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/entralblatt
für
CHIRURGIE
herausgegeben
VOR
E. von Bermann, F. Konig, E. Richter, —
in Berlin, in Jona, in Breslau.
Dreiunddreißigster Jahrgang.
Nr. 27—52.
Leipzig,
Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel.
1906.
+
Maja
Zentralblatt
CHIRURGIE
herausgegeben |
E. vu Boman, F, Kinie E Rite
Dreiunddreißigster Jahrgang.
"Wöchentlich eine Nummer. Preis des 20 Mark, bei halbjähriger
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.
Nr. 27. Sonnabend, den 7. Juli. 1906.
Inhalt: 1) Brentano, Bauchschußwunden. — 2) Sprengel, 3) Höhne, 4) Krehl, Appen-
dicitis. — 5) Maccoulard, Wurmfortsatzhernie. — 6) Cannon und Murphy, Die Bewegungen
des Magen-Darmkanals. — 7) Matthes, Darminfarkte. — 8) Werellus, Darmanastomosierung.
— 9) Curl, Kolostomie und Appendicostomie. — 10) Murray, Die Morgagni’schen Krypten
als Ausgangspunkt von Mastdarmleiden. — 11) Nötzel, Milzverletzang. — 12) Kehr, Gallen-
steinkrankheiten. — 13) Nötzel, Leberverletzungen. :
Tomaschewski, Zar Behandlung mit Bier'scher Stauungshyperämie. (Original-Mitteilung.)
14) Rubritius, 15) Ranzi, 16) Frommer, Stauangshyperämie. — 17) Zahn, Speiseröhren-
kniekung. — 18) Macartney, Bauchfelltuberkalose. — 19) Roll, 20) Carson, Appendicitis.
— 21) Rolleston und Jones, Bisartige Geschwulst des Wurmfortsatzes. — 22) Campbell,
23) Reichborn, 24) Litthauer, Leistenbrüche. — 25) Flaherty, Schenkelbrach. — 26) Nicoll,
Eierstocksbruch. — 27) Brüning, Cardiospasmus. — 28) Michaelis, Autointoxikation bei
Pylorusstenose. — 29) Martin, Duodenalgeschwür. — 30) Burke, 31) De Beule, Gastroentero-
stomie. — 32) Longard, Traumatische Darmstenose. — 33) Zondek, Meckel’sches Darm-
divertikel. — 34) Waring, Aktinomykose der Ileoceecalgegend. — 35) Maunsell, Volvulus
des Blinddarmes. — 36) Lanphear, Gangrän des Dickdarmes. — 37) Läwen, Äußere Fisteln
bei Atresia ani s. recti. — 38) Muscatelio, Mastdarmexstirpation. — 39) Reinecke, 40) Stein,
41) Qu&au, Echinokokken. — 42) Frank, Talmaoperationen.
1) Brentano. Erfahrungen über Bauchschußwunden.
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 14.)
Ein nicht unerheblicher Teil — 35% — der durch den Bauch
Geschossenen, welche nicht der primären Blutung oder einer akuten
Bauchfellentzündung erliegen, stirbt noch in rückwärtigen Lazaretten.
Die Todesursache ist hauptsächlich Spätperitonitis, Pyämie, Nach-
blutung. Erstere geht von abgekapselten intraperitonealen Eiter-
ansammlungen aus. Die Pyämie hat ihren Ursprung gewöbnlich in
intra- oder retroperitonealen Abszessen. Die intraperitonealen Ab-
szesse bilden sich oft weit entfernt vom Orte der Verletzung, und
zwar vorzugsweise im kleinen Becken; ihre Eröffnung geschieht am
besten vom Mastdarm aus. Die Abszesse, die zur Pyämie führen,
sind gewöhnlich klein und bilden sich gern in der Umgebung stecken-
gebliebener Fremdkörper. Da alle Bauchschußverletzten, welche bereits
| 27
746 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27.
operiert waren, als sie in das rückwärtige Lazarett gebracht wurden,
starben, so ist ein Transport derselben zu vermeiden. Zweckmäßig
ist es, wenn die Kranken einen Evakuationsschein mit kurzer Angabe
der Krankengeschichte mitbekommen. Borchard (Posen).
2) O. Sprengel. Appendicitis.
(Deutsche Chirurgie. Lfg. XLVId. 682 S. mit 4 farb. Taf. u. 82 Abb. im Text.)
Stuttgart, Ferdinand Enke, 1906.
S. hat in der vorliegenden Monographie nicht nur das umfang-
reiche Material verwertet, welches die Literatur von den ersten patho-
logisch-klinischen Untersuchungen über die entzündliche Erkrankung
des Wurmfortsatzes zu Beginn der 20er Jahre des vor. Jahrh. bis in
die neue Ara der Appendicitisforschung aufweist, sondern auch®eine
Fülle neuer Beiträge aus seinen von zahlreichen Operationen gewon-
nenen Beobachtungen und Erfahrungen gegeben. Wenn damit auch
noch nicht alle strittigen Fragen völlig aufgeklärt werden, so wird
dennoch das Werk, das viele derselben zur Lösung, bzw. einer solchen
näher bringt, von dauernder Bedeutung, ein sehr wertvoller Besitz
der medizinischen Literatur, eine Zierde der »Deutschen Chirurgie«
bleiben.
Nach einem Verzeichnis der Titel der bis zum 1. Juli 1905 ge-
sammelten Arbeiten über die Appendicitis stellt S. im ersten Teile die
Anatomie und Physiologie des Wurmfortsatzes ausführlich dar, gibt
einen sehr interessanten Überblick über die Geschichte der Krankheit,
die ihr beigelegten Namen und ihre Einteilung und bespricht weiter-
hin ihre pathologische Anatomie:
I. Die Veränderungen am Wurmfortsatze selbst,
a. bei der akuten Appendicitis simplex und destructiva,
b. bei der chronischen Appendicitis,
c. den Folgeerscheinungen abgelaufener A'ppendicitis (Striktur
und Stenose, Obliteration, Hydrops, Empyem).
Auf Grund seiner anatomischen Befunde und histologischen Unter-
suchungen kommt er bezüglich der Pathogenese der Appendicitis zu
folgenden Schlüssen: Das anatomische Bild der akuten Appendicitis
im frühesten Stadium ist das einer akuten Infektion der Schleimhaut.
Die weitere Entwicklung der anatomischen Veränderungen ist ab-
hängig von der Intensität der Entzündung, von der akuten Verschwel-
lung der Wurmfortsatzschleimhaut und dadurch bedingten Retention.
Die umschriebene Verschwellung findet sich mit ganz auffallender
Häufigkeit bei Gegenwart von Kotsteinen im Wurmfortsatz und ver-
schwindet nicht, wenn solche vorhanden sind, sondern bleibt bestehen
und gibt zu dem Vorgange der Retention mit ihren destruktiven Folgen
für die Wandung des Organes Anlaß. Die Perforation entsteht in
solchen Fällen durch Berstung der einen Kotstein enthaltenden Wurm-
fortsatzspitze nach dauernd gewordener Schleimhautverschwellung proxi-
malwärts. S. hat Kotsteine in 73 von 150 Fällen, und zwar in 62
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 747
von Appendicitis destructiva und in 11 von Appendicitis simplex ge-
funden, während von den 77 Fällen ohne Kotsteine 36 Fälle von
Appendicitis destructiva und 41 von Appendicitis¥ simplex betrafen.
Er hält es deshalb für wahrscheinlich, daß die Kotsteine für die
schlimmeren Formen oder für die Verschlimmerung der Form von
Bedeutung sind oder für die Entwicklung der Krankheit mehr Be-
deutung haben, als für die Entstehung derselben. Nach einer sehr
eingehenden kritischen Besprechung der prädisponierenden und Ge-
legenheitsursachen sucht S. sodann die Frage nach dem eigentlichen,
im letzten Grunde entscheidenden und veranlassenden Moment der
Erkrankung zu beantworten. Auch nach seiner Ansicht handelt es
sich um eine bakterielle Infektion nicht spezifischer Natur, in den
ersten Anfängen der Appendicitis um ein rein lokales Leiden. Bezüg-
lich des Mechanismus der Infektion lehnt Verf. die Aschoff’sche
Theorie nicht unbedingt ab.
Im zweiten Teile des die pathologische Anatomie behandelnden
Abschnittes werden
II. die Veränderungen in der Umgebung des Wurmfortsatzes und
die Komplikationen der Appendicitis (Miterkrankung der Lymphapparate,
der Blutgefäße und der weiblichen Geschlechtsorgane) geschildert. Die
ersteren teilt S. in folgender Weise ein:
A. Freie (diffuse) Peritonitis
a. seröse oder toxische Peritonitis (Peritonismus, chemische
Peritonitis),
b. eitrige oder bakterielle Peritonitis.
B. Begrenzte Peritonitis.
Den schützenden Wert der nach früheren Anfällen zurückbleiben-
den Verwachsungen schlägt Verf. nicht hoch an; er gibt aber zu, daß
diese die Lage des Wurmfortsatzes für zukünftige Entzündungen
günstig beeinflussen können. Neben der Lagerung des Wurmfort-
satzes ist die verschiedene Virulenz der Entzündungserreger dafür
verantwortlich zu machen, wenn es in einem Falle zu diffuser, in dem
anderen zu begrenzter Entzündung im Bauchraume kommt — freilich,
wie S. hinzufügt, ein ungemein variabler, schwer zu beurteilender
Faktor! Hinsichtlich der pathologischen Vorgänge am Wurmfortsatz
ergaben Verf.s Untersuchungen folgendes Resultat: Bei der Peritonitis
libera purulenta befand sich der Wurmfortsatz in der überwiegenden
Zahl (ca. 90%) im Zustande der Appendicitis destructiva, und zwar
nicht bloß destruiert, sondern meist auch perforiert; die Appendicitis
simplex kam als Grundlage der Peritonitis libera purulenta in etwa
1/,g der Fälle vor. — Sehr interessant ist die durch die zahlreiche
Abbildungen illustrierte Schilderung der intraperitonealen Abszesse
— parietaler (Tleo-inguinal-, Lumbal- oder Postero-parietal-, Antero-
parietal-, Rektal- oder Pelvicaltypus) und meso-coecaler Typus —,
welcher die der retroperitonealen und retrofascialen Lokalisation der
Periappendicitis purulenta folgt, überall mit eigenen Beobachtungen
27°
148 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27.
und Untersuchungen S.’s und daraus gewonnenen Lehren in wert-
vollster Weise bereichert.
An den über 200 Seiten umfassenden pathologisch-anatomischen
Teil schließt sich von gleicher Reichhaltigkeit und Bedeutung der
klinische an. Auch dieser hat wie jener dadurch, daß S. immer an
der Hand seiner eigenen großen Erfahrungen den Standpunkt anderer
Autoren kritisch betrachtet, um den seinigen um so schärfer hervor-
treten zu lassen, ein ziemlich starkes, subjektives Gepräge, wie es aber
gegenüber dem andauernd so lebhaft diskutierten Thema und einem
von inneren Medizinern und Chirurgen so heiß umstrittenen Gebiet
nicht unberechtigt erscheinen darf. Wer dem Verf. in seinen bis in
die feinsten Einzelheiten eingehenden Schilderungen der Krankheits-
bilder, insbesondere ihrer sog. Kardinalsymptome, der klaren Darstel-
lung der Diagnose und Differentialdiagnose folgt, wird schließlich nicht
anders können, als die Folgerungen anzunehmen, die S. seit Jahren
für die Therapie der Appendicitis gezogen hat und die am Ende jedes
Abschnittes in eindringlichen Schlußsätzen wiedergegeben sind. Scharf
werden die Indikationen der von 8. als einem der ersten empfohlenen
Frühoperation, der Operation im intermediären und im Spätstadium
der Krankheit gestellt, die Berechtigung zu ihnen durch die von Verf.
und anderen Chirurgen erreichten Resultate nachgewiesen und schließ-
lich mit großer Sorgfalt die Technik des intraperitonealen Vorgehens
in jenen Stadien, wie im freien Intervall ausführlich beschrieben.
Möchte das schöne Werk, namentlich auch von inneren Medizinern
und praktischen Arzten, ernsten Studium gewürdigt werden!
Kramer (Glogau).
3) E. Höhne. Über den gegenwärtigen Stand der Frage
der Blinddarmentzündung.
(Med. Klinik 1906. Nr. 19.)
Übersicht über die heutige Anzeigenstellung für die Operation
mit besonderer Berücksichtigung der pathologischen Anatomie. Warme
Empfehlung der Behandlung jedes Falles von Blinddarmentzündung
von Anfang an durch den chirurgisch geschulten Arzt sowie der Früh-
operation. Abwägung der Aussichten der Früh- und Spätoperation
und der inneren Behandlung bei Heeresangehörigen, bei denen unter
Umständen ein mehr abwartendes Verhalten am Platz ist.
Georg Schmidt (Berlin).
4) Krebl. Einige Bemerkungen über die Behandlung der
Blinddarmerkrankungen.
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 17.)
K. ist kein unbedingter Anhänger der Frühoperation, sondern
empfiehlt sie nur bei Fällen mit schweren Erscheinungen (heftigste
Schmerzen, stürmisches Erbrechen, Einwirkungen auf den Puls, Bauch-
deckenspannungen, ernstere Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens).
Ebenso empfiehlt er auch nicht die Intervalloperation in allen Fällen.
Borchard (Posen).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 149
5) Maccoulard. Etranglement herniaire de lappendice et
appendicite herniaire.
(Arch. prov. de chir T. XV. 1906. Nr. 4. April.)
Die entzündlichen Erscheinungen, die bei Anwesenheit des Wurm-
fortsatzes in einer Hernie beobachtet sind, sind von den Autoren
bald als Brucheinklemmung des Fortsatzes, bald als Appendicitis im
Bruchsacke gedeutet worden. Klinisch ist es unmöglich, aus den
Symptomen eine sichere Diagnose zu stellen, ja selbst bei der Opera-
tion ist es nicht selten unmöglich, zu bestimmen, welcher von beiden
Zufällen vorliegt. Nach Ansicht des Verf. handelt es sich in der-
artigen Fällen der Mehrzahl nach um eine Einklemmung des herniösen
Wurmfortsatzes, nicht um eine Appendicitis im Bruchsack. Denn
während die entzündlichen Anfälle des in der Bauchhöhle gelegenen
Fortsatzes überwiegend im jugendlichen Alter vorkommen, werden die
Entzündungen des in einem Bruchsacke gelegenen Wurmfortsatzes im
reiferen und im Greisenalter beobachtet, in den Altersperioden, in
denen auch die Brucheinklemmungen am häufigsten auftreten. Wenn
ein deutlicher Schnürring vorhanden und der proximale Teil des
Wurmfortsatzes nicht oder nur gering verändert ist, kann an dem
Bestehen einer Einklemmung ein Zweifel nicht bestehen. Sehr oft
sind aber die Verhältnisse bei der Operation bereits vollständig ver-
wischt. M. gibt die genaue Krankengeschichte eines selbst beobachteten
Falles von Einklemmung des Wurmfortsatzes in einem Schenkelbruch
bei einer 78jährigen Frau und fügt fünf weitere Fälle aus der fran-
zösischen Literatur an. Müller (Dresden).
6) Cannon and Murphy. The movements of the stomach
and intestines in some surgical conditions.
(Annals of surgery 1906. April.)
Verff. beobachteten im Röntgenbilde die Bewegungen des ge-
sunden und des durch Operationen angegriffenen Magen-Darmkanales.
Zu diesem Zwecke fütterten sie Katzen mit einem Wismut-Nahrungs-
gemisch, und zwar die operierten Katzen nach dem Erwachen aus der
Narkose, legten die Tiere auf den Röntgenschirm und pausten die
Bewegungen auf Papier durch. Die Resultate der interessanten Ver-
suche sind kurz folgende: Im normalen Magen und bei normaler Kost
beginnen die Magenbewegungen 10 Minuten nach der Nahrungsauf-
nahme, und ist der Magen in etwa 3 Stunden wieder leer. 2) Nach
Darmresektionen von etwa 8 Zoll Länge begannen die Magenbewegun-
gen ebenfalls sehr bald nach der Nahrungsaufnahme, doch blieb der
Pylorus krampfhaft geschlossen und erst nach Ablauf von 5—6 Stun-
den trat Mageninhalt in den Darm. Verff. glauben, es sei dieser
reflektorische Schluß des Pförtners eine Art Selbstregulierung des
Körpers, damit nicht eher etwas in den Darm trete, bevor eine peri-
toneale, etwa in 6 Stunden eintretende Verklebung eingetreten ist.
3) Bei End-zu-Endvereinigung der resezierten Darmenden ging der
750 Zentralblatt fiir Chirurgie. Nr. 27.
Darminhalt ohne StockenTdurch die Stelle der Vereinigung hindurch,
während bei seitlicher Anastomosenbildung stets an der Stelle der
Anastomose eine Aufstauung der Speisen — wahrscheinlich infolge
der einseitigen Durchschneidung der zirkulären Muskelfasern — ein-
tritt. 4) Nach Abbindung des Darmes, 25 cm unterhalb des Pylorus,
wurde die Nahrung zunächst gegen den verlegenden Ring geschleudert,
dann trat ein Zerfallen derselben in einzelne Teile ein, und schließ-
lich strömte sie !nach} dem Pylorus zurück. 5) Nach künstlicher
Thrombosierung der Gefäße eines Dünndarmabschnittes lagen Magen
und Darm völlig ruhig. 6) Die Äthernarkose, die Berührung der
Därme mit der Luft übten keinen, langdauerndes Betasten der Därme
aber einen deutlichen verlangsamenden Einfluß auf die Beweglichkeit
der Därme aus. Verff. glauben, daß sich die geschilderten Einflüsse
bei asthenischen Personen in erhöhtem Maße zeigen werden.
Herhold (Altona).
7) M. Matthes. Über anämische und hämorrhagische Darm-
infarkte.
(Med. Klinik 1906. Nr. 16.)
Auf Grund dreier beobachteter, operierter und ausführlich mit-
geteilter Fälle von Darminfarkt hebt M. aus dem Krankheitsbilde
einige für die richtige Erkennung und damit für die einzig aussichts-
volle Behandlung — Resektion — wichtige Fingerzeige hervor: 1) eine
auffallend hohe, sonst nicht zu; erklärende, akut einsetzende Pulszahl
bei einer akuten Verdauungserkrankung bei Ausschluß von örtlicher
oder allgemeiner Bauchfellentzündung oder Darmverschluß;; 2) Schmerz,
Gefühl von Schwere und Völle an örtlich begrenzter Stelle; 3) doch
kann der Schmerz auch völlig fehlen; ist er vorhanden, so ist er an-
fänglich sicher durch die Infarzierung bedingt; 4) Unwichtigkeit schein-
barer Besserung der Magen-Darmerscheinungen bei fortdauernder
Pulssteigerung; 5) genaue Nachforschung nach, wenn auch nur ein-
maliger, Blutbeimengung im Stuhle; später kann Blut im Stuhle völlig
fehlen; 6) frühzeitiges Auftreten umschriebener Muskelspannung.
Georg Schmidt (Berlin).
9) Werelius. A new method of lateral anastomosis.
(Surgery, gynaecology and obstetrics Vol. II. Nr. 3.)
1) Die Serosaflächen werden durch durchgreifende Nähte einander
genähert (Fig. 1).
2) Ein starker Faden (Seide, Fischleine, Draht) wird zu beiden
Seiten der Naht in einiger Entfernung von und parallel zu ihr so
durchgezogen, daß er innerhalb der Darmlichtung verläuft (Fig. 2).
3) Die zweite Serosanaht legt beide Serosaflächen fest aneinander,
am unteren Ende hängt der starke Faden, der unter 2) gelegt wurde,
heraus.
4) Während ein Assistent die Nahtstelle des Darmes gespannt
hält, zieht man an beiden Enden des Fadens und schneidet so mit
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 751
sägenden Zügen die Darmwand durch. Der Faden zieht sich dann
von selbst unter der Serosanaht hervor, und der letzte Stich wird nun
geschlossen (Fig. 3).
W. hat nach Erprobung des ‚Nahtverfahrens an Hunden, bei
welchen es sich bewährte, es auch mit Erfolg beim Menschen ange-
wandt. Er rühmt seine Einfachheit und Schnelligkeit. Dem Einwande,
der Sägefaden könnte einen falschen Weg nehmen, begegnet er: die
Durchstichpunkte sind für ihn festgelegt, und bei richtiger Handhabung
schneidet er das Gewebe genau zwischen diesen Punkten durch. Er-
hebliche Blutung hat er nicht beobachtet.
752 Zentralblatt fiir Chirurgie. Nr. 27.
Das Verfahren scheint einfach und einleuchtend. Eine Nach-
prüfung wäre erwünscht. Trapp (Bückeburg).
9) Curl. The relative value of cecostomy and appendostomy
in the treatment of amebic dysenterie by irrigation of the
colon.
(Annals of surgery 1906. April.)
In jenen Fällen von Amöbenruhr, in welchen die gewöhnliche
innere Behandlung versagt und in denen die Pat. nicht zu sehr
heruntergekommen sind, kann man Durchspülungen des Dickdarmes
entweder von einer am Blinddarm angelegten Darmfistel oder von
dem in die Bauchwand eingenähten und eröffneten Wurmfortsatz aus
vornehmen. OC. zieht die Blinddarmfistel vor, da sich die des Wurm-
fortsatzes nachher schwer wieder schließt und zu langdauernden Kot-
fisteln Veranlassung gibt. Die Offnung in dem an das Bauchfell an-
genähten Blinddarm soll nur so groß sein, daß ein nicht zu dicker
weicher Katheter durchgeht. Zum Durchspülen wird eine Chininlösung
benutzt. Von elf behandelten Fällen zeigten acht ein günstiges Re-
sultat. Herhold (Altona).
10) Murray. Some minor rectal lesions.
(Buffalo med. journ. 1906. April.)
M. weist auf die oft übersehene chirurgische Bedeutung der
Morgagni’schen Krypten an der Vereinigungsstelle der beiden Anal-
sphinkteren hin. Erkrankungen dieser Krypten machen ähnliche Er-
scheinungen wie Fissuren und können zum Ausgangspunkt von Ab-
szessen und Fisteln werden. Infolge der Schmerzhaftigkeit ist oft
Sphinkterkrampf und erschwerte Kotentleerung vorhanden. Am Ein-
gange der erkrankten Krypten findet man gelegentlich hypertrophische
Papeln, oft von beträchtlicher Größe. Die einfache Sphinkterdehnung
ist gewöhnlich erfolglos, die Behandlung muß in breiter Aufschlitzung
und teilweiser Abtragung der erkrankten Krypten bestehen; ist kein
stärkerer Sphinkterkrampf vorhanden und sind nur 1—2 erkrankte
Krypten vorhanden, so genügt örtliche Betäubung, andernfalls Allgemein-
narkose und Sphinkterdehnung vor der Inzision. Hypertrophische
Papillen an den Morgagni’schen Säulen müssen exzidiert werden.
Mohr (Bielefeld).
11) W. Nötzel. Über Milzexstirpation wegen Milzverletzung.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVIII. Hft. 2.)
Auf Grund von sechs eigenen Fällen, die ausführlich mitgeteilt
werden, kommt Verf. zu dem Schluß, daß die Diagnose einer Milz-
verletzung sich so schwer stellen läßt, wie die der Mitverletzung anderer
Organe. Die lokalen Symptome sind nie eindeutig. Die Merkmale
des Blutverlustes kommen für die Frühdiagnose nicht in Betracht.
Die Blutung selbst macht eben die Symptome der peritonealen Reizung,
welche ebensogut andere Ursachen haben kann.
Zentralblatt für Chirargie. Nr. 27. 153
Die Indikation zur Laparotomie ist auch bei zweifelhafter Dia-
gnose stets gegeben, wenn diffuse peritoneale Reizung vorliegt. Ist
diese umschrieben, so ist. die Operation davon abhängig zu machen,
ob die lokalen und allgemeinen Symptome in Zu- oder Abnahme be-
griffen sind. Eine starke spontane Schmerzhaftigkeit der Verletzungs-
stelle spricht stets für eine schwere intraperitoneale Verletzung. In
zweifelhaften Fällen muß eine sorgfältige Überwachung den Eintritt
bedrohlicher Symptome und damit die Indikation zu sofortigem Ein-
griff feststellen. |
Für die Operation der Milzverletzung ist der Schnitt in der Mittel-
linie der einzig gerechtfertigte, schon deshalb, weil der Beginn der
Operation stets einer Probelaparotomie gleichkommt. Hat man die
Milzverletzung gefunden, so muß man zwar noch einen senkrechten,
mitunter den Rectus vollständig durchtrennenden Schnitt anfügen, der
aber stets eine freie Übersicht und eine resistentere Narbe als jeder
Lateralschnitt gibt. Mitunter ist auch der Lennander’sche Schnitt
zweckmäßig. Zur Milzexstirpation ist die Kontrolle des Auges und
breiter Zugang unbedingt erforderlich, da ein Vorziehen der Milz zu
gefährlich ist. Der Massenligatur des Milzstieles ist die Unterbindung
in drei Partien entschieden vorzuziehen, da sie sicherer und exakter
ist. Man legt einen Tampon auf das Milzbett, entfernt den Blut-
erguß durch Spülung, führt ein Drain in die Bauchhöhle ein und
schließt die Wunde durch exakte Naht. Etwaige Mitverletzungen
anderer Organe, besonders der Leber und des Darmes, sind sicher
auszuschließen oder müssen event. für sich versorgt werden. Die
Prognose der Milzverletzung als solcher hängt im wesentlichen von
der Beherrschung der Blutung ab. Die Mitverletzung von Niere,
Darm und Leber oder gar von Lunge und Zwerchfell (wie in einem
der mitgeteilten Fälle) bedeutet natürlich eine schwere Komplika-
tion. Von den sechs operierten Pat. starb einer infolge Nachblutung
unaufgeklärten Ursprunges, einer an einer tibersehenen Darmruptur,
emer an Leber- und Herzverletzung.
Die Entfernung der Milz an sich wird anstandslos ertragen und
selbst die Widerstandskraft des Bauchfelles nicht merklich geschwächt.
Nur die Vermehrung der Lymphocyten bei normalem Verhältnis der
weißen zu den roten Blutkörperchen für die erste, die relative Ver-
mehrung der eosinophilen Zellen für die spätere Zeit war ein kon-
stanter Befund. Daraus folgt, daß die Exstirpation der Milz die ge-
gebene Behandlung der Milzverletzungen sein muß, weil Tamponade
und Milznaht, auch wenn sie 'halten sollte, die Blutung nicht mit
Sicherheit stillen. Reich (Tübingen).
12) Kehr. Die interne und chirurgische Behandlung der
Gallensteinkrankheit. 176 S.
München, Lehmann, 1906.
K. erörtert im vorliegenden hauptsächlich die für den Praktiker
wichtige Frage der Indikationen zur chirurgischen Behandlung der
97**
154 Zentralblatt fir Chirurgie. Nr. 27.
Gallensteinkrankheit, nachdem er vorher kurz die Symptomatologie
und die spezielle Diagnostik der einzelnen Krankheitsformen besprochen
hat. Hervorzuheben ist, daB er, entgegen seinen friiheren Anschauungen
jetzt beim chronischen CholedochusverschluB in allen Fallen zu operieren
rät, da es oft nicht möglich sei, das Karzinom des Pankreaskopfes
von der Pancreatitis chronica zu unterscheiden.
Er bespricht sodann die innere Therapie, als deren Hauptfaktoren
er Ruhe, warme Umschläge und Trinken von heißem Wasser ansieht,
Faktoren, die zwar die Krankheit nicht heilen, sie aber in das Stadium
der Latenz überzuführen vermögen.
Glaser’s Chologen, Stroschein’s Cholelysin und die Schir-
mayer-Kur werden scharf kritisiert und als durchaus unwissen-
schaftlich verworfen.
Aus der Statistik über 1111 Fälle von Gallensteinlaparotomien
ist hervorzuheben, daß die Ektomie in Verbindung mit der Oysticus-
und Choledochusspaltung und Hepaticusdrainage die besten Erfolge
geliefert hat.
Das Werk wird dem Praktiker ein zuverlässiger Wegweiser zur
Stellung der Indikation und Prognose bei Gallensteinerkrankungen sein.
Georgi (Dresden).
13) W. Nötzel. Uber die Operation der Leberverletzungen.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVIII. Hft. 2.)
Der Bericht bezieht sich auf acht Fälle von Leberverletzungen,
welche zweimal durch Schuß, einmal durch Stich und fünfmal durch
subkutane Ruptur erfolgt und in sieben Fällen 2—4 Stunden, in einem
Falle 10 Stunden nach der Verletzung zur Operation gekommen waren.
Die Rupturen hatten viermal eine direkte, einmal eine indirekte Ge-
walteinwirkung zur Ursache. Die Mortalität der Rupturen ist größer,
nicht nur weil die Verletzung meist ausgedehnter, sondern auch die
Indikationsstellung zur Operation schwieriger ist; die der Schuß- und
Stichverletzungen kleiner, weil bei jeder penetrierenden Bauchdecken-
wunde ohne weiteres die Laparotomie ausgeführt werden muß. Im
übrigen ist die Prognose der Leberverletzungen wesentlich abhängig
von dem Vorhandensein resp. Fehlen von Nebenverletzungen, welche
bei Schüssen viel häufiger zu erwarten sind als bei Stich- und Schnitt-
verletzungen.
Ist erst die Diagnose einer intraperitonealen Verletzung sicher
gestellt, so ergibt sich die Spezialdiagnose meist aus den Lokalsympto-
men. Selbst das Vorhandensein einer rechtsseitigen Nierenverletzung
wird nur selten die Diagnose einer gleichzeitigen Leberverletzung er-
schweren, weil "erstere nach dem ganzen Entstehungsmechanismus selten
isoliert”erfolgt und die Leberverletzung meist recht prägnante Erschei-
nungen’macht. Die größten differentialdiagnostischen”Schwierigkeiten
bieten intrathorakale Verletzungen und Rippenbrüche deshalb, weil sie
reflektorische Bauchdeckenspannung und abdominellen Druckschmerz
erzeugen, %somit die Diagnose: der peritonealen Reizung in Frage
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 155
stellen. Dieselbe diagnostische Schwierigkeit können Hirnverletzungen
bereiten, wie aus zwei mitgeteilten Fällen hervorgeht. Wenn nach
selbstmöderischen Brustschüssen das Geschoß auch bis in die Leber-
gegend vorgedrungen zu sein scheint, so ist zu bedenken, daß diese
Verletzungen bei maximaler Inspiration erfolgen.
Besteht aber auch nur begründeter Verdacht einer intraabdomi-
nellen Verletzung, speziell der Leber, so ist die Probelaparotomie in
jedem Falle angezeigt, da sie nie schadet, häufig das Leben rettet.
Auch den Chok läßt Verf. nicht als Kontraindikation für sofortige
Operation gelten, umsoweniger, als der durch die intraabdominelle
Verletzung unterhaltene Kollaps erst schwindet, wenn dessen Ursache
beseitigt wird.
In operativ-technischer Hinsicht ist der Pararektal- resp. bei der
Probelaparotomie der Medianschnitt mit eventuellem senkrechtem Seiten-
schnitt dem Schnitte parallel dem Rippenbogen vorzuziehen, da er
guten Zugang und Überblick, leichte Bauchdeckennaht und bessere
Narbenverhältnisse schafft.
Der Forderung Giordano’s, die Schnittwunden zu nähen, die
Schußwunden und Rupturen zu tamponieren, ist nicht berechtigt.
Individualisierend soll man nähen, wenn die Naht technisch und nach
dem Allgemeinbefinden des Verletzten überhaupt ausführbar ist, in
allen anderen Fällen tamponieren. Allerdings treffen die Vorausset-
zungen für die Naht bei Stich- und Schnittverletzungen häufiger zu
als bei Schüssen und Rupturen. Die Naht ist stets durch Tamponade :
zu sichern; aber auch alleinige Tamponade lieferte vorzügliche Resul-
tate bei Fällen, in denen die Ruptur nicht zu Gesicht zu bringen war.
Die Tamponade muß nur fest und unter Leitung des Auges aus-
geführt werden. Die Tränkung des Tampons mit Eisenchloridlösung
hat Verf. versucht, aber nicht für praktisch befunden.
Ausspülung des Blutergusses, Drainage und exakte Bauchdecken-
naht beschließen wie üblich die Operation. Spezielle Vorschriften für
die Nachbehandlung gibt es nicht. Die von Röser geforderte Nah-
rungsabstinenz (durch den Mund) und Beckenhochlagerung ist minde-
stens unzweckmiBig.
Bei dieser Behandlung ist die Prognose der Leberverletzungen
eine recht gute. Gefahr droht meist nur von Mitverletzungen, beson-
ders der Lunge und Pleura (2 Fälle). Bestehen solche, so sind sie
zuerst anzugreifen: ein Hämothorax soll durch Punktion entleert und
ein Pneumothorax durch Anheftung der Lunge beseitigt werden.
Reich (Tübingen).
756 Zentralblatt fir Chirurgie. Nr. 27.
Kleinere Mitteilungen.
(Aus der akademischen chirurgischen Klinik der kaiserlichen militär-medizinischen
Akademie in St. Petersburg. Direktor: Prof. Welliaminow.)
Zur Behandlung mit Bier’scher Stauungshyperämie.
Von Í
Dr. Tomaschewski,
L Assistent der Klinik.
Die therapeutische Bedeutung der Stauungshyperämie wird von Tag zu Tag
durch neue und überzeugende Beobachtungen erhärtet, wobei das Hauptinteresse
sich auf die Therapie akuter eitriger chirurgischer Erkrankungen konzentriert. Auf
Grund gegenwärtiger Erfahrung kann wohl die Behauptung aufgestellt werden,
daß die Stauungshyperämie das am schnellsten wirkende, das schmerzloseste und
die besten funktionellen Resultate liefernde Heilmittel genannter Erkrankungen ist.
Mit nicht geringerer Bestimmtheit kann ferner behauptet werden, das Mißerfolge,
die manchmal bei Anwendung der Stauungshyperämie beobachtet werden, Folgen
mangelhafter Technik sind. Während nun die Anwendung von Sauggläsern keine
nennenswerte Schwierigkeiten bietet, so ist die Anlegung der elastischen Binde,
das bekennen einmütig alle Autoren, äußerst schwierig. Es ist daher natürlich,
daß ein jeder Gedanke oder Vorschlag, die den Zweck verfolgen, auf die eine oder
andere Art diese Technik zu erleichtern oder zu vereinfachen, Beachtung verdienen
und geprüft werden müssen. Soviel mir bekannt, existieren in dieser Beziehung
zwei Vorschläge: der eine gehört Prof. Henle! an, der andere Dr. Kozlowski?®.
Der Apparat von Prof.. Henle hat, obwohl seit der Bekanntmachung 2 Jahre
vergangen sind, keine größere Anwendung in der Praxis gefunden, und Dr. Ru-
britius? weist in seiner letzten Arbeit mit Recht auf einige praktische Mängel
des genannten Apparates hin. Was nun den Apparat von Dr. Kozlowski be-
trifft, so ist der Zeitraum zu gering, um ein Urteil über ihn zu fällen. Auf Grund
persönlicher Erfahrung (der Apparat nach Dr. Kozlowski wurde von mir sofort
1 Zentralblatt fiir Chirurgie 1904. p. 381.
2 Ibid. 1906. p. 83.
3 Bruns’ Beiträge 1906. Bd. XLVIII. p. 282.
Zentralblatt für Chirurgie... Nr. 27. 157
nach der Bekanntmachung von der Firma Georgeon & Trepczynski in Lem-
berg verschrieben und an einer Reihe von Fällen erprobt) kann ich sagen, daß der
Apparst von Dr. Kozlowski neben Vorteilen auch Mängel aufweist. Der Wert
des Apparates ist bedingt durch eine äußerst bequeme Vorrichtung zur Regulierung
der elastischen Binde*; die übrigen Details sind unpraktisch. Die unteren Walzen
sind zu massiv und üben einen bedeutenden Druck auf die Haut aus; ferner be-
findet sich zwischen. den unteren Walzen des Apparates ein Spalt, in welchen bei
Anspannung der Binde die Haut mit hineingezogen und oft auch geklemmt wird.
Um diese Mängel zu beseitigen, konstruierte ich einen Apparat, in welchem die
genannten guten Seiten des Apparates nach Dr. Kozlowski beibehalten sind, an
Stelle der massiven unteren. Walzen aber befindet sich eine leicht konkave Metall-
platte, die sich der runden Form der Extremitäten gut anpaßt. Auf beifolgender
Zeichnung sieht man die Einzelheiten der Konstruktion des Apparates: die Binde
wird an spitzen Haken der Walze befestigt, zieht dann durch einen Spalt in der
konkaven Metallplatte und endigt mit einem freien Ende, an welchem 5-6 cm
vom Band entfernt ein schmales Plättchen mit drei Osen angenäht wird; letztere
werden beim Anlegen der Binde auf drei Häkchen gehakt, die, wie auf der Zeich-
nung zu sehen ist, ganz am Rande der Platte angelötet sind. Infolge feinerer
Zahnung des Zahnrades. kann die Spannung der Binde mit großer Genauigkeit
reguliert werden, während durch die Art des Anhakens der Binde letztere die ganze
Peripherie der Extremität umfängt, wodurch der Druck, den die Binde ausübt,
ein völlig gleichmäßiger wird. Bei Anfertigung dieses Apparates wurde seinem
Gewichte große Aufmerksamkeit geschenkt: denn Apparate, die: zur Regulierung
der elastischen Binde dienen sollen, ‘dürfen nicht massiv sein. Das Gewicht meines
Apparates beträgt 50—55 g (das Gewicht des Apparates nach Dr. Kozlowski
130 g). Mein Apparat ist zu wiederholten Malen sowohl an mir selbst als auch
an Kranken geprüft worden, wobei bis jetzt in keinem einzigen Falle unangenehme
Nebenwirkungen beobachtet worden sind.
Bis zur Gegenwart ist die Stauungshyperämie in unserer Klinik am ambula-
torischen und stationären klinischen Material in 86 Fällen angewendet worden;
darunter befinden sich 27.Furunkel, 3 Karbunkel, 15 Abszesse und Lymphadenitiden
(darunter 4 vereiterte tuberkulöse Drüsen), 16 Phlegmonen, 5 Mastitiden, 10 Pana-
ritien, 1 Ulcus (?) der Oberlippe, 1 Fistel nach Schußverletzung des Daumens.
Es wurde ferner Stauungshyperämie angewendet in 3 Fällen von mangelhafter
Konsolidation nach Resektion des Kniegelenkes und in 5 Fällen postoperativer
Eiterung.
Die glänzenden Erfolge, die wir in allen Fällen erreichten, berechtigen uns zu
der Behauptung, daß wir in der Stauungshyperämie ein äußerst wirksames Heil-
mittel und eine der wertvollsten Errungenschaften der Medizin der Gegenwart
besitzen. |
Zur Beantwortung einer Umfrage des Herrn Prof. Lexer5 aus Königsberg,
erlaube ich mir, folgende Krankengeschichte mitzuteilen:
L., 23 Jahre (Krankenjournal Nr. 1675), Phlegmone erysipelat. extremit. sup.
1. Februar 1906 stach sich L. die Handfläche mit einer Nadel, worauf sich am
selben Abend starke reißende Schmerzen in der Hand und eine Rötung nebst
Schwellung der Stichgegend einstellten, die sich bald über die ganze Hand ver-
breiteten. Starke Schmerzen raubten L. die Nachtruhe, während die entzündlichen
Erscheinungen am folgenden Tage sich auf den ganzen Unterarm verbreitet hatten.
Am zweiten Abend starker Schüttelfrost. Am 3. Tage kam die Kranke ins Am-
bulatorium: rechte Hand und Unterarm stark geschwollen, Haut sehr gespannt,
intensiv gerötet, wobei die Rötung bis zum mittleren Drittel des Oberarmes reicht,
wo sie mit gezacktem und geschwelltem Rand aufhört. Auf dem Handrücken
Fiuktusation. Temperatur 39,2; in die Klinik aufgenommen.
% Diese Regulierungsvorrichtung ist, soviel mir bekannt, zuerst von Dr. Spie-
gel, allerdings zu anderen AU ScKen, angewendet worden (Zentralblatt für Chirurgie
1903. p. 1425).
5 Zentralblatt für Chirurgie 1906. Nr. 18. p. 497.
198 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27
4. Februar 1906. Einstich auf dem Handrücken, wobei eine mäßige Menge
dickflüssigen Eiters mit Gewebsfetzen gemischt auf Druck entleert wird. Bakterio-
logische und bakterioskopische Untersuchung — Reinkultur von Streptokokken.
Stauungshyperämie eingeleitet, elastische Binde auf 20 Stunden; aseptischer Trocken-
verband. In der Nacht schlief die Kranke, Schmerzen geringer; Temperatur am
folgenden Tage morgens 38,7, abends 39,6.
6. Februar 1906. Schwellung bedeutend, keine Schmerzen. Im unteren Teile
des Oberarmes zwei mit seröser Flüssigkeit gefüllte Blasen, während die ganze
Ellbogengegend mit hirsekorngroßen Bläschen bedeckt ist. Temperatur 37,2—38,2.
7. Februar 1906. Keine Schmerzen; in der Ellbogengegend Fluktuation; Bin-
stich, viel Eiter mit großen Gewebsfetzen. Bei Hochlagerung der Extremität
starke Schmerzen, bei Tieflagerung, insbesondere nach Anlegen der elastischen
Binde, prompte Schmerzlinderung. Temperatur 36,9—37,9.
8. Februar 1906. Nacht gut verbracht, keine Schmerzen. Hand nicht wieder
zu erkennen: Unterarm völlig normal, Rötung in der Ellbogengegend und im
unteren Teile des Oberarmes. Handrücken Öödematös, nicht schmerzhaft. Beide
Stichöffnungen werden mit der Sonde etwas erweitert, worauf aus der oberen
Öffnung etwas Eiter mit Blut ausgedrückt wird, während aus der unteren Öffnung
etwa 2—3 EBlöffel dünnflüssigen, fast wäßrigen Eiters ausfließt. Der Eiter aus
beiden Stichöffnungen erwies sich steril. Temperatur normal.
9. Februar 1906. Am 5. Tage wurde zu energischer passiver Gymnastik ge-
schritten, die bedeutenden Schwierigkeiten begegnete, da Bewegungsfähigkeit des
Hand- und Ellbogengelenkes stark begrenzt ist. Am 10. Tage fühlte sich L. voll-
ständig gesund und wurde zur Behandlung der versteiften Gelenke mit aktiver
Hyperämie (Heißluft) in eine andere Abteilung unserer Klinik übergeführt.
14) H. Rubritius. Die Behandlung akuter Entzündungen mit Stau-
ungshyperämie.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVIII. Hft. 2.)
In der Wölfler’schen Klinik wird genau die von Bier und Klapp ange-
gebene Technik und deren Instrumentarium angewandt. Versuche mit Anwendung
der Esmarch’schen Binde und des Henle’schen Gummischlauches erwiesen den
Vorzug der dünnen Bier’schen Gummibinde.
Die Originalsaugapparate wurden teils für sich, teils in Kombination mit der
Bindenstauung angewandt. Die mitgeteilten Erfahrungen lauten im allgemeinen
recht günstig. Bei Panaritien jeder Art, bei Paronychien, Furunkeln und ausge-
dehnteren Zellgewebsphlegmonen wurde unter der Hyperämisierung Rückbildung
oder rasche Einschmelzung von Infiltraten, Beschränkung oder Vermeidung von
Nekrosen resp. Beschleunigung von deren Abstoßung, kurzweg eine günstige Be-
einflussung und Abkürzung des Heilungsverlaufes gesehen. Selbst bei Sehnen-
scheidenphlegmonen war eine heilsame Wirkung nicht zu verkennen: von den sechs
beobachteten Fällen heilten vier ohne Sehnennekrose. Dagegen blieb bei einer
allerdings sehr schweren und veralteten Sehnenscheidenphlegmone auch nach Ab-
stoßung der Sehne ein bretthartes, renitentes Ödem und starke Gelenkversteifung .
zurück. Einen Hauptvorzug der Stauungsbehandlung bildet deren analgetische
Wirkung und die entschieden leichtere Behandlung der Verstei
Dem absoluten Gebot der Eiterentleerung genügen relativ kleine Inrisionen;
die schmerzhafte Tamponade wird ganz überflüssig. Dagegen ist bei starker Eite-
rung auf die Anwendung von Drains nicht zu verzichten.
Beachtenswert erscheint ferner, daß auch eine im Anschluß an eine diabetische
Zehengangrän entstandene Phlegmone erfolgreich gestaut wurde.
Prophylaktisch wurde die Stauung, meist mit gutem Resultate, bei infizierten,
frischen Wunden angewandt, wenn auch in einem Falle ein tödlicher Ausgang sich
nicht vermeiden ließ.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 759
Von drei ohne überzeugenden Erfolg gestauten komplizierten Frakturen inter-
essiert eine besonders deswegen, weil es zu einer fortschreitenden Vereiterung
des ganzen Stauungsödems mit Hautgangrän kam.
Auch bei akuter Lymphadenitis und Lymphangitis ergaben sich gute Resultate,
selbst wenn die Binde nicht im Gesunden angelegt werden konnte.
Zu großer Vorsicht mahnen die Erfahrungen mit der Stauung bei akuten Ge-
lenkvereiterungen: während sie in einem Falle nach Spaltung paraartikulärer Ab-
szesse und Punktion des Kniegelenkes zu rascher Ausheilung mit voller Beweg-
lichkeit führte, verschuldete sie bei technisch korrekter Anwendung bei zwei
anderen, allerdings septischen Fällen eine rapide Ausbreitung der Eiterung auf die
umgebenden Weichteile. Verf. zieht hieraus im Gegensatz zu Bier den Schluß,
daß bei bestehender septischer Allgemeininfektion die Stauung kontraindiziert sei.
Bei nicht eitrigen Gelenkentzündungen verschiedener Art bewährte sich die
Methode vorzüglich.
Bei zwei Fällen von frischer Osteomyelitis war unter der Stauung wohl ein
rascher Rückgang der akuten Entzündungserscheinungen zu vermerken, die Nekrosen-
bildung aber nicht zu verhindern.
Die Saugbehandlung findet ihre glänzendste Anwendung bei akuten Masti-
tiden; nicht nur erleichtert sie die Eiterentleerung aus kleinen Stichinzisionen,
sondern sie verhindert häufig die weitere eitrige Einschmelzung des Drüsenkörpers
und zeitigt so funktionell wie kosmetisch überraschend gute Resultate.
Reich (Tübingen).
15) E. Ranzi. Über die Behandlung akuter Eiterungen mit Stauungs-
hyperämie.
(Wiener klin. Wochenschrift 1906. Nr. 4.)
Enthält den Bericht über die in der v. Eiselsberg’schen Klinik bis zum
Oktober 1905 mit Bier’scher Stauung behandelten 110 Fälle, die ausschließlich
aus der Ambulanz der Klinik stammen.
Verf. rühmt vor allen Dingen die vorzüglichen funktionellen Resultate, auch
in schweren Fällen von Phlegmonen. Er hat den Eindruck gewonnen, daß es
mittels der bisher üblichen langen Inzisionen und Tamponade wohl niemals ge-
lungen wäre, in ähnlichen Fällen die Sebnennekrose zu verhindern. Dies und die
schmerzlindernde Wirkung scheinen ihm die Hauptvorzüge der neuen Methode zu
sein. Auch eine Abkürzung der Behandlung war bei Stauung, weniger bei der
Saugung zu beobachten.
Als Nachteil ist zu betrachten, daß die Therapie viel Zeit von seiten des
behandelnden Arztes erfordert und die ambulatorische Behandlung mit der Stau-
ungsbinde einer mehrmaligen Kontrolle am Tage bedarf.
Hitbener (Liegnitz).
16) A. Frommer. Über die Bier’sche Stauung mit besonderer Be-
rücksichtigung der postoperativen Behandlung und der Altersgangrän
(Wiener klin. Wochenschrift 1906. Nr. 8.)
Bericht über die Anwendung des Bier’schen Verfahrens aus der chirurgischen
Abteilung des Krakauer Lazarusspitals (Bogdanik), die bei Tuberkulose, Osteo-
myelitis, Mastoiditis. Phlegmonen usw. mehrfach und fast stets mit gutem Erfolg
ausgeübt war. Besonderen Wert legt Verf. auf die Stauung nach ausgeführten
operativen Eingriffen bei den oben genannten Erkrankungen, die unter dieser Art
der Nachbehandlung weit schneller und besser ausheilten wie früher.
Bei einigen Fällen von Gangraena praecox und Gangraena senilis hatte Verf.
»ausgezeichnete« Resultate zu verzeichnen. Große Schmerzen wichen fast sofort, Schlaf
trat ein, lokal kam es zur Abgrenzung der gangränösen Teile, die Extremität wurde
wärmer, und nach Abstoßung der gangränösen Partien trat Vernarbung der Wunde
ein. Hier wurde die Stauungsbinde nur für geringe Zeit am Tage angelegt.
‘\,—-2—3 Minuten. Hühbemer (Liegnitz).
‘760 Zentralblatt fir Chirurgie. Nr. 27.
17) H. Zahn. Ein zweiter Fall von Abknickung der Speiseröhre
durch vertebrale Ekchondrose (Aus dem pathologisch-anatomischen
Institut zu Halle a. S.)
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 19.)
Es handelt sich in diesem zweiten Falle (Ref. über den ersten s. d. Zentral-
blatt 1905 p. 1434) um einen 46jährigen, schwer kachektischen und verblödeten,
mit einer Skoliose nach links behafteten Mann, bei dem zufällig bei einer Sonden-
fütterung ein die Speiseröhre leicht knickendes Hindernis nahe der Durchtritts-
stelle der Speiseröhre durch das Zwerchfell festgestellt wurde; klinische Symptome
(Erbrechen, Schluckbeschwerden usw.) fehlten. Die Speiseröhre fand sich bei der
Sektion oberhalb der Ekchondrosen, die zwischen 9., 10. und 11. Brustwirbel rechts
von der Mittellinie saßen und von der Zwischenwirbelscheibe ausgegangen waren,
mit ihnen durch lockeres Bindegewebe verbunden, leicht diffus erweitert, ihre
Muskulatur nicht hypertrophisch. Kramer (Glogau).
18) Macartney. Laparotomy in tubercular peritonitis.
(Glasgow med. journ. 1906. Mai. p. 321.)
Verf. hat mit der Laparotomie bei tuberkulöser Peritonitis gute Erfahrungen
gehabt; vier früher publizierten Fällen fügt er jetzt noch drei weitere hinzu.
Ein 12jähriger Knabe, der seit einiger Zeit an hartnäckiger Verstopfung und
heftigen Schmerzen im Leibe gelitten hatte, bekam eine Anschwellung in der
Oberbauchgegend; bei der Operation fand sich ein großer tuberkulöser Gekrös-
abszeß, der wohl von abszedierten Lymphdrüsen abzuleiten sein dürfte. Entleerung
und Entfernung der Abszeßmembran führte zur dauernden Heilung.
Ein unter gleichen Symptomen erkranktes 10jähriges Mädchen, bei dessen
Operation große, nicht zu entfernende I,ymphdrüsenpakete gefunden wurden, genas
auch schnell, erkrankte jedoch 4 Monate später an Meningitis und starb.
Eine an seröser Peritonitis mit Miliartuberkulose des ganzen Bauchfells er-
krankte Frau wurde durch die Operation ganz geheilt.
W. v. Brann (Rostock).
19) J. Roll. Supplement til »Erferinger om appendicit«.
| (Norsk Magazin for Laegevidenskaben 1906. Nr. 5.)
Mitteilung eines Falles von Appendicitis mit umschriebener Peritonitis, bei
welchem der Bauchfellüberzug nach R.'s Ansicht auf dem Lymphwege infiziert
wurde. In einem zweiten Falle fand sich ein subseröser Abszeß. Der Wurmfort-
satz hatte nur ein unbedeutendes eigenes Mesenteriolum. R. pflichtet dem Aus-
spruche Lennander's bei, daß Infektionen auf dem Lymphwege häufig sind bei
kurzem Mesenteriolum. Revenstorf (Hamburg).
20) H. W. Carson. Two cases of appendicitis due to oxyuris vermi-
cularis.
(Medical press 1906. Marz 21.)
C. berichtet ausführlich über zwei Krankengeschichten:
1) Ein 19jähriges, bisher stets gesundes Mädchen erkrankte 1 Monat vor
Aufnahme mit heftigen Leibschmerzen, die besonders nach dem Essen auftraten,
und erbrach seit 1 Woche. Bei der Aufnahme fanden sich Pulsbeschleunigung (116),
Temperaturerhöhung (39,9:, Schüttelfrost und Schmerzen in der Blinddarmgegend.
Der letzte Stuhlgang war am Tage vorher erfolgt. Der Leib war weich, nicht
gespannt und nur in Höhe des Nabels unter dem rechten Musculus rectus in etwa
handtellergroßem Bereiche druckempfindlich. Rektaluntersuchung negativ.
Bei der Laparotomie zeigte sich die Spitze des Wurmfortsatzes kolbig auf-
getrieben, seine proximale Hälfte durch frische, leicht lösliche Verklebungen am
Blinddarm fixiert. Er wurde exstirpiert. Seine Spitze, deren Schleimhaut tief
gerötet, aber nicht ulzeriert war, enthielt einen weiblichen Oxyuris vermicularis.
Die Heilung erfolgte glatt, Würmer gingen im Stuhl nicht mehr ab.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 761
2) Eine 24jährige Frau hatte vor 1 Jahr einen 3 Wochen anbaltenden heftigen
Anfall von Leibschmerzen erlitten, war sonst stets gesund gewesen. Bei der Auf-
nahme klagte sie über heftige Schmerzen in der Unterbauchgegend und über
Brechen. Es bestand Temperatursteigerung (38,1) und Pulsbeschleunigung (118).
Der Leib war weich, bewegte sich mit der Atmung, gab tympanitischen Schall;
eine Geschwulst war nicht fühlbar.
Bei der Laparotomie zeigten sich Genitalorgane und Wurmfortsatz anscheinend
normal. Letzterer wurde trotzdem exstirpiert. Er enthielt in der Spitze, deren
Schleimhaut frei von Rötung und Ulzeration war, drei Oxyuren. Mit dem Stuhl
gingen keine Würmer mehr ab.
C. berichtet im Anschluß noch kurz über 13 Fälle aus der Literatur; darunter
waren 6 fast nur jugendliche weibliche und 4 männliche Individuen, meist Knaben.
In der Regel bestehen heftige Schmerzen und Druckempfindlichkeit ohne be-
stimmte lokale Veränderungen; nur in einem Falle fanden sich Ulzerationen im
Wurmfortsatz. Obgleich Oxyuren in diesem gefunden werden, die keinerlei Krank-
heitserscheinungen verursacht haben, so ist C. doch der Ansicht, daß Oxyuren als
Erreger von Appendicitis angesehen werden müssen, da in diesen Fällen die Sym-
ptome schwerer seien, als durch die geringen sichtbaren Veränderungen gerecht-
fertigt erscheine.
O. schließt seine Ausführungen mit einem kurzen Literaturverzeichnis.
Erhard Schmidt (Leipzig).
21) A. D. Rolleston and L. Jones. Primary malignant disease of the
vermiform appendix. .
(Lancet 1906. Juni 2.)
Verff. berichten über 62 Fälle von bösartigen Geschwulstbildungen im Wurm-
fortsatz, bei denen in 42 Fällen die Diagnose mikroskopisch bestätigt wurde: 37mal
bestand Karzinom, 3mal Endotheliom und 2mal Sarkom. 9mal wurde die Affek-
tion bei Sektionen gefunden. Das Alter der Pat. schwankte zwischen 12 und
81 Jahren; für alle bösartigen Geschwulstformen zusammen genommen war
30,8 Jahre das Durchschnittsalter.. Konkremente wurden bei den bösartigen Ge-
schwülsten im ganzen nur 3mal gefunden; es besteht hier ein entschiedener Gegen-
satz zu den Verhältnissen an der Gallenblase. In 48% der Fälle war die Ge-
schwulst im distalen Drittel des Wurmfortsatzes gelegen. In 5 von den 42 Fällen
fanden sich sonstige sekundäre metastatische Geschwulstbildungen im Körper.
Die Symptome der appendikalen Geschwülste waren in den meisten Fällen die
der akuten oder rezidivierenden Appendicitisanfalle. Die Resultate der Exstirpa-
tion des Wurmfortsatzes waren überraschend gute, so daß die Prognose des Lei-
dens nicht als schlecht angesehen werden kann.
H. Ebbinghaus (Dortmund).
22) R. Campbell. Inguinal hernia in children.
(Medical press 1906. Mai 9.)
C. ist Gegner der Behandlung kindlicher Leistenbriiche mit Bruchbandern als
unsicher im Erfolg und lästig für den Pat. Er hat 305 Radikaloperationen bei
Kindern jeden Alters ausgeführt, wenn ihr Allgemeinzustand befriedigend war.
34% seiner Pat. war noch nicht 6 Monate alt. Die Infektionsgefahr ist bei
Kindern außerordentlich gering; in nur zwei Fällen fand eine Eiterung statt. Die
Mehrzahl der Hernien bestand in einem offenen Processus vaginalis ohne Kom-
munikation mit der Tunica vaginalis, die nur in 5% nachweisbar war. Auffallend
häufig finden sich als Bruchinhalt Blinddarm tnd Wurmfortsatz. In zwei Fallen
war letzterer und in einem ein Meckel’sches Divertikel fest mit der Wand des
Bruchsackes verwachsen. Einklemmung des Bruchinhaltes kommt nicht häufig vor.
C. operierte 16 Fälle; die meisten Kinder waren noch nicht 1 Jahr, zwei erst
21 bzw. 24 Tage alt. Bei einem Mädchen fanden sich Ovarium und Tube ein-
geklemmt und brandig.
162 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27.
Meist wird bereits am 5. Tage die Naht entfernt und die Wunde mit Kol-
lodium bestrichen. Die Sterblichkeit beträgt nicht ganz 3%.
Erhard Schmidt (Leipzig).
23) I. Reichborn. Selvtilheling af lyskebrok.
(Tidskrift for den norske Laegeforening 1906. Nr. 8.)
R. berichtet über zwei Fälle von Spontanbeilung von Leistenbrüchen, in denen
die kurze Heilungsdauer durch den Verlauf und den Operationsbefund nachgewiesen
werden konnte.
1) A., Schlächtergeselle, 19 Jahre alt, hatte einen walnußgroßen Leistenbruch
rechts, der seit dem 4. bis 5. Lebensjahre bestand und 3 Wochen vor der Auf-
nahme ins Krankenhaus zum letzten Mal ausgetreten war. Bei der Operation
wurde ein ca. 8cm langer Bruchsack freigelegt, der im Leistenkanal fest ver-
schlossen war. Der Bruchsack wurde unterbunden und abgetragen.
2) J., 22 Jahr alt, Kontorbote, klagte seit seinem 10. Lebensjahr über
Schmerzen in der rechten Leistengegend, die von einem knapp walnußgroßen,
leicht reponiblen Leistenbruche herrührten. Der Leistenkanal war für den Zeige-
finger durchgängig. Die angeratene Operation konnte erst 3 Wochen später vor-
genommen werden, während welcher Zeit der Pat. sich schonte, ohne ein Bruch-
band zu tragen. Am Operationstage konnte ein Bruch nicht mehr nachgewiesen
werden. Es war auch kein Anschlag beim Husten zu fühlen. Beim Einschneiden
fand man einen 6cm langen Bruchsack. Die Lichtung des Bruchsackhalses war
verschlossen. Unterbindung und Abtragung des Bruchsackes. Verengerung des
Leistenkanals.
R. betont die Bedeutung seiner Beobachtungen fiir die Ausstellung von At-
testen und führt einige Beispiele aus der Literatur an, in denen Militärpflichtige
für dienstuntauglich erklärt wurden, ohne daß bei der Nachuntersuchung ein Bruch
aufzufinden war. Im Jahre 1883 wurde ein Arzt wegen Ausstellung eines angeb-
lich falschen Attestes zu 5 Jahren Gefängnis verurteilt, auf Grund des Gutachtens
zweier Sachverständigen später aber freigesprochen. Es ist bemerkenswert, daß
der Heilungsprozeß der R.’schen Fälle in so kurzer Zeit sich vollzog.
Bevenstorf (Hamburg).
24) Litthauer. Uber abdominale Netztorsion und retrograde In-
karzeration bei vorhandenem Leistenbruch.
(Berliner klin. Wochenschrift 1906. Nr. 15.)
In dem beschriebenen Falle lag eine Komplikation von Netzvolvulus und rück-
läufiger Einklemmung vor, wie sie bisher nur einmal von Bayer beobachtet wurde:
b3jährige Pat., die seit Jahren einen Leistenbruch ohne Beschwerden getragen,
erkrankt plötzlich unter heftigen Schmerzen im Bruch und im Leibe. Temperatur
bei der Aufnahme 39,3°. Als Inhalt des Labialbruches findet man Netz in Form
einer bogenförmigen Schlinge ohne Zipfel, die von stark erweiterten Venen durch-
zogen ist und einen bräunlichen Farbenton darbietet. Kein Bruchwasser. Der
Bruch ist zum Teil in den Bauchdecken, und zwar zwischen Bauchfell und Mus-
kulatur gelegen; deshalb Laparotomie. Es entleert sich dabei eine reichliche
Menge blutig gefärbter Flüssigkeit. Das Netz ist nicht weit vom Colon trans-
versum 3mal von rechts nach links um 180° gedreht. Neben dem Netze bemerkt
man den freien Netzzipfel, der kugelig geschwollen und dunkelbraunrot, fast schwarz
gefärbt ist. Am Stiel deutliche Schnürfurche. Abtragung des Netzes im Gesunden
und des Bruchsackes. Bauchdecken- und Bruchnaht. Heilung.
Haben auch die bisherigen Beobachtungen über die Ursachen der Netzdrehung
keine Aufklärung gebracht, so haben sie doch unsere Kenntnis in klinischer Be-
ziehung gefördert, und es beweist auch der mitgeteilte interessante Fall, daß man
sich bei der Operation des eingeklemmten Bruches des Verkennens einer Netz-
drehung und einer retrograden Inkarzeration erinnern soll, um nicht durch Uber-
sehen solcher Ereignisse das Leben des Pat. zu gefährden.
Langemak (Erfurt).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 763
25) Flaherty. Report of an operation for strangulated femoral hernia
on a patient ninety-five years old.
(Buffalo med. journ. 1906. April.)
F.’s Operation bei einer 9bjährigen Greisin zeigt, daß man eingeklemmte
Brüche selbst bei sehr alten und schwachen Pat., wenn man lokal anästhesiert
noch mit gutem Erfolge operieren kann. Mohr (Bielefeld).
26) Nicoll, Cases of hernia of the ovary in infants.
(Glasgow med. journ. 1906. Mai. p. 367.)
N. hat seit seinem letzten Berichte (vgl. d. Zentralblatt 1905 Nr. 50 p. 1361)
wiederum eine |Reihe von Ovarialhernien bei Kindern zu operieren gehabt; die
Gesamtzahl seiner Fälle beträgt jetzt 35. Zweimal bestand ein doppelseitiger
Bruch des Eierstocks. Die Kinder waren in der Regel 2—3 Monat alt.
N. ist jetzt konservativer als früher und entschließt sich nur schwer zur Ent-
fernung des Eierstocks. Seine Erfolge sind hervorragend: sämtliche Kinder sind
unter einfachem Kollodiumverband genesen, davon über die Hälfte bei ausschließ-
lich ambulanter Behandlung. W. v. Brunn (Rostock).
27) F. Brüning. Ein Beitrag zur Lehre vom Cardiospasmus.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVIII. Hft. 2.)
Bei einem 20jährigen Pat. bestand ein hochgradiger Cardiospasmus, dessen
Entstehung bis ins 15. Lebensjahr zurückreichte.e Es hatten sich sehr lästige
Druckbeschwerden und Stauung der Speisen in der Speiseröhre eingestellt. Die
radioskopische und Ösophagoskopische Untersuchung bestätigte die Diagnose und
zeigte zugleich das Bestehen einer sekundären, hochgradigen Speiseröhrenerweite-
rung. Da langjährige Behandlung mit dem Magenschlauch (nach Fleiner) und
diätetische Maßnahmen zu keiner dauerhaften Besserung führten, entschloß sich
Pat. zur Operation. Von dem eröffneten Magen aus wurde eine mit dem längs-
gespaltenen Ende des eingeführten Magenschlauches verbundene Mikulicz’sche
Zange in die Cardia eingeführt und diese unter Kontrolle des Fingers nach den
verschiedenen [Richtungen auf 6 cm Branchenöffnung gedehnt. Verschluß der
Magen- und Bauchwunde. Glatte Heilung.
Der Erfolg der Operation war ein prompter, und nach 1/3 Jahre zeigte die
Endoskopie eine klaffende Cardia und deutliche Verringerung der Dilatation der
Speiseröhre.
Von den Ausführungen über die normale Physiologie der Cardia, welche Verf.
folgen läßt, ist hervorzuheben, daß der Verschluß der Cardia in der Ruhe ein loser
ist und bedingt wird durch die schräge Insertion der Speiseröhre am Magen und
den Tonus der Ringmuskulatur. Die funktionelle Erkrankung des Cardiospasmus
liegt dann vor, wenn die physiologischen Reize die Offnung der Cardia nicht mehr
auslösen können, vielmehr einen Zustand spastischer Kontraktion verursachen. Je
nachdem der Verschluß ohne Vorboten plötzlich und vollständig oder schleichend
und allmählich zunehmend sich entwickelt, ist eine akute und chronische Form zu
unterscheiden, welch letztere in seltenen Fällen aus der akuten hevorgeht.
Für die Atiologie haben zahlreiche Sektionen kein ausreichendes pathologisches
Substrat beibringen können; häufig wurden dagegen als sekundäre Veränderungen
Hypertrophie des Sphinkter und teils spindel-, teils sackförmige Dilatation der
Speiseröhre festgestellt. Nur in einem Falle konnte eine Veränderung des ner-
vösen Apparates (Vagys) nachgewiesen werden.
Während die Lehre vom primären Cardiospasmus (v. Mikulicz) in den meisten
Fällen zutreffend zu sein scheint, dürfte die sekundäre Natur des Cardiospasmus
nach primärer Atonie der Muskulatur (Rosenheim) oder die Koinzidenz von
Spasmus und Atonie (Krauss) nur für die selteneren Fälle in Betracht kommen.
Für die Diagnose ist außer dem wechselnden Sondierungsbefund und der
Röntgendurchleuchtung vor allem die Ösophagoskopie bedeutungsvoll, welche einen
Verschluß ohne anatomische Stenose nachweist. Auch für die Diagnose der Dila-
764 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27.
tation der Speiseröhre, insbesondere gegenüber der Divertikelbildung, leistet die
endoskopische Untersuchung neben der Anwendung der Leube’schen Divertikel-
sonde, dem Rumpel’schen Zweisondenversuch und der Röntgendurchleuchtung
wertvolle Dienste.
In der Behandlung des Cardiospasmus erzielt besonders in akuten Fällen die
Pinselung mit Kokain mitunter gute Erfolge. Die Sondenernährung nach Fleiner
ist zwar gefahrlos, aber langwierig und für den Pat. lästig und führt nicht immer
zu definitiver Beseitigung der Beschwerden.
Die Sondierung zur Dilatation der Cardia hat große Gefahren bel unsicheren
Resultaten. Dagegen scheint die gewaltsame Dehnung durch einen in den Magen
eingeführten Gummiballon auf retrogradem Wege ein relativ ungefährliches und
zweckmäßiges Verfahren zu sein. Von den blutigen Methoden kommt die bloße
Gastrostomie nur als Notoperation in Betracht, ist dagegen von Bedeutung als Vor-
operation zur retrograden Bougierung. Die sichersten Resultate liefert die gewalt-
same Dilatation von dem eröffneten Magen aus nach dem v. Mikulicz’schen
Verfahren, das von der mitgeteilten Operationsweise nur insofern abweicht, als
v. Mikulicz die unter Leitung des Fingers in die Cardia einzuführende Zange
mit Kautschukröhren armiert. Sieben derartige Operationen erzielten volle Hei-
lung; der mitgeteilte Fall reiht sich der Kasuistik als achter an.
Reieh (Tübingen).
28) R. Michaelis. Autointoxikation bei Pylorusstenose. (Aus der
chirurgischen Universitätsklinik in Leipzig.)
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 18.)
Es handelt sich um eine Kranke, bei der Krampfanfälle und ein etwa 8tägiges
Koma bei vorhandener hochgradiger Stauungsinsuffizienz des Magens infolge von
krebsiger Pylorusstenose aufgetreten waren und die abnormen nervösen und psychi-
schen Erscheinungen nach Anlegung einer Gastroenterostomie sofort verschwanden.
Später wurde nach Erholung der Kranken die Pylorusresektion mit Entfernung
einer kirschkerngroßen Metastase am Leberrande mit Erfolg ausgeführt.
Kramer (Glogau).
29) Martin. Perforation of duodenal ulcer.
(Journ. of amer. med. assoc. 1906. Mai 5.)
Bei einem 39jährigen Manne, der schon lange an Hyperazidität gelitten hatte,
trat plötzlich ein schwerer Schmerzanfall mit Kollaps und reichlichem Erbrechen
auf, nachdem er einige Tage vorher schon vermehrte Beschwerden durch Säure
gehabt hatte. Bei der Krankenhausaufnahme, 3/4 Stunden nach Entstehen des An-
falles, bestand noch sehr heftiger Schmerz unter dem rechten Rippenbogen in Höhe
des rechten Schulterblattes, Atemnot, straffe Spannung der Bauchdecken, welche
völlige Einziehung bedingte. Bei allgemeisor Druckempfindlichkeit bestand ein
Punkt höchstgradiger Empfindlichkeit direkt am rechten Rippenbogen, Peristaltik
gelähmt. Unter Morphium-Atropinmedikation schwanden die heftigen Schmerzen
die Spannung und Einziehung des Leibes blieb bestehen, Puls und Temperatur
stiegen. Die Diagnose des Duodenalgeschwüres wurde gestellt, weil trotz jahre-
langer Hyperazidität keine Schmerzen unmittelbar nach dem Essen auftraten, und
aus dem Sitze der hochgradigen Schmerzhaftigkeit. Bei der Operation fand sich
die nagelkopfgroße Durchbruchstelle an der Rückwand dicht unterhalb des Pylorus;
in der Umgebung und nach abwärts bis zu einer durch alte Verwachsung des
Blinddarmes mit der Bauchwand gebildeten Tasche fanden sich bedeutende Mengen
von Speisebrei, frische lebhafte Bauchfellentzündung in der Umgebung. Die Ein-
stülpung der wallartige Ränder zeigenden Öffnung gelang leicht, es wurde zur
Sicherung noch Netz darüber genäht, die obenerwähnte Tasche drainiert. Glatte
Heilung. Trapp {Bückeburg!‘.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 165
30) Burke. Posterior gastroenterostomy: an unusual postoperative
complication.
(Buffalo med. journ. 1906. April.)
Die 24jährige Pat. wurde zunächst wegen Erscheinungen von akuter Perfora-
tion eines Magengeschwüres operiert; man fand an der Hinterwand des Magens
eine breite Verwachsung mit dem Mesokolon, welche der Stelle eines früher per-
forierten Magengeschwüres entsprach. Hintere Gastroenterostomie mit gleich-
zeitiger Enteroanastomose der zu- und abführenden Darmschlinge mit dem Knopfe.
Zunächst 4 Monate lang völlige Heilung der Magenbeschwerden, dann akut ein-
setzendes Erbrechen, welches allmählich sofort nach der Aufnahme von Speisen,
selbst von Flüssigkeiten eintrat.
Demnach mußte eine Verengerung der Magendarmöffnung oder ein Circulus
vitiosus angenommen werden. Die zweite Operation ergab, daß die beiden Anasto-
mosen äußerlich unversehrt waren. Doch war die abführende Schlinge durch eine
vom Mesokolon transversum ausgehende bandartige Verwachsung dicht unterhalb
des Magens stark verengert. Die Gastroenteroanastomosenöffnung war kaum noch
für die Spitze des kleinen Fingers durchgängig. Die vordere Vereinigungslinie
der Magen-Darmanastomose wurde inzidiert, einige eingekapselte Zelluloidmassen
wurden entfernt, und, die Öffnung wurde weiter angelegt. Zurzeit, 1 Jahr nach
dieser Operation, ist die Kranke völlig gesund. Mohr (Bielefeld).
31) De Beule. Une série de 22 gastro-entérostomies avec wou bouton
& canal coudé.
(Bull. de lacad. roy. de méd. de Belg. 1906. Februar.)
Zu obiger Arbeit sind zu vergleichen die Publikationen desselben Autors in
obigem Bull. Dezember 1904 und im Zentralblatt fir Chirurgie Nr. 52 1905. Verf.
ist in der Lage, jetzt schon 22 mit seinem Knopf ausgeführte Operationen aus
der Literatur zusammenzustellen. Er bringt kurze Krankengeschichten derselben.
Die Resultate sind sehr günstige. Mortalität 20%.. Das Genauere muß im Original
eingesehen werden. E. Fischer (Straßburg i. E.).
32) Longard. Traumatische Darmstenose.
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 13.)
Einem 1öjährigen Knaben war vor einem Jahre beim Spielen ein schwerer
Stein auf den Leib gefallen. Es bestand einige Tage ein etwas aufgetriebener
Leib. 3 Monate später traten Stenosenerscheinungen auf. Bei der Operation
fand sich eine Dünndarmstenose, mit welcher Netz verwachsen war. Die Strik-
tur war so hochgradig, daß ohne Druck keine Flüssigkeit durchging. Resektion.
Borchard (Posen).
33) Zondek. Beitrag zur Lehre vom Meckel’schen Divertikel.
(Berliner klin. Wochenschrift 19056. Nr. 35.)
Einem 4 Wochen alten Kinde wurde das Meckel’sche Divertikel erfolgreich
amputiert, das Präparat genau mikroskopisch untersucht und dadurch ein wertvoller
Beitrag geliefert, weil die Zahl der histologisch untersuchten Fälle eine sehr geringe
ist. Einzelheiten müssen im Original nachgelesen werden.
Langemak (Erfurt).
34) Waring. Actinomycosis of the caecum, vermiform appendix and
right iliac fossa.
(St. Bartholomew’s hospital reporte Bd. XLI. 1906.)
W.’s Arbeit über die Aktinomykose des Blinddarmes, Wurmfortsatzes und der
rechten Darmbeingrube basiert auf sieben Fällen, deren Krankengeschichten mit-
geteilt werden. Im Gegensatz zu der gewöhnlichen Ansicht, daß der Wurmfort-
satz fast immer primär erkrankt, sprechen W.'s Fälle dafür, daß der Blinddarm
766 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27.
ebenso oft der Sitz des Primärherdes ist. Der gewöhnliche Verlauf des Leidens
ist chronisch, doch kommen akute Verschlimmerungen mit Abszeßbildung infolge
von Mischinfektion vor. Die Diagnose muß sich hauptsächlich auf die langsame
Entwicklung, die Härte der Geschwulst und die Infiltration der Bauchwand, event.
mit Abszeßbildung und Durchbruch nach außen stützen. Hat ein offener Abszeß
sich bereits längere Zeit hindurch nach außen entleert, so ist es oft schwierig und
selbst unmöglich im Eiter Aktinomyces nachzuweisen. Alles Erkrankte operativ
zu entfernen ist infolge der diffusen Infiltration gewöhnlich unmöglich. W. emp-
fiehlt Inzision, Entleerung der Abszesse, Ausschabung, Drainage und wiederholte
Spülungen mit Wasserstoffsuperoxydlösungen, gleichzeitig Jodkali innerlich. Er
glaubt, daß bei dauernder Überwachung des Kranken, rechtzeitiger Entleerung
auftretender Abszesse und sehr lange fortgesetzter Jodkalibehandlung die Prognose
nicht so schlecht sei, wie man gewöhnlich annimmt. Vier seiner Kranken genasen,
drei starben. Spätere Nachuntersuchungen ergaben, daß die Genesenen gesund ge-
blieben waren. Die Todesfälle betrafen Pat., bei welchen sich im Laufe der Er-
krankung pyämische Abszesse in der Leber, den Nieren, im Herzbeutel, subphre-
nischen Raum usw. entwickelten. Bei dem ersten der Gestorbenen enthielten
diese Abszesse massenhaft Aktinomycespilze, während in dem verdickten und ver-
wachsenen Wurmformsatz und im ulzerierten Blinddarme keine nachgewiesen
werden konnten. Der zweite wurde mit der Diagnose akute eitrige Appendicitis
sofort operiert. Pat. starb 3 Monate später, nachdem die Erkrankung sich weiter
im Becken ausgedehnt hatte und auf die Mastdarmwand übergegangen war. Bei
dem dritten Pat. bildete sich nach Entleerung eines aktinomykotischen Abszesses
der Dleocoecalgegend eine Kotfistel. Tod 15 Tage später. Der Abszeß setzte sich
nach dem Autopsiebefunde perinephritisch und subphrenisch fort; in der Leber
multiple Abszesse, an der Hinterwand des Blinddarmes ein perforiertes Geschwür.
Mohr (Bielefeld).
35) R. C. B. Maunsell. Volvulus of the coecum treated by reduction
and appendicostomy.
(Lancet 1906. April 28.)
Verf. erweitert die neuerdings von Keetley (Brit. med. journ. 1905 Okt. 7)
und von Bennett (Lancet 1906 Febr. 17) aufgestellten Indikationen fiir Appen-
dikostomie um eine weitere: Bei coecaler Intussuszeption benutzte er nach Repo-
sition des Invaginatum den Wurmfortsatz als Anheftungsstelle des Blinddarmes,
und drainierte gleichzeitig den Meteorismus durch eine Appendikostomie. Der
Fall, der eine 77jährige Pat. betraf, verlief vorzüglich. Zum Zwecke des späteren
Schließens der Appendikostomie exzidierte Verf. einfach die Schleimhaut und stülpte
die Wand des Wurmfortsatzes ein. Die Methode erwies sich als einfach und ebenso
erfolgreich, wie die bislang anderwärts geübte sekundäre Exstirpation des Fort-
satzes.
Auffallend war die sehr schnell einsetzende Gasentleerung durch den in die
Appendikostomose eingeführten Katheter, welch letzterer insgesamt ca. 4 Tage,
d. h. bis die Kranke außer Gefahr war, liegen blieb.
H. Ebbinghaus (Dortmund).
36) E. Lanphear. Another case of gangrene of the entire colon.
(Amer. journ. of surg. 1906. Mai.)
' Bei einem 7jähr. Knaben fand sich 8 Monate nach der erfolgreichen Operation
einer akuten Appendicitis mit großem, in das Becken durchgebrochenem Abszeß
eine Gangrän des ganzen Kolon durch Verwachsungen, die sowohl das Colon as-
cendens als descendens eingeschnürt hatten. Tod 6 Stunden nach der Operation,
die in Abklemmung des Ileum, der Flexur und des Mesokolon und Exzision des
gangränösen Darmes bestanden hatte. Goebel (Breslau).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27. 167
37) H. Läwen. Über die äußeren Fisteln bei angeborener Atresia
ani s. recti und über die Darstellung des kongenital verschlossenen
Rektums im Réntgenbilde.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVIII. Hft. 2.)
