wird; 
das Genauere wird Herr Dr. Baum in einer statistischen Arbeit noch 
mitteilen. 

Als dritten Vorzug hebt B. noch hervor, daß die reale Verkürzung 
in dem-Zällen, wo er nur den Kopf mit der Pfanne resezieren konnte, 
eine äußerst geringe ist. 

Der im Os ilium gesetzte Defekt macht sich kaum bemerkbar und 
würde unter solchen Verhältnissen meist ausgeglichen durch die 
Senkung des Beckens und Abduktionsstellung des Beines. 


Der vierte Vorzug besteht in der Verhütung der Entwicklung der 
Adduktions- und Flexionsstellung und der Wanderung des Femur am 
Becken vorbei nach oben. 


Fünftens entsteht in den meisten Fällen eine feste, gelenkige Ver- 


— 122 — 


bindung (5mal unter 7 nachuntersuchten Fällen und 2mal eine 
knöcherne) und 

Sechstens eine sehr gute Funktion des Gelenkes. 

Was die Gefahr der Operation anbetrifft, so ist dieselbe nicht 
größer als wie bei der typischen Resektion, und wenn wir das end- 
gültige Resultat bezüglich der nachherigen Mortalität mit in Betracht 
ziehen, so ist die Prognose entschieden weit günstiger. 

8 Fälle wurden operiert wegen akuter infektiöser Osteomyelitis. 
In allen Fällen handelte es sich bei der Operation um ein Indicatio 
vitalis. Bei der versteckten Lage des Gelenkes wird das Leiden meist 
sehr spät erkannt; es werden die Pat. meist äußerst spät dem Kranken- 
haus überwiesen. 

4 Pat. wurden geheilt, 4 erlagen sehr früh nach der Operation 
der Sepsis. 

Von den 29 Pat., bei welchen es sich um Tuberkulose handelte, 
starben 6, 1 an Milztuberkulose, wie es zeitweilig nach jeder 
Resektion vorkommt, 3 nach 9 bis 14 Monaten an Tuberkulose der 
Lunge, während das Gelenk ausgeheilt war; 1 starb nach 
13 Monaten an einer akuten Lungenentzündung, 1 nach 7 Monaten 
an amyloider Degeneration der Unterleibsorgane nach einer seit einer 
Reihe von Jahren bestehenden eitrigen Hüftgelenktuberkulose. 

Was das Alter der betreffenden Pat. anbetrifft, so waren 10 unter 
10 Jahren, 17 zwischen 10 und 20 Jahren, 8 zwischen 20 und 30 
Jahren, 2 zwischen 30 und 40 Jahren. 

B. glaubt hiermit den Beweis geliefert zu haben, daß in vorge- 
schrittenen Fällen von Pfannentuberkulose die Pfannenresektion in 
Verbindung mit der Kopfresektion, event. mit der typischen Resektion 
bezüglich des endgültigen vitalen und funktionellen Resultates, die 
typische Resektion der Hüfte überragt, und daß man durch dieselbe 
in der Lage ist, beim Versagen der typischen Resektion noch häufig 
einen Pat. zu retten, der sonst durch das Fortbestehen der Tuber- 
kulose in dem neu gebildeten Gelenke der Eiterung zum Opfer ge- 
fallen wäre. (Selbstbericht.) 

Diskussion. 


Sprengel (Braunschweig) hat die Methode von Bardenheuer 
am Hüftgelenke wiederholt versucht. Bardenheuer nahm früher 
auch bei relativ frischen Fällen die Pfanne fort. Das ist aber wohl 
nicht richtig, da der Eingriff zu groß ist. Man soll dies also nur 
bei alten Fällen tun, aber bei jüngeren Individuen, da sie bei alten 
versagt. 


Bardenheuer hat unter 23 Fällen 8, die 20—30 und 3, die 
30—40 Jahre alt waren. Unter 29 Fällen sind 6 gestorben, davon 
einer nach der Operation an Miliartuberkulose. Goebel (Breslau). 


— 123 — 


64) H. Braun (Göttingen). Über willkürliche Luxationen 
des Hüftgelenkes. 


B. sprach über willkürliche Luxationen des Hüftgelenkes, weil 
über dieses Leiden, von dem nur einige 20 Beobachtungen in der Lite- 
ratur verzeichnet sind, wenig bekannt ist, vor allem nichts über die 
anatomischen Verhältnisse, welche das Zustandekommen dieser Ver- 
renkung ermöglichen, und weil er zum erstenmal durch eine Operation 
die Heilung erzielte. 

Bei dem 18 Jahre alten Mädchen, das B. beobachtet hat war die Ver- 
renkung plotzlich entstanden; die Kranke konnte bei der Aufnahme teils 
willkürlich durch Anspannung gewisser Muskeln im Stehen die Verschie- 
bung des Gelenkkopfes erzeugen, teils kam sie beim Gehen von selbst zu- 
stande, so daß es sich um die Kombination einer willkürlichen mit 
einer habituellen Luxation handelte. Die Verrenkung des Gelenk- 
kopfes erfolgte unvollständig nach außen mit einem heftigen Schmerz 
und lautem Krach. Nachdem durch Ruhe, Extensions- und Gips- 
'verbände die unerträglichen Beschwerden nicht beseitigt wurden, 
suchte B. durch einen operativen Eingriff die Heilung herbeizuführen. 

. Bei demselben fand sich kein Antrum cartilagineum, so daß das 
Fehlen desselben wohl in diesem Falle die Verrenkung ermöglichte, 
da die Hüftgelenkspfanne wesentlich flacher war als gewöhnlich. Um 
den Femurkopf an seinem Austreten zu verhindern, meißelte B.. von 
dem oberen hinteren Rande der knöchernen Pfanne ein etwa 5—6 cm 
langes und 2 cm breites Stück ab, schlug dieses nach abwärts, indem 
es seitlich in seiner Verbindung mit dem übrigen Knochen eingeknickt 
wurde, fixierte es in dieser Stellung und legte einen Beckengipsverband 
mit Fenster an. Die Wunde heilte per prim. intent.; nach 6 Wochen 
konnten die Verbände weggelassen werden, das Mädchen ging ohne 
Schmerzen und ohne die geringste Verschiebung des Gelenkkopfes. 
Die Heilung dauert auch jetzt, 21/, Jahre nach Ausführung der Ope- 
ration, noch an. B. empfiehlt die von ihm ausgeführte Operation so- 
wohl für die willkürlichen Luxationen, wenn nicht durch andere 
anatomische Verhältnisse ein anderes Vorgehen rationeller erscheint, 
als auch für die habituellen Luxationen des Hüftgelenkes. 

(Selbstbericht.‘ 


65) M. v. Brunn (Tübingen). Über das Schicksal des Silber- 
drahtes bei der offenen Naht der gebrochenen Patella. 


v. B. hat aus dem Material der v. Bruns’schen Klinik 12 Fälle 
von Kniescheibenbrüchen, welche mit Silberdraht genäht worden waren, 
einer Nachuntersuchung unterzogen, un festzustellen, wie sich im Laufe 
der Jahre der Silberdraht verändert. Es zeigte sich, daß er nur in 
einem einzigen Falle zur knöchernen Heilung geführt hatte, ohne zu 
zerbrechen oder aus den Bruchstücken auszureißen. In einem Falle 
war er aus den Bruchstücken ausgerissen, in allen übrigen Fällen zer- 
rissen oder sogar meist in zahlreiche Teile zerbrochen. In drei Fällen 


— 124 —— 


waren Drahtstiicke ins Gelenk geraten und hatten sich hier zumeist 
entweder im hinteren Recessus oder in der Umschlagsfalte der Gelenk- 
kapsel auf die Tibia abgelagert. Knöchern geheilt waren im ganzen 
3 Fälle, bei 2 weiteren ließ sich nur noch durch das Röntgenbild 
eine minimale Diastase feststellen. In allen übrigen Fällen waren 
schon durch die äußere Untersuchung Diastasen nachweisbar. Die 
Schäden des Drahtes hatten in der Regel nicht zu einer Beeinträch- 
tigung des Heilerfolges geführt. Immerhin klagten eine Anzahl Pat. 
über stechende Schmerzen, darunter auch zwei von denen, welche 
Drahtstücke in ihrem Kniegelenk beherbergten. Die volle Streck- 
fähigkeit war nur bei einem sehr spät und wegen Refraktur genähten 
Falle bei gerissenen Drähten nicht wieder hergestellt; bei zwei anderen, 
die ebenfalls beträchtliche Diastase aufwiesen, bestand eine Streck- 
schwäche bei starker Belastung des Beines. Die Zerstückelung des 
Drahtes geschieht wahrscheinlich nicht durch Zerreißen, sondern durch 
Zerbrechen. (Selbstbericht.! 
Diskussion. 

Krönlein (Zürich) ist noch nicht davon überzeugt, daß die blu- 
tige Methode mit Eröffnung des Gelenkes besser ist, als die unblutige 
Behandlung. 


Küster (Marburg) empfiehlt die perkutane Naht der Patella. 


Riedel (Jena) empfiehlt die subkutane Naht der Patella mit Cat- 
gut, und zwar mit 10—12 einzelnen Fäden, wodurch man die Frag- 
mente sehr fest zusammenschnüren kann. R. hat seit vorigem Jahre 
wieder fünf Fälle so behandelt. 


v. Brunn ist auf die funktionellen Resultate nicht eingegangen. 
Die gute anatomische Heilung. ist nicht identisch mit klinischer Hei- 
lung. Gerade der anatomisch gut geheilte Fall hat ein schlechtes 
funktionelles Resultat, weil Pat. nicht so gut beugen kann. 