Bei einem Neugeborenen mit vollständigem Afterverschluß bestand ein sub-
urethraler mit dem Mastdarme kommunizierender medianer Gang, welcher in Höhe
des Sulcus coronarius in einer feinen Fistelöffnung mündete, aus welcher sich Me-
konium entleeren ließ. Gleichzeitig bestand eine Spaltung des Hodensackes.
Auf Grund dieses und ähnlicher in der Literatur beschriebener Fälle setzt
Verf. auseinander, weshalb derartige Gänge bei Afterverschluß als Hoemmungsmiß-
bildungen aufzufassen sind, und wendet sich gegen die dynamische Theorie von
Stieda, wonach diese äußeren Fistelgänge einer Perforation des Mastdarmes unter
dem Druck des Mekoniums ihre Entstehung verdanken und nur die Kommunika-
tionen mit Blase, Harnröhre oder Scheide Hemmungsmißbildungen sein sollen.
Das Fehlen eines stärkeren intraintestinalen Druckes vor der Geburt, die mediane
Lage der Gänge und die häufige Kombination mit ausgesprochenen Hemmungen
in der Bildung von Hodensack und Harnröhre sprechen gegen die Theorie
Stieda’s.
Die beigegebenen Röntgenbilder zeigen, daß man durch Injektion von Wis-
mutemulsion in den verschlossenen Mastdarm mittels eines durch den Fistelgang
eingeführten Nelatonkatheters Lage und Beschaffenheit des blind endigenden
Mastdarmrohres auf der Röntgenplatte zur Darstellung bringen kann.
Reich (Tübingen).
38) Muscatello. Sull’ estirpazione del retto per cancro col metodo
perineo-cocigeale.
(Boll. della soc. med.-chir. di Pavia 1905.)
Die vier Falle, welche Verf. bespricht, zeigen die Leistungsfahigkeit der peri-
nealen Operation des Mastdarmkrebses mit Hilfe der Steißbeinresektion. Beach-
tenswert sind Fall III und IV (Männer), bei denen 20 bzw. 18cm Darm entfernt
wurden, und bei denen das Karzinom sich am Übergange des Colon pelvicum zum
Mastdarme befand. Bei Fall IV war es zudem noch stark verwachsen, die sakralen
Drüsen waren in erheblichem Grade infiziert, und das Mesosigmoideum war hier
von abnormer Kürze. Trotzdem war der operative Erfolg in diesem und in den
anderen Fällen ein sehr guter; für die Beurteilung des Dauererfolges ist allerdings
die Beobachtungszeit (6 bis 8 Monate) eine noch zu kurze.
A. Most (Breslau).
39) Reinecke. Vereiterter Echinokokkus der Bauchhohle.
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 18.)
Der Fall betrifft eine 36jährige Pat. mit einer großen von der Symphyse bis
zum Zwerchfell reichenden Geschwulst, die sich bei der Operation als eine vereiterte
Echinokokkuscyste erwies. Die Ausschälung der Cyste gelang nur teilweise, so
daß der Rest des Sackes eingenäht werden mußte. Heilung. Der Ausgangspunkt
ließ sich nicht mit Sicherheit feststellen. Borchard (Posen).
40) Stein (Hildesheim). Ein Fall von Echinokokkus der Leber, per-
foriert in die Lunge, ausgeheilt durch Rippenresektion.
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 12.)
Operiert wurde in Rücksicht auf den elenden Allgemeinzustand der Pat. nur
das durch die Perforation entstandene rechtsseitige Empyem, um der stark dys-
pnoischen Kranken Erleichterung zu schaffen. Aus der Wunde entleerten sich
später außerordentlich reichlich Echinokokkusblasen, die gelblich gefärbt waren
und einen stinkenden, säuerlichen Geruch hatten. Der Leberechinokokkus kam
dadurch zur Ausheilung. Kramer (Glogau).
768 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 27.
41) Quénu. Sur le traitement des kystes hydatiques. -
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXII. p. 42.)
Q. berichtet über einen Pat., bei dem er eine große Echinokokkuscyste der
Leberoberfläche transpleural nach Rippenresektion punktierte, sie nach Entleerung
von ca. 3/, Liter klarer Flüssigkeit durch Injektion von 250 g 1xiger Formollösung
sterilisierte und dann die Keimblase exstirpierte; 14 Tage nach der Operation be-
gann der Kranke zu fiebern. Die unter den Rippenbogen zurückgewichene Leber
wurde wieder tastbar, die Wunde öffnete sich an einer Stelle, und es entleerte sich
hier eine reichliche Menge zitronengelber Flüssigkeit; das Sekret wurde später
eitrig und enthielt Bakterium coli in geringer Menge; nach mehrfacher Punktion
Heilung ca. 2 Monate nach der Operation.
Q. kommt bei seinen weiteren Ausführungen über die Behandlung des Leber-
echinokokkus zu dem Resultate, daß vor Eröffnung der Keimblase, wenn eine
Infektion des Bauchfells vermieden werden soll, ihr Inhalt durch Injektion von
Formollösung zu sterilisieren sei, und daß selbst nach Sterilisation der Wundhöhle
dieselbe nicht offen in die Bauchhöhle versenkt, sondern durch Naht geschlossen
werden müsse; denn es finde infolge der Druckherabsetzung in der Wand der
Wundhöhle nach Entleerung des Cysteninhaltes fast regelmäßig eine reichliche
Sekretion seröser oder galliger Flüssigkeit statt, deren sekundäre Infektion (vom
Darme her), wenn sie in der freien Bauchhöhle sich befände, für den Pat. gefähr-
lich werden könnte.
In der anschließenden längeren Diskussion sind alle Redner darin einig, daß
die Formolsterilisation unentbehrlich und statt der Naht bei eitrigem oder trüb-
galligem Cysteninhalte Tamponade oder Drainage der Wundhöhle am Platze sei;
es werden noch zahlreiche Fälle erörtert, in denen nach der Operation, und zwar
in einigen Fällen erst mehrere Wochen nachher, reichliche Sekretion von Galle
aus der Wand der Cystenhöhle stattgefunden hatte und das häufig eitrig gewordene
Exsudat durch Punktion oder Inzision entleert werden mußte, bei zwei Pat. aller-
dings, ohne daß dadurch der tödliche Ausgang verhütet werden konnte. Walther
erwähnt, daß bei der Punktion der Cysten zweckmäßig zum Schutze der Wund-
ränder und der Bauchhöhle formolgetränkte Kompressen um die Kanüle herum
vorgelegt werden, damit neben der Kanüle austretende infektiöse Flüssigkeit durch
sie unschädlich gemacht werden kann. Thümer (Chemnitz).
42) R. Frank. Über Talmaoperationen.
(Aus der Sitzung der k. k. Gesellschaft der Ärzte in Wien vom 19. Januar 1906.)
(Wiener klin. Wochenschrift 1906. Nr. 4.)
F. hat in zwei Fällen von Cirrhose, die längere Zeit hindurch punktiert werden
mußten, die Milz zur Herstellung der Anastomosen unter die Haut vernäht.
Im zweiten Falle ließ sich die Milz nicht vorziehen. Es wurde daher von der
10. und 11. Rippe je ein 10 cm langes Stück reseziert, die Falte des Pleurasackes
nach oben verschoben und die Milz durch diese Öffnung soweit vorgezogen, daß
ihr Hilus in der Peritonealöffnung und ihr Körper zwischen den Rippen lag. In
dieser Stellung wurde sie durch Nähte befestigt und die Haut darüber geschlossen.
Bei beiden Fällen hatte die Operation Erfolg (im ersten Falle völlige Heilung
seit 41/, Monaten, im zweiten deutliche Verringerung des echten nach der Opers-
tion aufgetretenen Ascites. Hübener (Liegnitz).
Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man
an Prof. B. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags-
handlung Breitkopf & Härtel, einsenden.
Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig, Nürnbergerstraße 36/38.
Zentralblatt
CHIRURGIE
herausgegeben
E. vu Borman, Fg, ie
Dreiunddreißigster Jahrgang.
Eu u En Eu En I OTT TTT IIE ARE TE TE TE TET CATES
Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei halbjähriger
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.
Nr. 28. Sonnabend, den 14. Juli. 1906.
Inhalt: 1) Gibson, Hyperleukocytose. — 2) Stahr, Blutbefund bei Stauungshyperämie.
— 3} Ziegler, Adrenalin und Arteriosklerose. — 4) Ransohoff, Chronisches Pleuraempyem.
— 5) Borchardt, Herzwunden. — 6) Lichtenberg, Akzessorische Gänge am Penis. — 7) NI-
coll, Amputatio penis. — 8) Kümmell, Hypertrophie und Krebs der Prostata. — 9) Levy-
Dorn, 10) Beck, Harnsteine. — 11) Basham, Nephropexie. — 12) Schaerer, Katalog.
K. Gaugele, Zur Behandlung der tuberkulösen Fisteln mit der Bier’schen Saugglocke.
(Original-Mitteilung.)
13) Französischer Chirurgenkongreß. — 14) Freie Vereinigung der Chirurgen Berlins.
— 15) Torek, Brustwandresektion. — 16) Pereschiwkin, Peripleuritis. — 17) Rieder, Lun-
genabszeß. — 18) Schmidt, Kardiolyse. — 19) Niemier, 20) Tschernjächowski, Herzwunden.
— 21) Biondi, Abreißung des Penis. — 22) Guth, Luxation des Penis. — 23) Tédenat, Harn-
rohrenstriktar. — 24) Young, Prostatakrebs. — 25) Loumeau, Prostatektomie. — 26) Nicoll,
Zur Cystoskopie. — 27) Hinterstolsser, Angeborene Blasenspalte. — 28) Exner, Fremdkörper
in der Blasenwand. — 29) Minelll, Malakoplakie der Blase. — 30) Davis, Blasengeschwülste.
— 31) Stern, Durchgeschabte Blase. — 32) Furniss, Zur Behandlung der Pyelitis. — 33) Ni-
colich, Nephrotyphus. — 34) Wiesel, Nephrolithiasis. — 35) Hobart, Fibrom der Nieren-
kapsel. — 36) Pousson und Chambrelent, Nierenoperationen bei Eklampsie. — 37) Wrede,
Dermoide des Samenstranges. — 38) Lichtenstern, Torsion e. Leistenhodens. — 39) Haeckel,
GefaBonterbindang bei puerperaler Pyimie.
1) Gibson. The value of the differential leucocyte count
in acute surgical diseases.
(Annals of surgery 1906. April.)
Nach G. beginnt die Hyperleukocytose, wenn die Anzahl der
Leukocyten 10000 übersteigt, während die Grenze der Hypoleukocytose
bei 5000 liegt. Von größtem Wert scheint dem Verf. jedoch das
prozentuale Verhältnis der polynukleären Elemente bei der Leukocytose
zu sein, das normalerweise 68—75% beträgt. Eine Vermehrung des
Prozentgehaltes der polynukleären Elemente ist ein Index für die
Schwere des Prozesses resp. die Widerstandsunfähigkeit des Körpers.
G. benutzt zur Feststellung des prozentualen Verhältnisses die um-
stehende Figur, an deren linken Leukocytoseseite entsprechend der
Anzahl der Leukocyten ein Punkt, der andere Punkt an der rechten
Seite entsprechend der Höhe des Prozentgehaltes an polynukleären
28
770 | Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28.
Zellen gemacht wird. Die vertikale Distanz zwischen diesen beiden
Punkten repräsentiert in Zentimetern die Disproportion zwischen Leuko-
cytose und Prozentgehalt der polynukleären Zellen. Eine horizontale
Linie stellt normale Verhältnisse vor, während steile Linien, wie Verf.
bei Appendicitis, Gallenblasenleiden, septischen Prozessen usw. gefun-
den hat, für die Schwere des Prozesses sprechen. Verf. empfiehlt,
durch Anwendung seiner Tabellen weitere Erfahrungen über die bis
jetzt noch nicht ganz geklärten Verhältnisse der Leukocytenfrage zu
sammeln. Herhold (Altona).
2) E. Stahr. Über den Blutbefund bei der Bier’schen
Stauungshyperämie.
(Wiener klin. Wochenschrift 1906. Nr. 9.)
In dem mit Stauung behandelten Körperteile trat stets eine lokale
Leukocytose auf, und zwar schon zu einer Zeit, zu welcher die Ge-
webe noch nicht mit dem Gewebssafte durchtränkt waren. Welche
Ursache für diese Leukocytose maßgebend ist, läßt Verf. dahingestellt,
er verweist auf drei Möglichkeiten: Diapedese durch den verlangsamten
Strom, gesteigerte Chemotaxis oder schließlich gesteigerte Produktion
in den hämopoetischen Organen des gestauten Gliedes.
Hübener (Liegnitz).
100%
95%
90 %
85%
80%
~
5%
3) K. Ziegler. Über die Wirkung intravenöser Adrenalin-
injektion auf das Gefäßsystem und ihre Beziehung zur
Arteriosklerose.
(Sonderabdruck aus: Beiträge zur pathol. Anatomie 1905. Bd. XXXVII.)
Die auf Anregung v. Strümpell’s in der Breslauer medizinischen
Klinik angestellten Versuche erstreckten sich auf acht Kaninchen ver-
schiedenen Alters; die Injektionen erfolgten teils intravenös in eine
Ohrvene, teils auch subkutan. Aus den ausführlich wiedergegebenen
Versuchsprotokollen ergibt sich, daß in sämtlichen Fällen die Adre-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 771
ülininjektionen spezifische Schädigungen des GefaBsystems hervor-
neten, die besonders an der Media der großen Gefäße, speziell der
Aorta auftraten und als Nekrosen der Muscularis mit Einlagerung
von Kalksalzen im histologischen Bilde sich äußerten und zu aneurys-
matischen Aussackungen der Gefäßwand führten. Relativ spät erst
riefen die herdförmigen Nekrosen der Muscularis entzündliche Reak-
tionen mit Vaskularisation von den Vasa vasorum aus hervor. Das
Endothel der Intima blieb völlig unversehrt. Als rein kompensatorische
Erscheinungen für die entstandenen Muskeldefekte faßt Z. die über
denselben auftretenden Verbreiterungen und Wucherungen der sub-
endothelialen Zellschicht auf, die jedoch selbst bei ausgedehnten
Nekrosen ziemlich gering blieben. Aus diesen Versuchsergebnissen
geht hervor, daß die glatte Gefäßmuskulatur Ernährungsstörungen und
toxischen Einflüssen gegenüber wenig widerstandsfähig ist, und daß
Nekrosen derselben zur Ablagerung von Kalksalzen disponieren. Zu-
gleich gestatten sie den Schluß, daß nicht die elastischen Fasern,
sondern die glatten Muskelfasern dem Blutdruck das Gleichgewicht
halten; und so erklärt es sich, daß die Gefäßwandung bei Zugrunde-
gehen der Muscularis dem Blutdruck nachgeben muß, selbst wenn die
elastischen Fasern noch unversehrt sind. Am Schluß des Aufsatzes
bespricht Z. noch die Beziehungen dieser Versuchsergebnisse zu be-
stimmten Formen der Arteriosklerose des hyperplastischen Typus und
weist darauf hin, daß partielle Schädigungen der Gefäßwände und
dadurch bedingte verringerte Widerstandsfähigkeit zu kompensatori-
schen Wucherungsvorgängen der subendothelialen Zellschichten der
Intima führen können. Deutschländer (Hamburg).
4) Ransohoff. Discission of the pleura in the treatment of
chronic empyema.
(Annals of surgery 1906. April.)
R. hat verschiedentlich alte Empyemfisteln durch die Delorme’sche
Abschälung der Lunge zu heilen versucht; zuweilen gelang es ihm
aber nicht, die starren und festen Verwachsungen zu exzidieren. Für
diese Fälle schlägt er vor, durch die Schwarten nach geniigender Frei-
legung derselben durch Rippenresektion kleine bis auf die Lunge
reichende horizontale und vertikale Schnitte zu machen. Infolge der
Atembewegungen der Lunge klaffen diese Schnitte immer weiter und
bedingen schließlich eine erhebliche Bewegungsfreiheit der Lunge,
durch welche die Fistel zur Ausheilung kommt. Außerdem kann nach
R. auch die Umschlagsfalte der Pleura, wenn sie zu erreichen ist, ein-
geschnitten werden, was die Bewegung der Lunge ebenfalls fördert.
Herhold (Altona).
172 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28.
5) M. Borchardt. Über Herzwunden und ihre Behandlung.
Pfählungsverletzung von Herz und Lunge. |
(Sammlung klin. Vorträge N. F. Nr. 411/412. Leipzig, Breitkopf & Härtel, 1906.)
B. bespricht in fesselnder Weise die verschiedenen Arten der
Herzverletzungen, zunächst die, bei denen die Verletzten nach wenigen
Augenblicken tot umsinken, dann die subakut verlaufenden, bei denen
der Tod nach einigen Stunden oder Tagen durch langsame Verblutung
oder Herztamponade erfolgt, dann die, bei welchen die Kranken sich
in den ersten Tagen erholen und scheinbar genesen, aber von der
Gefahr eines plötzlichen Todes durch sekundäre Hämorrhagie, Ruptur
der entstandenen Bindegewebsnarbe bedroht werden oder infolge von
Perikarditis, Empyem, allgemeiner Sepsis noch nach Wochen und
Monaten erliegen können. — Bei dem verschiedenartigen Verlauf ist
es erklärlich, daß auch in der Mehrzahl der Fälle die Diagnose auf
Schwierigkeiten stößt; sicher ist diese nur da, wo die Trias von Sym-
ptome, Zeichen innerer Blutung, Symptome von Herztamponade und
Veränderungen an den Herztönen besteht. In zweifelhaften Fällen
muß die Probeperikardiotomie herangezogen werden. — Unter den
zahlreichen osteoplastischen Methoden zur Freilegung des Herzens,
die Verf. auf einer Tafel mit 16 Abbildungen illustriert, hält er die
von Lorenz modifizierte Wehr’sche für die beste, falls nicht die
Erweiterung der bestehenden Thoraxwunde mit Wegnahme hinderlicher
Teile des knöchernen Gerüstes am Platze ist. Die Behandlung der
Herzwunde, die Anlegung von Seidenknopfnähten, ihre Knotung, wenn
möglich, während der Diastole, die der Tamponade vorgezogene Naht
des Perikards, event. mit Einlegung eines dünnen Drainrohres; weiter
das Verhalten bei steckengebliebenem, äußerlich sichtbarem Fremd-
körper, dessen rasche Entfernung mit baldiger Freilegung des Herzens
zur Naht der Herzwunde, die Behandlung von Schußverletzung ohne
und mit Eröffnung des Perikards werden eingehend besprochen. Zum
Schluß gibt B. eine Tabelle von 83 Fällen von Herzoperationen (78
mit Herznaht: 46 tot, 32 geheilt).
Von besonderem Interesse ist sein eigener Beitrag eines glücklich verlaufenen
Falles von Phählungsverletzung bei einem 12jährigen Knaben, der, von einem
Baume herabstürzend, sich mit der Brust auf ein eisernes Gitter aufgespießt hatte
und 2 Stunden darauf in der kgl. Klinik zu Berlin aufgenommen worden war: Es
bestand eine 4 cm lange Rißquetschwunde im 5. Interkostalraum in der Mammillar-
linie, durch welche pfeifend Luft ein- und ausstrich, linksseitiger Hämo- und
Pneumothorax mit verschwundener Herzdämpfung und kaum hörbaren Tönen, be-
trächtliche Spannung der Bauchmuskulatur und ein auffallend tympanitischer Schall
in den oberen Partien des Leibes; der Puls war kaum fühlbar, der Knabe zeigte
große Unruhe und hatte starkes Angstgefühl. Nach beträchtlicher Erweiterung
der Wunde, mit Rippenresektion und Freilegung eines Risses in der Gegend des
Lungenhilus wurde an der Hinterfläche des Perikards ein zehnpfennigstiickgroBes
Loch entdeckt, nach Erweiterung desselben aus der Perikardialhöhle Blut und Ge-
rinnsel entfernt, das Herz herausgeholt und eine an der Rückseite des linken
Ventrikels dicht unter der Atrioventrikulargrenze eine Rißwunde gefunden, nach
deren Naht die Blutung vollständig stand. Nach Versorgung der Herzbeutelwunde
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 773
(Naht, Jodoformdocht) Tamponade der Pleurahöhle und Schluß der äußeren
Wunde wegen Verdacht auf Zwerchfellperforation, Probelaparotomie, bei welcher
indes eine Verletzung im Bauche nicht nachgewiesen wurde. — In den ersten
Tagen große Unruhe des Pat., die sich erst nach Entfernung des Jodoformdochtes
und Entleerung von 3/, Liter seröser Flüssigkeit besserte; trotz aufgetretener Peri-
carditis externa, doppelseitiger Bronchopneumonien und Pleuritis genas der Knabe
vollständig und ist auch jetzt — 1 Jahr später — ganz gesund.
Kramer (Glogau).
6) A. Lichtenberg. Über die Entwicklungsgeschichte einiger
akzessorischer Gänge am Penis.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVII. Hit. 2. p. 206.)
Entwicklungsgeschichtlich-anatomische Arbeit, wonach die am
Orificium ext. urethrae, in der Rhaphe, im Frenulum und am Dorsum
penis vorkommenden akzessorischen Gänge teils vom Urogenital-
septum, teils von der Haut abstammen. Reich (Tübingen).
7) Nicoll. Lantern slides illustrating the steps in operating
for the radical removal of penile carcinoma.
(Glasgow med. journ. 1906. Mai.)
Auf drei groBen Tafeln demonstriert N. das von ihm neuerdings
geübte Verfahren der Amputation des Peniskarzinoms.
Er geht dabei von der Überlegung aus, daß man auch hier, wie
beim Brustdrüsen- und Lippenkrebs, die Primärgeschwulst mit den
voraussichtlich erkrankten Lymphbahnen und Lymphdrüsen im Zu-
sammenhange beseitigen müsse.
Da zunächst und im wesentlichen allein die dorsalen Lymphbahnen
in Betracht kommen, so wird der Hautschnitt folgendermaßen angelegt:
die beiden zur Exstirpation der Leistendrüsen üblichen Schnitte treffen
sich an der dorsalen Seite der Wurzel des Penis; von hier läuft ein
dorsaler Schnitt auf dem Penis nach vorn bis zur Höhe der beab-
sichtigten Absetzungsstelle, teilt sich hier und umkreist das Glied mit
seinen zwei Ausläufern. Nach Entfernung der Drüsen und dorsalen
Lymphbahnen werden die Corpora cavernosa penis quer durchschnitten,
das Corpus cavernosum urethrae etwas distal davon abgesetzt und aus
dem Harnröhrenstumpf ein kürzerer dorsaler und längerer ventraler
Lappen gebildet. Die Wunden werden vernäht und in beiden Leisten-
gegenden drainiert. W. v. Brunn (Rostock).
8) Kümmell. Die operative Behandlung der Hypertrophie
und des Karzinoms der Prostata.
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 14.)
In dem sehr interessanten Aufsatze bespricht K. vor allen Dingen
die operative Indikationsstellung. Die Bottini’sche Operation wendet
er hauptsächlich da an, wo der Allgemeinzustand der Kranken einen
radikalen Eingriff nicht gestattet. Suprapubische Prostatektomie wird
am meisten bevorzugt und in Beckenhochlagerung ausgeführt; jedoch
174 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28.
auch die perineale Prostatektomie ist zur Anwendung gekommen.
Beide Operationen werden in der letzten Zeit unter Lumbalanästhesie
ausgeführt. Borchard (Posen).
9) Levy-Dorn. Beitrag zur Untersuchung auf Nierenstein
mittels Röntgenstrahlen.
(Archiv für physikal. Medizin u. med. Technik Bd. I. Hft.2 u. 3.)
Die Bedeutung der Zusammensetzung der Nierensteine in der
Frage nach der Möglichkeit ihrer Darstellung im Röntgenbilde ist
überschätzt worden, da es sich meist um Mischsteine handelt. Ein
positives Ergebnis der Röntgenographie bei Nierensteinen ist so häufig,
daß der negative Ausfall der Untersuchung bedeutungsvoll ist.
Verf. skizziert die bekannten Grundbedingungen für röntgeno-
graphische Untersuchung: weiche Röhre von hoher Widerstandsfähig-
keit, Kompression des Bauches, Abblendung, geeignete Lagerung,
Abführkur. In bezug auf Lagerung und Kompression gibt er ein
Aushilfsmittel an, wenn ein Kompressionsapparat fehlt: Lagerung des
Kranken mit der Bauchseite auf einen Holzblock, auf dem die durch
drei alte Platten verstärkte und geschützte, in Papier gewickelte Platte
liegt. Endlich macht er noch darauf aufmerksam, wie durch innerlich
genommene Mittel oder Injektion in Fisteln Trugbilder veranlaßt wer-
den können. Renner (Dresden).
10) C. Beck. Experimental studies on the density of calculi
of the urinary tract.
(Arch. of physiol. therapy 1906. März.)
Von der chemischen Zusammensetzung der Nierensteine hängt
ihre Durchlässigkeit für Röntgenstrahlen ab. Je höher das Atom-
gewicht der chemischen Bestandteile, um so größer die Dichtigkeit,
um so schärfer der Schatten. Daraus ergibt sich folgende Reihen-
folge: Oxalate, Phosphate, Urate, Cystin- und Xanthinsteine. Steine
mit reiner Zusammensetzung sind selten, am häufigsten sind die ge-
mischten; doch wirft fast jeder Nierenstein einen Schatten.
Von größter Wichtigkeit ist das möglichst nahe Heranbringen
des Körperteiles an die Platte und die völlige Bewegungslosigkeit.
Beides wird erreicht durch einfache Blenden, wie auch B. eine solche
angegeben hat. Ihr Nachteil — die Beherrschung kleiner Flächen
und daher die Möglichkeit, den Stein zu verfehlen — wird ausgeglichen
durch eine voraufgehende allgemeine Aufnahme ohne Blenden. Mehr
als zwei Aufnahmen zur Klarstellung hat B. selten nötig gehabt.
Der Nachweis von Gallensteinen auf der Platte ist noch unvoll-
kommen. Weiche Röhren, schräges Aufsetzen der Blende zur Ver-
meidung des Leberschattens sind wichtige, oft nicht beachtete Vor-
bedingungen. Flüssige Galle ist meist nicht mehr vorhanden, wird
also meist wenig hinderlich sein für die Durchdringung der Strahlen.
Nierensteine kann man von Gallensteinen meist unterscheiden durch
Kanten und Spitzen und ureterale Ausläufer. Weber (Dresden).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 175
11) D. W. Basham. Some observations on nephropexy.
(Amer. journ. of surg. 1906. Mai.)
Sehr lesenswerte Übersicht über die Nephropexie bei Wander-
niere. Die Ursache der Mißerfolge sind nach Verf. zu tiefe Befesti-
gung der Niere, eine Festlegung zu nahe der vorderen Bauchwand
und zu weit entfernt von den Wirbeln, wodurch Knickungen des Hilus
und Harnleiters bedingt sind. B. betont, daß auf begleitende Pyelitis,
Steine, klappenförmige Ausmündung des Harnleiters besonders zu
achten ist. Enthülsung ist stets bei hyperämischem, großem oder ge-
lapptem Organ vorzunehmen. Die Existenz einer Neuralgie der Niere
hält Verf. für unzweifelhaft. Bei Enteroptose soll nicht operiert wer-
den. Die Differentialdiagnose gegenüber erweiterter Gallenblase, Dick-
darmgeschwülsten und Parovarialcysten wird besonders besprochen.
Für die korrekte Methode wird die Fixation an der 12. Rippe oder
ihrem Periost und der Fascie des Quadratus lumborum erklärt.. Die
Naht geschieht mit Chromcatgut; sie wird nur durch die Kapsel, nicht
durch das Parenchym geführt. Uber die fibröse Kapsel wird die
Fettkapsel und, wenn möglich, auch die perirenale Fascie vereinigt.
Um die Atemexkursionen auszuschalten, wird die betr. Thoraxseite
durch Heftpflasterstreifen möglichst immobilisiert.
Goebel (Breslau).
12) M. Schaerer, Sanitätsgeschäft, Bern. Illustrierter Katalog
über technische Hilfsmittel und Einrichtungen für die ge-
samte Medizin und Chirurgie.
Ganz nach Art des Tuttlinger Musterbuches, das vor 2 Jahren
erschienen und in diesem Zentralblatt (1905, p. 36) kurz angezeigt
wurde, hat jetzt obiges Schweizer Geschäft einen Katalog heraus-
gegeben, der eine sehr große Zahl von Abbildungen von allen Dingen
enthält, die in dem Gebiet der Medizin zur Verwendung kommen,
dazu auch ein nach Autoren geordnetes Inhaltsverzeichnis und ein
Sachregister.. Wir können diesen Katalog in gleicher Weise wie den
erst erschienenen als Nachschlagebuch bestens empfehlen.
Richter (Breslau).
Kleinere Mitteilungen.
(Aus der San.-Rat Dr. Köhler’s chirurgisch-orthopädischer Privatklinik in
Zwickau i. S.)
Zur Behandlung der tuberkulösen Fisteln mit der Bier-
schen Saugglocke.
Von
Dr. K. Gaugele, leitender Arzt der Klinik.
Bei sämtlichen Fällen von tuberkulösen Gelenkfisteln habe ich in letzter Zeit
neben der längst gewohnten Allgemeinbehandlung die Bier’sche Stauung mit der
Gummibinde und dessen Saugglocke verwendet.
776 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28.
Bei älteren, schon jahrelang bestehenden Fällen, wobei nur ein Fistelkanal von
der Dicke einer Stricknadel zum Krankheitsherde führte, sah ich wohl im Verlaufe
von einigen Monaten ein Reinerwerden der Fistel und Umgebung, einen vollkom-
menen Verschluß der Fistel sah ich in diesen Fällen bis jetzt noch nicht eintreten.
In neueren Fällen aber ging die Heilung der Fistelgänge von innen heraus viel
rascher vor sich.
Speziell in einem Falle glaube ich nun den vollkommenen Verschluß der
Fistelöffnung durch ein ganz bestimmtes Verfahren, das ich gleich des näheren
angeben will, wesentlich beschleunigt zu haben und möchte dieses deswegen zur
Nachahmung empfehlen.
Es handelte sich um einen sehr schwächlichen Jungen von 6 Jahren, der vor
ca. 1 Jahr in vollkommen desolatem Zustand in unsere Behandlung trat. — Nach
Angabe der Mutter litt er seit 2 Jahren an linksseitiger Hüftgelenksentzündung.
Bei der Aufnahme bestanden starke Reizerscheinungen, das Gelenk war bei der
Betastung sehr schmerzhaft, Pat. konnte weder gehen noch stehen.
Pat. erhielt zunächst einen Gipsverband, nach 1/, Jahre trat Abszeßbildung
auf, die auf der Vorderseite der Leiste zum Vorschein kam und des öftern punk-
tiert wurde. Zu gleicher Zeit spritzten wir Jodoform-Glyzerinemulsion in das Hüft-
gelenk ein. Kurz vor Weihnachten 19056 machten wir die atypische Resektion,
indem wir nur das sichtbar Krankhafte entfernten. Nach kurzer Zeit war die
Wunde bis auf eine kleine Fistelöffnung geheilt, und Pat. wurde mit gefenstertem
Gipsverband nach Hause entlassen.
Nach ca. 8 Wochen erschien jedoch Pat. wieder und hatte drei größere Fisteln,
eine auf der Vorderseite, zwei auf der Rückseite; an den Fistelöffnungen befanden
sich ca. markstückgroße granulierende Flächen, die sehr starke Eiterabsonderungen
zeigten.
Wir gebrauchten nun sofort täglich 2mal die Bier’sche Saugglocke, und zwar
in der Weise, daß die Glocke auf jeder Fistelöffnung je 3/, Stunden lang aufgesetzt
wurde, wobei Pausen von 5 Minuten mit Saugungen von 5 Minuten abwechselten.
Nebenbei erhielt Pat. täglich ein kurzdauerndes Bad (7 Minuten) mit Fichten-
nadelextrakt resp. Neurogensalz.
Schon nach 8 Tagen war die Eiterabsonderung nur noch minimal.
Nach 2 bis 3 Wochen hatten sich die Fisteln auf 10-Pfennigstückgröße ver-
kleinert; die weitere Ausheilung ging etwas langsamer von statten. Nach 8 Wochen
waren die Fisteln bis auf die Fläche eines Quadratzentimeters verheilt.
Dabei sah ich nun folgendes:
Die kleine, 1 gem große Fläche trocknete nach der jedesmaligen Stauung sehr
stark aus und war bis zum anderen Tage vollkommen mit einer zarten Haut ge-
schlossen. Die Stauung wurde ausgesetzt, 2 Tage darauf war aber die ganze neu-
gebildete Haut durch angesammeltes Sekret wieder zum Platzen gebracht. Dieser
Vorgang wiederholte sich 2—3mal. Ich ging deswegen später so vor, daß ich,
wenn sich die eben beschriebene Hautbedeckung gebildet hatte, darauf achtete, ob
sich unter dieser Flüssigkeit ansammelte. Sah ich nun die geringste Ansammlung,
so machte ich an dieser Stelle mit einer feinen Nadel einen Einstich und setzte
die Glocke mit ganz geringer Saugwirkung auf; es entleerte sich dann durch die
kleine Öffnung die angesammelte Flüssigkeit ganz allmählich, ohne diese merklich
zu vergrößern. So gelang es mir, die drei Fisteln in weiteren 8 Tagen zum voll-
kommenen Verschluß zu bringen. Es bildeten sich derbe Narben, welche sich
schön einzogen.
Pat. wurde mit einem Hessing’schen Schienenhülsenapparat entlassen und
befindet sich nach den Angaben der Mutter vollständig wohl und kann ohne Unter-
stützung schön gehen.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 777
13) X VID. französischer Chirurgenkongreß zu Paris vom 2.—7. Oktober
1905.
(SchluB.)
Kopf und Gesicht.
Thierry (Lyon): Behandlung der Gesichtsaktinomykose. Auf Grund
seiner Erfahrungen kommt T. zu folgenden Schlüssen: Die Operation ist unnütz;
Jodkali innerlich hat keinen, Bierhefe unsicheren Erfolg. Jodwassereinspritzungen
1:10 sind die beste Behandlung.
Abadie (Paris): Resektion des Sympathicus gegen Glaukom. Fälle
dieses Augenleidens, welche durch Iridektomie nicht in ihrer Weiterentwicklung
gehemmt werden, sollten vom Augenarzte dem Chirurgen zur Resektion des Hals-
sympathicus überwiesen werden.
Legrange (Bordeaux): Behandlung des Glaukoms mittels filtrierender Narbe.
Beschreibung einer neuen Methode. Sie besteht in der Ergänzung der Iridektomie
durch Exzision eines Läppchens aus dem vorderen Wundrande der Sclerotica und
UÜbernähung mittels Conjunctiva.
Malherbe (Paris): Behandlung der nichteitrigen chronischen Mittelohr-
entzündung mittels konstanten Stromes. M. schreibt seiner Anwendung direkte
Heilwirkung auf die katarrhalisch erkrankte Tuben- und Paukenhöhlenschleimhaut
sowie Anregung der akustischen Nervenfasern zu.
Hals und Rumpf.
Morestin (Paris): Großes Enchondrom der Glandula submaxillaris.
Die Entfernung der Geschwulst vom Mundboden war erschwert durch starke Venen-
entwicklung von der Dicke der Jugularis. Die Abstammung der Geschwulst von
der Submaxillaris ließ sich aus den epithelialen Einschlüssen erkennen.
` _ P. Delbet (Paris): Die Resektion des großen Zungenbeinhornes als
Akt der Pharyngektomie. D. kann sich zu der so wenig aussichtsreichen Operation
nur bei Blutungen, heftigen Schmerzen, Schling- und Atembehinderung entschließen.
Winkelschnitt vom Unterkiefer über das Zungenbein bis vor den Sternocleido-
mastoideus; von da den Muskel entlang abwärts. Exstirpation der Lymphdrüsen,
Unterbindung der Carotis ext. und Thyreoid. sup. Exstirpation des großen Zungen-
beinhornes. Der N. laryngeus sup. wird nach hinten verlagert. Vorteile der Me-
thode: Späte Eröffnung des septischen Rachens; leichte Verschieblichkeit der Luft-
wege nach vorn, wodurch Einfließen des Blutes und Tracheotomie vermieden werden;
gutes Licht und günstige Drainage.
Willems (Gent): Operative Lösung alter Pleuraverwachsungen. Die so
behandelten drei Fälle boten das klinische Bild einer eitrigen Pleuritis; die aus-
giebige Lösung der Verwachsungen hatte günstige Folgen; so steht die Operation
in erfreulichem Gegensatze zu jenen Fällen lange bestehender Exsudate, die an
sich wenig oder keine Beschwerden machen, und deren operative Behandlung
traurige Prognose hat.
Guisez (Paris): 50 Fälle von Ösophagoskopie. Sie setzen sich zusammen
aus 14 Untersuchungen nach Fremdkörpern, darunter 6mal eingebildete; doch konnten
hier wiederholt kleine Reizungen erkannt werden. 15mal konnte die Krebsdiagnose
mit Sicherheit gestellt werden, besonders aus der bekannten Starrheit, kleinen
Wucherungen, blutigem Schleim usw. 8mal gelang es, Krampf sicherzustellen;
3mal war auf die klinische Diagnose Krebs hin bereits die Gastrostomie geplant;
Antinervina genügten zur Heilung der Dysphagie.
Bauch. Verdauungsapparat.
Monprofit (Angers) teilt seine Operationsstatistik der Gastroenterostomie
mit — im ganzen 240 Fälle; die letzten 142 wurden nach Roux (98 hintere,
44 vordere) operiert, und seither die früheren Methoden verlassen. Um die wieder-
holt beobachtete nachträgliche Verengerung des neuen Pylorus zu vermeiden,
durchschneidet M. das Jejunum schräg, um den Ringmuskel teilweise auszuschalten.
Die Erfolge sind derartig zufriedenstellend, daß sie zur allgemeinen Nachahmung
der Roux’schen Methode auffordern.
98+*%
778 Zentralblatt ftir Chirurgie. Nr. 28.
Diskussion. Roux (Lausanne): Bei einem Kranken, wo R. wegen vermeint-
lichen inoperablen Karzinoms die Y-Anastomose angelegt hatte, wurde der Pylorus
wieder durchgängig, und die jejunale Öffnung schloß sich vollkommen; dies sucht
er zu verhindern durch Heranziehen einer möglichst breiten Darmschlinge oder
seitliche Anlagerung mit langem Spalt.
Gourdet (Nantes): Radikalkur des Nabelbruches durch transversale
Naht. Die Spannung der Bauchmuskeln erschwert die Vernähung der angefrischten
Nabelbruchpforte in der Längsrichtung außerordentlich; G. zieht deshall) die leichter
ausführbare quere Naht vor. Sie bietet den Vorteil, daß man die Kranken früh-
zeitig aufsetzen kann.
Diskussion. Lucas-Championniere (Paris) wünscht die Dauererfolge
kennen zu lernen, besonders da es sehr verschieden große Nabelbrüche gibt, die
nicht so ohne weiteres vergleichbar sind. Er hält die Gewebespannung für erheb-
licher bei Quernaht.
Morestin (Paris) näht die Nabelbruchpforten und die Hautwunde seit meh-
reren Jahren in querer Richtung — außer der Aponeurose. Die Spannung ist
gering.
Walther (Paris) hat wiederholt die tiefe Naht quer, die Fasciennaht ver-
tikal angelegt.
Lucas-Championniére: Die Resektion des Samenstranges als Akt
der Radikaloperation der Leistenbriiche. Während er früher bei sehr großen
Leistenbrüchen älterer Männer oder schweren Rezidiven anderer Chirurgen behufs
festen Verschlusses der Bruchpforten die Hoden entfernte, hat er in acht Fällen
der letzten Zeit mit bestem Erfolge nur den Samenstrang reseziert. Der Hode
atrophiert dabei natürlich, behält aber noch ein gewisses Volumen, was sogar bei-
fällig aufgenommen wird, wenn er vorher vergrößert war.
Lejars (Paris): Eingeklemmte Lumbalhernie. Sie bestand bereits
25 Jahre, hatte keinen eigenen Bruchsack, sondern bestand lediglich aus etwas
Fett, Kolon und Mesokolon, das sich durch das Trigonum Petiti gedrängt hatte
und zwischen Muskelfasern eingeklemmt war.
Dujou (Moulins): Zirkuläre Darmnaht. Resektion von 20 cm Dünndarm,
die nach Trauma innerhalb 24 Stunden brandig geworden waren. Das 8jährige
Kind, um das es sich handelt, hatte auf seinen Leistenbruch einen heftigen Fuß-
stoß erhalten. 2 Tage danach erfolgte die Resektion, die zur Heilung führte.
Chavannaz (Bordeaux): Die tuberkulöse Appendicitis. Abgesehen von
der gewöhnlichen Appendicitis, die auch den Tuberkulösen treffen kann, bestehen
zwei ziemlich selbständige tuberkulöse Formen des Leidens: der Wurmfortsatz
kann durchaus primär erkrankt sein und veranlaßt die Symptome einer gewöhn-
lichen Appendicitis, und nur der mikroskopische Befund weist die Tuberkulose nach,
oder es kommt zu langsam um sich greifenden Prozessen ohne stürmische Erschei-
nungen. Beidemal ist die operative Behandlung von günstiger Prognose.
Savariaud (Paris): Dauerresultate der Resektion des ileocoecalen
Darmabschnittes wegen tuberkulöser Stenose. Die Stenose machte keine
Darmverschlußerscheinungen; es bestand Blässe und Geschwulst. Die Resektion
von 30 cm Darm mit Drüsen war mühsam; es bildete sich eine Kotfistel, die
jedoch nach 9 Monaten geschlossen war. Pat. sah nach dieser Zeit blühend aus.
Lapeyre (Tours): Die Appendikostomie als Behandlungsmethode gewisser
Formen von Darmverschluß. Die in Amerika zuerst empfohlene Operation
wurde von Segond nach Frankreich verpflanzt; sie wird mit Vorteil anstatt der
Coecostomie angelegt, ebensowohl bei Verschluß durch Krebs wie durch Ver-
wachsungen.
Diskussion. Lejars (Paris) weist auf die Kürze mancher Wurmfortsätze
und die oft durchaus unzureichende Weite ihrer Lichtung hin; hierdurch erfahre
die Anwendung der Methode erhebliche Einschränkung.
Pozzi (Paris: Operative Behandlung von Kotgeschwülsten. Die stein-
harte Masse füllte die Flexur bis zum Nabel an, war wenig beweglich und ließ
sich nur mittels Inzision der Darmwand auslösen. Nahtverschluß und Faltung der
Zentralblatt für Chirurgie. Nr.28 779
erweiterten Schlinge. Der Kotballen wog 700 g; ein solches Vorkommnis diirfte
selten zur Beobachtung kommen.
Goullioud (Lyon): Die Lagerung des Colon pelvinum ins Becken
und der postoperative Darmverschluß durch Verwachsungen. Zwei typische Fälle
dieser Art, wo die ins Becken hinabgeglittenen Dünndarmschlingen anwuchsen
und geknickt wurden, beweisen, wie wichtig es ist, nach beendigter Operation,
besonders in Beckenhochlagerung, das Colon pelvinum ins Becken zurückzulegen
und zu entfalten. Diese Vorsichtsmaßregel wiege die Überkleidung des Operations-
feldes mit Bauchfell auf.
Pasteau (Paris): Der durch Beckenhochlagerung verursachte Darm-
verschluß. Der Verschluß wurde bedingt durch einen alten Strang, der vom
Mesocolon transversum nach dem großen Netze verlief. Bei früher von anderer
Seite veröffentlichten Fällen (Schauta, Kraske, Heidenhain) hatte Torsion
der Darmschlingen stattgefunden. Darmverschluß kann nach Beckenhochlagerung
auch dann erfolgen, wenn nicht im Bauche selbst operiert wurde.
Diskussion. Depage (Brüssel) hat vier Fälle von postoperativem Ileus
beobachtet, von denen zwei nach interner Behandlung ausheilten; er führt ihn
zurück auf das Hochschieben des Colon transversum unter das Zwerchfell mittels
der zur Isolierung eingeführten Kompressen. Nach abgeschlossener Operation
breite man Netz und Kolon wieder aus, bringe die Kranken in horizontale Lage
zurück vor Verschluß der Bauchwunde. |
Ein anderes Mal trat Herzstillstand ein; D. führte 5 Minuten lang die trans-
diaphragmatische Herzmassage (mit oder ohne Durchtrennung?) aus. Das Herz
erholte sich; die Kranke erlag am folgenden Tage, wohl an Hirnödem.
Le Dentu (Paris) hat durch Torsion des Dünndarmes eine Kranke verloren;
er glaubt sich zu entsinnen, daß er nach Schließung der Bauchwunde erst zur hori-
zontalen Lagerung zurückkehrte.
Walther (Paris) kann keinen direkten Zusammenhang zwischen Ileus und
Hochlagerung im Pasteau’schen Fall erkennen. Ihm ist noch kein Unfall nach
Trendelenburg’scher Lage zur Beobachtung gelangt; doch schließt er stets in
horizontaler Lage den Leib.
Monprofit (Angers) führt einen Fall von Hautemphysem, das sich einige
Tage nach der Operation entwickelte, auf die Naht in Hochlagerung zurück.
Lardennois (Reims): Die Enterorektoanastomose mittels Knopfträger-
zange. Der Kunstafter ist nach Möglichkeit zu umgehen; dies gelingt selbst für
Hindernisse der Flexur durch Ileorektostomie. Die Operation ist freilich gefähr-
lich und mühsam; doch gelingt sie mit Hilfe des Murphyknopfes, indem man
zuerst in die orale Darmschlinge (Ileum oder Flexur) den weiblichen Teil einlegt,
dann mit eigens konstruierter Zange den männlichen vom After aus an die zur
Anastomose bestimmte Stelle vorschiebt. (Desguin, Savariaud, Pouchet und
Vortr. bedienten sich der Methode mit Vorteil.)
Pouchet (Amiens): Bemerkungen zur Behandlung der Dickdarmkarzi-
nome (ausschließlich Mastdarm). Von den 19 Operationen am Dick- und 2 am
Blinddarme waren 6 Resektionen mit End-zu-End-Vereinigung, 7 Anastomosen,
6 Resektionen mit Anastomosen, 2 Ausschaltungen. 6 endeten tödlich. P. stellt
folgende Sätze auf: Nicht komplizierte Krebse ohne bestehenden Verschluß sollen
einzeitig, nach Verschluß der Darmlichtungen mit Anastomose operiert werden;
keine zirkuläre Vereinigung! Die Beweglichkeit des Kolons wird erhöht durch
Entspannungsschnitte im Peritoneum, die nachher entweder überdeckt oder
drainiert werden müssen. Bei bestehendem Verschluß lege man Blinddarmafter
an und führe die Resektion 3 Wochen später aus, nach der Technik von Hart -
mann (zweizeitig mit 14tagiger Pause). Bei inoperablen Krebsen ohne Verschluß
ist die leosigmoideo- oder Dleorektostomie, nicht aber die Ausschaltung angebracht.
Pouchet (Amiens): Kolonkarzinom. Ihre Domäne sind die entzündlichen
Geschwilste. Bei bestehendem! Verschluß rät P. zur Anastomose, und nur bei
sehr schlechtem Zustande der Kranken zum Kunstafter.
780 ~ Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28.
Harn- und Geschlechtsorgane.
Vidal (Arras): Die Nierenaushülsung bei Nephritis. Bisher hat V. in
fünf Fällen sog. interner Nierenerkrankungen operiert; zweimal führte er bei
miliaren Abszessen und posttyphöser akuter Nephritis — natürlich nach vergeb-
licher medikamentöser Behandlung — mit Erfolg die Nephrotomie aus. Die gleiche
Operation leistete nichts bei Granularniere; hingegen erwies sich hierbei die Aus-
hülsung zweimal segensreich. Sie ist demnach sehr zu empfehlen, zumal sie sich
doppelseitig ausführen läßt.
Chénieux (Limoges): Cystotomia suprapubica zur Behandlung irrepo-
nibler Blasenscheidenfisteln. Der kurzen Notiz ist nur zu entnehmen, daß
nach einer Geburt die Scheide anscheinend verwachsen und von der Harnröhre
nichts übrig geblieben war. C. legte dann die suprapubische Blasenfistel an und
schloß mit zwei Lappen die Kloake unten.
Begouin (Bordeaux): Behandlung der Blasen-Scheidenfisteln mittels
Ablösung der Scheide. Früher ließ B. das Loch in der Blase ungenäht, was zu
vollständiger Heilung führte; jetzt schließt er dieses zuerst mit Catgut und ver-
näht die Scheidenlappen darüber; er hat gute Erfolge.
Forgue (Montpellier): Behandlung hochgelegener Scheidenfisteln von der
Bauchhöhle aus. In einem sehr ungünstigen Falle hochgelegener Blasen-Scheiden-
fistel schlug F. den bereits von Dittel betretenen Weg ein. Nach Ablösung des
Uterus in Beckenhochlagerung vernäht er die Blase, dann die Scheide. Leider
blieb der Erfolg nur ein teilweiser, da die Pezzer’sche Sonde zu früh heraus-
genommen wurde.
Diskussion. Roux (Lausanne) läßt die Kranken 10 Tage vor der Operation
Bauchlage einnehmen. In einem höchst ungünstigen Falle hat er in mehreren
Etagen genäht und Heilung erzielt.
Richelot (Paris): Die Notwendigkeit der Behebung der Retroversionen.
Neben den zahlreichen Fällen, wo infolge von Pelviperitonitis und Salpingo-Oopho-
ritis die Retroversio nur Symptom ist, existiert eine ganze Menge, wo bei Insuffi-
zienz des Bandapparates die Lageveränderung des Uterus das wesentliche Übel
darstellt, von dem aus die lebhaftesten Beschwerden ausgehen; R. bringt das
Leiden in Zusammenhang mit neuroarthritischer Diathese, besonders bei Fett-
leibigen. In den letzten 6 Jahren hat er 80mal hierbei die Ventrofixation nach
Doléris — vermittels der Ligg. rotunda, die nach medianer Laparotomie zu
beiden Seiten gerafft und fixiert werden — mit vorläufig 30 Heilungen ausgefiihrt.
25 verlor R. aus den Augen, die übrigen sind neueren Datums. Die meisten
Kranken finden sich wie umgewandelt.
Diskussion. Monprofit (Angers) hat nach Versuchen mit allen anderen
Operationsmethoden zur Fixierung des Uterus sich gleichfalls der Modifikation von
Doléris zugewendet.
Walther (Paris) sah öfters Rezidive bei ökonomischen Adnexoperationen,
wenn er den Uterus nicht fixierte; seither näht er ihn im untersten Korpus-
teile fest.
Roussel (Reims): Totale Hysterektomie wegen Fibrom. Vervollstindigung
der Mitteilungen vom XIV. und XVI. Kongreß. Von 1903—1905 hat er weitere
39 Falle mit einem Todesfall operiert (wahrscheinlich Embolie am 13. Tage). Es
sind jetzt zusammen 113 Hysterektomien mit drei Todesfällen (2,64%).
Boursier (Bordeaux): Stieldrehung subseröser Uterusmyome. Die beiden
referierten Fälle bieten nichts Besonderes; die Torsion war mehr zufälliger
efund.
Sorel (Dijon): Zwei Fälle von Stieldrehung von Ovarialcysten bei Schwan-
gerschaft; Ovariotomie, Heilung, Fortdauer der Schwangerschaft; Geburt am nor-
malen Ende; Festigkeit der Bauchwand. In der Überschrift ist alles enthalten
außer der Hämatolpinx, die sich im zweiten Falle feststellen ließ.
Diskussion. Morestin hat vier ähnliche Fälle beobachtet, von denen
einer mit Abort tödlich verlief.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 781
Bérard und Patel (Lyon): Die Entwicklung eines Ovarialkystoms in
das Mesocolon pelvinum hinein. Die Beobachtung betrifft ein sehr seltenes
Vorkommnis. Das Kolon lag der Geschwulst so fest auf, daß 20 cm reseziert
werden mußten. Die Heilung verlief günstig. Die Ausschälung ohne Resektion
hätte vermutlich Gangrän von 8—10 cm Kolon zur Folge gehabt.
Barnsby (Tours): Vereitertes O varialdermoid mit spontanem Durchbruch
in die Blase. Das Dermoid vereiterte infolge von Stieldrehung; 8 Wochen nachher
kam die erschöpfte Pat. zur Operation, wobei sich nach Empyem des mit der Ge-
schwulst verwachsenen Wurmfortsatzes Fibroma uteri und Hydrosalpinx vorfand.
Innerhalb einer Stunde gelang es B., den erkrankten Komplex zu entfernen und
die Blase zu nähen. Die Kranke genas dank des schnell vollführten Eingriffes.
Lassabatie (Toulon): Therapie der Varikokele. Auf Grund eigener
zahlreicher Beobachtungen empfiehlt L. vor allen anderen Operationen die früher
übliche Venenunterbindung.
Berthomier (Moulins: Uterus didelphys und große Blutcyste, vom
Ovarium und dem äußeren Tubendrittel gebildet. Laparotomie. Heilung. Die Be-
obachtung stellt einen ganz seltenen Fall dar; die beiden Uteruskörper stehen etwa
12—15 cm voneinander ab, und sind — also völlig getrennt voneinander — seit-
lich in die Scheide eingepflanzt.
Fournier (Amiens): Darm-Scheidenfisteln. Die zwei Fälle boten große
Schwierigkeiten durch ihren hohen Sitz und wurden, die eine abdominal, die andere
vaginal, geschlossen.
Gliedmaßen.
Princeteau (Bordeaux): Neue Operationsmethode der angeborenen Syn-
daktylie. In fiinf Fallen von Syndaktylie (drei angeboren, zwei durch Verbren-
nung entstanden) hat sich P. mit Erfolg seines eigenen — gemischt autoplastischen —
Verfahrens bedient. Zur Deckung der interdigitalen Wundflichen bedient er sich
nach Didot der Fingerhautlappen, den Methoden von Zeller und Félizet ent-
lehnt er die kommissuralen Lappen.
Caillaud (Monaco): Neuer Apparat fiir Gelenkentziindungen besonders
tuberkulöser Natur. Er besteht aus zwei seitlichen Schienen, die in sich wieder
der Länge nach dreigeteilt sind; proximale und distale Enden bestehen aus model-
lierten Zinkschienen, das Mittelstück aus gelenkigem, breiten Bandeisen; das Ge-
lenk ist nur in einem Sinne beweglich und mit Zähnen und federnder Arretierung
versehen.
Frölich (Nancy): Einseitige Spontanheilung der angeborenen Hüftgelenk-
verrenkung bei doppelseitiger Affektion. Kommen einerseits Fälle von angebo-
rener Hüftgelenkverrenkung einer Seite vor, wo sich im Verlaufe der Behandlung
— sei es infolge von Prädisposition, sei es infolge von Arthritis deformans infant. —
eine Ausrenkung der bisher gesunden Seite einstellt, so konnte»F. zweimal um-
gekehrt beobachten, wie die forcierte Abduktionsstellung der behandelten Seite
bei doppelseitiger Verrenkung zuerst eine starke Adduktion der anderen Gliedmaße
und dann Einrenkung herbeiführte.
Diskussion. Redard (Paris) meint, daß die zahlreichen Modifikationen in
der Technik der unblutigen Einrichtung angeborener Hüftverrenkungen einer kri-
tischen Sichtung bedürfen. Die Hauptsache bleibe: ausgiebige Mobilisierung des
Oberschenkelkopfes und Dehnung des fixierenden Kapsel- und Bandapparates.
Vielfach dürfte sich auch die Dauer der Immobilisierung im Verband abkürzen
lassen.
Calot (Berck-sur-mer): Leichte und sichere ÖOperationstechnik der blutigen
Einrenkung irreponibler Hüftverrenkungen. Die Methode besteht in Vermeidung
braiter Freilegung des Gelenkes, bzw. der Exzision verkürzter Bänder; statt dessen
legt C. eine »Boutonniöre« von 2 cm Länge an, führt in die Kapsel selbst einen
eigens konstruierten Dilatator, der das Bett für den Kopf genügend erweitert; die
bisher dreimal ausgeführte Operation hatte Erfolg. — Ferner stellt ©. 15 Kinder
vor, deren angeborens Verrenkung er durch unblutige Einrenkung geheilt hat;
182 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28.
darunter ein Kindchen von 13 Monaten, beiderseits eingerenkt, noch ehe es ge-
laufen hat. Sämtliche vorgestellten Kinder zeigen normalen Gang.
Gourdon (Bordeaux): Modifikation der unblutigen Einrenkung der angebo-
renen Hüftverrenkung bei älteren Kindern. Bei Kindern über 9 Jahren sind die
Erfolge der Einrenkung oft beeinträchtigt durch Steifheit des Gelenkes und un-
günstige Haltung des Beckens wegen Abflachung des Gelenkkopfes. G. läßt des-
halb den festen Verband nur 21/s Monate liegen, um ihn durch einen abnehmbaren
zu ersetzen, der zweimal täglich aktiv-passive Bewegungsübungen gestattet. Erst
8 Monate nachher beginnt er mit der Belastung des Beines und Gehversuchen.
Ducroquet (Paris): Hauptgesichtspunkte für die Prothesen der Beine.
D. stellt die Apparate aus Zelluloid her, wodurch sie um 2/3 leichter werden als
andere. Der Stützpunkt muß immer auf horizontaler oder konisch verlaufender
Knochenfläche gesucht werden, vorausgesetzt, daß die aufwärts gerichtete Basis
breit ist. Die Beweglichkeit des Fußes wird zu einer ausgiebigen und glatten
gestaltet durch Gummipolster.
Mencidre (Reims): Beitrag zur Kenntnis der orthopädischen Opera-
tionen der verschiedenen Deformitäten paralytischen Ursprunges.
Bei unveränderlich gewordenen Gestaltveränderungen nützen Elektro- oder Mechano-
therapie nichts mehr, und sie kommen als Behandlungsweise erst in Frage, wenn
die operative Korrektur stattgefunden hat. M. führt dann eine ganze Reihe neuer
Operationen auf, die er wegen fehlerhafter Stellungen ausgeführt hat: so die supra-
epikondyläre Osteotomie des Humerus zur Korrektur der Innenrotation, Osteo-
tomie des Radius, Arthrodese durch künstliche Entzündung mit Karbolsäure, ver-
schiedene Sehnen- und Muskelaufpfropfungen und Verlagerungen, sowie Knochen-
modellierung durch Aushöhlung.
Demonstration von Apparaten.
Gourdet (Nantes): 1) Azetylenlampe. 2) Spekulum mit Konusansatz. 3) Ohr-
trichter, der sich durch sein Eigengewicht in der Lage erhält. 4) Apparat zur
Eröffnung des hinteren Scheidengewölbes. 5) Bettpfanne mit seitlichem Abfluß
und Sicherung gegen Knickung. 6) Mundspekulum, das hinter den Molaren aufsitzt.
Dujon (Moulins): Demonstration eines Apparates für Pes varus. Er besteht
aus zwei Aluminiumplatten mit Verstärkungen an den Flächen, welche der Tibia
und dem inneren Fußrand anliegen; beide sind rechtwinklig durch ein Winkel-
eisen verbunden, derart, daß sie um dessen Schenkel drehbar sind. Der Apparat
wird vor dem Redressement angelegt, mit Binden fixiert und folgt den redressie-
renden Bewegungen, worauf er durch Schrauben festgestellt wird.
Guyot (Bordeaux) zeigt einen Kühlapparat für den Leib, wie sie zum An-
schluß an die Wasserleitung schon längst üblich sind.
Alixisatos (Athen) zeigt Photographien seines Tisches zum langsamen Re-
dressieren der Pott’schen Kyphose.
Monprofét’(Angers) zeigt eine Maske, welche das Chloroform tropfenweise
zu geben gestattet.
Für den Kongreß 1%6 (unter dem Vorsitze von Monprofit) werden fol-
gende Themata auf die Tagesordnung gesetzt:
1) Ohirurgie der großen Venenstämme (Lejars; Morestin).
2) Therapie und Komplikationen der Hodenektopie (Souligoux;
Vollard).
3) Methoden der Thoraxeröffnung (Willems; Loison).
Christel (Metz).
14) Freie Vereinigung der Chirurgen Berlins.
155. Sitzung am 14. Mai 1906.
Vorsitzender: Herr Rotter.
Herr Eschenbach: Uretersteine. |
E. demonstriert zwei abnorm große Harnleitersteine. Der erste, über pflaumen-
groß, lag zur Hälfte in der Harnleitermündung, zur Hälfte in der Blase einer
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 783
jährigen Frau. Er wurde durch Sectio alta entfernt ohne Spaltung des Harn-
leiters. Heilung nach 5 Wochen. Der zweite Stein, von der Größe eines kleinen
Hühnereies, wurde bei einer 40jährigen Pat. durch Laparotomie entfernt; die un-
teren 2/3 des Harnleiters stellten eine armdicke, fluktuierende Geschwulst dar, die
dazu gehörige Niere war völlig atrophisch. Es gelang schwer, den Stein zu ent-
fernen; Harnleiternaht; Exstirpation der atrophischen Niere. Glatte primäre Hei-
lung.
Herr Dirk: Ulcus ventriculi perforatum. l
Bei dem 27jährigen kräftigen Manne erfolgte die Perforation ohne vorauf-
gegangene Symptome; nur 4 Wochen vorher hatte er einige Tage an Magenver-
stimmung (Appetitlosigkeit, Aufstoßen ohne Erbrechen, ohne Druckschmerz)
gelitten. Es fand sich, 12 Stunden nach der Perforation, in der Nähe der kleinen
Kurvatur, 3 Querfinger vom Pylorus entfernt, eine 5markstückgroße Infiltration
der vorderen Magenwand, in der Mitte dieser eine 2stecknadelkopfgroße Perfora-
tion und im Bauchraum 1 Liter schleimig-eitriger Flüssigkeit mit Fettaugen. Uber-
nähung der Perforation, Austupfung der Bauchhöhle. Im weiteren Verlaufe kam
es noch zur Bildung eines Abszesses rechts vom Nabel und eines im Douglas; letz-
terer wurde vom Mastdarm aus entleert und zur Heilung gebracht. Pat. ist jetzt,
4 Wochen nach der Operation, wohl, fieberfrei, die Bauchschnitte granulieren nor-
mal. Demonstration.
Derselbe. Traumatische Choledochusruptur.
Der 17jährige Pat. wurde zwischen Puffern von Güterwagen leicht gequetscht,
wonach er über wehes Gefühl im ganzen Leib ohne Übelkeit und Erbrechen klagte.
Objektiv bestand beim Fehlen äußerer Verletzung leichte Druckempfindlichkeit des
Leibes, keine Bauchdeckenspannung, Puls 88, Temperatur abends 38,0°. Nach
8 Tagen kam es zu hochgradigem Ikterus. Dieser blaßte nach 10 Tagen fast voll-
ständig ab unter gleichzeitiger Flüssigkeitsansammlung im Bauch. Die Punktion
ergab rein gallige Flüssigkeit, von der wegen Druckerscheinungen 7 Liter abge-
lassen wurden; die Punktion mußte 5mal wiederholt werden in Zeiträumen von
4-6 Tagen; eine Operation war von vornherein abgelehnt worden. Außer Druck-
erscheinungen bestanden wenig Beschwerden, die Temperatur war normal; der
Stuhl blieb acholisch. Offenbar wurde sämtliche Galle in die Bauchhöhle aus einem
der großen Gallengänge ergossen. Laparotomie 5 Wochen nach der Verletzung.
Es fand sich ein Gallenerguß im gesamten Bauchraum und in der Bursa omentalis,
die miteinander durch einen Riß im kleinen Netz und durch das Foramen Wins-
lowii kommunizierten. Die Gallenblase war leer. Die Perforationsöffnung konnte
nicht aufgefunden werden, sie wurde wegen des Ergusses in die Bursa omentalis
an der hinteren Seite der großen Gallengänge vermutet. Die Bursa omentalis
wurde drainiert und die Bauchhöhle wie bei der Cholecystektomie tamponiert. Pat.
überstand die Operation gut; die Wundhöhle verkleinerte sich in normaler Weise;
zurzeit — 3 Wochen nach der Operation — fließt noch sämtliche Galle nach
außen ab. Vorstellung.
Derselbe: Zur Kahn’schen Tubage.
Herr D. berichtet über sieben größere Operationen am Kopfe, die unter An-
wendung der Kuhn'schen Intubationsnarkose ausgeführt wurden, 3mal wegen
Oberkieferkarzinoms, 2mal wegen Zungenkarzinoms, imal wegen Karzinoms, aus-
gehend von einer Kiemengangceyste, und imal wegen Wolfsrachens. Nach Schil-
derung der Technik werden als besondere Vorzüge des Verfahrens hervorgehoben:
1) daß der Operateur unabhängig vom Narkotiseur und von ihm in keiner Weise
behindert ist und 2) daß die Operation speziell hinsichtlich der Blutstillung sich
viel einfacher gestaltet durch die Tamponade des Rachens. Die Narkose ist in
vollkommenster Weise dosierbar und kontinuierlich in beliebiger Tiefe zu halten;
Chloroform wie Ather werden gleich gut vertragen. Schädlichkeiten für den Pat.
wurden in keinem Falle beobachtet.
Herr Rotter: Zwei Fälle von traumatischem Aneurysma.
R. berichtet über zwei von ihm operierte Fälle traumatischen Aneurysmas, die
auf eigenartige Weise entstanden waren, der erste ein Aneurysma art. subclaviae
784 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28.
sin. intraclaviculare durch Hufschlag gegen die Schulter, der zweite, ein Aneurysma
art. prof. femoris sin., durch starke Zerrung in der linken Hüfte, wobei ein Reit-
knochen im Musc. adductor magnus die Arterie durchschnitten hat. In beiden
Fällen entwickelte sich unter Schmerzen eine langsam zunehmende Schwellung, die
schließlich pulsierte und Schwirren zeigte; im ersten Falle waren frühzeitig Läh-
mungserscheinungen aufgetreten, die fortschreitend zur vollkommenen Lähmung
des Armes sich ausbildeten. Hier war die Diagnose die ersten 4 Wochen irrtüm-
lich duf Schultergelenk- und Nervenverletzung gestellt worden, und in dieser Zeit
haben sich schwere trophische Störungen und eine Versteifung des Armes ausge-
bildet, die nach erfolgreicher Operation nicht mehr zu beseitigen waren. Die
Operation wurde beidemal unter provisorischer Unterbindung des zentral gelegenen
Arterienstammes, der Art. subclavia supraclavic. bzw. der Art. iliaca, ausgeführt;
die Schenkelgefäße, die vor dem Aneurysma femor. lagen, wurden unter Unter-
bindung aller Seitenäste 10 cm abwärts von der Ligatur verschiebbar gemacht.
Darauf ließ sich beidemal der Blutsack ausräumen ohne Blutung bis zur Freilegung
des peripheren Gefäßendes. Hier stand die Blutung nach Unterbindung der Art.
brachialis und mehrerer Seiteniste bzw. der Art. profunda femoris. Im ersten
Falle Tamponade der großen Wundhöhle und glatte Heilung; im zweiten Falle
Naht und Einlegung eines Drains; bei dem letzteren erfolgte am 4. Tage beim
Unterschieben einer Bettschüssel eine Nachblutung aus dem zentralen Stumpfe, die
durch doppelte Unterbindung der Art. iliaca über dem Lig. Pouparti gestillt wurde;
danach Fieber bis 40,0°, Puls 124, Nekrose des Fußes bis zu den Knöcheln und
4 Tage später Tod an Endocarditis ulcerosa. Von der Art. subclavia waren 4 cm
des Gefäßes mit den Stümpfen zweier Seitenäste exzidiert worden, sie hatte an
der vorderen und hinteren Wand ein 1 cm langes, 1/s cm breites Loch, während
die Kontinuität der oberen und unteren Wand erhalten war; an der Art. profunda
femoris war die Hälfte der Wand von dem Reitknochen durchschnitten.
Herr Rotter: Zur Frage der 48 Stunden-Operation bei Perityph-
litis.
Die Resultate der 48 Stunden-Operation haben sich seit der letzten Publikation
R.'s vor 5/4 Jahren erfreulich gebessert, so daß er bei 120 Operierten 0% Morta-
lität aufweisen kann. R. berechnet jetzt den Beginn der Erkrankung nicht mehr
vom Auftreten heftiger Schmerzen, Fieber u. dgl., sondern datiert sie von den
ersten Anzeichen der Erkrankung, wie leichtem gestörtem Allgemeinbefinden, ge-
ringen Leibschmerzen, Veränderung der Stimmung (besonders bei Kindern). Wenn
man diese Prodromalsymptome als den Beginn des Leidens annimmt, erzielt man
mit der 48 Stunden-Operation ideale Resultate.
Herr Petermann: Über Mastdarmkrebs.
In den letzten 13 Jahren wurden in Rotter’s Abteilung 110 Fälle von Mast-
darmkrebs (70% aller beobachteten) radikal operiert; P. bespricht die 85 Fälle ein-
facher Mastdarmresektion resp. -Amputation. Es sind zwei Gruppen; bis 1903
wurde nach verschiedenen Methoden (sakral, cocoygeal, vaginal, nach Levy-
Schlange) operiert — 26 Resektionen, 17 Amputationen; seit 1903 operiert R.
nach feststehendem Typus, nämlich coccygeal — 19 Resektionen, 23 Amputationen.
Kontraindikationen sind: ausgedehnte Verwachsungen mit Blase, Kreuzbein, Ver-
breitung im Beckenbindegewebe, innere Metastasen, schwere Allgemeinleiden. Nur
bei Ileus (4) wird die präliminare Kolostomie gemacht. Am 2. und 3. Tage vor
der Operation wird griindlich abgefiihrt, am Tage vorher der Darm ruhig gestellt.
Der Sphinkterapparat wird möglichst erhalten. In rechter Seitenlage wird das
Steißbein reseziert (bei Resektionen mit Erhaltung seiner Spitze und der Muskel-
ansätze), dann der Mastdarmstumpf von Scheide resp. Samenblasen und Prostata
gelöst; stumpfe Umgehung, dann Durchschneidung der seitlichen Befestigungs-
bänder (je 2—3 Ligaturen), quere Spaltung der Fascia praesacralis, Eröffnung des
Bauchfells vorn median und Abtrennung dicht am Darm. Eingehen mit der Hand
in die Bauchhöhle, Anziehen des Colon pelvinum, Unterbindung des Mesocolon
pelv. und Mobilisieren des Darmes nach Bedarf. Peritonealnaht. Die Eröffnung
des Bauchfells ist nötig zur gründlichen Resektion der Neubildung und Revision
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 185
und Exstirpation der Drüsen (2mal mußten wegen hoch hinauf erkrankter Drüsen
70 cm Darm amputiert werden). Bei Amputatio recti wird ein Anus glutaealis
subcutaneus angelegt, womit Verunreinigung der Wunde durch Kot und Darm-
vorfall vermieden wird. Nach der Resektion wurde bei genügender Länge und
Ernährung des zentralen Endes ilmal die Durchziehungs-, 4mal die Invaginations-
methode angewendet. Sonst wird die primäre zirkuläre Naht (mit Rotter’schem
Leppen) gemacht oder bei mangelhafter Ernährung des Darmes oder schlechtem
Zustande des Pat. zunächst ein Anus sacralis angelegt, nach 2—3 Wochen die Se-
kundärnaht ausgeführt. Die Tamponade wird schon am 2. oder 3. Tage vollständig
gewechselt. Nach Anderung der Operationstechnik ist die Mortalität im Anschluß
an die Operation von 32% auf 4%/,% gesunken; auch dem Gebrauche der Gummi-
handschuhe und der besseren Nachbehandlung wird ein günstiger Einfluß zuge-
schrieben. Wundinfektionen bedingten vorher 10mal (7mal Sepsis, 3mal Peritonitis)
einen tödlichen Ausgang, jetzt nur noch Imal (Erysipel). Die funktionellen Resul-
tate der Resektionen waren folgende: Die Kontinuität wurde unter 35 Fällen primär
hergestellt 13mal (bei der Durchziehungsmethode 3mal von 8, bei der Invagination
2mal von 2, bei primärer Naht a. ohne Lappen imal von 6, b. mit Lappen 7mal
von 8 Fallen). In 13 Fällen wurde sekundäre Vereinigung durch zirkuläre Naht
mit Lappen erzielt. In 9 Fällen konnte aus verschiedenen Gründen kein Versuch
der Plastik gemacht werden. 22 Pat. haben volle Kontinenz, 2 sind erst kürzlich
operiert, 1 hat keine (Schädigung des Sphinkter bei Nachoperation), 1 relative
Kontinenz (Durchschneidung des Sphinkter). Die Dauerresultate sind bei den
Fällen Gruppe I (3 Jahre nach der Operation) so, daß von sämtlichen 43 ope-
rierten 12 = 27,9% rezidivfrei sind; nach Abzug der 14 Todesfälle im Anschluß
an die Operation sind es 40,3%.
Herr Rotter: Über die kombinierte Methode zur Entfernung von
Kolon- resp. Mastdarmkrebsen.
R.’s Erfahrungen erstrecken sich auf Operationen bei 19 Männern, 6 Frauen.
Bei einer Gruppe (7 männlich, 2 weiblich) war die Operation vom coccygealen Zu-
gange begonnen worden; unüberwindliche Schwierigkeiten (hoch hinaufreichende
Drüsen bmal, Verwachsung mit Dünndarm imal, Unmöglichkeit, die Peritoneal-
Umschlagsfalte zu eröffnen 3mal) veranlaßten, sie abdominal zu beendigen. Bei
der zweiten Gruppe (12 männlich, 4 weiblich) war die Operation von vornherein
abdominal begonnen und coccygeal zu Ende geführt worden wegen hohen Sitzes
der Geschwulst im oberen Colon pelv. oder unteren S romanum, bzw. wegen Ver-
wachsung mit den Genitalien. Die Operation wird typisch abdomino-coccygeal
ausgeführt (nie mehr vaginal oder sakral): medianer Bauchschnitt, wenn nötig mit
Einkerbung oder Durchschneidung der Recti; das Peritoneum des Mesenterium,
des Sromanum und Colon pelv. wird zu beiden Seiten und im Douglas quer mit
langem Messer durchtrennt; 2—3 Ligaturen um die Mesenterialgefäße, die unterste
um die Art. haem. sup. Von da stumpfe Auslösung des Darmes vorn wie hinten
bis zum Levator ani; auch die seitlichen Aufhängebänder werden stumpf ohne
nennenswerte Blutung durchrissen. R. verwirft die präliminare Unterbindung der
Artt. hypogastricae. Die von Kraske zu Beginn der Operation angewandte
Durchschneidung und blinde Verschließung des S romanum hält R. für überflüssig
und die Asepsis gefährdend.. Er erhält die Kontinuität des Darmes bis zum
Schluß. Naht des Bauchschnittes. Es folgt der zweite Akt: nach Resektion des
Os coccygis kann die bis zum Levator gelöste Darmschlinge ohne weitere Aus-
lösung herausgezogen werden; Naht des Douglas-Peritoneums und Resektion des
erkrankten Darmabschnittes. Pat. braucht nur lmal umgelagert zu werden, bei
coccygo-abdominaler Operation dagegen 2mal. Kompliziert war die Operation
2mal durch Exstirpation der Gebärmutter mit Adnexen, 2mal durch Resektion von
Dünndarmschlingen, 5mal durch Lösung von Verwachsungen mit der Blase, imal
durch Blasenresektion, 2mal durch Einreißen des Darmes im Karzinom, 2mal beim
Ablösen von der Prostata, 2mal durch Eröffnung von Abszessen, 2mal durch Un-
möglichkeit, den Peritonealdefekt zu schließen. Die Darmversorgung erfolgte 14mal
durch Anus praeternat. coccygealis, um die Operation schnell zu endigen oder
186 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28.
wegen ungenügender Ernährung des oberen Darmendes; 11mal wurde primär ver-
einigt. Von 12 für die Frage der Kontinenz in Betracht kommenden Fällen sind
10 mit Kontinenz geheilt, 2 stehen noch in Behandlung. Die Operationsmortalität
betrug 44% (11:25), unter 60 Jahren 33%, über 60 Jahre = 71x (2mal Kollaps,
7mal Infektion, 1mal Ileus, imal Pneumonie). Die Infektionen wurden wesentlich
vermindert durch den Gebrauch von Gummihandschuhen. Die Tamponade wird
am 3., selbst am 2. Tage entfernt, um das Verhalten des eventuell absterbenden
Darmendes zu beobachten. Die Operation erfordert große Ubung und soll mög-
lichst typisch ausgeführt werden. Bei den Frauen war die Mortalität sehr hoch =
50%, weil besonders komplizierte Verhältnisse vorlagen. Von 15 durchgekommenen
Operierten sind bisher 11 geheilt, 3 über 3 Jahre, 8 unter 3 Jahren; 3 haben
Rezidiv, bzw. Metastasen, 1 ist interkurrent gestorben.
Bichard Wolff (Berlin).
15) Torek. Resection of a large portion of the chest wall for sarcoma.
(Post-graduate 1906. April. p. 336.)
Bericht über operative Entfernung eines Sarkomrezidivs der Brustwand und
Lunge bei einem 29jähigen Mädchen. Beginn des Leidens vor 5 Jahren, erster
Eingriff vor 3, zweiter vor 2 Jahren. Die Geschwulst hat, von außen betrachtet,
eine Ausdehnung von 30 zu 21 cm; die Lunge war nachweislich mit erkrankt, der
Eingriff wurde nur der unerträglichen Schmerzen wegen gewagt. Die linke Brust-
wand wurde ringsum im Gesunden durchtrennt und dabei die vordere Partie der
4. bis 7. Rippe sowie die ganze anliegende Lungenpartie mit entfernt, so daß das
Herz im unversehrten Herzbeutel frei zutage lag. Schluß der großen Wunde durch
Lappenverschiebung und Naht, Drainage durch Gazestreifen. Der Eingriff wurde
in allgemeiner Narkose ohne besondere Maßnahmen ausgeführt und dabei die
merkwürdige Beobachtung gemacht, daß die Atmung trotz der weiten Eröffnung
der Brusthöhle gar keine Anderung erlitt; sie blieb auch bis zu dem nach
24 Stunden am Chok erfolgenden Tode der Pat. ganz normal, die Zahl der Respira-
tionen pro Minute betrug 18 bis 20.
Die sarkomatöse Natur der Geschwulst wurde durch histologische Unter-
suchung erwiesen. W. v. Brunn (Rostock).
16) N. 8. Pereschiwkin. Uber Peripleuritis.
(Russki Wratsch 1906. Nr. 1.)
In Prof. Fedorow's Klinik kamen in diesem Jahre drei Fälle von Peri-
pleuritis zur Operation, von denen der eine Licht in die Pathogenese des Leidens
bringt. Es handelte sich um einen 21jährigen Soldaten mit Affektion der linken
Spitze und einer Anschwellung links zwischen der 6. und 7. Rippe in der Mammillar-
linie. Man dachte zuerst an Rippencaries, dann an Gumma, als aber Jodkali keine
Besserung brachte und Fluktuation auftrat, wurde inzidiert und 200,0 blutiger Zer-
fallsmassen wie bei Sarkom entfernt. Nun schritt man zu Exzision des vermeint-
lichen Sarkoms, resezierte Stücke aus der 6.—8. Rippe und fand darunter mehrere
zerfallene Lymphdrüsen, sowie zwei, die der Pleura auflagen. Das Stück Pleura
mit diesen zwei Drüsen wurde exzidiert, dabei — bei Lungenverwachsung — an
einer Stelle der freie Pleuraraum eröffnet, aber gleich wieder vernäht. Ein Probe-
schnitt durch die Drüsen zeigte Vereiterung und ließ die Diagnose: Sarkom fallen.
Pat. genas nach 1 Monate (wie auch die beiden anderen). Die mikroskopische
Untersuchung zeigte epitheloide und Riesenzellen in den entfernten Drüsen —
also Tuberkulose der tiefen peripleuralen Drüsen. In der Vereiterung dieser letz-
teren und in der Ausbreitung des Prozesses per continuitatem in das umgebende
Gewebe sieht nun P. die Ursache der Peripleuritis.
E. Gückel (Romanowka, Saratow).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 187
17) H. Rieder (München). Ein Beitrag zur klinischen Diagnose der
Lungenabszesse.
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 17.)
R. berichtet über zwei Fälle von metapneumonischem bezw. idiopatischem
Lungenabszeß, in denen mit Hilfe der Röntgenstrahlen die Diagnose leicht und
sicher gestellt werden konnte, obwohl elastische Fasern und Gewebsfetzen im Aus-
wurfe fehlten. Der Abszeß war umgeben von einer ziemlich breiten Bindegewebs-
kapsel (s. Abbildungen im Original). Kramer (Glogau).
18) Schmidt. Kardiolyse bei adhäsiver Mediastinoperikarditis.
(Deutsche med. Wochenschrift 1905. Nr. 46.)
24jähriger Pat., der vor 6 Jahren schwere Rippen- und Brustfellentzündung
durchgemacht hatte, wurde wegen starker Atemnot und allgemeiner Odeme auf-
genommen. Es bestanden alle Zeichen von Mediastinoperikarditis. Resektion der
4. und 5. Rippe vom Sternalrande bis zur Gegend der vorderen Axillarlinie. Lö-
sung der Schwarten. Heilung. Pat. wurde vollkommen beschwerdefrei und ar-
beitet sogar wieder Nachtschichten. Borchard (Posen).
19) Niemier. Plaie du ventricule droit par coup de coutean. Mort.
(Arch. de méd. et de pharm. militaires 1906. März.)
Messerstich in selbstmörderischer Absicht in den linken vierten Rippenzwischen-
raum. Da der Puls fadenförmig und der Kranke sehr kollabiert war, wurde das
Herz durch Türflügelschnitt freigelegt und die 1 cm lange Wunde des rechten
Ventrikels genäht, worauf die aus dem Herzfleisch ständig sickernde Blutung stand.
Der Herzbeutel wurde bis auf eine Öffnung im unteren Wundwinkel genäht,
ebenso führte N. im unteren Wundwinkel der äußeren Wunde ein Drain ein. Der
Pulsschlag hob sich und wurde regelmäßig; trotzdem erlag der Kranke in der
Nacht einer Bronchopneumonie. N. erwähnt, daß die Pupillen, in dem Augenblick
als das Herz zur Naht ergriffen wurde, sich völlig erweiterten, daß sich das Ge-
sicht mit kaltem Schweiß bedeckte und die Respiration sehr unregelmäßig wurde.
Diese Erscheinungen schwanden nach Beendigung der Naht.
Herhold (Altona).
20) E. G. Tschernjächowski. Ein Fall von Herznaht.
(Chirurgie 1905. [Russisch.))
Ein 14jähriger Schlosser stieß sich in selbstmörderischer Absicht ein Messer
links in die Brust und wurde in elendem Zustande ins Spital gebracht.
Die 21/;-3 cm lange Wunde lag im 4. Interkostalraum, etwas einwärts von
der Mammilla, und blutete nicht. Es konnte nur ein Hämopneumothorax diagnosti-
ziert werden; an eine Herzverletzung wurde anscheinend nicht gedacht. Nach Er-
weiterung der Wunde fand sich eine Verletzung des Perikard. Nun wurde der
4. Rippenknorpel und ein Stück des Sternum entfernt. Die 11/2 cm lange Herz-
wunde lag vorn seitlich am linken Ventrikel, ca. 5 cm oberhalb der Spitze. Ob
die stark blutende Wunde die Ventrikelwand durchsetzte, wurde absichtlich nicht
untersucht. Die Herzaktion war beschleunigt und sehr unregelmäßig. Die Wunde
wurde mit drei Nähten (Stiche während der Systole, Knüpfung während der
Disstole) dünner Seide verschlossen. Jodoformgazestreifen ins Perikard. Mikulicz
oberflächlich in die Pleurahöhle.
Pat. wurde nach 44 Tagen geheilt entlassen. V. E. Mertens (Breslaun).
21) Biondi. Sulla ferite da otrappamento dei genitali maschili.
(Società tra i cultori delle scienze mediche e naturali di Cagliari. Sedusa del
19 marzo 1906.)
(Gazz. degli ospedali e delle clin. 1906. Nr. 57.)
Bei Gelegenheit eines forensischen Falles, in dem einem 64 Jahre alten Manne
von einem kräftigen jungen Mädchen der Penis abgerissen worden war, suchte
188 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28.
Verf. dynamometrisch an der Leiche die Kraft festzustellen, welche hierzu erfor-
derlich ist. Es zeigte sich, daß 125-140 kgm, und bei jungen Leuten sogar
160 kgm nötig waren, daß dagegen nach Einspritzung einer physiologischen Koch-
salzlösung in die Corpora cavernosa und dadurch bewirkter Erektionsstellung schon
45—60 kgm genügten, so daß eine Erektion sich als Notwendigkeit aus diesen
Versuchen für jenes Trauma am Lebenden ergibt. Dreyer (Köln).
22) Guth. Luxation complete du penis dans la bourse gauche. In-
fection urineuse. Guérison.
(Arch. de méd. et des pharm. militaires 1906. Mirz.)
Es handelt sich um den gewiß sehr seltenen Fall des traumatischen Ausreißens
des Gliedes aus seiner präputialen und ventralen Haut und Einlagern in die linke
Hodensackhälfte, so daß der Penis subkutan über dem Hoden als Geschwulst zu
fühlen war. Es bestand eine Urininfiltration in der Umgebung des Hodensackes;
der Verletzte war im Zustande des Choks. Ein Zurückschieben des Gliedes gelang
nicht; es wurden zunächst Schnitte zur Freilegung der Harnröhre und zum Be-
heben der Urininfiltration gemacht und später das Glied an seine richtige Stelle
gebracht und dort vernäht. Der Kranke wurde geheilt. Hervorgerufen war diese
seltene Luxation durch mehrere Fußtritte gegen die untere Bauchgegend während
eines Streites; Verf. glaubt, daß sich der Penis während dieses Traumas im Zu-
stande einer leichten Erektion befunden habe, und daß hierdurch die Verschiebung
leichter eingetreten sei. Herhoid (Altona).
23) Tédenat. Des retr&cissements de l’ur&tre posterieur.
(Province méd. 1906. Nr. 9.)
T. fand mehrfach bei der Urethrotomia externa in der Urethra membranacea
wegen sehr enger Striktur der hinteren Harnröhre, daß die Urethra prostatica
rigide, verengt, bucklig, geknickt war; diese Veränderungen kommen durch chro-
nische Prostatitis mit Sklerose und Atrophie des Organes zustande. Derartige
Strikturen werden durch die Dilatationsbehandlung gewöhnlich nicht günstig beein-
flußt, da das Bougie Krämpfe und entzündliche Schübe in der Prostata verursacht.
T. erweitert von dem in der Pars membranacea gelegenen Einschnitt in die Harn-
röhre aus die Striktur der Pars prostatica; bei nicht zu schweren Veränderungen
in der Harnröhre und sonst gesunden oder nur leicht erkrankten Harnwegen
schließt er die Harnröhrenwunde sofort, sonst für einige Tage Verweilkatheter,
welcher vom Damm aus eingeführt wird.
Traumatische Verengerungen der hinteren Harnröhre sind relativ selten. Unter
60 derartigen, operativ behandelten Fällen fand T. stets die Verletzungsstelle im
Perinealteile der vorderen Harnrébre. Nur in vier Fällen wurde die Pars mem-
branacea bei der Urethrotomia externa verletzt befunden, und zwar bei Kranken,
bei welchen es zu einer vorübergehenden Diastase der Symphyse gekommen war;
ein Beckenbruch war nicht vorhanden. Die Harnröhrenblutung ist in solchen
Fällen oft sehr geringfügig. Mohr (Bielefeld).
24) Young. The early diagnosis and radical cure of carcinoma of
the prostate.
(Journ. of the amer. med. assoc. 1906. März 10.)
In einem Siebentel der Fälle von Prostatavergrößerung bei Männern über
50 Jahre liegt Krebs vor. Kennzeichnend fiir Krebs ‘ist die große, oft steinähnliche
Härte der Drüse und Schmerzen. Die Diagnose fußt auf den genannten Sympto-
men bei gleichzeitiger geringer Vergrößerung des intravesikalen Teiles der Drüse.
Der Krebs wächst oft sehr langsam und hält sich lange innerhalb der Kapsel,
macht wenig Metastasen im Beckenbindegewebe und den Drüsen, mehr in den
Knochen. Y.’s Operation besteht in Auslösung der ganzen Prostata mit Abtragung
der Blase in der Art, daß etwa die Hälfte des Trigonum mit weggenommen wird;
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 789
Samenblase und die Ductus deferentes werden, soweit möglich, mitgenommen. Er
führt die Operation nur vom Damm her aus unter Benutzung eines durch die
Harnröhre eingeführten Halter. Die kurz hinter dem Bulbus abgetrennte Harn-
röhre wird mit dem Rest der Blase, die in einer Längsnaht vereinigt wird, zu-
sammengenäht. An 6 Kranken hat Verf. die Operation ausgeführt, 1 Todesfall
dabei gehabt. 2 der Geheilten starben nach 1 Jahr bzw. 2 Monaten an anderen
Krankheiten; beim ersten war kleines, erbsengroßes Lokalrezidiv, beim anderen
keine Spur von Krebsgewebe vorhanden. Die anderen sind bis jetzt schmerzfrei,
haben teilweise Kontinenz. Da die Operierten sehr spät in Behandlung kamen,
hält Y. bei frühzeitiger Operation die Ausführung für noch leichter und den Erfolg
für sicherer. Trapp (Bückeburg).
25) E. Loumeau. Operation de Freyer suivie d’autopsie.
(Ann. des malad. des org. génito-urin. 1906. Nr. 8.)
Der vom Verf. ausführlich besprochene Fall betraf einen 84jährigen, durch
doppelseitige Katarakt erblindeten, sonst aber anscheinend kräftigen Mann.
Prostatektomie von einem hohen Blasenschnitt aus. Tod 70 Stunden später unter
den Erscheinungen der Herzschwäche. Bei der ungefähr um das Doppelte ver-
größerten Prostata handelte es sich um eine cystische adeno-myomatöse Wucherung
mit Vorherrschen des Muskelgewebes. Die Geschwulst war so ineinander ver-
schmolzen, daß sie nur als Ganzes zusammen mit der Pars prostatica urethrae
entfernt werden konnte. Diese Exstirpation konnte mittels der Freyer’schen
Methode so exakt vorgenommen werden, daß die Wandungen der Prostatanische
nirgends mehr Drüsengewebe enthielten.
Bei schon bejahrten Kranken mit zweifelhaftem Herzen wird Verf. vor der
Operation eine tonische Behandlung des Herzmuskels mittels Koffein, Spartein u. ä.
einleiten. Paul Wagner (Leipzig).
26) Nicoll. Several of the most recent cystoscopes, with special
reference to inspection of the ureteral orifices.
(Glasgow med. journ. 1906. Mai. p. 325.)
Nach einigen kurzen Bemerkungen über verschiedene neue Modelle von Cysto-
skopen spricht sich N. dahin aus, daß die einfache Cystoskopie mit besonderer
Berücksichtigung der Harnleitermündungen in der Regel für die Stellung der
Diagnose und Indikation bei operativen Nierenleiden völlig genüge; die Gefahr
künstlicher Infektion des Nierenbeckens und der Niere durch den Harnleiter-
katheterismus sei nicht gering anzuschlagen.
Die Harnscheider hält er nicht für zuverlässige Untersuchungsinstrumente. Die
Cystoskopie sollte womöglich stets mehrmals und auch mit Zuhilfenahme von
Farbstoffinjektionen ausgeführt werden. W. v. Brunn (Rostock).
27) H. Hinterstoisser (Teschen). Zur Therapie der angeborenen
Blasenspalte.
(Wiener klin. Wochenschrift 1906. Nr. 1.)
H. übte an einem jährigen Pat. mit Ectopia vesicae die von Borelius-
Berglund (im Zentralblatt für Chirurgie 1903 Nr. 29) angegebene Veränderung
der Maydl’schen Methode mit Erfolg. Dieselbe schafft durch Einpflanzung des
Blasenrestes (Trigonum mit den Harnleitermündungen) in die Kuppe der seitlich
mit ihren Schenkeln aneinander genähten Sigmaschlinge ein Receptaculum urinae,
während das direkte Vorbeistreichen des Darminhaltes an den Harnleitermündungen
durch eine an der Basis der Schlinge angelegte Enteroanastomose vermieden
werden soll.
H. zieht diese Methode der von P. A. Müller-Dresden in Nr. 33 desselben
Jahrganges empfohlenen ihrer Einfachheit wegen vor, doch ist dieselbe nur aus-
führbar bei langer Flexur mit langem Gekröse. Hübener (Liegnitz).
190 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28.
28) A. Exner. Fremdkörper der Blasenwand.
(Aus der k. k. Gesellschaft der Ärzte in Wien vom 12. Januar 1906.)
(Wiener klin. Wochenschrift 1906. Nr. 3.)
Bei einer 54jährigen Frau wurde nach Anamnese und cystoskopischem Befund
in der v. Hochenegg’schen Klinik eine Geschwulst am Blasenscheitel an-
genommen, da bei der Operation sich Dünndarm und Netzzipfel verwachsen erwies.
Nach Resektion desselben fand sich im Inneren der aus Granulationsgewebe
bestehenden Geschwulst ein 2 cm langer stecknadeldicker Holzspan, der vermutlich
aus dem Dünndarm in die Blase perforierte.
In der Diskussion berichtet Kapsammer über einen analogen Fall, bei
welchem eine inkrustierte Geschwulst der seitlichen Blasenwand sich bei der Sectio
alta als inkrustierter Hühnerknochen erwies. 1 Jahr später fand sich an derselben
Stelle, die auch diesmal den Anschein einer teilweise nekrotischen und in-
krustierten Geschwulst bot, die Kuppe eines taubeneigroßen K.otsteines, nach dessen
Extraktion man durch ein Fenster der Blasenwand in eine paravesikale Abszeß-
höble kam. Hübener (Dresden).
29) S. Minelli. Über die Malakoplakie der Harnblase (Hansemann).
(Virchow's Archiv Bd. CLXXXIV. p. 157.)
Verf. beschreibt einen jener von Hansemann mit obigem Namen belegten
Krankheitsprozesse der Blase, bei denen es sich um ein Auftreten von gelblichen,
mit hyperämischer Zone umsäumten Plaques auf der Blasenschleimhaut handelt.
Histologisch bestanden auch die Plaques des vorliegenden Falles aus großen dicken
Zellen, die in ihrem Innern eigentümliche, hyaline Einschlüsse aufwiesen. Letztere
gaben sämtlich Eisenreaktion. Die großen Zellen werden für veränderte Epithelien
angesehen, die Einschlüsse mit hämatogenem in die Zellen eingedrungenem Pig-
ment in Beziehung gebracht. Im Innern der Plaques wurden Bakterien nur in
größeren Haufen, und zwar in den tiefen Schichten gefunden; Tuberkelbazillen
jedoch niemals. Die ganze Affektion ist nach Ansicht des Verf.s als ein nicht
spezifisches Granulom aufzufassen. Die Bakterien sollen keine ätiologische Bedeu-
tung haben. Doering (Göttingen).
30) L. Davis. Primary tumors of the urinary bladder.
(Annals of surgery 1906. April.)
Bericht über 41 im Massachusett Hospital beobachtete Fälle von Blasen-
geschwülsten. 7 betrafen Weiber, 34 Männer; Reizungen durch Steine werden
nicht, wohl aber etwaige chemische Reizungen — analog der Anilinreizung — als
prädisponierende Ursache angesehen. Die Einteilung der Geschwülste ist die
Küster’sche: 1) epitheliale, 2) bindegewebige, 3) Muskelgeschwiilste. Die zur
ersten Gruppe gehorigen Papillome werden als gutartige Geschwiilste angesehen,
solange eine Infiltration der Blasenwand nicht stattgefunden hat; andernfalls
werden sie als Karzinome bezeichnet. Das Hauptsymptom ist Blasenbluten, dann
Cystitis und Störungen bei der Entleerung des Harns. Die chirurgische Behand-
lung besteht in der Ausschneidung der Neubildung mitsamt eines Stückes der
Blasenwand. Unter den 37 Operationen handelte es sich 28mal um die supra-
pubische, 4mal um die perineale, Imal um die vaginale Cystostomie, 4mal wurde
die Geschwulst durch die erweiterte weibliche Harnröhre operiert. Die Resultate
waren wenig erfreulich, 25% starben bald nach der Operation, 54% später, 12 Fälle
lebten 18 Monate nach der Operation. Herhold (Altona).
31) Stern. Uber Perforation der Harnblase bei Ausschabung derselben.
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 15.)
Strauss (Barmen) hatte die Ausschabung der Harnblase bei schwerer chro-
nischer Cystitis empfohlen, und zwar ging er in der Weise vor, daß er durch die
Harnröhre ein von ihm konstruiertes Instrument einführte und die Blasenschleim-
haut abschabte. S. operierte nach dieser Methode eine 57jährige Pat. mit Papillomen
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28. 791
der Harnblase. Ohne daß irgendwie ein besonderes Moment während der Operation
eingetreten wäre, fühlte er plötzlich das Instrument unter den Bauchdecken, und
die Pat. ging im weiteren Verlauf an ihrer Perforation zugrunde. S. warnt davor,
die Ausschabung der Blase ohne Sectio alta vorzunehmen.
Borchard (Posen).
32) Furniss. Report of case of pyelitis treated by lavage of the
pelves of the kidneys.
(Post-graduate 1906. April.)
Eine 41jährige Frau litt seit 20 Jahren an den Erscheinungen von Pyelitis,
die infolge Stenose der Harnröhre durch eine gutartige Geschwulst entstanden war.
F. konnte durch Beseitigung dieser Stenose allein eine Besserung nicht erreichen,
andererseits jetzt aber vermittels Katheterisation der Harmleiter den Nachweis
doppelseitiger eitriger Pyelitis mit Erweiterung der Nierenbecken stellen.
Die eingeleitete Therapie — Harnleiterkatheterismus und Spülung der Nieren-
becken mit einer Lösung von Argentum nitricum 1 auf 5000 konzentrierter Bor-
säurelösung, Blasenspülung und innere Gaben von Urotropin — führte zu erheb-
licher Besserung, Aufhören jeder Beschwerden, besonders des Tenesmus, und
Klarwerden des Harns. W. v. Brunn (Rostock).
33) Nicolich. Nephrotyphus dans un cas de rein unique.
(Ann. des malad. des org. génito-urin. 1906. Nr. 9.)
Bei einer 40jährigen Kranken, der vor 5 Jahren die eine Niere wegen Tuber-
kulose entfernt worden war, entwickelte sich ein schwerer Nephrotyphus; die
Kranke war fast 4 Monate lang bettlägerig, hat sich dann aber wieder vollständig
erholt. Verf. versteht unter Nephrotyphus ein typhoides Fieber, das die ersten
10-14 Tage die Symptome einer schweren Albuminurie darbietet, während sich
die anderen typhösen Erscheinungen erst später einstellen.
Paul Wagner (Leipzig).
34) Wiesel. Zur Kasuistik der Nephrolithiasis.
(Archiv f. physikal. Medizin u. med. Technik Bd.I. Hft. 2 u. 3.)
Mitteilung eines Falles von Stein im Becken eines hoch oben am Nierenpol
einmündenden zweiten Harnleiters.
Der Fall war viele Jahre lang nicht erkannt worden, unter anderem war eine
Blinddarmoperation, dann eine Nephropexie vorgenommen worden. Ein Röntgen-
bild führte dann zur richtigen Diagnose, während ein früheres negativ gewesen war.
Renner (Dresden).
35) Hobart. Case of fibromatous tumour of the capsule of the kidney.
(Medical press 1906. April 25.)
H. exstirpierte bei einer 26jährigen Frau 4 Wochen nach ihrer ersten, normal
verlaufenen Geburt eine von der rechten Fossa iliaca bis 5 cm oberhalb des Nabels
reichende, längliche Geschwulst, die vor Beginn der Schwangerschaft noch nicht
bemerkt worden war und seit etwa 4 Monaten geringe Beschwerden verursacht
hatte. Sie fühlte sich durch die Bauchdecken hindurch glatt und derb an und
erwies sich nach der Exstirpation als ein reines Fibrom der Nierenkapsel, das aus
einem soliden, etwa kleinkindskopfgroßen Teil und aus einer Cyste bestand, die
etwas mehr als 1 Liter dunkle seröse Flüssigkeit enthielt.
Erhard Schmidt (Leipzig).
36) Pousson et Chambrelent. De la décapsulation rénale et de la
néphrectomie dans le traitement des formes graves de l’Eclampsie.
(Ann. des malad. des org. gén.-urin. I. 1906. Nr. 8.)
Edebohls hat in zwei Fällen von Eklampsie mit vollem Erfolge die beider-
seitige Enthülsung der Nieren vorgenommen. Verff. berichten über eine 21jahrige
192 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 28.
Erstgebärende, bei der sich am Ende der Schwangerschaft schwere Eklampsie
mit Konvulsionen und Koma einstellte. Digitale Erweiterung des Muttermundes:
Geburt eines toten Kindes. Trotzdem Fortbestehen des Koma; Oligurie. 36 Stunden
nach Einsetzen des Koma Operation. Enthiilsung beider Nieren; bei der rechten,
stärker veränderten Niere wird auch noch die Nephrotomie vorgenommen und
aus dem Nierenbecken reichliches schwärzliches Blut entleert. Die ganze Opers-
tion dauerte 40 Minuten; die komatöse Kranke hatte nur einige wenige Züge
Chloroform gebraucht. Rasche, anhaltende Besserung; vollkommene Heilung.
1 Jahr später befindet sich die Kranke bei ausgezeichneter Gesundheit; Urin
vollkommen eiweißfrei. Beide Nieren — von der nephrotomierten Seite wurden
einige Stückchen histologisch untersucht — zeigten die Charaktere einer akuten
parenchymatösen Nephritis.
Verff. besprechen kurz die Genese der eklamptischen Nephritis; die »intra-
renale Hypertension«, die die schweren Erscheinungen hervorruft, wird am besten
durch die Nierenenthülsung, eventuell in Verbindung mit der Nephrotomie (in
der Überschrift steht irrtümlicherweise Nephrektomie) bekämpft.
Paul Wagner (Leipzig).
37) L. Wrede. Die Dermoide des Samenstranges.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVIII. Hft. 2. p. 273.)
Bei einem 17jährigen Manne fand sich eine pflaumengroße, weder mit der
Haut noch dem Unterhautzellgewebe zusammenhängende Geschwulst in der Gegend
des Leistenkanals, welche sich sowohl in diesen als in den Hodensack leicht ver-
schieben ließ, in keiner nachweisbaren Beziehung zu Hoden oder Samenstrang
stand und deutliches Fluktuationsgefühl bot. Die Operation lehrte, daß die Ge-
schwulst im lockeren Bindegewebe des Samenstranges lag und nur mit dem Ductus
deferens etwas fester verbunden war. Die genaue histologische Untersuchung der
exstirpierten Geschwulst führte zur Diagnose eines Dermoids des Samenstranges,
welches bisher nur in vier Fällen beschrieben ist. Reich (Tübingen).
38) Lichtenstern. Torsion eines Leistenhodens.
(Aus der Sitzung der k. k. Gesellschaft der Arzte in Wien vom 19. Januar 1906.)
(Wiener klin. Wochenschrift 1906. Nr. 4.)
Der Fall betraf einen 46jährigen Mann, der am Abend vor der Operation
beim Heben einer schweren Last einen Schmerz in der linken Seite gespürt hatte
und wegen Erscheinungen eines eingeklemmten Leistenbruches auf der Zucker-
kandl’schen Abteilung operiert wurde. Hier fand sich anstelle des vermuteten
Bruches ein enorm geschwollener dunkelblau verfärbter Leistenhoden im Bruch-
sacke vor, dessen Samenstrang um 360° gedreht war. Resektion des Hodens,
Verschluß des Leistenkanals. Heilung. Hübener (Liegnitz).
39) Haeckel. Unterbindung der Venae spermaticae und hypogastricae
bei puerperaler Pyämie.
(Deutsche med. Wochenschrift 1905. Nr. 41.)
In zwei Fällen von puerperaler Pyämie machte H. die Unterbindung beider
Vy. spermaticae und hypogastricae. Während im ersten Falle von chronischer
Pyämie der Erfolg ein eklatanter war, blieb er im zweiten Fall, akute Pyämie, aus.
Diese Erfabrung ist auch andererseits bestätigt worden. Nur Bumm hat in der
letzten Zeit einen Fall von akuter puerperaler Pyämie erfolgreich operiert.
Borchard (Posen).
Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlage-
handlung Breitkopf & Härtel, « einsenden.
Druck und Verlag von n Breitkopf & Hartel i: in Lebat Nürnbergerstraße 36/38.
Zentralblatt
CHIRURGIE
E von Bermann, F. König, E. Richter,
Dreiunddreißigster Jahrgang.
EEE TE EEE EEE NEE
Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei halbjähriger
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.
(a PE A —
Nr. 29. Sonnabend, den 21. Juli. 1906.
Inhalt: E. Goldmann, Zur offenen Wandbehandlung von Hauttransplantationen. (Orl-
ginal-Mitteilung.)
1) Helferich, Knochenbrüche und Verrenkungen. — 2) Gaugele, Ostitis fibrosa. — 3) Fer-
guson, lschämische Muskelatrophie. — 4) de Brulne Ploos van Amstel, Chronische Steifg-
keit der Wirbelsäule.
J. K. Spisharny, Pharyngotomia suprahyoidea. (Original-Mitteilung.)
5) Fünfter deutscher Orthopädenkongreß. — 6) Kenyeres, Angeborene und erworbene
Mißbildungen. — 7) Mahleke, Sehnentransplantationen. — 8) Cramer, Angeborene Knochen-
defekte. — 9) Chaput, 10) Potherat, Nervennaht. — 11) Klauber, Veraltete Vorderarmver-
renkung. — 12) Martin, Handlipome. — 13) Karrer, Kahnbeinbrüche. — 14) Schade, Ver-
renkungen im Handgelenk. — 15) v. Elselsberg, Elephantiasis. — 16) Spitzy, Angeborene
Hüftverrenkung. — 17) Muscatello, Pathologische Hüftverrenkung. — 18) Hetherington,
Extensionsschiene. — 19) v. Haberer, Mißbildung. — 20) v. Haberer, Knochencysten. —
21) Lesser, Abreißung des schnabelförmigen Schienbeinfortsatzes. — 22) Perrin u. Parisot,
Spontaner Kniescheibenbruch. — 23) Schnelder, Sarkom des Schienbeins. — 24) Kaehler,
Doppelseitiger teilweiser Schienbeindefekt. — 25) Teufel, Fußverletzungen. — 26) Schulz,
Fersenbeinbruch. — 27) Griff, Sprangbeinbruch. — 28) Stich, Exstirpation des Sprungbeins.
— 29) Hofmana, Partieller Riesenwuchs.
Zur offenen Wundbehandlung von Hauttransplantationen.
Von
Prof. E. Goldmann in Freiburg i. Br.
Seitdem ich durch Brüning über die von mir verwandte offene
Wundbehandlung nach Transplantation habe berichten lassen, ist
eine große Anzahl der verschiedenartigsten frischen und granulierenden
Hautdefekten von mir in dieser Weise mit ausnahmslos günstigem Er-
folge behandelt worden. Diese Methode ist auch anderwärts vorteil-
haft versucht worden. Ich verweise auf die Mitteilung von Bern-
hardt. Auf der chirurgischen Abteilung der medizinischen Akademie
in Cairo, die ich vor einigen Monaten besuchte, erfuhr ich durch
Zufall, wie die offene Wundbehandlung gerade nach Transplantation
29
794 Zentralblatt ftir Chirurgie. Nr. 29.
auch hier ausgezeichnete Resultate liefert. Befremden mußte daher
die gegenteilige Mitteilung von Weischer. Es ist ihm allerdings
unbedingt Recht zu geben, wenn er erklärt, daß man nicht generell
eine Methode der Transplantation für alle Hautdefekte vorschreiben
kann. Es dürfte aber allgemein ebenso zugestanden werden, daß
große, stark sezernierende Wunden« sich für eine Transplantation.
überhaupt nicht eignen, da bekanntermaßen das »Eiterferment« eine
jede Form der Wundheilung ausschließt. Es ist aber in solchen
Fällen nicht die besondere Art der Wundbehandlung, sondern der
anatomische Zustand der granulierenden Fläche, der die Anheilung
der überpflanzten Hautläppchen verhindert. Es will mir ferner scheinen,
daß Weischer den springenden Punkt, der von mir vertretenen
offenen Wundbehandlung fiir Hauttransplantationen iibersieht. Be-
kanntlich haben die zahlreichen Arbeiten iiber die Anheilung von
Hauttransplantationen ergeben, daß die organische Fixation der
Läppchen auf der Unterlage erst nach 12—24 Stunden erfolgt, und
zwar durch gewucherte Fibroblasten und neu gebildete Gefäße. Zu
Anfang ist die Fixation eine mehr oder weniger mechanische, und die
Ernährung der Pfröpflinge geschieht durch eine plasmatische Zirkula-
tion. Für praktische Zwecke muß aber alles darauf ankommen,
diese mechanische Fixation in den ersten Stunden nach der Trans-
plantation durch unsere Behandlungsmethode zu sichern. Auf keine
Weise gelingt dies aber besser, als durch die offene Wundbehandlung,
bei der die Austrocknung der »Kittsubstanz« am meisten gewährleistet
wird. Nach meiner Erfahrung ist es für den Erfolg ganz gleichgültig,
welche Behandlung weiter eingeschlagen wird, wenn die Pfröpflinge erst
dem Boden fester anhaften. Bleibt man bei der offenen Behandlung,
und findet eine Austrocknung des reichlicher sich bildenden Wund-
sekretes statt, so genügt ein feuchter oder ein Olverband, um die
Krusten und Borken ohne jede Schädigung für die Pfröpflinge auf-
zuweichen. Das Wesentliche in der von Weischer angegebenen Me-
thode erscheint mir nicht die von Zeit zu Zeit erfolgende Kochsalz-
irrigation, sondern die Beschaffung einer geeigneten Kittsubstanz
durch die oberflächliche Anfrischung der »belegten« Granulationsfläche.
Endlich möchte ich erwähnen, daß die Blasenbildung an der
Transplantationsfläche von der Wundsekretion ganz unabhängig sein
kann. Bekanntlich ist diese Blasenbildung nur der Ausdruck der
mangelhaften Ernährung der Haut und erfolgt zwischen dem Stratum
Malpighi und mucosum der Epidermis, wie ich früher nachgewiesen
habe. Erst wenn die Pfröpflinge genügend ernährt sind, geschieht die
Verhornung in der üblichen Weise. Eine derartige Blasenbildung
hebt somit die Anheilung der Pfröpflinge nicht auf, solange durch die
Wundbehandlung dafür Sorge getragen wird, daß der zarte Schleier
des Stratum Malpighi der Epidermis nicht mechanisch entfernt wird.
Auch für solche Verhältnisse ist die Austrocknung der Blasen durch
die offene Wundbehandlung das Zweckmäßigste und jeder Verband,
besonders ein solcher, der die Unterlage mazeriert, ungeeignet.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 195
1) Helferich. Atlas und Grundriß der traumatischen Frak-
turen und Luxationen. 7. verbesserte und vermehrte Auf-
lage. XXVIII und 370 S.
Miinchen, Lehmann, 1906.
Die textlichen Hauptveränderungen der neuen Auflage bestehen
in einer kritischen Besprechung der verschiedenen Behandlungsarten
bei Knochenbrüchen, in genaueren Angaben über Frakturen des Capi-
tulum humeri und einer Umarbeitung der Lehre von den Becken-
brüchen. Im übrigen sind eine größere Anzahl von Abbildungen neu
eingefügt, vor allem Röntgenaufnahmen. Der H.’sche ist der ver-
breitetste unter den zahlreichen Atlanten des Lehmann’schen Ver-
lages. Richter (Breslau).
2) Gaugele. Uber Ostitis fibrosa seu deformans.
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. IX. Hft. 5.)
Verf. schickt zunächst eine Zusammenstellung der bisher bekannt
gewordenen Fälle voraus, von denen hauptsächlich der Fall von Rehn
als besonders charakteristisch hervorzuheben ist. In dem vom Verf.
selbst beobachteten Falle waren innerhalb 4 Jahren zehn Knochen-
brüche aufgetreten. Auf Grund der Literaturstudien und der eigenen
Beobachtung kommt G. zu folgenden Schlüssen:
Die Osteomalacia deformans ist eine Knochenerkrankung, die
sowohl einen einzelnen Skeletteil, als das gesamte Skelett betreffen
kann und mit einem Umbau der betroffenen Knochen einhergeht,
insofern an die Stelle des Fettmarkes Fasermark tritt, die Knochen-
substanz durch halisterischen Knochenschwund zur Resorption kommt
und durch Osteoidgewebe ersetzt wird. Als ständige Begleiterschei-
nungen sind zu nennen:
1) Cystenbildung mit teilweise blutigem, teilweise klarem, hell-
gelbem Inhalt, ohne epitheliale Auskleidung, entstanden zu denken
durch Auftreten von Spalträumen in den Maschen des ödematösen
Fasermarkes, die sich durch Exsudation oder Blutungen vergrößern.
2) Riesenzellensarkomartige Geschwülste, die aber keine echten
Riesenzellensarkome sind, sondern entzündliche Neubildungen dar-
stellen, die sich im Laufe der Krankheit in solide fibröse Gebilde
umwandeln und als solche noch Übergänge ihres früheren Charakters
mikroskopisch darbieten.
Beide Begleiterscheinungen kommen meist nebeneinander vor.
Der Charakter der Krankheit ist ein verhältnismäßig gutartiger; das
Leiden führt zwar allmählich dem Tode zu, kann jedoch viele Jahre
lang dauern.
Der Arbeit sind mehrere Röntgenbilder beigegeben, welche die
geschilderten Knochenveränderungen schön erkennen lassen.
(Selbstbericht.)
196 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29.
3) Ferguson. Ischemic muscular atrophy, contractures and
paralysis.
(Annals of surgery 1906. April.)
Ischämische Muskelatrophie und Muskellähmung wird hervor-
gerufen: 1) durch Verschluß des arteriellen Gefäßes, und zwar tritt
hier die Lähmung bei völligem Verschluß desselben bereits nach einigen
Stunden ein; 2) durch Unterbrechung des venösen Rücklaufes (Embolus,
Thrombus, Kontraktion der Gefäßwand bei Reynaud’scher Krank-
heit usw.). Die Symptome bestehen bei arteriellem Verschluß in Taub-
heitsgefühl, krampfartigen ziehenden Schmerzen, Blauwerden der
Glieder; schließlich treten Atrophie und Kontrakturen der gelähmten
Muskeln ein. Pathologisch-anatomisch ist bei völligem arteriellem Ver-
schluß die Muskelstruktur undeutlich, die Kerne fehlen, während bei
vollkommenem Verschluß die Struktur der Muskeln ziemlich gut er-
halten ist. Bei venöser Unterbrechung bestehen die akuten Symptome
in Schwellung, Cyanose und Odem des betreffenden Gliedes; nachher
bleibt eine pseudohypertrophische Schwellung zurück. Pathologisch-
anatomisch erweist sich das interstitielle Bindegewebe gewuchert und
verbreitert, während die Muskelfasern fettig degenerieren. Zwei Fälle
ischämischer Kontraktur der Armmuskulatur hat Verf. mit sehr gutem
Erfolg operiert. Er durchschnitt die kontrahierten Sehnen und löste
die Nerven aus etwaigen Verwachsungen. Vor dem Nähen der Haut
goß er steriles Ol zwischen die durchtrennten Muskelfasern. Die
Fälle werden durch Photographien erläutert. Herhold (Altona).
4) P. J. de Bruine Ploos van Amstel. Chronische
Steifigkeit der Wirbelsäule.
(Sammlung klin. Vortr. N. F. Nr. 409. Leipzig, Breitkopf & Härtel, 1906.)
Von je einem selbstbeobachteten Falle von Bechterew’scher und
von Strümpell-Pierre Marie’scher Krankheit ausgehend und die
in der Literatur veröffentlichten Fälle derselben mit der Auffassung
ihrer Autoren kritisch betrachtend, glaubt Verf. hieraus folgendes als
das Meistwahrscheinliche erschließen zu können: 1) daß die chronische
Steifigkeit der Wirbelsäule in den meisten Fällen eine selbständige
Krankheit und nicht ein Symptom einer anderen ist; 2) daß das Über-
greifen der Krankheit auf die übrigen größeren oder kleineren Gelenke
keinen wesentlichen Unterschied darstellt gegenüber der allein be-
stehenden Steifigkeit, Ankylose der Wirbelsäule, d.h. daß die Bech-
terew’sche und die Strümpell-Pierre Marie’sche Krankheit die-
selbe Ursache haben, also nicht als zwei nicht zueinander gehörende
Krankheitsbilder getrennt werden dürfen; 3) daß die Ursache beider
in einer Mischinfektion eines uns unbekannten Saprophyten und eines
spezifischen Bazillus, wie des Gonokokkus, Tuberkelbazillus u. a. liegt;
4) daß die Prognose so gut wie ungünstig ist, da das Entstehen der
Krankheit weder verhütet, noch letztere mit irgendwelchem Erfolge
behandelt werden kann. Kramer (Glogau).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 197
Kleinere Mitteilungen.
Pharyngotomia suprahyoidea.
Von
Prof. J. K. Spisharny in Moskau.
Sind wir gezwungen, in der Rachenhöhle oder an der Zungenwurzel diese oder
jene Operation vorzunehmen, so wird sie durch den Mund, oder durch diesen oder
jenen Schnitt der Rachenwand ausgeführt. Der erste, natürliche Weg durch den
Mund ist leider nicht immer bequem, da das Operationsfeld nicht selten tief liegt,
so daß man gezwungen ist, fast im finstern zu operieren; auch ist es schwer, sich
in bezug der Grenzen des Krankheitsprozesses zu orientieren und auch nicht leicht
heftige Blutungen zu bekämpfen. Endlich kommt auch die Schwierigkeit der
Narkose hinzu und die Gefahr, daß das Blut in die Luftröhre dringt.
Um den Zutritt zu erleichtern, hat man sich genötigt gesehen zum Wangen-
schnitt (Jäger), zum Durchsägen des Unterkiefers die Zuflucht zu nehmen, hat
aber auch damit bei tiefliegenden Krankheitsprozessen im unteren Abschnitte des
Rachens kaum genügend Raum. In solchen Fällen wird vorher der Rachenschnitt,
manchmal kombiniert mit der Durchtrennung des Unterkiefers, angewandt.
Zu den unvorteilhaften Seiten der Pharyngotomia subhyoidea gehört nicht
selten die Verwundung des N. lar. sup.; außerdem ermöglicht dieser Schnitt nicht
immer einen freien Zutritt zum Ort des Krankheitsprozesses im Rachen. Selten
wird bei Rachenerkrankungen die Laryngofissur ausgeführt.
Viel öfter operiert man mit Seitenschnitt des Rachens, eine Operation, die
auch Langenbeck vorschlug, sei es mit, sei es ohne Durchtrennung des Unter-
kiefers.
Vallas machte den Vorschlag, bei Operationen der Rachenhöhle den mittleren
Schnitt durch Rachen und Luftröhre — Pharyngotomia transhyoidea — zu machen.
Man beginnt denselben unter dem Kinn, geht bis zur oberen Grenze der Schild-
drüse, wobei das Zungenbein in der Mitte vertikal durchtrennt wird. Diese Me-
thode ermöglicht einen freien Zutritt zur Zungenwurzel und zum freien Teil der
Epiglottis; aber die tieferen Teile des Rachens, besonders die hintere Wand, sind
nicht genügend zugänglich. Endlich gibt es noch die von Jeremitsch vorge-
schlagene (1895) Pharyngotomia suprahyoidea.
Seit diesem Vorschlage sind 10 Jahre verflossen, aber soweit mir bekannt ist,
hat keine Operation dieser Art am lebendigen Menschen stattgefunden. Vor kurzem
bot sich mir eine Gelegenheit, sie auszufiihren, und mit dem Resultat war ich zu-
frieden. Die Operation an dieser Pat. hat bewiesen, daß dabei ein ausgezeichneter
Zutritt zu allen Abschnitten des Rachens und zur Zungenwurzel erlangt wird. Die
Operation kann ohne vorhergehenden Luftröhrenschnitt ausgeführt werden, die
Blutung ist unbedeutend, man verwundet kein wichtiges Organ, die Wundheilung
vollzieht sich befriedigend, und die Funktion des Rachens wird vollkommen her-
gestellt.
Es handelt sich um folgenden Fall: Die Bäuerin K. S., 24 Jahr alt, trat am
17. Februar 1905 ins Krankenhaus der hl. Zarin Alexandra und klagte über Schluck-
beschwerden. Bis jetzt hatte sie an keiner anderen Krankheit zu leiden gehabt.
Vor einem halben Jahre waren aus unbekannter Ursache Schlingbeschwerden aufge-
treten, die sich immer mehr steigerten, ohne daß dabei Schmerzen aufgetreten
wären. In letzter Zeit litt Pat. unter Schwäche und magerte bedeutend ab. Vor
11 Wochen traten starke Schmerzen im rechten Ohr auf, und es zeigte sich ein
eitriger Ausfluß. Vor 8 Monaten gebar sie, und vor kurzem entwöhnte sie
das Kind.
198 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29.
Pat. ist klein, "schlecht genährt, blaß. In der linken Lunge zerstreutes,
trockenes Rasseln. Die Herztöne sind gedämpft; weder Geräusche noch Arhythmie.
Magen und Darm sind in Ordnung. Im Harn unbedeutende Spuren von Eiweiß,
kein Zucker. Die Menge des Harns in 24 Stunden 880 ccm, das spezifische Ge-
wicht 1020. — Otitis media d. Körpergewicht 2 Pud 29 Pfund.
Hinter dem linken Gaumensegel sieht man eine intensiv rote längliche Ge-
schwulst schräg nach unten verlaufend, 21/,—3 cm im Quer- und Längsdurchmesser.
Das untere Ende ist nicht zu sehen. Die Schleimhaut ist über der Geschwulst
beweglich, sie selbst schwer verschiebbar und, wie es scheint, mit den tiefen Ge-
weben verwachsen, hat feste Konsistenz, fluktuiert aber scheinbar an einigen
Stellen. Sie ist nicht druckempfindlich. Von außen kann sie nicht durchgefühlt
werden. Am Hals eine geringe Anschwellung der Unterkieferdriise. Am Tage
der Aufnahme ins Krankenhaus war die Temperatur abends 37,5°, am darauf-
folgenden Tage 39,2°. Wahrscheinlichkeitsdiagnose schnell wachsendes Fibrosarkom.
Ein Probestich in eine scheinbar fluktuierende Partie der Geschwulst ergab keinen
Eiter. Als die Temperatur nach 2 Tagen bis zur Norm gesunken war, wurde am
6. März folgende Operation gemacht.
Chloroformnarkose bei hängendem Kopf. Ein Schnitt '/, cm über dem Zungen-
bein, diesem parallel. Der Schnitt beginnt annähernd an der Mitte des rechten
Hornes des Zungenbeins und erstreckt sich bis zum linken Kopfnicker. Entfer-
nung der linken Unterkieferdrüse. Unterbindung der Art. lingualis s., Verschiebung
des N. hypoglossus. Nach Durchschneidung der Rachenschleimhaut lag der ganze
Rachenraum mit der Zungenwurzel zutage, und man konnte nun feststellen, daß
die Geschwulst sich unter der Schleimhaut befand, mit ihr verwachsen war und
sich tief nach hinten erstreckte. Sie ließ sich stumpf ausschälen ohne Beschädigung
der Schleimhauthülle Nach sorgfältiger Blutstillung schritt man zur Vernähung
der Wunde in zwei Etagen, wobei diese leider durch erbrochenen Mageninhalt
verunreinigt wurde.
Ernährung allein durch Klysmen. Es erfolgte starke Reizung, dann Eiterung
der Wunde mit partieller Abstoßung nekrotischer Gewebe. Daher dann auch bei
dem ersten Versuch Wasser zu trinken — am 5. Tage — ein Teil der Flüssigkeit
durch die Wunde austrat,
Allmählich verengerte sich die Fistel, und 21/; Wochen nach der Operation
hörte der Ausfluß von Flüssigkeit durch die Fistel auf. Pat. verließ das Kranken-
haus am 3. April in gutem Zustande.
5) V. Kongreß der deutschen Gesellschaft für orthopädische Chirurgie
in Berlin am 3. April 1906.
Der Vorsitzende, Lorenz (Wien), gedenkt in längerer Rede des verschiedenen
vorjährigen Vorsitzenden und Ehrenmitgliedes v. Mikulioz-Radecki.
1) Schulthess (Zürich): Über eine häufige Form der rachitischen
Skoliose.
S. macht darauf aufmerksam, daß bei vielen Skoliosen eine Deformität des
Kopfes beobachtet wird. Diese ist auf rachitische Veränderungen zurückzuführen,
welche das Kind im Säuglingsalter erworben hat. Im floriden Stadium der
Rachitis flacht sich der Schädel beim Liegen ab, so daß der diagonale Durchmesser
der einen Seite verkürzt, der andere verlängert wird. Eine gleiche Deformität
nimmt der Thorax an. Das Zusammentreffen dieser Deformitäten läßt sich noch
im späteren Leben nachweisen. Die Entstehung der meisten skoliotischen Defor-
mitäten ist in die früheste Lebensperiode zu verlegen; auch die Therapie sollte zu
der Zeit schon einsetzen. Drehmann (Breslau).
2) Reiner und Werndorff (Wien): Zur Frage der sog. Konkavtorsion
der skoliotischen Wirbelsäule.
Die Vortr. zeigen an der Hand vieler Röntgenbilder von klinisch beobachteten
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 199
Fällen, daß die von den Autoren sog. paradoxe Skoliose nur klinisch als paradox
imponiert, während anatomisch immer dem scheinbar auf der konkaven Seite ge-
legenen Torsionswulst ein mit der Konkavität nach der Seite des Torsionswulstes
gerichteter kurzer skoliotischer Bogen entspricht. Sie analysieren ferner die von
verschiedenen Autoren zur Stütze der Lehre von der Konkavtorsion angeführten
pathologisch-anatomischen Befunde, und erinnern endlich an die im Vorjahre ge-
machten einschlägigen Mitteilungen über von ihnen ausgeführte Leichenexperimente,
und kommen auf Grund aller einschlägigen Belege zum Schluß, daß die von ver-
schiedenen Autoren behauptete Konkavtorsion nicht anzuerkennen sei.
(Selbstbericht.)
3) Drehmann (Breslau): Zur Anatomie der sog. Halsrippenskoliose.
D. weist durch eingehende Röntgenuntersuchungen von 7 Fällen von Cervico-
dorsalskoliose mit Halsrippe nach, daß es sich bei der genannten Skoliose nicht
um eine infolge der Halsrippe erworbene Skoliose, Halsrippenskoliose im Sinne
Garre&’s, handelt, sondern daß diese Fälle eine besondere Form der angeborenen
Skoliose mit Rippenüberzahl darstellen. In 5 von seinen Fällen konnte er ein
keilförmiges Wirbelrudiment nachweisen, welches am Übergange der Hals- in die
Brustwirbelsäule eingeschaltet war und die einseitige überzählige Rippe trug.
3 von diesen 5 Fällen zeigten außerdem noch den überraschenden Befund eines
ebensolchen Wirbelrudimentes, welches am UÜbergange der Brust- in die Lenden-
wirbelsäule auf der entgegengesetzten Seite gleichsam zur Kompensierung des
oberen eingeschaltet war. In 2 von diesen letzteren 3 Fällen trug auch dieses
untere Stück eine überzählige Rippe.
Von den gesamten 7 Fällen wurde nur in 2 Fällen eine unkomplizierte Hals-
rippe nachgewiesen, doch auch in diesen Fällen konnte D. den kongenitalen Cha-
rakter der Skoliose feststellen. In einem Falle zeigte die 2 Jahre ältere Schwester
eine ganz analoge Skoliose, jedoch ohne Halsrippe; außerdem bestand in diesem
Falle noch eine Defektbildung an der Lendenwirbelsäule. Im zweiten Falle wurde
die Verkrümmung bald nach der Geburt bemerkt und führte infolge falscher
Diagnose zur Exstirpation des Kopfnickers nach v. Mikulicz. In diesem Falle
bestehen außerdem noch andere angeborene Anomalien, wie knorpelige Kiemen-
bogenreste am Hals und Spaltbildung einzelner Wirbelkörper. Auch in einigen
anderen Fällen fand D. derartige Spaltbildungen.
Zum Schluß erwähnt D. noch Fälle von Halsrippen ohne Skoliose.
(Selbstbericht.)
4) Klapp (Bonn): Über die Behandlung der Skoliose mit dem
Kriechverfahren.
K. berichtet über die Technik seines bereits in diesem Zentralblatte referierten
Kriechverfahrens zur Behandlung der Skoliose und zeigt die verschiedenen Arten
des Kriechens an einer Anzahl gut eingeübter skoliotischer Kinder.
5) Schulthess (Ziirich): Zur Behandlung der Skoliose in horizon-
taler Lage der Wirbelsäule vermittels aktiver Abbiegungen, zu-
gleich eine Kritik des Klapp’schen Verfahrens.
S. macht darauf aufmerksam, daß bereits vor Klapp Behandlung der Skoliose
in horizontaler Lage, in Kriechstellung geübt wurde. Bei der einfachen Kriech-
behandlung wird auf die Abbiegungspunkte der Verkrümmung keine Rücksicht
genommen; so sieht man, daß bei den Bewegungen entweder die untere oder die
obere Krümmung mehr verstärkt wird. S. demonstriert Kurven, welche während
des Kriechens aufgenommen wurden, und zeigt daran die Verstärkung der Krüm-
mungen. Um die Kriechbewegung für eine rationelle Behandlung der. Skoliose
verwendbar zu machen, hat er einen Apparat konstruiert, welcher die Seitenbewe-
gungen beim Kriechen der Form der Verkrümmung anpaßt. Der Apparat wird
in seiner Anwendungsweise demonstriert.
800 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29.
6) Machol (Breslau): Die strömende Wasserkraft im Dienste der
Orthopädie mit Demonstration von Apparaten.
M. entwickelt in längerer Rede die Grundprinzipien der Heilgymnastik und
demonstriert dann seine in diesem Zentralblatte beschriebenen Apparate zur aktiven
und passiven Gymnastik, bei welchen eine Ventilpumpe als billige und doch genau
dosierbare Kraftquelle dient. Auch zur Anfertigung eines Skoliosenredressions-
apparates hat M. dieses Prinzip benutzt. Drehmann (Breslau).
7) A. Schanz (Dresden): Über die Erfolge und die Indikationen des
Skoliosenredressements.
Das Redressement der Skoliose ist eine schon nicht mehr ganz junge Methode.
Trotzdem dasselbe nicht nur von mir, sondern auch von anderen Autoren wieder-
holt lebhaft empfohlen worden ist, hat dasselbe nicht allgemeine Verbreitung erlangt.
Der Grund dafiir ist in allererster Linie die Furcht vor dem Rezidiv. Es ist
die Auffassung verbreitet, daß die Redressementsresultate nur Augenblickserfolge
seien, denen mit Sicherheit das Rezidiv folge und oftmals eine schlimmere Defor-
mität als die redressierte erzeuge.
Es steht die Frage für das Redressement der Skoliose jetzt so: Ist das
Rezidiv nach dem Skoliosenredressement vermeidbar oder nicht?
Zur Beantwortung dieser Frage muß man sich zuerst klar machen, woraus
das Rezidiv entsteht. Es sind da zwei Prozesse zu unterscheiden, die von mir als
primäres und sekundäres Rezidiv auseinander gehalten werden.
Das primäre Rezidiv entsteht aus der Neigung zum Zurückfedern in die
Deformität nach Abnehmen des Redressementverbandes; es entspricht der Rezidiv-
neigung bei einem redressierten angeborenen Klumpfuß. Es ist zu bekämpfen
dadurch, daß dem Pat. nach Abnahme des Gipsverbandes ein gut stützendes Kor-
sett mit Kopfhalter gegeben wird; außerdem bekommt der Pat. ein redressierendes
Gipsbett, und er wird der Anwendung der stationären Redressionsapparate unter-
zogen. Fährt man mit der Anwendung dieser Mittel konsequent fort, so sieht man
die Neigung zum Zurückfedern in die Deformität allmählich verschwinden. Damit
ist die Gefahr des primären Rezidivs beseitigt.
Mehr als das primäre Rezidiv wird das sekundäre gefürchtet. Es entsteht
dadurch, daß nach Durchführung des Redressements der skoliosierende Prozeß
fortdauert. Bekommt dieser Prozeß die Überhand, so muß er wieder zur Entstehung
einer Skoliose führen, die natürlich die Bahnen der redressierten einschlägt. Je
nachdem wie groß der deformierende Prozeß ist und wie lange er wirkt, wird die
Skoliose eine gleich schwere, ja schwerere Deformität als die redressierte sein.
Der Kampf gegen das sekundäre Rezidiv muß darauf ausgehen, das Mißver-
hältnis zwischen Tragfähigkeit und Belastung der Wirbelsäule, welches der Defor-
mierungsprozeß bedingt, auszugleichen. Es muß darum die Belastung herabgesetzt,
die Tragfähigkeit erhöht werden. Zu diesem Zweck ist die Anwendung von
Stützkorsett, die Ausführung von Massage und Gymnastik angezeigt und erfolgreich.
Es decken sich also die Mittel, welche zur Bekämpfung des primären und des
sekundären Rezidives anzuwenden sind, oder sie lassen sich wenigstens kollisionsfrei
kombinieren. In der Praxis gestaltet sich der Kampf gegen das Rezidiv folgender-
maßen: Nach Abnahme des Verbandes wird in klinischer Behandlung mit dem
Gebrauche von Korsett, Gipsbett und der stationären Redressionsapparate ein-
gesetzt und damit solange fortgefahren, wie das primäre Rezidiv droht, dann
werden die Pat. in ambulaute, später in Hausbehandlung gegeben. Damit muß
unter allen Umständen jahrelang fortgefahren werden. Wenn in dieser Zeit auch
verhältnismäßig einfache Maßnahmen genügend sind, so stellen sie doch hohe
Ansprüche an die Ausdauer von Pat. und Arzt, und diese Ausdauer ist eine der
wichtigsten Bedingungen für die Erhaltung des Redressementresultates. Bedenkt
man dies und bedenkt man, daß nicht geringe pekuniäre Opfer durch eine
Redressementsbehandlung entstehen, so begreift man, daß das Redressement
an poliklinischem Material kein geeignetes Objekt findet. Darin,
daß gerade dieses Material meistens für die Versuche mit dem
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 801
Redressement benutzt worden ist, liegt einer der wichtigsten Gründe
für die häufigen Mißerfolge.
Bei richtiger Auswahl der Fälle und bei richtiger Durchführung
der notwendigen Maßnahmen lassen sich die Redressementsresultate
dauernd erhalten. Das lehrt mich meine nunmehr 8jährige Erfahrung mit
der Methode.
Zur Dlustration der erreichten Resultate werden eine Reihe stereoskopischer
Photographien, welche im Laufe von Redressementsbehandlungen genommen wur-
den, demonstriert. Die Photographien zeigen Korrektionsresultate, welche über
das hinausgehen, was bisher als Grenze der Behandlungsfähigkeit von Skoliose
dritten Grades galt, und zeigen, daß solche Resultate über Jahre erhalten werden
können. (Selbstbericht.)
8) Schlee (Braunschweig): Ein neues Redressionskorsett.
S. demonstriert ein neues Redressionskorsett fiir Skoliose, welches im wesent-
lichen aus einem Korsett mit exakt passendem Hessing’schen Beckengürtel be-
steht; an diesem Gürtel ist eine stellbare Längsschiene angebracht, welche die
Redression besorgt.
Diskussion. Spitzy (Graz): Die Skoliose entsteht meist sehr früh infolge
von Rachitis; er unterscheidet eine kyphotische Form und eine durcheinander
gewürfelte Form.
Fränkel (Berlin) berichtet über operative Entfernung doppelseitiger Hals-
rippen aus der Hoffa’schen Klinik. Skoliose bestand nicht.
Blumenthal (Berlin) demonstriert zur Therapie des runden Rückens ein
Korsett mit Oberschenkelhülsen, welche ein völliges Aufrichten des Oberkörpers
verhindern. Das Kind soll so gezwungen werden, sich über den oberen Rand des
Korsettes aufzurichten und so seine Kyphose zu strecken.
Guradze (Wiesbaden) zeigt ein Redressionskorsett für Skoliose.
Vulpius (Heidelberg) macht darauf aufmerksam, daß Skoliose bei Tieren gar
nicht so selten vorkomme. Er hat Versuche mit den Kriechübungen gemacht,
aber außer Kräftigung der Schultermuskulatur keine erfolgreichere Beeinflussung
der Verkrümmung gesehen. Die Kräftigung der Rückenmuskulatur erreicht man
auf andere Arten sehr gut, wie es auch das Streben vieler Orthopäden ist, die
skoliotischen Kinder mit einem kräftigen Muskelpanzer zu versehen.
Drehmann (Breslau).
Evler (Berlin) empfiehlt für beginnende Skoliosen, gegen deren Behandlung
mit den bisherigen Stützapparaten der begründete Einwand einer Untätigkeit und
Abmagerung der Rückenmuskulatur zu erheben ist, seinen in Med. Klinik 1906
Nr. 7 beschriebenen federnden Wirbelsäulengeradehalter.
Zwischen dem genau nach dem Becken gearbeiteten Beckengürtel und den
Armkrücken verlaufen zu beiden Seiten des Rumpfes, nicht auftragend, durch Stahl-
rohre gedeckt und in denselben zusammengedrückt, entsprechend gehärtete Spiral-
federn.
Quer über die Schulterblätter sind die Armkrücken durch einen Stahlstab
verbunden, der zur Befestigung der Armkrückenriemen dient.
Mit diesem leichten, zierlichen und doch haltbaren Wirbelsäulengeradehalter
wird unter Anschmiegen an die Körperbewegungen der jeweils erforderliche Wider-
stand gegen fehlerhafte Haltung und eine sichere Stütze ohne schädigende Ein-
wirkung auf den Körper erreicht. (Selbstbericht.)
Wullstein (Halle) macht darauf aufmerksam, daß zu starke Mobilisierung
der Wirbelsäule zu einer Verschlimmerung der Deformität führen muß. Seine
Redressionsbehandlung der Skoliose besteht nicht in einer forcierten Extension,
sondern stellt ein forciertes Redressement dar.
Karch (Aachen) empfiehlt zur Behandlung der Cervicalskoliose den Watte-
verband nach Schanz.
Rosenfeld (Nürnberg) demonstriert eine am Korsett anzubringende Feder,
welche detorquierend wirkt.
99+
802 Zentralblatt für Chirurgie Nr. 29.
Riedinger (Würzburg) will die Gipsverbandbehandlung auch auf Skoliosen
ersten und zweiten Grades ausdehnen und empfiehlt Anlegung in horizontaler Lage.
Drehmann (Breslau).
Nachmittagssitzung.
Zum Vorsitzenden des nächsten Jahres wird Bardenheuer (Köln) gewählt,
zum korrespondierenden Mitgliede Lovett (Boston) ernannt.
9) Finck (Charkow): Das allmähliche Redressement des Pott’schen
Buckels im Liegen.
F. demonstriert Pat., bei welchen er das Redressement des spondylitischen
Buckels durch Lagerung im Gipsbette mit Unterschiebung eines durch kreuzförmig
zusammengelegte Wattestreifen gebildeten Hypomochlions gebildet hat. Die Lage-
rung wird ungefähr 1 Jahr lang fortgesetzt, darauf das Gehen erlaubt mit einem
abnehmbaren Kopf-Rumpfverband aus Zelluloid. Die Resultate der vorgestellten
Fälle waren ausgezeichnete.
10) H. Spitzy (Graz): Die Verwendung der Nervenplastik bei Plexus-
lahmungen. A
S. bespricht die Atiologie und die Arten der Plexuslähmungen und hebt be-
sonders die Entbindungslähmungen hervor.
Bei jenen Formen, wo eine dauernde Schädigung eines Nervengebietes bei
verhältnismäßigem Intaktsein eines anderen vorliegt, wäre eine Nervenanastomo-
sierung indiziert.
S. demonstriert einen Knaben von 12 Jahren. Durch eine intra partum ent-
standene Fraktur war eine Parese des Armes (Typus Erb) und dann eine Lähmung
des Radialisgebietes bei Intaktsein des Medianus hervorgerufen worden. Streckung
der Hand und Finger, Daumenabduktion und Supination der Hand war unmöglich.
Operation am 3. Juli 1906. Zentrale partielle Implantation des N. medianus
in den N. radialis über der Ellbeuge nach einem von S. angegebenen Verfahren
Das jetzige Resultat, 9 Monate nach der Operation, ist ein nahezu ideales:
Völlige Streckfähigkeit der Hand und der Finger, Abduktion des Daumens,
Supination der Hand vollständig ausführbar. Keine störenden Ausfallserscheinungen
im Mediangebiete. (Selbstbericht.)
Diskussion. Bade (Hannover) berichtet ebenfalls über eine gelungene
Nervenplastik mit Anastomosenbildung zwischen Medianus und Radialis.
Spitzy sagt, auf die Frage nach eventuellen Ausfallserscheinungen, daß wohl
eine Schwächung des Medianus zurückbleiben kann, daß er aber völlige Regenera-
tion bei fast durchschnittenen Nerven gesehen hat.
11) Cramer (Köln): Beitrag zur blutigen Mobilisierung des Ell-
bogengelenkes.
Eröffnung des Gelenkes mit Kocher’schem Schnitte, der schräg nach oben
und außen über den Ansatz des Triceps fortgesetzt wird, der Triceps wird schräg
durchschnitten und verlängert. Das Gelenk zeigte knöcherne Verbindung der
Gelenkflächen, aber den Knorpel erhalten. Die knöchernen Verwachsungen werden
entfernt. Nach der Heilung normale Funktion.
Diskussion. Schanz erwähnt Fälle mit Interposition von Fettlappen.
Drehmann (Breslau).
12) Lorenz (Wien). Über die Endziele der mechanischen Koxitis-
behandlung und ihre einfachsten Mittel.
Das ideale Ziel der Restitutio ad integrum kann nur in einer kleinen Anzahl
mild oder abortiv verlaufender Fälle erreicht werden. Gewöhnlich hinterläßt der
abgelaufene Liokalprozeß das Gelenk als eine anatomisch und funktionell nicht mehr
reparable Ruine. Speziell die Wirkung der für die Funktion wichtigsten pelvi-
trochanteren Muskeln ist infolge der Luxationsverschiebung des koxalen Femur-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 803
endes und der gewöhnlichen Verkürzung des Halshebels für immer verloren, ganz
abgesehen von etwaiger narbiger Schrampfung und der Atrophie jahrelang außer
Funktion gesetzter Muskeln. Infolge dieser irreparablen Muskelschädigung geht
die Fähigkeit verloren, das Becken auf dem kranken Standbein horizontal zu halten.
Jeder Schritt fördert demnach das Entstehen der Adduktions-(Beuge-)Kontraktur,
welche die jahrelangen Bestrebungen zur Erhaltung einer guten Stellung schließ-
lich zunichte macht, wenn die mechanische Behandlung endlich außgelassen wurde.
Dieses gewöhnlich adduzierte Gelenk von beschränkter Beweglichkeit ist häufig
zeitweise empfindlich (interkurrente Schmerzepisoden), der Pat. verfügt nicht über
die geringste Ausdauer und hinkt sehr stark. L. betrachtet deshalb ein derartig
beweglich ausgeheiltes Gelenk gar nicht als das wünschenswerte Endziel der mecha-
nischen Behandlung. Dieses Endziel ist ihm vielmehr die möglichst
feste, am besten knöcherne Ankylose des Gelenkkörpers bei indiffe-
renter Streckstellung des Beines. Neben relativ unbedeutenden Nachteilen
bietet die Ankylose dem Pat. nur Vorteile: unbeschränkte Ausdauer, das Fehlen
von Empfindlichkeit oder gar Schmerz, gleichmäßigen Gang fast ohne Hinken, bei
Ausschluß jeder Gefahr eines traumatischen Rezidivs. Die übliche Extensions-
behandlung ist dem Ziele der Ankylosierung eher abträglich als förderlich, daher
von diesem Standpunkt aus unzweckmäßig. Außerdem wirkt die Extension bei
jahrelanger Anwendung schädlich durch die hochgradige Inaktivitätsatrophie des
dauernd von jeder Funktion ausgeschalteten Beines.
Der Ankylosenbildung abträglich ist ferner die wiederholt notwendige Kor-
rektur der leichten Adduktionseinstellung des Gelenkes, welche trotz Extension
beim Gehen sich so häufig herausbildet, daß man sagen kann, die mechanische
Behandlung stellt einen unablässigen Kampf gegen die Adduktionstendenz des
krankseitigen Beines dar. Hört die Behandlung endlich auf, so tritt nach kurzer
Frist in der Regel doch schließlich wieder Adduktion auf.
Die Extensionsbehandlung ist auf die Annahme gegründet, daß das erkrankte
Gelenk vor allem gegen Belastung intolerant sei, während die Empfindiichkeit
gegen Bewegung erst in zweiter Linie stehe. Ja man ging soweit, die Bewegung
als die essentielle Funktion des Gelenkes für die Erhaltung desselben als nicht nur
erlaubt, sondern als vorteilhaft zu betrachten — unter der Voraussetzung, daß die
Entlastung resp. Extension eine genügend starke ist (Motion without friction).
Die tägliche Erfahrung lehrt aber, daß gerade das Umgekehrte richtig ist.
Das Gelenk ist nämlich während der ungleich längeren Hälfte der Verlaufsdauer der
Erkrankung gegen Belastung sehr wenig oder gar nicht empfindlich. Hingegen
ist dasselbe, und zwar schon vom Beginne der allerersten Erscheinungen angefangen,
gegen die geringste Bewegung außerordentlich empfindlich. Diese Tatsache erlaubt
eine große Vereinfachung der mechanischen Behandlung, wodurch gleichzeitig das
Endziel der Ankylosenbildung gefördert wird. Diese vereinfachte Behandlung
besteht in Dauerfixation des Gelenkes vom ersten Beginne der Krankheitserschei-
nungen bis zum vollständigen Ablaufe des Prozesses und selbst längere Zeit dar-
über hinaus. An Stelle der Extension tritt die Belastung des fixierten Gelenkes,
resp. der Funktionsreiz des Lasttragens, welchem die fixierten Partien (Becken und
Oberschenkel) ausgesetzt werden. Nicht allzuselten genügt diese Fixierung allein
während des ganzen Krankheitsverlaufes. In der Regel jedoch ist während der
Höhe des Prozesses eine mehr oder weniger vollständige Entlastung bis zur Sus-
pension des kranken Beines durch die Empfindlichkeit gegen Belastung geboten.
Andauernde exzessive Schmerzen, welche durch mechanische Mittel, sei es Fixation
oder Extension oder die Kombination beider, nicht gestillt werden können, sind
auf intraartikulären Abszeß, resp. auf den langsamen Durchbruch der Gelenkkapsel
zu beziehen und erfordern Punktion oder Arthrotomie. Die vollständige Suspen-
sion des Beines ist nur während relativ kurzer Zeit (einige Monate) notwendig.
Bald genügt wieder eine unvollständige Entlastung, bis man nach Maßgabe der
Empfindlichkeit wieder mit der bloßen Fixation das Auslangen findet.
Mit dem Prinzip der strengen Dauerfixation ist die Korrektur der während
der mehrjährigen Behandlung sich gewöhnlich einstellenden leichten Adduktions-
804 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29.
beugekontraktur insolange nicht vereinbar, als der Krankheitsprozeß nicht voll-
ständig abgelaufen ist. Erst dann, wenn Pat. imstande war, sich Monate hindurch
ohne jeden Apparat des krankseitigen Beines schmerzlos zu bedienen, tritt nach
Erfüllung der Indicatio morbi die Therapia orthopaedica in ihr Recht und löst
ihre leichte Aufgabe auf kürzestem Wege durch subkutane (extreartikuläre) inter-
trochantere Osteotomie, durch welche die Adduktion dauerhaft, ohne Gefahr der
Rezidive, korrigiert wird.
Diese kleine orthopädische Operation wird ambulatorisch durchgeführt und
unterbricht die Gehfähigkeit des Pat. nur wenige Tage, trotzdem auch hier von
jeder Extension abgesehen, ja sogar eine nach der Empfindlichkeit mehr oder
weniger starke Belastung zugelassen wird.
Mit Eiterung verlaufende Koxitiden (die kleinere Hälfte der Fälle) werden bei
konservativer, jodoformfreier Behandlung der Abszesse nach denselben Grundsätzen
behandelt. Das Endziel der möglichst festen Ankylose des Gelenkes in indifferenter
Streckstellung wird mittels dieser einfachen mechanischen Behandlung in der Regel
erreicht, wenngleich man die Erzeugung einer wirklich knöchernen Verschmelzung
der Gelenkkörper nicht in der Hand hat. Man könnte diese einfache mechanische
Behandlung nach ihrem Grundsatze, dem krankseitigen Beine stets eine mit dem
jeweiligen Empfindlichkeitsgrade des Gelenkes schmerzlos vereinbare Funktion zu-
zuweisen, die funktionelle oder auch ankylosierende Behandlung nennen. Wer,
namentlich in der Hospitalpraxis, ein reiches Koxitismaterial zu bewältigen hat,
wird ihre Vorteile bald schätzen lernen. (Selbstbericht.)
13) v. Aberle (Wien): Endresultate der konservativen Koxitis-
behandlung.
v. A. berichtet über die Ergebnisse seiner Nachuntersuchungen, die er an dem
klinischen Krankenmateriale der Jahre 1898—1901 inkl. angestellt hat. Es handelt
sich dabei um fast ausschließlich ambulant behandelte Pat.
In bezug auf nähere Angaben muß auf das Original verwiesen werden.
(Selbstbericht.)
14) Reiner und Werndorf: Zur normalen Anatomie des Hüft-
gelenkes.
Die Vortr. zeigen, daß die als Tränenfigur (Köhler) bekannte Konturzeich-
nung der Fossa acetabuli entspricht und demonstrieren unter anderem Röntgen-
bilder, aus denen hervorgeht, daß nach Ausmeißelung der Fossa acetabuli die
Tränenfigur verschwinde, daß sie aber sofort wiederum erscheint, wenn das aus-
gemeißelte Stück wieder an die richtige Stelle gefügt wird. Interessant ist dabei,
daß sich das große Loch in der Pfanne auf dem Röntgenbilde durchaus nicht
anders als durch den Mangel der Tränenfigur verrät. (Selbstbericht.)
15) Werndorff (Wien): Zur Pathologie der Koxitis.
Je schwieriger es ist, eine bestimmte Indikation für die konservative oder
operative Behandlung der Koxitis zu stellen, um so notwendiger erscheint das
Studium der Pathologie, und in den Röntgenverfahren begrüßten wir eine Methode,
die uns nicht nur über den jeweiligen Zustand, sondern über das Fortschreiten des
Prozesses unterrichtet. W. zeigt an Serien von Röntgenaufnahmen die Fortschritte,
welche wir in der letzten Zeit in der Erkenntnis der Pathologie gemacht haben,
und faßt seine Beobachtungen in folgende Punkte zusammen:
1. Die synoviale Form der tuberkulösen Koxitis ist röntgenoskopisch im
frühesten Stadium mit einer großen Sicherheit zu diagnostizieren.
2. Das wichtigste und einzige Zeichen im Anfang ist die regionäre Atrophie.
5 3. Pe Auftreten derselben (einmal schon 2 Wochen nach angeblichem
eginn).
4. Als unmerkliche Konturveränderung an der »oberen Schenkelhalslinie« be-
ginnend, betrifft sie zuerst die dieser Linie anliegende Corticalis und bleibt lange
Zeit auf die von der Kapsel eingeschlossenen Gelenkskonstituentien beschränkt.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 805
5. Die Destruktion des Knorpels läßt sich nicht erst dann nachweisen, wenn
der Gelenkspalt verschwunden ist, sondern viel früher aus Veränderungen an der
Kontur der Kopfepiphyse (Verwechslung mit normalen Wachstumserscheinuhgen!).
6. Zur typischen, auf benachbarte Teile übergreifenden tuberkulösen Atrophie
wird die regionäre Atrophie bei größerer Destruktion des Gelenkes.
?. Der klinische Ausdruck der am Radiogramm eben noch nachweisbaren, be-
ginnenden Knorpeldestruktion ist die pathognomonische Stellung in Adduktion
ohne klinisch nachweisbaren Trochanterhochstand.
8. Der klinische Übergang von Abduktion in Adduktion konnte so an der
Hand von Röntgenbildern erklärt werden.
9. Die synoviale Form ist die weitaus häufigere.
10. In Bestätigung der von v. Friedländer zuerst angeführten Beobachtung,
daß die partielle Einschränkung des Exkursionskegels bei lokalisierter Herderkran-
kung vorkomme, demonstriert W. Fälle, in denen er die topische Diagnose von
isolierter Herderkrankung vor der Röntgenaufnahme stellen konnte und betont die
Wichtigkeit der beiden klinischen Symptome: 1) partielle Einschränkung der Be-
weglichkeit, 2) atypische pathognomonische Stellung. — Angabe mehrerer Erklä-
rungen
Die Röntgenuntersuchung des Koxitikers ist also notwendig nicht nur bei der
ersten Untersuchung, sondern im weiteren Verlaufe. Diagnostisch sichert sie
das frühzeitige Erkennen der synovialen Form, prognostisch zeigt sie das Fort-
schreiten bei synovialen Formen, die Lokalisation, Größe und Gefahr eines Durch-
bruches ins Gelenk bei Herderkrankungen, therapeutisch, denn sie ist ein
wichtiger Faktor bei der Indikationsstellung zur Operation. (Selbstbericht.)
16) Perl (Berlin) demonstriert eine jetzt 19jährige Pat. mit zerebraler
Kinderlähmung, an der er vor 21/, Jahren mehrere Sehnenoperationen vorge-
nommen hat. Es handelte sich um eine rechtsseitige Hemiplegie spastischer Natur
mit besonderer Beteiligung der oberen Extremität. Die Hand stand extrem ge-
beugt und ulnarwärts abduziert, die Finger waren zusammengekrallt und aktiv un-
beweglich. Flexor carpi uln. wurde durchschnitten und teilweise exzidiert, Flexor
carpi rad. wurde durchschnitten und durch das Lig. interosseum auf den verkürzten
Extens. carpi. uln. transplantiert. Ext. carpi rad. ebenfalls, und zwar etwas stärker
verkürzt. Die vier Fingersehnen des Flex. digit. profundus wurden einzeln ver-
längert. Resultat kosmetisch vorzüglich, die Hand steht leicht überstreckt, Finger
in geringer Beugestellung; funktionell ist erreicht, daß Gegenstände gehalten
werden, und so die rechte Hand ein wichtiger Mitarbeiter für die gesunde ge-
worden ist. Den Vorteil seiner Operationsweise sieht P. darin, daß die bei der
Verkürzung der Extensorensehnen der Finger leicht eintretende Überstreckung
durch die Verlängerung der Fingerbeuger vermieden wird. Die vorher an diesem
Arm aufgetretenen spastisch choreatischen Zustände stellen sich spontan nicht mehr
ein, dagegen werden beim Zufassen der Hand, beim Einsetzen der Intention un-
willkürliche, spastische Mitbewegungen ausgelöst. An der rechten unteren Extre-
mität wurden die Adduktoren durchschnitten und der hochgradige Spitzplattfuß
durch Verlängerung der Achillessehne und Uberpflanzung des Extens. halluc. long.
auf den außerdem verkürzten Tibial. antic. zum größten Teil ausgeglichen. Der
Gang ist durch diese Operationen erheblich gebessert, ein bisher getragener
Schienenapparat entbehrlich geworden. (Selbstbericht.)
17) Schlee (Braunschweig) demonstriert einen Retentionsapparat für
angeborene Hüftverrenkung, welche aus irgendeinem Grunde der Einren-
kungsbehandlung nicht zugänglich ist.
18) Becher (Münster): Über die Einrenkung veralteter kongenitaler
Hüftgelenksluxation.
B. empfiehlt eine permanente Extensionsbehandlung mit Gewichten bis zu
inem Zentner, welche eine Zeitlang vor der Einrenkung durchzuführen ist. Die
Einrenkung ist dann selbst bei älteren Fällen überraschend leicht.
806 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29.
Diskussion. Reiner, Heusner, Bade, Böcker, Drehmann sprechen
über Technik der präventiven Extension.
Lorenz warnt vor der Einrenkung doppelseitiger Hüftverrenkungen bei
älteren Kindern. Er empfiehlt bei älteren Fällen die Inversion des Kopfes.
Drehmann hat ebenfalls mit der Inversion bei Erwachsenen gute Resultate
gesehen. Hier stellten die vorhandenen Schmerzen die Indikation zum Eingriff.
Drehmann (Breslau).
19) Codivilla (Bologna): Uber die Behandlung des angeborenen
Schiefhalses.
Bei der Behandlung des angeborenen Schiefhalses sind die postoperativen
Maßnahmen von großer Wichtigkeit. In leichteren Fällen kann sich das Opera-
tionsverfahren auf das einfache modellierende Redressement beschränken. Um die
subkutane Muskelzerreißung zu erleichtern, bedient man sich mit Vorteil des Myo-
klasten, den ich mir zu demonstrieren erlaube. Dieses Instrument ermöglicht eine
subkutane Zerreißung des Muskels, ohne eine Kontusion der Haut zu verursachen.
In anderen Fällen kann man durch die offene Myotomie, und in sehr schweren und
inveterierten Fällen durch die Exstirpation des Sterno-cleido-mastoideus nach
v. Mikulicz den durch den retrahierten Muskel bedingten Widerstand von seiten
der anderen Weichteile und der Wirbelsäule beheben. Letztere zeigt die einer
gewöhnlichen Skoliose zukommenden Veränderungen. Diese abnormen Verhält-
nisse, die nicht selten die Ursache der leider sehr zahlreichen Rezidive nach Ope-
rationen bilden, werden durch eine auf ausgiebigen Bewegungen basierende Nach-
behandlung eliminiert.
Ich bin kein Freund der übertriebenen unmittelbar nach der Operation vor-
genommenen Hyperkorrektionen. Ich verwende die Immobilisierung mit einem
Gipsapparate in leicht hyperkorrigierter Stellung; in 10 bis 12 Tagen wird der
Apparat durch einen Verband von Schanz oder durch eine federnde Extensions-
schlinge, deren Photographie ich hier zeige, ersetzt. Pat. übt täglich, ohne den
Apparat abzulegen, zwei- bis dreimal Bewegungen aus, welche die retrahierten
Teile wieder ausdehnen und die Krümmungen der Wirbelsäule ausgleichen sollen.