Bardenheuer (Köln) macht seit den letzten Jahren niemals mehr 
die Naht, er erreicht durch Extension zum mindesten eine feste fibröse 
Verbindung. Goebel (Breslau). 


66) Kausch (Schöneberg). Über Knochenimplantation. 


K. demonstriert den größten bisher implantierten toten Knochen, 
der knöchern einheilte.e Das 9 cm lange, den vollen Umfang der 
Tibia umfassende Stück wurde bei einer Amputation tags zuvor ge- 
wonnen, ausgekocht, an Stelle des oberen Tibiaendes, welches wegen 
myelogenen Sarkoms reseziert wurde, eingepflanzt; es wurde mittels 
Elfenbeinstift mit dem abgesägten Femur und dem Tibiarest verbun- 
den. Primäre Einheilung. Nach 3/, Jahr Amputation wegen Rezidiv. 

Das implantierte Knochenstück ist vollständig fest beiderseits ver- 
wachsen, ist angefressen, ist von einem neugebildeten Periost bedeckt. 
Das Resultat der weiteren Untersuchung wird mitgeteilt werden. 

(Selbstbericht.) 


— 12 — 


67) K. Lossen (Frankfurt a. M.). Über rationelle ambulante 
Behandlung der varikösen Venen und Geschwüre der Unter- 
schenkel. 


Die Ursache des genannten Leidens ist meistenteils in der In- 
aktivität oder Schwäche der Muskulatur der unteren Extremität zu 
suchen. 

Die bisherigen Behandlungsmethoden hatten meist nur einen sehr 
temporären Erfolg und, statt das ursächliche Moment zu beachten, 
stets Ruhe und Hochlagerung als Hauptsache verschrieben. Sobald 
die früheren Noxen wieder anfıngen einzuwirken, kamen auch meist 
die Beschwerden wieder. Statt die Muskulatur durch Ruhe in solchem 
Zustande noch mehr zu schwächen, muß sie vielmehr durch Gymnastik 
und Massage wieder instand gesetzt werden, so daß sie fähig wird, 
den an sie gestellten Anforderungen gerecht zu werden. Ich habe 
dementsprechend einige Schmiede mit geschwollenen Beinen und Unter- 
schenkelgeschwüren die Arbeit nicht aussetzen lassen, sondern sie an- 
gewiesen, 10—20mal während ihrer Arbeit ihre Gymnastik zu machen. 
Schon nach 4—6 Wochen waren die Beschwerden verschwunden und 
die Geschwüre geheilt. Auch in der Praxis elegans habe ich mit der 
Methode gute Erfolge gehabt. Sie erscheint mir nicht nur vom sani- 
tären, sondern vor allem vom sozialen Standpunkt aus betrachtet, ganz 
besonders angezeigt zu sein. (Selbstbericht.) 


68) Borchard (Posen). Ein sehr seltener Tumor des Unter- 
schenkels. 


B. demonstriert einen sehr seltenen Tumor des Unterschenkels, 
der durch Operation bei einem 44jährigen Manne gewonnen war. Die 
Geschwulst saß an der Außenseite des stark varikösen Unterschenkels, 
war vor 2 Jahren entstanden und ragte in einer Länge von 20 cm 
nach oben wie ein Flügel, während der Stiel etwa kindsarmdick war. 
Durch häufig sich wiederholende erhebliche Blutungen war der Kranke 
sehr anämisch geworden. Die Operation ergab, daß die Geschwulst 
nicht über die oberflächliche Fascie hinausging, daß in den Stiel zahl- 
reiche, stark erweiterte Varicen hineinzogen. Die Geschwulst selbst 
sah wie ein Leberlappen aus, ein Eindruck, der noch erhöht wurde 
durch die eigentümliche gelbe Farbe auf dem Durchschnitte. 

Mikroskopisch ließ sich nachweisen, daß der Tumor aus von den 
erweiterten Varicen ausgehenden Blutgefäßen bestand, die zum Teil 
erst einfache Endothelstränge darstellten. Das Gewebe zwischen den 
neugebildeten Gefäßen war sarkomatös degeneriert, zum Teil verfettet 
und trug die Spuren älterer und frischerer Blutungen (daher die gelbe 
Farbe). Es handelte sich also um ein von Varicen ausgehendes sar- 
komatös degeneriertes Angiom. (Selbstbericht.) 


— 126 —— 


69) Brodnitz (Frankfurt a. M.). Osteoplastische Resektion 
des Fußgelenkes und Unterschenkels. 


B. berichtet über eine osteoplastische Resektionsmethode des 
Fußgelenkes, durch welche man größere Teile der Tibia durch den 
senkrecht gestellten Fuß ersetzen kann. 

Die Schnittführung ist aus der Zeichnung zu ersehen: Längs- 
schnitt im Verlaufe der Tibia und Fibula bis in die Höhe des Talo- 
navicular-Gelenkes, Verbindung der oberen Schnittenden durch 
einen hinteren bogenförmigen Schnitt, der durch die Wadenmuskulatur 


Fig. 3. Fig. 2. Fig. 1. 


- 


— 
—ñN ⸗ 
Na 





bis auf die Knochen geführt wird, und der unteren Schnittenden 
durch einen ovalären Schnitt, welcher dicht über der Tuberositas cal- 
canei verläuft und bis auf den Knochen dringt; schräge Durchtrennung 
der Tibia und Fibula mit der Gigli’schen Säge und des Calcaneus 
mit der Stichsäge, dem Weichteilschnitt entsprechend. Ausschälung 
der Tibia, Fibula, Talus und vordere Fläche des Calcaneus an den 


vorderen Weichteilen, Adaption der Sägefläche des Calcaneus an die 
der Tibia. - 


— 127 7° — 


Die Operation wurde mit Erfolg ausgeführt bei einer ausgedehnten 
Tuberkulose im unteren Drittel der Tibia und des Fußgelenkes. In 
geeigneten Fällen, besonders bei Tumoren im mittleren und unteren 


Drittel der Tibia, ist die Methode empfehlenswert. 
(Selbstbericht.) 


70) Samter (Königsberg i. Pr.) Zur plastischen Deckung 
von Exartikulationsstiimpfen. 

S. stellt ein 6jähriges Mädchen vor, dem beide Füße abgefahren 

waren, die Weichteildefekte jedoch noch höher über die Malleolen 


reichten. Um die unteren Tiljaepiphysen zu erhalten, wurden die 
Malleolen abgesägt, die überknorpelte Epiphyse der Tibia beiderseits 


Defekt nach 


der Lappen- 
bildung 
Rest des 
traumatischen 
Defektes 





Steigbügellappen 


im übrigen erhalten und an der Hinterfläche der Tibia ein Brücken- 
lappen gebildet, der über den Stumpf wie ein Steigbügel herüber- 
gezogen wurde. Der Rest der Stumpfbedeckung wurde per granula- 
tionem gebildet. 


— 128 — 


Es resultierten bewegliche Weichteilbedeckungen und tragfähige 
Stiimpfe. Das Kind belastet dieselben seit geraumer Zeit. 

Im ganzen ist dreimal auf diese Weise ein gutes Resultat erzielt 
worden; daher dürfte dieses Verfahren in ähnlichen Fällen zur Er- 
haltung von Epiphysen dienen. (Selbstbericht. 


Diskussion. 


Helferich (Kiel) verfügt über zwei Fälle. Die ziemlich starken 
Weichteilverletzungen wurden durch Thiersch’sche Implantationen 
gedeckt. Die Stelle blieb aber sehr vulnerabel; schon Sandkörnchen 
machten Verluste. 

In dem anderen Falle nahm in mit gutem Endergebnis vom 
linken Unterschenkel einen gestielten'Lappen auf den Stumpf. 

Goebel (Breslau‘. 


71) Draudt (Königsberg). Ein seltener Fall von Extremitäten- 
mißbildung. 

Das bis jetzt 4mal beobachtete Vorkommen eines eigentümlichen 
Knochenzapfens am Femur bei gleichzeitigem kongenitalen Mangel 
der Tibia an der normalen Stelle verleiht der Auffassung von Erlich 
eine Stütze, nach welcher dieser Auswuchs als eine heterotop verlagerte 
Tibia aufzufassen ist. Bei einem in der Königsberger Klinik zur Be- 
obachtung gekommenen ganz gleichen Falle konnte gelegentlich der 
Wegnahme dieses Knochenzapfens als weiterer Beweis für eine der- 
artige Annahme das Verhalten der Muskulatur in Anspruch genommen 
werden. Sämtliche, normalerweise an der Tibia ansetzenden Muskeln 
ziehen nach diesem Auswuchs hin. Bezüglich der Atiologie muß wohl 
zu einer sehr frühzeitig stattgefundenen Keimverlagerung gegriffen 
werden. (Selbstbericht.) 


72) Joachimsthal (Berlin). Über Fußdeformitäten. 


J. zeigt am Projektionsapparat eine Reihe von Bildern, die die 
verschiedenen Formen, der angeborenen Fußdeformitäten und 
ihre verschiedenartige Atiologie vor Augen führen. 