Diese zugleich aktiven und passiven Bewegungen werden durch einen dem
Schulthess’schen ähnlich konstruierten Pendelapparat reguliert; derselbe ermög-
licht alle zur Ausgleichung der Deformität nötigen Bewegungen in den verschiedenen
Stellungen des Kopfes und Halses. Nach 2 Wochen wird der Verband abgenom-
men; die weitere Behandlung besteht in der Fortsetzung der obengenannten Be-
wegungen. (Selbstbericht.)
Diskussion. Wullstein, Schanz.
20) Sachs (Berlin) berichtet über einen Fall von Muskelüberpflanzung
zum Ersatz des gelähmten Deltoides.
21) Froelich (Nancy): Einige Fälle von lateralwärts schnellendem
Knie.
F. demonstriert drei Fälle von angeborenen, unwillkürlich lateralwärts federn-
den Knien.
Das Schnellen geschieht 2—8mal in der Minute. Nacheinander folgende
Muskelzuckungen des Biceps, dann der Muskeln des Pes anserinus erzeugen das
Federn, das erschlaffte Gelenkbänder und abgeflachte Schienbeinknorren vorbe-
reiten. Ein starrer Knieverband verhindert das Federn, das auch durch Massage
und Elektrizität günstig beeinflußt wird. Drehmann (Breslau).
22) v. Aberle (Wien). Zur operativen Behandlung hochgradiger
Handgelenkskontrakturen.
Da den zur Korrektur hochgradiger Handgelenkskontrakturen angegebenen
Verfahren (Verlängerung sämtlicher Sehnen der Beugeseite oder Verkürzung der
Vorderarmknochen durch Resektion eines Knochenstückes) verschiedene Nachteile
anhaften, nimmt Vortr. die Verlängerung durch eine Muskelplastik im Be-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 807
reiche des Caput commune dort, wo die Sehnen noch vereinigt sind, vor, in-
dem er den oberflächlichen Anteil des Caput commune als flachen Lappen nach
oben zu in toto ausschneidet. Derselbe enthält die Ursprünge des Flexor carpi
radialis, Palmaris longus und des ganzen oberflächlichen Fingerbeugers.
Der Flexor carpi ulnaris muß gesondert verlängert werden.
Aus der Beschreibung der Operationstechnik ist besonders hervorzuheben, daß
der abpräparierte Muskellappen in Kontakt mit seinen Gefäßen und Nerven
bleibt. Die vier Sehnen des tiefen Fingerbeugers werden sodann weiter distal-
wärts, wo sie sich schon differenziert haben, einzeln verlängert.
Bei der Handgelenksstreckung wird der ganze abgekappte Lappen in der
Längsrichtung distalwärts verlagert und für ihn gleichsam eine neue Ansatzstelle
mit breiter Berührungsfläche geschaffen.
A. hat die Operation bereits in zwei schweren Fällen mit gutem Erfolg aus-
geführt. (Selbstbericht.)
Diskussion. Drehmann hat fast die gleiche Operation bei ischämischer
Muskelkontraktur vor 2 Jahren angegeben.
23) Deutschländer (Hamburg): Über die Anwendung der Stauungs-
hyperämie bei orthopädischen Operationen.
D. empfiehlt die Stauungshyperämie besonders zur Beschleunigung der Callus-
bildung nach Osteotomien.
24) Schultze (Duisburg): Demonstration neuer Apparate.
Drehmann (Breslau).
25) Lange (Straßburg): Stereoskopische Röntgenaufnahmen, ins-
besondere der Hüftgelenke, mit Demonstrationen.
Nach kurzer Besprechung des Wertes stereoskopischer Röntgenaufnahmen von
Rumpf und Becken geht L. auf die Technik der Ausführung ein. Besonders
wichtig ist die möglichst gute Fixation des Pat. L. hat zu diesem Zweck eigene
Pelottenfixatoren anfertigen lassen, welche leicht an den Untersuchungstisch an-
geschraubt und in jeder Höhe und Richtung von beiden Seiten gegen den Körper
oder das betreffende Glied befestigt werden können. L. benutzt die Vorrichtung
des elektrotechnischen Laboratoriums Aschaffenburg. Einige kleine Abänderungen
erleichtern ein exaktes Arbeiten. Als Entfernung der Lampe von der Platte wer-
den 40—50 cm angewandt und die seitliche Verschiebung der Lampe zwischen
4-5 cm gewählt. Beide Aufnahmen werden hintereinander auf getrennten Platten
gemacht.
Die Verkleinerung beider Bilder geschieht entweder:
1) Mit gewöhnlicher Camera 9/12. Die Bilder werden in entsprechender Größe
zurechtgeschnitten und in der nötigen Entfernung auf eine Platte aufgekittet.
2) Mit stereoskopischer Camera. Um die beiden Bilder genau einstellen zu
können hat L. den Durchleuchtungskasten an einem Schienensystem befestigt, wel-
ches in horizontaler und vertikaler Richtung jede Verschiebung gestattet, und hat
die Mattscheibe ersetzt durch eine Glasplatte mit rechtwinklig in halber Zentimeter-
teilung sich schneidendem Liniensystem. So ist für das rechte und linke Bild die
genaueste Einstellung garantiert.
3) Nachdem Kopien von den Originalplatten hergestellt sind, werden jene in
entsprechender Entfernung aufgehängt und in 13/18 Camera auf eine Platte ver-
kleinert.
Die Demonstration erstreckt sich auf 36 außerordentlich klare, feinste Struktur
zeigende Originalplatten. Außer normalem Handgelenk, Arthritis deformans beider
Hände, werden demonstriert tuberkulöse Herde in Epiphyse und Diaphyse der
Tibia, Caries der Brustwirbelsäule mit Abszeß im hinteren Mediastinum, Caries der
Lendenwirbelsäule mit Sequester im linksseitigen Abszeß.
Es folgte die Demonstration einer großen Anzahl Hüftgelenke, und zwar zu-
nächst von Koxitiden in den verschiedensten Stadien des Krankheitsprozesses, sowie
ausgeheilte Fälle. Das Hauptmaterial bildeten die Hüftgelenksaufnahmen betreffend
808 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29.
die Behandlung der angeborenen Hüftgelenksverrenkung. Es wurden gezeigt so-
wohl Aufnahmen vor der Behandlung zur genaueren Feststellung der Pfannen-
verhältnisse usw., als solche während und nach Beendigung der Behandlung, als
Nachprüfung der Dauerresultate der unblutigen Reposition nach Lorenz. Von
49 behandelten Gelenken wurden 45 Gelenke funktionell geheilt, und unter diesen
waren 27 anatomische Heilungen. (Selbstbericht.)
26) Codivilla (Bologna). Über die Behandlung des angeborenen
Klumpfußes.
Bei der Behandlung mittelschwerer und vorgeschrittener Formen des an-
geborenen Klumpfußes gibt, ohne Rücksicht auf das Alter des Pat., das Lorenz’sche
Redressement nach meinen Erfahrungen die besten funktionellen Resultate, und
ich bevorzuge die Methode in allen Fällen, wo zur Nachbehandlung genügend Zeit
zur Verfügung steht.
In sehr schweren und hartnäckigen Fällen konnte ich nach vorheriger,
1—2 Wochen lang unterhaltener Ödemisierung der Weichteile die Korrektion der
Mißbildung mit erheblich geringeren Schwierigkeiten vornehmen. Die Ödemisierung
wurde durch ähnliche Mittel wie die bei der Bier’schen Stauungshyperämie an-
gewendeten erwirkt.
In anderen Fällen jedoch, dann nämlich, wenn die ökonomischen Verhältnisse
oder die allzugroße Entfernung des Wohnortes der Kranken die nötige Über-
wachung und Nachbehandlung nicht zuließen, bin ich durch ein blutiges Verfahren
zum Ziele gekommen, welches in einer einzigen Sitzung zugleich den Widerstand
in den Weichteilen aufhebt und die Knochen dauernd in die für eine korrekte
Haltung des Fußes günstige Stellung bringt.
Dieser operative Eingriff wurde in den letztverflossenen 3 Jahren im ganzen
30mal vorgenommen, und läßt sich wohl für die Mehrzahl der so behandelten Pat.
ein definitives Urteil über den Wert der Methode fällen.
Ich kann an der Hand dieser Fälle den Beweis liefern, daß die Resultate der
Operation sowohl in kosmetischer als in funktioneller Beziehung mehr als zufrieden-
stellend sind. Der Gang der Operation ist leicht verständlich. Die am inneren
Fußrande befindlichen Muskeln und Sehnen werden freigelegt. Hierauf folgt die
Durchschneidung der Plantaraponeurose, die Einschnitte für die plastische Ver-
längerung des Abductor hallucis, der Sehne des Tibialis anterior und der langen
Zehenbeuger. Sodann werden am I. Keilbein das proximale und das distale Ge-
lenk eröffnet und die Metatarsalknochen sowie die drei Keilbeine abduziert. Hier-
auf folgt die Verlängerung der Sehne des Tibialis posterior, die Eröffnung des
Chopart’schen Gelenkes und des medialen Anteiles beider Sprunggelenke, womit
die Korrektion der Adduktion und Inflexion des Vorfußes und der Supinations-
stellung des Fersen- und Sprungbeines ermöglicht wird. Schließlich wird die
Achillessehne verlängert, die Sprunggelenke werden nach hinten zu weiter eröffnet
und auf diesem Wege die Spitzfußstellung behoben. Hierdurch gewinnt der Fuß
seine normale Gestalt wieder, die verlängerten Sehnen werden verbunden, der
Hautschnitt vernaht. Ein Gipsverband sorgt für Einhaltung der korrigierten
Stellung.
Nachbehandlung 2—3 Monate. (Selbstbericht.)
27) Lange (Straßburg): Zur Therapie des KlumpfuBes.
Durch Ghillini’s Referat über den Klumpfuß veranlaßt, vertritt L. den von
J. Wolff, Koenig und Lorenz inaugurierten Standpunkt in der Klumpfuß-
therapie. Jede Art von Knochenoperation verwirft er, sowie die Phelps’sche
Operation, welche noch vielfach bei kleinen Kindern angewandt wird, und hält den
Osteoklasten fiir das beste Instrument zur Beseitigung von Widerständen, welche
durch die Hand nicht überwunden werden können.
Bei der Phelps’schen Operation werden nur zwei Gruppen von Knochen in
andere Lagebeziehungen gebracht, während doch das Ideal des modellierenden
Redressements darin besteht, daß jeder einzelne Knochen an der Restitution nor-
maler Lagebeziehungen für sein Teil profitiert. Die Bänder usw. sind unbedingt
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 809
zur Redression nötig. Wenn man die anatomischen Verhältnisse betrachtet, so
sieht man, wie die luxierten und subluxierten Knochen wieder reluxiert werden,
wobei der geschlängelte Verlauf und die Elastizität der Blutgefäße die Ernährung
der einzelnen Knochen garantiert.
L. hat seit 1896 seine Klumpfußfälle mittels Röntgendurchleuchtung vor und
nach dem modellierenden Redressement kontrolliert und nie Infraktionen, Frak-
turen oder gar Zertrümmerungen der Knochen konstatieren können, wie sie von
chirurgischer Seite des öftern behauptet worden waren. Zahlreiche Röntgeno-
gramme hochgradiger Klumpfüße jeden Alters bis zum 38. Jahre vor während
und nach der Behandlung erläutern dies und zeigen, wie nach Herstellung normaler
Lagebeziehungen der Knochen unter Wirkung des Transformationsgesetzes der
Übergang abnormer Knochenform bis in ihre feinere Struktur in normale Form
zu verfolgen und nachzuweisen ist; oft ist diese Umbildung ganz überraschend
groß. Selbst die Kapselansätze der verschiedenen Gelenke ändern sich unter der
neuen Funktion. Nur in seltenen Fällen sind noch Abweichungen von normaler
Struktur und Form zu finden. Die Innenrotation der Beine in den Hüften muß
natürlich bei der Herstellung normaler Belastungsverhältnisse bei der Behandlung
durch geeignete Apparatvorrichtungen zur Außenrotation gebührend berücksichtigt
werden. Ferner hat L. übereinstimmend mit Vulpius seit Jahren Folgen intra-
uteriner Poliomyelitis beobachtet und diese Fälle wie die paralytischen Klump-
füße durch Sehnenüberpflanzungen vollständig und dauernd geheilt.
Die ideale Heilung des Klumpfußes ist möglichst normale Form und Funktion,
und beides läßt sich nur mittels modellierenden Redressements erreichen. Von
Operationen sind nur zulässig Achillotenotomie und Sehnenüberpflanzungen.
(Selbstbericht.)
28) Bade (Hannover): Zur Pathologie und Therapie des partiellen
Tibiadefektes.
Mitteilung eines Falles, bei welchem B. die Fibula in das vorhandene obere
Ende der Tibia mit Erhaltung der Epiphysenlinie eingepflanzt hat.
29) Wittek (Graz): Zur Kenntnis der Destruktionsluxationen des
Hiiftgelenkes.
Empfehlung der unblutigen Reposition.
30) Drehmann (Breslau): Über angeborene Coxa valga.
D. berichtet über drei Fälle, von denen er zwei als Vorstufen der angeborenen
Hüftluxation ansieht.
Diskussion: Spitzy hat ähnliche Fälle bereits beschrieben.
Drehmann (Breslau).
6) Kenyeres. Angeborene Mißbildungen und erworbene Verände-
rungen in Röntgenbildern.
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. IX. Hit. 5.)
Verf. beschreibt aus seiner gerichtsärztlichen Praxis verschiedene Fälle oben-
genannter Art und gibt sie in schönen Röntgenbildern wieder. Beschrieben sind
Fälle: Von überzähligem Daumen, auffallend schwacher Entwicklung der Ulna,
doppelseitiger Brachydaktylie am Ringfinger, ein Fall von Proc. supracondyloideus
am Oberschenkel, überzähligen Zehen, Spalthandbildung und Schlottergelenk.
Gaugele (Zwickau).
7) Mahleke. Beitrag zur Kasuistik der Lehre von den Sehnen-
transplantationen.
Inaug.-Diss., Kiel, 1905.
M. publiziert in seiner Inaug.-Diss. 30 Fälle von Sehnentransplantationen aus
der Kieler chirurgischen Klinik und kommt zu dem Resultate, daß in keinem Falle
810 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29.
durch die Operation den Kranken Schaden zugefügt ist, daß vielmehr in den
Fällen, die nachuntersucht sind, mindestens eine geringe Stellungsverbesserung, in
vielen Fällen geradezu glänzende Erfolge erzielt sind. Neben den gewöhnlichen
Methoden hat sich in der Kieler Klinik die Helferich’sche subperiostale Ein-
pflanzung der Sehnenenden ausgezeichnet bewährt. Diese Methode hat einmal
den Vorzug, daß eine Nachdehnung der aktiven Sehne, welche bei anderen Me-
thoden mehr oder weniger eintritt, fast ganz fortfällt; ferner läßt sie vollkommen
eine freie Wahl des neuen Insertionspunktes zu. Hartmann (Kassel).
8) Cramer. Ein Fall von angeborenem Defekt mehrerer Röhren-
knochen der oberen Extremität.
(Archiv für Orthopädie, Mechanotherapie und Unfallchirurgie Bd. IV. Hft. 3.)
Bei einem 13jährigen Mädchen, das sonst gesund und blühend aussah, fand
Verf. die linke obere Extremität als Rudiment. Nach dem Röntgenogramme be-
stand die Extremität aus zehn Knochen. Der proximalste war nicht der Humerus,
sondern die Ulna, die in der Schultergegend in drei eigentümliche Fortsätze aus-
lief, und deren Länge ungefähr dem Vorderarmknochen eines 13jährigen Kindes
entsprach. Mit ihm durch ein Gelenk verbunden waren zwei Knochen: ein größerer
und volar von diesem ein kleinerer Handwurzelknochen. An diese angegliedert
waren drei Mittelhandknochen, wovon der eine, speichenwärts gelegene, verküm-
mert, die beiden anderen, kräftig entwickelt, an ihrer Basis verschmolzen waren.
Sh dem einen artikulierte ein dreigliedriger, mit dem anderen ein zweigliedriger
ger.
Da diese Mißbildung ebenfalls zu atypischen Strahlendefekten zählt, ist auf
die verschiedenen früheren Referate dieses Blattes zu verweisen.
Hartmann (Kassel).
9) Chaput. Sur les sutures nerveuses.
(Bull. et mem. de la soc. de chir. de Paris T. XXXII. p. 127.)
C. hebt den Wert von Potherat’s einwandsfreier und objektiver Beobach-
tung (cf. oben) hervor und erwähnt, daß das Vorkommen rascher Wiederkehr der
Nervenfunktionen nach der Naht, das in einer großen Anzahl von Fällen nachge-
wiesen worden ist, durch seine eigenen histologischen Untersuchungen begreiflich
gemacht und erklärt würde; den Grund für unsere bisher noch sehr lückenhaften
Kenntnisse über die Vorgänge der Wundheilung am Nerven sucht er in der
Schwierigkeit experimenteller Studien am Tier. C. vertritt den Standpunkt, daß
bei völliger Trennung der Nerven spontan nie Heilung ohne Funktionsstörung auf-
treten könne und meint, die in der Literatur berichteten Fälle von Heilung ohne
Naht des verletzten Nerven seien nur zu erklären durch das Vorkommen hoher
Teilungen und die Möglichkeit nur unvollkommener Durchtrennung der Nerven-
stämme.
Reynier berichtet über zwei Fälle, bei denen nach einer Nervennaht resp.
nach einer Neurolyse, trotz aseptischen Heilverlaufes, die Funktion sich im Ver-
laufe mehrerer Wochen nicht wieder herstellte und erst wiederkehrte, nachdem der
Nerv durch eine zweite Operation aus einer schnürenden Narbe befreit und die
dadurch verursachte Perineuritis behoben worden war. Thümer (Chemnitz).
10) Potherat. Paralysis cuhitale par section du nerf cubital. Suture
du nerf. Rétablissement de la sensibilité et de la motilité.
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXII. p. 50.)
Ein 40jähriger Arbeiter gelangte 2 Monate, nachdem er infolge eines Sturzes
vom Rad einen Bruch des rechten Ellbogengelenkes mit folgender Lähmung des
Nervus ulnaris und radialis erlitten hatte, in chirurgische Behandlung; es bestand
Funktionsausfall und Atrophie der von genannten Nerven versorgten Muskeln; die
elektrische Erregbarkeit der vom Ulnaris innervierten Muskeln war erloschen, die
der Strecker erhalten. Valgusstellung des Ellbogengelenkes; Beugung frei;
Streckung nur bis zu 45° möglich; in der Rinne hinter dem Condylus internus
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 811
fand sich eine knöcherne Geschwulst, deren Berührung dem Kranken starke
Schmerzen machte; bei der vorgenommenen Operation wurde der Nervus ulnaris
oberhalb der Geschwulst, in die er sich verlor, aufgesucht und nach Abmeißelung
der Geschwulst verfolgt; dabei zeigte sich, daß der Nerv vollkommen durchtrennt
war; nur durch dünne Bindegewebsfasern waren die beiden Enden noch verbunden.
Naht des Nerven nach Anfrischung der beiden Enden; nach einigen Stunden
Rückkehr der Sensibilität, am folgenden Tage Streckung und Beugung der Finger
und des Handgelenkes möglich; völlige Heilung 14 Tage nach der Operation.
Die Radialislähmung betrachtet P. als eine hysterotraumatische, obwohl Pat.
keinerlei nervöse Erscheinungen aufwies und kein Alkoholiker war.
Thümer (Chemnitz).
11) ©. Klauber. Veraltete komplette Vorderarmluxation (Umdrehungs-
luxation nach hinten), geheilt durch Arthrotomie.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVIII. Hft. 2. p. 425.)
Durch Fall von einem hochbeladenen Wagen erlitt eine Pat. eine komplette
Verrenkung des Vorderarmes im Ellbogengelenk nach außen und hinten, mit
starker Rotation im Sinne der Supination. Der Arm stand in Streckstellung. Nach-
dem mehrere erfolglose Repositionsversuche vorausgegangen waren, kam die irre-
ponible veraltete (6 Monate) Verrenkung zur Operation, die in Arthrotomie mit
Hüter’schem Bilateralschnitt bestand. Als Hindernis der unblutigen Reposition
fanden sich, abgesehen vom Zug des verkürzten Triceps, hochgradige arthritische
Kapsel- und Gelenkveränderungen. Bei der Operation gelang die Reposition leicht,
doch trat im weiteren Verlauf noch 2mal eine Ausrenkung ein, die erst nach Teno-
tomie der Tricepssehne definitiv beseitigt wurde.
Bei ungestörtem Heilungsverlauf ergab sich unter einem Gipsverband in
rechtwinkliger Stellung und infolge frühzeitig begonnener Bewegungsübungen ein
überraschend gutes funktionelles Resultat mit einer aktiven Beweglichkeit von 60°.
Verf. empfiehlt daher für veraltete irreponible Ellbogenverrenkungen die Arthro-
tomie anstelle der Resektion, da erstere bessere funktionelle Resultate mit beweg-
lichem Gelenk liefere. Reich (Tübingen).
12) M. Martin (Togo). Symmetrische Handrückenlipome bei Togo-
negern.
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 20.)
Bei Togonegern findet sich nicht selten auf beiden Handrücken in der Mitte
in symmetrischer Anordnung Lipombildung von der Größe einer längsdurch-
schnittenen Pflaume; die Geschwulst liegt zwischen Mitte des III. Metakarpal-
knochens und dem Handgelenk und stellt ein Lipoma arborescens dar, das mit
dem Ligt. carp. transversum und den Sehnenscheidensäcken der mittleren Finger
eng verbunden ist. Hieraus folgen leicht Bewegungsstörungen der Finger; im
ersten Falle kam es durch Vergrößerung und cystische Degeneration der Geschwulst
sogar zu Spontanverrenkung der Metacarpi. Kramer (Glogau).
13) Karrer. Beitrag zur Lehre von den Kahnbeinbrüchen der Hand-
wurzel.
Inaug.-Diss., Kiel, 1905.
Beschreibung und Wiedergabe der Röntgenskizzen zweier Fälle von Kahnbein-
brüchen der Handwurzel, von denen der eine durch direkte Quetschung, der andere
durch Fall auf die ausgestreckte linke Hand aus einer Höhe von 3 m entstanden
war. Bemerkenswert war in dem ersten Falle, daß derselbe lange Zeit für Tuber-
kulose gehalten wurde, bis die Röntgenuntersuchung in der Kieler chirurgischen
Klinik die Diagnose sicherstellte. K. gibt eine kurze Übersicht über die einschlä-
gige Literatur und betont die Wichtigkeit der Röntgenuntersuchung gerade bei
solchen, oft als Kontusion gedeuteten Verletzungen. Therapeutisch werden in
812 Zentralblatt ftir Chirurgie. Nr. 29.
frischen Fällen frühzeitige Bewegungen, in veralteten oder bei Pseudarthrosen-
heilungen die Exstirpation eines der Fragmente empfohlen.
Deutschländer (Hamburg).
14) Schade. Kasuistischer Beitrag zu den Luxationen im Handgelenk
auf Grund pathologischer Zustände.
Inaug.-Diss., Kiel, 1906.
Mitteilung eines Falles von doppelseitiger Madelung’scher Handdeformität,
der als Nebenbefund bei einem 19jährigen Mädchen in der Kieler chirurgischen
Klinik erhoben wurde. Der Radius zeigte eine radio-dorsalkonvexe Verkrümmung,
das distale Ulnaköpfchen sprang dorsalwärts wie eine taubeneigroße Geschwulst
vor und war vollkommen aus den physiologischen Verbindungen mit Radius und
Carpus gelöst, während der Radius seine normalen Verbindungen zur Handwurzel
behalten hatte. Funktionell bestand eine Erweiterung der Volarflexion und Ulnar-
abduktion, während Dorsalflexion und Radialadduktion eingeschränkt waren; Pro-
und Supination waren nicht behindert. Bemerkenswert an diesem Falle ist, daß
die Subluxationsdeformität sicher schon im 8. Lebensjahre der Pat. bestanden
hatte. Da Trauma und entzündliche Affektionen in der Anamnese nicht festgestellt
werden konnten, so nimmt S. Rachitis als Ursache an. Eine Übersicht über die
bekannt gewordenen Fälle sowie zwei gut wiedergegebene Röntgenbilder schließen
die Abhandlung. Deutschländer (Hamburg).
15) v. Eiselsberg. Ein bemerkenswerter Fall von Elephantiasis.
(Aus der Sitzung der k. k. Gesellschaft der Ärzte in Wıen vom 16. Februar 1906.)
(Wiener klin. Wochenschrift 1906. Nr. 8.)
Betrifft die rechte untere Extremität eines sonst gesunden 24jährigen Mannes,
die in eine unförmige große Geschwulst umgewandelt ist. Beginn im 8. Lebens-
jahre. Jede aktive Bewegung ist aufgehoben. Verrenkung der Hüfte. Starke
Diastase des Kniegelenks (Femur und Tibia weit auseinander). Unterschenkelknochen
sind bloß bis zur Mitte erhalten, fehlen weiter unten vollkommen. Nur spärliche
Andeutungen der Metatarsalknochen, die weit auseinander gerückt erscheinen.
Hübener (Liegnitz).
16) Spitzy. Zur Transformationsmechanik der angeborenen Hüft-
luxation.
(Archiv für Orthopädie, Mechanotherapie und Unfallchirurgie Bd. IH. Hft. 3.)
Verf. beschreibt zwei Fälle von angeborener Hüftverrenkung. Im ersten Falle
ist der Kopf nach vorn aus der Pfanne getreten und steht unter der Schenkel-
arterie. Die Beine stehen gestreckt, abduziert und nach außen rotiert. Der
Trochanter sieht direkt nach rückwärts, der Kopf nach vorn, so daß der Ober-
schenkel einfach um 90° nach außen gedreht ist. Muskel- und Bänderwiderstände
widersetzen sich jeglichen Korrektionsbewegungen.
Im zweiten Falle wird das linke Bein abduziert, leicht flektiert und nach innen
rotiert gehalten. Der Trochanter steht 1 cm oberhalb der Roser-N&laton’'schen
Linie. Während im linken Hüftgelenk alle Bewegungen bis auf eine Abduktions-
bewegung frei sind, sind im rechten Hüftgelenk außer leichter Beugung und
Streckung alle übrigen Bewegungen vielfach eingeschränkt und zum Teil unmöglich.
Hier liegt der Kopf genau in der Mitte der Leistengegend unter der pulsierenden
A. femoralis.
Beide Fälle weisen nach Verf.s Ansichten einen unverkennbaren Zusammen-
hang auf; im ersten sehen wir einen jener selten beobachteten Fälle einer Ver-
renkung nach vorn und oben (Luxatio praecotyloidea), von der die Autoren sagen,
daß sie als Frühform häufiger sei und später gelegentlich in eine Luxatio iliaca
übergehen könne. Der zweite Fall zeigt uns auf der einen Seite (rechte) dieselbe
Deformität und ist auf der anderen Seite (links) die denkbar schönste Illustration
für diese Wanderung der Schenkelköpfe nach rückwärts. Während am rechten
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 813
unbelasteten Beine der Typus der Luxatio praecotyloides bestehen blieb, hat der
Yinke Schenkelkopf bereite einen großen Teil seiner Wanderung zurückgelegt, die
ihm schließlich in die Stellung der Lmxatio iliaca bringt. Der Schenkelkopf ist
noch unter der Spina ilei deutlich zu tasten, doch ist die Außenrotation nicht
mehr so hochgradig wie am rechten Bein; auch die Trochanterspitze sieht nicht
mehr direkt nach hinten.
Diese Rückwärtswanderung des Kopfes bringt Verf. nach Heuser mit der
langsam zunehmenden Beckenneigung in Zusammenhang, wodurch stets weiter
rückwärts gelegene Teile des Darm- und Kreuzbeines über die Schenkelköpfe
gebracht werden; infolgedessen scheinen nur die Schenkelköpfe nach rückwärts zu
wandern, während sie in Wirklichkeit nach oben streben.
Hartmann (Kassel).
17) Muscatello. Sulla riduzione cruenta della lussazione patologica
dell’ anca.
(Bollettino della società medico-chirurgica di Pavia 1905.)
In dem beachtenswerten Falle des Verf.s handelt es sich um einen 41/>jährigen
Knaben, der etwa 6 Monate vorher unter fieberhaften Erscheinungen an einem
Pyarthros des linken Hüftgelenkes erkrankt war. Bei Inzision des fluktuierenden
Abszesses der Hüfte wurde von dem behandelten Arzte der Kopf bereits außerhalb
der Pfanne vorgefunden. Als Verf. den Knaben sah, bot er die Zeichen einer
Luxatio supracotyloidea mit absoluter Unmöglichkeit zu gehen und zu stehen. M.
legte nun das Hüftgelenk nach Kocher frei, exstirpierte das fibröse Gewebe und
die Nearthrose, welche sich am Hüftbein um den Oberschenkelkopf gebildet hatte,
Letzterer, der deformiert und abgeplattet war, wurde durch subperiostale Abhebe-
lung der Muskelansätze bis zum kleinen Trochanter abwärts skelettiert. Nun wurde
die Pfanne unter sorfältiger Schonung der spärlichen Knorpelreste wieder frei
gemacht. Jetzt gelang es, den Kopf einzurenken und die Reposition durch Ab-
duktion und leichte Innenrotation des Beines zu erhalten. Die abgehebelten
Muskelansätze wurden wieder angelegt und durch Nähte fixiert; Naht der Kapsel-
reste und der Wunde. Extensionsverband in beschriebener Beinstellung. Der Er-
folg der Operation war ein recht ermutigender: Gute Gefähigkeit, fast normale
Länge des Beines, Beweglichkeit des Beines in mittleren Grenzen. (Beobachtungs-
zeit 3 Monate). M. führt das erfreuliche Resultat zum größten Teil auf die prima
reunio der Wunde und die Schonung des Muskelapparates zurück.
A. Most (Breslau).
18) J. P. Hetherington. A closefitting hip splint, intended especially
for fracture.
(Amer. journ. of surg. 1906. Mai.)
Die Schiene erinnert an die Bruns’sche, sie ist aus Aluminium, besteht aus
zwei zu verlängernden Seitenstangen, die unten in ein Fußbrett, oben in einen
Sitzring enden. Letzterer, das ist das neue, ist hinten breit, so daß der Druck
auf die ganze Glutäalgegend übertragen wird. Der Unterschenkel wird durch
Heftpflasterstreifen extendiert, die unten am Bügel, der die beiden Schienen ver-
bindet und das Fußbrett umgreift, befestigt werden. Goebel (Breslau).
19) H. v. Haberer. Ein Fall von Mißbildung.
(Aus der Sitzung der k. k. Gesellschaft der Arzte in Wien vom 19. Januar 1906.)
(Wiener klin. Wochenschrift 1906. Nr. 4.)
Bei dem jährigen Mädchen sind die Oberschenkel auffallend kurz, abduziert,
die Unterschenkel auffallend lang. Die zweite linke Zehe fehlt und, wie die Pal-
pation ergibt, auch die linke Fibula und das linke Femur. Der rechte Oberschenkel-
knochen besteht, erscheint aber wesentlich verkürzt. Das Röntgenbild fügt dem
noch eine hochgradige Verbildung des rechten Oberschenkelkopfes hinzu. Dabei
muß die Funktion dieser hochgradig verbildeten Extremitäten eine relativ aus-
814 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29.
gezeichnete genannt werden. Das Kind ist imstande, nicht nur umherzugehen,
sondern auch zu laufen. Es stemmt den Kopf der linken Tibia gegen das Becken
unter gleichzeitiger Senkung des Beckens auf diese Seite.
Hübener (Liegnitz).
20) H. v. Haberer. Knochencysten. |
(Aus der Sitzung der k. k. Gesellschaft der Arzte in Wien vom 19. Jauuar 1906.)
(Wiener klin. Wochenschrift 1906. Nr. 4.)
Bei einem 17jährigen Pat. hatte sich nach einem Oberschenkelbruch innerhalb
10 Jabren eine Knochencyste an der Bruchstelle entwickelt, wodurch es zu einer
nach auGen konvexen Kriimmung im betroffenen Oberschenkel gekommen war
(Röntgenbild).
In einem anderen Falle, der ein 19jähriges Mädchen betraf, war es im An-
schluß an ein ganz geringfügiges Trauma zu einem Oberarmbruch gekommen.
Hier ergab das Röntgenbild das Bestehen einer Knochencyste im Bereiche der
Bruchstelle. Es trat vollkommene Heilung mit fester Konsolidation und Ver-
schwinden der Cyste ein.
Wie schon weiland v. Mikulicz, der die Affektion als Osteodystrophia cystica
bezeichnet hat, betonte, sind die Knochencysten im allgemeinen als gutartig an-
zusprechen. Hübener (Liegnitz).
21) Lesser. Eine seltenere Erkrankung am Knie.
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 12.)
Bei dem 14jährigen Pat. handelte es sich, wie das Röntgenbild zeigte, um eine
Einreißung resp. Knickung des von der genualen Tibiaepiphyse nach abwärts
herabsteigenden schnabelförmigen Fortsatzes. Die Affektion ist von Schlatter
richtig gedeutet worden. Borchard (Posen).
22) Perrin et Parisot. Fractures spontanées de la rotule au cours
du tabes dorsalis.
(Province méd. 1906. Nr. 9.)
Verff. berichten über einen Fall von Kniescheibenbruch bei Tabes; er ereig-
nete sich 5 Jahre nach dem Auftreten der ersten Symptome der Tabes und zeigte
keine Neigung zur Konsolidation. Nichtsdestoweniger konnte der Kranke unge-
hindert gehen. Die Diastase der Fragmente war sehr groß.
A. Hofmann (Karlsruhe).
23) O. L. Schneider. Uber einen Fall von myelogenem Sarkom der
oberen Tibiaepiphyse.
Inaug.-Diss., Kiel, 1905.
Ein etwa eigroßes myelogenes Riesen-Spindelzellensarkom der oberen Tibia-
epiphyse wurde nach Resektion seiner vorderen Wand exkochleiert. Die durch
Einbruch der oberen Wand mit dem Kniegelenk entstandene Kommunikation
wurde durch einen Fascienlappen geschlossen. Durch Kompression der Vena
femoralis wurde die Knochenhöhle mit feuchtem Blutschorf plombiert. Bemerkens-
wert ist noch entgegen den Beobachtungen von Beck, daß das Röntgenbild eine
scharf umgrenzende Knochenschale bot, während dieselbe gerade zum Unterschiede
von Knochencysten unregelmäßig gestaltet sein sollte.
A. Hofmann (Karlsruhe).
24) Kaehler. Doppelseitiger, teilweiser, kongenitaler Tibiadefekt.
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. IX. Hft. 4.)
Verf. schließt an die bisher veröffentlichten Fälle der verhältnismäßig seltenen
Mißbildung einen selbst beobachteten an. Auf der einen Seite fehlt nur die untere
Epiphyse, auf der anderen die zwei unteren Drittel. Beiderseits endigt das untere
Tibiaende in einem fingeraébnlichen, von Haut umgebenen Fortsatz auf der Vorder-
seite des Unterschenkels. Die Anschauung, daß bei dem Zustande der partiellen
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29. 815
Defekte der Tibia amniotische Abschnürungen mitwirken können, wird durch diesen
Fall insofern gestützt, als neben einer Einschnürung und Verkürzung der Großzehe
vier ausgesprookene Hautdellen vorhanden sind. Gaugele (Zwickau).
25) Teufel. Zwei Fälle von schwerer Verletzung des Fußes.
Inaug.-Diss., Kiel, 1905.
Die vorliegende Dissertation liefert zwei bemerkenswerte Beiträge zur Frage
der Amputation bei jugendlichen Individuen aus der Helferich’schen Klinik.
In beiden Fällen handelte es sich um 10jährige Knaben, denen von der elektri-
schen Straßenbahn der Fuß überfahren war, und bei denen die gleichzeitigen
Weichteilverletzungen die Amputation im unteren Drittel des Unterschenkels not-
wendig gemacht hätten. Aus Rücksicht auf die daraus resultierenden Wachstums-
verkürzungen wurde der Versuch gemacht, die Amputation mit Erhaltung der
unteren Epiphyse vorzunehmen. Die Weichteildefekte wurden, nachdem sich unter
konservativer Behandlung die nekrotischen Weichteilpartien abgestoßen hatten,
im ersten Falle durch Thiersch’sche Transplantationen, im zweiten durch einen
gestielten Hautlappen gedeckt, der von der Wade des gesunden Unterschenkels
entnommen wurde; im letzteren Falle wurde der gesunde Unterschenkel längere
Zeit hindurch durch einen Gipsverband an den verletzten fixiert. Beide Fälle
wurden längere Zeit, 5 und 2 Jahre, beobachtet. Die Tragfähigkeit des ersten,
mit Thiersch’schen Transplantationen gedeckten Stumpfes zeigte gewisse
Mängel, wenn auch der Gang befriedigend war; auch resultierte hier eine stärkere
Wachstumsverkiirzung nach 5 Jahren, weil bei der Amputation ein erheblicher
Teil der Epiphysenlinie batte geopfert werden müssen. Dagegen war das funk-
tionelle Ergebnis des mit dem gestielten Hautlappen gedeckten Stumpfes ein sehr
günstiges; der Stumpf war vollkommen tragfähig, und Pat. konnte sich schnell
und sicher und ohne zu hinken fortbewegen. Das Wachstum der Knochen beider
Unterschenkel ging völlig gleichmäßig vor sich, und auch noch nach 2 Jahren be-
trug die Differenz wie ursprünglich nur 11/3, cm, die auf den Wegfall der Knöchel
zu beziehen war. Bei einem kurzen Hinweis auf die verschiedenen Methoden der
Stumpfbedeckung und der Erzielung der Tragfähigkeit schließt die Abhandlung.
Die Abbildungen der Verletzten sowie die Röntgenbilder der Stümpfe sind der
Dissertation beigefügt. Deutschländer (Hamburg).
26) O. E. Schulz. Zur Kasuistik des Fersenbeinbruches.
(Wiener klin. Wochenschrift 1906. Nr. 4.)
S. vermehrt die bereits ziemlich reichhaltig gewordene Literatur über Fersen-
beinbriiche um einen in der Hochenegg’schen Klinik beobachteten doppel-
seitigen Fall von Fersenbeinbruch, der dadurch ein besonderes Interesse gewinnt,
daß — bedingt durch die Atiologie (Art des Falles) — auf der einen Seite eine
echte Kompressionsfraktur mit Abbruch des Sustentaculum tali, auf der anderen
Seite eine Rißfraktur zustande gekommen war.
Dlustration durch Röntgenbilder. Hübener (Liegnitz).
27) Gräff. Ein Fall von Fractura tali.
Inaug.-Diss , Kiel, 1905.
Ein Maurer fällt von der Höhe des zweiten Stockwerkes in einen Keller und
zieht sich dabei eine Fraktur des rechten Talus am UÜbergange von Körper und
Hals zu, so daß der Körper hinter, Kopf und Hals vor der Tibia lagen. (Gutes
Röntgenbild.) Gleichzeitig bestand ein Bruch des Malleolus internus, dessen Spitze
sich zwischen die Talusfragmente hineingeschoben hatte. Da die unblutige Repo-
sition nicht gelingt, sofort Arthrotomie und blutige Reposition — ohne Naht der
Fragmente ıGeh.-Rat Helferich). Unmittelbar nach der primären Heilung Be-
wegungsübungen, nach ca. 6 Wochen Entlassung aus der klinischen Behandlung.
Befund 8 Wochen nach der Verletzung: Dorsalflexion rechts bis 80°, links bis 70°,
Plantarflexion rechts bis 110°, links bis 120°. Supination rechts 10°, links 30°;
Pronstion rechte 5°, links 10° ausführbar. Gang ohne zu hinken. Keine Muskel-
816 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 29.
atrophie. Im Anschluß an diesen Fall Mitteilung eines zweiten von komplizierter
Talusfraktur mit Eröffnung des Gelenkes, der konservativ behandelt wurde. Über
das Endresultat dieses Falles wird nichts berichtet, da sich dex Verletzte der
Kontrolle entzog. G. weist auf den Standpunkt der Helferich’schen Klinik hin,
bei Talusfrakturen nach Möglichkeit den Talus nicht zu exstirpieren, sondern zu
erhalten. Deutschländer (Hamburg).
28) R. Stich. Uber Veränderungen am Fußskelett nach Talus-
exstirpation.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVIL Hft. 3. p. 531.)
In vier Fällen von Sprunggelenksresektion mit Entfernung des Talus bei
jugendlichen Individuen stellte Verf. auf Grund der vor und 14—34 Monate nach
der Operation hergestellten Röntgenogramme vergleichende Untersuchungen über
die Veränderungen des Fußskeletts an. Als Hauptresultat ergab sich, daß der
Verlust des Talus durch Veränderungen des Calcaneus und anderer Knochen zu
einem beträchtlichen Teil ausgeglichen werden kann. Diese Veränderungen
bestehen in Aufrichtung und gesteigertem Höhenwachstum des Calcaneus, Ver-
größerung der ganzen unteren Tibiaepiphyse sowie Größenzunahme des Naviculare
und Cuboid. Diese kompensatorischen Vorgänge] erleichtern den Entschluß zu
einer radikalen Frühoperation.
‚Die funktionelle Form und Architektur der Fußknochen ließen sich nicht ganz
in Übereinstimmung mit dem W olff’schen Gesetz bringen, wodurch jedoch dessen
Richtigkeit nicht tangiert werden soll. Dagegen ließ sich Haglund’s Schema
der Strukturlinien des Calcaneus regelmäßig bestätigen. Reich (Tübingen).
29) M. Hofmann. Zur Pathologie des angeborenen partiellen Riesen-
wuchses.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVII. Hft. 2. p. 391.)
Die mit Syndaktylie vergesellschaftete Abnormität betraf die L—IIH. Zehe
nebst Metatarsen bei einem sonst normal entwickelten, intelligenten Jungen von
12 Jahren. Die Haut war etwas verdünnt, die Fettschicht der Fußsohle enorm
hypertrophisch, Blut- und Lymphgefäße, Muskulatur und Nerven normal. Die
betroffenen Knochen sind im Längen- und Querdurchmesser stark vergrößert und
bieten das Bild hochgradiger exzentrischer Knochenatrophie. Periost und Peri-
chondrium ist stark verdickt. Die weitere eingehende mikroskopische Untersuchung
der durch Exarticulatio pedis intertarsea anterior gewonnenen Knochen weist auf-
fallende Veränderungen besonders an den Epiphysenfugen nach. Diese zeigen
die Erscheinungen gesteigerten Längenwachstums, vermehrter vorzeitiger Ossifika-
tion und im Zusammenhang damit eine reichlichere Vaskularisation der Ossifika-
tionszonen. Die gleichzeitige Steigerung des appositonellen Dickenwachstums
bewahrt den Knochen ihre proportionale Form. Daneben verlaufen im Epiphysen-
knorpel sämtliche Arten regressiver Vorgänge, welche zur Erweichung der Knorpel-
grundsubstanz führen und sonst als Symptome seniler und chronisch-entzündlicher
Umbildung bekannt sind.
Die Abnormität ist stets angeboren, nie hereditär. Das übertriebene Wachs-
tum hört mit dem Abschluß des Wachstumsalters auf und kann dadurch etwas
kompensiert werden, daß die betroffenen Epiphysenfugen vorzeitig verknöchern,
während die normalen noch weiter wachsen.
Von gewissen Elephantiasisformen unterscheidet sich der partielle Riesenwuchs
durch Beteiligung der Knochen und die normale Beschaffenheit der Haut; von
der Akromegalie dadurch, daß diese nie angeboren, sondern in der Pubertät und
stets symmetrisch auftritt und nur zu Verdickung, nicht zu Verlängerung der
Knochen führt. Die Atiologie ist unbekannt. Reich (Tübingen).
Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags-
handlung Brestkopf & Härtel, einsenden.
Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig, Nürnbergerstraße 36/38.
Zentralblatt
CHIRURGIE
herausgegeben
E vn Bogman, F Kiis, E Miter
Dreiunddreißigster Jahrgang.
S EEE ES EEE Tu EEE EEE SEE
Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei halbjähriger
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.
Nr. 30. Sonnabend, den 28. Juli. | 1906.
Inhalt: Wilms, Die Freilegung des Herzens bei Herzverletzungen. (Original-Mitteilung.)
1) Kolle und Wassermann, Pathogene Mikroorganismen. — 2) Bruck, Erlich’s Seiten-
kettentheorie. — 3) Berndt, Muskelverknöcherung nach Trauma. — 4) Bull, Sarkom und
Fieber. — 5) Kienböck, Röntgenbehandlung der Sarkome. — 6) Klenböck, Dosimeter. —
7) Schilling, Härtegradmesser. — 8) Brouardel, Unfallverletzungen. — 9) Cushing, Unter-
richt in operativer Medizin. — 10) Gersuny, Gegen die Exzitation in der Narkose. — 11) Lohn-
stein, Chronische Gonorrhöe. — 12) Roux, Gonorrhoische Hauterkrankungen. — 13) Balzer
und Tansard, Behandlung der Gonorrhde. — 14) Wildbois, Mastdarm-Harnröhrenfisteln. —
15) Goldberg, Blutungen der Prostatiker. — 16) Hallepeau, Bösartige Prostatageschwülste.
— 17) Zangomelster, Cystoskopie des Weibes. — 18) Ekehorn, Molekulare Konzentration
des Blutes. — 19) Berg, 20) Kapsammer, Zur Diagnostik der Nierenfunktion.
I. 0. Ehrhardt, Ein einfacher Ligaturträger. — II. N. Wolkowitsch, Zum Aufsatz Dr.
Draudt’s: »Zur Behandlung der Kniegelenktuberkulose mit besonderer Berücksichtigung
der Resektion«e. — III. M. Draudt, Entgegnung.
21) Hamm, Aktinomykose. — 22) Russell, Zur Geschwulstgenese. — 23) Schwetz, Gono-
kokkenphlegmone. — 24) Secretan und Wrangham, Pneumokokkenarthritis. — 25) Bertin,
Syphilitisohe Gelenkentziindung. — 26) Zur Verth, 27) Poth, 28) Gehihoff, 29) Hagen,
30) Marmetschke, Zur Anästhesierungsfrage. — 31) Abbe, Radiumwirkung. — 32) Bloch,
Instrument zur Einführung weicher Katheter. — 33) Hagmann, Lithotripsie. — 34) Schwarz,
Blasenscheidenfistel. — 35) Deaver, 36) Gibbon, Harnleiterstein. — 37) Stinelli, Perinephri-
tischer Abszeß bei Typhus. — 38) Chambreient und Pousson, Nierenenthülsung. — 39) Ma-
thiew, Hydronepbrose. — 40) Cialrmont, Zur Nierenchirurgie. — 41) Russell, Suprapubische
Hysterotomie. — 42) Donhauser, Bösartige Eierstocksgeschwülste bei Kindern. — 43) Küttner,
Infusionsapparat. — 44) Albrand, Irrigator. — 45) Klippers, Wasservorwärmer. — 46) Hertz-
ka, Fingerfreies Einfädeln.
Die Freilegung des Herzens bei Herzverletzungen.
Von
Prof. Wilms.
Die mannigfaltigen Formen der Lappenbildung, die angegeben
sind zur schnellen Freilegung des Herzens bei Verletzungen desselben,
sind neuerdings des öftern übersichtlich zusammengestellt worden
(Borchardt, Sultan, Gébell). Diese Lappenplastik genügt für
Operationen bei Verletzungen an der vorderen Wand des Herzens,
welche bekanntlich weitaus die häufigsten Verletzungen darstellen
(Stichverletzungen). Eine Naht an der Hinterwand des Herzens
30
818 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30.
stößt bei solcher Lappenbildung auf Schwierigkeiten, wie ich das vor
kurzem zu erfahren Gelegenheit hatte bei einem Herzschuß, bei dem
die Kugel (6 mm Kaliber) etwa in der Mitte des linken Ventrikels an
der Vorderseite eingegangen und an entsprechender Stelle der
Rückseite ausgetreten war. Es hätte sich in diesem Falle wohl nur
durch gleichzeitige Resektion des Sternum die Naht an der Rückseite
ausführen lassen; leichter jedoch als durch diese Resektion schien mir
ein Zugang möglich durch einen langen Interkostalschnitt, wie ihn
Mikulicz und Sauerbruch bei intrathorakalen Operationen ange-
wendet haben. Der Zugang nach Ausführung dieses Schnittes war
ein so freier, daß ich für die Fälle, wo man annehmen kann,
daß auch an der Rückseite des Herzens ein operativer Eingriff, wie
die Naht, ausgeführt werden muß, lieber gleich von vornherein,
statt der Lappenplastik, am besten im vierten oder fünften Inter-
kostalraum, je nach der Stelle der Verletzung, diesen Zwischen-
rippenschnitt empfehlen möchte Man kann das Herz von diesem
Schnitt aus nach Eröffnung des Perikards ausgezeichnet übersehen.
Will man den Zugang noch verbreitern, so kann man die vierte und
fünfte Rippe in der Nähe des Sternumansatzes inzidieren und hat da-
durch einen weit freieren Einblick wie bei allen Lappenplastiken.
Der Schnitt ist wesentlich schneller ausführbar, die Blutung minimal.
Daß ein Pneumothorax dabei eintritt, ist keine weitere Komplikation,
seitdem wir wissen, daß bei allen Operationen mit Lappenplastik
gleichfalls der Pneumothorax nicht vermieden werden kann.
In dem oben erwähnten Falle wurde 2 Stunden nach dem Schuß
Ein- und Ausschuß am Herzen mit je drei Nähten geschlossen; ebenso
Ein- und Ausschuß am linken Unterlappen der Lunge, dann das
Perikard genäht und der Thorax vollkommen geschlossen, ohne Tam-
ponade oder Drainage. Die Blutung war ziemlich beträchtlich; es
fand sich etwa 11/, Liter in der Pleurahöhle und dem Perikard. Aus
letzterem war das Blut durch den Ausschuß an der Rückseite in
den Brustfellraum ausgeflossen. Es erfolgte reaktionslose Heilung.
Der Interkostalschnitt bei Operationen wegen Herzverletzung,
statt der bisher üblichen Lappenplastik, dürfte die Zeitdauer
der Operation wesentlich abkürzen und gestattet einen freieren Ein-
blick als noch so ausgedehnte Rippenresektionen.
1) W. Kolle und A. Wassermann. Handbuch der patho-
genen Mikroorganismen. Ergänzungsband, Hft. 1.
Jena, Gustav Fischer, 1906. |
Hand in Hand mit den zunehmenden Fortschritten, welche die
Bakteriologie gemacht und der zunehmenden Bedeutung, die sie ge-
wonnen, ist auch der Umfang des seinerzeit mit so großer Freude
begrüßten und mit soviel Wohlwollen aufgenommenen Handbuches
der pathogenen Mikroorganismen gewachsen.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 819
So bekommen wir denn jetzt einen Ergänzungsband, dessen vor-
liegendes erstes Heft folgende Aufsätze enthält:
Nocht und Mayer, Die Trypanosomen als Krankheitserreger.
Schilling, Piroplasmosen.
Weber, Die Tuberkulose des Menschen und der Tiere.
Babes, Lepra.
Kutscher, Abdominaltyphus.
Babes, Spindelförmige Bazillen.
Ptibram, Über Bakterienhämatoxine (Lysine) und Antihämatoxine.
Kartulis, Die Amöbendysenterie.
Die Behandlung des Stoffes ist in gleicher Weise wie im Haupt-
werk geschehen, ebenso klar und übersichtlich, ebenso fesselnd ge-
schrieben wie jenes. In allen Arbeiten findet sich nach allgemeinen
und historischen Erörterungen eine genaue Schilderung der Morpho-
logie des Krankheitserregers, sowie eine genaue Darstellung des durch
den betreffenden Erreger hervorgerufenen Krankheitsbildes. Daß die
einzelnen Arten der Infektionserreger, ihre bakteriellen Eigentümlich-
keiten, die Infektionswege u. dgl. eine genaue Erörterung finden, be-
darf wohl erst keiner Erwähnung. Hervorzuheben sei hier nur noch,
wie beim Hauptwerk, die Beigabe geradezu wunderbarer Bilder, die
das Verständnis in außerordentlicher Weise erleichtern. Wir können
den einzelnen Autoren für diese Bilder nicht dankbar genug sein,
nicht minder aber auch dem Herrn Verleger für die glänzende Re-
produktion.
Zweifellos wird der Ergänzungsband von den alten Freunden des
Werkes mit Vergnügen begrüßt werden, andererseits aber auch sicher-
lich dem groß und genial angelegten Werke neue Freunde hinzu-
erwerben. Silberberg (Breslau).
2) Bruck. Wesen, Bedeutung und experimentelle Stiitzen
der Erlich’schen Seitenkettentheorie.
Berlin, Leonhard Simion Nachf., 1906.
Ausgehend von der Tatsache, daß der allgemeine Praktiker der
Immunitätslehre stets eine gewisse Scheu entgegenbringt und nicht
recht wagt, sich in die für die allgemeine Praxis doch sehr wichtigen
Tatsachen zu vertiefen, hat B. probiert, eine auch dem Nichtfachmann
verständliche Darstellung der modernen Immunitätslehre und der
Erlich’schen Seitenkettentheorie zu geben.
Und dieser Versuch ist B. glänzend geglückt. Die Arbeit enthält
in kurzer, präziser Darstellung eine allgemeinverständliche Würdigung
der Immunitätslehre. Unter Fortlassung alles verwirrenden und noch
nicht geklärten Materiales erhalten wir einen Überblick der für den
Praktiker wichtigen und kennenswerten Tatsachen. .
Die Arbeit ist durchaus geeignet, das Thema dem Nichtfachmann
näherzurücken und ihn zu weiteren Studien anzuregen.
Die Lektüre der Arbeit ist dringend zu empfehlen.
Silberberg (Breslau).
30*
820 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30.
3) F. Berndt. Über Muskelverknöcherung nach einmaligem
Trauma.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXIX. Hft. 3.)
B. kommt auf Grund eines neuen Falles, der 11 Tage nach dem
Trauma irrtümlicherweise operiert wurde, zu dem Schluß, daß seine
ursprüngliche Ansicht bezüglich der Art der Periostschädigung nach
schweren Verletzungen, wie Hufschlägen, zu Recht bestehe, daß es
sich nämlich im wesentlichen um eine Quetschung der Knochenhaut,
um Auffaserung, Aufquellung, Blutdurchtränkung, event. Abhebung
vom Knochen handle. Ein Abreißen ganzer Periostlappen hält er für
physikalisch ganz unmöglich. Auch hat die Degeneration der Muskel-
fasern, welche sich in dem beschriebenen Falle genau wie bei einer
vollendeten Myositis ossificans vorfand, mit Verknöcherung und Ent-
zündung nichts zu tun, sondern ist eine direkte Folge der durch die
mechanische Schädigung erzeugten Ernährungsstörung. Auf Grund
seiner eigenen Beobachtungen und seines Literaturstudiums ist B. der
Anschauung, daß in der Muskulatur nach einmaligem Trauma Ver-
knöcherungen ohne Beteiligung des Periosts entstehen können. Der-
artige Ossifikationen nehmen stets ihren Ausgang vom Muskelbinde-
gewebe, während die Muskelfasern sich ganz passiv dabei verhalten.
Ebenso sicher ist aber durch eine Reihe einwandsfreier Fälle erwiesen,
daß derartige Verknöcherungen ganz oder größtenteils vom Periost
ausgehen können. Will man sich ein Urteil über die Beteiligung oder
Nichtbeteiligung der Knochenhaut verschaffen, so muß man vom nor-
malen Periost die Untersuchung beginnen und nach der Verknöcherung
zu fortschreiten. Die zahlreichen Fälle, bei denen die Geschwulst sich
fest mit dem Knochen verwachsen erwies, verdanken ihre Entstehung
wahrscheinlich einem Zusammenwirken von Periost und Muskelbinde-
gewebe, indem die Zellen der einen wie der anderen Matrix sich vor
dem Eintreten der Ossifikation miteinander vermischen. Dem Blut-
erguß, der durch das Trauma gesetzt wird, schreibt Verf. keine ver-
knöchernden Eigenschaften zu, ohne daß noch die Entzündung hinzu-
kommt, wie er überhaupt nach den neueren Untersuchungen diesen
ganzen Prozeß nicht mehr wie früher als ein Mittelding zwischen
Geschwulst und Entzündung, sondern als einen echten ehtzündlichen
Vorgang ansieht, wofür besonders auch die Resorptionsfähigkeit der
Geschwulst und ihre Verschlimmerung durch Schmerzen und Schwel-
lung nach zu frühzeitiger Massage und Bewegung sprechen. Wahr-
scheinlich ist die letzte Ursache der Verknöcherung eine leichte
hämatogene Infektion des Blutergusses, der gequetschten Muskelpartie
und des mitverletzten Periosts. Erreger sind wohl zweifellos die
bekannten Eiterbakterien.
Wenn es bisher noch nicht gelang sie nachzuweisen, so liegt es
wohl daran, daß in älteren Entzündungsherden der Nachweis überhaupt
sehr schwierig ist. Auf der anderen Seite würde die Annahme einer
derartigen hämatogenen Infektion die strenge Scheidung beseitigen, die
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 821
zwischen den bisher getrennten Formen der Myositis ossificans trau-
matica, der chronischen Myositis ossificans und der progressiven Form
besteht. Es würde sich dann nur um verschiedene Grade derselben
Affektion handeln. Die Riesenzellen, die B. besonders in einem seiner
Fälle fand, hält er für Osteoklasten.
Die Behandlung soll bei der Auffassung des Prozesses als Ent-
zündung zuvörderst eine abwartende sein. Event. wäre Bier’sche
Stauung zu empfehlen. Ubrigbleibende Verknöcherungen sollen nur
dann entfernt werden, wenn sie Funktionsstörungen setzten. Sonst
kann man die spontane Rückbildung abwarten.
E. Siegel (Frankfurt a.M.).
4) P. Bull. Om fever ved sarkom.
(Norsk Magazin for Laegevidenskaben 1906. Nr. 6.)
Verf. hat die in der Literatur zerstreuten Angaben von Fieber
bei Sarkom gesammelt, in einer Anzahl eigener Fälle überprüft und
neue Beobachtungen mitgeteilt. Fälle mit Komplikationen blieben
außer Betracht. Von 58 Fällen erwiesen sich bei der Obduktion nur
20 frei von Komplikationen. Von diesen hatten 14 Fieber, während
6 afebril verliefen. B. beobachtete folgendes:
Das bei Sarkomen nicht seltene Fieber ist ohne bestimmten
Typus und tritt häufiger auf bei jüngeren als bei älteren Personen.
Krankheitsdauer und Art des Sarkoms ist ohne besondere Beziehung
zum Auftreten des Fiebers. Milzvergrößerung wird nur in den febrilen
Fällen beobachtet.
Besonders wertvoll ist die Mitteilung der Beziehung, die sich
zwischen der Metastasenbildung und dem Auftreten von Fieber ergab.
Fieber trat erst auf, wenn sich Metastasen zu bilden begannen.
Rätselhafte Fieberbewegung bei Sarkomen ist daher für den Chirurgen
ein zuverlässiges Merkmal der Metastasenbildung. Unter den febrilen
Fällen B.’s waren nicht weniger als zehn Knochensarkome. Metastasen
können in den verschiedensten Organen auftreten. Hinter einer
zweifelhaften Lungenerkrankung können sich Sarkommetastasen ver-
bergen. Bei unerklärlichem Fieber ist auch an Sarkom des Beckens
und der Wirbelsäule zu denken.
Als Gegenstück zu dem fieberhaften Krankheitsverlauf bei Meta-
stasenbildung. führt B. einen Fall von primärem Sarkom der Leber
an, der in 6 Wochen das Ende herbeiführte und trotz seiner enormen
Größe fieberlos verlief. Revenstorf (Hamburg).
5) Kienböck. Über Röntgenbehandlung der Sarkome.
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. IX. Hit. 5.)
In erschöpfenden Tabellen berichtet Verf. über die bisher ver-
öffentlichten Fälle und eine eigene Beobachtung. Aus diesen ergibt
sich, daß in der Tat bereits vollkommene Heilung der Sarkome durch
Röntgenbestrahlung erfolgt ist, ohne daß Rezidiv eingetreten wäre.
822 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30.
Häufiger noch als vollkommene Heilung tritt (in 70% der bestrahlten
Fälle) eine starke Schrumpfung der sarkomatösen Geschwülste ein.
Am günstigsten beeinflußt werden oberflächlich gelegene Geschwülste;
rasch wachsende Gewebe, junge und in reger Proliferation befindliche
Zellen sind weit empfindlicher als alte Geschwülste.
Bezüglich der Technik ist zu erwähnen, daß Verf. tägliche
Sitzungen nicht für zweckmäßig hält, und daß es notwendig ist, nicht
nur die Neubildung selbst, sondern auch die infiltrierten regionären
Drüsen zu bestrahlen.
Die Röntgenbestrahlung angezeigt hält Verf. dann, wenn
1) bei operativen Fällen durch eine mehrwöchige Verschiebung
der Operation noch nicht zu befürchten ist, daß die Geschwulst
mittlerweile inoperabel wird. Vor allem kommen hier die von der
Haut und den Lymphdrüsen ausgehenden Sarkome in Betracht;
2) bei allen Fällen von inoperablen Sarkomen wird der Chirurg,
wenn er bei der Operation die Unmöglichkeit einer vollständigen
Exstirpation der Geschwulst erkennt, oder vom Gelingen nicht ganz
überzeugt ist, z. B. bei schlechter Abgrenzung, Röntgenbestrahlung
des noch offenen Operationsfeldes und röntgenologische Nachbehand-
lung vornehmen. Gaugele (Zwickau).
6) Kienböck. Über Dosimeter und das quantimetrische
| Verfahren.
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. IX. Hft. 4.)
Zur direkten Dosimetrie der Röntgenstrahlen dienten bisher drei
Verfahren: Die chromoradiometrischen Pastillen von Holzknecht,
die Sabouraud-Noiré’schen Leuchtscheibchen und die Jodoform-
lösungen von L. Freund.
K. fügt diesem Verfahren ein neues bei, welches sich der Wirkung
der Röntgenstrahlen auf die photographische Schicht bedient, und
nennt sie die quantimetrische Methode. Das Instrumentarium des
Quantimeters wird von Reiniger, Gebbert & Schall, Erlangen,
geliefert. Als erforderlich zur richtigen Dosierung gibt Verf. folgende
Instrumente an:
1) ein Milliampöremeter, zur Einhaltung der richtigen Belastung
der Röhre und beiläufigen Vorherbestimmung der zur Erreichung der
beabsichtigten Dose erforderlichen Expositionszeit;
2) ein offenes Dosimeter als Indikator für das Anwachsen der
Dose und rechtzeitige Abbrechen der Sitzung;
3) das Quantimeter zur genaueren Bestimmung der Dose und
Registrierung derselben. Bei Angaben über vorgenommene Bestrah-
lungen in Publikationen sind Dosimeterzahlen erforderlich; diese ge-
nügen aber auch; Mitteilungen über Fokusdistanz und Expositionszeit
sind minder wichtig, über Induktor, Unterbrecher, Primärstrom usw.
überflüssig, ja sogar störend.
Gegenüber den früheren Methoden rühmt K. seinem Quanti-
meter nach:
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 823
1) die Möglichkeit, die Sensibilität des Reagens zu kontrollieren;
2) die größere Genauigkeit und Empfindlichkeit, die kontrast-
reiche Skala, sowie die Haltbarkeit der Streifen, die man für wissen-
schaftliche oder gerichtliche Zwecke als bleibendes Dokument der Dose
demonstrieren kann;
3) die Unterscheidung zwischen Oberflichen- und Tiefendosen.
Ein Nachteil des Verfahrens ist in der erforderlichen Sorgfalt bei der
Manipulation, in der Notwendigkeit der Entwicklung überhaupt ge-
legen, was bei starken radiotherapeutischen Bestrahlungen (Voll-
sitzungen) die gleichzeitige Anwendung offener Dosimeter als Indika-
toren notwendig macht. Die Instrumente ergänzen einander im
Gebrauche. Gaugele (Zwickau).
7) Schilling. Ein einfacher Härtegradmesser.
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. IX. Hft. 5.)
Verf. gibt, um die Qualität der Röntgenröhre zu messen, als
Ersatz der eigenen Hand eine künstliche Hand an. Diese stellte er
so her, daß er ein Handskelett in einen Handschuh steckte, diesen mit
Wachs ausgoß und ihn über ein zurecht geschnittenes Bleiblech, hinter
welchem die Hand des Untersuchers vollständig gedeckt ist, zuknöpfte.
In das Wachs bettet er Nadelstückchen ein, um dadurch noch besser
die Röhrenhärte kontrollieren zu können. Die Kunsthand ist leicht,
billig, kann auch bei Kindern und ängstlichen Pat. verwendet werden,
im Gegensatze zur offenen Skeletthand; endlich bietet sie ein Schatten-
bild, das dem der menschlichen Hand sehr ähnlich ist, weil das Wachs
ungefähr die gleiche Durchlässigkeit für Röntgenstrahlen hat, wie die
menschlichen Weichteile. Gaugele (Zwickau).
8) P. Brouardel. Les blessures et les accidents du travail.
694 S.
Paris, Bailliére et fils, 1906.
14 Jahre nach uns, am 9. April 1898 hat Frankreich sein Unfall-
versicherungsgesetz erhalten, das im großen und ganzen dem unsrigen
sehr ähnlich ist. Es ist interessant, den Einfluß der Arzte auf die
Gesetzgebung zu erkennen. Auf ärztliche Anregung hin ist die freie
Arztwahl aller Unfallverletzten gesetzlich bestimmt, und eine Kommis-
sion von Arzten und Vertretern der Versicherungsgesellschaften hat
einen Tarif für die ärztlichen Honorare ausgearbeitet.
Das neue Gesetz stellt an die französischen Arzte neue Aufgaben
und Pflichten gerichtsärztlicher und sozialer Art, die kennen zu lernen
jeder Arzt sich bemühen muß.
Als Führer und Berater aller einschlägigen Fragen soll das um-
fangreiche und doch übersichtlich geordnete Buch von B. dienen.
Ein einleitendes Kapitel gibt zunächst Aufschluß über die ärzt-
liche Sachverständigentätigkeit im allgemeinen und bespricht eingehend
alle »Klippen«, die der Arzt im Verkehre mit den Gerichten kennen
824 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30.
und berücksichtigen muß, die ihm im eigenen und seiner Kranken
Interesse die peinlichste Sorgfalt bei allen Beobachtungen und Schluß-
folgerungen zur Pflicht machen. »Augen auf und Ohren zu, seine
Pflicht tun und die Leute reden lassen«, soll des Sachverständigen
und Gerichtsarztes Devise sein.
Der andere, der Hauptteil des Buches, zerfallt in vier Unter-
abteilungen:
Die erste handelt von den Verletzungen im allgemeinen; jede Art
Körperverletzung, alle Todesarten und Leichenbefunde werden ein-
gehend besprochen.
Die zweite Unterabteilung bespricht die Verletzungen, die durch
die verschiedenartigsten Instrumente hervorgerufen werden: stechende,
schneidende Instrumente und Feuerwaffen.
Die dritte schildert die Verletzungen der einzelnen Körper-
abschnitte. J
Die vierte endlich bringt eine tabellarische Übersicht über die
Erwerbsbeeinträchtigung resp. die zuzubilligenden Renten, sowie den
Wortlaut des französischen Unfallversicherungsgesetzes. Eine reiche,
zum Teil sehr interessante Kasuistik bildet den Schläß.
In allen Unterabteilungen werden die gerichtsärztlichen Fragen
eingehend erörtert und an entsprechenden Beispielen aus der reichen
Erfahrung B.’s trefflich illustriert. Für jeden, der mit Unfallgesetz-
gebung zu tun hat, ist das Buch sehr lesenswert. Auf Einzelheiten
kann hier nicht näher eingegangen werden, doch seien die Kapitel
über »Die Bedeutung des Gesundheitszustandes vor dem Unfall«, über
»Tuberkulose und Trauma«, über die Hernien und über die trauma-
tische Neurose besonders erwähnt. K. Schultze (Bonn).
9) Cushing. Instruction in operative medicine.
(Bull. of the Johns Hopkins hospital 1906. Mai.)
C. hat fiir fortgeschrittene Studierende einen Operationskurs an
lebenden Hunden eingerichtet, den er zugleich mit MacCallum leitet.
Diesem Zwecke dient ein besonderes Gebäude, das mit Ställen, offenen
und geschlossenen Boxen, Laboratorien, aseptischem Operationssaal
und Sektionsraum ausgestattet ist.
Es können zu gleicher Zeit 20 Studenten in Gruppen zu je fünf
Mann unterrichtet werden. Jede Gruppe besteht aus dem den fingierten
Pat. überweisenden Hausarzt, dem Operateur, zwei Assistenten und
dem Narkotiseur; diese fünf Funktionen wechseln dauernd unter den
Mitgliedern der Gruppe.
An jedem Mittwoch haben die vier Hausärzte eine fingierte bzw.
aus der chirurgischen Klinik entlehnte Krankengeschichte ihres Falles
vorzulegen; die vier Fälle müssen demselben Krankheitsgebiet ent-
nommen sein. Über Differentialdiagnose, Indikationsstellung, The-
rapie usw. wird diskutiert. Freitags wird dann der operative Eingriff
mit allen Kautelen der Asepsis und Technik vorgenommen, und die
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 825
Hunde werden sorgfältig nachbehandelt. Geht einer derselben ein, so
werden eine ausführliche Autopsie und, wenn nötig, alle histologischen
Untersuchungen ausgeführt. Alles wird protokolliert und am nächsten
Mittwoch vorgetragen, die Präparate demonstriert und eine Diskussion
veranstaltet.
Dann werden Verbandstoffe, Operationswäsche, Naht- und Unter-
bindungsmaterial usw. für den nächsten Freitag vorbereitet und steri-
lisiert. Hierbei sowie bei den Operationen sind die Studenten ohne
jegliche Hilfe, müssen die Instrumente selbst aussuchen, auskochen
und nachher wieder reinigen, herrichten und verwahren. Jede Gruppe
ist für ihr besonderes Instrumentarium verantwortlich.
Der Zweck ist ein vielfacher. Einmal soll der Student vor allem
einen Begriff bekommen, was alles zu einem chirurgischen Eingriff im
weitesten Sinne gehört, in erster Linie soll er vom ersten Augenblicke
an lernen, wirklich aseptisch zu arbeiten. Durch die Rivalität der
vier Gruppen soll der Ehrgeiz geweckt und in der Diskussion ein
richtiges Urteil anerzogen werden. Abgesehen von allgemein chirur-
gischen Maßnahmen, Blutstillung, Narkose und Technik überhaupt
soll der Student Eingriffe wie Darmresektion, Anlegung eines Kunst-
afters usw. persönlich ausführen und sein Können am Erfolg oder
Mißerfolg kontrollieren. Alles, was er tut und beobachtet, soll er
sachgemäß niederzuschreiben lernen. Durch Herrichtung aller, auch
der unbedeutendsten Einzelheiten für den operativen Eingriff soll er
befähigt werden, sich später in der Praxis selbst zu helfen. Endlich
soll ihm durch eigene Anschauung das Verständnis der Operationen
am Menschen in der Klinik erleichtert werden. In einer Liste sind
die zahlreichen bisher vorgenommenen Operationen verzeichnet.
C. hofft es noch dahin zu bringen, daß allmählich alle chirur-
gischer Hilfe bedürftigen Hunde ihm aus dem Lande zugewiesen
werden, so daß er damit seinen Bedarf ganz decken kann.
Abbildungen und Pläne des Gebäudes sind beigegeben.
W. v. Brunn (Rostock).
10) R. Gersuny. Gegen die Exzitation in der Narkose.
(Wiener klin. Wochenschrift 1906. Nr. 3.)
G. verlangt mit Recht möglichste Ruhe bei Einleitung der Nar-
kose und glaubt, daß durch das Festhalten usw. des Pat. bei dem-
selben Kampfhalluzinationen wachgerufen werden, welche zu den für
Pat. und Narkotiseur gleich unerfreulichen wilden und heftigen Ex-
zitationen führen.
G. hat zur Ausschaltung dieser Umstände folgende Methode
ersonnen.
Wenn der Kranke die ersten Atemzüge des Narkotikums gemacht
hat, wird ihm über jeden Arm eine steife hohle Rolle (aus Zelluloid
am besten) von etwa 40 cm Länge und 35 cm Umfang gestreift, die
den Arm von der Achsel bis zum Handgelenke lose umschließt. Ein
Band, hieran befestigt, verläuft über den Nacken und verhindert das
307%
826 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30.
Abgleiten der Röhren; dasselbe setzt sich nach unten fort, ist hier
abermals an der Röhre befestigt und wird mit dem der anderen Seite
hinter dem Rücken des Pat. ‚verbunden. So sind die Arme während
der Operation gut fixiert, wenn ihre derartige Lage den Operateur
nicht stört. Der Puls kann unschwer an der Maxillaris interna ge-
fühlt werden.
Ein zweiter Kunstgriff ist folgender. Während der Pat. mit
seinen Rollen an den Armen umherfuchteln kann, ohne sich z. B. die
Maske vom Gesicht reißen zu können, also seine Armbewegungen
unschädlich gemacht sind, werden seine beiden Fersen von einer
Pflegerin mit beiden Händen unterstützt und wenige Zentimeter ober-
halb der Unterlage gehalten, ohne daß sie dabei fest angefaßt werden.
Die betreffende Person folgt mit ihren unterstützenden Händen allen
Bewegungen des Kranken und leistet nur gegen eines Widerstand:
gegen den Versuch, die Füße auf das Lager aufzustemmen. Denn mit
den Fersen in der Luft setzt man sich nicht auf, und »nach wenigen
planlosen Bewegungen gibt der Kranke es auf«. Es genügt zu dieser
»freundlichen Bändigung« des Kranken eine einzige Person.
Hiübener (Liegnitz).
11) Lohnstein. Beiträge zur pathologischen Anatomie der
chronischen Gonorrhöe.
(Monatsberichte für Urologie Bd. XI. Hft. 2—4.)
Verf. kommt in einer ausführlichen, ausgezeichneten, mit zahlreichen
mikroskopisch-anatomischen Tafeln versehenen Arbeit zu folgenden
Schlüssen über das Wesen des chronischen Trippers:
Bei der chronischen gonorrhoischen Urethritis sind als Haupt-
ursache für ihre Persistenz anzusehen die tiefgreifenden Veränderungen
der Epithelialschicht, die ausnahmslos in allen Fällen nachweisbar sind.
Diese Veränderungen bestehen in einer sehr erheblichen Hyper-
trophie, tiefgreifenden Veränderungen des Charakters der normalen
Epithelialschicht, ausgedehnten Degenerationserscheinungen (Quellung
und Schwund der Zellen) mit konsekutiver Dissoziation, sowie in mehr
oder weniger dichter Leukocyteninfiltration, ferner in ausgedehnten
polypösen Zellwucherungen über der Oberfläche, Verschiebung der
Grenzen gegen das Subepithel.
Ein ausgesprochener Parallelismus zwischen den epithelialen und
subepithelialen Veränderungen besteht nicht.
An den Veränderungen ist das subepitheliale Gewebe beteiligt.
Sie sind jedoch nicht überall vorhanden, vielmehr nur fleckweise nach-
weisbar, somit als Komplikation des eigentlichen, epithelialen Prozesses
anzusehen.
Besonders die Zottenneubildungen der Pars posterior und Pars
anterior sind als Ursache für die Fortdauer des chronischen Trippers
anzusehen. |
Die drüsigen in die Schleimhaut eingebetteten Organe nehmen
an den Veränderungen in entsprechender Weise teil. Ihre hauptsäch-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30 827
lichsten Veränderungen spielen sich innerhalb der Epithelialschicht
der Schleimhaut ab. Die Veränderungen der Drüsen in der Sub-
epithelialschicht sind als konsekutive resp. komplikatorische Erschei-
nungen anzusehen. Willi Hirt (Breslau).
12) Roux. Dermatoses blennorrhagiques.
(Revue francaise de med. et de chir. 1906. Nr. 4.)
Bei der Gonorrhöe können folgende Hauterkrankungen auftreten:
1) Anfallsweises Erscheinen von Purpuraflecken; die Gonorrhöe wirkt
hierbei gewöhnlich nur als Causa adjuvans. 2) Hornartige Borken-
bildungen, gewöhnlich am Knie und Fuß einige Wochen nach Beginn
des Trippers ohne vorhergehende Blasen oder Pusteln auftretend, und
zwar an symmetrischen Körperstellen — vielleicht eine Wirkung der
Trippertoxine auf das Rückenmark (trophoneurotische Erkrankung).
3) Pustelbildung, am häufigsten bei der Augenentzündung der Neu-
geborenen. 4) Panaritien und subkutane Abszesse mit gonokokkenhal-
tigem Eiter. 5) Erytheme, die häufigste Hautkomplikation des Trippers,
von sehr verschiedener Form, manchmal einem Scharlach im Aussehen
und Verlauf sehr ähnlich. Die Hauterkrankungen bei Gonorrhöe können
ınit oder ohne Temperatursteigerung auftreten; der Ausfluß wird durch
komplizierende Hautausschläge nicht im geringsten beeinflußt.
Mohr (Bielefeld).
13) F. Balzer et A. Tansard. Traitement de la blennor-
rhagie chronique par les instillations de nitrate d'argent
suivies de l'introduction d'un cathéter en zinc.
(Ann. des malad. des org. gén.-urin. 1906. Nr. 9.)-
Für die Behandlung der chronischen Gonorrhöe empfehlen Verff.
folgendes Verfahren: Einträufelung von 1—2%iger Höllensteinlösung
in die Harnröhre und im sofortigen Anschluß hieran Einführen von
metallischen Zinksonden in die Harnröhre. Es tritt dann unmittel-
bar eine doppelte Dekomposition des Silbersalzes ein: es bildet sich
Zinknitrat, und das in den metallischen Zustand reduzierte Silber
schlägt sich als schwarzer Körper überall da nieder, wo das Zink in
Kontakt mit dem Argentum nitricum gekommen ist. Diese sehr ener-
gisch und prompt auftretende Reaktion ist zum ersten Mal von Con-
radi zu therapeutischen Zwecken benutzt worden, und zwar zur Kau-
terisation von syphilitischen Kondylomen.
Die Einzelheiten des Verfahrens müssen in der Originalarbeit
nachgelesen werden, der auch 13 kurze Krankengeschichten beigege-
ben sind. Paul Wagner (Leipzig).
14) Wildbols. Eine neue Methode zur Heilung von Rekto-
urethralfisteln.
(Monatsberichte für Urologie Bd. XI. Hft. 3.)
Die nach Prostatectomia perinealis nicht selten zurückbleibenden,
Mastdarm-Harnröhrenfisteln sind oft sehr schwer zu beseitigen. Verf
828 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30.
schlägt das sehr radikale Verfahren vor, den Mastdarm von unten
her bis über die Fistelöffnung hinaus von der Harnröhre abzulösen,
noch weiter nach oben zu mobilisieren, knapp über der Fistel zu am-
putieren und das obere Darmende mit der Analhaut nach dem
Hochenegg’schen Durchziehungsverfahren zu vereinigen.
Willi Hirt (Breslau).
15) Goldberg. Ursachen und Behandlungsmethoden schwerer
Blutungen der Prostatiker.
(Therapie der Gegenwart 1906. Nr. 5.)
Als häufigste Ursache von Blutungen bei Prostatikern bezeichnet
G. Katheterverletzungen. Der Sitz der Blutung ist hier gewöhnlich
die schwer zu passierende Urethra prostatica. Ferner kommen Blu-
tungen vor infolge einer Entlastungshyperämie der Venen oder Kapil-
laren der Schleimhaut der überdehnten Blase. Auf dieser Basis be-
ruhen Blutungen nach schneller Entleerung des Harns bei lang-
dauernder Retention. Dann finden sich Blutungen bei Komplikationen,
wie bei chronischer Cystitis und bei Steinbildung. Schließlich finden
sich auch Spontanblutungen bei unbehandelten Prostatikern.
Der Arbeit sind auch eine Reihe therapeutische Notizen beigefügt.
Silberberg (Breslau).
16) Hallopeau. Contribution a l'étude des tumeurs malignes
de la prostate.
Thèse de Paris, @. Steinheil, 1906.
Verf. referiert in ausführlichen Kranken-, Operations- und Sek-
tionsgeschichten über 90 einschlägige Fälle. Er unterscheidet haupt-
sächlich zwischen sarkomatösen Geschwülsten bei jugendlichen Per-
sonen und Karzinom bei älteren Individuen.
Die Veränderungen der Prostata bleiben oft lange unbemerkt,
bis sie plötzlich zur Erscheinung kommen und dann rapide fortschreiten.
Oft entwickeln sie sich aus einer jahrelang bestehenden gutartigen
adenomatösen Hypertrophie.
Sie ergreifen selten die Harnröhre, oft dagegen die Blase. Meist
entwickeln sie sich nach hinten und oben entlang dem äußeren Rand
der Samenblasen, die schließlich völlig eingemauert werden.
Aus dieser anatomischen Entwicklung ergibt sich, daß schwere
Symptome häufig lange fehlen, und der Kranke seinem Leiden wenig
Beachtung schenkt. Die Diagnose wird daher meistens zu spät für
einen radikalen Eingriff gestellt. Die Operation wird vom Damm aus
vorgenommen, sie muß extrakapsulär sein, zugleich mit der Drüse
müssen Teile der Harnröhre, des Trigonum Lieutaudii, der Vasa
deferentia und die Samenblasen entfernt werden.
Willi Hirt (Breslau).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 829
17) Zangemeister. Atlas der Cystoskopie des Weibes.
4 Lieferungen, 56 Bilder auf 27 farbigen Tafeln mit Text.
Stuttgart, F. Enke, 1906.
Der Atlas, dessen erste beiden Lieferungen in diesem Blatte
schon besprochen worden sind, liegt jetzt ganz vor.
Während die bildliche Darstellung der normalen Blase und der
eigentlichen Blasenkrankheiten, wie Cystitis, Neubildungen, Steine, dem
Verf. recht gut gelungen waren, so sind in dem zweiten, gynäkologi-
schen, Teile die anatomischen Verhältnisse zum Teil so komplizierter
Natur, daß ihre Wiedergabe im Bilde den größten Schwierigkeiten
begegnet. Auffassung und Beurteilung können hierbei immer nur
subjektiv sein. Ref. hatte selbst Gelegenheit, über 100 »gynäkologische
Blasen« zu cystoskopieren, ihm sind die Veränderungen der Blasen-
schleimhaut hierbei größtenteils anders erschienen, als sie Verf. wieder-
gibt. Um die Veränderungen recht charakteristisch zu gestalten er-
scheinen sie vielfach übertrieben dargestellt, so daß der Eindruck
nicht selten ein etwas unnatürlich wirkender ist. Dies soll kein Vor-
wurf gegen den Verf. sein; was in der Wiedergabe dieser kompli-
zierten Blasenveränderungen in einem gemalten Bilde geleistet werden
kann, hat er sicher geleistet; daß er die natürlichen Verhältnisse nicht
hat völlig so, wie sie im Augenblicke der Untersuchung dem Auge
erscheinen, wiedergeben können, liegt an der Schwierigkeit der Materie.
Trotzdem ist der Atlas zum Studium zu empfehlen; denn er macht
den Leser mit dem Typus der Erscheinungen bekannt.
Es werden dargestellt vor allem die Veränderungen der Blase,
wie sie sich bei Blasen-Scheidenfisteln, Cystokelen, Uteruskarzinomen,
Myomen, Eierstocksgeschwülsten, Anteflexionen und Exsudatbildung
einstellen. Willi Hirt (Breslau).
18) G. Ekehorn. Experimentelle Erhéhung der molekularen
Konzentration des Blutes.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXIX. Hft. 3.)
Wenn man einem Pat. Trockendiät während einiger Zeit verab-
reicht, so wird dadurch eine erhöhte Energie der Nieren verlangt.
Verf. hat nun in dieser Richtung einige Untersuchungen angestellt,
indem er nur eine Flüssigkeitszufuhr von 600 ccm zuließ, dagegen
sonst die gewöhnliche Nahrung beibehielt. In allen Fällen, in denen
dé durch diese Diät leicht erhöht werden konnte, fand er folgende
gemeinsame Eigenschaften: Die Urinmenge war vermehrt, das spezi-
fische Gewicht des Urins niedrig. Während der Trockendiät wurde
die Urinmenge geringer, aber das spezifische Gewicht stieg nicht in
demselben Grade, sondern nur unbedeutend. Die Nieren hatten das
Vermögen nicht, einen konzentrierten Urin abzusondern. Bei einer
völlig funktionstüchtigen Niere steigt dagegen das spezifische Gewicht
des Urins in demselben Maße, wie die Urinmenge abnimmt.
E. Siegel (Frankfurt a. M.).
830 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30.
19) Berg. The determination of the functional capacity
of the kidneys.
(Annals of surgery 1906. Mai.)
B. steht im allgemeinen auf dem Standpunkte Kiimmell’s und
sieht in der Kryoskopie des Blutes und des Urins ein wichtiges Hilfs-
mittel zur Beurteilung der Funktionsfähigkeit einer Niere, während
er den ablehnenden Standpunkt Rovsing's und Israel’s verwirft.
Die Phloridzinprobe und die subkutane Einspritzung von Methylenblau
scheinen ihm dagegen wenig Wert zu haben. Die Blutkryoskopie
läßt er mit folgenden Einschränkungen gelten. 1) Ein normaler Blut-
gefrierpunkt des Blutes erlaubt die Nephrektomie, wenn durch die
Untersuchung des getrennt aufgefangenen Urins eine Niere gesund
und eine krank befunden wird. 2) Ein abnorm niedriger Blutgefrier-
punkt des Blutes gestattet nicht, wenn eine Niere gesund und die
andere krank ist, den Schluß der Funktionsuntüchtigkeit der Niere,
da eine gesunde Niere vorübergehend infolge der Erkrankung der
anderen funktionsuntüchtig sein kann; die Nephrektomie kann daher
in solchen Fällen ausgeführt werden. 3) Ein normaler Blutgefrier-
punkt gestattet die Nephrektomie nicht, wenn beide Nieren mehr
oder weniger heftig erkrankt sind, da das gesunde Gewebe beider,
aber nicht das einer Niere in solchen Fällen die Funktionsuntüchtig-
keit bedingt. 4) Ein abnorm niedriger Gefrierpunkt bei mehr oder
weniger schwerer Erkrankung beider Nieren gestattet die Nephrek-
tomie nicht. Unter Umständen führt B. die Nephrektomie auch bei
einem niedrigeren Gefrierpunkt als — 0,6 aus. Herhold (Altona).
20) G. Kapsammer. Über die Bedeutung der Phloridzin-
methode.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXIX. Hft. 3.)
Wenn der Harn nach Phloridzininjektion in der Zeit von 10 bis
15 Minuten Zucker aufweist, so bedeutet dies Funktionsfähigkeit
mindestens einer Niere. Erscheint der Zucker erst 30 Minuten danach
im Gesamtharn, so liegt eine wesentliche Funktionsstörung vor, und
zwar bei beiden Nieren. Findet man 45 Minuten nach der Injektion
noch keine Zuckerreaktion, so ist die Funktionsstörung beider Nieren
so groß, daß eine erfolgreiche Nephrektomie ausgeschlossen ist. Eine
Niere, welche zwar nicht in der normalen Zeit, aber doch noch inner-
halb der ersten halben Stunde Zucker ausscheidet, ist trotz der
Funktionsstörung imstande, die Gesamtarbeit zu übernehmen. Auch
dort, wo, wie z. B. bei Schrumpf- und Cystennieren, der Befund des
Urins keinen Anhaltspunkt für die anatomische Schädigung gibt, darf
man sich auf das Resultat der Phloridzinprobe verlassen, wie K. an
Beispielen zeigt. Auch übertrifft dieselbe die probeweise Freilegung
und den Sektionsschnitt in der Sicherheit des *Erweises über die
Funktionsfähigkeit, resp. anatomische Beschaffenheit der anderen
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. S31
Niere. Bei parenchymatöser Nephritis ist normales Auftreten des
Phloridzinzuckers nicht gleichbedeutend mit Unversehrtheit der Niere.
Die Farbstoffproben, mit Methylenblau usw., werden durch gleichzeitige
Phloridzininjektion insofern beeinflußt, als sie infolge der Reduktion
des Farbstoffes durch Phloridzinzucker verspätet auftreten. Trug-
schlüsse können ferner dadurch hervorgerufen werden, daß ein und
dieselbe Niere bei in Zwischenräumen wiederholten Phloridzinproben
den Zucker zu verschiedenen Zeiten ausscheidet, entsprechend der
Anderung der Funktionsfähigkeit einer nicht gesunden Niere. K.
sieht auf Grund von 200 Untersuchungen in der Zeit des Auftretens
der Phloridzinreaktion eine Gesetzmäßigkeit, die noch näher zu er-
gründen und für die praktische Indikationsstellung zu verwerten ist.
E. Siegel (Frankfurt a. M.).
Kleinere Mitteilungen.
I.
Ein einfacher Ligaturträger.
Von
Dr. 0. Ehrhardt,
Privatdozent in Königsberg.
Die Vereinfachung unserer Instrumente und die Beschrän-
kung der Assistenz im Interesse der Asepsis hat zur Konstruk-
tion der Ligaturträger geführt. Am bekanntesten ist wohl die
Lanz’sche Ligaturnuß geworden. Leider erfordert dies sonst
so zweckmäßige Instrumentchen soviel Achtsamkeit beim Aus-
kochen sowie beim Aufwickeln des Knäuels, daß es häufig zer-
bricht oder nicht funktioniert.
Ich habe daher das abgebildete
Instrument herstellen lassen, das be-
quem beim Ligieren in der Hand
gehalten werden kann. Es ist ca.
ö cm hoch und 2 cm breit. Es be-
steht aus zwei exakt ineinander ge-
paßten Hohlzylindern aus vernickel-
tem Messing, die beide einen Schlitz
mit abgerundeten Rändern tragen.
In dem einen ist ein Führungsstab
befestigt. Die Seide wird vor der
Operation auf eine (oder mehrere)
kleine Glasspulen aufgewickelt, steri-
lisiert und in Sublimat aufgehoben.
Sobald man ligieren will, setzt man
das Instrument zusammen und kann
jetzt die Ligaturen anlegen, ohne
die Seide dauernd mit der Hand zu
berühren und ohne sich jeden Faden
einzeln zurecht zu schneiden.
Beim Gebrauch eines Ligatur-
trägers empfiehlt sich auch die An-
wendung der Kocher'schen Schere,
die viel zu wenig bekannt ist.
Zusammengesetzt. Zerlegt.
632 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30.
Der beschriebene Ligaturträger ist durch Herrn Instrumentenhändler Grune-
wald, hier, zu beziehen.
u
Zum Aufsatz Dr. Draudt’s: »Zur Behandlung der Knie-
gelenktuberkulose mit besonderer Berücksichtigung der Re-
sektion« in Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVII Hft. 3.
Von
Prof. Dr. Nicolai Wolkowitsch in Kiew.
Bei der Durchsicht des oben erwähnten Aufsatzes stieß ich auf p. 757 auf fol-
genden Satz: »Die von Wolkowitsch und Sabanjew empfohlene Operations-
methode, unter Durchsägung des Femur und der Tibia ganz außerhalb der Kapsel
dieselbe in toto auszulösen, hält wohl Niemand für nachalımenswert«.
Ich möchte wissen, worauf der Autor sich stützte, wenn er sich derartig aus-
drückt, da er sich in seinem Aufsatz auf eine Quelle nicht bezieht. Mein Aufsatz,
der den Vorschlag der sogenannten extrakapsulären Methode der Kniegelenksresek-
tion enthält, erschien zuerst in russischer Sprache im Wratsch 1896, Nr. 31; bald
darauf erschien in Nr. 38 desselben Jahrganges desselben Journals ein Aufsatz von
Sabanjew, der die Berechtigung der Methode bestätigt. Ich will mich nicht
weiter auf diesen Autor beziehen, da er, soviel mir bekannt ist, an der weiteren
Ausarbeitung der Frage nicht literarisch teilgenommen hat.
Über meinen soeben erwähnten Aufsatz konnte Dr. Draudt als Ausländer nur
nach einem Referat urteilen, und er wiederholt mit anderen Worten das, was er
dem Ref. entlehnen konnte. Leider hat Dr. Draudt, der sich in seinem Aufsatz
auf einige Autoren der allerletzten Zeit bezieht und eine Arbeit aus der Deutschen
Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXVI zitiert, sich nicht die Mühe genommen,
meine Arbeit durchzusehen, die in demselben Journal Bd. LXXIV gedruckt ist.
Ich erwihne dies deswegen, weil schon der Titel der Arbeit: »Zur Frage der
operativen Behandlung der Tuberkulose der großen Gelenke der Extremitäten und
speziell der Resektion derselben« direkt darauf hinweist, daß diese Arbeit zu der
von ihm behandelten Frage in Beziehung steht.
Dieser Aufsatz, der die Methode selbst detailliert motiviert, entsprechende
Zeichnungen und eine Statistik der von mir operierten Fälle enthält, hätte wohl
Dr. Draudt dazu veranlaßt, seine Schlußfolgerung wenigstens zu mildern, wenn
auch nicht dieselbe ganz fallen zu lasssn.
In bezug darauf, daß die von mir vorgeschlagene Methode keine Nachahmer
finden dürfte, muß ich noch erwähnen, daß der Vorschlag einer gleichen extra-
kapsulären Methode der Resektion des Knies und anderer Gelenke (gleichzeitig mit
mir) auch von Bardenheuer! gemacht worden ist, der diese Methode sogar für
zweckmäßiger hält, als die gewöhnliche intrakapsuläre Resektion in Füllen von
Eiterbildung im Gelenk, Fisteln usw.
IH.
Entgegnung.
Von
Dr. M. Draudt.
In Erwiderung auf das vorstehend Angeführte habe ich folgendes zu bemerken.
Zunächst ist Herr Prof. Wolkowitsch im Irrtum, wenn er annimmt, daß
ich seine Arbeit in Bd. LXXIV der Deutschen Zeitschrift für Chirurgie übersehen
1 Beiträge zur Resektion der tuberkulösen Gelenke. Festschrift für Benno
Schmidt 1896.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 833
hätte. Das Lesen derselben konnte mich jedoch nur in meiner Annahme, das Ver-
fahren nicht für empfehlenswert zu halten, bestärken. Deshalb ging ich nicht
weiter darauf ein. In seiner Arbeit führt er selbst die Einwände an, die gegen
seine Methode erhoben werden können, ohne sie indes in einer meiner Auffassung
nach genügenden Weise zu widerlegen.
Auch Blauel hat in den Beiträgen zur klin. Chirurgie Bd. XLII p. 11 in
kurzen treffenden Worten die Methode ablehnend kritisiert.
Die Eröffnung der Synovialkapsel passiert, namentlich hinten, sicher in einer
Reihe von Fällen, wie Herr Prof. Wolkowitsch selbst zugibt. Daß diese Tat-
sache, wenigstens wenn irgendwie Flüssigkeit vorhanden ist, etwas wesentlich an-
deres wie die Eröffnung des Gelenkes sein soll, vermag ich nicht einzusehen, und
habe in meiner Arbeit, p. 767, im gleichen Absatz wenige Zeilen vor dem gerügten
Satz dies auch ausgesprochen. Daß auch bei größten Eitermengen breite Eröff-
nung des Gelenkes ohne jeden Einfluß auf die Wundheilung bleiben und prima
intentio eintreten kann, zeigen doch gerade unsere Resultate.
Sodann bleibt die extrakapsuläre Resektion von Wolkowitsch ein schema-
tischer Eingriff, bei dem stets mehr Knochen wie nötig geopfert wird, vor allem
bei den vorwiegend fungösen Formen und auch bei den kindlichen Gelenken. Der
Wert einer Resektionsmethode bemißt sich nicht in erster Linie nach den unmit-
telbaren Heilerfolgen, sondern vielmehr nach den funktionellen Spätresultaten. Im
Hinblick hierauf verdient die individualisierende Methode der Resektion, wie sie
von Herrn Geh.-Rat Garr? in den von mir bearbeiteten Fällen geübt wurde, ent-
schieden den Vorzug.
21) Hamm. Diagnostik der Aktinomykose.
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 23.)
In dem ersten der mitgeteilten Fälle handelte es sich um eine isolierte Tuben-
aktinomykose bei einer 39jährigen Frau, in dem zweiten um ein abgesacktes
Empyem bei Lungenaktinomykose. H. stimmt mit Levy überein, daß die Dia-
gnose Aktinomykose nicht abhängig gemacht werden darf von der An- und Ab-
wesenheit der sogenannten Corp. flava. Nur die Berücksichtigung und Differen-
zierung der Pilzfäden selbst schützt vor Fehldiagnosen. H. empfiehlt dringend die
Färbungsverfahren nach Ziehl-Neelsen und Gram. Borchard (Posen).
22) Russell. The etiology of certain congenital tumors of the groin.
(Annals of surgery 1906. Mai.)
Verf. operierte zwei eigenartige Geschwülste an zwei Kindern, von welchen
die eine innen an der Grenze des mittleren und oberen Drittels des Oberschenkels,
die andere in der Leistenbeuge saß und sich ein- und aufwärts über das Lig. Pou-
parti erstreckte. Es handelte sich um ein eingekapseltes, fibrös-fettiges Gewebe,
dem glatt-muskuläre Fasern beigemischt waren; in der Mitte fanden sich einige
Cysten. In dem einen Falle, in dem die Geschwulst in der Leistenbeuge saß, ging
sie vom Femoralkanal aus. R. hält diese Geschwülste für abgeschnürte Teile der
primordialen pleuroperitonealen Höhle. Wenn sich nämlich im 2. Lebensmonate
des Fötus an der ventralen Seite die beiden Knöpfe für die Gliedmaßen bilden, so
können sich in diese hinein Taschen des Bauchfelles stülpen; dieselben bleiben dann
abgeschnürt liegen und bilden durch fettige Degeneration die obenerwähnten Ge-
schwülste. Durch die beigegebenen Zeichnungen werden diese Ansichten des Verf.s
näher erläutert. Herhold (Altona).
23) J. Schwetz. A propos d'un nouveau cas de phlegmon gonococcique
métastatique. Remarques sur l’infection gonococcique.
(Revue méd. de la Suisse romande 1906. Nr. 1.)
Auf Grund klinischer und bakteriologischer Untersuchungen ist die Variabili-
tat des blennorrhoischen Virus durch zahlreiche Publikationen erwiesen.
834 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30.
Abgesehen von den direkt oder durch die Lymphbahnen sich fortsetzenden
Erkrankungen — Urogenitalkanal, Leistendrüsen — haben besonders die Lokalisa-
tionen des gonorrhoischen Virus in serösen Häuten — Gelenken, Sehnenscheiden,
Endo-Perikard, Pleura, Meningen, Peritoneum —, auch Haut und Nervensystem
allgemeines Interesse erregt. Seltener sind die Fälle von gonorrhoischer Entziin-
dung des subkutanen und intramuskulären Bindegewebes (Phlegmone). Ein solcher
Fall wird mitgeteilt: »18 Jahr altes Mädchen erkrankt ganz akut an einer Phleg-
mone des rechten Fußrückens; der durch Inzision entleerte Eiter enthält Gono-
kokken; seit mehreren Wochen war Blennorrhöe vorhanden.
S. hat aus der Literatur (1887—1904) im ganzen 11 ähnliche Fälle zusammen-
stellen konnen.
Schlußfolgerung: Der Gonokokkus kann, wie alle anderen pathogenen Bak-
terien, eine rein lokale Infektion erzeugen, sich auf die Umgebung direkt oder
mittels der Lymphbahnen weiter fortpflanzen, oder endlich durch die Blutbahn im
ganzen Organismus sich verbreiten. Kronacher (Miinchen).
24) Secretan and Wrangham. /Pneumococcic arthritis.
(Brit. med. journ. 1906. April 21.)
Verff. ergänzten die englische Statistik von Cave aus dem Jahre 1901 über
31 Fälle von Pneumokokkenarthritis, von denen 23 tödlich endeten, und fanden
bis jetzt 25 neue Fälle in der englischen und amerikanischen Literatur, die sie
kurz anfzählen. Das Knie ist weitaus am meisten befallen. Meistens tritt die
Gelenkerkrankung einige Tage nach dem Einsetzen der Lungenerscheinungen auf;
in einigen Fällen, besonders bei Kindern, war keine Pneumonie vorhanden. Der
Gelenkerguß ist sehr verschieden beschaffen; vom trüben Serum bis zum dicken
Eiter sind alle Übergänge vertreten, zuweilen sogar am gleichen Kranken. Wo
der Erguß dem Eiter nahe kommt, soll das Gelenk geöffnet und offen gehalten
werden, und zwar unter aseptischen Maßnahmen, da der Pneumokokkus oft der
einzige Eitererreger im Gelenk ist.
Verff. beobachteten selber folgenden Fall: Ein 16jähriger Mensch bekommt
am fünften Tage seiner Pneumonie einen Kniegelenkserguß, der durch Punktion
entleert wurde und Pneumokokkus Fraenkel in Reinkultur aufwies. Bei Wieder-
ansammlung der Flüssigkeit wurde das Gelenk eröffnet und gespült. Schnelle Hei-
lung. Nach 6 Monaten bei einer Nachuntersuchung volle Beweglichkeit im Knie.
Weber (Dresden!.
25) Bertin. Les arthropathies syphilitiques tertiaires.
(Echo med. du Nord 1906. Nr. 5.)
B. teilt einen Fall von Osteochondroarthritis luetica bei einer 34jährigen Frau
mit, welcher unter der Form des »Pseudotumeur blanche syphilitique (Fournier)
verlief. Das rechte Kniegelenk war stark verdickt und schmerzhaft; erheblicher
Gelenkerguß, Kapsel verdickt, Beugung sehr eingeschränkt und schmerzhaft, im
Rontgenbilde nichts Abnormes. Im linken Kniegelenke leichter schmerzhafter
Gelenkerguß ohne sonstige Veränderungen. Linkes Ellbogengelenk steht in Beu-
gung fixiert, sehr lebhafte Druckempfindlichkeit über dem Radiusköpfchen, leichter
Gelenkerguß; Bewegungsversuche sehr schmerzhaft, im Röntgenbilde keine deut-
lichen pathologischen Veränderungen. Nach acht Einspritzungen von grauem Ol
in das rechte Kniegelenk schwand der Erguß vollständig, und die beiden anderen
Gelenke waren wieder normal geworden. Pat. hatte 3 Jahre zuvor Lues durch-
gemacht. Mohr (Bielefeld).
26) Zur Verth. Die Anästhesie in der kleinen Chirurgie. (Aus der
chirurgischen Station des Marinelazaretts Kiel.)
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 19.)
Verf. hält es für erforderlich, daß jeder, der das Messer führt, danach strebe,
jegliche Schmerzempfindung auch bei kleineren und kleinsten Eingriffen zu ver-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 835
meiden, und bespricht zu diesem Zwecke den Ätherrausch, dessen er sich bei 120
kleineren Operationen nach vorausgeschickter Morphineinspritzung und bei schmerz-
haften Verbandwechseln mit bestem Erfolge bedient hat, sowie die Infiltrations-
und Leitungsanästhesie; letztere hat er auch mit dem Atherrausch kombiniert an-
gewandt. Kramer (Glogau).
27) H. Poth. Über Stovain als lokales Anästhetikum in der kleinen
Chirurgie.
(Med. Klinik 1906. Nr. 15).
Dem Verf. hat sich Stovain als wirksames und von Reizungs- und Entzündungs-
erscheinungen freies örtliches Betäubungsmittel in der kleinen Chirurgie (18 Kranken-
geschichten) gut, weniger beim Zahnziehen bewährt. In letzterem Falle war die
Unvollkommheit der Schmerztötung wohl aber auf die erschwerte Technik der
Einspritzung zurückzuführen. Georg Schmidt (Berlin!.
28) G. Gehlhoff. Vergleich von Röntgenschutzstoffen.
(Archiv für physikalische Medizin und medizinische Technik Bd. I. Hft. 2 u. 3.)
Von den untersuchten Stoffen (Holzknecht, Traun, Müller, Levy, Als-
berg; absorbierten bei weicher Röhre und Bestrahlung von 11/, Minute alle sämt-
liche Strahlen. Bei mittelharter Röhre und 8 Minuten Bestrahlung schützten H.'s,
T.’s und A.’s Masse besser, als die anderen; ähnlich verhielt es sich bei harter
Röhre und 10 Minuten Bestrahlung, wobei allerdings sämtliche Massen Strahlen
durchließen. Renner (Dresden).
29) W. Hagen. Die Gasgemischnarkose mittels des Roth-Dräger-
schen Sauerstoffapparates. (Aus der chirurgischen Abteilung des
städtischen Krankenhauses in Nürnberg. Dr. Göschel.)
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 20.)
Die Gasgemischnarkose mittels Sauerstoff-Chloroform-Äther ist in dem Nürn-
berger Krankenhaus in ca. 1000 Fällen mit bestem Erfolg angewandt worden.
Die Vorzüge derselben liegen in der Möglichkeit relativ genauester Dosierung und
individualisierender Indikationsstellung. Dadurch wird der Verbrauch der Narko-
tika wesentlich gemindert, ihre Konzentration entsprechend herabgesetzt. Da eine
Anhäufung von Kohlensäure im Organismus verhütet wird, werden eine Reihe von
schädlichen Einwirkungen der Narkose ausgeschaltet; der Sauerstoff erhält und
erhöht teils direkt, teils indirekt die vitale Energie der Zellen im Körper. Einzelne
kleine Mängel sind durch die Konstruktion des Apparates bedingt und werden
hoffentlich mit seiner Vervollkommnung in Wegfall kommen.
Kramer (Glogau).
30) Marmetschke. Uber die Skopolamin-Morphinnarkose.
Inaug.-Diss., Leipzig, 1904.
Die bereits im Jahre 1904 erschienene, 80 Druckseiten umfassende Dissertation
gibt nach einer kurzen Darstellung der pharmakologischen Eigenschaften zunächst
eine übersichtliche Darstellung der bis dahin gemachten Erfahrungen auf dem Ge-
biete der Skopolamin-Morphinnarkose, wobei die einschlägige Literatur (43 Num-
mern) eine sorgfältige Berücksichtigung gefunden hat. M. teilt sodann die Beob-
achtungen mit, die Prof. Tietze im Breslauer Augusta-Hospital im Jahre 1902 an
17 laufenden, nicht ausgesuchten Fällen gemacht hat. In sämtlichen Fällen trat
zwar eine Aufhebung des Bewußtseins, aber niemals eine derartig tiefe Anästhesie
ein, wie sie zur Ausführung der Operation wünschenswert gewesen wäre, und es
mußte daher noch in einer Reihe von Fällen die Inhalationsnarkose zu Hilfe ge-
zogen werden. Allerdings war der Verbrauch des Inhalationsnarkotikums, wobei
dem Ather der Vorzug gegeben wurde, immer nur ein minimaler. Todesfälle, die
mit der Narkose in Zusammenhang hätten gebracht werden können, wurden nicht
836 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30.
beobachtet. Indessen zeigten sich verschiedentlich stärkere Schädigungen des Zir-
kulations- und Respirationssystems, auch wurden mehrfach schwere nervöse Erschei-
nungen, motorische Unruhe, Amnesie usw. beobachtet. In Anbetracht dieser
Schädigungen und in Anbetracht der geringen Dosierbarkeit und Regulierbarkeit
der Narkose in bezug auf Regelmäßigkeit des Eintrittes und Tiefe hält M. die
Skopolamin-Morphiumnarkose in der bisherigen Form für die allgemeine Anwen-
dung noch für unbrauchbar und mißt ihr gegenüber den übrigen Methoden keine
wesentlichen Vorteile bei. Deutschländer (Hamburg).
31) B. Abbe. Action du radium sur quelques tumeurs particuliéres.
(Radium 1905. Nr. 2.)
Mitteilung einiger durch Radiumbestrahlung geheilter Fälle von einfacher
Warze, Lupus, Ulcus rodens, Lokalrezidiv nach Brustamputation, Riesenzellen-
sarkom am Unterkiefer.
Bei dem Rezidive des Brustkrebses sollen faustgroße Knoten in 3monatiger
Behandlung (20 istündige Sitzungen) auf 1/, reduziert worden sein. — Am inter-
essantesten ist der Fall von Unterkiefergeschwulst. Zuerst wurden 12,3 cg Radium
in 1stündigen Sitzungen mit Zwischenräumen von einem Tage aufgelegt, dann
sogar in die durch einen Schnitt durchbohrte Neubildung versenkt. (15mal, 3mal
wöchentlich.) Nach 8wöchiger Behandlung war die Geschwulst stark geschrumpft,
die vorher lockeren Zähne wurden fester. Eine starke, 3 Wochen nach der letzten
Sitzung auftretende Entzündung schwand rasch wieder, und 4 Monate später, ohne
weitere Behandlung, war vollkommene Heilung eingetreten.
In einem Falle von Cancroid der Ohrmuschel konnte A. durch gleichzeitige
Behandlung je einer Hälfte mit Radium- und Röntgenstrahlen eine schnellere Wir-
kung der ersteren konstatieren. Renner (Dresden).
32) R. Bloch. Ein Instrument zur aseptischen Einführung von weichen
Kathetern.
(Arztliche Polytechnik 1906. Mai.)
Eine eigens konstruierte Pinzette trägt vorn einen Querarm zum Einlegen
des Katheters. Wührend die eine Hand des Operateurs den Penis hält, faßt die
andere die aseptische Pinzette und führt so den Katheter schiebend ein, welcher
von der Hand nicht berührt wird. (Abbildung im Original.)
E. Fischer (Straßburg i. E.).
33) Hagmann. Zur Technik der Lithotripsie.
(Monatsberichte für Urologie Bd. XI. Hft. 4.)
Verf. tadelt an den jetzt üblichen Evakuatoren, daß sie schwer zu sterilisieren
seien, und daß die bei Zertrümmerung der Steine frei werdenden Keime durch
den Evakuator immer wieder in die Blase hineingepreßt würden.
Er verwendet daher das Prinzip des Siphons: Das Spiilrohr des Evakuations-
katheters vereinigt er durch ein T-förmiges Glasrohr mit einem etwa 1 m langen
Abführungsschlauche, dessen freies Ende in ein am Boden stehendes, mit Wasser
gefülltes Becken taucht und mit dem Schlauch eines gewöhnlichen Irrigators, von
dem aus gespült wurde. Verf. behauptet, mit dieser Einrichtung die Blase von
allen Trümmern völlig befreit zu haben, wovon er sich durch sofort nach der Ope-
ration vorgenommene Üystoskopie überzeugte. Willi Hirt (Breslau’.
34) D. Schwarz. Ein Fall von Operation einer Vesico-Vaginalfistel
auf transvesikalem Wege.
(Liecnicki viestnik 1904. Nr. 7. [Kroatisch.))
Die 21jährige Pat. zeigte eine blind endigende Scheide mit einer ca. 2 mm
breiten Öffnung, durch die sich Urin und Menstrualblut entleerte. S. versuchte
eine hohe Kolpokleisis, um den Urin und das Menstrualblut durch die Harnröhre
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 837
zu leiten; jedoch mißlang dieselbe. Nach einiger Zeit führte er einen sehr breiten
hohen Blasenschnitt aus, umschnitt die Fistel, die sich knapp unterhalb und zwi-
schen den Harnleitermündungen befand, und vernähte sie transversal mit zwei
Catgutnähten. Zweischichtige Blasennaht. Der Verweilkatheter mußte am 3. Tag
entfernt werden, da ihn Pat. nicht vertrag. Anfangs hatte die Kranke einen ziem-
lich starken Tenesmus, der sich jedoch später verlor. Pat. bei der Entlassung voll-
kommen kontinent. Verf. konnte in der Literatur nur 14 Fälle von Blasen-
Scheidenfisteln finden, die nach der Trendelenburg’schen Methode operiert
wurden. v. Cackovié (Zagreb-Agram).
35) Deaver, Ureteral calculus.
(Annals of surgery 1906. Mai.)
36) Gibbon. The combined intra- and extraperitoneal uretero-litho-
tomy.
(Ibid.)
1) D. empfiehlt bei Frauen zum Entfernen des dicht an der Blase sitzenden
Harnleitersteines den intravesikalen Weg mit Erweiterung der Harnröhre bis zum
Durchlassen eines Fingers. Durch letzteren oder durch eine eingeführte Zange
kann dann nach eventueller Inzision der vesikalen Harnleitermündung der Stein
entfernt werden. Den vaginalen oder perinealen Schnitt zum Entfernen tiefsitzender
Harnleitersteine verwirft D., da er zur Fistelbildung Veranlassung gibt. Wenn
der Stein mehr als 1 Zoll von der Blasenwand nach oben entfernt liegt, so kommt
nur der extraperitoneale Lendenschnitt in Frage; der Stein soll dann entweder
nach oben in die Niere oder mit dem Finger in die Blase herabgeschoben und
erst, wenn das nicht gelingt, der Harnleiter zum Entfernen des Steines geöffnet
werden. Das Zerdrücken des Steines im geschlossenen Harnleiter wird ver-
worfen.
2) G. fand bei Wurmfortsatzoperationen zweimal einen Stein im Harnleiter.
Er verlängerte den ersten Schnitt nur durch die Bauchdecken, streift das Bauch-
fell zurück und entfernte unter Führung eines durch den ursprünglichen Schnitt in
die Bauchhöhle eingeführten Fingers den Stein extraperitoneal durch Eröffnung
des Harnleiters. Er rät für den Fall, daß gelegentlich einer anderen Operation
ein Harnleiterstein gefühlt wird, in der geschilderten Weise denselben Schnitt zu
benutzen, nicht einen neuen Lumbalschnitt anzulegen. Die beiden Fälle sind näher
beschrieben. Herhold (Altona).
37) Stinelli. Ascesso sottocapsulare del rene da bacillo di Eberth.
(Gazz. degli ospedali e delle clin. 1906. Nr. 66.)
Ein delirierender Typhuskranker erleidet beim Fallen aus dem Bett einen Stoß
in der rechten Sacroiliacalgegend. Unter zuerst intermittierendem und dann kon-
tinuierlichem Fieber entwickelte sich ein perinephritischer AbszeB der rechten Seite,
dessen Eiter Typhusbazillen enthielt, welche Milch nicht koagulierten, in Karbol-
bouillon wuchsen und Laktose nicht zur Gärung brachten. Dreyer (Köln).
38) Chambrelent et Pousson. De la décapsulation rénale et de la
néphrotomie dans le traitement de formes graves de |’éclampsie.
(Bull. de l’acad. de med. 1906. April.)
Edebohls hat zweimal die Nierenenthülsung mit Erfolg bei Eklampsie ver-
wendet. Verff. haben dies in einem sehr schweren Falle gleichfalls mit Erfolg
nachgeahmt, der Enthiilsung aber noch die Nephrotomie auf der rechten Seite
hinzugefügt. Die 21jährige Erstgebärende verfiel noch nach der forcierten Ent-
bindung in ein schweres Koma. Anurie durch 40 Stunden. Nach dem Eingriffe
stellte sich die Urinabsonderung reichlich ein. Genesung. Die histologische Unter-
suchung eines exzidierten Stückes ergab den Befund einer akuten parenchymatösen
Nephritis. Neugebauer (Mährisch-Ostrau).
838 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30.
39) M. P. Mathieu. Deux cas d’hydronéphrose calculeuse.
(Bull. et mém. de la soc. anat. de Paris 1905. November.)
Bericht über zwei von Albarran operierte Kranke,
Fall 1. Kindskopfgroße Geschwulst in der linken Nierengegend; unmöglich,
in den linken Harnleiter einzudringen. Der ganze Urin rührt von der rechten
Seite her. Bei der Operation fand man einen durch Septa geteilten Sack, in dessen
Wand keine Nierenelemente zu finden waren. Als Ursache erwiesen sich zwei
Oxalatsteine, von welchen der eine in der Nierenbeckenmündung des Harnleiters
fest eingeklemmt war. Heilung.
Fall 2. Linke Niere stark vergrößert, herabgesunken. Der Harnleiterkathe-
terismus ergibt vollständiges Fehlen der Urinsekretion der linken Seite. Ein
Röntgenbild zeigt einen Stein der linken Niere. Sektionsschnitt der Niere ergibt
ein sehr erweitertes Becken. Der eingeführte Finger entdeckt einen in der Mün-
dung des Harnleiters eingeklemmten Stein. Drainage des Beckens. Nierennaht.
Heilung. Neugebauer (Mährisch-Ostrau!.
40) Clairmont. Beiträge zur Nierenchirurgie.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXIX. Hft. 3.)
Der vorliegenden Arbeit liegt das Material aus der v. Eiselsberg’schen
Klinik zugrunde In den letzten Jahren wurde stets die funktionelle Nieren-
diagnostik angewendet, und zwar ausschließlich mittels Harnleiterkatheterismus.
Als Nachteile dieser Methode wurde empfunden, daß sie nicht immer gelang, daß
das Liegenbleiben der Harnleiterkatheter oft heftige, langanhaltende Schmerzen,
häufig mit Schüttelfrost und Kollapszuständen, hervorrief und außerdem leicht
Schädigungen der Harnleiterschleimhaut veranlaßte. In einem Falle kam es gar
zur Perforation des Harnleiters. Infektion einer gesunden Niere durch das Ver-
fahren wurde nicht beobachtet. Die quantitativen Bestimmungen des durch Harn-
leiterkatheterismus gewonnenen Urins waren unzuverlässig, denn oft floß neben
dem Harnleiterkatheter Harn in die Blase. Manchmal entleerte sich auch aus
einer sezernierenden Niere nach Einführung des Katheters in den Harnleiter gar
kein Urin, in anderen Fällen wieder ein außergewöhnlich starker Harnstrahl. Die
Gefrierpunktsbestimmung des Urins kann Werte ergeben, die zu irrigen Schlüssen
führen, weshalb diese Untersuchung oftmals wiederholt wurde, um ein zuverlässiges
Resultat zu erhalten.
Was die Phloridzinprobe anlangt, so war ihr Resultat in einer Reihe von
Fällen der Gefrierpunktsbestimmung entsprechend, während es von ihr in anderen
abwich. Eine Verzögerung der Phloridzin-Zuckerreaktion ist jedenfalls nicht, wie
Kapsammer meint, zur Annahme einer Nierenerkrankung geeignet. Diese Vor-
aussetzung führte zu Fehldiagnosen und Verwechslungen mit Gallenblasenerkran-
kungen.
Von den verschiedenen Nierenleiden werden zuerst die Geschwülste besprochen.
Erwähnenswert ist, daß weder in Königsberg noch in Wien Karzinome der Nieren
zur Operation kamen. Bei den Hypernephromen wurde wiederholt eine Pigment-
bildung der Haut beobachtet. Bei der transperitonealen Nephrektomie war die
Zahl der Todesfälle relativ groß. Die Gefahr dieser Methode besteht darin, daß
die Drainage der großen Wundhöhle eine ungenügende und unsichere ist. —
v. Eiselsberg bevorzugt bei schwierigen Verhältnissen den Lendenschnitt mit
Eröffnung des Bauchfelles. Sie bietet den Vorteil, daß man sich über die zweite
Niere orientieren und,die Ausdehnung der Neubildung überblicken kann. Außer-
dem gelingt die Ablösung vom Mesokolon außerordentlich leicht. Die Peritoneal-
höhle kann leicht wieder ganz geschlossen werden. Die Resektion der Niere darf
bei bösartigen Geschwülsten nur in Betracht kommen, wenn die andere Niere fehlt
oder erwiesenermaßen funktionsuntüchtig ist.
Bei der Operation von Harnleitersteinen soll man die Ureterotomie, wie auch
Israel und Küster verlangen, immer mit Nephro- und Pyelotomie kombinieren,
weil man sonst leicht Steine zurückläßt oder übersieht. Bezüglich der Behandlung
der Pyonephrose kommt Verf. zu folgenden Schlüssen : Eine kleine Gruppe von
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30. 839
Fällen wird in kürzerer Zeit zur Ausheilung gebracht. Diese Fälle nach dem kli-
nischen Bilde vorauszubestimmen, ist nicht möglich. In Fällen, wo nicht auszu-
schließen ist, daß der eitrigen Sackniere eine Tuberkulose zugrunde liegt, soll die
primäre Nephrektomie ausgeführt werden. Beim Fortbestehen einer Fistel nach
Nephrotomie, unter der die Pat. sehr leiden, können konservative Eingriffe, wie
Exkochleationen und Resektionen, zur Besserung und Heilung führen. In Fällen,
wo die primäre Nephrektomie wegen Insuffizienz der anderen Niere kontraindiziert
ist, kann diese Niere sich nach der Nephrotomie soweit erholen, daß später doch
die Exstirpation der kranken Niere möglich wird. In Fällen von geschlossener
Pyonephrose oder bei ständigem Abfluß dickflüssigen Eiters ist die primäre Nephrek-
tomie die Operation der Wahl. Im ganzen ist die Nephrektomie bezüglich des
postoperativen Verlaufes und des Endresultates dem konservativen Vorgehen über-
legen.
Bei drei Fällen von Anurie kommt Verf. zu der Ansicht, daß das völlige Ver-
sagen der Harnsekretion bei Krankheit der einen Niere reflektorisch ausgelöst sei.
Als Therapie bei Anurie kommt nur die Nephrotomie in Betracht. Bei essentieller
Hämaturie und Nephralgie ist in Fällen von wiederholter Nierenblutung die Frei-
legung der Niere unbedingt indiziert, weil man nie mit Sicherheit unterscheiden
kann, ob nicht eine Neubildung vorliegt. Bei Nephralgie ist natürlich erst nach
Scheitern der internen Therapie operativ einzugreifen; die Nierenspaltung bringt
dann oft noch gute Erfolge. E. Siegel (Frankfurt a. M.).
41) Russell. Supra-pubic hysterotomy as a means of diagnosis and
treatment of the uterus.
(Bulletin of the Johns Hopkins hospital 1906. Mai.)
In Fällen, wo durch die bisherigen Untersuchungsmethoden eine sichere Diagnose
über den Befund am und im Uterus nicht zu gewinnen ist, wo das Organ in ver-
dächtiger Weise vergrößert, schwer oder gar nicht herabzuziehen ist, wo Blutungen
aus ungeklärter Ursache aus ihm stattfinden, empfiehlt R., das Organ aus einem
kleinen Bauchschnitte hervorzuziehen, rings gegen die Bauchhöhle mit Gaze abzu-
stopfen und vorn in der Mittellinie zu eröffnen.
Die Art des Leidens konnte in allen Fällen erkannt, kleine Myome, Polypen
im Tubenwinkel abgetragen, die veränderte Schleimhaut unter Kontrolle des Auges
entfernt und erforderlichenfalls nach Schluß der Wunde mit durchgreifenden Cat-
gutknopfnähten eine Ventrifixation des Uterus vorgenommen werden.
Unter den 32 Fällen ist kein Todesfall zu beklagen gewesen. Das Grundleiden
wurde geheilt oder doch gebessert. Über den Verlauf etwaiger Schwangerschaften
nach der Operation wird nichts erwähnt; die ersten Fälle sind bereite 1897 operiert
worden. W. v. Brunn (Rostock).
42) Donhauser. Malignant ovarian tumors in children.
(Albany med. annals 1906. Januar.)
13jähriges Mädchen. Vor 3 Wochen plötzliche, heftige, kolikartige Schmerzen
im Bauche, die rasch nachließen, sich nach einigen Stunden und sodann einige
Wochen später wiederholten. Seither andauernde Schmerzen, Fieber, Erbrechen.
Klinische Diagnose: (geplatzte) Ovarialcyste mit Stieldrehung. Die Operation er-
gab die Ruptur einer Ovarialcyste, welche entfernt wurde. Zunächst Heilung, nach
einigen Wochen wieder ähnliche Schmerzanfälle in der rechten Unterbauchseite,
daselbst Geschwulstbildung. Bei Eröffnung der Bauchhöhle, 6 Wochen nach der
ersten Operation, ergab es sich, daß eine allgemeine Sarkomatose des Bauchfells
bestand. Tod 1 Monat p. op. Sektionsbefund: Die ganze linke Seite des Bauches
und Beckens von Geschwulstmassen ausgefüllt, Metastasen auf dem Bauchfell,
Därme z. T. in die Geschwulst eingebettet. Nach der mikroskopischen Unter-
suchung des zuerst entfernten »Ovarialkystoms« und der Geschwulstmassen handelte
es sich um eine hämorrhagische und nekrotische bösartige Ovarialgeschwulst, durch
deren Ruptur eine Aussaat der Geschwulstmassen auf das Bauchfell erfolgt war.
840 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 30.
Letztere zeigten im mikroskopischen Bild das Aussehen einer bösartigen Ovarial-
geschwulst, deren Stroma Ovarienstroma glich und stellenweise sarkomatösen Bau
zeigte, während durch die ganze Geschwulst zerstreut Zellkomplexe mit der Struktur
eines Adenokarzinoms lagen.
Aus seiner Beobachtung und der spärlichen Literatur über bösartige Eierstocks-
geschwülste bei Kindern schließt D. folgendes: Bösartige Eierstocksgeschwülste
können auch bei Kindern vorkommen; in den ersten Stadien der Erkrankung sind
die klinischen Erscheinungen der gutartigen und bösartigen Geschwülste dieselben.
Die Geschwulst wird zufällig entdeckt, oder erst, wenn infolge Platzens der Cyste
oder Stieldrehung Symptome auftreten, welche unter Umständen überhaupt die
ersten Symptome sind, welche die Geschwulst anzeigen. Kinder jeder Altersstufe
können erkranken, am häufigsten 10—14jährige. Die mikroskopische Diagnose und
genaue Klassifizierung der Mischgeschwülste ist häufig schwierig oder unmöglich.
66 Literaturfälle werden in Tabellenform zusammengestellt.
Mohr (Bielefeld).
43) Küttner. Apparat zur Infusion von Kochsalzlösung mit Sauer-
stoff.
(Arztl. Polytechnik 1906. März.)
Ein 1 Liter haltender Zylinder aus Jenenserglas, der beim Kochen nicht
springt und somit leicht zu desinfizieren ist, nimmt mittels Trichters die ClNa-
Lösung auf. Am oberen Hahne läßt man nun Sauerstoff einströmen, bis am unteren
Hahne 100 g Flüssigkeit ausgeflossen sind. Durch Umschütteln absorbiert die
Flüssigkeit den O und ist dann zum Einführen in die Vene fertig. Der O wirkt
auf das Herz sofort belebend. Abbildung im Original.
E. Fischer (Straßburg i. E.).
44) Albrand. Einfachstes Modell eines heizbaren Irrigators.
(Arztl. Polytechnik 1906. April.)
Obiger Apparat ist aus Weißblech verfertigt, ist oben und unten geschlossen,
Liegend kann Wasser darin gekocht werden, alsdann sind Ausfluß, Füllöffnung und
Thermometer auf der oberen Fläche, welche beim Aufrichten und Gebrauch zur
vorderen wird. Abbildung im Original. E. Fischer (Straßburg i. E.).
45) L. Küppers. Wasservorwirmer fiir Waschtische.
(Med. Klinik 1906. Nr. 13.)
In einem halb offenen, mit einer Wärmequelle (Nachtlicht, Gasflamme) ver-
sehenen und in die Mauer eingebauten Kasten wird ein Schlangenrohr der Wasser-
leitung durch die erwärmte Kastenluft erhitzt. Georg Schmidt (Berlin).
46) J. Hertzka. Fingerfreies Einfädeln.
(Miinchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 9.)
H. benutzt eine Hakenpinzette, deren Branchen nahe ihren etwas verbreiterten
und gerieften Enden gefenstert sind. Der Faden wird zwischen die Fenster ein-
geklemmt und dann das Ohr einer mit dem Nadelhalter festgehaltenen Patentnadel
auf den straff im Fenster gespannten Faden aufgedrückt; man Öffnet hierauf die
Pinzette, und der übrige Faden schlüpft leicht beim Fenster heraus. — Die »Ein-
fädelpinzette« ist im Medizinischen Warenhaus, Berlin, erhältlich.
Kramer (Glogau).
Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags-
handlung Brestkopf & Härtel, einsenden.
Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig, Nürnbergerstraße 36/38.
Zentralblatt
CHIRURGIE
herausgegeben
E. vu Boman, F. King, E ee
Dreiunddreißigster Jahrgang.
Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrganges ‚ bei halbjähriger
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.
Nr. 31. Sonnabend, den 4. August. 1906,
Inhalt: 1) Reichel, Zurücklassen von Fremdkörpern in der Wunde. — 2) Gill, Wund-
behandlung im Kriege. — 3) Böcläöre, Therapeutische Verwendung der Radiumstrahlen. —
4) Ramstroem, Peritonealnerven. — 5) Lennander, Leibschmerzen. — 6) Lennander, Darm-
kolikschmerzen. — 3 Hoffmann, Zur Darmdesinfektion. — 8) Woolsey, Perforlerende Ty-
pi ioke ain, — 9) Oberndorfer, 10) Klemm, 11) Rostowzew, 12) Michel, 13) Korach,
4) O’Brien, Appendicitis. — 15) Lotheissen, Tranmatische Hernien. — 16) Halstead, Hernia
inguino-properitonealis und inguino-interstitialis. — 17) Wood, Wurmfortsatz in Schenkel-
briichen. — 18) Holzknecht, Röntgenologische Untersuchung des Magens. — 19) Offergeld,
Darmverschluß. — 20) Bolognesi, Unterbindung der V. portarum. — 21) Robson, Chole-
dochussteine. — 22) Villar, Pankreaschirurgie.
23) Krankenhausbericht. — 24) Suzuki, Der Kampf auf Schlachtschiffen. — 25) Beede,
Nachbehandlung von Operstionen. — 26) Weecke, Bier’sche Stauung. — 27) Linnich, Bauch-
deckendesmoid. — 28) Krause, Postoperativer Darmvorfall. — 29) Dreesmann, Tampon-
drainage in der Bauchhohle. — 30) Hanley, Peritonitis durch Netztorsion. — 34) Robbers,
Pneumokokkenperitonitis. — 32) Blecher, Magen- und Darmperforation. — 33) Ahrens,
Magengeschwiire. — 34) Halstead, Akute postoperative Magenerweiterung. — 35) Schwarz,
Pylorusstenose. — 36) Ambos, a Moynihan, Sanduhrmagen. — 38) Pinatelle u. Cavallion,
Metastasen von Magenkrebs. — 39) Thiele, Ileus infolge subkutaner Bauchdeckenzerreißung.
— 40) Kaowiton, Dickdarmgeschwulst. — 41) Schwarzschild, 42) Goebel, Leberabszesse.
— 43) Herriagham, Riedel's Leberlappen. — 44) Fedorow, Cholecystitis. — 45) Heuer,
Das Pankreas der Katze. — 46) D’Urso, Mesokoloncyste.
WM. W. Herman, Zu »Eine neue Klemme zur Gastroenterostomie und Enteroanastomie
von Dr. Linnartz«.
Berichtigungen.
1) Reichel. Wann und inwiefern ist die Zurücklassung von
Fremdkörpern in einer Operationswunde dem Operateur als
Fahrlässigkeit anzurechnen?
(Sonderabdruck aus Gross’ Archiv 1906. Maiheft.)
Der vorliegende Aufsatz, dessen Verf. ein juristischer Privatdozent
ist, verdient von jedem operativ tätigen Arzte gelesen zu werden, zu-
mal bei einem großen Teile des Publikums vielfach die Neigung
besteht, jedes Versehen auf Fahrlässigkeit zurückzuführen und daraus
Haftpflichtprozesse herzuleiten. Verf. berichtet über einen Fall, wo
bei einer schwierigen und langwierigen Radikaloperation eines Brust-
31
842 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31.
krebses in einer versteckten Wundnische ein Tupferbausch liegen blieb,
der erst ein halbes Jahr später gelegentlich einer von anderer Seite
ausgeführten Nachoperation entdeckt und entfernt wurde. Dieser Vor-
fall bildete den Anlaß zu einem Prozeß auf Schadenersatz, der jedoch
mit der Abweisung der Frage in zwei Instanzen endete. Von be-
sonderem Interesse war in dieser Streitfrage ein Gutachten des Geh.-
Rats Rupprecht in Dresden, welches Verf. nicht nur wegen seiner
nach Form und Inhalt vorbildlichen Ausführungen, sondern auch
wegen des besonders lehrreichen Charakters wörtlich widergibt und
welches er für wert hält, »daß es nicht im Aktenrepositorium vergilbe,
sondern daß es vielmehr der Kenntnisnahme weiterer fachgenössischer
Kreise, auf juristischer nicht minder als auf medizinischer Seite, zu-
gänglich gemacht und dauernd erhalten werde«. Ref. kann diesem
Wunsche nur zustimmen, muß es sich aber leider versagen, auf die
Einzelheiten weiter einzugehen und bezüglich dieser auf das Original
verweisen. Deutschländer (Hamburg).
2) C. A. Gill. The immediate treatment of extensive wounds
on field service.
(Lancet 1906. Mai 26.)
Der Mitteilung wird die interessante statistische Tatsache voraus-
geschickt, daß im russisch-japanischen Kriege nur 322 primäre Am-
putationen bei russischen Verwundeten ausgeführt sind von 63346
hierhergehörigen Schußverletzungen = 0,5%.
Als Richtschnur für die Behandlung Verwundeter auf dem
Schlachtfelde empfiehlt Verf. folgendes:
1) Die unmittelbare Applikation einer antiseptischen Lösung auf
ausgedehnte Wunden auf dem Schlachtfelde. 2) Die zu diesem Zweck
eingeführte Bereicherung des Feldwundpäckchens des Soldaten mit
einigen Sublimatpastillen, die eventuell in dem Wasser der Feldflasche
gelöst werden können. 3) Nach diesem ersten Verbande kann dann
für den Verwundeten, der eventuell noch gleichzeitig unter Opium-
einwirkung gesetzt ist, eine Ruhepause eintreten, die gleich wünschens-
wert für Pat. und Arzt ist. 4) Darauf erfolgt die Beförderung des
Verwundeten zum Feldlazarett, wobei er sich in der Zwischenzeit vom
Chok erholt und wo dann größere, sich als notwendig erweisende
Operationen leicht und bequem vorgenommen werden können.
H. Ebbinghaus (Dortmund).
3) A. Beclére. Sur lemploi thérapeutique des sels de
radium.
(Radium 1905. Nr. 2.)
Theoretische Abhandlung iiber die Eigenschaften, Dosierung und
Anwendung der Radiumstrahlen. Zur Dosierung benutzt B. Holz-
knecht’s Chromoradiometer, zur Messung der Penetrationskraft das
Radiochromometer von Bénoist, dessen einzelne Sektoren er aber nur
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 843
0,5 mm dick nimmt. Er gibt dann ein handliches, kleines Instrument
zur Radiotherapie an: eine quadratische Kapsel von 11 mm Seiten-
länge, deren Vorderwand aus einer Aluminiumlamelle von 0,1 mm
besteht, ist mit einer 0,6—0,7 mm dicken Schicht von Baryumsalz
(0, 15 g) gefüllt und sitzt, durch ein Gelenk allseitig beweglich, an
einem Stiele, kann also überall bequem angewendet werden. Die qua-
dratische Form ermöglicht, jeden Punkt des erkrankten Bezirkes zu
bestrahlen, ohne dabei, wie bei der sonst üblichen runden Form, ein-
zelne Teile zweimal zu treffen.
Das Hauptanwendungsgebiet für Radiumstrahlen bleiben ober-
flächliche, wenig ausgedehnte Schädigungen, welche durch ihren Sitz
Röntgenstrahlen schwer zugänglich sind. Den angeblichen Erfolgen
Soupault’s bei Arthropathie steht Verf. skeptisch gegenüber.
Renner (Dresden).
4) Ramstroem. Die Peritonealnerven der vorderen und
lateralen Bauchwand und des Diaphragma
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XV. Hft. 5.)
Unsere Kenntnisse von der Innervation des Bauchfells sind sehr
lückenhaft; manche Angaben sind direkt falsch. So wird behauptet,
daß der N. phrenicus im Epigastrium das parietale Bauchfell versorge;
R. zeigt, daß das unrichtig ist; diese Gegend wird vom 6., 7. und
8. Interkostalraum versorgt, der Phrenicus versorgt mit sensiblen
Asten nur die zentralen Partien der Bauchfellbekleidung des Zwerch-
fells, während schon dessen Randteile mit Nerven von der Bauchwand
versorgt werden. Das ganze Bauchfell der vorderen und seitlichen
Bauchwand wird von Interkostal- und Lumbalnerven versorgt; diese
bilden zwischen N. obliquus internus und transversus komplizierte
Netze, von denen Zweige in der Gegend der Linea semicircularis
Spigeli durch die Sehne des Transversus in das Bauchfell eindringen
und sich in medialer und cephaler Richtung verbreiten. Hier bilden
sie Netze, doch läßt sich trotzdem eine Andeutung metamerer Auf-
teilung erkennen. Zahlreiche Pacini’sche Körperchen finden sich an
ihnen, auf bandförmigen Feldern angeordnet, die nach Lage und Ver-
lauf ziemlich große Übereinstimmung mit dem Inscriptiones tendineae
im M. rectus aufweisen. Haeckel (Stettin).
5) Lennander. Leibschmerzen, ein Versuch, einige von
ihnen zu erklären.
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XVI. Hft. 1.)
Nach L.’s früheren Untersuchungen haben alle Organe, welche aus
dem Sympathicus oder vom Vagus unterhalb des Abganges des Recurrens
Nerven empfangen, keine der bekannten vier Gefühlssinne, weder
Schmerz-, noch Druck-, Wärme- oder Kältesinn. Erkrankungen der
Organe der Bauchhöhle "werden erst schmerzhaft, wenn das Peritoneum
parietale dabei gereizt wird; wie das im Einzelnen geschieht, führt L.
im vorliegenden Aufsatze des näheren aus. Bewegungen des Magens
31*
844 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31.
und Darmes führen zu Schmerzen durch Dehnung der Ansätze der
Mesenterien und so hierdurch bedingte Zerrung des Parietalperitoneums;
ebenso führen Bewegungen dieser Organe durch Verwachsung mit
der Parietalserosa zu Zerrungen der letzteren. Bei chronischer Appendi-
citis macht die Lymphangitis unter dem Bauchfell der hinteren Bauch-
wand dieses sehr empfindlich, so daß schon leichter Druck, z. B. vom
McBurney’schen Punkt, oder Passieren von Darmgasen schmerzhaft
wird. Bei Flatulenz, bei Ascites ist die Dehnung der Parietalserosa
das schmerzverursachende, bei großer harter Leber und Milz die
Zerrung an den Aufhängebändern. oder Reiben der harten Kanten
dieser Organe an der Serosa der vorderen Bauchwand. Bei Volvulus
ist gleichfalls die Zerrung der Parietalserosa das Schmerzhafte. Der
Schmerz bei Diarrhöen, das »Kneifen«, beruht darauf, daß die
Flexura sigmoidea sich aufbäumt, hart wird und das Peritoneum
parietale gegen die Muskeln und Aponeurosen der vorderen Bauch-
wand verschiebt. Diese Verschiebung ist auch Grund der Schmerzen
bei starker Füllung der Harnblase, doch kann hier auch Dehnung des
perivesikalen Bindegewebes den Schmerz verursachen.
Die Schmerzen bei plötzlicher Perforation des Magens, der Gallen-
blase, des Wurmfortsatzes entstehen dadurch, daß der ausgetretene,
chemisch höchst differente Inhalt dieser Organe rasch die Endothelien
der Parietalserosa durchsetzt und an die unter ihr liegenden schmerz-
empfindenden Nerven gelangt. Der Schmerz beim Magengeschwür
entsteht durch Verwachsungen oder Lymphangitis unter der Serosa
um die Arteria coeliaca herum. So erklärt sich auch die Druck-
empfindlichkeit an bestimmten Stellen des Rückens bei Magengeschwüren
und Cholelithiasis. Diese Lymphangitis versetzt die Nerven der hinteren
Bauchwand in einen solchen Zustand, daß auch ein Druck auf ihre
vorderen Endausbreitungen in der vorderen Bauchwand als Schmerz
empfunden wird. Diese Erklärung ist nach L. plausibler als die von
Head für seine bekannten Beobachtungen über Hyperalgesie der
Haut bei inneren Leiden gegebenen. Daß bei Appendicitis nicht
selten die Schmerzen im Epigastrium empfunden werden, beruht darauf,
daß oft der distale Teil des Dünndarmmesenteriums mit dem Meso-
colon ascendens frei von der Wirbelsäule ausgeht; dann treffen die
Lymphgefäße des Wurmfortsatzes die hintere Bauchwand nicht eher,
als sie längs der A. ileo-colica und der A. mesenterica superior die
Lymphdrüsen rings um die Aorta erreicht haben.
Der Mastdarm an sich ist unempfindlich. Bei Proktitis treten
erst Schmerzen auf, wenn das perirektale Bindegewebe in Mitleiden-
schaft gezogen wird.
Die Geallenblase ist unempfindlich. Gallensteinkoliken entstehen
durch Zerrung des retroperitoneal gelegenen Teiles des Choledochus
oder Lymphangitis um die retroperitoneal gelegenen Nerven; auch kann
sich die Infektion bis zur vorderen Bauchwand erstrecken und diese
empfindlich machen.
Die Niere, deren Fettkapsel von der fibrösen Kapsel völlig gelöst
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 845
ist, ist unempfindlich. Die Nierensteinkoliken entstehen dadurch, daß
bei Kontraktionen des Nierenbeckens und Harnleiters das umgebende
Bindegewebe mit seinen schmerzempfindenden Nerven gestreckt und
gezerrt wird; vielleicht spielt auch dabei die Lymphangitis eine Rolle.
Das genaue Studium der lokalisierten Schmerzempfindungen ist
von größter Wichtigkeit für eine exakte Diagnose.
Haeckel (Stettin).
6) Lennander. Über Hofrat Nothnagel’s zweite Hypo-
these der Darmkolikschmerzen.
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XVI. Hit. 1.)
Nothnagel hatte früher den Schmerz bei Darmkolik dadurch
erklärt, daß die Kontraktion der Muskulatur die Nerven drücke; seit-
dem man weiß, daß bei Zusammenpressen der Dupupytren’schen
Darmschere oder durch das Quetschen des Darmes mit einem Angio-
trib keine Schmerzen entstehen, ist diese Erklärung hinfällig. Später
nahm Nothnagel an, die durch die Kontraktion des Darmes erzeugte
Anämie gebe den Reiz für die sensiblen Darmnerven ab. L. wider-
legt auch diesen Erklärungsversuch. Er zeigt, daß man bei Opera-
tionen ohne Allgemeinnarkose und bei bestehenden Darmfisteln oder
bei Liegen von Darmschlingen in einer Bauchwunde mit starken
galvanischen und faradischen Strömen den Darm reizen und zu tetani-
schen Kontraktionen bringen kann, ohne daß Schmerz empfunden
wird; der Darm wird dabei vor Anämie ganz blaß, und doch tritt
keine Schmerzempfindung auf. Haeckel (Stettin).
7) Hoffmann. Beitrag zur Frage der Darmdesinfektion.
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XV. Hft. 5.)
H. benutzte zur Desinfektion des Darmes das Isoform und fand,
daB dasselbe alle bisher angewandten Darmantiseptika iibertrifft. Er
gab es durch den Mund bei Personen mit Dickdarmfisteln und unter-
suchte den der Fistel entnommenen Kot auf Keimgehalt. Ferner
gab er es vor Magenoperationen, um den Keimgehalt im Magen herab-
zusetzen. Man kann einem kräftigen Manne 7—8—9 g pro die ohne
Schaden geben; irgendwelche Vergiftungserscheinungen wurden nicht
beobachtet. Durch gleichzeitige Dosis von Rizinusöl wird die Wirkung
des Isoforms erheblich verstärkt. Vielleicht dürfte das Mittel auch
bei parasitären Infektionen des Darmes, bei Typhus, Dysenterie, eine
Zukunft haben. Haeckel (Stettin).
8, Woolsey. Observations on the diagnosis and treatment
of typhoid perforation.
(Annals of surgery 1906. Mai.)
Nach W. tritt Darmperforation bei Typhus am häufigsten am
26.—27. Tage der Erkrankung auf unter den Symptomen plötzlichen
heftigen Schmerzes, von Spannung und Rigidität der Bauchdecken und
846 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31.
Erbrechen. Kollapsartige Erscheinungen fehlen häufig und zeigen sich
mehr bei Blutungen. Der Leukocytenzahl wird kein Wert beigelegt,
Erhöhung von Puls, Temperatur und Atmung bildet die Regel. Man
soll jedoch nicht ängstlich auf das Vorhandensein aller Symptome
warten, bevor man die Laparotomie ausführt, sondern die probatorische
Eröffnung der Bauchhöhle ausführen, sobald die plötzlichen Schmerzen
und Spannung der Bauchdecken bemerkt werden. Nach Eröffnung
der Bauchöhle empfiehlt es sich, zunächst eine Ausspülung derselben
mit heißer Kochsalzlösung vorzunehmen; die Perforationsöffnung sitzt
meistens in den unteren 3 Fuß des Ileums. Nach Vernähung der
Perforation wird die Bauchhöhle bis auf eine für das Drain bestimmte
Öffnung geschlossen. Die Sterblichkeit beträgt bei den bisher operier-
ten Fällen 71—76 %. Herhold (Altona).
9) Oberndorfer. Beiträge zur pathologischen Anatomie
der chronischen Appendicitis.
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XV. Hft. 5.)
O. untersuchte im Münchener pathologischen Institut bei mehr
als 600 Autopsien den Wurmfortsatz, und zwar in lauter Fällen, in
denen keine akute Entzündung vorgelegen hat, bei denen auch aus
den Krankengeschichten keine Angaben über abgelaufene Prozesse
sich vorfanden. Er fand die sehr bemerkenswerte Tatsache, daß fast
bei allen Personen über 20 Jahre der Wurmfortsatz schwere Ab-
weichungen von der Norm darbot, so daß völlig normale Appendices
zu den größten Seltenheiten gehörten. Diese Veränderungen sind als
chronisch verlaufende, latent bleibende Entzündungen aufzufassen.
Im Gegensatze zu den akut entzündlichen Prozessen, welche, wie
Aschoff in einwandsfreier Weise dartat, ausschließlich das Ober-
flächenepithel und die angrenzenden Schleimhautschichten betreffen,
beginnen bei diesen chronischen Formen die Veränderungen stets in
der Submucosa und ziehen erst allmählich die Schleimhaut in Mit-
leidenschaft. Die Veränderungen wiederholen sich in ganz typischer
Weise, so daß sich folgender Entwicklungsvorgang ergibt: Zuerst ver-
größern sich die Lymphfollikel und konfluieren stellenweise, dann
wuchern die fixen Bindegewebszellen, insbesondere in der Submucosa;
die letztere verbreitert sich durch diese Wucherung und drängt die
Schleimhaut auf einen immer engeren Raum zusammen, die Drüsen
vermindern sich an Zahl, sie gehen zugrunde, und schließlich restiert
ein ganz schmaler, zentraler Hohlraum, der von einer nicht gegliederten
Lage zylindrischer Zellen ausgekleidet wird. Endlich geht auch dieses
Epithel zugrunde, die epithelfreien Wände verschmelzen, das End-
stadium ist völlige Obliteration. Stets vermehren sich dabei die
elastischen Elemente stark, besonders in der Muskulatur, die Muskel-
zellen selbst degenerieren auf dem Wege der einfachen Atrophie, der
Verfettung, sehr häufig der Pigmentdegeneration; die Muskelkerne
lagern sich dabei in Form einer parallelen Schichtung. Im Gegensatze
zu Ribbert, der die Obliteration als physiologischen Vorgang auffaßt,
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 847
stellt O. diesen Prozeß als Folge einer chronischen, interstitiellen
Entzündung hin; sie ist bedingt durch Bakterien oder deren Toxine,
welche von der Lichtung der Appendix aus einwandern. Diese
chronische, interstitielle Entzündung ist überaus häufig und stellt
neben der akuten diphtherischen und nekrotisierenden Appendicitis
eine besondere Form der Entzündung dar. Haeckel (Stettin).
10) Klemm. Über die Ätiologie der Appendicitis.
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XVI. Hft. 1.)
Die Appendicitis ist eine durch Mikroben bedingte Infektions-
krankheit. Die Hauptrolle spielt das Bakterium coli. K. untersuchte
18 gesunde Wurmfortsätze bakteriologisch, von denen 2 bei Herniotomie
am Lebenden, die anderen bei Sektionen gewonnen waren; 16mal wurden
Colibazillen gefunden, 4mal in Reinkultur. Das lymphatische Gewebe
der Submucosa des Wurmfortsatzes ist der Infektion besonders zu-
ginglich. Obliterationsvorginge in der Appendix sind nicht als In-
volution, sondern als Folge chronischer Entzündung anzusehen. Be-
treffs der Appendicitis granulosa Riedel’s ist K. der Ansicht, daß
man nicht von einem Granulationsgewebe sprechen könne, sondern es
handelt sich nur, wie Untersuchungen von Wurmfortsätzen an Schar-
lach oder Diphtherie gestorbener Kinder zeigten, um eine starke An-
häufung von Leukocyten, bedingt durch vermehrte Tätigkeit der
Lymphfollikel. Die Mikroben treten durch Lücken zwischen den
Epithelien in das submuköse, Iymphatische Gewebe ein und versetzen
es in Entzündung.
Sind die Bakterien die Causa proxima der Appendicitis, so findet
sich daneben aber noch eine Anzahl unterstützender Momente: Lage-
anomalien, Knickungen usw. des Wurmfortsatzes, Anwesenheit von
Kotsteinen.
Als Einteilung nach pathologisch-anatomischen Typen, stellt K.
auf: Appendicitis catarrhalis, ulcerosa, perforativa, fibrosa (Apendi-
citis obliterans totalis oder partialis; Strictura appendicis).
Haeckel (Stettin).
11) Rostowzew. Uber die epidemische Natur der Peri-
typhlitis und deren Beziehungen zur Influenza und anderen
Infektionskrankheiten.
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XV. Hft. 5.)
Eine Zunahme der Appendicitis in den letzten 15 Jahren, ihr
epidemisches Vorkommen, ihre Abhängigkeit von Infektionskrank-
heiten, vor allem von Influenza, ist von verschiedensten Seiten aufs
positivste behauptet worden, ohne daß irgendwelche greifbaren Beweise
dafür geliefert worden sind. Diese kann aber nur die Statistik geben.
R. unternimmt es nun, an einem gewaltigen Materiale diese Fragen
einer Prüfung zu unterziehen, indem er die Krankenbewegung in den
848 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31.
elf großen städtischen Krankenhäusern St. Petersburgs während der
Jahre 1890—1902 aus den verschiedensten Gesichtspunkten auf
Appendicitis hin durcharbeitet. Nicht weniger als 3098 Fälle von
Appendicitis sind in dieser Zeit aufgenommen worden. R. kommt zu
dem Resultate, daß eine Vermehrung der Fälle in der letzten Zeit
nicht nachzuweisen ist; die angebliche Zunahme ist nur eine scheinbare
und wird durch bessere Kenntnis dieser Krankheit und durch die
vervollkommnete Diagnose erklärt. Irgendwelche Abhängigkeit von
der Jahreszeit ist nicht zu erkennen, ebensowenig Häufung in bestimmten
Monaten; während in dem einen Krankenhause in einem Monat auf-
fallend viele Fälle vorkamen, wurden in demselben Monat in anderen
Krankenhäusern ungewöhnlich wenige beobachte. Ein epidemi-
sches Auftreten der Krankheit wird durch die Statistik widerlegt.
Die Bedeutung der Influenza für die Entstehung der Appendicitis ist
eine reine Fabel; die ganz seltenen Fälle, in denen man die Influenza
als Ursache der Perityphlitis anerkennen kann, verschwinden in der
Gesamtmasse, ohne imstande zu sein, das Bild von progressiver Zu-
nahme oder dasjenige von epidemischen Ausbrüchen der Appendicitis
zu geben. Dasselbe gilt auch für die ätiologische Rolle der übrigen
Infektionskrankheiten bei Perityphlitis. Haeckel (Stettin).
12) G. Michel. De l’appendicite, pendant les suites de couches.
(Province méd. 1906. Nr. 11.)
Verf. behandelt die puerperalen Wurmfortsatzerkrankungen. Sie
treten meist unter dem Bild einer puerperalen Adnexerkrankung auf
und werden deshalb nicht diagnostiziert. Verf. unterscheidet drei
Arten: Erkrankungen, welche durch lokale Ursachen bedingt sind.
Die Disposition wird durch die Schwangerschaft wie durch den Ge-
burtsakt erhöht. Verstopfungen und der Turgor der Gewebe schaffen
für die Infektion einen geeigneten Nährboden und genügen, um einen
latenten Herd zu entflammen. In die zweite Kategorie werden solche
Formen verwiesen, welche von den Adnexen fortgeleitet sind. Auch
das Umgekehrte kann eintreten. Erschwerte Entbindungen geben dazu
Veranlassung. In dritter Linie bespricht Verf. die Infektion auf dem
Blutwege. Die Ursache sieht Verf. in dem infizierten Uterus.
Nach dem Grade der Entzündung werden Appendicitiden mit
diffuser Peritonitis, solche mit lokalisierter Peritonitis und die nicht
perforierten Formen unterschieden.
Die Diagnose ist leicht, wenn die Symptome einige Tage nach
der Entbindung plötzlich stürmisch einsetzen.
Ist jedoch allmählich eine Peritonitis entstanden, so wird nicht
leicht an eine Perityphlitis gedacht; und gerade hier wird der Irrtum
mit dem Leben bezahlt. Verf. mahnt deshalb, wenn die lokalen Sym-
ptome nicht dem Allgemeinzustand entsprechen, wenn die Adnexe
nicht erkrankt zu sein scheinen, wenn endlich das Klaffen des Mutter-
mundes fehlt, stets eine Perityphlitis in Betracht zu ziehen. Differential-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 849
diagnostisch ist ferner an Cholelithiasis, Koprostase und Pyelonephritis
zu denken.
Was die Behandlung anlangt, so ist Verf. unbedingter Anhänger
der Frühoperation und hält eine Laparotomie bei falscher Diagnose,
d. h. wenn der Ausgangspunkt ein anderer ist, für keinen Schaden.
Ein Schüler des Verf.s, Conter, hat die Fälle zusammengestellt.
Es wurden 12 Fälle beobachtet, die operiert wurden, mit 3 Todes-
fällen. Unter 9 nicht operierten starben 4.
A. Hofmann (Karlsruhe).
13) Korach, Über Appendicitis larvata.
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XV. Hft. 5.)
Die von Ewald » Appendicitis larvata« benannte Form der Wurm-
fortsatzentzündung setzt sich aus zwei Komponenten zusammen, der
chronischen Erkrankung des Wurmfortsatzes und einer visceralen
Neurose, die meist auf der Basis einer Hysterie oder Hystero-
neurasthenie beruht und unter dem Bilde einer Dyspepsie oder Hyper-
azidität oder eines chronischen Magengeschwürs oder einer spastischen
Verstopfung verläuft. Uber den inneren Kausalnexus dieser beiden
Faktoren kann man nur Vermutungen hegen; die Erfahrungen des
Verf. bestätigen jedenfalls nicht die Ansicht Ewald’s, daß oft durch
Exstirpation des Wurmfortsatzes die Beschwerden mit einem Schlage
beseitigt werden. Denn unter fünf operierten Fällen wurden nur
einmal die psychogenen Symptome beseitigt, während in den übrigen
gar kein oder nur ein ganz vorübergehender Suggestiverfolg erzielt
wurde. Haeckel (Stettin).
14) H. J. O’Brien. The relation of dislocated kidney to
disease of the vermiform appendix.
(St. Paul med. journ. 1906. Mai.)
Verf. lenkt die Aufmerksamkeit auf den Zusammenhang von
rechtsseitiger Wanderniere und Appendicitis, An der Hand einer
Anzahl von Beobachtungen sucht er nachzuweisen, daß die abdominellen
Beschwerden bei Wanderniere meistens auf einen erkrankten Wurm-
fortsatz zurückzuführen sind, und rät, diesen nach der Fixation der
Niere stets zu entfernen. Levy (Wiesbaden).
15) Lotheissen. Die traumatischen Hernien.
(Archiv fiir Orthopädie, Mechanotherapie und Unfallchirurgie Bd. IV. Hit. 3.)
Die so überaus große Bruchliteratur ist reich an Publikationen
über traumatische Hernien. In den wenigsten Fällen ist jedoch die
traumatische Entstehung wahrscheinlich, ja in vielen Fällen sicher
auszuschließen. Nach gehöriger kritischer Sichtung handelt es sich in
der Literatur bis jetzt um sechs Fälle von echt traumatischen Hernien
(Lotheissen, Bilfinger, Renner, Class und Hartmann) mit
Autopsie und um 13 Fälle von wahrscheinlich traumatischen Hernien
‘ ohne unmittelbare Autopsie. Traumatische Hernien sind nur direkte
31**
850 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31.
Brüche, bei denen alle Teile (Pforte, Sack und Inhalt) durch das
Trauma zu Bildung und Austritt kommen, oder doch wenigstens
Sackbildung und Inhaltsaustritt direkt durch das Trauma bedingt
werden. Bei den echt traumatischen Hernien, die durch stumpfe
Gewalt ohne sehr schwere Symptome (intensive Schmerzen, Kollaps)
entstanden sind, ist die Pforte groß; das Eingeweide tritt nicht wäh-
rend der Gewalteinwirkung, sondern erst später aus. Sie kommen an
allen Stellen der Bauchwand vor, am häufigsten in der Umgebung der
Leistengegend. Beim Unfallbruche dagegen besteht a priori eine
relativ enge Pforte, durch die infolge einer ungewöhnlichen Bewegung
‘oder Anstrengung das Eingeweide dringt; die Pforte wird unnatürlich
gedehnt, und daher großer Schmerz.
Was die Entschädigung von seiten der Versicherungsanstalt an-
langt, so wird bei traumatischen Hernien mit oder ohne Bruchband
im Durchschnitt eine Rente von 10—15% gewährt. Der Umstand,
daß in Deutschland — überhaupt in der Ebene — sehr selten zu
Radikaloperationen von Brüchen, die durch ein Bruchband zurück-
gehalten werden, geschritten wird, zeigte wohl am besten, wie wenig
ein solcher Bruch den Träger im allgemeinen in seiner Tätigkeit
hindert. Hartmann (Kassel).
16) Halstead. Inguinal-properitoneal hernia; inguino-inter-
stitial hernia.
(Annals of surgery 1906. Mai.)