Die gelegentliche mechanische Entstehungsweise des Klum p- 
fußes lassen zwei Fälle als wahrscheinlich annehmen, in denen neben 
vorhandenen Pedes vari congeniti amniotische Schnürfurchen vor- 
lagen. Das eine Mal bestand neben einem linksseitigen von J. erfolg- 
reich redressierten Klumpfuß eine tiefe Schnürfurche an der Grenze 
des mittleren und unteren linken Unterschenkeldrittels; in dem zweiten 
Falle neben einem rechtsseitigen Klumpfuß eine Schnürfurche an der 
Grenze des rechten mittleren und unteren Unterschenkeldrittels, weiter- 
hin eine solche im Bereiche des ersten rechten Zeigefingergliedes und 
endlich eine tiefe Schnürfurche an der Grenze des rechten mittleren 
und unteren Oberarmdrittels. Die Ernährung des peripheren Körper- 
teiles hatte durch diese letztere zirkuläre Einschnürung nicht gelitten, 


— 129 — 


es fehlten auch die sonst zuweilen beobachteten Ödeme, dagegen be- 
stand eine offenbar mit der amniotischen Schnürfurche in Verbindung 
stehende, nur den Triceps verschonende Radialislähmung. 

Zwei weitere Fälle zeigen eine Kombination des Klumpfußes mit 
einem angeborenen Tibiadefekt, wobei das Röntgenbild das eine 
Mal gleichzeitig eine Spaltbildung am unteren Oberschenkel- 
ende aufdeckt. 

In zwei weiteren Fällen ist der ein- resp. doppelseitige Klumpfuß 
Begleiterscheinung einer Spina bifida, während in einer anderen 
Beobachtung neben Spina bifida ein rechtsseitiger Varus und ein 
linksseitiger Valgus bestehen, und die Planta des Valgus genau in die 
Konkavität des Varus hineinpaßt. Endlich liegen bei einem Kinde 
mit Spina bifida lumbalis beiderseitige höchstgradige Calcanei vor. 

Ein neugeborenes Kind, dessen Bilder J. weiterhin projiziert, 
zeigt an beiden ineinander verschränkten Klumpfüßen über den äußeren 
Knöcheln offenbar mechanisch entstandene Hautnekrosen. 

Interessante Verhältnisse bietet ein Kind mit höchstgradigem Pes 
valgus congenitus duplex, dessen Bilder J. im Alter von 4 Wo- 
chen und von 5 Monaten (hier nach vollkommener Heilung durch re- 
dressierende Verbände) demonstriert. 

Betrachtete man vor der Behandlung die unteren Extremitäten 
bei nach vorn gerichteten Kniescheiben, so fiel eine sehr hochgradige 
Abduktionsstellung beider Füße auf, welche nicht nur die Gegend des 
Fußgelenkes betraf und hier namentlich in dem starken Hervortreten 
der inneren, dem Verschwinden der äußeren Knöchel und einer Falten- 
bildung über den letzteren ihren sichtbaren Ausdruck fand, sondern 
auch die vorderen Abschnitte beider Füße. Es gewährte den Ein- 
druck, als ob sowohl in der Ohopart’schen, als auch in der Lisfranc- 
schen Gelenklinie weitere Abduktionen eingetreten wären. Höchst 
auffallend waren dabei die Längenverhältnisse der Jahre. Während 
die 2.—4. Zehe ungefähr die gleiche Länge aufwiesen, und die kleine 
Zehe nur wenig hinter ihren Nachbarn zurückblieb, war die große 
Zehe auffallend kurz und erweckte den Eindruck, als ob nur ihr 
Endglied sich frei entwickelt hätte. Daß es sich hierbei lediglich um 
Gelenkverschiebungen, keinesfalls um reelle Verkürzungen ge- 
handelt hat, erhellt aus der Tatsache, daB nach erfolgreicher Be- 
handlung der Fußdeformitäten auch dieZehen ihre richtigen 
Längenverhältnisse wieder erlangt haben. Diese letzterwähnte 
Anomalie verdient namentlich mit Rücksicht auf den Umstand unser 
Interesse, daß wir bei der entgegengesetzten Deformität, am Klump- 
fuß, wie J. an dem Beispiel eines 6jährigen Knaben mit doppel- 
seitigem hochgradigem Pes varus zeigt, das entgegengesetzte Verhalten, 
nämlich eine scheinbare Verlängerung der großen Zehe finden. 
Die in dem speziellen von J. demonstrierten Falle 2 cm betragende 
Verlängerung beider großen Zehen hat sich auch hier mit der Rück- 
bildung der übrigen Formstörungen im Verlaufe der Behandlung zu 
dem normalen Längenverhältnis zurückgebildet. 

Chirurgen-Kongreß 1906. 9 


==: . 130: — 


Exquisit vererbt hat sich die Klumpfußbildung in einer Familie, 
die J. im Bilde vorführt. Vater und drei Kinder zeigen hier 
die schwersten Formen von doppelseitigem Pes varus. 

Zum Schluß demonstriert J. Photographien und Rontgenbilder 
eines Pat. mit der von Cramer neuerdings beschriebenen als Meta- 
tarsus varus bezeichneten angeborenen Störung an beiden Füßen, 
einer Verbiegung der Mittelfußknochen nach innen und unten ohne 
andere Mißstellungen des Fußes, sowie je eines Falles von Hallux 


valgus und varus congenitus bei neugeborenen Kindern. 
(Selbstbericht.) 


Zentralblatt 
CHIRURGIE 


herausgegeben 
von 


E. von Bermann, F. König, E. Richter, 


in Berlin, in Jena, in Breslau. 





Dreiunddreißigster Jahrgang. 


eee ee ree 
Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei halbjähriger 
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten. 


Nr. 38. Beilage. 1906. 


Nachtrag 


zu dem 


Bericht über die Verhandlungen 


der 


Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, 


XXXV. Kongreß, 
abgehalten vom 4.—7. April 1906 
im Langenbeck-Hause. 


‘Beilage zu Nr. 28 d. Bl.) 


Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel in Leipzig. 
1906. 


Inhalt. 
I. Wullstein, Experimentelles aus der Magenchirurgie. 
II. Wulistein, Eine neue Operationsmethode der kongenitalen Luxation der Patella. 
III. Wullstein, Eine neue Operationsmethode der Leistenhernie. 
IV. Wullstein, Demonstration von pathologisch-anatomischen Präparaten, welche 
nach der Eisler’schen Methode konserviert sind. 
V. Wullstein, Diskussion zum Vortrag Graser: Zur Technik der Radikaloperation 
großer Nabel- und Bauchwandhernien. 


Da Herr Dr. Wullstein durch unüberwindliche Verhältnisse verhindert war, 
seine Selbstberichte rechtzeitig einzuliefern, folgen dieselben hier als Nachtrag. 
Red. 


I. 


Wullstein (Halle a. S... Experimentelles aus der Magen- 
chirurgie. 


W. berichtet über seine seit Jahren unternommenen zahlreichen 
Experimente, welche den Zweck hatten, speziell der Therapie des Ul- 
cus ventriculi zu dienen. 

Er hatte, die Resektion als das Idealverfahren beim Ulcus ven- 
triculi betrachtend, dieselbe ohne Eröffnung des Magen- und Darm- 
lumens, d.h. durch Invagination zu machen versucht. 

Am Pylorus gelang ihm das erst, nachdem er sich nur auf den 
Pylorusring als solchen beschränkte und unmittelbar oral- und aboral- 
wärts von diesem die Serosa und Muscularis mit dem Paquelin durch- 
schnitt und die Mucosa zur Verschorfung brachte. 

Bei größeren Invaginationen in der Kontinuität hatten die Ex- 
perimente erst dann ein positives Resultat, als er begann, den zu in- 
vaginierenden Teil nicht nur in seiner Serosa und Muscularis mit dem 
Paquelin zu umschneiden und die Mucosa in dieser Schnittrinne zu 
verschorfen, sondern als er von der ganzen so umschnittenen Partie 
in der Schicht der Submucosa in ganzer Ausdehnung die Serosa und 
Muscularis mit dem Paquelin abtrennte und die Submucosa und Mu- 
cosa möglichst tief zur Verschorfung brachte. Wenn so dem ganzen 
zu exstirpierenden resp. invaginierenden Teile mit dem Paquelin die 
Serosa und Muscularis genommen und die Mucosa verschorft war, 
überstanden die Tiere ohne nennenswerte Störungen die Operation. 

Bei dem Versuche, die Pyloroplastik von Mikulicz durch Ein- 
nähung einer uneröffneten Darmschlinge in die Pylorusschnittwunde 
zu komplettieren, gewann W. interessante Resultate über die Selbst- 
verdauung. Er beobachtete nämlich, daß, wenn er irgendeine Darm- 
schlinge, ohne ihre Zirkulation irgendwie zu schädigen, mit ihrer dem 
Mesenterialansatz entgegengesetzten Seite in das Magenlumen einnähte 
und so der Wirkung des Magensaftes aussetzte, schon nach wenigen 
Tagen die eingenähte Partie der Darmwand verdaut wurde, der Darm 
sich also öffnete und die Schleimhaut der der eingenähten Partie gegen- 
überliegenden Seite der Darmschlinge frei vorlag. 


4 — 134 — 


Gleiche Versuche bei künstlich neutral gemachtem Magensafte der 
Hunde hatten bisher noch kein einwandsfreies Ergebnis. 

Diese durch den Magensaft bewirkte Selbstverdauung des Darmes 
hat W. dann dazu benutzt, die Gastroenterostomie ohne Eröff- 
nung des Magens und Darmes in der Weise herzustellen, daß er 
das Stück in der Magenwand durch Durchschneidung der Serosa und 
Muscularis mit dem Paquelin und flächenhafte Verschorfung der Mu- 
cosa zur Abstoßung brachte, und nachdem diese in 2—3 Tagen statt- 
gefunden, den nun vorliegenden Darm der verdauenden Wirkung des 
Magensaftes überließ. 

Die nach der Literatur häufig beobachteten Verengerungen 
der Anastomose bei der Gastroenterostomie haben W. veranlaßt, auch 
in dieser Richtung Experimente zu unternehmen. W. unterscheidet 
eine primäre, d.h. sofort nach der Operation auftretende Verenge- 
rung bei der Gastroenterostomie und nimmt an, daß dieselbe teils durch 
ein infolge der Operation entstandenes Odem, teils durch zu weit 
stehen gebliebene Schleimhaut bedingt würde. Er hat deshalb bei 
mehreren Patienten sowohl mit Gastroenterostomie als mit Resektion des 
Pylorus ein Dauerschlundrohr! eingelegt, welches, in 120 cm Länge 
nach seinen Angaben gefertigt, in den unteren 50 cm die Circumferenz 
eines starken Schlundrohres, in den oberen 70 cm dagegen so schwach 
ist, daß es, durch die Nase geführt, irgendwelche Druckusuren an 
der Nasenschleimhaut, dem Larynx oder Bronchus nicht verursacht. 
Er hat dieses Schlundrohr, welches noch ca. 20 cm in den Darm 
hineinreicht, so lange, bis die Pat. das Bett verließen, d.h. ca. 10 bis 
12 Tage, liegen lassen und dadurch erstens sofort nach der Operation 
mit forcierter Ernährung — die Pat. bekamen schon am Operations- 
tage bis zu 1 Liter Flüssigkeit in das Dauerschlundrohr injiziert — 
beginnen können, zweitens aber bildete sich an der Stelle der Ana- 
stomose, der Circumferenz des Dauerschlundrohres entsprechend, ein 
weites, rundes Lumen, welches nach Entfernung des Dauerschlundrohres 
weit klaffte, und unter dem sich der Darm senkrecht einstellte; drittens 
aber hatte in den 10—12 Tagen der zumeist ja dilatierte Magen bei 
der langen, absoluten Leere Zeit, sich stark zu kontrahieren, so daß 
nach Entfernung des Dauerschlundrohres von einer eigentlichen Dila- 
tation entweder überhaupt nicht mehr die Rede sein konnte, oder 
dieselbe doch bedeutend verringert war. 

Gegen die sekundäre Verengerung, welche ja, wie in der 
Literatur beschrieben, zuweilen Monate nach der Operation zum völli- 
gen Verschwinden der ursprünglich angelegten Anastomose geführt 
hatte, will W. eine Gastroenterostomie in Anwendung bringen, welche 
er als trichterförmige Gastroenterostomie bezeichnet. Dieselbe, 
an Hunden erprobt, bietet die Vorteile der Roux’schen Y-Methode, 


— — —— — — 


1 Das Dauerschlundrohr kann von dem Instrumentenmacher Fr. Baumgartel 
in Halle a. S. bezogen werden. 


— 135 — [5 


d. h. die Unmöglichkeit des Circulus vitiosus, aber im Gegensatze zu 
Roux ohne Kontinuitätstrennung des Darmes. Dabei hat der Darm, 
an der großen Kurvatur des Magens angenäht, ebenso wie bei der 
Y-Methode einen völlig senkrechten Abgang vom Magen. Diese Me- 
thode hat aber im (segensatz zur Roux’schen den Vorteil, daß, wäh- 
rend bei der Roux’schen Y-Methode die Circumferenz des Darmes an 
der Annähungsstelle durch die Annähung als solche notgedrungen eine 
gewisse Verengerung erleiden muß, W. bei seiner Methode diese An- 
nähungsstelle beliebig groß, d. h. talergroß, Smarkstückgroß und größer 
gestalten kann. Diese Trichterbildung, bei welcher der weite Teil 
des Trichters zur Annähung an den Magen kommt und der spitze 
Teil des Trichters durch den abführenden Teil des Darmes gebildet 
wird, wird dadurch herbeigeführt, daß der Darm zu einer Schlinge 
eingeschlagen und so vernäht wird. Wie diese Schlingenbildung und 
somit die Flächenvergrößerung herbeigeführt wird, erklärt vielleicht 
noch besser ein Vergleich dieser Art der Gastroenterostomie in ihrer 
Form mit einem Schneckenhaus; dabei würde der weite offene Teil 
des Schneckenhauses gebildet von dem zuführenden Teil und der 
schlingenförmig eingeschlagene und schließlich sich zur Spitze verjüngende 
Teil des Schneckenhauses von dem abführenden Teile der verwandten 
Darmschlinge. 

Das gleiche Prinzip der Flächenvergrößerung hat W. auch be- 
nutzt, um Defekte nach umfangreichen Resektionen aus der Kontinui- 
tät des Magens dadurch zu decken, daß er ein Stück des Dünndarmes 
mit seinem Mesenterialansatz aus der Kontinuität herausnahm, entspre- 
chend schlingenförmig vereinigte, dadurch eine beliebig zu vergrößernde 
Darmfläche gewann und diese in den Defekt der Magenwand einnähte. 

Die Beschreibung dieser Plastik ist ebenso wie die der trichter- 
förmigen Gastroenterostomie in einem kurzen Referat ohne Abbildun- 
gen nur schwer möglich. 

Zum Schluß erwähnt W. ganz kurz, daß er die Operationen, so- 
weit der Darm in Betracht kam, ebenso wie andere Experimente an 
der Milz, Leber usw. unter Blutleere ausführte, und diese Blutleere 
wurde in möglichst schonender Weise durch ein Instrument bewirkt, 
welches W. demonstriert und als pneumatische Klemme bezeichnen 
möchte. 


6) — 136 — 


II. 


Wullstein (Halle a. S.). Eine neue Operationsmethode der 
kongenitalen Luxation der Patella. 


W. beschreibt, nachdem er die bisher üblichen Operationsmethoden 
der habituellen und kongenitalen Luxationen der Patella erwähnt hat, 
kurz eine Methode, welche unter all den bisher üblichen einzig und 
allein als »Kapselplastik« bezeichnet werden kann. Angewandt hat 
W. dieselbe bei einer völlig irreponiblen kongenitalen Luxation der Pa- 
tella, bei der die Patella fast gänzlich unverschiebbar an der Außen- 
seite des Kniegelenkes stand. 

Von der Ansicht ausgehend, daß bei solchen Luxationen die Zir- 
kumferenz der Kapsel nicht vergrößert ist, sondern nur ein großes 
Mißverhältnis zwischen innerem und äußerem Kapselteile besteht, hat 
W. den Überschuß des inneren Kapselteils, der nach Umschneidung 
der Patella und Reposition der Patella an ihre normale Stelle zurück- 
blieb, benutzt und in den gleich großen Defekt, welcher nach der 
Reposition an der Außenseite der Patella resultieren mußte, eingenäht. 
Die Möglichkeit der Deckung dieses großen Kapseldefektes war in 
diesem Falle die unbedingte Voraussetzung für jede operative Maßnahme. 

Zu diesem Zwecke machte W. einen hufeisenförmigen Hautschnitt, 
welcher ca. handbreit oberhalb des einen Epicondylus begann, nach 
unten konvex über die Tuberositas tibiae verlief und wiederum ca. 
handbreit oberhalb des anderen Epicondylus endigte, und präparierte 
den Hautlappen nach oben zurück. Darauf mobilisierte er (s. die Ab- 
bildungen) Patella (P), Quadricepsansatz — M. vastus externus (M. 
v. e.), M. rectus femoris (M. r. f.) und M. vastus internus (M. v. i.) — 
und Ligamentum patellae (Lig. pat.), indem er den Quadricepsansatz 
und das Lig. patellae stumpf von dem oberen resp. unteren Recessus 
der Kapsel abpräparierte, und umschnitt die Kapsel, und zwar den 
aponeurotischen und synovialen Teil, an der äußeren Hälfte 
der Patella ca. 6—7 mm vom Patellarrand entfernt in der Linie ab ab. 

In gleicher Weise wurde, nachdem die Insertion des M. vastus 
internus (M. v. i.) um einige Zentimeter zurückpräpariert und temporär 
zurückgelegt war, die Kapsel an der Innenseite der Patella durch- 
schnitten in der Linie cd cd, und zwar so, daß dieser Schnitt oben 
hinter der Mitte des Rectusansatzes und unten hinter der Mitte des 
Ligamentum patellae in die Endpunkte der äußeren Umschneidung 
ab ab auslief. Dann legte W., dem Überschuß des inneren Kapsel- 
teiles entsprechend, einen dritten Kapselschnitt ef ef an, welcher dieser 
eben erwähnten inneren Umschneidung cd cd parallel verlief, oben und 
unten bis zur Ansatzstelle der Kapsel reichte und mit nach innen ge- 
richteter Konvexität über den Condylus internus femoris (C. i. f.) verlief. 


24.437 [7 


So stellte der aus der Kontinuität gelöste Überschuß des inneren 
Kapselteiles einen konvex nach innen gerichteten Lappen dar, welcher 
eine obere (O. B.) und untere (U. B.) Basis hatte. Dieser Lappen, 
welcher genau in seiner Breite der Breite des Kapseldefektes an der 
Außenseite nach Resposition der Patella entsprechen mußte, ließ sich 
nun leicht hinter dem vorher mobilisierten Streckapparat, d. h. Patella, 
Quadricepsansatz und Ligamentum patellae hindurchziehen und darauf 





an der Außenseite der jetzt normal in ihrer Fossa patellae (F. p.) ge- 
legenen und dort durch entsprechende Kapselnaht fixierten Patella 
einnähen. Dabei kamen — selbstverständlich unter strenger Vermei- 
dung der inneren endothelialen Kapselschicht — zur Vernähung (s. Ab- 
bildung 2) der Schnittrand aa mit dd, der Schnittrand ce mit bb und 
schlieBlich der Schnittrand ce mit ff. 