Bei der inguino-properitonealen Hernie müssen zwei Bruchsäcke
vorhanden sein, von welchen der äußere im Leistenkanale, der innere
zwischen Bauchfell und Fascia transversalis liegt. Bei der inguino-
interstitialen Hernie findet man den inneren Sack zwischen Fascia
transversalis und Obliquus internus oder zwischen M. obliquus externus
und internus. Verlagerung des Leistenkanales durch den nicht in den
Leistenkanal herabgestiegenen Hoden oder durch Narben oder durch
ein schlecht sitzendes Bruchband usw. können ebenso wie Divertikel-
bildungen in der Umgebung des inneren Leistenringes die Ursache
für die Entstehung dieser Brüche abgeben. Die Diagnose ist bei der
inguino-retroperitonealen Hernie schwer, bei der inguino-interstitiellen
leichter. Zwei Fälle dieser Brüche, die mit Erfolg operiert wurden,
sind näher beschrieben. Herhold (Altona).
17) Wood. Appendicular femoral hernia with notes of one
hundred cases.
(Annals of surgery 1906. Mai.)
Verf. hat aus der Literatur 100 Fälle von Schenkelbrüchen ge-
sammelt, in deren Bruchsack der Wurmfortsatz allein lag; die Fälle
werden einzeln beschrieben, es handelte sich 8imal um Frauen, in
den übrigen Fällen um männliche Individuen. Während der Blind-
darm mit dem Wurmfortsatze meistens bei ganz jungen Personen bis
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 851
zu 15 Jahren angetroffen wird, so findet man den letzteren allein im
Bruchsacke meist nur bei älteren Leuten. In der ersten Zeit läßt
sich derselbe reponieren, später verwächst infolge Entzündung seine
Spitze mit dem Boden des Bruchsackes und er ist dann irreponibel.
Es handelt sich um eine angeborene Anomalie, die Symptome sind
meist die eines eingeklemmten Bruches, die jedoch nicht etwa durch
die Einklemmung des Wurmfortsatzes, sondern meistens durch reflek-
torischen Nervenreiz hervorgerufen werden, obwohl in einzelnen Fällen
auch wirkliche Einklemmungen des Wurmfortsatzes vorkommen. Die
Diagnose ist vor der Eröffnung des Bruchsackes nicht mit Sicherheit
zu stellen. Die Behandlung besteht in typischer Exstirpation des
Wurmfortsatzes; bei vereiterter Appendix ist durch Tamponade der
Wundhöhle die Infektion der Bauchhöhle zu vermeiden.
Herhold (Altona).
18) Holzknecht. Mitteilungen aus dem Laboratorium für
radiologische Diagnostik und Therapie aus dem k.k. allge-
meinen Krankenhaus in Wien. 1. Bd. 1. Hft.
Jena, Gustav Fischer, 1906.
Unter diesem Titel beabsichtigt Verf. in Gemeinschaft mit an-
deren, eine Reihe zwangloser Abhandlungen erscheinen zu lassen, die
die medizinische Verwendung der neueren Strahlungen in biologischer,
therapeutischer und diagnostischer Hinsicht behandeln sollen. Jedes
Heft soll aber für sich ein abgeschlossenes Ganzes bilden. Das erste
Heft befaßt sich mit der radiologischen Untersuchung des Magens.
Verf. zusammen mit Brauner haben eine systematische Methode
festgelegt. Sie bedienen sich fast ausschließlich der Röntgenoskopie
im Gegensatze zu Rieder. Die Differenzierung des Magens gegen
die angrenzenden Organe wird durch die Verabreichung des Wismut-
bissens, der Wismutaufschwemmung, des Brausegemisches und der
Rieder’schen Wismutmahlzeit erzielt. Die Durchleuchtung geschieht
in den verschiedensten Richtungen im Liegen und Stehen, beim Ein-
und Ausatmen.
»Mit Hilfe dieser Methode bekommt man Aufschlüsse über den
nüchternen, den durch eine 500 g schwere Mahlzeit belasteten und
den gasgeblähten Magen; man sieht die Wirkung zunehmender Be-
lastung auf Form und Größe des Magens. Es gelingt, die Grenzen
des ganzen Magens oder einzelner Teile desselben zur Anschauung zu
bringen, zu einem Urteil über die Magengröße zu kommen, sich über
Lage und Stellung des Magens und seines Inhaltes bei den verschie-
denen Körperstellungen zu informieren. Es können seine Lage-
beziehungen zu den Bauchdecken, dem Zwerchfell und dem Dickdarm
festgestellt werden. Man verfolgt den in diagnostischer Beziehung
ungemein wichtigen Weg des Bissens im Magen, kann andererseits
die Austreibungszeit der Speisen feststellen. In einfachster Weise
beobachten wir die Einwirkung der Massage und der Bauchpresse auf
852 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31.
den Magen und seinen Inhalt, weiter seine respiratorische Verschieb-
lichkeit. Diagnostisch ungemein wertvolle Befunde ergeben sich bei
raumbeengenden Prozessen der Magenwand (Karzinom). Sehr einfach
ist mit Hilfe der röntgenologischen Methode die Diagnose des Nand-
uhrmagens. Sie leistet bei der Lokalisation von Fremdkörpern im
Bereiche des Verdauungskanales gute Dienste. Sie ermöglicht es
schließlich, das ungemein fesselnde Bild der Magenperistaltik bei un-
versehrten Bauchdecken, also unter physiologischen Verhältnissen zu
studieren und praktisch diagnostisch zu verwerten.
Die hier mitgeteilte radiologische Magenuntersuchungsmethode
gestattet demnach einerseits in physiologischer, diagnostischer und
therapeutischer Hinsicht wichtige Befunde zu erheben, die zu erlangen
uns sonst unmöglich wäre, andererseits kann man mit ihrer Hilfe die
anderen auf morphologische und physiologische Verhältnisse gerich-
teten klinischen Untersuchungsmethoden kontrollieren und ihren wei-
teren Ausbau fördern.«
Ein zweiter Abschnitt des Heftes handelt über die röntgenologische
Diagnostik raumbeengender Geschwülste der Pars pylorica, speziell
bei hochgradig gesunkenen und gedehnten Magen; ein dritter über
die Peristaltik am Antrum pylori des Menschen.
Als normale Form des Magens erklärt H. nicht die von Rieder
gefundene. Nach ihm hat der normale Magen bei aufrechter Körper-
stellung und in gefülltem Zustande die Form eines viertelkreisförmig
gekrümmten Rinderhornes, dessen Spitze dem Pylorus, dessen breites
Ende dem Fundus entspricht, so gelegen, daß sein weiter gelegenes
kardiales Drittel vertikal, sein engeres pylorisches horizontal gelagert
ist. Andererseits gibt H. zu, daß dieser nach ihm normale Magen
viel seltener ist, als die von Rieder angegebene Form. Diese stati-
stisch häufigste Magenform anscheinend gesunder Menschen ist nach
H. bereits eine mäßige Gastroptose mit sekundärer Erweiterung, die
ihre Ursache in einem mäßigen Grade von Erschlaffung der Bauch-
decken hat. Diese wieder ist als Teilerscheinung allgemeiner Muskel-
schwäche und Schlaffheit, wie sie die größere Hälfte der Kultur-
menschheit aufweist, leicht verständlich. Anstatt des Namens
»Grastroptose« schlägt H. vor, die Bezeichnung »Relaxatio ventriculi
(enteroptotica)« zu setzen. Gaugele (Zwickau).
19) Offergeld. Experimentelle Beiträge zur internen Therapie
des Darmverschlusses.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXIX. Hft. 3.)
Die Angaben über die Wirkung chemischer Mittel, wie Atropin,
Physostigmin usw., beim postoperativen Ileus sind sehr widersprechende.
Verf. versuchte deshalb auf dem Wege des Tierexperimentes an eine
Lösung dieser Frage zu gehen. Zuerst erzeugte er reinen Meteoris-
mus bei Meerschweinchen und Kaninchen und fand dabei, daß an-
scheinend das Physostigmin, vielleicht auch das Strychnin gute Dienste
leisten, sofern die Muskulatur des Darmes unversehrt ist. Bei Tym-
‚Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 853
panie durch diffuse Peritonitis ließ sich hingegen mit Physostigmin
nichts erreichen; einigermaßen wirkten hier die den Darm ruhig stellen-
den Mittel günstig. Beim paralytischen unkomplizierten Ileus, der
sich durch Unterbindung der Mesenterialgefäße oder durch Abkühlen
der Bauchhöhle, Eventration der Därme u. dgl. herbeiführen läßt, er-
wiesen sich Strychnin, sicherer Physostigmin imstande, den Ileus hint-
anzuhalten. Bei beginnendem Ileus ist der Erfolg nicht so sicher, bei
schon länger bestehendem überhaupt nicht vorhanden. Tritt Perito-
nitis zum paralytischen Ileus hinzu, so beherrscht sie das Krankheits-
bild und die Prognose. Beim dynamischen Ileus half nur Belladonna,
welche den Darm beruhigt und den Spasmus hebt. Beim Obturations-
ileus wäre demgemäß vor anderen Maßregeln Atropin zu versuchen.
Eine Reihe von Versuchen, durch chemische Mittel die Strangulation
einer Darmschlinge zu lösen, ergaben, wie natürlich, kein Resultat.
Hier bleibt also auch für den Verf. der rasche operative Eingriff die
rationellste Therapie. Eine größere Anzahl von Versuchen mit anderen
Medikamenten, wie Pilokarpin, Homatropin, Skopolamin, Nikotin u. a.,
ergaben keine für die Praxis verwertbaren Resultate. Interessant ist
die Beobachtung, daß die Peristaltika wohl eine Kontraktion des
Harnleiters bewirkten, dagegen keine vermehrte Bewegung der weib-
lichen Genitalien hervorriefen, auch nicht bei Gravidität oder in der
Geburtsperiode.
In der subkutanen Kochsalzinfusion fand auf Grund seiner Ver-
suche O. ein Mittel, die auf den Darm wirkenden Gifte in kurzer
Zeit zur Auscheidung zu bringen, ohne daß sie ihre Darmwirkung
ganz verlieren.
In dem letzten Teile der Arbeit bespricht Verf. eingehend, wie
weit seine experimentellen Versuche mit den bisherigen Erfahrungen
am Krankenbett übereinstimmen, was, wie aus Vorstehendem ersicht-
lich, in weitgehendem Maße der Fall ist.
E. Siegel (Frankfurt a. M.).
20) Bolognesi. La legatura della vena porta in animali
con circolo di Jacobson.
(Sperimentale Bd. LX. Nr. 2.)
Im Gegensatze zu den Säugetieren, bei welchen der Pfortader-
kreislauf unabhängig von der Cava inferior ist, stehen seine mesen-
terialen Wurzeln bei Vögeln vermittels der Jakobson’schen Anasto-
mosen durch die Nierenvene in Kommunikation mit der Cava. Diese
Tiere können, wenn man vom Operationschok absieht, die plötzliche
Unterbindung der Pfortader überstehen. Es bildet sich zunächst eine
passive Hyperämie am Darme, Milz und Pankreas, ferner Niere und
am stärksten in der Leber selbst aus; die Bahnen für letztere sind
teils die Kollateralen vom Magen her, teils die suprahepatischen Ge-
fäße. In den Leberzellen tritt Fett auf; Gallen- und Glykogenbildung
zeigen keine wesentliche Veränderung. Daß die Pfortader toxische
Stoffe führe, ist nicht erwiesen, die Experimente mit kolibazillärer In-
854 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31.
fektion vom Bauchfell oder Pfortader aus bei solchen Tieren nach
der Unterbindung sprechen nicht dafür. Die Folgen der Pfortader-
unterbindung sind rein mechanischer Art.
E. Pagenstecher (Wiesbaden).
21) M. Robson. Common-duct cholelithiasis: its symptoms,
complications and treatment.
(Surgery, gynecology and obstetrics Vol. UI. Nr. 1. 1906.)
Im Gegensatze zu Courvoisier, der in 4 von 100 Fallen Kon-
kremente im Ductus choledochus fand und der in 2/, seiner Fälle
Einzelsteine sah, hat Verf. in 40 von 100 mehrere Steine im Choledochus
und nur in 20 von 100 Einzelsteine gefunden. Die besondere Er-
kennung der Beteiligung des Ductus choledochus liegt in häufigen
Schmerzanfällen für Jahre oder kurze Zeit, zuerst ohne Ikterus, dann
ikterische Färbung der Konjunktiven und schließlich ein allgemeiner
Ikterus, der von einem ca. 24stündigen Schmerzanfall gefolgt ist.
Damit tritt der Stein vom Ductus cysticus in den Choledochus. Wenn
die Steine so klein sind, daß sie durchtreten, dauert der Ikterus
1—-2 Wochen mit häufigen Schmerzanfällen; wenn die Gelbsucht an-
dauert und die Leber sich vergrößert, hat der Stein sich eingeklemmt.
Dauert der Ikterus aber ohne Schmerzen an, so muß man an bösartige
Neubildung denken. Bei Steinen ist der Ikterus weniger stark, als
bei Karzinom des Pankreaskopfes. In zweifelhaften Fällen gibt die
Anamnese den Ausschlag. Weiter ist wichtig, daß bei Karzinom des
Pankreaskopfes die Gallenblase vergrößert ist, während sie bei Stein-
verschluß des Ductus choledochus nicht gefühlt wird; und zwar führt
Verf. dies darauf zurück, daß die Kolikanfälle bei Steinen Ver-
wachsungen um die Blase machen. Dann verursachen Steine selten
vollkommenen Choledochusverschluß, es fehlt daher auch die Rück-
stauung der Galle zur Anfüllung der Blase. Ferner zieht sich beim
Steinverschluß die Muskelwand der Blase stark zusammen, und die
Kontraktion mit begleitender Entzündung und Fixation führt zu
Atrophie.
Differentialdiagnostisch wichtig ist, daß man bei Pankreas-
beteiligung (genuiner Pankreatitis oder Pankreatitis sekundär auf ein-
geschlossenen Stein) im Urin nadelförmige, spitz endigende und rosetten-
förmig angeordnete Bildungen findet, die sich in verdünnter Schwefel-
säure lösen. Wenn die Kristalle dicker sind, mit mehr abgerundeten
Ecken und 4—5 Minuten zur Auflösung in Schwefelsäure brauchen,
so muß man Verdacht auf Karzinom des Pankreas haben. Diese
mikroskopischen Bildungen genügen nach Verf.s Ansicht zwar nicht
absolut zur definitiven Differentialdiagnose, sie haben sich aber bei
zahlreichen Fällen praktisch gut bewährt. Wichtig ist überdies, daß
zur Differentialdiagnostik der Stuhlgang genau chemisch untersucht
wird. Wenn der Verschluß von Steinen herrührt (ohne Beteiligung
des Pankreas), so sind die Neutralfette und die fettigen Säuren gleich-
mäßig im Steigen, der Stuhl ist dabei alkalisch und enthält etwas
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 855
Galle. Wenn die Pankreasgänge aber mit verschlossen sind durch
einen Gallenstein im Pankreaskopf oder durch eine Geschwulst, so
überwiegt das Neutralfett die fettigen Säuren, und der Stuhl reagiert
sauer. Wenn schließlich die Gelbsucht durch Karzinom des Pankreas-
kopfes veranlaßt ist, fehlt die Galle vollständig.
Bei infektidser Cholangitis mit Steinen im Ductus choledochus
fand Verf. Bakterium coli-ähnliche Bakterien, und zwar besonders in
den Fällen, wo es zur Eiterung gekommen war. In zwei Fällen, die
schließlich an allgemeiner Sepsis eingingen (kompliziert durch eitrige
Pankreatitis resp. Parotitis) fand er außer Bakterium coli noch Strepto-
kokken. Die Komplikation mit Streptokokken hält er für tödlich.
Dies um so mehr, als er fand, daß auch bei Appendicitis, wenn hier
Streptokokken gefunden wurden, die Krankheit tödlich endete. Verf.
beobachtete Gallensteinanfälle mit besonders schweren Schüttelfrösten,
die durch Malaria kompliziert waren; auch hier war ihm die Urin-
untersuchung besonders wichtig. Er konnte in 5 von 100 Fällen keine
Galle im Urin nachweisen, obwohl die Conjunctivae gelb gefärbt waren;
letzteres hat er namentlich in allen operierten Fällen von Choledochus-
verschluß (150) gesehen. Sitzt der Stein in der Blase oder im Cysticus,
so sind die Schmerzen unter dem rechten Rippenrand, ausstrahlend
nach dem rechten Schulterblatt; beim Choledochusverschluß sind die
Schmerzen mehr zentralwärts und strahlen nach der Mitte des Schulter-
blattes aus. Schmerzen im Epigastrium deuten auf Verwachsungen
hin (Magen usw.).
Im Gegensatze zu Oberst und Beck hat Verf. durch Röntgen-
strahlen niemals Steine nachweisen können, während er bei Pankreas-
steinen sehr gute Röntgenbilder bekam. Verf. gibt schließlich alle
die Komplikationen an, die bei Cholelithiasis eintreten können; hier
verweise ich aufs Original wegen Raummangel. Zur Operation benutzt
Verf. den Vertikalschnitt mit stumpfer Durchtrennung des rechten
Musc. rectus; bei allen Operationen in der Tiefe (Choledochus usw.)
fügt er sofort einen ausgiebigen Querschnitt am Rippenrand hinzu.
Verf. betont, daß vor allem der Schnitt groß genug, und daß die
Asepsis besonders penibel sein muß (Handschuhe).
Verf. hatte bei Cholecystostomie, die er bevorzugt, 1% Mortalität:
bei der Choledochotomie hatte er ursprünglich 16,2% (alle Fälle ein-
geschlossen), bei den letzten 76 Choledochotomien aber nur noch
3,9% Mortalität. Verf. ist absolut für Frühoperation im Riedel’schen
Sinne. Heile (Wiesbaden).
22) F. Villar (Bordeaux). Chirurgie du pancreas. 330 S.
84 Figuren.
Paris, Rousset, 1906.
Nach kurzen historischen Vorbemerkungen wird im ersten Teile
die topographische Anatomie des Pankreas genau beschrieben.
Der zweite Teil bringt eine sorgfältige Darstellung der einzelnen
856 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31.
Erkrankungen des Pankreas mit besonderer Berücksichtigung ihrer
Diagnostik.
Auf die erst in neuerer Zeit erkannten und noch nicht genügend
geklärten Wechselbeziehungen zwischen Erkrankungen des Pankreas
und der Gallengänge wird besonders aufmerksam gemacht, die wichtige
und oft sehr schwierige Differentialdiagnose zwischen Pancreatitis
chronica und Krebs des Pankreas eingehend erläutert.
Im dritten Teile gibt V. neben genauer: Feststellung der Indika-
tionen eine erschöpfende Darstellung der Operationsmethoden bei den
einzelnen Pankreaserkrankungen, erläutert durch instruktive Ab-
bildungen und durch zahlreiche, die Gesamtliteratur berücksichtigende
Tabellen. Er fand bei der hämorrhagischen Pankreatitis 78%, bei
der eitrigen 38%, bei Pankreasnekrose 49% und bei chronischer
Pankreatitis 20% Mortalität.
Er rät bei der hämorrhagischen Pankreatitis zur Operation
— Drainage — und hält für die beste Behandlung der chronischen
Pankreatitis die Cholecystektomie verbunden mit Choledochusdrainage.
Das Werk gibt eine umfassende Darstellung vom jetzigen Stande
der Pankreaschirurgie. Georgi (Dresden).
Kleinere Mitteilungen.
23) Jahresbericht über das Krankenhaus in Britz.
Welchen Aufschwung das Britzer Krankenhaus in seinem ersten Dezennium
unter Riese’s Leitung genommen hat, beweist ein kurzer Rückblick auf seine
Entwicklung. Krankenbestand und Personal haben sich verdreifacht. Was an
großen Operationen im verflossenen Jahre Schönes geleistet wurde, muß im Be-
richte eingesehen werden. A. Hofmann (Karlsruhe’.
24) Suzuki. Notes on experiences during the Russo-Japanese naval
war 1904/05.
(Journ. of the assoc. of military surg of. U. S. Vol. XVII. Nr. 5.)
S. kommt dahin, daß auf den eigentlichen Schlachtschiffen während des
Kampfes und nach demselben nur Verbände anzulegen und die allerdringlichsten
Operationen auszuführen, daß die endgültigen Verbände und die größere Sorgfalt,
erfordernden Operationen ausschließlich auf den Hospitalschiffen vorzunehmen sind.
Bei den ersten Verbänden und zum Transport werden auch besonders ausgebildete,
nicht dem eigentlichen Sanitätspersonal angehörende, am Kampfe nicht aktiv be-
teiligte Mannschaften (z. B. Schreiber, Kohlenzieher usw.) herangezogen, wie im
Landheere die Krankentriger. Vor dem Kampfe müssen sämtliche Mannschaften
frische Wäsche anziehen. Die Verbandstoffe und alles zur ersten Hilfe Notige wircl
an verschiedenen möglichst sicheren Stellen des Decks vorbereitet; zum Schutze
gegen Granatsplitter werden die Hängematten verwandt, von welchen Vorhänge
gebildet werden, während alle überflüssigen Gegenstände möglichst fortzuschaffen
sind. Tragen haben sich als ungenügend zur Fortschaffung erwiesen, versagterı
oft, weil getroffen oder durch herabfallende Trümmer zerstört; deshalb mußte of:
der Transport nur durch Träger, event. auf dem Rücken eines Mannes, entsprechend
japanischer Gewohnheit, stattfinden. Die Räume des Schiffslazarettes sind unter
der Wasserlinie anzulegen, und zwar zwei, an verschiedenen Stellen des Schiffes.
Bei Neubauten sind Aufzüge für den Verwundetentransport vorzusehen. Das Ver-
bandsmaterial für die erste Hilfe wurde in Form von vier großen Sublimat-Mull-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 857
kompressen und einem dreieckigen Tuch, in besonders bearbeitetes japanisches
Papier eingeschlagen, an allen Plätzen für die erste Hilfe reichlich vorrätig ge-
halten; überhaupt waren alle Schiffe aufs reichlichste mit Verbandmaterial versorgt
worden. Die Verwundungen waren hauptsächlich, der Natur des Seekampfes ent-
sprechend, durch Granatsplitter, durch indirekte Geschosse und Trümmerstücke er-
zeugt, in auffällig großer Zahl auch durch Explosionen von Unterminen entstanden.
Die Art der Behandlung und die Handhabung der Asepsis gestaltete sich in der
bei uns üblichen Weise. Trapp (Bückeburg).
25) 8. C. Beede. Conservatism in post-operative treatment.
(Amer. journ. of surg. 1906. Mai.)
Verf. wendet sich mit Recht gegen die Sucht mancher Chirurgen, ihre Pat.
möglichst schnell nach einer Operation aufstehen zu lassen und aus der möglichst
kurzen Nachbehandlungszeit einen Rekord zu machen. Er betont die Gefährlich-
keit derartiger Hast, die dadurch bedingte Eiterung mancher Wunden, das Ent-
stehen von schlaffen Narben usw. In einem Falle entließ ein kompetenter Chirurg
ein an Appendicitis operiertes junges Mädchen am 8. Tage nach der Operation
aus dem Hospital. Die Folge war eine fibrinöse Peritonitis, an der Pat. noch jetzt,
mehr als 1 Jahr nach dem Eingriff, leidet. Goebel (Breslau).
26) W. Weecke. Uber Bier’sche Stauung und ihre Erfolge.
(Archiv für physikalische Medizin und medizinische Technik Bd. I. Hft. 2 u. 3.)
Die kurze Darstellung der Technik, Anwendung der Stauung bei den ver-
schiedensten Krankheiten, und ihrer Erfolge bringt dem Chirurgen nichts wesent-
lich Neues. Erwähnenswert ist bei der Verschiedenheit der bisherigen Resultate,
daß Verf. seit 1 Jahre alle Erysipele (wie viele ? Ref.) mit Stauung behandelt, und
in 3—5 Tagen zur Heilung bzw. zum Stillstande bringt. Die Temperatur ging
jedesmal schon nach der ersten Stauung herunter. Benner (Dresden).
27) C. Linnich. Ein seltener Fall eines Bauchdeckendesmoids.
Inaug.-Diss., Kiel, 1906.
Der aus der Kieler Klinik stammende Fall wies durch sein schnelles Wachs-
tum bei durchaus gutartiger Natur, dann durch die eingreifende Operation Beson-
derheiten auf. Es handelte sich um ein reines Fibrom bei einem 35jährigen Fräu-
lein, das, vor etwa 7 Monaten zuerst bemerkt, rasch bis zur Kindskopfgröße ge-
wachsen war und dem unteren Teile des Brustbeines unverschieblich aufsaß. Bei
der Operation wurde die Rectusscheide abpräpariert und die Geschwulst nach oben
geschlagen, wobei ein Stiel freigelegt wurde, der 5 cm weit hinter das Brustbein
führte und eine kleine Arterie und eine kleine Lymphdrüse enthielt. In der
Wundhöhle befand sich unten freigelegtes Bauchfell, nach beiden Seiten rechts und
links oben die Pleura und ein kleines Stück des Herzbeutels. Die tief hinter das
Brustbein einsinkende Wunde wurde mit Etagennähten verschlossen. Wegen
periostaler Blutung der Vorder- und Hinterseite des Brustbeines wurde beiderseits
ein kleiner Tampon eingeführt, die Wunde im übrigen vernäht. Heilung.
Als Ursprung der Geschwulst wird die vordere Rectusscheide angesehen, die
mit dem Desmoid völlig eins und nur mühsam abzupräparieren war.
E. Moser (Zittau).
28; H. Krause. Ein Beitrag zur Kasuistik des postoperativen Darm-
prolapses.
Inaug-Diss., Kiel, 1906.
K. beschreibt 5 in der Kieler Klinik während der letzten 2 Jahre beobachtete
Fälle, die sich auf etwa 900 Laparotomien verteilen. Auffallend ist wieder der
Mangel subjektiver Beschwerden beim Eintreten des Vorfalles. Derselbe trat ein
6, 8, 4, 121 und 11 Tage nach der Operation. In Fall 5 war Aufbrechen der
Wunde und Eingeweidevorfall eingetreten, obwohl die Bauchwunde schichtweise
858 | Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31.
vernäht war. Der Grund war in einer völlig fehlenden Heilneigung zu suchen, die
durch eine selbst durch die Autopsie nicht erklärte Anomalie des Allgemein-
zustandes bedingt war. In der Mittellinie zwischen Proc. ensif. und Nabel lag die
Operationswunde einmal; es war hier eine Jejunostomie bei Speiseröhrenkarzinom
angelegt worden. In den anderen 4 Fällen lag die Laparotomiewunde seitlich in
der unteren Bauchhälfte.e Erhöhte Rückenlage, Aufsitzen und Pressen bei Kot-
und Harnentleerung wirken hier schädigend auf die Wunde. Auch teilweises
Offenlassen der Bauchwunde wirkt schädigend, während Tamponade der Bil-
dung eines Vorfalles entgegenwirkt. Schädigend für einen festen Verschluß wirkt
ferner Entzündung innerhalb der Bauchhöhle, ebenso allgemeine Kachexie. Es
schneiden dabei die Nähte leicht durch, und dann kommt durch Schwund der
Darmmuskulatur und Herabsetzung des Darmtonus leicht Meteorismus zustande.
Hustenstöße wirken weiter schädigend.
Die mitgeteilten Fälle betreffen 4 Männer und eine Frau. Bei letzterer ist
anzunehmen, daß außer der Kachexie der durch 13 Geburten bedingte Elastizitäts-
verlust der Bauchdecken auf den Vorfall begünstigend eingewirkt hat. Fall 5 be-
weist die große Toleranz des Bauchfells. Obwohl fast der ganze Dünndarm vor-
gefallen und mit Pflastermasse bedeckt war, traten an ihm keine Entzündungs-
erscheinungen auf. Der Dünndarm wurde aber in diesem Falle bei der Reposition
falsch gelagert, wodurch ein Volvulus entstand, der nach Einsetzen der Peristaltik
vollständig wurde. Ein Selbstzurückgehen des Darmes wurde in Fall 3 beobachtet
bei einer 69jährigen Frau. Auf Grund derartiger Beobachtungen wird es sich
empfehlen, falls sich vorgefallene Därme entweder infolge ihrer Größe oder infolge
von Verwachsungen nur schwer reponieren lassen, durch geeignete Lagerung zu
versuchen, ein Rückgehen des Vorfalles einzuleiten. Der schon erwähnte Pat. von
Fall 5 lag nach Entstehen des Vorfalles mit stark angezogenen Beinen im Bette.
Wahrscheinlich hatte er instinktiv diese Lage eingenommen, um durch die größt-
mögliche Entspannung der Bauchdecken jeden weiteren Druck auf den Bauchinhalt
und somit weiteres Vorfallen zu verhüten. E. Moser (Zittau).
29) H. Dreesmann. Die Tampondrainage in der Bauchhöhle.
(Med. Klinik 1906. Nr. 23.)
Von einer zweckmäßigen Tamponade verlangt D. leichte Entfernbarkeit bei
guter und vollständiger Ableitung der Absonderung. Die »Tampondrainage« be-
steht aus Hegar’schen, unten geschlossenen, 5—20 cm langen, 1—3 cm Durch-
messer besitzenden, am Boden und an den Seiten mit Öffnungen von 1 bis höch-
stens 2 mm Durchmesser versehenen Glasdrains, die mit Gaze fest ausgestopft
werden (Bezugsquelle: Josef Krause, Köln, Schildergasse 96A). Einmal legte sich
in eine zu weite Drainöffnung Darmwand hinein; da die Rückbringung nicht ge-
lang, mußte Abtragung und Darmnaht erfolgen. 3- oder 4mal unter 200 Fällen
traten in die Seitenöffnungen Netz oder Granulationen ein, die die Entfernung der
Drains erschwerten. Sonstige Nachteile, insbesondere Druck auf den Darm, wurden
nicht beobachtet. Die Gaze wird mehrmals täglich gewechselt; nach und nach
werden kürzere und dünnere Drains eingelegt. Georg Schmidt (Berlin).
30) Hanley. Report of four cases.
(Buffalo med. journ. 1906. Januar.)
Hervorzuheben sind zwei Fälle von umschriebener Peritonitis infolge von Netz-
torsion.
a. 3 Tage nach einem Stoß gegen den Leib Druckempfindlichkeit und Rigi-
dität der rechten Bauchmuskeln. Die Operation ergab ein stranguliertes, fast gan-
gränöses Netzstück, welches mit dem seitlichen Bauchfell, Blind- und Dünndarm
verwachsen war; der sekundär entzündlich veränderte Wurmfortsatz lag dahinter.
Heilung nach Netzresektion.
b. Nach einer Überanstrengung der Bauchmuskulatur durch schweres Heben
traten anfänglich leichte, dann anfallsweise heftige Schmerzen im Laufe einiger
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 859
Wochen auf. Bei der Laparotomie fand sich ein ganz ähnlicher Befund wie im
Falle a., auch was den Wurmfortsatz anbetrifft. Pat. erkrankte 6 Tage nach der
Operation an Delirium potatorum und sprang aus dem 3. Stock des Hospitals
40 Fuß tief herab; er zog sich außer der Erschütterung nur einige Hautabschür-
fangen zu, und genas glatt. Die Bauchwunde heilte per primam. Entlassung nach
3 Wochen. Mohr (Bielefeld).
31) Robbers. Über Pneumokokkenperitonitis.
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 23.)
Die mitgeteilten drei Fälle betrafen zwei weibliche Erwachsene und ein
6jähriges Kind. Es handelte sich um abgesackte Exsudate, in denen Pneumo-
kokken in Beinkultur sich fanden. Heilung durch Operation.
Borchard (Posen).
32) Blecher. Über die Perforation des Magen- und Zwölffingerdarm-
geschwüres.
(Deutsche militärärztl. Zeitschrift 1906. Hft. 3.)
Schilderung zweier Fälle von Perforationsperitonitis, von welchen es sich ein-
mal um den Durchbruch eines Zwölffingerdarm-, das andere Mal um den eines
Magengeschwüres handelte. Beide Pat. wurden durch die Naht der Durchbruchs-
öffnungen geheilt; eine Magenfistel, die sich in dem einen Falle nach der Operation
bildete, schloß sich spontan. Die Symptome des Durchbruches bestanden in Er-
brechen und anfallsweise auftretenden Leibschmerzen, sowie Auftreibung des Leibes.
Vor dem Eintritte der Perforation waren die Leute scheinbar völlig gesund, wenig-
stens hatten sie keinerlei Beschwerden gehabt; auch traten die Perforationen nicht
unter chokartigen Erscheinungen ein. Herhold (Altona).
33) Ahrens. Über einen Fall von multiplen Magengeschwüren mit
Bemerkungen über die chirurgische Behandlung des Ulcus rotundum.
(Med. Korrespondenzbl. d. württemb. ärztl. Landesvereins 1906. Mai 26.)
49jährige Frau mit schwersten Stenoseerscheinungen nach langjährigem Ge-
schwürsleiden. Bei der Laparotomie fand sich ein mit der unteren Leberfläche
verwachsenes, perforiertes Geschwür der kleinen Kurvatur, das vernäht wurde.
Außerdem wurde wegen starker perigastritischer Verwachsungen des Pylorus mit
der hinteren Bauchwand, verursacht durch ein altes Magengeschwür, die Gastro-
enterostomia retrocolica posterior gemacht. Schließlich war noch eine dritte Ope-
ration notwendig; denn etwa zwei Finger breit von der Perforationsstelle lag auf der
Vorderfläche des mäßig erweiterten Magens in der Ausdehnung eines kleinen
Handtellers ein ganzes Nest (83—10) von kleinen frischen Magengeschwüren. Um
einer Perforation dieser Geschwüre in die freie Bauchhöhle vorzubeugen, wurde
die ganze geschwürige Partie in eine Falte des Magens genommen und dadurch
übernäht, wodurch außerdem noch eine Verkleinerung des vergrößerten Magens
erzielt wurde. Es fanden sich also in vorliegendem Falle drei verschiedene Phasen
des Magengeschwüres, und jede Phase verlangte ihre eigene Operation. Heilung
mit guter Magenfunktion.
A. hält für das Magengeschwür mit oder ohne Stenose, wenn die Indikation
zur Operation vorliegt, die Gastroenterostomie für das Normalverfahren, und zwar
die retrocolica posterior, da die Funktion der Fistel bei dieser meistens sofort eine
ideale ist. Dagegen erlebte A. in zwei Fällen, in welchen er wegen starker
Schrumpfung des Magens gezwungen war, die vordere Gastroenterostomie nach
Wölfler auszuführen, Circulus vitiosus nach der Operation.
A. empfiehlt bei Anlegung der Magen-Darmfisteln den Narath’schen Gastro-
phor. Die Gastrolyse gab A. in einem Falle nur vorübergehenden Erfolg, die
Gastroenterostomie mußte wegen neuer Verwachsungen doch angeschlossen werden.
Mohr (Bielefeld).
860 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31.
34) A. E. Halstead. Acute postoperative dilatation of the stomach,
with report of a case following nephropexy.
(Surgery, gynaecology and obstetrics Bd. I, 13.)
Verf. berichtet über einen Fall von akuter Magendilatation nach einfacher
Nephropexie, der am 5. Tage nach der Operation deshalb tödlich endete. Die
Diagnose wurde erst durch Autopsie gestellt. Verf. rät deshalb, mehr an die
Möglichkeit dieser postoperativen Komplikation zu denken. Die Anheftung der
rechten Wanderniere war leicht, geschah in 40 Minuten, ohne Eröffnung des
Bauchfelles. Bei der Sektion war keine Spur von Peritonitis nachzuweisen; da-
gegen füllte der Magen den ganzen Bauch bis ins Becken hinein aus. Die Därme
waren kollabiert und lagen im Becken. Außer dem Magen war auch noch der
Anfangsteil des Duodenum bis zur Umbiegungsstelle mit erweitert; hier fühlte
sich das Mesenterium dick an (arterio-mesenterialer Darmverschluß an der Duo-
deno-Jejunalgrenze? Verf.). Das Leiden begann am Tage nach der Operation mit
Ubelkeit und reichlichem Erbrechen; Stuhl und Winde fehlten anfangs. Der Tod
erfolgte am 6. Tag unter Pulsfrequenz über 140 und normaler Temperatur.
Verf. erinnert daran, daß derartige akute Magenerweiterungen besonders nach
Verletzungen von Gehirn und Wirbelsäule gesehen wurden. (Thompson beob-
achtete vier derartige Fälle; bei uns hat Kausch zuerst darauf hingewiesen) Dann
erinnert Verf. daran, daß dieselbe Komplikation nach Operation an anderen intra-
abdominalen Organen gesehen wurde (Gallenblase, Eierstock usw... Er empfiehlt
zur Behandlung vor allem häufiges Magenaushebern und subkutane wie rektale
Infusionen. (Ref. beobachtete nach Magenresektion [Billroth I) eine solche akute
Erweiterung des Magenstumpfes ohne mechanisches Hindernis; hier war hoch-
gradiger Magensaftfluß schon vor der Operation vorhanden, und alle Beschwerden
verschwanden, als Ref. durch eine zweite Laparotomie den tiefsten Magenteil mit
dem Jejunum vereinigt hatte.) Heile (Wiesbaden).
35) D. Schwarz. Ein Fall von Stenose des Pylorus seltener Ätio-
logie.
(Liecnicki viestnik 1905. Nr. 11. [Kroatisch.))
Der nun 50jährige Pat., der immer ganz gesund war, trug vor 10 Jahren Säcke,
wobei er sich auf der Stiege nach vorn beugte und da plötzlich einen sehr großen
Schmerz fühlte. Er mußte sich sofort ins Bett legen und war 3 Monate schwer
krank. Krampfhafte Schmerzen, Erbrechen, auch von reinem Blute, beherrschten
das Krankheitsbild. Seit dieser Zeit leidet er an Schmerzen, saurem Erbrechen,
oft auch Blutbrechen, bis sich das komplette Bild einer Pylorusstenose entwickelt.
Direktes Trauma ist kein seltenes Moment in der Atiologie des Magen-
geschwüres, doch ist ein Entstehen dieser Erkrankung durch plötzliche Muskel-
anspannung noch nicht beschrieben; es wird nur die Möglichkeit dieses Momentes
von Stern, v. Mikulicz und Kausch zugegeben. Verf. schließt, daß es in sei-
nem Falle unzweifelhaft klar ist, wie sich vom Augenblicke der Muskelanspannung
das Magengeschwür entwickelte. v. Cackovié (Zagreb-Agram).
36) H. Ambos. Ein Fall von Sanduhrmagen mit Heilung durch
Gastroanastomose.
Inaug.-Diss., Kiel, 1905.
Eine 48jährige Arbeiterfrau, die in ihrer Jugend einmal Magenbluten und
öfters Magenbeschwerden gehabt hatte, litt seit einigen Wochen wieder an hef-
tigem Erbrechen und Schmerzen. Sie zeigte eine stark ausgebildete Lordose der
Lendenwirbelsäule, wodurch die Aorta in ihrem ganzen Verlaufe der vorderen
Bauchwand genähert wurde. Bei Aufblähung des Magens war im linken Hypo-
chondrium bis zur Nabelhöhe allenthalben tympanitischer Magenschall, dagegen
nirgends rechts von der Mittellinie. Bei der Laparotomie fand man die Pars py-
lorica von dem übrigen Teile des Magens durch ein kinderhandgroßes, stenosie-
Zentralblatt fir Chirurgie. Nr. 31. 861
rendes Geschwiir mit wellenartigen Randern voneinander getrennt. Das Geschwiir
saß auf der Rückfläche und war mit der Gegend des Pankreas weit verwachsen
und verengte die Magenlichtung bis auf zwei Querfingerbreite. Zwischen kardialem
Teile und Pars pylorica wurde etwas oberhalb der großen Kurvatur eine Anasto-
mose mit dreifacher Nahtreihe hergestellt. Heilung.
Von den bisher veröffentlichten Fällen von Gastroanastomose ist nur ein Fall
von v. Eiselsberg tödlich verlaufen, bei dem die Naht nicht hielt. Die Gastro-
anastomose muß als das am wenigsten eingreifende und sicherste Operations-
verfahren bei Sanduhrmagen angesehen werden. E. Moser (Zittau).
37) Moynihan. Sanduhrmagen.
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XVI. Hft. 1.)
M. hat 23 Fälle von Sanduhrmagen operiert, 21 gut-, 2 bösartige. Davon
starben 4 im Anschluß an die Operation; bei den anderen war der Erfolg fast
durchweg gut. 6mal wurde die Gastroplastik, 1mal Gastroanastomose, 7mal Gastro-
enterostomie, 1mal Dilatation ausgeführt. War zugleich daneben eine Pylorus-
stenose vorhanden, so wurde die Gastroplastik und eine Gastroenterostomie (3mal),
oder Gastroanastomose mit Gastroenterostomie (3mal) ausgeführt. Bei den malignen
Fällen wurde 1mal die Jejunostomie, 1mal Gastroplastik mit Pyloroplastik ge-
macht.
Nach kritischer Sichtung der Literatur kommt M. zu dem Resultate, daß kein
Beweis geliefert worden ist dafür, daß es einen angeborenen Sanduhrmagen gibt.
Alle bisher beobachteten Fälle sind durch Geschwür, Perigastritis oder bösartige
Neubildungen entstanden.
In einer seiner Beobachtungen, die gewiß einzig ist, war der Magen durch
zwei Stenosen, entstanden auf dem Boden narbig geschrumpfter Geschwüre und
Ti/g cm voneinander entfernt, in drei Säcke geteilt. In einem anderen, gleichfalls
einzig dastehenden Falle waren sogar drei Verengerungen vorhanden, die eine im
Magenkörper, eine nahe dem Pylorus und die dritte, ungefähr 3,7 cm vom Pylorus
entiernt, im Duodenum; es entstanden dadurch vier Säcke.
Unter seinen letzten 16 Fällen stellte M. vor der Operation 14mal die Diagnose.
Haeckel (Stettin).
38) Pinatelle et Cavaillon. Deux cas de metastase d’un cancer
gastrique dans le cräne et les méninges.
(Province med. 1906. Nr. 15.)
Die Seltenheit in dem Schädel und den Hirnhäuten metastasierender Magen-
kearzinome wird durch die Literatur bestätigt. Es werden zwei Fälle beschrieben.
Beide bestanden in Pylorusgeschwülsten. Die eine hatte eine Metastase gebildet,
welche einerseits das Orbitaldach perforierte und auf der anderen Seite die Dura
vor sich her schob, ohne sie zu durchbrechen. Diese zweite Geschwulst bildete
unter der Innenseite der Dura in den weichen Hirnhäuten eine handtellerbreite
fungöse Aussaat ohne Perforation nach außen über der parieto-occipitalen Region.
Den ersten Fall benennen Verff. als Fungus der Dura mater, den zweiten als
karzinomatöse Meningitis. A. Hofmann (Karlsruhe).
39) Thiele. Chronischer Dleus infolge von subkutaner Zerreißung der
Bauchdecken. Bauchschnitt; Dienstfähigkeit.
(Deutsche militärärztl. Zeitschrift 1906. Hft. 3.)
In dem interessanten und seltenen Falle handelte es sich um eine subkutane
Zerreißung der Bauchdecken (Muskulatur, Fascie, Bauchfell) infolge Stoßes einer
Deichsel gegen den Bauch. Nach 15 Tagen traten Ileuserscheinungen auf, und es
wurde bei der Operation eine durch den traumatischen Bauchwandschlitz hindurch-
getretene gedrehte Dünndarmschlinge angetroffen. Diese wurde, nachdem sie in
die richtige Lage gebracht war, reponiert und die Bauchwunde vermittels durch
fibrés entartetes Bauchfell und Muskulatur durchgreifender Nähte bis auf eine
862 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31.
kleine, für den Tampon bestimmte Stelle geschlossen. Trotz dieser ungünstigen
Gewebsverhältnisse trat kein Bauchwandbruch ein — die Operation ist 11/, Jahre her.
Herhold (Altona).
40) Knowlton. Tumor of the cecum and ascending colon; removal
and recovery.
(Journ. of the amer. med. assoc. 1906. Mai 26.)
Bei 56jähriger Frau fanden sich bei größter Abmagerung die Zeichen des
chronischen Darmverschlusses und eine große Geschwulst in der Blinddarmgegend.
Bei der vorgenommenen Operation ergab sich, daß sie den ganzen Blinddarm
und den ganzen aufsteigenden Dickdarmschenkel einnahm und umgeben war von
zahlreichen festen Verwachsungen, von denen ein Teil gelöst wurde; der schlechte
Allgemeinzustand verbot die Radikaloperation. Es trat darauf eine unerwartete
Besserung und Erholung ein, so daß 14 Tage nach der ersten Operation ein Kunst-
after angelegt werden konnte, durch den das Allgemeinbefinden glänzend beein-
flußt wurde. Etwa 3 Monate später wurde unter Ausschaltung des künstlichen
Afters eine Ileokolostomie vorgenommen und wieder nach einem Vierteljahre durch
eine vierte Laparotomie die Geschwulst mit Verwachsungen und dem erkrankten
Darmteil entfernt, dessen Stumpf kurz vor der neuen Verbindung eingestülpt und
vernäht wurde. Es erfolgte auch danach glatte Heilung. Die Geschwulst erwies
sich als Fibrolipom. K. bespricht im Anschluß an den Fall die große Toleranz
des Magen-Darmkanales bei chronischen Erweiterungen und die große Wider-
standsfähigkeit des Körpers gegen Sepsis in solchen Fällen, verursacht durch die
immunisierende Autointoxikation durch den stagnierenden Darminhalt. Deshalb
sind solche mehrfache Operationen in diesen Fällen sehr lohnend, nur muß man
auf einmal nicht zu viel vornehmen. Trapp (Bückeburg).
41) M. Schwarzschild. Zur Ätiologie der Lieberabszesse.
(Med. Klinik 1906. Nr. 22.)
Ein Mann wird wegen Leberabszeß unbekannten Ursprunges operiert und
stirbt 2 Tage später an Lungenembolie.. In der Leiche findet sich ein zweiter
Leberabszeß und eine Stecknadel im Wurmfortsatz, der in seiner Mitte eine Ne-
krose aufweist, sonst keine krankhafte Veränderung. Als Ursache der Leber-
abszesse ist die Perityphlitis anzusehen, veranlaßt durch die Einwanderung der
Stecknadel mit Mikroembolien. Georg Schmidt (Berlin).
42) Goebel. Über Leberabszesse.
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XV. Hft. 5.)
G. hat in Alexandrien in Agypten 23 Leberabszesse operiert; 19 davon be-
trafen Einheimische. Im Gegensatz zu den Erfahrungen anderer Arzte, nach denen
bei weitem mehr Europäer vom tropischen Leberabszeß befallen werden, überwogen
bei G. also erheblich die Eingeborenen. Der Alkohol und schwere alimentäre In-
fektionen der Leber durch verdorbene Fische usw. spielen bei der Prädisposition
eine Rolle; Malaria oder Entozoen hatten keinen Einfluß auf die Bildung der
Leberabszesse. Für die ätiologische Bedeutung der Dysenterien bietet G.’s Ma-
terial sehr ungleiche und zum Teil gar keine anamnestischen Angaben; doch hat
G. den Eindruck, daß es gerade die leichten Formen von Dysenterie sind, denen
öfter Leberabszesse folgen. Unter den 23 Fällen handelte es sich 6mal um mul-
tiple Abszesse; es scheint demnach in Übereinstimmung mit den Erfahrungen an-
derer ägyptischer Arzte hier die Multiplizität der Abszesse öfter vorzukommen,
während in anderen warmen Ländern die solitären Abszesse die Regel bilden. Be-
züglich der Diagnose hält G. die Probepunktion für unbedingt notwendig; aber er
hat sie nur vorgenommen, wenn alles zur sofortigen Operation bereit war. Von
G.’s Pat. starben 7 = 30%; bei diesen handelte es sich um mehrfache Abszesse
oder Komplikationen mit Empyem usw. G. ist durchaus für einzeitige Operation;
zur breiten Offenhaltung der Wunde soll man stets die Resektion eines nicht zu
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31. 863
kurzen Stückes einer Rippe, oder noch besser von zweien ausführen. Die Methode
Fontan’s, das Abkratzen der Abszeßwände, wird widerraten. Bei Durchbruch
eines Leberabszesses in ein Organ der Bauch- oder Brusthöhle soll man doch den
Abszeß noch von außen angehen, weil spontane Heilung trotz des Durchbruches
unsicher ist. Haeckel ‘Stettin).
43) Herringham. Cases of Riedel’s lobe, with remarks on the various
deformities of the liver.
(St. Bartholomews hospital reports Vol. XLI. 1906.)
H. geht aus von drei eigenen Beobachtungen von Riedel’schem Lappen, von
denen ein Pat. operiert wurde.
Die teilweisen Vergrößerungen der Leber zerfallen in drei Gruppen: 1) An-
geborene Mißbildungen. Unter 3000 Autopsien des Hospitals fand H. in elf Fällen,
daß der eine Leberlappen, gewöhnlich der linke, ganz unentwickelt blieb, während
der andere so vergrößert war, daß er eine abtastbare Bauchgeschwulst bildete.
2) Sogenannte Schnürleber; auch hier kommen außer erworbenen Deformitäten
angeborene vor, und in einzelnen Fällen wird die angeborene Abnormität durch
den äußeren Druck noch vermehrt. 3) Riedel’sche Lappenbildung durch Er-
krankung der Gallenblase oder der Umgebung. H. berichtet über zwei Fälle, in
welchen wegen dieser Affektion operiert wurde. Die erste Pat. wurde mit einer
harten, beweglichen Geschwulst in der Lendengegend aufgenommen, welche als
Wanderniere angesehen wurde; nach rechtsseitiger Nephropexie kein Nachlassen
der Beschwerden; bei der zweiten Operation wurde die Geschwulst als zungen-
förmiger Leberlappen erkannt und an die vordere Bauchwand angeheftet. 4) Leber-
deformitäten durch Lues. H. erwähnt einen Fall, in welchem die Geschwulst als
Nierengeschwulst angesprochen wurde, während bei der Autopsie ein luetischer
er rechter Leberlappen gefunden wurde. H. bespricht die oft schwierige
Unterscheidung von Wanderniere und Gallenblasenerkrankungen und empfiehlt bei
stärkeren Beschwerden stets die Laparotomie. Mohr (Bielefeld).
44) 8. P. Fedorow. Von den entzündlichen Erkrankungen der Gallen-
wege (Cholecystitis).
(Russ. Archiv für Chirurgie 1905. [Russisch.)
Die vom Verf. vorgetragenen Anschauungen sind die heute wohl allgemein
angenommenen. Mit besonderem Nachdruck betont er, daß alle Beschwerden von
dem Entzündungsgrade abhängen, in dem sich die Schleimhaut der Blase befindet,
keineswegs von den Steinen.
F. ist ein entschiedener Anhänger der idealen Operation, die er 6mal ausge-
führt hat. mal machte er die Cholecystektomie, 4mal die Cholecystostomie, 2mal
die Choledochotomie (1mal mit sofortiger Naht, imal mit Drainage). Diese Ein-
griffe wurden an 14 Pat. vorgenommen, die sämtlich genasen. Eine 15. Pat. ging
an Peritonitis zugrunde. Sie wurde operiert beädufs Erweiterung einer zu eng ge-
wordenen Gastroenterostomie. Die Gallenblase konnte wegen schwerer Verwach-
sungen am Pylorus überhaupt nicht freigelegt werden. Bei der Sektion zeigte sich,
daß die Blase mit Steinchen vollgestopft und vielfach durchlöchert war. F. hält
für wahrscheinlich, daß durch die Zerrungen bei der Operation, die an sich schon
dünne Wand an den Steinen durchgescheuert wurde.
V. E. Mertens (Breslau).
45) Heuer. The pancreatic ducts in the cat.
(Johns Hopkins hospital bulletin 1906. April. p. 106.)
Die Arbeit wird für denjenigen, welcher am Pankreas der Katze experimentell
zu arbeiten beabsichtigt, besonderen Wert haben. In zahlreichen vorzüglichen
Abbildungen ist die Topographie des Pankreas der Katze, die Lage und Verzwei-
gung der Gänge, besonders aber das Verhalten derselben bei der Einmündung ins
864 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 31.
Duodenum bzw. die Papilla Vateri veranschaulicht; die wichtigsten Varietäten
werden demonstriert. W. v. Brunn (Rostock).
46) D'Urso. Cisti a contenuto grassoso del mesocolon transverso.
Contributo alla patogenesi di una varietà di cisti mesenteriali.
(Policlinico 1906. Ser. chir. Nr. 6.)
jährige Frau. Seit 2 Jahren Schmerzanfalle. Im linken Hypochondrium
orangengroße bewegliche Geschwulst. Dieselbe sitzt im Mesocolon transver-
sum und läßt sich nach Spaltung seines vorderen Blattes leicht im ganzen
ausschaben. Ihr Inhalt ist dickflüssig, opak, nußgelb, ca. 50 ccm, Fett, in
Alkohol- Athermischung löslich. Die Wände der Cyste glatt, an einer Stelle
strangförmig verdickt. Mikroskopisch drei Schichten; eine innere, teils kernig,
teils Granulationsgewebe haltende; eine mittlere von Bindegewebe mit einzelnen
Zellanhäufungen und zerstreuten Lymphfollikeln. Nach außen vermehren sich letztere
und bilden die dritte Schicht, welche durchaus der Corticalis einer Lymphdrüse
gleicht.” Die Cyste ist aus einer solchen hervorgegangen durch Lymphstauung.
Auffallend ist der chylöse Inhalt, da beim Menschen der Dickdarm nur ausnahms-
weise bei der Resorption der Fette beteiligt ist.
E. Pagenstecher (Wiesbaden).
Zu „Eine neue Klemme zur Gastroenterostomie
und Enteroanastomie von Dr. Linnartz«.
Von
Privatdozent Dr. M. W. Herman.
Die von Dr. Linnartx in Nr. 26 d. Bl. beschriebene neue Klemme ist nicht
neu, da ich eine sehr ähnliche, fast identische, schon vor 21/2 Jahren in der Wiener
klin. Wochenschrift 1904 Nr. 8 beschrieben habe und darüber auch im Zentralblatt
für Chirurgie 1904 Nr. 32 von Hübener ausführlich referiert wurde.
Seit meimer ersten Publikation werden alle Gastroenterostomien und sehr viele
Einteroanastomosen in der v. Rydygier'schen Klinik mit Hilfe der »drablättrigen
Klemme« ausgeführt. Und in der v. Rydygier’schen Klinik wird prinzipiell nur
die Gastroenteroanastomosss retrocolica posterior nach v. Hacker ausgeführt, »stets mit
einwandsfreiem Resultate«. Deshalb kann ich nicht begreifen, warum Dr. Linnartz
die Verwendbarkeit der Klemme nur auf die Gastroenterostomia antersor begrenzt
sehen will.
Endlich will ich bei der Gelegenheit bemerken, daß mein Instrument nicht ge-
setzlich geschützt ist und von der Fabrik Georgeon und Trepecynski in Lem-
berg verfertigt wird.
Berichtigungen.
Pag. 840 Z. 20 v. o. lies L. v. Lesser statt Lesser. — Auf p. 53 des Berichtes
über den Chirurgenkongreß Z. 13 v. u. lies »lassen sich leicht vermeiden«, statt
nicht vermeiden«.
Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man
an Prof. BE. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags-
handlung Breitkopf & Härtel, einsenden.
Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig, Nürnbergerstraße 36/33.
Zentralblatt
CHIRURGIE
E. vn Begum, F Kig, E ie
Dreiunddreißigster Jahrgang.
u ET En EEE E EE E E E O :
Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei halbjähriger
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.
Nr. 32. Sonnabend, den 11. August. 1906.
Inhalt: 0. Witzel, Zur Gallenblasenexstirpation. (Original-Mitteilung.)
1) Sobotta, Atlas des Nerven- und Gefäßsystems. — 2) Ribbert, Zweckmäßigkeit in der
Pathologie. — 3) Secrötan, Unfallverletzungen. — 4) David, Orthopädische Chirurgie. —
5) Rarratonl, Muskelquetschung. — 6) Lennander, Lokale Anästhesie und Sensibilität in
Organ und Gewebe. — 7) Dauve, Gemischte Narkose. — 8) Beesiy, Azetonurie Anästhesier-
ter. — 9) Dubreuilb, Lymphdrüseuschwellungen mit Prurigo. — 10) Müller und Rau, Mittel-
ohreiterung. — 11) Tansini, Amputatio mammae.
12) Freie Vereinigung der Chirurgen Berlins. — 13) Ischmann, Staphylokokkenerysipel.
— 14) Porez, Chronische Bakteriimie. — 15) Coss, Tetanus. — 16) Armstrong, Lungen-
komplikationen nach Operationen unter Anästhesie. — 17) Šlajmer, 18) Dean, Lumbar-
anästhesie. — 19) Buri, Epidurale Injektionen. — 20) McKenzie, Lokale Stovainwirkung. —
21) Halsted, Tuberkulosebehandlung. — 22) v. Neumann, Lepra. — 23) Pasini, Bromexan-
them. — 24) Dubreulih, Rezidivierender Herpes. — 25) Steiner, Dermatomyositis. —
26) Koehne, Schidelplastik. — 27) Franke, Wasserschuß. — 28) Lévy u. Baudouin, 29) Pop-
pert, 30) van Hook, Trigeminusneuralgie. — 31) Hinsberg, Labyrintheiterung; Kimmel,
Otitis media. — 32) Apitz, Qangrän der Lider. — 33) Kelly, Teleangiektasien in Haut und
Schleimhäuten des Gesichts. — 34) v. Elselsberg, Schiefer Biß. — 35) Hercog, Zahnverlet-
zungen. — 36) v. Auffenberg, Plastische Verlängerung des Unterkiefers. — 37) Schwarz,
38) Wikerhauser, Zungenkropf. — 39) Overdyn, Osteomyelitis der Wirbelsiule. — 40) Hein-
rich, Hysterische Gestaltveränderung der Wirbelsäule. — 41) Stegmann, Morbus Basedow.
— 42) Strohe, Diaphragma der Luftröhre. — 43) Brézard und Morel, Herzwunden.
Zur Gallenblasenexstirpation.
Von
Prof. 0. Witzel in Bonn.
Die vollstandige Wegnahme der Gallenblase bei Cholelithiasis ge-
winnt immer mehr Anhinger. Gleich in der ersten, die Gallenblasen-
chirurgie inaugurierenden Arbeit empfahl Langenbuch die Entfernung
des Organes, welches als Hauptbildungsstätte der Gallensteine anzu-
sehen sei. Jetzt ist fast allgemein diese Anschauung als richtig an-
erkannt. Sicherheit gegen erneute Konkrementbildung kann bei Zu-
rücklassung des Organes überhaupt nicht vorhanden sein, da die
Bedingungen, die zuerst zur Steinbildung Anlaß gaben, doch ohne
32
866 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32.
weiteres fortbestehen; nach operativen Eingriffen — mag nun eine
Cystostomose oder auch eine »ideale« Cystotomie ausgeführt worden
sein — sind die Vorbedingungen für Konkrementbildung stets in noch
höherem Maße gegeben. Denn der feine Ausdehnungs- und Entlee-
rungsmechanismus, der normalerweise an der Gallenblase besteht, wird
durch jeden operativen Eingriff zum mindesten gestört, gewöhnlich
wird er aufgehoben.
Es war nicht nur der entschuldbare Wunsch, Neues zu leisten,
welche die Chirurgen nach Langenbuch veranlaßte, allerhand Me-
thoden zu erfinden. Die Gallenblasenexstirpation, wie sie Langenbuch
ausführte, kann recht unangenehme Nachteile haben; das sind: Blutung
aus der Lebernische, Schwierigkeit einer sicheren aseptischen Versorgung
des Stieles, Hinterlassung einer großen wunden Fläche, von der aus-
gehend Adhäsionen zu erwarten sind an einer Stelle, wo wir sie, zumal
wegen der Pylorusnachbarschaft, durchaus nicht für wünschenswert er-
achten können. Aus diesen Übelständen folgt dann die Notwendigkeit,
einen Teil des Bauchschnittes offen zu lassen und zu tamponieren.
In einem Vortrage, den ich in der Sitzung der Niederrheinischen
Gesellschaft für Natur- und Heilkunde am 18. Januar 1904 hielt,
habe ich dargetan, daß bis dahin nicht bekannte, jedenfalls nicht be-
achtete anatomische Verhältnisse es ermöglichen, die Gallenblasen-
exstirpation nicht nur in technisch leichter und sicherer Art, sondern
auch mit Vermeidung der angegebenen Nachteile auszuführen.
Wie im Spatium Retzii die Harnblase in einem lockeren
Bindegewebslager liegt, sich in demselben bei Ausdehnung
und Entleerung bewegt, so ist auch die Gallenblase von weit-
maschigem Bindegewebe (sp. sp.) umgeben, das sich subperi-
toneal sowohl, als auch zwischen Gallenblase und Leber —
durch Injektion leicht anatomisch darstellbar — erstreckt.
Die hiermit gegebene Verschieblichkeit zur physiologischen Fül-
lung und Entleerung wird zweifelsohne bei jeder Entzündung vorüber-
gehend beeinträchtigt, die sich im Innern abspielt; sie wird dauernd
durch ausgedehnte und umschriebene Pericholecystitis geschädigt. Das
Wechselspiel, bei dem die Galle das Reservoir unter Verschiebung
gegen die Lebernische ausfüllt, die Kuppe zum Vorragen bringend,
um dann, durch Eigentätigkeit der Gallenblase sowohl, als auch durch
helfenden Druck des peristaltisch sich bewegenden Magens und Darmes,
entleert zu werden, dieses Wechselspiel wird bei ausgedehnter Peri-
cholecystitis aufgehoben, bei umschriebener Strangbildung in mannig-
facher Weise abgeändert.
Bei Bandbildung am Halsteilder Gallenblase geschieht das unter Her-
beiführung von Erscheinungen, welche das Vorhandensein eines Querbandes, fast
mit Sicherheit vor Eröffnung des Abdomens klinisch vermuten lassen. — Am Über-
gange vom Gallenblasenhalse zum Cysticus bekommt besonders häufig ein Stein
feste Lagerung für längere Zeit. Ringförmige Wandveränderung, weiterhin quer-
verlaufende pericholecystitische Narben bleiben zurück, auch wenn der Stein längst
seinen natürlichen Abgang gefunden hat oder in die Gallenblase zurückgesunken
ist. Der Fundusteil der Gallenblase bleibt bei Bandbildung quer über den Hals-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 867
teil normal in dem lockeren Bindegewebslager beweglich und ausdehnungsfähig.
Periodisch füllt sich die Gallenblase von den normalen Gallenwegen her ohne
Schwierigkeit an, während für die Entleerung die ringförmige Verengerung hinder-
lich ist. Die letztere erfolgt dann nicht in physiologischer Abhängigkeit während
der Verdauung, sondern nach Eintritt starker Spannung mit leichten wehenartigen
Schmerzen. Diese täglichen, ein- oder zweimal wiederkehrenden Kolikanfälle leichter
oder leichtester Art haben uns in den letzten Jahren wiederholt dazu gebracht,
eine Bandbildung am Gallenblasenhalse diagnostisch zu vermuten. Da die einfache
Durchtrennung des Bandes von Bildung eines neuen gefolgt werden würde, ist hier,
auch obne daß noch Steine in der Gallenblase vorhanden sind, die Exstirpation
indiziert; sie befreit mit Sicherheit von den geschilderten Beschwerden.
Nun läßt sich die Auslösung der Gallenblase in dem geschilderten
Bindegewebslager nicht nur außerordentlich leicht ausführen, es ge-
lingt bei derselben auch in der einfachsten Weise, die Nachteile zu
vermeiden, die nach obigem sonst der Cholecystektomie anhaften und
ihrer allgemeinen Annahme als Eingriff der Wahl hinderlich waren.
— Die Technik gestaltet sich folgendermaßen:
Durch einen zu einem Drittel oberhalb, zu zwei Dritteln unter-
halb des Rippenbogenrandes liegenden Längsschnitt wird, ungefähr
der Mitte des rechten Rectus entsprechend, die vordere Muskelfascie
bloBgelegt und letztere im mittleren Drittel des Schnittes durchtrennt.
Dann geht es schonend stumpf zwischen den Fasern des Muskels
(ev. mit scharfer Durchtrennung der Inscriptio tendinea und mit Gefäß-
unterbindung) in die Tiefe, weiterhin scharf und schon jetzt mit leichter
medialer Abweichung des Schnittes oben bis durch das Peritoneum.
Wir stellen das Vorhandensein von Veränderungen an der
Gallenblase, vorsichtig tastend, dann, bei auseinander gezogenem
Wundspalt, sehend, fest; wir erweitern, wenn die Exstirpation sich
als indiziert erweist, sofort nach unten und nach oben, hier längs
des Rippenbogens vorgehend, überall mit Hakenklemmen das Bauch-
fell fassend, den Eröffnungsschnitt so, daß die Verhältnisse der Gallen-
blase zu überblicken sind. Es wäre einfach leichtsinnig, weiter zu
gehen, bevor eine wirklich klare Einsicht gewonnen ist. Wer viel
wegen Cholelithiasis operiert, wird immer wieder feststellen können,
wie neben leichteren Verwachsungen oft feine kurze Verbindungen sich
finden, die ganz unschuldiger Natur zu sein scheinen und doch Gänge
enthalten, welche, nach stattgehabten inneren Perforationen, zwischen
Gallenblase und Darm zurückblieben.
Vorsichtig und umsichtig umstopfen wir das Operationsgebiet mit
feuchten, warmen Kompressen, die mittels eines Gazelappens gefaßte
Leber anziehend. Das Anziehen und allmähliche Herauskippen des
Leberrandes ist um so notwendiger, je mehr wir am Cysticus und Chole-
dochus zu tun haben, je größer voraussichtlich die Schwierigkeit ist, gerade
die Teile in der Tiefe bloßzulegen. An letzteren können und dürfen wir
keinen größeren Zug ausüben. Beweglich ist — von den sehr sel-
tenen ausgedehnten perihepatischen Verwachsungen abgesehen — der
freie Leberrand. Ihn ziehen wir an, mit ihm die Gallenblase und
weiterhin die Gallengänge. Es geschieht nichts an der immer freier
32*
868 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32.
zutage tretenden Gallenblase, bevor der Halsteil, dann der Cysticus
bis zum Choledochus zu bequemer, sicherer Hantierung vor uns liegt.
Die subperitoneale Auslösung der Gallenblase vollzieht
sich, wenn keine pericystitischen Veränderungen da sind, außer-
ordentlich leicht. Gleichmäßig ruhig angezogen liegt die Leberpartie,
welche die Gallenblase trägt, um den Rippenbogen nach rechts oben
umgekippt. Ein etwa vorhandener Schlußstein wird in die Gallen-
blase gedrückt, aus letzterer eventuell umgekehrt, um übermäßige
Spannung aufzuheben, etwas Inhalt ausgepreßt. Mit einer Klemm-
zange, deren Faßenden, um scharfen Druck zu vermeiden, etwas
mit Gaze umwickelt sind, wird der Cysticus (bei a) gefaßt. — Mit
leichter Messerführung wird die Serosa über dem mittleren Drittel
der Gallenblase, dann weiter nach dem Cysticus hin der Länge nach
gespalten. Das lockere Bindegewebslager wird mit größter Sorgfalt
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zwischen zwei anatomischen Pinzetten auseinander gezogen, beiderseits
der Schnittrand geliiftet, so daß ein stumpfes Instrument (Kocher-
sche Sonde), dann der Finger untergeführt werden kann. Oft läßt
sich mit einigen Fingerschlägen die ganze Blase fast ohne jede Blu-
tung herausheben. Bei stärkeren Veränderungen bedarf es größerer
Vorsicht, um das ganze Organ mit Flüssigkeit und Steininhalt ohne
Wandverletzung auszulösen. — Nun wird im Innern des gespaltenen,
von der Peritonealhülse gebildeten Hohlraumes die Gallenblase, da
wo sie sich zum Cysticus verjüngt, fein gefaßt, kuppenwärts wird der
Inhalt verdrückt und durch eine Querklemme zurückgehalten. Ca. 1 cm
vom Cysticusbeginn entfernt wird die Amputation der Gallenblase
glatt ausgeführt (b b1). Leicht läßt sich stumpf der innere Mucosa-
trichter bis zur provisorischen Abschlußschleife, bzw. bis zu der Klemme,
die am Cysticus (beia) liegt, stumpf herausnehmen. Mit feinsten Lembert-
nähten wird die fipromuskuläre Manschette eingestülpt. In zweiter,
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 869
auch dritter Etage angelegt, dienen weitere Nähte dazu, den Stumpf
sicher abzuschließen, ihn nach Abnahme des provisorischen Verschlusses
immer mehr gegen den Choledochus hinzudrücken. Wir nähen das kleine
klumpige Gebilde fest in sich zusammen, um eine dauernde Obliteration
des Cysticusrestes zu sichern. — Da der Stamm der A. cystica gewöhnlich
nicht verletzt wird, blutet es gewöhnlich gar nicht im Innern des Sackes;
sonst werden sorgfältigst einige Seidenligaturen angelegt. Von der
Cysticusgegend beginnend werden die Ränder der Serosalappen durch
einige Lembertnähte eingestülpt, so daß das Ganze der Lebernische
schon als Längswulst ziemlich fest aufliegt. Dann folgt mit größter
Sorgfalt, unterbrochen oder besser fortlaufend angelegt, eine zweite
Serosanaht. Nur eine glatte Nahtlinie bleibt an der Exstirpationsstelle
zurück. — Selbstredend wird der Bauchschnitt bei diesen typischen
Fällen vollständig vernäht, ohne Drainage, ohne Tamponade.
Nach einiger Übung des Verfahrens macht die aseptische Aushülsung
der Gallenblase auch in solchen Fällen keine unüberwindlichen Schwierig-
keiten, in denen das Herausheben der Leber und Gallenblase erst nach
Lösung ausgedehnter Verwachsungen möglich war. Sie gelang uns so-
gar in Fällen, wo wir Kommunikationen mit dem Dickdarm zu versorgen
hatten, mit ovalärer Umgehung der provisorisch vernähten Gallenblasen-
öffnung so sicher, daß wir von einer Drainage absehen durften. Man
geht in solchen Fällen in das Spatium da ein, wo die geringsten Ver-
änderungen sich finden, gewöhnlich nahe der Kuppe; dann gelingt
des weiteren oft die Trennung am ehesten zwischen Gallenblase und
Leber.
Das von uns geübte Verfahren nimmt der Gallenblasenexstirpation
die früheren Nachteile. Aseptisch, ohne Blutung durchgeführt, hinter-
läßt der Eingriff eine glatte Nahtlinie über einem gut versorgten Stiele;
die Bauchhöhle kann gefahrlos ohne Tamponade geschlossen werden.
Wie bei der Ovariotomie, dann bei der Appendixexstirpation, ist nun-
mehr auch für die Cholecystektomie die Versorgung des Stumpfes
technisch so entwickelt, daß seine Versenkung unter dem Schutze
einer glatten Peritonealdecke erfolgen kann.
1) J. Sobotta. Atlas der deskriptiven Anatomie des Men-
schen. III. Abteilung. 1. Lieferung: Das Nerven- und Ge-
fäßsystem des Menschen.
München, J. F. Lehmann, 1906.
Die empfehlende Kritik im Zentralblatt 1905 Nr. 8 der Il. Ab-
teilung des S8.’schen Atlas hat in gleicher Weise ihre Geltung für diese
neue, prachtvolle III. Abteilung. Die von dem Maler Karl Hajek
herrührenden 186 meist farbigen, zum großen Teil ganzseitigen Ab-
bildungen sind so unmittelbar belehrend und gleichzeitig so schön,
daß man das Buch gar nicht aus der Hand legen mag. Durch diese
ideale Zusammenarbeit des Künstlers mit dem Gelehrten wird es
möglich, spielend leicht Anatomie zu lernen; der Praktiker, namentlich
870 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32.
der Chirurg, kann sich daher sehr schnell in diesem Buch über jedes
Gebiet des Nervensystems und Gefäßsystems orientieren unter gleich-
zeitiger Benutzung der klaren begleitenden Textworte. Immer wieder
von Neuem überrascht die Vielseitigkeit der Durchschnitte, in deren
Auswahl Verf. gleichzeitig den praktischen Bedürfnissen Rechnung
getragen hat. Die große Nachfrage, die das Werk erfahren hat, ist
daher leicht verständlich, und man darf mit Spannung dem Er-
scheinen des abschließenden Bandes entgegensehen.
Scirmieden (Bonn).
2) H. Ribbert. Zweckmäßigkeit in der Pathologie.
Bonn, Friedrich Cohen, 1906.
R. wendet sich in seiner kleinen naturphilosophischen Studie mit
Recht gegen die in letzter Zeit wieder aufgetauchte teleologische Be-
trachtungsweise physiologischer und pathologischer Vorgänge — Bier,
Goldscheider. An mannigfachen Beispielen bringt er den Be-
weis für die Haltlosigkeit des Zweckmäßigkeitsbegrifies bei wissen-
schaftlichen Untersuchungen und der Deutung von Naturerscheinungen.
Es ist ein willkürliches Vorgehen, »Zwecke in die Natur hineinzutragen,
von deren Vorhandensein die Erfahrung uns nichts sagt«. Wenn wir
als Arzte gewisse biologische Vorgänge zur Heilung von Krankheiten
benutzen, so handeln wir zweckmäßig, wir verfolgen einen Zweck,
nicht sind die Vorgänge an sich zweckmäßig. Diese kann man ein-
fach als »vorteilhafte« oder »nützliche« bezeichnen oder, wie Verf. in
Anlehnung an den von Roux eingeführten Ausdruck — dauerfähig
bezüglich dauerfördernd — vorschlägt, als dauermäßige — für das
Individuum, für die Art — bezeichnen. Müller (Dresden).
3) H. Secrétan. L'assurance contre les accidents, obser-
vations chirurgicales et professionelles.
Genève, Eggimann, 1906.
In den ersten Kapiteln behandelt Verf. einige Unfallsverletzungen
und Erkrankungen, deren Beurteilung insofern gelegentlich Schwierig-
keiten macht, als die Geringfügigkeit der Verletzung im Gegensatze
steht mit der langen Dauer der Erkrankung, der Erfolglosigkeit der
Behandlung und dem ungünstigen Resultate der Funktionsfähigkeit.
Hierhin gehört das chronische Odem des Handrückens, Fingeratro-
phien, Lumbago und Hernien. Im zweiten Teile wird die Behandlung
von Unfallverletzungen im weitesten Sinne besprochen. Das poli-
klinische Verfahren soll hier möglichst einfach sein, streng aseptisch
und in möglichst weiter Ausdehnung konservativ. Es ist ein Fall
erwähnt, wo einem Arbeiter das halbe Endglied des Mittelfingers
gänzlich in einer Maschine abgehackt und in Zeitungspapier ein-
gewickelt S. übergeben wurde. Anheftung mit zwei Nähten, Anheilung
mit völliger Funktion. In den einleitenden Kapiteln des dritten
Teiles werden alle Gründe, Mittel und Wege angegeben, wie Ver-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 871
letzte ihre Rente erlangen, erhöhen und behalten wollen. Den Schluß
bildet eine allgemeine Besprechung aller Unfallskrankheiten sowie
ihrer prozentarischen Berechnung unter Berücksichtigung und Kritik.
der Schweizer (Gesetze. Coste (Breslau).
4) M. David. Grundriß der orthopädischen Chirurgie.
Zweite Auflage.
Berlin, S. Karger, 1906.
Die außerordentlichen Fortschritte der Orthopädie seit dem Er-
scheinen der ersten Auflage machten eine starke Umarbeitung und
Ergänzung des Grundrisses nötig. Die klare, übersichtliche Dar-
stellung, unterstützt durch zahlreiche, treffende Abbildungen, sichern
ihm auch weiterhin die alte Beliebtheit. Renner (Dresden).
5) Rarratoni. La contusione dei muscoli striati.
(Policlinico 1906. Ser. chir. Nr. 4.)
R. studierte an Meerschweinchen die Folgen von Muskelquet-
schungen. Mit einen Hammer führte er auf die Vorderseite der mit
Watte gleichmäßig umwickelten Oberschenkel Schläge aus. Es ent-
steht ein Bluterguß, die Muskelfasern werden zersprengt mit teil-
weisem oder völligem Verlust ihrer Struktur, Zerfall in Fibrillen. Die
Sarkolemmkerne wuchern, ebenso das Bindegewebe. Die Querstreifung
verliert sich. Dann beginnt eine Regeneration, welche nach dem
embryonalen Typus sich vollzieht und von den alten Sarkolemm-
kernen ausgeht. Diese Proliferation besteht lange nach dem Trauma
noch fort. Die Aponeurose wird hyperplastisch.
E. Pagenstecher (Wiesbaden).
6) Lennander. Über lokale Anästhesie und über Sensibilität
in Organ und Gewebe, weitere Beobachtungen. U.
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XV. Hft. 5.)
L. hat im weiteren Verfolg seiner bekannten Studien über die
Sensibilität von Organen und Geweben bei solchen Operationen, die
mit Lokalanästhesie oder Atherrausch zur Durchtrennung von Haut
und Bindegewebe, Bauchfell, Gelenkkapseln begonnen, dann aber ohne
Anästhesierung fortgesetzt wurden, fernere Beobachtungen über die
Empfindlichkeit einer Reihe von Organen angestellt. Er fand, daB
das Gehirn und die Dura mater, der Magen auch in seinem Cardia-
teil unempfindlich sind. Schon früher hatte er gezeigt, daß der Darm
unempfindlich ist; nun hat Treves kürzlich behauptet, sehr viele
gesunde Menschen seien bei Druck auf den Munro’schen Punkt
(d.h. ein wenig medial und oberhalb vom McBurney’schen Punkt)
empfindlich, und das beruhe auf Empfindlichkeit der Bauhin’schen
Klappen. L.’s Beobachtungen zeigen, daß diese Erklärung nicht zu-
treffend sein könne; denn die verschiedenartigsten direkten Reizungen
872 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32.
der Bauhin’schen Klappe bei Pat. mit Blinddarmfisteln ergaben deren
Unempfindlichkeit. Gallenblase, Scheide, Tuben und Nierenparenchym
sind unempfindlich, während das Nierenbecken bei der geringsten An-
spannung Schmerzempfindungen zeigte. Vom Skelettsystem sind nur
Periost und Gelenkkapseln mit den Bändern empfindlich, während die
Knochensubstanz selbst, Corticalis wie Mark, und Gelenkknorpel un-
empfindlich sind, was an mehreren genau beobachteten Operationsfällen
dargetan wird.
Zum Schluß faßt L. alle seine Beobachtungen zusammen und
kommt zu dem interessanten Resultat, daß die äußere Hülle des
Körpers, die Haut, überall eine Gefühlsqualität besitzt, Muskeln und
Aponeurosen mit verhältnismäßig geringer Sensibilität ausgestattet
sind. Im Innern des Körpers haben Pleura und Peritoneum parietale
mit umliegender Subserosa, Periost und seröse Gelenkkapseln Schmerz-
sinn, während ihnen wahrscheinlich Druck-, Wärme- und Kältesinn
fehlt. Dagegen entbehren Gehirn, Knochensubstanz mit Knorpeln,
Lungen, Herz, Blutgefäße, wenn sie vom umliegenden Bindegewebe
befreit sind, Schilddrüse, Leber, Gallenblase, Magen, Darm, Milz,
Pankreas, Nierenparenchym, die inneren Geschlechtsorgane des Weibes
und die serosabekleideten Teile des Hoden alle vier Gefühlsqualitäten.