Um den bisher gleichmäßig mit dem M. biceps femoris (M. b. f.) 
als Beuger funktionierenden Quadriceps in seiner neuen Funktion als 


8] =. 438. &= 


Strecker zu unterstützen, nahm W. den M. sartorius (M. s.) aus seiner 
Scheide und nähte ihn (vgl. die Abbildungen) tangential am inneren 
Rande der Patella an. 

Da diese Kapselplastik sich enorm leicht ausführen ließ, irgend- 
eine nachweisbare Blutung im Kapselraum — es wurde unter Blutleere 
operiert — nicht entstand und das funktionelle Resultat sowohl in 
bezug auf Extension als auch auf Flexion ein durchaus gutes ist, so 
empfiehlt W. diese Operationsmethode für alle Fälle von kongenitaler 
irreponibler Luxation der Patella und überhaupt immer dann, wenn 
ein nennenswertes Mißverhältnis zwischen innerem und äußerem Kapsel- 
teile besteht. 


Ill. 


Wullstein (Halle a.S.). Eine neue Operationsmethode der 
Leistenhernie. 


So sehr auch die Therapie der Leistenhernien von Bassini und 
Kocher gefördert ist, und so viele Modifikationen dieser grundlegen- 
den Methoden angegeben sind, immer bestehen noch die Worte von 
v. Bergmann zu Recht, die er auf dem Chirurgenkongreß 1891 in 
der sich an die Vorträge von Landerer und Escher anschließenden 
Diskussion äußerte, daß die Radikaloperation der Leistenhernie bei 
Frauen zwar die besten Resultate liefere, daß seines Erachtens 
aber eine Methode der Radikaloperation der Leistenhernie beim 
Manne, die absolut vor Rezidiven schützt, nie gefunden würde. Es 
bliebe beim Manne, man möge die Operation modifizieren, wie man 
wolle, immer eine Lücke am Bauchfell, an der Durchtrittstelle des 
Samenstranges übrig, die leicht ausgebaucht und damit von neuem 
zur Bildung eines Bruchsackes Veranlassung geben könnte. Dieser 
Übelstand lasse sich nur durch gleichzeitige Kastration vermeiden. 
Und in der Tat ist die Kastration ja auch von den radikalsten Opera- 
teuren zur definitiven Beseitigung des Leistenbruches empfohlen wor- 
den. Andere wiederum, die sich das Ziel gesetzt, den Leistenkanal 
völlig zu beseitigen, um damit gleiche Verhältnisse wie bei der Frau 
zu schaffen, wollten den Hoden zurücklagern in das properitoneale 
Gewebe. In bezug auf die Kosmetik ist diese Operation gleich zu 
erachten der völligen Kastration, und nur wenige Pat. werden für die 
eine oder andere dieser Operationen zu haben sein. 

Auch bei dem von mir geübten Öperationsverfahren ist die völlige 
Beseitigung des Leistenkanales das Ziel der Operation. 

Unter den vielen Modifikationen, welche die Bassini’sche Opera- 
tion erfahren hat, waren es Bommarito, Nélaton und Ombré- 
danne, Frank und Wölfler, welche in gleicher Weise den Leisten- 
kanal völlig zu beseitigen sich bestrebten. 

Bommarito beseitigt den Leistenkanal dadurch, daß er das 
Lig. Pouparti spaltet und den Samenstrang in den Schenkelkanal 


— 139 — [9 


verlagert. — Wohl kaum wird dieses Verfahren von anderen geübt wer- 
den, denn zweierlei Mängel sind es, die ihm anhaften. Erstens wird 
sicherlich der in den Schenkelkanal verlegte Samenstrang eine Prä- 
disposition zum Schenkelbruch abgeben, und zweitens würde es kaum 
ein Operateur unternehmen, das Lig. Pouparti, hen Strang, der das 
Bauchdeckensegel straff gespannt erhält, in seiner Kontinuität und 
Resistenz zu schädigen. 

Frank einerseits und Nelaton und Ombredanne andererseits 

wollten die Beseitigung des Leistenkanales dadurch herbeiführen, daß 
sie nach Zurückklappen 
des medialen Teiles des Fig. 1. 
Poupart’schen Bandes 
resp. Zurückpräparieren 
des Periosts in der Ge- 
gend des Tuberculum 
pubicum im horizontalen 
Schambeinast eine Kno- 
chenlücke resp. -Rinne 
schufen, die sie, um der 
Entstehung einer direkten 
Leistenhernie vorzubeu- 
gen, so knapp bemaßen, 
daß sie den Samenstrang 
nur gerade hineinzwängen 
konnten. — Daß diese 
Methode, abgesehen von 
ihren Autoren, noch von 
anderen geübt wurde, habe 
ich aus der Literatur 
nicht ersehen können; und 
in der Tat, die Frank- 
sche Knochenrinne muß 
nach meinem Dafürhalten 
durch Proliferation von 
seiten des Periosts in 
kurzer Zeit illusorisch 
werden, und bei der Né- 
laton’schen Knochen- 
liicke umgibt den Samen- 
strang von allen Seiten eine Spongiosawundfliche, die ihrerseits zu 
weiteren und voraussichtlich verhängnisvollen Verengerungen führen 
muß. 

Wölfler nahm bei seiner ersten Methode den Hoden mit seinen 
Häuten aus dem Scrotum heraus, schob ihn hinter dem Rectus durch, 
leitete ihn in der Linea alba heraus und an seine Stelle ins Scrotum 
zurück. — In dankenswerter Weise ließ Wölfler schon nach wenigen 
Füllen durch seinen Assistenten v. Frey publizieren, daß er bei dieser 





10) = 140: == 


Operationsmethode üble Folgezustände, wie Hodenatrophie usw., bemerkt 
hätte, und er gab infolgedessen dieses auf völlige Beseitigung des 
Leistenkanales ausgehende Verfahren zugunsten seiner ungefährlichen 
Verlagerung des Rectus wieder auf. 

Gleichwohl das Ideal muß sein: ein völliges Verschwinden 
des Leistenkanales, ein kompletter Verschluß der seitlichen 
Bauchdeckenwand heran bis zum Tuberculum pubicum und 
zum Rectusrand und dabei ein absolut zwangloser Verlauf 
des Samenstranges ohne jede auch nur irgendwie beab- 
sichtigte Einengung desselben. 


Fig. 2. 


M. obl. int. 
Aponeurosis 0 ae — 
M. obl. ext. Daccus h. Inguin. 
* Fascia transversa 
Lig. Poupart. — A. u. V. epigastr. 





Das Verfahren, das ich geübt habe, gestattet eine komplette 
Vernähung des abdominellen Leistenringes und des ganzen 
Leistenkanales in seinen sämtlichen vier Schichten, d. h. der Apo- 
neurose des Externus, Internus, Transversus und der Fascia trans- 
versa mit dem Poupart’schen Bande. Diese Methode, sie gewährleistet 
dem in die Schicht des properitonealen Fettgewebes gelagerten Samen- 
strang \s. Fig. 2 und 3) einen Verlauf, frei von jeglicher Einengung. 
Wie er mit seinem Vas deferens von der Blase und mit seinem Plexus 


= 4 11 


von den Gefäßen in der Schicht des properitonealen Fettgewebes 
kommt, so verläuft er, nachdem er sich um die epigastrischen Ge- 
fiBe herumgeschlagen hat, in der gleichen Schicht des lockersten Ge- 
webes, welches wir ihm zur Verfügung stellen können, hinter der Fascia 
transversa weiter, frei von jeder Einengung. | 

Ich mache einen Hautschnitt, der am Tuberculum pub. (s. Fig. 1) 
beginnt resp. endet, in leichtem Bogen nach oben und ca. 1—2 Quer- 
finger breit vom Poupart’schen Band entfernt demselben ungefähr 
parallel bis zur Gegend des abdominellen Leistenringes verläuft. Der 
so umschnittene Hautlap- 
pen wird bis zu seiner Basis Fig. 3. 
am Poupart’schen Bande | 
zurückpräpariert. Darauf ES * 
wird der Bruchsack isoliert BE 
und der Leistenkanal ge- — 
spalten bis zum abdomi- 2° — 
nellen Leistenring. Der bis 7 
zum abdominellen Leisten- 
ring freipräparierte Bruch- 
sack wird möglichst stark 
hervorgezogen und in der 
gewöhnlichen Weise abge- 
tragen, aber so hoch, daß 
ein nennenswertes Infun- 
dibulum nicht bestehen 
bleibt. Vom Samenstrange 
werden weiter die Crema- 
sterfasern abpräpariert und 
mit dem am Poupart’schen 
Bande befindlichen Lappen 
der Aponeurose des M. 
obliquus externus in Ver- 
bindung gelassen. Oberhalb 
des den JLeistenkanal eröff- 
nenden Schnittes bleiben } J— 
die drei Schichten — Apo- G: f 
neurose des Externus, In- 
ternus und Transversus — 
in festem Zusammenhang. Jetzt wird unter Schonung der epigastrischen 
Gefäße auch die Fascia transversa gespalten, vorläufig bis zur Gegend 
des subkutanen Leistenringes, und der Samenstrang in die nun vor- 
liegende Schicht des properitonealen Fettgewebes (s. Fig. 3) hinein- 
gelegt und die Bauchdecken in allen ihren vier im Zusammenhange 
gebliebenen Schichten, d. h. der Aponeurose des M. obliquus externus, 
des Internus, Transversus und der Fascia transversa unter völligem 
Verschluß des abdominellen Leistenringes mit dem hinteren Rande 
des Poupart’schen Bandes bis fast zur Gegend des subkutanen Leisten- 


ù e Se í X N x Y 
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12} — 142 — 


ringes hin vernäht. Bei der Anlegung dieser Nähte steche ich bei 
jeder einzelnen Naht am Poupart'schen Bande etwas weiter medial- 
wärts aus, als ich an den Bauchdecken eingestochen habe; auf diese 
Weise werden selbst schlaffe seitliche Bauchdecken nach der Mittel- 
linie hin scharf gerafft und gespannt. 

Dann schreite ich zur Bildung eines plastischen Lappens, wie ihn 
die Fig. 4 darstellt, d. h. ich lasse den medianen Hautschnitt durch 
den Assistenten möglichst weit über den Rectusrand nach innen ziehen, 
durchschneide quer die vordere Rectusscheide unmittelbar oberhalb 

der Symphyse über den 
Fig. 4. äußeren zwei Dritteln 
des betreffenden Rec- 

— tus, bis dieser resp. 


— der M. pyramidalis in 
J seinen Fasern sichtbar 
BOSS wird, und von dem 
F bi medianen Ende dieses 


ae Horizontal -Schnittes 

ss führe ich weiter einen 
bogenförmigen Schnitt, 
der am äußeren Rectus- 
rand ungefähr 4 cm 
oberhalb des Tuber- 
culum pubicum endigt, 
nach oben und außen. 
Besser und sicherer 
vielleicht noch ist es, 
wenn man die letzt- 
erwähnte bogenförmige 
Umschneidung des 
Lappens zuerst aus- 
führt und daran erst 
die quere Durchschnei- 
dung der vorderen Rec- 
tusscheide unmittelbar 
oberhalb der Symphyse 
anschließt. 

Dieser so umschnit- 
tene Lappen aus der vorderen Rectusscheide wird mit wenigen 
Messerzügen bis an den äußeren Rectusrand zurück präparariert. 
Ein kleines aus dem Muskel in die Rectusscheide übertretendes Ge- 
fäß muß gewöhnlich dabei unterbunden werden. Wenn der Lappen 
bis zum Rectusrande zurückpräpariert ist, und ich mit den beiden 
Pinzetten auch hier am Rectus in die Schicht des properitonealen 
Fettgewebes eingedrungen bin, hindert mich am völligen Hochklappen 
dieses gebildeten Lappens nur noch, wie es auf der Fig. 5 sichtbar 
ist, der bisher stehengebliebene innere Ringpfeiler. Nachdem derselbe 





— 43 — [13 


unmittelbar oberhalb des Tuberculum pubicum resp. des medialsten 
Teiles des Poupart’schen Bandes mit einem entsprechend gebogenen 
Instrument in der Schicht des properitonealen Fettgewebes umgangen 
ist, wird er, wie die Fig. 5 (siehe die punktierte Linie) es zeigt, auf 
diesem Instrumente gespalten. 
Jetzt ist der gebil- 
dete Lappen, welcher 
innen aus der vorderen | 
Rectusscheide besteht * 
und nach außen vom 8 
Rectusrande sich in die 
aponeurotische Aus- 
strahlung des Externus, 
Internus, Transversus 
und der Fascia trans- 
versa fortsetzt, völlig 
mobil, und es gelingt 
selbst bei großen Brü- 
chen mit großem subku- 
tanem Leistenringe die 
Vernähung der Bauch- 
decken mit dem Pou- 
part’schen Band ohne 
nennenswerte Spannung. 
Dieser der Vorder- 
seite des Rectusrandes 
entnommene Lappen 
wird jetzt hinter den 
stumpf mit der Pinzette 
frei gemachten und vom 
Assistenten mit stump- 
fem Haken erhobenen 
M. rectus verlagert. Mit 
anderen Worten, es wird 
eine plastische Verlagerung dicses Lappens vorgenommen. Bei diesem 
Akt ist, wie überhaupt während der ganzen Operation, der Pat. am 
besten so gelagert, daß Hüft- und Kniegelenke leicht gebeugt sind. 
Bevor jedoch dieser Lappen so verlagert und an der verlagerten 
Stelle fixiert wird, werden erst die drei Nähte gelegt, die zu seiner 
Fixierung notwendig sind, und zwar, wie die Fig. 6 es zeigt, eine 
horizontal gestellte a und zwei senkrecht resp. schräg gestellte b und c. 
Zur Anlegung der unteren Naht a wird der M. rectus am medialsten 
Teile seiner freigelegten Partie unmittelbar oberhalb der Symphyse 
unter Leitung des Fingers von vorn nach hinten durchstochen, die 
Nadel am Rectusrande hervorgeführt und nun an entsprechender Stelle 
durch den unteren Rand des Lappens durchgeführt, nachdem der 
Samenstrang nach oben genommen ist; darauf wird die Naht wiederum 


Fig. 5. 





14) ee A 


von hinten her durch den Rectus geführt, und zwar von der ersten 
Einstichstelle ebensoweit entfernt, wie die Entfernung des Ein- und 
Ausstiches an dem Lappen beträgt. Während bei Anlegung dieser 
Naht der Samenstrang oberhalb derselben liegt, liegt er bei der nun 
folgenden unterhalb derselben. Die erste senkrecht gestellte Naht b 
bleibt so weit von der eben angelegten horizontalen a entfernt, 
daß für den Samenstrang in ganz bequemer, überaus aus- 
reichender Weise Platz ist. Wir verfahren wieder so, daß 
wir am Rectus am medialsten Teile der freigelegten Partie ungefähr 


Fig. 6. 


oO 





2— 21, cm oberhalb der Symphyse einstechen, die Nadel, welche 
selbstverständlich unter peinlichster Vermeidung der Blase durch den 
Muskel geführt wird, am äußeren Rectusrand in Empfang nehmen 
und nun in entsprechender Entfernung von der erstgelegten Naht die 
Nadel durch den plastischen Lappen hindurchführen und, nachdem 
sie dort hindurchgeführt ist, wieder an entsprechender Stelle von hinten 
her den Rectus durchstechen. In gleicher Weise wird eine etwas mehr 


a =: (15 


schräg gestellte dritte Naht mehr dem Rectusrand genähert angelegt. 
Diese Naht kann, wenn wir einen breiten plastischen Lappen bilden, 
— und das letztere wird nie schädlich sein —, oder wenn ausnahms- 
weise bei dem betreffenden Individuum die epigastrischen Gefäße weit 
unten an den Rectusrand herantreten, schon im Bereiche der Arteria 
und Vena epigastrica liegen; dieselben werden dann stumpf mit der 
Pinzette in das properitoneale Fettgewebe zurückgedrängt und so beim 
Anlegen der Naht vor dem Einstechen geschützt. 
Diese drei Nähte 

werden, wie es Fig. 6 Fig. 7. 

zeigt, erst geknotet, 
nachdem sie alle ge- 
legt sind. Der Samen- 
strang verläuft hinter 
dem plastischen Lap- 
pen, d.h. in der Schicht 
des properitonealen 
Fettgewebes, und zwar | 
oberhalb der unteren | 
horizontal gestellten 
Naht a und unterhalb 
der zweiten senkrecht 
gestellten Naht b. So- 
bald jetzt die drei ge- 
legten Nähte angezogen 
werden, wandert der 
auf der Fig. 6 und bei 
der Anlegung der Näh- 
te noch außerhalb des 
Rectusrandes gelegene 
Lappen hinter den 
Rectus, und zwar mit 
. seinem medialen Rande 
soweit medialwärts, wie 
wir es durch die An- 
legung der Nähte be- 
stimmt haben. Bei die- 
ser Wanderung zieht er den Samenstrang schlingenförmig mit (vgl. 
auf Fig. 7 den durch die punktierte Linie dargestellten Verlauf des 
Samenstranges); d. h. der Samenstrang verläuft in der Schicht des 
properitonealen Fettgewebes weiter hinter der aponeurotischen Aus- 
strahlung des Externus, Internus, Transversus und der Fascia trans- 
versa resp. hinter dem plastisch verlagerten Lappen, schlägt sich am 
Rande dieses T,appens um und kommt zwischen dem plastisch ver- 
lagerten Lappen und dem M. rectus zum Rectusrande zurück. Der 
Rand dieses plastischen T,appens resp. die Umschlagsstelle des Samen- 
stranges hinter dem Rectus um diesen Rand liegt, wenn die Operation 








16} ==, 146: = 


richtig ausgeführt ist, schon hinter der medialen Hälfte des betreffen- 
den Rectus, und zwar unmittelbar — jedenfalls in den untersten 
2 cm — oberhalb der Symphyse hinter der Rectusinsertion. | 

Jetzt ist zum völligen Verschluß des lieistenkanales nur noch 
nötig, die zuerst unterbrochene Naht der seitlichen Bauchdeckenwand 
(s. Fig. 7) gegen den hinteren Rand des Poupart’sches Bandes bis zum 
Rectusrand hin zu vollenden, und nichts hindert uns, sie bis zum 
Rectusrand hin in kompletter Weise auszuführen; ja die unterste Naht 
am Rectusrand faßt den letzteren schon fest mit. 