Man kann darin nur eine sehr zweckmäßige Einrichtung erblicken.
Der Nutzen der hohen Empfindlichkeit der Haut ist im Hinblick auf
die Abwehr aller von außen kommenden Schädlichkeiten einleuchtend ;
ebenso zu gleichem Zwecke die Empfindlichkeit der parietalen Teile
der die großen inneren Höhlen auskleidenden serösen Häute. Dagegen
würde es keinen Nutzen haben, daß die inneren Organe selbst
empfindlich wären für schädliche von innen kommende Einflüsse; denn
eine unmittelbare Abwehr dagegen könne doch nicht geleistet werden.
Haeckel (Stettin).
7) O. Dauve. Des avantages des narcoses mixtes.
(Gaz. des hôpitaux 1906. Nr. 48.)
Verf. bricht eine Lanze für die Narkosengemische im allgemeinen
und das Weiger’sche (9 Teile Äther, 1 Teil Chloroform) im beson-
deren. Er hält für erwiesen, daß die Gemische weniger gefährlich sind.
Wenn Verf. am Schluß behauptet, daß v. Mikulicz die Narkosen
mit Gemischen geschätzt habe, so irrt er. In den v. Mikulicz’schen
Kliniken ist, soweit die mehrjährigen Erfahrungen des Ref. reichen,
nie mit Gemischen narkotisiert worden. V. E. Mertens (Breslau).
8) Beesly. Post-anaesthetic acetonuria: the significance of
delayed chloroform poisoning and the advantages of ether
over chloroform in acute infective conditions.
(Brit. med. journ. 1906. Mai 19.)
B. führte seine Untersuchungen durch an Kindern von 4 bis
12 Jahren vor und nach der Operation. Azeton findet sich im Urin
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 873
unter sehr verschiedenen Bedingungen, jedenfalls aber viel häufiger,
als man anzunehmen pflegt. Im gesunden Urin kann man es der
geringen Menge wegen mit Farbenreaktionen nicht nachweisen, aber
fast immer mit quantitativen Methoden. Nach Operationen hat Verf.
es stets durch Farbenreaktionen nachweisen können mit Ausnahme
eines einzigen, tödlich verlaufenden Falles. Die klinische Ahnlichkeit
zwischen der Säurevergiftung oder Azetonurie und der verzögerten
Chloroformvergiftung führt Verf. zurück auf eine bei beiden Zuständen
vorkommende Stoffwechselstörung, deren letztes Erzeugnis das Azeton
ist. Da man nun das Azeton nach jeder Operation in Narkose nach-
zuweisen imstande ist, so findet also bei jeder Allgemeinnarkose ein
gewisser Grad von Intoxikation statt. Die akute Azetonurie entwickelt
sich bei akut-infektiösen Zuständen: so lange nun Leber und Niere
normal arbeiten, gelingt es ihnen, das Auftreten von Vergiftungs-
erscheinungen durch entsprechende Azetonausscheidung zu verhindern.
Tritt aber jetzt die Einwirkung des Chloroforms auf Leber- und
Nierenparenchym dazu, so sinkt infolge Schädigung der Parenchym-
zellen die Azetonausscheidung: Vergiftungserscheinungen treten auf,
wie Aufregung, Delirien, Koma, unstillbares Erbrechen, das schließlich
blutig wird. Diese schweren Erscheinungen treten beim Ather nicht
auf! Zur Behandlung auftretender Vergiftungserscheinungen empfiehlt
Verf. kräftige Anregung der Diaphorese und große Gaben Natrium-
bikarbonat vom Mund aus oder durch Eingießung in den Magen,
den Mastdarm oder unter die Haut. Wer näheres über die lehrreiche,
manche neue Gesichtspunkte enthaltende Arbeit wissen will, wird auf
die Urschrift verwiesen. Weber (Dresden).
9) Dubreuilh. Prurigo lymphadénique.
(Ann. de dermat. et de syphil. 1905. p. 665.)
Verf. beschreibt neben 16 in der Literatur schon bekannten Fällen
2 eigene von Lymphdriisenschwellungen mit Prurigo. Fast immer
handelte es sich um jugendliche Individuen. Die Erkrankung beginnt
bald mit der Lymphadenitis, bald mit Prurigo, oder sie treten gleich-
zeitig auf. Das Jucken kann in Anfällen auftreten oder während der
ganzen Dauer vorhanden sein und kann so quälend sein, daß das
Allgemeinbefinden stark beeinträchtigt wird. Die Lymphdrüsenschwel-
lungen beginnen gewöhnlich am Hals und befallen Submaxillar-,
Achsel-, Inguinal-, Mediastinal- (Dyspnoe, Asthma, Husten) und
Mesenterialdrüsen (selten)... Die einzelnen Drüsen sind scharf ab-
gegrenzt, ziemlich hart und übertreffen oft die Größe eines Hühner-
eies. Die Lieber ist manchmal, die Milz gewöhnlich vergrößert. Das
Allgemeinbefinden ist stark beeinflußt, Abmagerung, Anämie und
Schwäche verbunden mit Atembeschwerden führen — häufig mit Hin-
zutritt einer serösen Pleuritis — zum Tode. Blutveränderungen sind
wenig ausgeprägt (Vermehrung der polynukleären Leukocyten). Die
Krankheit hat einen progressiven, durchschnittlich in etwa 1!/, Jahren
zum Tode führenden Verlauf. Die Natur der Lymphadenitis ist noch
320%
874 Zentralblatt ftir Ohirurgie. Nr. 32.
dunkel. Vielleicht handelt es sich um eine chronische Infektion der
Lymphbahnen. Tuberkulose scheint jedoch ausgeschlossen, da man
niemals Tuberkelbazillen nachweisen konnte, und nur in 2 Fällen erb-
liche Belastung vorlag. Nach der Ansicht des Verf.s wäre es mög-
lich, daß es sich um Neubildungen handelt. Klingmtiller (Kiel).
10) Müller und Rau. Uber Mittelohreiterungen und ihre
intrakraniellen Komplikationen.
(Med. Korrespondenzblatt des Würtemberg. arztl. Landeévereins 1905. Mai 19.)
Unter 70 von den Verff. operierten Fällen von eitriger Mastoiditis
waren 16 durch Miterkrankung des Schädelinnern kompliziert. M. gibt
nun eine Zusammenstellung der Merkmale, welche auf eine derartige
Komplikation hinweisen, und welche der allgemeine Praktiker beachten
muß, um diagnostische Irrtümer in solchen Fällen zu vermeiden. Am
wichtigsten erscheint eine auffallende Störung des Allgemeinbefindens,
welche zu den örtlichen Erscheinungen am Ohr in keinem rechten Ver-
hältnis steht; ferner können psychische Störungen der verschiedensten
Grade intrakranielle Komplikationen schon im Frühstadium begleiten
und sogar eine Zeitlang die einzigen nachweisbaren Veränderungen
sein; besonders bei abgelaufenen akuten Mittelohreiterungen älterer
Leute können anhaltende nervöse Erscheinungen, insbesondere Schlaf-
losigkeit, auf Beteiligung des Schädelinnern hinweisen. Selten treten
schon in den frühen Stadien von intrakraniellen Komplikationen Be-
wußtseinstrübungen auf. Dauert bei akuter Mittelohreiterung im Kindes-
alter trotz reichlicher Eiterung, Bettruhe und sonstigem zweckmäßigem
Verhalten das Fieber längere Zeit an, oder tritt es nach Nachlaß der
örtlichen Erscheinungen wieder auf, so muß ebenfalls an intrakranielle
Komplikationen gedacht werden, ebenso bei auffallend atypischem
Fieberverlaufe. Verhalten des Pulses, Übelkeit und Erbrechen sind
als Frühsymptome nur selten zu verwerten, dagegen häufiger Störungen
des Körpergleichgewichtes und anhaltende Kopfschmerzen. Außer den
örtlichen Zeichen der Warzenfortsatzeiterung, welche bei Verdacht auf
eine intrakranielle Komplikation natürlich von doppelter Bedeutung
sind, kommen noch gewisse, für einzelne Formen der Eiterung im
Schädelinnern charakteristische Erscheinungen in der Ohrgegend vor.
Viel wichtiger sind jedoch diejenigen Merkmale, welche eine Beteili-
gung des Gehirns direkt anzeigen. M. fügt eine Reihe von Kranken-
geschichten ein. Mohr (Bielefeld).
11) Tansini. Über mein neues Verfahren bei Amputation
des Mammakarzinoms.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXIX. Hft. 3.)
Verf. nimmt die ganze Haut iiber der Brustdriise mit dieser selbst
fort. Der große ovaläre Defekt, den er so setzt, wird durch einen
Lappen gedeckt, den er von dem Rücken herübernimmt und der auch
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 875
einen Teil Muskulatur mitfaßt, damit die Gefäße des Lappens erhalten
bleiben, deren Durchtrennung früher wiederholt zu partieller Lappen-
gangrän geführt hatte. Der durch den Rückenlappen gesetzte Defekt
wird durch Zusammenziehen geschlossen.
E. Siegel (Frankfurt a. M.).
Kleinere Mitteilungen.
12) Freie Vereinigung der Chirurgen Berlins.
156. Sitzung vom 11. Juni 1906.
Vorsitzender: Herr Sonnenburg.
1) Herr Max Cohn: Zur Behandlung maligner Tumoren mit
Rontgenstrahlen.
C. demonstriert mehrere von ihm mit Erfolg durch Röntgenbestrahlung be-
handelte Fälle von Sarkom und Karzinom: 1) ein Lymphosarcoma colli, das bei
dem 28jährigen Pat. bereits einmal erfolglos operiert worden war; die histologische
Untersuchung hatte die Geschwulst als Lymphosarkom festgestellt. Nach 3wöchi-
ger Bestrahlung ist die Geschwulst seit nunmehr 3/; Jahren verschwunden. C. ver-
fügt jetzt über fünf derartige Fälle; drei sind sicher geheilt, bei zweien sind noch
Reste von Neubildung zu konstatieren, die aber bisher nicht gewachsen sind. —
2) Bei einem im Oktober 1905 operierten Spindelzellensarkom der Parotis, bei dem
sehr bald nach der Operation wieder ein Narbenrezidiv und Driisenmetastasen auf-
traten, fihrte eine 14tagige, 5 Monate nach der Operation ausgeführte Bestrahlung
zur Beseitigung beider. — 3) Bei einer 71jährigen Pat. mit ulzeriertem Mamma-
karzinom wurde eine wesentliche Besserung erreicht, der schon unbeweglich ge-
wordene Arm wurde wieder beweglicher; der günstige Zustand hat sich bei
wöchentlich einer Bestrahlung erhalten. — 4) Bei einer jährigen Pat. ist ein
zweifaustgroßes Rezidiv eines schon zweimal operierten Mammakarzinoms ge-
schwunden mit Hinterlassung eines Ömarkstückgroßen Hautdefektes, so daß O.
daran denkt, den Defekt plastisch zu decken. — 5) Bei einem ausgedehnten Can-
croid an der Schläfe, das vergeblich mit Atzpasten behandelt war und für eine
Operation ungünstig lag, erzielte C. schnelle Heilung, nachdem eine von anderer
Seite ausgeführte Röntgenbestrahlung erfolglos gewesen war. Der erste Mißerfolg
war dadurch bedingt, daß das Geschwür mit Metallsalben bedeckt war, wodurch
die oberflächlich wirkenden Strahlen absorbiert wurden und infolgedessen auf das
Karzinom nicht zur Wirkung kamen. C. erläutert dies an einem Experiment, in-
dem er einen Röntgenstrahlen stark absorbierenden Gegenstand mit Metallsalben
bestrich und dann photographierte. Er weist noch darauf hin, daß die durchdrin-
genden harten Strahlen hauptsächlich auf Sarkome, wenig auf Karzinome reagieren.
Diskussion. Herr Sonnenburg weist darauf hin, daß zurzeit neben diesen
mit Erfolg behandelten Fällen eine große Anzahl bösartiger Geschwülste unbeein-
flußt bleibt von Röntgenbestrahlungen, daß also die frühzeitige Operation zunächst
noch stets zur Ausführung gelangen soll.
2) Herr Sonnenburg: Weitere Beobachtungen über die Verwert-
barkeit der Leukooytenzählungen.
An der Hand von ca, 60 verschiedenartigsten, mittels eines Epidiaskops von
Zeiss projizierten Kurven zeigt der Vortr. die Bedeutung der Leukocytenzählungen,
die wie Puls und Temperatur täglich bestimmt und wie diese in Form von Kurven
aufgezeichnet werden. Es ist ersichtlich, daß man aus dem Verhalten von drei
Kurven zueinander für Prognose und Diagnose bestimmter Erkrankungen, wie die
des Blinddarmes z. B., mehr ersehen kann als bei zwei Kurven, allein des Pulses
und der Temperatur. Zudem handelt es sich bei der Leukocytose um eine biolo-
gische Reaktion, die feinste von allen. Der Vortr. zeigt, wie gerade die Ungleich-
heit und die Kreuzung der Kurven für Prognose und Diagnose zu verwerten sind.
876 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32.
Wenn auch die Frage des Verhältnisses zwischen Fieber und Vermehrung der
Leukocyten noch nicht gelöst ist, so liegen doch bereits eine große Reihe wichtiger
Tatsachen vor. Die gegebenen Demonstrationen sollen Anregung geben, durch
Reihen von Untersuchungen weitere Aufklärungen über diese biologischen Reak-
tionen zu geben.
Diskussion. Herr Karewski verhält sich vorläufig noch ablehnend diesen
Untersuchungen gegenüber, während Herr Martens die Leukocytenuntersuchungen
für ein wichtiges Hilfsmittel der klinischen Diagnostik, besonders bei der Appen-
dicitis, erachtet. Auch Herr Rotter wünscht, daß sie ebenso, wie die von ihm
als wesentlich hervorgehobenen Eigenarten der Temperaturkurven, den ihnen ge-
bührenden Platz in der Diagnostik fänden.
3) Herr Hermes: Zur Kasuistik des Gallensteinileus.
H. berichtet über drei von ihm im Krankenhaus Moabit operierte Fälle von
akutem Gallensteinileus, von denen einer, 74 Jahre alt, im Kollaps am 3. Tage
der Einklemmung operiert, gestorben ist, während die beiden anderen, 78 und
46 Jahre alt, am 3. bzw. 5. Tag operiert, glatt geheilt sind. Bei dem ersten Pat.
bestanden im Bereiche der Einklemmungsstelle, am Übergange des Jejunum zum
Ileum, mehrere nekrotische Stellen der Darmwand, von denen eine perforiert war;
der Darm wurde nach Entfernung des haselnußgroßen Steines in die Wunde ein-
_ genäht. Die Sektion ergab in der Schlinge, wo die Einklemmung bestand, das
Vorhandensein weiterer zahlreicher Schleimhautgeschwüre; die Gallenblase fand
man direkt in das Duodenum mündend. Die Diagnose konnte auf Grund der vor-
angegangenen Gallensteinkoliken nur im letzten Fall auf Gallensteinileus gestellt
werden; der walnußgroße Stein saß in der Nähe der Ileocoecalklappe. Die Darm-
wand war bei Fall 2 und 3 intakt, bei Fall 2 infolge entzündlicher Infiltration
etwas brüchig, so daß die Nähte leicht durchschnitten. Der Darm wurde zur Ex-
traktion des Steines stets in der Längsrichtung eröffnet und quer vernäht. Bei
Fall 2 wurde ein gleichzeitig vorhandener verwachsener Nebelbruch radikal ope-
riert. H. betont, daß man beim Gallensteinileus meist nur zu der Diagnose »innere
Einklemmung« gelangt; in jedem Falle sollte die Operation so frühzeitig wie mög-
lich vorgenommen werden, um schwere Veränderungen der Darmwand zu ver-
hüten. In den beiden geheilten Fällen hat H. Lumbalanästhesie mit Novokain 0,15
mit bestem Erfolg angewandt; ein unmittelbar nach der Operation auftretender
Kollaps ließ sich leicht durch Exzitantien bekämpfen; von Vorteil ist dabei, daß
durch das Novokain eine sehr lebhaft gesteigerte Peristaltik des Darmes ausgelöst
und Abgang von Stuhl und Winden befördert wird.
Diskussion. Herr Neumann hat bei der Eröffnung des Darmes zur Ent-
- fernung der Gallensteine stets einen genügend großen Querschnitt angelegt und
diesen durch zweireihige Naht geschlossen. Er hält diesen für besser als den
Längsschnitt mit querer Vernähung.
4) Herr R. Mühsam: Ubereinetypische Verletzung der Chauffeure.
M. bespricht die durch Rückschlag der Kurbel beim Ankurbeln erfolgenden
Radiusfrakturen der Chauffeure, von denen er zwei beobachtete, eine gewöhnliche
Rißfraktur der unteren Radiusepiphyse ohne Deformität und eine zweite mit sehr
erheblicher Dislokation dersal- und ulnarwärts, sowie ad longitudinem. M. sucht
die großen Verschiedenheiten der Brüche, die doch durch einen an und für sich
stets gleichartigen Mechanismus hervorgerufen werden, zu erklären. Er unter-
scheidet zunächst den direkten und indirekten Bruch; der erstere entsteht, wenn
der Chauffeur die Kurbel losläßt und den Arm nicht schnell genug zurückzieht.
Bei den indirekten Frakturen sind die Wirkungen verschieden je nach der Stelle,
an welcher die Kurbel mit der sie drehenden Hand sich befindet; während der
Abwärtsbewegung trifft der Rückschlag die Handfläche der hyperextendierten,
dorsalflektierten Hand, die Fraktur entsteht durch Stoß und Gegenstoß; steht die
Kurbel unten und links, so wird eine Rißfraktur wie bei dem ersten Falle von M.
entstehen, steht sie links oben, so entsteht ebenfalls eine Abreißung durch Zerrung.
Demonstration der Röntgenbilder.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 877
5) Derselbe: Nervenlähmungen nach Oberarmbrüchen.
M. berichtet über sechs Fälle von Nervenlihmung bei Oberarmbriichen bzw.
Luxation der Schulter, vier Radialis-, zwei Ulnaris- und Medianuslahmungen. Fall 1
war eine Radialislahmung nach Schulterverrenkung; wahrscheinlich durch direkte
Quetschung des Nerven. Man fand an der AuBenseite des M. biceps neben einer
kleinen, vom Unfalle herriihrenden Narbe eine Verdickung des Nerven. Freilegung
desselben; der Nerv war fibrös verdickt und fest mit dem Periost verwachsen.
Resektion, Nervennaht, glatte Heilung. Wiederkebr der Motilität nach 1 Jahr
und allmähliche volle Wiederherstellung. Fall 2: Direkte Fraktur des Oberarmes
durch Uberfahren. Streckverband; nach 3 Tagen zeigt sich eine zunehmende
Radialisparese; nach 20 Tagen Operation; der Nerv ist in derbe Schwarten ge-
bettet, wird aus diesen herausgelöst und durch Zwischenlagerung von Muskelsub-
stanz vor neuen Verwachsungen geschützt. Nach Verlauf mehrerer Monate kehrte
die Funktion langsam vollständig wieder. Fall 3: Der Pat. erlitt einen Bruch
beider Oberarme, links mit Radialislähmung. Operation 3 Wochen nach der Ver-
letzung; der Nerv war vollkommen durchgerissen. Drahtnaht des Knochens, Ent-
fernung eines Splitters, Nervennaht. Tamponade der Wunde, Heilung per granu-
lationem, Abstoßung einiger Knochensplitter; jetzt, 5 Monate nach der Operation,
ist noch keine Besserung der Lähmung vorhanden. Fall 4: Direkte Fraktur des
rechten Oberarmes und beider Vorderarmknochen mit starker Weichteilquetschung;
mehrere Wochen nach der Verletzung zeigte sich eine Radialislähmung, die all-
mählich komplett wurde. Unter Behandlung mit Elektrizität schwand die Läh-
mung wieder. Fall 5: Suprakondyläre Humerusfraktur bei einem 9jährigen
Knaben, die mit Gipsverband in Streckstellung behandelt worden war; nach Ab-
nahme desselben wurde eine Cubitus valgus infolge Dislokation des unteren Frag-
mentes und eine Ulnaris- und Medianuslähmung bemerkt. Da sich die Lähmung
trotz fortgesetzter Behandlung nach 3 Monaten nicht gebessert hatte, wurden beide
Nerven an der Bruchstelle freigelegt; sie waren durch stark vorragenden Callus
disloziert und gedrückt. Entfernung des prominierenden Callus, Naht, glatte Hei-
lung. Die Nachuntersuchung ergab, daß die Funktion sich kaum gebessert hatte.
Fall 6 betraf gleichfalls eine suprakondyläre Humerusfraktur bei einem 8jährigen
Knaben, bei dem der Puls nach der Verletzung an der Radialis fehlte und eine
starke Schwellung am Elibogengelenk auftrat; 3 Wochen nachher bei Abnahme
des Verbandes fand man die Lähmung, die als Drucklähmung durch Callus oder
durch die Fragmente selbst gedeutet wurde. Operation: Lösung des N. ulnaris
aus narbigen Verwachsungen; Freilegung des N. medianus, der unter der dislo-
zierten Zacke des oberen Fragmentes verläuft, durch Abtragen dieser Zacke; der
Nerv war dort verdünnt und offenbar gedrückt. Gleichzeitig zeigte sich hier die
Arterie obliteriert und in Narbengewebe eingebettet. Es erfolgte nach der Opera-
tion eine zunehmende Besserung der Bewegungen des Daumens. des Hand- und
Ellbogengelenkes und der Sensibilität; nur die Finger blieben unverändert. Zur
Behebung der starken Beugekontraktur der Finger wurde später noch eine Kon-
tinuitätsresektion von Radius und Ulna vorgenommen, ohne wesentliche Besserung
der Motilität. Die ischämische Muskellähmung der Vorderarmmuskulatur, die sich
infolge der Zerreißung der Arterie ausgebildet hatte, war irreparabel geworden;
diese Komplikation hatte übrigens auch wohl in Fall 5 das weniger günstige ope-
rative Resultat mit bedingt. Im übrigen waren die Resultate der operativen Be-
handlung der Nervenstörungen und -verletzungen bei Oberarmfraktur, sowohl die
durch Narben- oder Callusdruck, als die durch direkte Verletzung bedingten, sehr
befriedigende; sie werden um so besser sein, je frühzeitiger man sich zur Operation
entschließt.
6) Herr W. Mühsam: Augenmuskellähmung nach Rückenmarks-
anästhesie.
M. berichtet über zwei in der chirurgischen Abteilung des Krankenhauses
Moabit beobachtete Fälle, bei denen einige Tage nach Lumbalanästhesie mit Stovain
bzw. Novokain rechtsseitige Abducenslähmung auftrat, für die sich keines der sonst
bekannten ätiologischen Momente eruieren ließ. Die Lähmungen gingen ohne jede
878 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32.
Behandlung nach ca. 3 Wochen in Heilung über. Innerhalb weniger Monate sind,
mit diesen beiden, sechs Fälle von Augenmuskellahmung nach Riickenmarks-
anästhesie veröffentlicht worden, die sämtlich den gleichen Verlauf nahmen: Auf-
treten einige Tage nach der Injektion und schnelle Heilung. M. nimmt mit
Loeser, der den ersten derartigen Fall beschrieben hat, an, daß das verwendete
Mittel eine toxische Wirkung auf den Nerven oder seinen Kern ausübt.
13) Ischmann. Zur Frage des Staphylokokkenerysipels.
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XVI. Hft. 1.)
Bei einem 38jährigen Manne kam es von einer Pustel an der Nase zu einem
Erysipel der linken Gesichtshälfte.e An einer Staphylokokkensepsis erfolgte der
Tod. Die noch während des Lebens vorgenommene Blutuntersuchung hatte den
Staphylokokkus pyogenes aureus als alleinigen Erreger der Sepsis nachgewiesen.
In den Lymphgefäßen des Coriums und im Gewebssafte der Haut fanden sich aus-
schließlich Staphylokokken, keine Streptokokken. Der Fall reiht sich denen an,
welche zweifellos beweisen, daß Erysipel durchaus nicht ausschließlich von Strepto-,
sondern auch von Staphylokökken erregt werden kann. Haeckel (Stettin).
14) Perez. Su di un caso di batteriemia a decorso prolongato e loca-
lizzazione multiple.
(Policlinico 1906. Ser. chir. Nr. 6.)
Junger Mann von 20 Jahren bekommt Abszesse, die sich im Verlaufe von
2 Jahren immer wiederholen, zumeist lings der Sehnen und Sehnenscheiden der
Extremitäten sitzen, die inneren Organe und die Gelenke freilassen und Fieber
erzeugen. Keine nachweisbare Eingangspforte. Eiter serös und gelatinös. Aus
dem Eiter und dem Blute wird Staphylokokkus albus gezüchtet, der für Meer-
schweinchen nicht pathogen war. Schließlich völlige Heilung.
Der Fall erinnert sehr an den, über welchen Jordan auf dem Chirurgenkon-
greß 1%04 berichtete. Doch will P. wegen des geschilderten Verlaufes nicht wie
J. von Septhämie, sondern von Bakteriämie sprechen, bei welcher an relativ spär-
lichen Stellen Bakterien zur Ablagerung kommen.
E. Pagenstecher (Wiesbaden).
15) Coss. Tetanus.
(Buffalo med. journ. 1906. Januar.)
C. teilt zwei Fälle von Tetanus im Anschluß an die Impfung mit. Bei einem
lljährigen Knaben traten etwa 3 Wochen nach Impfung mit Lymphe aus einer
renommierten Anstalt Schluckbeschwerden auf, im weiteren Verlauf Kieferklemme,
Nackenstarre, Opisthotonus. Trotz sofortiger Serumbehandlung Tod nach 4 Tagen.
An der Impfstelle war nichts Auffälliges zu bemerken.
Im zweiten Falle fand die Impfung bei einem 15jährigen Mädchen mit Gly-
zerinlymphe, ebenfalls aus zuverlässiger Quelle stammend, statt, und zwar unter
aseptischen Kautelen; die Stelle wurde mit einer Schutzkapsel bedeckt, und der
weitere Verlauf war 25 Tage lang normal. Dann Kiefer- und Nackensteifigkeit,
Behandlung mit Baccelli’scher Phenollösung und Serum, im ganzen 720 g in
16 Tagen. Heilung.
C. erörtert die möglichen Infektionsquellen und kommt zu dem Schluß, daß
es sich um Sekundärinfektionen der Impfstelle gehandelt habe.
Mohr (Bielefeld).
16) Armstrong. Remarks on lung complications after operations with
anaesthesia.
(Brit. med. journ. 1906. Mai 19.)
Verf. berichtet über Lungenerscheinungen als Folge der Äthernarkose an 2500
Fällen des General Hospital in Montreal. Gynäkologisches Material ist nicht ver-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 879
wertet, ferner sind nur solche Fälle berücksichtigt, die mindestens 3 Tage nach
der Narkose im Krankenhause verblieben. — Unter 2500 Fällen kam es in 55 =
2,2% zu Lungenerscheinungen, in 32 davon = 1,28% zum Tode. Die Geschlechter
waren im Verhältnis zu ihrem Anteil an der Gesamtzahl gleichmäßig vertreten.
Von den 56 Fallen entfielen 35 auf die kalten Monate; 37 Pat. hatten irgendeinen
septischen Herd im Körper vor dem Auftreten der Lungenerscheinungen, 8mal
war Emphysem, 9mal chronische Nephritis vertreten. Unter den Lungenerschei-
nungen war 30mal die Pneumonie mit 22 Todesfällen, 19mal die akute Bronchitis
mit 10 Todesfällen, 6mal die Pleuritis ohne Todesfall vertreten. — Der größte An-
teil entfiel auf Schädeloperationen wegen schwerer Schädelbrüche mit 20,5%. Verf.
erklärt diese hohe Zahl durch die große Gefahr der Aspiration bei den mehr oder
weniger lange Zeit bewußtlos gewesenen Kranken. Die Menge des verabreichten
Athers war in diesen Fällen sehr gering. Den nächst höheren Anteil hatte die
Gruppe der eitrigen Peritonitiden mit 27 = 2,8% der Operierten, von denen 26
auf infektiöse Vorgänge der unteren Bauchhälfte entfielen. Ein septischer Herd
in der unteren Bauchhöhle erleichtert also das Auftreten von Lungenerscheinungen.
Der Rest der Arbeit ist der Besprechung von bekannten Vorbeugungsmaß-
regeln gewidmet, ohne Neues zu bringen: Mundpflege vor, während und nach der
Narkose, Vermeidung von übermäßiger Schleimabsonderung durch sorgfältige Nar-
kose, Verhütung der Abkühlung usw. Weber (Dresden!.
17) E. Slejmer. Erfahrungen über Lumbalanästhesie mit Tropakokain
in 1200 Fällen.
(Wiener med. Presse 1906. Nr. 22 u. 23.)
Verf. hat in den letzten Jahren im Laibacher Landesspitale 1200 Kranke ope-
riert, bei denen die Lumbalanästhesie mit Tropakokain zur Anwendung gelangte;
darunter befanden sich 579 Radikaloperationen der Hernien, 43 Laparotomien,
55 Appendicitisoperationen usw. Für den Verf. steht es fest, daß, wenn die ent-
sprechende Menge von Tropakokain in den Subduralraum gelangt ohne Beimen-
gung von irritativen Stoffen, jedesmal die erwünschte Anästhesie eintritt, ohne be-
sondere Reaktionen oder nur mit so geringen, daß sie im Vergleiche zu denen der
Inhalationsnarkose gar nicht mehr in Betracht kommen. Unter 1150 Fällen war
die Lumbalanästhesie 54mal eine unvollständige, so daß ein Inhalationsanästheti-
kum nachhelfen mußte. Erfahrungen über Rückenmarksanästhesie bei Kindern
unter 12 Jahren besitzt Verf. nicht, obwohl es den Anschein hat, daß Tropa-
kokain auch von manchen Kindern gut vertragen wird.
Paul Wagner (Leipzig).
18) Dean. The importance of anaesthesia by lumbar injection in
operations for acute abdominal diseases.
(Brit. med. journ. 1906. Mai 12.)
Unter Anführung von vier schweren Fällen von akuter Peritonitis, einer Hydro-
kele und eines Hodensarkoms gelangt D. zu einer warmen Empfehlung der medul-
laren Anästhesie mit Stovain, besonders für akute Peritonitiden. Der bekannte
sehr schlechte Einfluß allgemeiner Narkose in solchen Fällen wird vermieden, der
Puls wird oft am Ende des Eingriffes besser als er im Anfange war, die Schmerz-
losigkeit ist bei richtiger Technik vollkommen; in mehreren Fällen traten mit Be-
ginn der Analgesie reichliche Entleerungen von Gas und dünnem Kot auf, ein für
den Eingriff und weiteren Verlauf sehr wesentlicher Vorteil. Sein dritter Pat.
machte infolge vorübergehender Lähmung der unteren Interkostalmuskeln eine
schwere Asphyxie durch, erholte sich unter künstlicher Atmung und Kochsalzinfu-
sionen, starb aber 9 Stunden später im Herzkollaps. In allen Fällen von Lumbal-
anästhesie mit Stovain scheint der einen peritonealen Eingriff begleitende Chok
vermieden zu werden. Der übrige Teil der Arbeit bringt Bekanntes über Technik,
Dosis, Verlauf usw. Weber (Dresden).
880 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32.
19) E. Buri. Le iniezioni epidurali.
(Policlinico 1906. Ser. chir. Nr. 4.)
B. berichtet über 18 Fälle von epiduralen Injektionen nach Cathelin.. Seine
Resultate sind aufmunternd. Bei hartnäckiger Ischias wurde mehrfach Heilung
erzielt. Ein Fall von Incontinentia urinae eines Kindes wurde gebessert. Bei
Beckenneuralgie infolge Uteruskarzinom blieb die Infusion erfolglos. Die Punktion
war immer schwierig. Von Nacherscheinungen wurde leichte Temperatursteigerung
bei Anwendung einer Kokainlösung und Gefühl von Schwere beobachtet. Die Er-
scheinungen waren vorübergehend. E. Pagenstecher (Wiesbaden).
20) Dan McKenzie. The local anaesthetic action of stovaine.
(Brit. med. journ. 1906. Mai 12.)
Verf. empfiehlt für kleinere Eingriffe an Nase, Hals und Ohr zur Anästhe-
sierung eine 10%ige Stovainlösung und kommt auf Grund von 57 Fällen zu fol-
genden Schlüssen: die örtliche Wirkung des Stovains gleicht der des Kokains; in
gewöhnlicher Menge erzeugt das Stovain keine Vergiftungserscheinungen; das
Stovain bewirkt wie das Kokain eine Blutleere in erektilem Gewebe, es darf nicht
länger als 15 Minuten mit Schleimhaut in Berührung bleiben, da es sonst Ge-
schwürsbildung bewirkt. Weber (Dresden).
21) Halsted. Results of the open-air treatment of surgical tuberculosis.
(Reprinted from transactions of the first annual meeting of the National Association
for the study and prevention of tuberculosis. Baltimore.)
Der bekannte Chirurg berichtet hier über 11 Fälle von chirurgischer Tuberkulose
aus seiner Privatpraxis, die unter Freiluftbehandlung zur vollen Genesung kamen.
Es handelte sich um Tuberkulose der Gelenke, der Sehnenscheiden, der Knochen
der Lymphdrüsen, der Harnblase; außer unwesentlichen chirurgischen Eingriffen
wurde ausschließlich Freiluftbehandlung Tag und Nacht durchgeführt. Verf. wurde
zu diesem Heilverfahren angeregt durch die vorzüglichen Erfolge, die die gleiche
Behandlung an zahllosen Kranken des John Hopkins Hospital aufzuweisen hatte
während einer Zeitdauer von nunmehr 16 Jahren. Zur Durchführung dieser Behand-
lungsart wird das Dach eines 1300 Fuß langen und 12 Fuß breiten Verbindungs-
ganges benutzt, die sog. >Brücke«.
Wenn auch nicht in allen, so ist es doch nach H.'s Erfahrungen in einigen
Fällen unbedingt nötig, daß die Kranken auch nachts im Freien liegen. Stets er-
gibt sich ihm aus diesem 24stündigen Aufenthalt im Freien eine wesentliche Ab-
kürzung der Behandlungszeit. Hervorragend sind ganz besonders — und mit den
operativen Ergebnissen gar nicht zu vergleichen — die Erfolge in der Gebrauchs-
fähigkeit der erkrankt gewesenen Gelenke, Knochen usw: er erzielt mit einer Aus-
nahme, die aber auch noch glänzend abschloß, volle Wiederherstellung der Funktion.
Dabei ist er ein Gegner der urteilslosen Überernährung in Verbindung mit der
Freiluftbehandlung. — Er ist überzeugt, daß die meisten Fälle von chirurgischer
Tuberkulose ohne Operation ausheilen werden, wenn man ihnen genügend Zeit
und ausreichende Gelegenheit zur Freiluftbehandlung bietet. — Die Fälle sind aus-
führlich wiedergegeben. Weber (Dresden).
22) v. Neumann. Ein Fall geheilter Lepra maculo-tuberosa.
(Wiener klin. Wochenschrift 1906. Nr. 4.)
Pat. aus Scalivo erkrankte mit 37 Jahren, 4 Jahre nach identischer Erkran-
kung seines Bruders, an maculo-tuberöser Lepra. 1 Jahr danach Beginn der Be-
handlung durch v.N. 5 Jahre darauf völlige Heilung. Es wurden die üblichen
Medikamente in üblicher Weise angewendet. v. N. vermag nicht zu entscheiden,
welche Faktoren die rasche Heilung herbeigeführt haben.
Hübener (Dresden).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 881
23) Pasini. Sur la pathogénie des éruptions bromiques.
(Ann. de dermat. et de syphil. 1906. p. 1.)
Verf. beschreibt die histologischen Veränderungen bei einem Falle von Brom-
exanthem. Der Fall bot insofern eins Eigentümlichkeit, als zugleich mit dem
Exanthem eine Vergrößerung der Thyreoidea auftrat und mit ihm zurückging.
Klingmüller (Kiel).
24) Dubreuilh. De l’herpds recidivant de la fesse.
(Ann. de dermat. et de syphil. 1905. p. 847.)
D. veröffentlicht sieben Fälle von rezidivierendem Herpes der Glutäalgegend.
Fünf davon beobachtete er selbst, die beiden anderen wurden früher von
Bertholle und Feulard publiziert. Die Erkrankung beginnt mit einem roten
erhabenen, manchmal juckenden Fleck, auf dem nach einigen Stunden Herpes-
bläschen aufsteigen. Die Eruption erreicht innerhalb eines Tages ihren Höhe-
punkt, dann trocknen die Bläschen ein, und die Affektion ist in etwa 8—10 Tagen
abgeheilt. In einigen Fällen gingen den Eruptionen Neuralgien und Migräne-
anfälle voran, in anderen traten heftige neuralgische Schmerzen, Pruritus und
schmerzhafte Schwellungen der Leistendrüsen als Begleiterscheinung hinzu. Verf.
betrachtet diese Affektion als eine Manifestation gichtischer Diathese (Arthritismus).
Klingmüller (Kiel).
25) W. R. Steiner. Dermatomyositis, with report of a case which
presented a rare muscle anomaly but once described in man.
(Journ. of experim. med. 1905. Nr. 4—6.)
Auf Grund eines eigenen Falles von Dermatomyositis — 3ljähriger Neger —
und ausgedehnter Literaturstudien bespricht Verf. eingehend das Bild dieser sel-
tenen Erkrankung, von der er nur 28 einwandsfreie Berichte anerkennt mit
17 Todesfällen. — Die Krankheit wurde wegen der engen Verbindung einer Der-
matitis mit vielfacher Muskelentzündung von Unverricht Dermatomyositis ge-
nennt und wird beschrieben als eine akute, subakute oder chronische Erkrankung
unbekannten Ursprunges, die gekennzeichnet ist durch allmähliches Einsetzen all-
gemeiner und unsicherer Prodromalzeichen und durch Auftreten von Odem, Haut-
entziindung und multipler Myositis. Der pathologisch-anatomische Befund be-
schränkt sich auf eine weiche Milzschwellung und schwere, entzündliche Verände-
rungen der Muskeln, deren bedeckende Haut mit einem harten Ödem angefüllt ist,
Die Muskeln sind geschwollen, blaßrot oder gelblich, ödematös, zuweilen weich,
zuweilen hart, oft bröckelig, glanzlos. Die Fasern befinden sich im Zustande
schwerster Entzündung und zeigen alle Übergangsformen von der trüben Schwel-
lung bis zur wachsigen und fettigen Entartung. Die begleitende Dermatitis tritt
in sehr verschiedener Form auf: als Erythem, Pseudoerysipel, Urticaria, Roseola,
Erythema nodosum. — Das Nähere muß in der Urschrift eingesehen werden. —
Ein Literaturverzeichnis von 66 Nummern und 9 ausgezeichnete Mikrophotogramme
sind der Arbeit beigefügt. Weber (Dresden).
26) Koehne. Über zwei Fälle von ausgedehnter Schädelplastik.
Inaug.-Diss., Kiel, 1906.
L Bei einem durch Hufschlag entstandenen Schädeldefekte von Markstückgröße
wurde der Versuch gemacht, ein mazeriertes Knochenstiick einzuheilen, was zu-
nächst gelang. Nach 3 Monaten platzte die Narbe auf, es trat starke Eiterung
ein, und das Knochenstück mußte entfernt werden. Abermaliger Verschluß, dies-
mal durch einen gestielten Weichteil-Periost-Knochenlappen, welcher reaktionslos
einheilte.
IL Ähnlicher Fall; Heilung durch Bildung eines Weichteil-Periostlappens.
Levy (Wiesbaden).
882 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32.
27) Franke. Ein Fall von Platzpatronen-Wasserschußverletzung des
Schädels und Stirnhirnes.
(Deutsche militärärztl. Zeitschrift 1906. Hft. 3.)
Ein Jäger goß das mit einer Platzpatrone geladene Gewehr (M 88) voll Wasser
und feuerte es aus nächster Nähe gegen die Stirn. Auf der rechten Stirnhälfte
eine 7 cm lange, 3 cm breite Wunde mit markstückgroßem Knochendefekt, aus
welchem Gehirnmasse hervorquoll. Der Verwundete war bewußtlos, Lähmungen
waren nicht vorhanden, Puls 66. Die Knochensplitter wurden aus der erweiterten
Wunde entfernt, die letztere zunächst tamponiert und nach 3 Wochen plastisch
nach Müller-König knöchern verschlossen. Das Bewußtsein kehrte etwa nach
4 Tagen wieder, und es machte Pat. einen ungestörten Heilungsverlauf durch. Von
Teilen des Geschosses, Holz- oder Pappepfropf wurde in der Wunde nichts ge-
funden; Verf. meint, daß das Holzgeschoß nicht in die Wunde eingedrungen ist.
Als spezifisch schwerer Körper wurde das Wasser schneller und mit größerer
Energie aus dem Laufe herausgeschleudert, und durch den nach vorn und nach
den Seiten durch das Wasser ausgeübten Druck das Holzgeschoß zur Seite ge-
schleudert. Die ganze Knochenwunde usw. wurde also durch die Wucht des
Wassers hervorgerufen. Herhold (Altona).
28) Lévy et Baudouin. Nouvelle technique pour injections au niveau
de trous de la base du crâne dans les névralgies faciales rebelles.
(Bull. de l'acad. de méd. 1906. Januar 9.)
Das Nähere über diese Technik der Injektion in den Stamm der Nn. supra-
und inframaxillaris, lacrimalis und frontalis muß im Original nachgesehen werden.
Alle 3—4 Tage werden 1—2 ccm anfänglich 70., dann 80- und 90%igen Alkohols,
dem etwas Kokain beigesetzt ist, injiziert. Bei der Wiederholung der Injektion
wurde auch etwas Chloroform beigefügt. Diesem Verfahren wurden nur sehr
hartnäckige Neuralgien unterzogen, bisher sechs mit vollem Erfolge.
Neugebauer (Mährisch-Ostrau).
29) Poppert. Exstirpation der Ganglion Gasseri nach Krause; tief-
greifende Veränderungen des Gehirns infolge des Spateldruckes.
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 22.)
Bei dem 69jährigen Manne waren mehrfache Resektionen an beiden Asten des
Trigeminus ohne Erfolg gewesen. Deshalb Resektion des Ganglion Gasseri nach
Krause. Die Operation war durch starke venöse Blutung aus der Dura er-
schwert. Nach dem Erwachen aus der Narkose zeigt sich halbseitige Lähmung,
tags darauf Tod. Bei der Sektion fand sich an der Unterfläche des Schläfenlap-
pens die Rindensubstanz infolge des Spateldruckes erweicht und dunkel gefärbt.
Die Substanz war namentlich im Marklager erweicht und gequollen. Im Corpus
striatum fand sich ein kirschgroßer, roter Erweichungsherd. P. glaubt diese Ver-
änderungen auf den Druck durch den Spatel zurückführen zu müssen, und zwar
durch Kompression der Art. foss. Sylvii. Er will deshalb in Zukunft die Verfahren
nach Doyen, Lexer bevorzugen. (Resektion der unteren Schädelwand.)
Borchard (Posen).
30) W. van Hook. Lexer’s operation for removing the Gasserian
ganglion.
(Surgery, gynaecology and obstetrics Bd. II. Hft. 1.)
Verf. empfiehlt an der Hand von drei mit Erfolg operierten Fällen die Me-
thode Lexer’s den amerikanischen Chirurgen. — Verf. betont, daß bei der Ex-
stirpation des Ganglion Gasseri, insbesondere in der Tiefe, nur das Notwendigste
verletzt werden dürfe, daß die durchtrennten Gewebe möglichst wenig geschädigt
werden, und daß die Folgen des chirurgischen Eingriffes unwesentlich bleiben
müssen. Verf. meint, daß die Methode von Krause dies im wesentlichen erfüllt,
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 8833
aber er zieht die Methode von Lexer vor. Die Entfernung von Knochen hält Verf.
für unbedenklich, da einerseits der Defekt sehr klein ist und andererseits bei der
Lage des Schnittes die Gewebe selbst genügend Halt geben, um das Vorwölben
der Dura zu hindern. Überdies empfindet Verf. es besonders angenehm, daß der
Knochenlappen nicht nekrotisch werden kann, wodurch dem Pat. eventuell eine
zweite Operation erspart werde. — Verf. beschreibt dann genau die Technik von
Lexer mit schematischen Abbildungen. Es wurde besonders angenehm das Ma-
növer von v. Bergmann empfunden, durch aufrechtes Sitzenlassen der Kranken
bei der Operation das Vorfallen des Gehirns zu vermeiden. Der Erfolg bei den
drei Operierten, bei denen zum Teil periphere Nervenextraktionen schon früher
erfolglos gemacht waren, war auch nach der Exstirpation des Ganglion nicht immer
glänzend; der eine Pat. nahm sich wegen bleibender Beschwerden, die allerdings
viel geringer geworden waren, doch nachträglich das Leben. Immerhin war in
jedem Fall eine starke Besserung nachzuweisen, bei den zwei letzten eine fast voll-
ständige Befreiung von dem schrecklichen Leiden. Die Kranken saßen z. T. schon
24 Stunden nach der Operation auf und gingen am 2. Tage umher.
Heile (Wiesbaden).
31) Aus den Verhandlungen der XV. Versammlung der Deutschen
otologischen Gesellschaft.
Hinsberg (Breslau): Referat iiber die Labyrintheiterungen.
Nach kurzen statistischen Bemerkungen berichtet der Vortr. zunächst über die
pathologische Anatomie der Labyrintheiterungen, speziell der für die Otochirurgie
in Betracht kommenden Infektionsarten der Erkrankungen des Labyrinths, welche
einerseits vom Mittelohr aus nach traumatischer oder durch entzündliche Prozesse
hervorgerufener Zerstörung der Labyrinthwand, oder andererseits durch Einbruch
eines tiefen Extraduralabszesses von der hinteren Pyramidenfläche ins Labyrinth
zustande kommen.
Als Prädilektionsstellen für den Einbruch vom Mittelohr ins Labyrinth haben
sich die beiden Paukenfenster, das Promontorium und der Wulst des horizontalen
Bogenganges herausgestellt.
Vortr. glaubt auf Grund seiner Beobachtungen, daß Arrosion am Bogengang
allein als Infektionsweg nicht so stark überwiegt, wie das früher angenommen
wurde, daß sie aber doch eine der häufigsten Infektionsweisen bilde. Von den
übrigen Infektionsstellen scheint ein Durchbruch durch das ovale Fenster am häu-
figsten vorzukommen, dann eine Zerstörung des runden Fensters, und endlich eine
Fistel am Promontorium. Die Vorgänge, die zu Zerstörungen an der medialen
Paukenhöhlenwand führen, sind meist kariöser Natur, seltener sind anscheinend
Nekrosen der Labyrinthwand.
Für die Ausbreitung der Infektion im Labyrinth sind maßgebend Art und
Virulenz der Infektionserreger, Widerstandsfähigkeit des Organismus, Lokalisation
des Durchbruchs und Abflußbedingungen für den Eiter. Ks kann danach zu diffuser
oder zirkumskripter Labyrintheiterung kommen. Häufig schreitet der Krankheits-
prozeß vom Labyrinth auf die Meningen, und zwar in der Regel auf dem Wege
präformierter Bahnen fort. Als solche kommen in Betracht: 1) spontane Dehis-
zenzen an der Kuppe des hinteren oder oberen Bogenganges, 2) der Nervus
acusticus und 3) die Aquaeducte.
Vortr. bespricht sodann bei der Klinik der Labyrintheiterungen die Reizsym-
ptome von seiten des statischen Organes, sowie die Ausfallerscheinungen, welche
nach Zerstörung desselben auftreten, und entwirft ein Bild von dem Verlauf und
dem Ausgange der Erkrankung. Bei der Besprechung der Diagnostik wird die
Untersuchung der statischen Funktion durch statische und dynamische Prüfungen,
sowie die unter allen Umständen vorzunehmende exakte Hörprüfung genau ge-
schildert.
Was die Prognose anbetrifft, so schätzt Vortr. die Mortalität der diffusen
Labyrintheiterung auf mindestens 15—20%.
884 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32.
Bei der Therapie muß das Bestreben jedes auf die Bekämpfung der Labyrinth-
eiterung gerichteten Eingriffes sein, den im Labyrinth vorhandenen Entzündungs-
produkten möglichst freien Abzug nach außen zu verschaffen und andererseits dem
Nachschub neuer Infektionserreger vom Mittelohr aus vorzubeugen; und zwar ist
Vortr. der Ansicht, daß man sich in einer Reihe von Fällen nicht mit einer breiten
Freilegung der Mittelohrräume begnügen dürfe, sondern eine möglichst weite Er-
öffnung der Labyrinthräume selbst vom Mittelohr aus vornehmen müsse. Aus einer
statistischen Zusammenstellung (unter 70 operierten Fällen 67 Heilungen und
3 Todesfälle) geht nach Ansicht des Vortr. hervor, daß durch die operative Eröff-
nung der Labyrinthhohlräume die Sterblichkeit wesentlich vermindert wird, und
daß die Operation an sich nur geringe Gefahren mit sich bringt.
Zum Schluß werden die ÖOperationstechnik, die unmittelbaren Folgen der
Labyrintheröffnung und die Nachbehandlung geschildert.
Kümmel (Heidelberg): Bakteriologisch-klinische Beobachtungen
über akute Otitis media,
Die bisher gebräuchliche Einteilung der akuten Mittelohrentzündungen nach
der Beschaffenheit des bei ihnen gebildeten Exsudates (v. Troeltsch) ist heute
nicht mehr haltbar.
Nach Ansicht des Vortr. muß man unterscheiden:
a. Den einfachen Tubenkatarrh, ohne eigentliche Entzündungserschei-
nungen an der Paukenhöhle und ihren Nebenräumen, Sekret steril.
b. Die mesotympanische Otitis media, bei der die Entzündungserschei-
nungen sich ausschließlich oder doch wesentlich im Hauptraume der Paukenhöhle
(»Mesotympanum«) abspielen, und die charakterisiert ist durch das Fehlen umschrie-
bener Vorwölbungen und Entzündungen an der Trommelfellmembran.
c. Die epitympanische Otitis media, bei der von vornherein die Neben-
räume der Paukenhöhle wesentlich miterkrankt sind; charakterisiert durch erkenn-
bare Entziindungserscheinungen am Warzenfortsatz, gewöhnlich noch früher durch
umschriebene Entzündung und Vorwölbung am Trommelfell, regelmäßig lokalisiert
im hinteren oberen Quadranten, selten an der Shrapnell’schen Membran.
Die Prognose der Otitis media ist abhängig von ihrem Typus: gefährlich quoad
Warzenfortsatzaffektion ist fast nur die epitympanische Form, und bei dieser sind
die gefährlichsten Entzündungserreger der Streptokokkus pyogenes und mucosus,
während Staphylokokkus aureus sich bei meinen (rund 50) Abimpfungen trotz großer
Virulenz nur bei relativ leicht verlaufenden Erkrankungen fand. Operationen er-
folgten nur bei den Streptokokkenotitiden; nur in einem Falle handelte es sich um
Symbiose mit Pneumokokkus Fränkel-Weichselbaum. (Genaue Mitteilung der
Abimpfungstechnik wie der bakteriologischen Befunde und der anatomischen
Gründe für die Unterscheidung der unter a. und b. aufgeführten Typen.
Denker (Erlangen).
32) W. Apitz. Symmetrische Gangrän beider Lider nach Verletzung
an der Stirn.
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 19.)
Bei einem 1!/sjährigen Kind entwickelte sich nach einer unbedeutenden Haut-
verletzung an der Stirn ein Abszeß an der Glabella, der Reinkulturen von Strepto-
kokkus pyog. enthielt. Von dem Abszeß ausgehend kam es durch Verschleppung
der Kokken auf dem Wege der Lymphbahnen zu Gangrän der oberen und unteren
Lider beiderseits; die Gangrän machte Halt 1 mm vom Rande der Lider entfernt,
so daß nach Ablauf des Prozesses auffallend geringe Veränderungen ohne Narben-
ektropion usw. zurückblieben. Kramer (Glogau).
33) Kelly. Multiple telangiectases of the skin and mucous membranes
of the nose and mouth.
(Glasgow med. journ. 1906. Juni.)
Seltene Beobachtung des Vorkommens massenhafter Teleangiektasien in Haut
a. Schleimhaut mit lebensgefährlichen Blutungen bei mehreren Mitgliedern einer
amilie.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32. 885
Zunächst hat der Vater der zwei vom Verf. beobachteten Pat. an multiplen
Blutgefäßgeschwülsten im Gesichte gelitten; er hatte oft profuses Nasenbluten
und Biuterbrechen und starb daran.
Von seinen acht Kindern — die Mutter war gesund — haben zwei Töchter
das gleiche Leiden, zwei andere Töchter und vier Söhne sind gesund.
Das Leiden begann bei der älteren der zwei erkrankten Töchter schon in der
Kindheit; mit 12 Jahren hatte sie bereits oft sehr heftiges Nasenbluten. Im
18. Jahre, beim Beginne der Menses, und im 25. Jahre, nach ihrer Verheiratung,
besserte sich der Zustand, verschlechterte sich aber später wieder. Im 30. Jahre
traten rote Flecken im Gesicht auf, die an Zahl ständig sich vermehrten, nie aber
wieder auch nur teilweise verschwanden. Geringe Traumen, Schneuzen oder Niesen,
hatten sofort heftige Blutung aus beiden Nasenlöchern zur Folge, spontan traten
die Blutungen nie auf. In den letzten Jahren zeigten sich die Teleangiektasien
auch an den Fingerspitzen. Alle veränderten Haut- und Schleimhautpartien
(Fingerspitzen, Gesicht, Nasenschleimhaut) bluteten bei Verletzungen sehr stark, im
übrigen aber war bei Verletzungen unveränderter Partien die Blutung nie anders
als bei Gesunden; von Hämophilie kann also keine Rede sein. Im Alter von
48 Jahren starb Pat. an Verblutung aus der Nase, nachdem sie allmählich durch
den Blutverlust aufs äußerste geschwächt worden war. Kalziumchlorid und Eisen
hatten geringe allgemeine Besserung zur Folge, änderten aber an der Krankheit
selbst nichts.
Von den drei Kindern dieser Pat. hat eine Tochter von 23 Jahren seit kurzer
Zeit ebenfalls eine Anzahl Teleangiektasien im Gesicht.
Die jüngere Schwester der genannten Pat., jetzt 40 Jahre alt, hat dasselbe
Leiden, nur daß bei ihr neben der Schleimhaut beider unterer Nasenmuscheln auch
die Zunge, der Gaumen, die Ohren, die Oberlippe, Unterlippe und das Gesicht be-
fallen sind; auch an den Fingerspitzen und Vorderarmen befinden sich zahlreiche
Teleangiektasien. Die Blutungen begannen im 18. Jahre, die roten Flecke an der
Haut der Unterlippe im 27., an Wangen und Fingern im 35. Jahre. Pat. hat mit
27 Jahren geheiratet und hat eine Tochter, welche bisher von ähnlichen Erschei-
nungen frei ist.
Bei beiden beschriebenen Pat. war auffallend, daß die Blutungen während des
Winters stets sehr schwer, im Sommerhalbjahr aber wesentlich seltener und gering-
fügiger waren.
Verf. demonstriert die Teleangiektasien an zwei großen Aquarellen von beiden
Fällen.
Bisher waren nur acht Einzelfälle dieses Leidens bekannt; Männer und Frauen
erkranken gleich häufig, je zwei der vordem beschriebenen Fälle betrafen Ge-
schwister. W. v. Brunn (Rostock).
34) v. Eiselsberg. Uber schiefen BiB infolge Arthritis eines Unter-
kieferköpfchens.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXIX. Hft. 3.)
v. E. veröffentlicht die Krankengeschichte zweier Pat., bei welchen durch ent-
zündliche Prozesse in dem Kiefergelenke der einen Seite eine Abweichung des
Unterkiefers gegen den Oberkiefer bewirkt wurde, so daß der Kauakt beträchtliche
Störung erfuhr. In beiden Fällen wurde durch Resektion des sich als vergrößert
erweisenden Gelenkköpfchens die normale Stellung herbeigeführt. Die Ursache
des Leidens war wohl eine chronische, trockene Arthritis, die auf chronischen,
latent verlaufenden Rheumatismus zurückzuführen ist.
E. Siegel (Frankfurt a. M.).
35) Z. Hercog. Zwei Verletzungen des menschlichen Gebisses infolge
indirekten Traumas.
(Liečnički viestnik 1905. Nr. 12. (Kroatisch.])
Die Pat. (Angabe des Alters fehlt) erlitten beide ein Trauma in das linke Ge-
sicht und Verletzungen der rechten Zähne. Der erste erhielt einen Steinwurf in
886 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 32.
die linke Regio zygomatica, und es wurde bei ihm eine Längsfraktur des rechten
ersten oberen Molaren gefunden; der Zahn war plombiert, hatte auch eine Wurzel-
plombe. Ein direktes Trauma auf den Zahn selbst ist absolut sicher auszuschließen,
ebenso eine Verletzung des Zahnes vor dem Trauma. Verf. negiert die Möglich-
keit eines Bruches durch rasches und krampfhaftes Schließen des Mundes im Mo-
mente des Traumas und glaubt, daß nur ein Contrecoup die Ursache der Fraktur
sein kann. Im zweiten Falle, nach Fall vom Zweirad auf den linken Unterkiefer,
fand H. die Zähne der linken Seite unverletzt, dagegen den rechten zweiten unteren
Schneidezahn und den rechten unteren Eckzahn luxiert, vom rechten ersten un-
teren Molar ein Stück der palatinalen Fläche abgesprengt, an seinem Antagonisten,
dem rechten ersten oberen Molar, eine Längsfraktur. Diese Verletzungen erklärt
Verf. folgendermaßen: Durch das Aufschlagen des linken Unterkiefers wurde dieser
nach rechts und oben geschoben, wodurch die linken Zähne voneinander gedrängt
wurden, die rechten aber aneinander schlugen. Da die unteren Vorderzähne
schwächer als die Antagonisten sind, so unterlagen sie, wurden luxiert. Die Mo-
laren hingegen sind gleich stark, und so wurde der untere, bei dem Trauma aktive,
leicht verletzt, nur ein Stück abgesprengt, während der obere, passive, barst. Der
untere Zahn traf nur einen Teil des oberen und so wurde dieser (der bukkale) von
der palatinalen Hälfte, die fest im Kiefer blieb, abgesprengt, und durch die weitere
Wirkung des Traumas noch die palatinale Fläche des unteren Zahnes abgelöst.
v. Catkovié (Zagreb-Agram).
36) v. Auffenberg. Osteoplastische Verliingerung des Unterkiefers bei
Mikrognathie.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXIX. Hft. 3.)
Verf. veröffentlicht die Krankengeschichten von drei Pat., welche in jugend-
lichem Alter eine Mikrognathie erworben hatten. Zum Teil war auch noch neben
der Mikrognathie die beträchtliche Kiefersperre operativ zu beseitigen. Die Be-
seitigung des Hauptleidens, der Mikrognathie, geschah nach einer von v. Eisels-
berg angegebenen Methode, nämlich mittels treppenförmiger Durchsägung des
Unterkiefers. In zwei Fällen genügte dies zur Erzielung eines guten funktionellen
und kosmetischen Resultates; in einem Falle aber war es auf beiden Seiten erfor-
derlich, den gleichen Eingriff vorzunehmen. Beigegebene Abbildungen illustrieren
die Erfolge im Einzelfalle. E. Siegel (Frankfurt a. M.).
37) D. Schwarz. Ein Fall von Zungenstruma.
(Liecnicki viestnik 1905. Nr. 8. [Kroatisch.))
Der nun 28jährigen Pat. wurde vor 13 Jahren in einem Provinzspital unter der
Unterkinngegend eine langsam gewachsene Geschwulst exstirpiert. Seit einem Jahre
bemerkte Pat. Schluckbeschwerden, die sich in letzter Zeit so steigerten, daß sie
nur noch flüssige und breiige Nahrung zu sich nehmen konnte.
In der Mitte der Zungenbasis, knapp hinter dem Foramen coecum, eine
hühnereigroße Geschwulst, bedeckt mit normaler Schleimhaut, von glatter Ober-
fläche und elastischer Konsistenz, zur Hälfte in der Zungensubstanz gelagert, zur
Hälfte ihr Niveau überhöhend. Der hintere Pol grenzt an das Frenulum epiglot-
tides. Diagnose: Struma baseos linguae.
Die Geschwulst wurde durch die Pharyngotomia mediana transhyoidea nach
Vallas entfernt; aus der Zunge wurde sie durch einen eliptischen Schnitt aus-
geschnitten und die Wunde durch tiefe Catgutnähte verschlossen. Sie war nicht
durch eine eigene Kapsel von der Zungenmuskulatur abgegrenzt und ließ sich des-
wegen nicht enukleieren. Auf dem Durchschnitte zeigt sie braunrote Farbe,
thyreoidale Zeichnung und acinöse Struktur. Histologischer Befund: kolloid de-
generiertes Schilddrüsengewebe.
Verf. hält es nicht für unwahrscheinlich, daß die vor 13 Jahren über dem
Zungenbeine exstirpierte Geschwulst eine zweite Struma aberrans war; die Anfrage
an das betreffende Krankenhaus: blieb leider unbeantwortet.
Zentralblatt fir Chirurgie. Nr. 32. 887
Als Operation empfiehlt S. die Pharyngotomia mediana transhyoidea, verwirft
aber die präventive Tracheotomie; er operierte in schiefer Lage mit herabhängen-
dem Kopfe (ohne Tracheotomie) und hat, obzwar die Operation sehr blutig war,
keine Aspiration von Blut bemerkt, auch keine Störungen der Atmung.
Den von Chamisso de Boucourt gesammelten 32 Fällen reiht sich dieser als
33. an. Y. Cackovié (Zagreb-Agram).
38) T. Wikerhauser. Struma baseos linguae!,
(Lieönicki viestnik 1906. Nr. 6. [Kroatisch.))
Die nun 32jährige Pat. hatte vor 7 Jahren eine Ranula, die mit Punktion und
Injektion von Jodtinktur behandelt wurde. Vor 2 Monaten erkrankte sie an
Schmerzen beim Schlucken und schwerer Atmung, Kopfschmerz und Fieber. Im
Dorfe waren mehrere Personen ähnlich krank. Seit dieser Zeit stört sie etwas im
Rachen, in der Nacht atmet sie schwer; der Arzt konstatierte eine Geschwulst der
Zunge.
Am Zungengrunde eine nußgroße halbkugelige Geschwulst, wesentlich auf der
linken Seite gelegen, aber die Mittellinie nach rechts überschreitend. Sie liegt in
einer Vertiefung, um sie erhebt sich die Muskulatur wallartig; sie ist unbeweglich,
hart, hier und da elastisch, an der Kuppe scheint sie zu fluktuieren. Die Schleim-
baut über ihr ist glatt, rot, mit erweiterten Venen. Die Geschwulst ist auf Druck
nicht empfindlich, nicht kompressibel.
Da am Halse keine Thyreoidea gefunden werden konnte, so mußte man von
einer radikalen Therapie abstehen. Thyreoidintabletten zeigten keinen nennens-
werten Einfluß. Pat. entzieht sich der weiteren Behandlung.
v. Cackovié (Zagreb-Agram).
39) Overdyn. Zur Kasuistik der primären akuten Osteomyelitis der
Wirbelsäule.
Inaug.-Diss., Kiel, 1906.
Mitteilung zweier Fälle von primärer akuter Osteomyelitis der Wirbelsäule,
welche beide trotz sehr schwerer Allgemeinerscheinungen durch Operation, Spal-
tung des Abszesses und Resektion des Processus transversus des I. Lendenwirbels
in dem einen Falle, zur Heilung kamen. Der zweite Fall war noch durch sekun-
däre Osteomyelitis der Tibia und des Hüftgelenkes kompliziert.
Levy (Wiesbaden).
40) Heinrich. Über seltene hysterische Kontrakturen und Wirbel-
säulendeviationen.
(Deutsche militärärztl. Zeitschrift 1906. Hft. 3.)
Bei einem Traingemeinen trat sehr bald nach der Einstellung, und zwar im
Anschluß an beim Reiten im Unterleibe verspürte Schmerzen, eine Beugung der
Wirbelsäule nach vorn ein, so daß der Rumpf in einem Winkel von 130° nach
vorn gebeugt gehalten wurde. Auf hysterische oder neurasthenische Veranlagung
deutet nichts außer scheuem Benehmen, leiser, weinerlicher Sprache und großer
Angstlichkeit. Irgendwelche Störungen von seiten des spinalen Nervensystems
waren nicht vorhanden. Die kyphotische Stellung des Rumpfes blieb auch im
Liegen sowie im Schlafe bestehen. Alle Mittel, elektrische, medikomechanische
usw., versagten, auch die Hypnose zunächst. Im Anschluß an die 15. hypnotische
Sitzung trat jedoch eine Besserung ein, so daß Pat. jetzt gerade ging. Leider war
die Besserung nur von kurzem Bestande, und es mußte der Kranke als dienst-
1 Da das Referat seinerzeit entfallen ist, so wird es hiermit nachgeholt. In
der gleichzeitig referierten Arbeit von D. Schwarz werden 33 Fälle von Zungen-
struma zusammengezählt, was mit dem obigen 34 bekannte Fälle ergeben würde.
Referent.
888 Zentralblatt für Chirargie Nr. 32.
unfähig entlassen werden. Verf. glaubt, daß die durch das Reiten und Springen
verursachte Molekularerschütterung des Zentralnervensystems die Hysterie bei dem
dazu beanlagten Manne hervorgerufen habe. Herhold (Altona).
41) R. Stegmann. Zur Behandlung des Morbus Basedowü mit
Röntgenstrahlen.
(Wiener klin. Wochenschrift 1906. Nr. 3.)
Unter Mitteilung einer Krankengeschichte aus Gersuny’s Rudolfinerhaus und
Bezugnahme auf zwei vorher mit Erfolg behandelte gleiche Fälle betont S., daß
eine äußerst günstige Beeinflussung und Heilung der Basedow’schen Krankheit
durch Bestrahlung der veränderten Schilddrüse möglich ist. Legt man die Mö-
bius’sche Theorie als Erklärungsversuch unter, so kommt man zu der Vorstellung,
daß durch die Bestrahlung des pathologischen Agens eine Schädigung der Drüsen-
epithelien stattfindet, die zu einer quantitativen und qualitativen Veränderung der
Sekretion führt.
In dem mitgeteilten Falle hatten sieben Bestrahlungen von 10—12—15 Minuten
Dauer im Laufe eines Vierteljabres genügt, um die schwer kranke Pat. in einen
völlig normalen und gesunden Menschen mit normaler Schilddrüse zu: verwandeln.
Hübener (Liegnitz).
42) H. Strohe (Köln). Diaphragma der Trachea im Anschluß an
Diphtherie und erschwertes bzw. unmögliches Décanulement.
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 15.)
Die nach einer Krikotracheotomie vor 15 Jahren zurückgebliebene leisten-
förmige, harte Wucherung wurde unter Lokalanästhesie durch breite Eröffnung der
Luftröhre exstirpiert, worauf für 5 Wochen eine Schornsteinkanüle eingelegt wurde.
Nach deren Entfernung mußte die Öffnung in der Luftröhre plastisch verschlossen
werden; es erfolgte vollkommene Heilung. Die Sprache ist etwas heiser, aber ver-
ständlich. Kramer (Glogau).
43) Brézard et Morel. Plaie du coeur et du poumon gauche par coup
de feu. Suture du coeur. Mort.
(Bull. et mém. de la soc. de anat. de Paris 1905. November.)
Einschu8 im 2, Interkostalraume, links 2cm vom Sternalrande entfernt. Ein
Blutstrahl aus der Wunde bei jeder Exspiration.. Hämatopneumothorax. Aufklap-
pung eines aus der 3., 4. und 5. Rippe gebildeten Lappens. Man findet eine sehr
stark blutende Wunde der linken Pulmonalvene, welche durch eine T-Pinzette ver-
schlossen wird. Der verletzte Herzbeutel wird eröffnet. Darin nur wenig Blut.
Eine Wunde an der Basis des linken Ventrikels wird genäht, desgleichen eine an
der hinteren Herzfläche. In diesem Augenblicke hörte die Herztätigkeit auf. Die
direkte Herzmassage blieb wirkungslos.
Die Obduktion ergab, daß das Herz an der Basis nur gestreift worden war
und keine Eröffnung der Höhle stattgefunden hatte.
Neugebauer (Mährisch-Ostrau).
Berichtigung.
P. 765 Z. 28 v. o. lies 10% statt 20%. Dr. de Beule teilt mit, daß seit der
Veröffentlichung der hier referierten Arbeit noch weitere 6 Gastroenterostomien
mit seinem Knopf bei Pyloruskarzinom glücklich operiert worden sind.
Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags-
handlung Brestkopf & Härtel, einsenden.
Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig, Nürnbergerstraße 36/38.
Zentralblatt
CHIRURGIE
E. vn Begum, Kl, Re,
Dreiunddreißigster Jahrgang.
ares eT S EE E ES
Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei halbjähriger
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.
Nr. 33. Sonnabend, den 18. August. 1906.
imhalt: 1) Fessler, Torsionsfestigkeit des Gelenkbandapparates. — 2) Blerhoff, Prosta-
titis gonorrhoica. — 3) Leedham-Green, Harnblasenverschlu8. — 4) Heymann, Cystitis trigoni.
— 6) Voelcker, Chromocystoskopie. — 6) Sultan, Eosinophilie der Niere. — 7) Zirenl,
Nephritis. — 8) Jungano, Unterbindung der Nierengefäße. — 9) Berg, Sklerosierende Para-
nephritis. — 10) Nieszytka, Bruch des Tub. maj. humeri. — 11) Hoffa, Malum coxae senile.
— 12) Thienhaus, Trochanterabtrennung. — 13) Merlot, Schrägbrüche des Schienbeins. —
14) Mayo, Krampfadern. — 15) Kusnezow, Elephantiasis. — 16) Voeckler, Fersenbeinbruch.
I. M. Morl, Die Curette zur nachträglichen Entfernung eingewachsener resp. eingeklemm-
ter Gazestreifen. — II. G. Hohmann, Knochenhebel für Osteotomien. (Original-Mitteilungen.)
17) Neuwirth, Tendofasciitis calcarea. — 18) Thiemann, Harnröhrendivertikel. — 19) Rose,
Hamröhrenplastik. — 20) Teuney u. Chase, Prostatektomie. — 21) Menschikow, 22) Morel,
Blasenriß. — 23) Bond, Blasenspalte. — 24) Brewer, Septische Niereninfarkte. — 25) Car-
stens, Nierenbefestigung. — 26) Alegioni, Abnorme Beweglichkeit des Akromioklavikular.
gelenkes. — 27) Cornet, Schußverletzung der A. axillaris. — 28) Friedrich, Axillaraneurys-
men. — 29) Hirsch, Medianusverletzung. — 30) Lotsch, Radiusdefekt. — 31) Hackmann
Bruch des Os naviculare carpi. — 32) Pers, Ischias. — 33) Summers, Angiom des Glutaeus,
maximus. — 34) Garrè, Arteriennaht bei Aneurysmaoperationen. — 35) Lewlasch, Coxitis
tuberculosa. — 36) Axhausen, Quadricepssehnenriß. — 37) Zesas, Angiom der Kniegelenk-
kapsel. — 38) v. Ruediger-Rydygler jun., Sarkom der Kniegelenkkapsel. — 39) Passaggl,
Entzündung des subpatellaren Gelenkkörpers. — 40) Hayd, Doppelamputation der Unter-
schenkel bei Diabetes. — 41) Dryden, Knochenüberpflanzung. — 42) Corson, Gritti’sche
Amputation. — 43) v. Thlerry, Beingeschwüre.
I) J. Fessler. Die ‘Torsionsfestigkeit des Gelenkband-
apparates.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXII. p. 1.)
In einer früheren Arbeit hat F. exakte Messungen »über die
Festigkeit der menschlichen Gelenke mit besonderer Berücksichtigung
des Bandapparates« veröffentlicht — vgl. den Bericht in unserem
Blatte 1894 p. 900. Die vorliegende Arbeit enthält die Resultate
ähnlicher Versuche über die Torsionsfestigkeit der Gelenke. Wie
damals die Gelenke Zug- bzw. Distraktionswirkungen oder auch He-
belungen ausgesetzt wurden und ermittelt wurde, welche Kräfte bzw.
Gewichte nötig sind, um bei jedem Versuchsobjekt eine Zusammen-
33
890 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33.
hangstrennung herbeizuführen, so wurden jetzt die zu prüfenden
GliedmaBenteile in einer Drehbank eingespannt, die Knochen der einen
Gelenkseite unverrückbar festgestellt, die der anderen an eine Dreh-
scheibe befestigt, um mittels letzterer dem Torsions- oder Verwindungs-
versuch ausgesetzt zu werden. Exakte Zentrierung der Gliederlängs-
achsen mit dem Mittelpunkte oder der Drehachse der Drehscheibe,
genaue Abmessung der Belastung auf letzterer, die erforderlich ist zur
Zerreißung der Gelenke, ermöglichen dann eine präzise Bestimmung
der zu erforschenden Kraftgrößen.
Uber die von F. ermittelten Resultate ist, da eine völlige Wieder-
gabe derselben hier untunlich scheint, auf das Original zu verweisen.
Zu bemerken ist nur, daß die Beobachtungen F.’s theoretisch auch
für die praktische Chirurgie Bedeutung besitzen, namentlich für die
Entstehung von Spiralbrüchen, die F. häufig genug erzielte, und die
dann erfolgen, wenn die Widerstände gegen die Verwindung in den
Gelenken stärker sind als in den Knochen. Aber auch Brüche in
den kleinen Knochen der Hand- und Fußwurzel finden sich in den
F.’schen Versuchsprotokollen notiert, und auch auf diese Verletzungen
wird also durch die Versuche ein aufklärendes Licht geworfen. Es
ist lehrreich zu sehen, wie groß bei allen diesen in Frage kommenden
Verletzungen die Kraft ist, deren es zu ihrer Entstehung bedarf, und
die Widerstandsfähigkeit der verschiedenen Körpergelenke hierauf hin
vergleichen zu können. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
2) Bierhoff. Beitrag zum Studium der Prostatitis gonor-
rhoica.
(Zentralblatt für die Krankheiten der Harn- und Sexualorgane Bd. XVII. Hft. 5.)
Die Häufigkeit der prostatischen Infektion bei der Urethritis
posterior schwankt nach der Ansicht der einzelnen Autoren zwischen
70 und 100%. Verf. sieht das Auftreten einer Urethritis posterior
immer als einen Beweis für das Vorhandensein einer gleichzeitigen
Prostatitis an.
Die richtig ausgeführte Zweigläserprobe (Pat. muß den Harn so
entleeren, daß er den ganzen bis auf wenige Teelöffel voll in das erste
und nur die letzten Teelöffel voll in das zweite Glas läßt) genügt
vollkommen zur Diagnose der Urethritis posterior. Dadurch vermeidet
man das dem Verf. unnötig erscheinende Einführen irgendwelcher
Instrumente während des akuten Stadiums einer Gonorrhöe.
Der Prozentsatz, in dem bei der Gonorrhöe überhaupt eine
Urethritis posterior auftritt, schwankt nach den einzelnen Autoren
zwischen 16,6 bis 93%, nach der Statistik des Verf.s beträgt er
47,5%, nach 311 Gonorrhöen festgestellt; bei 149 von Anfang bis zu
Ende vom Verf. behandelten Gonorrhöen aber betrug der Prozentsatz
nur 11,4%, bei 77 abortiv behandelten Fällen unter den negativ aus-
fallenden nur 52%.
Die Behandlung der Prostatitis soll stets von Anfang an eine
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 891
lokale sein; selbst Fieber soll nur unter gewissen Umständen eine
Kontraindikation bilden. Näheres ist im Original der sehr lesens-
werten Arbeit einzusehen. Grunert (Dresden).
3) Leedham-Green. Uber den Mechanismus des Harn-
blasenverschlusses und der Harnentleerung.
(Zentralblatt für die Krankheiten der Harn» und Sexualorgane Bd. XVII. Hft. 5.)
Kine Kritik der Arbeit von Oppenheim und Low (vgl. Referat
dieses Blattes 1906 p. 643) auf Grund eigener Untersuchungen des
Verf.s mit dem Resultate, daß die Form der ausgedehnten sowohl wie
der nicht ausgedehnten menschlichen Harnblase immer oval und nicht
birnenförmig, und daß die Harnröhre ohne auch nur eine Andeutung
eines Blasenhalses deutlich von der Blase geschieden sei. Verf. hat
zu seinen Versuchen die Blasen von Männern und Jünglingen mit
einer Aufschwemmung von Bismuthum subnitricum oder Silber-
albuminat gefüllt und sie dann röntgenographiert. Ausführliche Be-
schreibung der Versuche erfolgt demnächst im British medical journal.
Grunert (Dresden).
4) Heymann. Die Cystitis trigoni der Frau und ihre
pathologische Anatomie. Beiträge zur Metaplasie des Blasen-
epithels.
Zentralblatt für die Krankheiten der Harn- und Sexualorgane Bd. XVII. Hft. 4.)
Pathologisch-anatomische Untersuchungen des weiblichen Blasen-
dreiecks. Verf. hat die Blasen von 20 Frauen im Alter von 17 bis
64 Jahren unter folgenden Postulaten mikroskopisch untersucht:
1) Es werden nur ganz frische Präparate untersucht.
2) Die Blase darf makroskopisch nicht verändert sein.
2) Es darf keine Erkrankung der Harnwege bestanden haben,
bzw. in autopsia gefunden werden.
Das Ergebnis lautet: Von 20 Blasendreiecken, die makroskopisch
keine Veränderungen darboten, ist nur ein einziges normal befunden
worden, sechs andere hatten normales Epithel und wiesen nur hier
und da einen Infiltrationsherd auf, und 13 wiesen schwere Verände-
rungen des Epithels auf (Epithelmetaplasie, Wucherung des Epithels,
Cystitis cystica). Die schwereren Veränderungen entfallen auf die
über 40 Jahre alten Blasen. Die Oystitis trigoni ist eine der Frau
eigentiimliche Form der chronischen Cystitis. Sie hat ihre Ursache
in einer der Frau eigentümlichen Schwäche des Blasenausganges. Sie
neigt zum Chronischwerden des Prozesses und führt in einer großen
Zahl der Fälle nach langer Dauer des Prozesses zur Metaplasie des
Epithels. Grunert (Dresden).
892 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33.
5) F. Voelcker. Diagnose der chirurgischen Nierenerkran-
kungen unter Verwertung der Chromocystoskopie. 1878.
Mit 50 Abbildungen im Text.
Wiesbaden, J. F. Bergmann, 1906.
Daß die Harnleiterkatheterisation zu den komplizierteren Unter-
suchungsmethoden gehört, und daß sie, wenn sie nicht von ganz
geübten Händen vorgenommen wird, leicht Schaden stiften kann, wird
wohl von allen Urteilsfähigen ohne weiteres zugegeben. Hierzu kommt
noch, daß in bestimmten Fällen schwererer Blasenstörungen die Harn-
leiterkatheter nicht eingeführt werden dürfen, um keine Krankheits-
produkte nach den Nierenbecken zu verschleppen. Aus allen diesen
Gründen hat man immer und immer wieder versucht, die großen dia-
gnostischen Vorteile der Harnleiterkatheterisation auf weniger kom-
pliziertem und event. auch weniger gefährlichem Wege zu erhalten.