Da nach außen vom Rectusrand es den Bauchdecken an musku- 
lärer kontraktiler Substanz mangelt, so nähe ich nach dem Vorgehen 

von Wölfler den äuße- 
Fig. 8. ren Rectusrand so weit 
wie möglich noch an das 
Poupart’sche Band, in- 
dem ich aber auch bei 
| dieser Naht dem Samen- 
J strange reichlichen Platz 
* belasse. 
IA Jetzt restiert nur 
—J noch, den unteren Lap- 
| s pen der Externus-Apo- 
ER». neurose nach oben zu- 
— rückzuschlagen und, wie 
es Girard getan, dort 
am oberen Teile der 
Aponeurose zu fixieren. 
Zumeist gelingt es aber 
auch noch, zumal wenn 
durch Flexion der Beine 
das Becken aufgerichtet 
und die Bauchdecken 
entspannt werden, den 
Rand der Rectusscheide 
(siehe Fig. 9) bis an die 
Symphyse resp. den un- 
"IS teren Lappen der Ex- 
S) ternus-Aponeurose oder 
F das Poupart’sche Band 
heranzuziehen, so daß 
also auch der vordere 
Teil des Rectus wieder von einer Scheide bedeckt ist. 

So also ist ein kompletter Verschluß der seitlichen Bauch- 
decken bis zum Rectusrand hin und weit darüber hinaus er- 
reicht und der Leistenkanal zum völligen Schwund gebracht. Dabei 
erleidet der Samenstrang keinerlei Kompression oder Aerrung, 
und auch im Gebiete des Rectus erfahren die Bauchdecken keinerlei 


a 
rad 
* 


4i Fi e 





=. 117 i 17 


Resistenzveränderung; denn die gleichen Schichten, welche die Bauch- 
wand bilden, bleiben erhalten, nur mit dem Unterschiede, daß jetzt 
auch im Bereiche des plastisch verlagerten Lappens der M. rectus 
neben der vorderen auch eine hintere Scheide aufzuweisen hat. 
Wenn wir also unter einem Leistenkanal einen die Bauchdecken 
durchsetzenden schrägen Kanal verstehen, dessen Verlauf der Verlaufs- 
richtung des intraabdominellen Druckes entspricht, so können wir von 
dieser Operationsmethode mit Fug und Recht sagen, daß ein solcher 
Kanal nicht mehr existiert, daß derselbe völlig beseitigt ist. 
Jede Möglichkeit zum 


Austritt einer Peritoneal- Fig. 9. 
ausstülpung ist genommen: ala 

Erstens, weil der zwischen — 

dem plastisch verlagerten — 

Lappen und dem M. rectus [I 


für den Samenstrang geblie- 
bene Spaltraum so absolut 
unmittelbar oberhalb der 
Symphyse gelegen ist, daß | 
selbst die peritoneale Um- | 
schlagstelle wohl nicht mehr 
in Betracht kommt; und 
zweitens, selbst wenn wir 
noch in deren Bereich ope- 
rieren sollten, so wäre das 
an einer Stelle, wo von einem 


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intraabdominellen Druck — 
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überhaupt nicht mehr die 2 
Rede sein kann. Anderer- — 


seits ist diese Verlaufsrich- 
tung des für den Samen- 
strang gebliebenen Schlitzes 
eine dem intraabddominellen 
Druck gerade entgegenge- 
setzte. Es wird also nicht 
nur, selbst bei dem stärksten 
intraabdominellenDruck und 
vorausgesetzt, daß die peri- 
toneale Umschlagsstelle noch als nennenswerter Faktor hier in Be- 
tracht kommt, sich Peritoneum in diesen Spaltraum, obgleich wir ihn 
so groß lassen, daß der Samenstrang sich in ihm beliebig tummeln 
kann, nicht nur nicht hineinpressen, sondern im Gegenteil, je stärker 
der intraabdominelle Druck ist, desto stärker wird der verlagerte 
plastische Lappen von hinten her an die hintere Rectuswand angepreßt 
und der Möglichkeit der Entstehung einer Hernie entgegengearbeitet. 
— Kurz, wir haben noch idealere Verhältnisse als bei der gleichen 
Operation beim Weibe, wo wir, wenn wir die Genitalorgane nicht 


en 
fn 
en. 





18) — 1488 — 


event. schädigen wollen, doch immerhin dem Lig. rotundum einige 
Rücksicht schuldig sind. 

Und dem entsprechend sind die Resultate bei den 19 bisher — 
der erste Fall wurde im März 1905 operiert — nach dieser Methode 
von mir operierten Pat., welche indirekte und direkte, reponible und 
irreponible, kleinere und überaus große Brüche hatten und bis auf 
einen 6jährigen Knaben sämtlich Erwachsene, zum Teil alte Männer 
waren. 

In allen Fällen war die Heilung eine primäre und die Resul- 
tate so sichere, daß ich kein Bedenken trug, die Pat. durchschnittlich 
8—14 Tage nach der Operation aufstehen und in einigen Fällen schon 
9—12 Tage nach der Operation nach Hause zu lassen. 

Ein Rezidiv ist bei primärer Heilung eine absolute Un- 
möglichkeit, eine Schädigung des Hodens oder Samenstranges bei 
vorschriftsmäßig ausgeführter Operation völlig ausgeschlossen. 


IV. 


Wullstein (Halle a. S.). Demonstration von pathologisch- 
anatomischen Präparaten, welche nach der Eisler’schen 
Methode? konserviert sind. 


W. demonstriert Präparate, und zwar Knochengelenkpräparate, 
Hirnschnitte, Schnitte von Nierentumoren (s. Fig. 1), Pyonephrose mit 
Nierensteinen (s. Fig. 2) und Medianschnitte von Becken mit den 
Beckenorganen (s. Fig. 3 und 4), welche in Glyzeringelatine eingelegt 
sind. 

Diese Methode ist besonders geeignet zur Konservierung von 
Präparaten, welche, wie das Gehirn, leicht auseinander fallen, und bei 
denen es, wie bei Nierensteinen oder wie bei Hohlorganen, der Ge- 
lenkkapsel, dem Blasenlumen usw. auf die Erhaltung der Form an- 
kommt. 

Die Präparate werden in Formalin oder in Kaiserling’scher 
Lösung in toto gut gehärtet und dann in gefrorenem oder ungefrore- 
nem Zustande mit Säge oder Messer in die gewünschten Schnitte zer- 
legt. Die dabei auf der Schnittfläche entstandenen Verunreinigungen 
durch Sägemehl usw. werden vorsichtig mit den Fingern oder einem 
weichen Pinsel entfernt, und zwar am besten in 50%igem Alkohol, in 
welcher Flüssigkeit die Präparate 2—3 Tage liegen bleiben. Dann 
werden die Präparate ungefähr für die gleiche Zeit in Glyzerinwasser 
(zu gleichen Teilen) gelegt, um schließlich in runde, möglichst plane 
Glasschalen mit Glyzeringelatine eingegossen zu werden. 

Wichtig ist, daß die Glyzeringelatine absolut klar ist; das er- 
reicht man am besten in der Weise, daß man 100 g beste weiße 


ı Eisler, Verhandlungen der anatomischen Gesellschaft, XVI. Versammlung 
in Halle a. S. 1902, p. 244. 


=; Wen [19 


Gelatine in kaltem Wasser quellen und diese in 1000 ccm auf dem 
Wasserbade erhitzten Wassers schmelzen läßt, dazu 1000 ccm besten 
Glyzerins gießt, zur Vermeidung der Schimmelbildung etwas Phenol 
(1:100) und zur völligen Klärung ein zu Schnee geschlagenes Eiweiß 
hinzutut und das Ganze in geheiztem Trichter durch ein Faltenfilter 
oder einen Wattepfropf filtriert. 


Fig. 1. 





Zu den weiteren Manipulationen muB die Gyzeringelatine flüssig 
erhalten werden auf dem Wasserbad, und zwar genau bei 50—55° C, 
wenn anders die Klarheit und Durchsichtigkeit der Gelatine nicht 
leiden soll. 

Mit der fliissigen Glyzeringelatine wird der auf eine eingefettete 
Glasplatte gelegte Schnitt ganz langsam übergossen, bis er von 
einer leicht konvexen Gelatineschicht überzogen ist. Dieses Übergießen 
muß um so langsamer geschehen, je mehr Hohlräume vorhanden sind, 
und dabei müssen alle Luftblasen mit einem Glasstäbchen oder Glas- 


20) = 150. = 





Fig. 3. 





V. u. = Vesica urinaria. T. = Tumor (Sarkom) im Mesokolon. 
R. = Rektum. Fi. s. = Flexura sigmoidea. 
S. = Symphyse. U. = Urethra. 


> 
Digitized by Google 
ro 


=. Sal. — [21 


röhrchen auf das sorgfältigste entfernt werden. Darauf wird der 
Schnitt von der Glasplatte abgehoben und mit der konvex gelatinier- 
ten Seite in eine plane Glasschale gelegt, welche, in Wasser von 55° C 
schwimmend, entsprechend erwärmt ist. Dadurch wird die über der 
Schnittfläche befindliche konvexe Gelatineschicht gelöst, und der Schnitt 
legt sich dem Boden der Glasschale fest an, wobei wieder auf das 
peinlichste darauf zu achten ist, daß nicht etwa Luftblasen zwischen 
Präparat und Glas zurückbleiben. Zu dieser Kontrolle plaziert man 
die Glasschale am besten auf einem Stativ so, daß die Unterfläche 


Fig. 4. 





V. u.= Vesica urinaria. R. = Rektum. S. = Symphyse. 
P. = Prostata. U. = Urethra. 


der Glasschale resp. des Präparates von Zeit zu Zeit der Betrach- 
tung bequem zugiinglich ist. Ist dann der Schnitt durch eine geringe 
zugegossene und erstarrte Gelatineschicht am Boden der Glasschale 
zum Haften gebracht, so kann dann unter weiterer sorgfältiger Ent- 
fernung der Luftblasen so viel Gelatine zugegossen werden, bis der 
Schnitt völlig bedeckt ist. 

Gewöhnlich kommt es an dem fertig gegossenen Präparate nach- 
träglich noch zu einer geringen Schrumpfung der Gelatine; deshalb 
ist es untunlich, die Glasschale vollständig mit Gelatine zu füllen und 
einen Deckel aufzulegen, da sonst leicht bei eintretender Schrumpfung 
Luftblasen zwischen Gelatine und Deckel auftreten. > 


Bei der horizontal auf einem Holzstativ (s. Fig. 2—4' montierten 
Glasschale läßt man infolgedessen den Deckel am besten ganz weg und 
stellt die Glasschale mit ihrem freien Rand in eine ausgesehnittene Rinne 
des Holzstativs; auf diese Weise ist der Deckel ganz entbehrlich; die 
Oberfläche der Gelatine ist durch das Stativ vor Staub geschützt, und 
eine event. nachträglich eintretende Schrumpfung der Gelatine kann 
unangenehme Folgezustände nicht zeitigen. 

Bei aufrecht auf Stativen (s. Fig. 1) angebrachten Glasschalen 
schneidet man den Deckel so klein, daß er unter einem gewissen 
Spielraum in die Schale hineingelegt und der die Schale nur unvoll- 
kommen ausfüllenden Gelatine unmittelbar aufgelegt werden kann. 

Sollten trotz dieser Vorsichtsmaßregeln gelegentlich mal in der 
Gelatine oder zwischen Gelatine und Deckel Luftblasen auftreten, so 
schneidet man das Präparat so knapp wie möglich aus der Gelatine 
aus und gießt es von neuem. 

Wenn die Methode auch umständlich und etwas teuer ist und 
die exakteste Ausführung voraussetzt, so werden damit für den Unter- 
richt doch Demonstrationsobjekte gewonnen, mit denen keine andere 
Methode der Konservierung und Fixierung in Konkurrenz treten kann. 

Die Medianschnitte von Becken, welche W. angefertigt hat, ver- 
anschaulichen 

1) die physiologische Impression der Blase durch den Uterus, 

2) eine Impression der Blase durch ein Sarkom des Mesokolon 
bedingt (s. Fig. 3‘, 

3) eine Impression bei einer durch Retentio urinae infolge von 
Prostatahypertrophie vergrößerten Blase, welche durch das 
Promontorium bedingt ist (s. Fig. 4), und 

4) eine doppelte Impression an der Blase, welche einerseits durch 
eine linksseitige dystopische Niere und andererseits durch das 
nach rechts verlagerte Rektum bedingt ist. 


V. 


Wullstein (Halle a.S.). Diskussion zum Vortrag Graser (52): 
»Zur Technik der Radikaloperationen großer Nabel- und Bauch- 
wandhernien«. 


Meine Herren! Ich habe in der v. Bramann’schen Klinik in 
Halle mehrere Male Gelegenheit gehabt, große Bauchwandhernien in 
der Mittellinie zwischen Brustbein und Nabel zu operieren, welche 
dadurch entstanden waren, daß längere Zeit nach der Operation die 
Wunde tamponiert werden mußte. 

Im speziellen operierte ich in einem Falle, bei dem Geh.-Rat. 
v. Bramann 2!/, Jahr zuvor eine Pankreascyste operiert hatte. Die 
Tamponade und die Drainage, unter der die Cyste zur Ausheilung 
kam, währte mehrere Wochen. Der Endeffekt mußte natürlich eine 
Bauchwandhernie sein; welche fast Handgröße hatte. 


— 153 — (23 


Da dieselbe dicht unterhalb der Rippenbögen begann, hatte ich 
Bedenken, ob ich wohl die Mm. recti nach Mobilisierung in ihrer 
Scheide zur Vereinigung bringen könnte. Und so dachte ich denn 
daran, vom Pectoralis major, der ja mit dem untersten Teile seiner Portio 
sternocostalis noch vom medialsten Teile des Rippenbogens seinen Ur- 
sprung nimmt und außerdem eine konstante Ursprungszacke (Portio 
abdominalis) an dem vorderen Blatte der Scheide des M. rectus abdo- 
minalis hat, den äußeren Rand abzuspalten, den abgespaltenen Teil kurz 
vor seiner Insertion am Oberarm zu durchtrennen und so den nur noch 
an seiner Ursprungsstelle haftenden Teil des Muskels nach unten um- 
zuschlagen und in den Muskeldefekt einzunähen. Die anatomische 
Präparation an der Leiche zeigte mir jedoch, daß dieses Vorgehen 
nicht zu einem funktionell guten Resultate führen könnte, weil diese 
Muskelplastik nicht ausführbar war ohne Durchschneidung oder Durch- 
reißung des Nerven; mithin wäre das von Hildebrand aufgestellte Po- 
stulat nicht erfüllt, nach welchem ein zur Muskelplastik resp. Muskel- 
transplantation verwandter Muskel, falls er als solcher nicht zugrunde 
gehen soll, durch intakte Nerven mit seinem motorischen und trophi- 
schen Zentrum in Verbindung bleiben muß und die mit den Nerven ein- 
tretenden Gefäße erhalten bleiben müssen. Der implantierte Muskelteil 
hätte mithin seine Kontraktionsfähigkeit eingebüßt, wäre also funk- 
tionell nur noch einer Bindegewebsmasse gleich zu erachten gewesen, 
und ein Rezidiv würde unter diesen Umständen die voraussichtliche 
Folge gewesen sein. 


Fig. 1. 


. TE 
Sn 77— nD 9 — 
rattan 





Ich ging infolgedessen doch daran, eine Vereinigung der Mm. recti 
zu versuchen. Beide wurden in ihrer Scheide isoliert, und nachdem 
diese Isolierung möglichst weit noch über den Rippenbogen hinauf bis 
zu ihrem äußersten Ursprunge fortgeführt war, gelang die Vereinigung 
der Muskeln unschwer. 


24) — 154 — 


Zur Isolierung und Mobilisierung der Muskeln in ihrer Scheide 
spaltete ich die Scheide des einen und anderen M. rectus in verschie- 
dener Weise, und zwar, wie es die schematischen Zeichnungen ver- 
anschaulichen sollen, die des Muskels A ungefähr an der Mitte der 
Vorderseite in der Linie a und die des Muskels B an der Mitte der 
Hinterseite in der Linie b. Den von der Spaltungslinie a und b medial- 
wärts gelegenen vorderen, resp. hinteren Scheidenteil präparierte ich 
bis über die medialen Muskelränder hinweg von den Muskeln resp. 
den in demselben gelegenen Inskriptionen ab und erhielt so zwei apo- 
neurotische Lappen. 

Am Muskel A, wo ich die Scheide vorn (s. Fig. 2) in der Linie a 
gespalten hatte, erhielt ich einen mit der Hinterseite der Rectusscheide 
in Verbindung bleibenden, breiten, aponeurotischen Lappen a und am 
Muskel D, wo ich an der Hinterseite die Spaltung der Scheide in der 
Linie b vorgenommen hatte, resultierte nach dem Zurückpräparieren 
der mit der vorderen Rectusscheide in Kontinuität gebliebene aponeu- 
rotische Lappen ?. Den ersteren « vernähte ich zuerst (s. Fig. 3) mit 
dem gegenüber gelegenen lateralen Spaltungsrande der hinteren Scheide 
des Muskels Bin der Linie d, darauf vernähte ich die in ihrer Scheide 
mobilisierten und verschobenen Muskeln A und B und schließlich über 
den vernähten Muskeln den vorderen aponeurotischen Lappen £ mit 
dem gegenüber gelegenen lateralen vorderen Spaltungsrande a der Scheide 
des Muskels 4. 

Wenn wir die anatomischen Verhältnisse bei dieser Art der Bauch- 
wandhernie und das dabei von mir zur Anwendung gebrachte Operations- 
verfahren betrachten, so liegt ein Vergleich mit der Syndaktylie sehr 
nahe; nur die umgekehrten Verhältnisse haben wir da, das U mge- 
kehrte sucht Didot durch seine Operationsmethode zu erreichen. 

Bei der Syndaktylie haben wir zwei miteinander verwachsene Ge- 
bilde, welche der Trennung bedürfen; hier bei dieser Bauchwandhernie 
haben wir zwei getrennte Gebilde (die Mm. recti), welche wir zur Ver- 
wachsung bringen wollen. Bei der Syndaktylie bildet Didot aus 
den die beiden verwachsenen Finger überdeckenden Hautbrücken einen 
volaren und einen dorsalen Lappen, mit denen er die getrennten Finger 
umkleidet; hier bei der Bauchwandhernie bilde ich bei meinem Ope- 
rationsverfahren aus den die beiden getrennten Mm. recti umkleiden- 
den Scheiden einen ventralen und einen dorsalen Lappen, welche nach 
der Naht die zur Verwachsung bestimmten Mm. recti als Aponeurose- 
brücken überdecken. 

Und bei diesem Vorgehen wird die Innervation der Mm. recti in 
keiner Weise geschädigt, da die Nerven ausschließlich durch den hin- 
teren lateralen Scheidenteil in die Muskeln eintreten, aus diesem 
Grunde muß auch an dieser Stelle die Mobilisierung der Muskeln 
äußerst schonend vorgenommen werden. 


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Die chirurgisch wichtigen Lokalisationen der tierischen 
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Paul Frangenheim. 
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