Namentlich zwei Verfahren sind hier unter Umständen mit Vorteil
anzuwenden: die Urinscheidung durch in die Blase eingeführte künst-
liche Scheidewände und die von V. und Joseph ersonnene und dann
von dem erstgenannten Autor durchgearbeitete Methode der Chromo-
cystoskopie. Die subkutane Einspritzung von Indigkarmin gestattet
in dem aus der Blase entleerten Urin eine einfache kolorimetrjsche
Bestimmung und ermöglicht die Aufstellung von Ausscheidungskurven,
in denen sich die funktionelle Tüchtigkeit der zwei Nieren, als sekre-
torisches Ganze betrachtet, wiederspiegel. Durch die tintenartige
Bläuung, die das Indigkarmin auf der Höhe seiner Ausscheidung dem
Urin verleiht, ist eine direkte Beobachtung der Nierentätigkeit resp.
der Harnleiterkontraktionen im cystoskopischen Bilde möglich, und
man kommt zu Erfahrungen über Anderungen des Kontraktionsmodus
der Harnleiter unter veränderten Bedingungen oder pathologischen
Zuständen. Bei unilateralen Erkrankungen der Nieren pflegen sich
deutliche Unterschiede nicht nur in dem Kontraktionsmodus, sondern
auch in der Kontraktionsstärke des sezernierten Indigkarmins zu
finden, Unterschiede, die man bei genügender Übung mittels des
Cystoskops direkt sehen und abschätzen oder auch durch Einlegen
von Harnscheidern oder Harnleiterkathetern genau kolorimetrisch
bestimmen kann. In der vorliegenden Monographie gibt Verf. eine
klare und eingehende Schilderung der klinischen Bedeutung der
Chromocystoskopie und ihrer Verwertung bei der Diagnose von
chirurgischen Nierenerkrankungen. Mit zunehmender Erfahrung hat
sich doch herausgestellt, daß eine ganze Anzahl von unklaren Fällen
sich durch die einfache Chromocystoskopie in durchaus befriedigender
und ausreichender Weise aufklären lassen, und daß diese von ver-
schiedenen Autoren zunächst sehr scheel angesehene Methode öfters
mit Vorteil an die Stelle komplizierterer Untersuchungsmethoden
gesetzt werden kann. Die V.’sche Monographie enthält eine Reihe
wertvoller Einzelbeobachtungen und wird von jedem, der sich mit
Nierenchirurgie beschäftigt, mit besonderem Interesse gelesen werden.
Paul Wagner (Leipzig).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 893
6) G. Sultan. Über lokale Eosinophilie der Niere.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXT. p. 120.)
Da Verf. über die in obiger Arbeit beschriebene Beobachtung
und Operation (erfolgreiche Nephrektomie) in der freien Chirurgen-
vereinigung Berlins Vortrag gehalten hat und über letzteren in unserem
Blatte laufender Jahrgang p. 356 bereits ein alles Wesentliche wieder-
gebendes Referat erschienen ist, wird hier auf dieses verwiesen und
nur bemerkt, daß in der Arbeit auch eine kurze Allgemeinbesprechung
der Eosinophilie enthalten ist und gute mikroskopische Abbildungen
von den S.’schen Fall betreffenden Präparaten, sowie ein 61 Nummern
zählendes Literaturverzeichnis über eosinophile Zellen beigegeben sind.
Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
7) Zironi. Contributo sperimentale al trattamento chi-
rurgico delle nefriti.
(Policlinico 1906. Ser. chir. Nr. 5.)
Z. erzeugte durch Vergiftung mit Chromsäure und Diphtherie-
toxin bei zwei Hunden eine gemischte Nephritis, an welcher die
parenchymatösen und interstitiellen Veränderungen in besonderer
Weise auf die peripheren Schichten der Rinde lokalisiert sind. Mit
Diphtherietoxin erzeugte er bei einem dritten Hunde eine rein inter-
stitielle Nephritis mit Lokalisation in den Markstrahlen; bei einem
vierten eine rein und bei einem fünften Tiere eine vorwiegend par-
enchymatöse Erkrankung.
Die Aushülsung einer Niere wurde bei Hund I 41/, Monate
nach Beginn der chronischen Nephritis gemacht, bei den übrigen
Hunden nach 21/,—2 Monaten.
35—51 Tage nach der Aushülsung bestand eine Verschlimmerung
der Entzündung in der enthülsten Niere bei Hund I und III. Bei
Hund IV war die Albuminurie direkt nach der Operation stärker
geworden, histologisch zeigte sich jedoch keine Beeinflussung des
krankhaften Prozesses. |
In diesen Experimenten hatte die Aushülsung also einen schä-
digenden Einfluß auf die vorwiegend interstitiellen Nephritiden und
war ergebnislos bei den parenchymatösen.
E. Pagenstecher (Wiesbaden).
S: M. Jungano. De la ligature de l'artère et de la veine
rénales.
(Ann. des malad. des org. génito-urin. Bd, XXIV. I. 1906. Nr. 12.)
Auch Verf. kommt durch eine Reibe neuerer experimenteller
Untersuchungen zu dem Schluß, daß man bei einer Verletzung von
Nierenarterie und Nierenvene am besten die Nephrektomie vornimmt.
Macht man nur die Unterbindung der beiden Gefäße, so kommt es zu
einer fortschreitenden interstitiellen Nephritis mit schließlicher Kalk-
$
894 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33.
ablagerung. Aber das nekrotisierende Organ bewirkt durch die Aus-
scheidung toxischer Stoffe eine Schädigung des Gesamtorganismus.
Paul Wagner (Leipzig).
9) A. A. Berg. Paranephritic sclerosis: its etiology, sym-
ptoms and treatment.
(Amer. journ. of surgery 1906. Juni.)
Unter sklerosierender oder adhäsiver Paranephritis wird eine mehr
oder weniger chronische Entzündung der fibrösen und Fettkapsel der
Niere verstanden, die entweder eine Nierenentzündung begleitet, aber
auch nach gänzlichem Abklingen derselben andauert, oder sekundär
auf dem Lymph- oder Blutwege von Erkrankungen der Nachbar-
organe: Wirbel, Wurmfortsatz, Gallenblase usw., ausgeht. Es wird
die Entstehung einer Nephritis und Paranephritis ohne Eiterung durch
die gewöhnlichen Eitererreger hervorgehoben und als Beweis dafür
eine interessante Krankengeschichte mitgeteilt: Die Operation zeigte
eine ausgedehnte adhäsive Paranephritis und ödematöse Niere, deren
mikroskopische Untersuchung (probeexzidiertes Stück) akute Ent-
zündung durch Staphylokokkus aureus ergab; Heilung durch Drainage.
Verf. betont das Weiterbestehen der Paranephritis trotz Ausheilung
der Nierenentzündung und glaubt, daß darauf die renale Neuralgie
der Franzosen zurückzuführen sei. Auch soll sie stets bei den Fällen
essentieller und renaler Hämaturie vorhanden sein. Die Symptome
sind: dumpfer stechender Schmerz in der Lendengegend, der höchstens
in das Hypochondrium oder die Schulter ausstrahlt, während der
Nierenkolik ein scharfer, schneidender, in die Leistengegend, Hoden
und den Oberschenkel ausstrahlender Schmerz eigen ist. Die Niere
ist bei Paranephritis fest fixiert und ergibt kein »renales Ballotement«.
Für die Behandlung kommt nur die operative Trennung der Ver-
wachsungen, d.h. die Edebohls’sche Enthülsung in Betracht.
Goebel (Breslau).
10) Nieszytka. Über die isolierte Fraktur des Tuberculum
majus humeri.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXII. p. 147.)
N. weist an der Hand von neun in Höftmann’s Privatklinik in
Königsberg behandelten Fällen nach, daß der Bruch des Tuberculum
majus bei weitem häufiger ist, als man bisher wußte. Allerdings ist
er sicher nur mittels Röntgen nachweisbar, und auch bei dieser Unter-
suchung bedarf es, wie Dr. Matthias, Inhaber des Röntgen-Labora-
toriums der genannten Klinik, erfuhr, eines besonderen Kunstgriffes,
um die vorhandenen Bruchlinien auf die Platten zu bekommen; man
muß den in möglichster Außenrotation fixierten Arm durchstrahlen
lassen, damit die größte Wölbung des Tuberculum im Profil projiziert
wird. Gleichzeitig ist Adduktion der Abduktion vorzuziehen; störende
Mitbewegungen der Schulter durch die Atmung werden am besten
durch Anwendung der Albers-Schönberg’schen Blende verhindert.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 895
Nach den statistischen Daten der an Frakturen reichen Höftmann-
schen Klinik erscheint der isolierte Tuberkelbruch ebenso häufig wie
der Bruch des anatomischen und chirurgischen Oberarmhalses bzw. die
Lösung der oberen Humerusepiphyse. Rechnet man hierzu noch die
große Zahl von Tuberkelbrüchen, die Schulterverrenkungen kompli-
zieren, so muß das Tuberkel als der häufigst verletzte Oberarmteil
angesehen werden. Wie aus den N.’schen Fällen hervorgeht, sind,
abgesehen vom Röntgenbefund, meist keine für die Verletzung charak-
teristische Befunde vorhanden, so daß die bisherige Diagnose nur auf
Kontusionen oder Distorsionen gestellt war. Ein direkter Stoß scheint
häufiger als ein indirekter Stoß oder ein Riß die Verletzungsursache
zu sein. Stets bestanden erhebliche Gelenkfunktionsstörungen, Schwäche
und Schmerzen im Arm, Muskelabmagerung, Krepitation im Gelenk,
starke Bewegungsbeschränkungen nach den meisten Richtungen, dazu
meist typische Druckpunkte am Tuberkel selbst, am Übergang der
Spina scapulae in das Akromion und an der unteren Insertion des
M. deltoidus. Die gelösten Bruchstücke zeigen Neigung zur Disloka-
tion, und zwar besonders zu solcher nach oben und hinten. Falls sie
nicht anheilen, veranlassen sie Einklemmungserscheinungen. (In einem
derartigen Falle N.’s handelte es sich um ein nur etwa stecknadel-
kopfgroßes Knochenstückchen.) Während bei der frischen Verletzung
fixierende Verbände angezeigt sein werden, ist zur Beseitigung der
von ihr hinterlassenen chronischen Schäden die mediko-mechanische
Behandlung (Heißluftbäder, Massage, Apparatübungen) das einzig
empfehlenswerte Verfahren, mit dem in N.’s Material wiederholt recht
befriedigende Resultate erzielt sind. Exzision der Bruchstücke (von
Höftmann 2mal bei gleichzeitiger veralteter Verrenkung vorgenommen)
und Tenotomie, bzw. Sehnenplastik der an das Tuberkel sich an-
setzenden Muskeln (lmal von Deutschländer am Subscapularis
gemacht) werden in der Regel nicht indiziert sein.
Beziiglich der Details der Krankengeschichten nebst den in Um-
rißzeichnungen wiedergegebenen Röntgenbildern ist auf das Original,
dem ein 11 Nummern zählendes Literaturverzeichnis angefügt ist, zu
verweisen. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
11) Hoffa. Die Behandlung des Malum coxae senile (Ar-
thritis deformans des Hüftgelenkes).
(Therapie der Gegenwart 1906. Nr. 1.)
H. hebt hervor, daß die Arthritis deformans leicht daran zu dia-
gnostizieren ist, daß die Abduktionsfähigkeit behindert ist, ein Sym-
ptom, das bei der differential-diagnostisch in Betracht kommenden
Ischias fehlt. Nach Feststellung dieses Symptoms findet man dann
leicht andere arthritische Symptome.
Zu einer erfolgreichen Behandlung ist eine frühzeitig gestellte
Diagnose absolutes Erfordernis. Die Therapie besteht in Entlastung
des Gelenkes durch einen Schienenhülsenapparat. Die durch Tragen
896 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33.
des Apparates bedingte Muskelschwäche muB durch gleichzeitige
Massage und Ubungstherapie beseitigt werden. Daneben ist eine
Heißluftbehandlung oder Umschlagsbehandlung zu empfehlen. In
ganz veralteten nicht mehr zu beeinflussenden Fällen hilft allein die
Resektion des erkrankten Gelenkes.
H. berichtet über vier von ihm mit gutem Erfolg operierte Fälle.
Silberberg (Breslau:.
12) Thienhaus. Epiphyseal separation of the great tro-
chanter with report of a case.
(Annals of surgery 1906. Mai.)
T. unterscheidet zwei Klassen der Trochanterabtrennung: 1) Die
vollständige, schwerere, bei welcher mit dem Trochanter die Sehne
und das Periost zerrissen sind. 2) ‘Die unvollständige, wo der Tro-
chanter allein, ohne daß Periost und die Sehne zerissen sind, ab-
getrennt ist. Die erstere kann leicht zur Eiterung und Pyämie führen.
Die Diagnose stützt sich auf Druckschmerzen in der Trochanter-
gegend, Unmöglichkeit das Bein zu bewegen und besonders auf die
Röntgendurchleuchtung. Die Behandlung besteht bei der unvoll-
ständigen Form in einem die Hüfte und den Oberschenkel umfassenden
Gipsverband, sowie Bettruhe; bei der vollständigen Form wird die
Operation empfohlen, bei Eiterungen ist möglichst der Trochanter zu:
entfernen. Herhold (Altona).
13) Merlot. Traitement des fractures obliques de jambe.
These de Paris, @. Steinheil, 1906.
M. empfiehlt zur Behandlung der Schrägbrüche des Schienbeines
einen von Ombre&danne angegebenen Streckverband, der eine Modi-
fikation des Hennequin’schen Verbandes darstellt und im wesent-
lichen darin besteht, daß der gebrochene Unterschenkel in eine genau
modellierte Gipshülse gelegt wird, und der Fuß einen Schnürpantoffel
erhält, der vermittels eines quer durch die Pantoffelsohle gelegten
Metallstabes auf den verlängerten Enden der Gipshülse gleitet. Für
die Extension kommt ein auffallend niedriges Gewicht, 2—4 kg, selbst
bei Erwachsenen in Anwendung. Einen Vorzug gegenüber den bei
uns üblichen Streckverbänden vermag Ref. aus der Beschreibung nicht
zu erkennen; auch scheint ihm das Prinzip, die Zugwirkung nur auf
den Fußrücken und die Ferse zu verteilen, nicht nachahmenswert.
Deutschländer (Hamburg).
14) Mayo. Treatment of varicose veins.
(Surgery, gynaecology and obstetrics Vol. IT. Nr. 4.)
Um die GréBe der Operationswunden bei der Exzision der
Krampfadern zu verringern, faßt M. die Saphena von etwa 3 cm
langem Einschnitt aus, unterbindet das zentrale Ende und fädelt das
periphere durch den Ring eines besonderen Instrumentes, das einer
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 897
oben abgebogenen, stumpfen Uteruscurette gleicht, und löst subkutan
unter Vorschieben des Instrumentes und Anspannung der Haut von
außen die Vene aus, wobei kleinere Aste abgerissen werden. Ist die
ganze Länge des Instrumentes eingeschoben, so wird auf den Ring
eingeschnitten, die gelöste Vene herausgezogen und das gleiche Ver-
fahren an dem weiter peripher gelegenen Abschnitte wiederholt. Am
Unterschenkel müssen die Einschnitte etwas näher beieinander liegen
als am Oberschenkel. Die abgerissenen Nebenäste sollen sich gut
zusammenziehen, die Blutung wird schon durch Hochlagerung während
der Operation beschränkt. Sind Venensteine oder entzündliche Vor-
gänge vorhanden, so ist das Verfahren nicht anwendbar; dann führt
M. es, wenn irgendmöglich, aber noch in der Kniegegend aus, um
so die störende Narbe zu vermeiden. Sein Vorgehen soll viel Zeit
sparen. Trapp (Bückeburg).
15) M. M. Kusnezow. Die Behandlung der Elephantiasis
mittels keilförmiger Exzisionen.
(Russisches Archiv für Chirurgie 1905. [Russisch.))
Bei dem Studium der einschlägigen Literatur hat K. gefunden,
daß die keilförmige Exzision bei Elephantiasis der unteren Extremi-
täten noch wenig angewandt wird. Auf Grund seiner Erfahrung und
der Erfolge von v. Mikulicz empfiehlt er das Verfahren, mit dem
gute und vor allem dauernde Resultate zu erzielen seien.
V. E. Mertens (Breslau).
16) Voeckler. Zur Lehre von der Fraktur des Calcaneus.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXII. p. 175.)
Anknüpfend an zehn im Krankenhause Magdeburg-Sudenburg
(Oberarzt Dr. Habs) beobachtete eigene einschlägige Fälle, von denen
sich zwei durch besondere Schwere auszeichnen, bringt V. eine gut unter-
richtende, die neuere Literatur berücksichtigende Allgemeinbesprechung
des Fersenbeinbruches. Zu unterscheiden ist der AbriB- und der
Kompressionsbruch. Der Abrißbruch, dem Zug der Wadenmuskeln
an der Hacke zuzuschreiben, übrigens häufig nicht allein auf solchen
zurückführbar, betrifft ausschließlich den hinteren Fersenbeinfortsatz
oder Teile desselben und gibt im allgemeinen eine gute Prognose.
Dagegen entsteht der Kompressionsbruch durch Knochenzusammen-
stauchung bei Fall auf die FuBsohle unter Wirkung der Körper-
schwere auf letztere. Betroffen werden dann entweder der Körper
des Knochens oder seine verschiedenen Fortsätze, Proc. inframalleo-
laris, anterior, posterior und das Sustentaculum tali. Die Kompressions-
brüche zeichnen sich durch meist mehr oder weniger schlechte Pro-
gnose aus, ein Umstand, der erst seit Inkrafttreten der Unfall-
versicherungsgesetze aufgeklärt ist, wie auch erst, in neuerer Zeit durch
das Röntgenverfahren die verschiedenen vorkommenden Bruchverlaufs-
linien zur Erkenntnis kommen konnten.
38**
898 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33.
Die beiden erwähnten besonders schweren Fälle von Fersenbein-
bruch betrafen zwei Arbeiter, welche mit einem für Lastenaufzug
bestimmten Fahrstuhl in einem 15m tiefen Schacht hinabgesaust
waren. Beide Pat. trugen beiderseits Fersenbeinbrüche davon, von
denen in Fall 1 derselbe bei gleichzeitigem Vertikalbruch des Talus
ein komplizierter war, indem die Bruchstücke des Fersenbeines unter
dem Drucke von oben die Fußsohle durchbohrten. Dagegen zeichnet
sich Fall 2 dadurch aus, daß durch den Stoß auf den Fußboden und
den Gegendruck von oben her durch das Körpergewicht die Fußsohlen-
weichteile derartig gequetscht waren, daß sie brandig wurden, woran
sich noch eine Unterschenkelphlegmone schloß. Auf dem weniger
verletzten Fuße dieses Kranken trat nach 3 Monaten nach der Ver-
letzung eine umschriebene Nekrosenbildung an der Sohle auf. Röntgen
zeigte hochgradige Fersenbeinzerstörungen an allen vier Füßen, meist
mit Bildung mehrerer Bruchstücke und einer gewaltigen Oallusent-
wicklung, die das ganze hintere Fußskelett in eine unförmlich-klumpige
Knochenmasse verwandelt hatte. Die in der Arbeit enthaltenen Repro-
duktionen der Röntgenogramme sind verunglückt, doch hat V. in
einem Nachtrag zu seiner Arbeit (p. 611 des angegebenen Zeit-
schriftenbandes) Skizzen mit deutlicher Bruchlinienzeichnung beigefügt.
Beide Verletzte konnten erst nach über einjähriger Behandlung das
Krankenhaus verlassen, aber beide waren dauernd unfähig, ihre Füße
zu gebrauchen — Gefähigkeit nur in besonders gearbeiteten Schuh-
werk mit Hilfe von Stöcken, so daß beide Vollinvaliditätsrenten er-
halten mußten.
Von den sonst aus dem Beobachtungsmateriale V.’s (im ganzen
13 genau mit Röntgen kontrollierten Fersenbeinbrüchen) gewonnenen
Erfahrungen ist zu erwähnen, daß bei frischer Verletzung das Röntgen-
bild oft versagt, wohl wegen der verdunkelnd wirkenden Blutergüsse,
daß aber 14 Tage bis 3 Wochen später genügend klare Bilder zu
erzielen sind. Gewöhnlich ist der Fersenbeinbruch isoliert; in den
13 V.’schen Fällen waren nur bei dreien andere Knochen gleichzeitig
gebrochen. Auch in den verhältnismäßig leichteren Fällen waren die
Fußbeschädigungen sehr erheblich. Nach 3—4 Wochen fallen die
ersten Gehversuche ganz resultatlos aus, erst 3—4 Monate nach der
Verletzung pflegen sie Erfolg zu haben, aber auch dann klagt Pat.
meist über Schmerzen, namentlich der äußeren Knöchelgegend, und
ist genötigt, nur sehr kleine vorsichtige Schritte zu machen, meist nur
mit dem äußeren Fußrande auftretend und den Fuß schlecht ab-
wickelnd. Objektiv findet sich Plattfußbildung, Verbreiterung der
Ferse, Verkürzung des senkrechten Fußdurchmessers, Tiefstand des
Malleolus int. Die Funktion im Talocruralgelenk kann ungestört
sein, behindert dagegen pflegen Pro- und Supination zu sein (Störung
in den Tarsalgelenken). Therapeutisch kommt außer dem Gipsverband
besonders die Bardenheuer’sche Extensionsbehandlung in Betracht;
vor zu frühzeitigen Gehversuchen ist nachdrücklich zu warnen.
Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 899
Kleinere Mitteilungen.
I.
Die Curette zur nachträglichen Entfernung eingewachsener
resp. eingeklemmter Gazestreifen.
Von
Dr. M. Mori, Japan.
Bekanntlich bringt die Tamponade nach dem unvollständigen Verschluß der
Bauchwunde allerlei Unannehmlichkeiten mit sich, und in letzter Zeit ist vielfach
die Ansicht vertreten worden, die Tamponade hier möglichst einzuschränken.
Unter den in Betracht kommenden Übelständen besonders hervorzuheben ist
Festwachsen oder Einklemmung der Gazestreifen, indem plastische Exsudate und
Granulationen in ihre Maschen dringen oder ein einschnürender Ring des Gewebes
die zusammengeballte Gaze festhalt. Die gewaltsame Herausnahme derartiger
Tamponstreifen verursacht nicht nur dem Pat. unerträgliche Schmerzen, sondern
kann auch ernste Störungen zur Folge haben. Mitunter läßt sich gar nicht ab-
sehen, wann der Pat. diesen Fremdkörper los werden wird. Um diese Schwierig-
keiten zu umgehen, hat man verschiedene Mittel und Wege eingeschlagen. Das
in letzter Zeit viel gerühmte Wasserstoffsuperoxyd leistet zuweilen recht gute Dienste.
Gaze- oder dochtgefüllte Drainröhren aus Gummi, Metall oder Glas u. dgl. kämen
hier in Betracht; aber der aus dem Rohr herausgetretene Teil der Gazestreifen
macht doch wieder Schwierigkeiten. Lauenstein hat auf dem 34. Kongreß für
deutsche Chirurgie über die praktische Brauchbarkeit des Tränkens der Gazestoffe
mit Paraffinum liquidum vorgetragen und behauptet, daß er damit die besten und
befriedigendsten Ergebnisse erzielt habe.
Neuerdings kam ich nun auf den Gedanken, derartige Gazestreifen vermittels
einer Curette zu entfernen. Der Gedankengang war dabei folgender: Was nicht
vorwärts herauszubringen ist, muß rückwärts in entgegengesetzter Richtung gezo-
gen werden. Die Praxis hat mir diese theoretische Annahme als richtig erwiesen,
worüber ich auf dem 7. Kongreß für japanische Chirurgie vorgetragen habe. Was
die Konstruktion der Curette angeht, so ist sie aus der Skizze ersichtlich und be-
darf wohl keiner weiteren Beschreibung. Uber ihre Anwendungsweise sind nicht
viele Erörterungen notwendig. Zunächst führt man das Ende der aus der Wund-
öffnung heraustretenden Gaze durch die Öse der Curette, mit der man sodann
und vorsichtig in die Tiefe dringt. Daß dabei den Verhältnissen ent-
sprechend verschiedenartiges Manöverieren vorkommen wird, versteht sich wohl
Su
1/4 natürl. Größe.
von selbst. Da die Curette biegsam konstruiert ist, kann sie nach Bedarf beliebig
geformt werden. Die mir bis jetzt vorgekommen zwei Fälle von Gazeretention
wurden dank der Curette ganz glatt erledigt. Als Beleg möchte ich noch die bei-
den Krankengeschichten in Kürze folgen lassen.
Fall I. H.N., 41jahrige Frau. Operiert am 15. Januar 1906 wegen Darm-
invagination. Fast das ganze Kolon mit Ausnahme des unteren Teiles des Colon
descendens wurde reseziert und das Ileum in das letztere implantiert. Drei Gaze-
streifen wurden an die Nahtstelle, hinten, rechts und links gelagert. Nach 5 Tagen
900 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33.
begann ich die Tamponade zu lockern. Am 9. Tage gelang es, einen Streifen
davon zu entfernen. Dabei gingen wir etwas gewaltsam vor; weshalb wohl am
folgenden Tage sich Erbrechen, Sichtbarwerden der peristaltischen Bewegung usw.
einstellten, so daß Verdacht auf eine Passagestörung aufkam. Vom 13. Tage an
hörten diese Erscheinungen jedoch von selbst auf. Am 16. Tage wurde der zweite
Streifen ohne erhebliche Schwierigkeit entfernt, während der dritte jedem Ent-
fernungsversuche Widerstand leistete. So verging die Zeit bis zum 22. Tage nach
der Operation. Nun entschloß ich mich, die inzwischen hergestellte Curette in
Anwendung zu ziehen. Nachdem ich mit ihr eine verengte Stelle passiert hatte,
zog ich den Streifen mitsamt der Curette heraus, und die Gaze, welche nicht nur
die Pat., sondern auch uns so lange belästigt hatte, kam mit einem ganz leisen
Zug zum Vorschein. Die Gaze war, wie sich herausstellte, in dem verengten Ringe
eingeklemmt, hatte sich jenseits desselben zusammengeballt. In diesem Falle war
es also Einklemmung, nicht Einwachsen, was das Hindernis verursachte. Der
weitere Krankheitsverlauf war ein ganz glatter.
. Fall IL J. M., 13jähriger Knabe. Bei ihm wurde am 18. Mai 1906 wegen
Invagination das Coecum reseziert, der Dünndarm in den Dickdarm implantiert.
Zwei Gazestreifen wurden in die Nähe, aber nicht direkt an die Nahtstelle der
implantierten Stelle gelegt. Nachdem methodische Lockerungsversuche voraus-
gegangen waren, versuchten wir am 15. Tage nach der Operation, die Tam-
ponade zu entfernen, jedoch ohne Erfolg. Daraufhin gingen wir mit der Curette
ein, und es gelang uns, einen Streifen zu entfernen, ohne dabei gawaltsam vorzu-
gehen. Am 17. Tage versuchte ich vergeblich den noch zurückgebliebenen Streifen
zu entfernen, und ich sah mich wiederum genötigt, zur Curette zu greifen. Nach
einigen Manipulationen, allerdings nicht sehr leicht, erreichten wir unser Ziel. Die
Wundheilung ging darauf schnell von statten, und der Junge erfreute sich seiner
baldigen Entlassung. Bei diesem Falle waren die Gazestreifen in das Gewebe ein-
gewachsen, handelte es sich nicht um Einklemmung.
Durch die bisherigen Erfahrungen, an Zahl klein, wie sie erst sind, glaube ich
zur Behauptung berechtigt zu sein, daß die Curette ein unentbehrliches Instrument
bei derartigen Anfällen darstellt.
H.
(Aus dem orthopädischen Ambulatorium der kgl. Universität München.
Prof. Dr. Fritz Lange.)
Knochenhebel für Osteotomien.
Von
Dr. Georg Hohmann, Assistenzarzt.
In den folgenden Zeilen will ich auf ein neues Instrument hinweisen, das bei
der Osteotomie zur Isolierung und Heraushebelung des Knochens dient und sich
bei einem großen Operationsmateriale bewährt hat. Bisher hat meines Wissens
nur Kölliker ein ähnlichen Zwecken dienendes Instrument an dieser Stelle! an-
gegeben, sonst finden wir in den Lehrbüchern der Chirurgie und Operationslehre
keine Erwähnung ähnlicher Werkzeuge. Und doch besteht ein starkes Bedürfnis
nach einem solchen Instrument, das die den Knochen umgebenden Weichteile, die
bei der Isolierung abgelöst wurden, zurückhält und vor der Schärfe des Meißels
schützt. Von dem bis jetzt fast allein zu diesem Zwecke gebrauchten Elevatorium
sagt Kölliker sehr mit Recht, daß es »während des Meißelns nur mit Schwierig-
keiten sicher und ruhig gegen den Knochen angedrängt werden kann, leicht in die
Tiefe gleitet und sich in die Muskulatur einbohrt«. Und nicht bloß die Musku-
latur, auch die hinter dem Knochen verlaufenden und oft nur durch dünne Schich-
1 Kölliker, Schutzhebel bei Operationen am Knochen. Zentralblatt für Chi-
rurgie 1898. Nr. 28.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 901
ten getrennten Gefäße und Nerven verlangen Schutz vor dem Meißel, der bei
weicheren Knochen oft sehr schnell durchschlägt. Wer wie der orthopädische
Chirurg viel osteotomieren muß, wird ein solches Hilfsmittel bisher vermißt haben.
Man denke an die schweren Verbiegungen von Ober- und Unterschenkelknochen
beider Beine mit den seltsamsten Formen, wie bei den schraubenzieherartigen oder
weinrebenförmigen Beinen der schweren Rachitiker, die oft so erheblich sein kön-
nen, daß das Kind nicht mehr stehen und gehen kann. Und auf der anderen Seite
sieht der orthopädische Chirurg die Knochen der Gelenktuberkulösen, die er ab-
seits vom erkrankten Gelenk zu korrigierenden Zwecken durchmeißelt. Rachitis
und Gelenktuberkulose bieten die beiden Extreme der Knochenbeschaffenheit dar,
die elfenbeinharten Knochen der Rachitiker und die kalkarmen porösen Knochen
der in ihrer Konstitution geschwächten Tuberkulösen.
Beide Formen lassen einen Schutz der Gefäße vor dem Meißel wünschenswert
erscheinen, die rachitischen Verbiegungen wegen der möglichen Verlagerungen der
Gefäße, die den wunderlichen Windungen der Knochen folgen, die weichen Tu-
berkuloseknochen wegen der Gefahr des schnellen Durchschlagens des Meißels,
Diese Gefahren bestehen ja nicht gleichmäßig bei allen Osteotomien, wenig bei
der Osteotomia subtrochanterica des Femur, aber in gewisser Weise schon bei der
Osteotomie des Femur wegen Genu valgum, wo die nahen Popliteagefäße Schutz
verlangen. Das gleiche gilt für den Unterschenkel mit seinen Verbiegungen, wo
die hinter der Tibia liegenden Gefäße und Nerven nur. durch dünne Muskelschicht
vom Knochen getrennt sind. Ferner ist an die Gefahr der Pseudarthrose zu den-
ken, wenn der Meißel Muskeln trifft, deren Fetzen sich zwischen die Fragmente
lagern können. Auf alle Fälle aber sind diese Nebenverletzungen, wenn nicht ge-
rade gefährlich, so doch unnötig.
Wenn man einwendet, daß der Chirurg doch den Knochen ja nicht vollständig,
sondern nur bis zu zwei Dritteln seines Durchmessers durchmeißele und dann die
hintere Corticalis einbreche, so gilt dieser Einwand doch eben nur für die lineäre
Osteotomie, und bei den häufigen partiellen Resektionen der Knochen, der Keil-
osteotomie usw. ist der Schutz vor dem Meißel eben doch eine Notwendigkeit.
Diesen Schutz gewährt das Instrument, das Prof. Lange und der Verfasser
hergestellt haben. Fig. 1 zeigt es in seiner Form von der Seite: Es ist eine Art
Elevatorium, das aber nicht gerade ausläuft, wie das Kölliker’sche Instrument,
sondern das in seinem vorderen, der Abhebelung der Weichteile dienenden Ab-
schnitt eine Biegung erhält, mit der es den zu durchmeißelnden Knochen um-
. Die zweckmäßige Größe der Biegung ist durch Versuche an den beiden
hauptsächlich in Frage kommenden Knochen, Femur und Tibia, ausprobiert wor-
den. Die Biegung soll so sein, daß der Haken den Knochen umgreifen kann,
ohne Weichteile mit zu fassen. Um die Abhebelung der Weichteile, vor allem der
am Knochen haftenden Muskeln, möglichst vollständig zu erreichen, erhielt das
902 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33.
auslaufende vordere Ende der Biegung, das zungenförmig abgerundet ist, eine nach
innen, also nach dem Knochen zu gerichtete Schärfe (bei x in Fig. 1).
= Da wo der Haken zum Griff zurückkehrt, ist an diesem aufsteigenden Teile
(bei y in Fig. 1) das Blatt etwa um das Doppelte verbreitert, um die rechts und
links vorquellenden Weichteile der Wundränder breit abzuhalten. Dadurch werden
zwei besondere scharfe Haken überflüssig. Von da läuft das Instrument in einen
gewöhnlichen Metallgriff aus.
Fig. 2.
ws” -
— — sa
Man wendet es folgendermaßen an: In der Regel machen wir Längsschnitt,
gehen schnell durch Fettschicht und Muskel durch bis auf den Knochen. Rechts
und links lösen wir mit dem Kocher’schen Elevatorium die Weichteile ab, ver-
meiden es aber, das Periost in größerer Ausdehnung vom Knochen abzuheben,
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 903
um seine Ernährung nicht zu gefährden. Nun führen wir die Knochenhebel ein.
Fig. 2 zeigt diesen Teil der Operation in einem schematischen Querschnitte. Wir
fassen den einen Hebel wie eine Schreibfeder zwischen die ersten drei Finger und
führen ihn, das vordere scharfe Ende an den Knochen angesetzt, während der Griff
nach der anderen Seite sieht, langsam ein, um den Knochen herum, immer ganz
hart am Knochen bleibend, dessen Rauhigkeit uns dabei Gewähr gibt, daß
wir keine Weichteile einklemmen. So lösen wir alle Weichteile ab, bis der Griff,
der eine Drehung von über einem Rechten gemacht hat (siehe Pfeilrichtung Fig. 2),
nun nach der anderen Seite sieht. Jetzt liegt der Knochenhebel richtig. Genau
so wird von der anderen Seite ein zweiter eingeführt. Beide halten nun, wie
Figur 3 schematisch darstellt, den zu durchmeißelnden Knochen zwi-
schen sich absolut fest, alle Polster, die man bisher unter das Bein zur
Unterstützung schieben mußte, sind damit überflüssig, ebenso die scharfen Haken;
denn die Hebel balten die Weichteile breit zurück. Sie geben dem Operateur ein
freies, übersichtliches Feld. Das veranschaulicht Fig. 4. Nun kann auf
diesem abgedeckten Felde der Meißel in Tätigkeit treten.
Die Instrumente haben uns im letzten Jahre bei über 50 Osteotomien der
verschiedensten Knochen, der säbelscheidenförmigen Tibia eben so wie beim er-
wachsenen Femur, gute Dienste getan. Wir glauben sie den Kollegen zur Nach-
prüfung empfehlen zu können. Instrumentenmacher Katsch-München stellt sie
aus vernickeltem Stahl für .4 5.50 das Stück her.
17) Neuwirth. Über einen Fall von Tendinofasciitis calcarea rheu-
matica.
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XVI. Hft. 1.)
Eine früher gesunde Frau erkrankt nach einer heftigen Erkältung plötzlich
unter Fieber, Schweißausbruch und allgemeinen Gelenkschmerzen, wobei nament-
lich die Hand- und später die Fuß- und Kniegelenke in Mitleidenschaft gezogen
sind. Nach Ablauf der Schwellung werden harte Körperchen in und unter der
Haut bemerkt, die anfangs derb, elastisch und etwas empfindlich sind, allmählich aber
steinhart und schmerzlos werden. Unter Jucken und Brennen sowie allgemeinen
Gelenkschmerzen treten wiederholt neue Nachschübe auf; als Folgen finden sich
neben den harten Ablagerungen nur Herzfehler, sowie hochgradige Abmagerung
und Anämie. Die Ablagerungen selbst bestehen aus kohlensaurem und geringen
Mengen phosphorsaurem Kalk, nicht aus Uraten; sie finden sich in enormen Mengen
im Körper, als hirsekorn- bis kleinerbsengroße Knötchen an den Sehnen der
Hand und am ganzen Körper überall dort, wo die Muskeln mittels Aponeurosen
und Sehnen am Knochen sich ansetzen, besonders auch in der Umgebung der Ge-
lenke, teils in der Haut selbst, teils unter derselben im subkutanen Bindegewebe;
an manchen Stellen bilden sie größere Platten.
N. vergleicht diesen seltenen Befund mit ähnlichen Beobachtungen von Du-
nin, Wildholz, Lewandowsky, sowie mit dem Krankheitsbilde der Arthritis
nodosa mit rheumatischer Knotenbildung; vieles spricht dafür, daß der Fall der
Gruppe der rheumatischen Erkrankungen anzugliedern sei.
Haeckel (Stettin).
18) H. Thiemann. Angeborenes Harnröhrendivertikel.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXH. p. 273.)
Bericht eines von König sen. in der Jenenser Klinik vertretungsweise an
einem 6jährigen Knaben operierten Falles. Der Penis hat Form und Größe einer
Birne und schwillt beim Urinieren zu einer prall gespannten Blase an, wonach
der Urin nach und nach abtröpfelt, so daß die ganze Entleerung ungefähr 1/; Stunde
danert. Aus der an der Unterseite des Gliedes sitzenden Harnröhrenampulle ist
der Urin passiv tropfenweise suspreßbar. Harn mäßig trüb und eiweißhaltig, her-
rührend von Plattenepithelbeimengung. Besser gelingt die Entleerung bei Ein-
904 Zentralblatt fir Chirurgie. Nr. 33.
führung einer Sonde, wenn man eine offenbar vorhandene Harnröhrenschleimhaut-
falte lüftet, die dicht hinter der Eichel sitzt. Doch trat nach einer solchen
Sondierung entzündliche Schleimhautreizung ein. Die Operation fand mittels
Längsschnittes über die Harnröhre hin statt und förderte eine apfelgroße Cyste
zutage, deren Höhle sich mittels eines feinen Ganges in die Harnröhre hinter der
Eichel öffnete. Abtragung, Naht, Heilung, so daß nach 3/4 Jahr der Knabe nor-
mal mit kräftigem Strahl urinieren konnte, sein Penis dabei normal geformt und
ungekrümmt war. Die »Cyste« glich einer Art Blase, zeigte geschichteten Platten-
epithelbelag und verdankte ihre Entstehung zweifellos einer Entwicklungsstörung
in demjenigen Fötalzustande, wo die zunächst getrennt angelegten Penis- und
Eichel-Harnröhrenteile sich zu verschmelzen haben. Die vorhanden gewesene
Schleimhautfalte ist als Rest der die beiden Teile trennenden Scheidewand anzu-
sehen. Mehrere Figuren illustrieren die Details der anatomischen Verhältnisse,
auch ist ein fünf Nummern zählendes Literaturverzeichnis beigefügt.
Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
19) F. J. Rose (Charkow). Über plastischen Ersatz der männlichen
Urethra.
(Russ. Archiv für Chirurgie 1905. [Russisch.))
Im Verlauf eines verschleppten Trippers bildeten sich zwei Strikturen der
Harnröhre, drei Harnfisteln, Infiltrate und Abszesse. Es mußte urethrotomiert
werden, wobei in einer Ausdehnung von 6 cm keine Spur von Schleimhaut ge-
fanden wurde. Nach 7 Monate langen Mühen — zwischendurch wurde durch die
Harnröhre ein großer Blasenstein entfernt — war endlich alles geheilt, jene 6 cm
lange Strecke war epidermisiert und lag im Niveau der Haut.
R. schnitt einen tiefen Kanal in die lange Narbe und verpflanzte da hinein
ein Stück Scheidenschleimhaut (von einem zu gleicher Zeit operierten Vorfall).
Nach 11/3 Wochen wurde von jeder Seite ein 0,5 cm breiter Lappen abgelöst, und
beide wurden über einem Katheter vernäht. Darüber wurden die Hautränder, ent-
sprechend unterminiert, zusammengezogen. Die Nähte gingen z. T. auf, und es
entstand abermals ein Defekt, wenn auch nur von 2 cm. Arzt und Pat. hatten die
Geduld verloren und »trennten sich«.
6 Monate später kam der Kranke wieder. Der Defekt hatte sich auf 4 cm
vergrößert. Nun wurde abermals operiert, diesmal mit sehr reichlichen Lappen
von beiden Seiten. Jetzt endlich gelang die Plastik. Pat. wurde entlassen mit
einer minimalen Fistel, aus der während des Urinierens einzelne Tropfen austraten.
V. E. Mertens (Breslau).
20) Teuney and Chase. Mortality after prostatectomy.
(Journ. of the amer. med. assoc. 1906. Mai 12.)
Bei der Statistik sind sämtliche den Verff. in Literatur und durch persönliche
Mitteilungen zugänglich gewesene Fälle berücksichtigt und alle Todesfälle mit ein-
bezogen, die bis zu 6 Wochen nach der Operation eintraten. Sie geben zuerst Zu-
sammenstellungen anderer Autoren wieder:
| Perineal | — Sopran | a
Proust 813 7,13
Watson 6,2
Escat 11,0
Teuney und Chase 7,6
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 905
Von 816 Fällen sind das Alter und die Todesziffern angegeben:
Zahl Alter
Todesfälle | Todesfälle für das Jahrzehnt
% %
8
31 50—54 10
89 55—59 4,5 } >>
201 60—64 To
221 65—69 11,3 } ae
175 70—74 13
68 75—79 18,5 a
24 80—84 8
0 85—89 0
2 90—94 50
Der älteste von T. und C. operierte Kranke war 92 Jahre alt; es kommt nicht
so sehr auf das Alter selbst als die Veränderungen im Körper an, die es macht
so können bei 65jahrigem die.Arterien und das Herz 10 Jahre älter sein. Die
Sterblichkeit verteilt sich auf verschiedene Perioden: die höchste Zahl der Todes-
fälle trat in den ersten 48 Stunden ein; der 7.—9., der 13.—15. und der 20. bis
22. Tag wiesen ebenfalls Häufung der Todesfälle auf, aber weniger als die ersten
zwei. Die perineale Prostatektomie ist weniger gefährlich als die suprapubische.
Daß das Vorhandensein von Blasensteinen bei letzterer günstig wirkt, wie
Moullin, Richardson u. a. annehmen, hat sich den Verff. nicht bestätigt.
Innerhalb 48 Stunden | Innerhalb 12 Tagen
Todesursache
suprapub. | perineal | suprapub./ perineal
Uramie 5 9 9
Chok und Blutung 4 1 4 2
Pneumonie 2 0 5 1
Sepsis 0 2 1 3
Herztod 2 2 2 3
Kollaps 0 0 1 2
Durch Anästhetikum 1 2 1 2
Unbekannt 0 0 0 1
Summe | 11 | 12 | 3 | 28
Zum Schluß wird darauf hingewiesen, daß die Prostatektomie, einerlei auf
welchem Wege sie gemacht wird, eine außerordentlich sorgfältige Vorbereitung
und Nachbehandlung erfordert, und daß von diesen der Erfolg fast noch mehr ab-
hängt, als von der Operationstechnik. Von besonderer Wichtigkeit bei der Nach-
behandlung ist das frühzeitige Aufsitzen der Operierten; Verff. ließen ihre Pat.
spätestens am 3. Tag aufsitzen. Trapp (Bückeburg).
21) A. N. Menschikow. Zur Frage der subkutanen intraperitonealen
Blasenruptur.
(Russ. Archiv fiir Chirurgie 1905. [Russisch.))
Nur eine Notiz aus dieser Arbeit sei hier verzeichnet. In der russischen Lite-
906 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33.
ratur fand M., daB 19 Kranke mit obiger Verletzung von russischen Chirurgen
operiert wurden mit sechs Heilungen, was rund 32% Heilungen ausmacht.
V. E. Mertens (Breslau).
22) M. L. Morel. Contribution à l'étude des ruptures traumatiques
de la vessie.
(Ann. des mal. des org. gén.-urin. XXIV. I. 1906. 11.)
Verf. berichtet über vier Fälle traumatischer Blasenzerreißung; bei den ersten
drei Beobachtungen handelte es sich um einen intraperitonealen Riß ohne Becken-
bruch; im vierten Falle um einen subperitonealen Riß mit doppeltem Beckenbruch.
Bei allen vier Kranken wurde baldigst operativ eingegriffen: zwei genasen, zwei
starben. In dem einen tödlich verlaufenden Falle handelte es sich um einen
Kranken mit progressiver Paralyse. Der intraperitoneale Blasenriß war hier ohne
jedes nachweisbare äußere Trauma zustande gekommen, nur infolge starker Aus-
dehnung der Blase bei degenerierter Blasenmuskulatur.
Paul Wagner (Leipzig).
23) Bond. Extroversion of the bladder: its treatment by extraperi-
toneal implantation of the ureters into the rectum.
(Brit. med. journ. 1906. Mai 19.)
Verf. pflanzte einem 17jährigen Burschen mit Ectopia vesicae die isolierten
und mit einem Stückchen Blasenschleimhaut an ihrer Mündung versehenen Harn-
leiter extraperitoneal in den Mastdarm ein mittels zwei an jeder Seite des Mast-
darmes geführter Schnitte. Nach Überwindung zweier ernster Anfälle von Pyelitis
guter Erfolg. Urinretention für etwa 6 Stunden 3 Jahre später.
Die Hauptsorge wird immer sein, jede Stauung des Urins durch schlechten
Klappenmechanismus, durch Narbenbildung zu vermeiden. Denn jede Stauung
bringt die Gefahr der Pyelitis mit sich. — Die Urinentleerung ging fast immer
klar und frei von Kotbeimischung vor sich, nur selten war die allererste Entlee-
rung des Morgens mit Kot etwas vermengt. Dies läßt vermuten, daß der Mast-
darm für gewöhnlich leer ist und nur kurz vor der Entleerung sich füllt. Darum
ist auch dieser Teil des Darmes mehr geeignet zur Aufnahme der Harnleiter als
etwa das Querkolon, dessen stete Anfüllung mit Kot die Gefahr der Pyelitis wesent-
lich steigert. — Die in der Bauchhaut verbliebene Blasenschleimhaut überließ B.
ganz sich selbst; mit Aufhören der Urinberieselung bekam sie mehr und mehr
narbenähnliches Aussehen mit Ausnahme der untersten Ecke an der Wurzel des
epispadischen Penis. Weber (Dresden).
24) Brewer. Some observations upon acute unilateral septic infarcts
of the kidney.
(Surgery, gynaecology and obstetrics Vol. II. Nr. 5.)
13 Fälle derart hat B. beobachtet und zum Teil selbst behandelt. Bei allen
war das Krankheitsbild etwa folgendes: Plötzliche schwere Erkrankung unter
Schüttelfrösten und allen Zeichen der Sepsis; während an den anderen Organen
kein Befund zu erheben war, gewöhnlich Schmerzhaftigkeit und Muskelspannung
in einer Nierengegend, im Urin meistens Eiweiß und Blutspuren, manchmal Eiter-
körperchen. Bei den ersten Fällen legte B. die Niere nur frei und spaltete sie;
diese gingen ausnahmslos zugrunde. Später nahm er, sowie sich nach Ablösung
der ödematösen Fettkapsel auch nur stärkere hämorrhagische Flecken zeigten, so-
fort die Nephrektomie vor, mit dem Erfolge, daß die Mehrzahl der Operierten
genas. Häufig schwankte die Diagnose zwischen Nieren- und Gallenblasenaffektion,
und es wurden mehrfach Probeeinschnitte auf die Gallenblase gemacht. Daß nur
eine Niere befallen war, schreibt Verf. früheren Traumen zu. Experimentell suchte
er die Verhältnisse nachzuahmen durch Freilegung einer Niere und mechanische
Reizung oder durch Schlag gegen die Nierengegend des Versuchstieres und nach-
folgende Einspritzung von verschiedenen Bakterienarten. Bei seinen Fällen fanden
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 907
sch in den kleinen Abszessen Streptokokken, Staphylokokken und Colibazillen,
stets in Reinkultur. Trapp (Bückeburg).
25) Carstens. The ultimate results of kidney-fixation.
(Journ. amer. med. assoc. 1906. Mai 12.)
C. hat bei 25 von ihm Öperierten über den Verlauf von 5 Jahren mittels
Fragebogen Erkundigungen eingezogen, ob die Niere noch am Platze sitzt, wo
sie vernäht wurde, ob die Nierenbeschwerden beseitigt sind, ob die Magen- und
etwa vorhandene anderweitige Beschwerden aufgehört haben. 19 beantworteten
alle Fragen mit »Ja«, bei 6 bestanden noch Beschwerden anderer Art, z. B. Ver-
stopfung, Nervosität u. dgl., die anscheinend nicht mit der Wanderniere in Zusam-
menhang stehen. C. folgert aus seinen Operationsergebnissen: 1) Wanderniere kann
durch geeignete Nahttechnik dauernd befestigt werden. 2) Manche Verdauungs-
beschwerden werden durch die Wanderniere erzeugt, vielleicht durch Druck auf
den Solarplexus. 3) Nephropexie beseitigt daher manche dieser Beschwerden.
4) Ebenso eine Anzahl nervöser Beschwerden. 5) Vor der Operation muß un-
zweifelhaft festgestellt sein, daß die Beschwerden auch wirklich von der Wander-
niere herrühren. C.'s Technik ist nicht mitgeteilt. Nur Fälle reiner Wanderniere
sind in der Mitteilung berücksichtigt. Trapp (Bückeburg).
26) Alegioni. Mobilità abnorme acromio-claviculare in compenso di
rigidità dell’ articolazione omero-scapolare. Contributo allo studio
sulla meccanica dei movimenti dell’ cingola della spalla.
(Policlinico 1906. Ser. chir. Nr. 4 u. 5.)
A. schließt sich den Untersuchungen von Steinhausen und Thöle an, wo-
nach das Schulterblatt beim Erheben des Armes sich bereits dreht, ehe der Arm
45° erreicht hat und danach der Winkel zwischen Humerus und äußerem Schulter-
blattrande stetig vergrößert. Bei seitlichem Erheben wird anfangs durch Muskel-
spannung das Schulterblatt fixiert, am Winkel der Wirbelsäule genähert; bei
Erheben nach vorn fehlt diese Phase, es tritt die Drehung also von vornherein auf.
Die Drehung geschieht vornehmlich durch den Serratus und den Trapezius. Der
Grad der Beweglichkeit hängt ab von der Konfiguration des Akromioklavikular-
gelenkes und des Sternoklavikulargelenkes. A. beschäftigt sich genauer mit deren
Struktur und weist darauf hin, daß bezüglich des ersten noch mehr die Befestigung
der Clavicula am Processus coracoideus und deren dienenden Bandmassen in Frage
kommen, welche extreme Bewegungen in dem Gelenke hemmen.
A. sah nun ein Kind, welches vor Jahren infolge Eiterung eine fast völlige
Versteifung beider Schultergelenke erlitten hatte. Dasselbe vermochte jedoch trotz-
dem die Arme über die Horizontale zu erheben infolge einer allmählich eingetre-
tenen abnormen Beweglichkeit im Akromioklavikulargelenke. Die beiderseitigen
Gelenkflächen stehen so gegeneinander verschoben, daß das Klavikularende nach oben
vorsteht. Das Schulterblatt dreht sich so, daß sein innerer Rand horizontal zu
stehen kommt. Im Gelenke wird höchstens eine Exkursion von 13° ausgeführt.
Dieser Befund spricht zugunsten des Vorschlages von Codivilla, bei Schulter-
versteifungen durch Arthrolyse im Akromialgelenk eine größere Drehfähigkeit der
Schulter zu erzeugen und den Schulterblattmuskeln eine erhöhte Wirkung zu er-
möglichen, wie sie in dem beschriebenen Falle durch die Natur allmählich sich
herausgebildet hat. E. Pagenstecher (Wiesbaden).
27) Cornet. Coup de feu dans l’aisselle. Aneurisme diffus consecutiv.
Ligatur de l’axillaire dans l’aisselle. Guérison.
(Arch. de méd. et de pharm. militaires 1906. April.)
Schußverletzung aus 6 m Entfernung mit dem Lebelgewehr, wobei der Ein-
schuß innen oben am Arme, der Ausschuß dicht oberhalb des Schulterblattes saß.
Anschwellung oben am Arme, Pulsation derselben, trophische und anästhetische
Störungen an dem verletzten Arme, Radialpuls kaum zu fühlen. Bei der Operation
908 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33.
des Aneurysma spurium wurden zunächst in der Bluthöhle zwei Arterienlichtungen
(die Art. brachial. und die Art. profunda), dann außerdem noch die Art. axillaris
unterbunden. Hiernach ungestörter Heilungsverlauf, die Anschwellung der Hand,
die anästhetischen Störungen gingen zurück, der Radialpuls erschien wieder kräftig.
Herhold (Altona).
28) Friedrich. Zur Kasuistik der Axillaraneurysmen und über ihre
chirurgische Behandlung.
Inaug.-Diss., Kiel, 1905.
Kurze Besprechung der Ätiologie, Symptomatologie und Therapie der Axillar-
aneurysmen mit Bericht über einen durch doppelte Ligierung der Art. subclavia
behandelten Fall. Nachuntersuchung nach einem Jahre konnte vom Aneurysma
nichts mehr feststellen, jedoch hatte sich eine hochgradige Atrophie des ganzen
Armes entwickelt. Levy (Wiesbaden).
29) Hirsch. Über einen Fall von Medianusverletzung mit seltenen
trophischen Störungen.
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 21.)
Der betreffende Pat. hatte sich eine Schnittwunde am rechten Handgelenke
mit Verletzung des N. medianus zugezogen. Im Verlaufe von 2 Jahren entwickelte
sich unter der verheilten Hautwunde eine reichlich kirschgroße, harte Geschwulst-
Es traten erhebliche Sensibilitätsstörungen der Hand, Muskelatrophie am Daumen-
ballen und schließlich als auffallendste Erscheinung Hand in Hand mit Ernährungs-
störungen und Schrumpfungen der Nägel langsames Schwinden der beiden End-
phalangen des 2. und 3. Fingers ein. Bei der Exstirpation der Geschwulst zeigte
es sich, daß dieselbe ein wahres Neurom war. Borchard (Posen).
30) F. Lotsch. Ein Fall von rechtsseitigem Radiusdefekt und links-
seitiger daumenloser Klumphand.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXII. p. 530.)
Träger obiger Mißbildung war ein 4 Monate alter Knabe, bei dem von Habs
(Magdeburg-Sudenburg) die von Bardenheuer gegen die Deformitäten bei
Radiusdefekt angegebene Operation ausgeführt wurde. Freilegung des distalen
Drittels der Ulna und des Carpus durch ulnaren Längsschnitt, Verrenkung der
Hand nach der Radialseite, völlige Freimachung des distalen Ulnaendes, welches
zur Wunde heraus gelagert wird. Dann Spaltung der Ulna bis zu ihrer Schaft-
mitte, Auseinanderbiegung der beiden Knochenspangen auf 2,5 cm, Einlegung des
Carpus in die Knochengabel, Naht, Gipsverband in guter Stellung. Die Heilung
wurde durch Furaunkulose gestört und das Kind vorzeitig aus dem Spital geholt.
Da die Eltern die richtige Nachbehandlung mit Schienenverbänden versäumten,
war das orthopädische Schlußresultat unbefriedigend.
Die Originalabhandlung bringt außer Photogrammen und Röntgenskizzen von
dem Kind eine Allgemeinerörterung über den Radiusdefekt unter Berücksichtigung
der einschlägigen, namentlich neueren, Literatur. Betreffs genetischer Erklärung
der Mißbildung ist die Gegenbaur’sche sog. Archipterygialtheorie aufgegeben,
und wird gegenwärtig die Pathogenese in einer an der radialen Seite der Extre-
mität wirkenden Schädlichkeit (Druck, amniotische Fäden?) gesucht. Als mutmaß-
liche Zeit für Entstehung des Radiusdefektes ist die 3.—5. Embryonalwoche be-
rechnet worden. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
31) N. Hackmann. Isolierte subkutane Fraktur des Os naviculare
carpi.
(Wiener med. Presse 1906. Nr. 26.)
Da bei einiger Aufmerksamkeit die Diagnose einer subkutanen isolierten
Fraktur des Os naviculare carpi mit großer Wahrscheinlichkeit zu stellen ist, der
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 909
Entstehungsmechanismus derartiger Verletzungen noch nicht einheitlich ganz ein-
wandsfrei klargestellt zu sein scheint, und da außerdem diese Fraktur für die
Unfallbegutachtung von großer Wichtigkeit ist, so teilt Verf. eine neue hierher-
gehörige Beobachtung mit. Bei dem 24 jährigen Kranken war das Naviculare in
der Mitte gebrochen und machte den Eindruck eines Os scaphoideum bipartitum.
Paul Wagner (Leipzig).
32) Pers. Uber chirurgische Behandlung der Ischias.
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 15.)
P. machte bei zwei schweren Ischiasfällen nicht die Nervendehnung, sondern
die Neurolysis; und zwar führte er beide zur völligen Heilung. Der Operations-
vorgang war folgender: Aufsuchen der Nerven wie gewöhnlich. In beiden Fällen
zeigte sich derselbe verändert; er war rötlich und nicht glänzend. Diese Verän-
derung erstreckte sich bis zur Grenze des mittleren und unteren Drittels. Die röt-
liche Farbe rührte von einem Netz von Bindegewebsfasern her, welche den Nerv
einspannten und an seiner Unterlage befestigten. Diese Bindegewebsfasern wurden
auf das Sorgfältigste entfernt und dadurch auch der Nerv von seiner Umgebung
losgelöst. Die Diagnose war eine Perineuritis nach einer abgelaufenen oder in
Verbindung mit einer bestehenden Neuritis. Borchard (Posen).
33) Summers. Report of a case of gluteal cavernous angioma.
(Surgery, gynaecology and obstetrics Vol. II. Nr. 3.)
Bei 33jabrigem Manne war nach Fall ein Bluterguß in der linken Glutäal-
gegend aufgetreten, der nach Aussehen und Entwicklung aus tieferen Schichten
stammen mußte. Er war geschwulstartig vorgewölbt, die Haut zeigte einzelne
flache Lipome. Da Verdacht auf ein geplatztes Aneurysma der Art. glutaealis,
veranlaßte S. als Voroperation eine Freilegung der Iliaca communis vorzunehmen,
durch deren Kompression durch einen Assistenten Blutung verhütet wurde. Diese
Maßnahme erwies sich bei der Entfernung des Angioms, das die ganze obere und
mittlere Partie des Glutaeus maximus einnahm, sehr praktisch, da die starken Äste
sonst schwer zu stillende Blutungen verursacht hätten. Die ganze von der Ge-
schwulst eingenommene Muskelpartie und die überliegende Haut wurde entfernt.
In den äußeren Teilen der Geschwulst fanden sich viele Blutgerinnsel infolge des
Falles. Trapp (Bückeburg).
34) C. Garré. Seitliche Naht der Arterie bei Aneurysmenoperationen.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXI. p. 287.)
G. vollzog die obengenannte Operation an dem Aneurysma arterioso-venosum
der Femoralis (Mitte des Oberschenkels) eines 26jährigen kräftigen Mannes, welcher
sich sein Leiden vor 10 Jahren durch Stich mittels Taschenmessers zugezogen
hatte. In Narkose und unter Blutleere wurde die in ihrer Bedeutung leicht dia-
gnostizierbare handtellergroBe Geschwulst angegangen und unter Unterbindung
zahlreicher Gefäßäste als länglich eiförmiger Sack frei präpariert, flüssiges und
geronnenes Blut aus ihr durch Schnitt entleert. Die feinere Präparation der
Femoralgefäße zeigte, daß die Vene ein Stück weit ganz in den Sack aufging —
von ihr muß ein ca. 11/3 cm langes Stück ganz reseziert werden. Die Arterie kom-
muniziert dagegen mit dem Sacke nur mittels eines 2 mm langen kleinen Fort-
satzes, dessen Abtragung einen 1 cm langen seitlichen Schlitz im Arterienrohre
hinterläßt. Dieser Schlitz wird genäht: 1) Überklappung von Intimaläppchen des
früheren Kommunikationsstückes und Naht derselben fortlaufend mit Seide.
2. Darüber Vereinigung der Adventitia mit vier feinen Knopfnähten, dann noch
Übernähung des Gefäßscheidenbindegewebes. Kleines Gazedrain, Hautnaht; Hei-
lang. Das Aneurysmenpraparat ist abgebildet.
G. erwähnt auch kurz eine von ihm vollzogene seitliche Naht der Carotis und
eine solche der Cubitalis. Bei der ersten war es möglich, nach Murphy’s Vor-
schrift die Intima bei der Naht nicht mit zu fassen, bei der Naht der Cubitalis
dagegen nicht. Das Vorliegen der Nähfäden in der Gefäßlichtung ist aber un-
910 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33.
schädlich, da, wie G.’s Schüler, Jacobsthal, experimentell histologisch nachwies,
die proliferierenden Endothelien der Intima die Faden sehr bald überwachsen.
Übrigens enthält der kurze Allgemeintext der Abhandlung, die G. auch als Vor-
trag auf dem internationalen medizinischen Kongreß in Lissabon publiziert hat,
einige literatur-historische Daten zur Arteriennabt, zumal derjenigen bei Aneurysma.
Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
35) S. Lewiasch. Eindresultate konservativer Behandlung der tuber-
kulösen Koxitis.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXII. p. 245.)
L. berichtet über 100 in der Kocher’schen Privat- und Universitätsklinik
behandelte Fälle aus den Jahren 1870—1896. Da, wie Verf. selbst sagt, ein guter
Teil des Materiales aus einer Zeit stammt, wo die modernen Methoden der kon-
servativen Behandlung noch nicht bekannt waren, und wo man namentlich bei
bestehender Eiterung noch keine strenge Asepsis durchzuführen verstand, ist das
Interesse der vom Verf. für sein Material nach den mannigfachsten Richtungen
hin ausgeführten statistischen Durchzählungen nur mäßig, und wird diesbezüglich
im wesentlichen auf das Original verwiesen. Die Behandlungsmethoden, teils in
gemischter Weise, teils einzeln angewendet, bestanden in Injektion von Jod, Karbol,
Tuberkulin, Applikation von Jodoformstäbchen resp. Jodoformsalbe, Inzisionen mit
Sublimat-, Chlorzink- und Jodoformverband, Atzung, Elektrizität, Glüheisen usw.
sowie Extension oder fixierenden Verbänden. Das Endresultat war in 47 Fällen
feststellbar, und sind von diesen 57,5% vollständig, 30% unvollständig geheilt,
12,5% ungeheilt; dabei war hinsichts Gebrauchsfähigkeit des Beines 19mal ein
mangelnder, 20mal ein mäßiger, 8mal ein guter Erfolg zu registrieren. Durch be-
stehende Eiterung zeigte sich die Prognose ernstlich getrübt, die übrigens im
Kindesalter verhältnismäßig am besten ist. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
36) Axhausen. Beitrag zur Atiologie der Quadricepssehnenruptur.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXTI. p. 599.)
Beobachtung aus der Kieler Klinik. 68jähriger Arbeiter erleidet beim Stolpern
auf der Treppe einen Abriß der Quadricepssehne von der Kniescheibe, die, durch
bloßen Augenschein leicht erkennbar, unter Röntgen einen kreisrunden, 10pfennig-
stückgroßen Knochenschatten am unteren Ende der Sehne zeigt. Dem entsprechend
war hier ein haselnußgroßer, harter Körper fühlbar. Bei der mittels Querschnittes
oberhalb der Kniescheibe ausgeführten Operation findet sich am unteren Ende der
abgerissenen Sehne ein haselnußgroßer, kegelförmiger Knochenkörper, der genau
in eine entsprechende Lücke der Kniescheibe hineinpaßt. Die Flächen des Kör-
pers wie der entsprechenden Lücke sind aber keine frischen Knochenbruchflächen,
sondern glatt und von knorpelähnlichem Bindegewebe überzogen, so daß der
Befund an König’s Osteochondritis dissecans gemahnt. Sehnennaht und Draht-
knochennaht; gute Heilung mit Flexion bis zum rechten Winkel. Eine neue
Röntgenaufnahme ergibt jetzt die Überraschung, daß der erstmalig gefundene
Schatten noch unverändert vorhanden ist und die Drahtnaht nicht durch ihn hin-
durchgeht, sondern durch die Kniescheibe selbst. Es hat sich also um zwei
Knochenkörper an der Sehne gehandelt, einen der Kniescheibe zugehörigen und
einen selbständigeren.
A. hat außer dem seinigen noch vier andere Fälle gefunden, wo bei Quadri-
cepssehnenrissen das Vorhandensein von Knorpel-Knochenkörpern in der Nähe der
Sehne beobachtet ist. Die Einlagerung solcher Körper in die Sehne scheint dem-
nach zu einer Schwächung der Sehne zu führen und diese zu Zerreißungen zu
prädisponieren. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
37) D. G. Zesas. Über eine seltene Geschwulst der Kniegelenkkapsel.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXII. p. 267.)
In dem berichteten, in Hoffa’s Klinik beobachteten Falle handelt es sich
um ein kavernöses Angiom der Kniesynovialis bei einem 25jährigen Manne. Der-
selbe litt seit ca. Jahresfrist an Knieschmerzen, besonders beim Gehen, das leicht
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33. 911
hinkend stattfindet. Das Knie ist durch Kapselverdickung und mäßigen Erguß
vergrößert, krepitiert leicht bei Bewegungen. Besonders bemerkenswert ist auf
der medialen Gelenkseite eine flache, unregelmäßige Vorwölbung von weich-
elastischer Konsistenz, sowie zwei weitere flache Vorwölbungen neben dem Lig.
patellae, zu beiden Seiten des letzteren. Operation mittels Längsschnittes medialer-
seits. Man findet eine gefäßreiche Geschwulst, die in die Gelenkkapsel übergeht,
und zu deren Beseitigung mit ihren verschiedenen Ausläufern der ganze innere
Kapselteil und die in Mitleidenschaft gezogene Muskulatur nach zahlreichen Unter-
bindungen entfernt werden mußte. Naht, Drainage, glatte Heilung, gefolgt von
gymnastischer Nachbehandlung, so daß Pat. 8 Wochen nach der Operation nicht
nur schmerzfrei, sondern mit fast rechtwinklig biegsamem Knie entlassen werden
konnte. Histologischer Befund: Größere und kleinere bluthaltige, mit flachem
Endothel ausgekleidete Hohlräume, deren Septa pigmentiert sind. Synovialis stark
verdickt, geschichtet gebaut, reichlich zottenbesetzt und pigmentiert. Eine ähn-
liche Synovialgeschwulst konnte Z. in der Literatur nicht vorfinden.
Anhangsweise erwähnt Z. einen schweren Fall von Angioma cavernosum, die
Gesichtsweichteile eines Kindes betreffend, den er früher als Assistent beobachtete
(cf. Photogramm). Die sehr blutige Operation der Geschwulst wurde von dem
Kinde nicht überstanden. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
38) A. R. v. Ruediger-Rydygier (jun... Zur Diagnose und Therapie
des primären Sarkoms der Kniegelenkkapsel.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXII. p. 211.)
Die Arbeit schließt sich an folgenden in der Klinik von Rydygier (sen.) zu
Lemberg beobachteten Fall an.
20jähriges Stubenmädchen, das vor 2 Jahren eine starke Schwellung des linken
Kniegelenkes bemerkt hatte. Diese war spontan entstanden, übrigens schmerzlos.
Es hatten bereits zwei Kniepunktionen mit Entleerung von 1100 bzw. 600 ccm
blutiger Flüssigkeit stattgefunden. Befund: Gut gewachsenes, kräftiges Mädchen
mit außergewöhnlich dicken Beinen. Das linke Knie gleicht einer kindskopfgroßen
Geschwulst, ist elastisch und fluktuiert. Beweglichkeit in normalen Grenzen und
ohne Schmerzen, ohne Krepitation, auch abnorme pendelartige Beweglichkeit von
einer Seite zur anderen. Auf beiden Seiten des Knies straußeneigroße Anschwel-
lungen mit Fluktustion; Probepunktion: durchsichtige, blutige Flüssigkeit, frei von
Tuberkelbazillen. Während die Assistenten eine tuberkulöse Erkrankung vor sich
zu haben glaubten, stellte der Chef der Klinik die Diagnose auf primäres Kapsel-
sarkom, wie der Befund bei der Operation erwies, zutreffend, eine Leistung, die,
wie es scheint, hier zum ersten Male gelungen ist. Man machte eine gründliche
Knieresektion mit exakter Kapselexstirpation und erzielte feste Konsolidation des
Beines mit etwas Verkürzung; Rezidiv war nach ca. Jahresfrist nicht nachweisbar.
Die Geschwulst der dicken und bohnenartige Zotten tragenden Kapsel erwies sich
als kleinrundzelliges Sarkom.
Dem eigenen Falle hat v. R. eine kasuistische Sammlung aller bereits ander-
weit publizierten gleichartigen Beobachtungen voraufgestellt, im ganzen acht. Da-
nach ergibt sich im allgemeinen, daß sich das Kniekapselsarkom durch verhältnis-
mäßig gutartigen und chronischen Verlauf mit Dauer von 3, 6, selbst 13 Jahren
auszeichnet. Die Beweglichkeit des Gelenkes wird wenig behindert, Knorpel und
Knochen bleiben meist unversehrt, Schmerzen fehlen, auch Leistendrüseninfiltration
wurde nicht beobachtet. Die Form der Geschwulstbildung ist bald die eines genau
begrenzten, mehr oder weniger beweglichen Gewächses von Bohnen- bis Apfel-
sinengröße, bald die einer diffusen Kapselinfiltration, oder es bilden sich diese
beide Varietäten vereinende Mischformen. Das im Gelenk abgesetzte Ex- oder
Transsudat, bald mehr, bald weniger reichlich, war stets blutig oder doch blutig
gefärbt. Die Prognose erscheint nicht allzu traurig — nur in einem Fall ist
Metastasenbildung beobachtet. Als zunächst in Frage kommende operative Maß-
nahme betrachtet v. R. stets die Arthrektomie, entgegen Julliard, der sie nicht
für ausreichend ansehen wollte. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
912 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 33.
39) A. Passaggi. Gonadipostite traumatica chronica e sua cura.
(Policlinico 1906. Ser. chir. Nr. 5.)
Obigen Namen schlägt P. für die in Deutschland zuerst von Hoffa, in Frank-
reich gleichzeitig von Lejars beschriebene chronische Entzündung der subpatel-
laren Zellkörper vor. An der Hand eines eigenen typischen, mit Erfolg operierten
Falles schildert er das Krankheitsbild. Unter den Symptomen hebt er besonders
die Neigung hervor, das Knie in Mittelstellung, in stumpfem Winkel zu halten.
Er bespricht die Differentialdiagnose, hebt die Schwierigkeit der Unterschei-
dung von der Anschwellung der hier liegenden Schleimbeutel hervor. Schon
Hyrtl und Josselin haben die Affektion gekannt, letzterer sie 1873 als rezidi-
vierende Periarthritis subacuta beschrieben, jedoch ohne einen operativen Eingriff
auszuführen. E. Pagenstecher (Wiesbaden).
40) Hayd. A case of double amputation of the leg for diabetic
gangrene.
(Buffalo med. journ. 1906. Juni.)
H. amputierte bei einer 68jährigen Pat. wegen diabetischer Gangrän der Zehen
zunächst den einen Unterschenkel unterhalb des Kniegelenkes und 3 Monate später
an derselben Stelle den anderen. Nach der ersten Amputation trat Primärheilung
ein, nach der zweiten starke Eiterung. Die Arterien an der Amputationsstelle
waren stark atheromatös entartet, besonders bei dem zuletzt amputierten Beine.
Mohr (Bielefeld).
41) Dryden. A case of transplantation of bone from the same
subject.
(Brit. med. journ. 1906. Mai 12.)
Verf. ersetzte bei einem 5jährigen Knaben die fast völlig durch eine akute
Osteomyelitis verloren gegangene Tibia mit sehr gutem Erfolge durch einen ab-
gemeißelten, im Zusammenhange mit dem Periost bleibenden Teil der Fibula
desselben Beines. Trotzdem kleine Stückchen nekrotisch wurden, heilte das Ganze
gut ein. Mehrere, zu verschiedenen Zeiten aufgenommene Durchleuchtungen be-
wiesen das allmähliche Wachstum des transplantierten Stückes. Der Gang war gut.
Weber (Dresden).
42) Corson. The X-ray findings in a case of Gritti-Stokel’s am-
putation.
(Annals of surgery 1906. Mai.)
Die Durchleuchtung mit Röntgenstrahlen zeigte in einem Falle, in welchem
die Gritti’sche Amputation vorgenommen war, daß eine knöcherne Vereinigung
zwischen Kniescheibe und Oberschenkel nicht stattgefunden hatte, obwohl es nach der
äußeren Untersuchung so schien. Es hatte vielmehr der Oberschenkelmuskel das
vordere Ende der Kniescheibe etwas gehoben. Verf. glaubt, daß diese fibröse
Vereinigung von größerem Vorteile für den Stumpf sei und als besseres Polster
diene, als wenn eine knöcherne Vereinigung zustande gekommen wäre.
Herhold (Altona).
43) J. R. v. Thierry. Ulcera cruris.
(Licnicki viestnik 1905. Nr. 9. [Kroatisch.))
T. berichtet, daß D. Schwarz vier Fälle von Ulcera cruris nach Wenzel
operiert hat, und daß er mit dem Erfolge der schnellen Heilung sehr zufrieden
war. Die Wenzel'sche Operation besteht in einem zirkulären Schnitt in der
Mitte des Oberschenkels, der die Haut und das subkutane Gewebe bis zur Muskel-
fascie durchtrennt. Nach Ausführung des Schnittes werden alle Venen genau
unterbunden und darauf die Wunde wieder vernäht.
v. Cackovit (Zagreb-Agram).
Originslmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man
an Prof. B. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags-
handlung Breitkopf & Hartel, einsenden.
Druck und Verlag von Breitkopf @ Hartel in Leipzig, Nürnbergerstraße 36/38.
Zentralblatt
CHIRURGIE
herausgegeben
E. von Bergmann, F. König, E. Richter,
Dreiunddreißigster Jahrgang.
Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei halbjähriger
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.
Nr. 34. Sonnabend, den 25. August. 1906.
Inhalt: 1) Soprana, Latente Bakterien. — 2) Spirig, Mycelbildungen des Diphtherie-
stabchens. — 3) Bashford, Krebsforschung. — 4) Goebel, Bilharziakrankheit. — 5) Schleich,
Selbstnarkose der Verwundeten. — 6) Cohn, Röntgenstrablen gegen lymphatische Sarkome.
— 7) Freund, Stypticin. — 8) Jastschinskl, Trepanation des Warzenfortsatzes. — 9) Butlin,
Zungenkrebs. — 10) Chlumsky, Mobilisation der Wirbelsäule. — 11) Kocher, Zur Pathologi.
der Schilddrüse. — 12) Tolot und Sarvonat, Osteomalakie und Kropf. — 13) Lindsay, Bös,
artige Lungengeschwülste. — 14) Momburg, Herzverletzungen. — 15) Dhöry, Tuberkulose
des Schambeins.
H. Hans, Mediane Schnittfihrung zur Eröffnung der Speiseröhre. (Original-Mitteilung.)
16) Plenz, Schußverletzungen. — 17) Schürmann, Milzbrand. — 18) Williams, Tetanus-
— 19) Heller, 20) Ullmann, Stauungs- und Saugtherapie. — 21) Anders, Daland u. Pfahlere
Röntgenstrahlen gegen Arthritis deformans. — 22) Wallace, Athylchlorid. — 23) Steiner,
Zur Krebsstatistik. — 24) Timaschew und Romanow, Verkalkte Knoten in Unterhautzell-
gewebe und Haut. — 25) Blecher, Deckung von Schidellticken. — 26) Revenstorf, 27) Poch-
hammer, 28) Dardenne, 29) Roncalli, Zur Hirnchirurgie. — 30) Draudt, Gesichtsspalten. —
31) Pagenstecher, Einseitige Gesichtshypertrophie. — 32) Wales, Penetrierende Wunde des
Mundbodens. — 33) Burcl, Halsgeschwulst. — 34) Loeb, Verletzung des Conus terminalis.
— 35) Voltz, Synostose der Wirbelsäule. — 36) Hunziker und Pfister, Knochenbildung in
Kröpfen. — 37) Zesas, Speiseröhrendivertikel. — 38) Ettinger, Druckstauung. — 39) v. Arx,
Mediastinalerkrankung.
1) Soprana. Uber im Körper latente Bakterien und die
Möglichkeit ihrer Verbreitung im Organismus.
(Zentralblatt für Bakteriologie und Parasitenkunde Bd. XLI. Hft. 6.)
Im Anschluß an von anderer Seite unternommene Versuche hat
Verf. die Frage experimentell zu lösen versucht, ob an entfernten
Körperstellen lokalisierte Mikroorganismen, ohne Septhämieerschei-
nungen zu machen, ein aseptisch verletztes Organ infizieren können.
Auf Grund einer Reihe von Tierversuchen, deren Einzelheiten im
Original nachzulesen sind, kommt Verf. zu dem Ergebnis, daß Bak-
terien aus einem ferngelegenen Infektionsherd auf eine mit einer asep-
tischen Verletzung behaftete Körperstelle übersiedeln und sich dort
entwickeln können, und daß dasselbe unter normalen Bedingungen für
Bakterien, die sich im Nahrungskanal befinden, nicht der Fall ist.
34
914 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34.
S. rät, vor einem operativen Eingriff die Möglichkeit einer Verschlep-
pung schädlicher Keime aus einem irgendwo im Kranken vorhandenen
infektiösen Herd in die Wunde in Betracht zu ziehen.
Goebel (Köln).
2) W. Spirig. Über die bisher gefundenen Mycelbildungen
des Léffler’schen Diphtheriestabchens.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LX XXII. p. 542.)
Die kaum noch in den bakteriologischen Interessenkreis des Chi-
rurgen fallende Arbeit bringt eine absprechende Kritik iiber Mittei-
lungen von Concetti, der eine aktinomykotische Form, und von
Cache, der eine fädige Form des Diphtheriebazillus beschrieben hatte.
Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
3) Bashford. Illustrations of propagated cancer.
(Brit. med. journ. 1906. Mai 26.)
Der verdienstvolle Leiter des Laboratoriums vom Imperial Cancer
Research Fund berichtet hier über Verpflanzungen von Karzinomen
auf Mäuse. Seit den Untersuchungen Jensen’s, Borrel’s und des
genannten Instituts können die Eigenschaften des Krebses mit Sicher-
heit an experimentell erzeugten Geschwülsten erforscht werden, eine
Tatsache, deren Bedeutung noch nicht genügend gewürdigt wird. Die
experimentellen Überpflanzungen von 28 bösartigen Gewächsen, die an
einer Gesamtzahl von 50000 Mäusen entdeckt wurden, sind an Schnel-
ligkeit und Masse bei weitem übertroffen worden von den Neubil-
dungen, die B. an englischen Mäusen mit der Jensen’schen Geschwulst
erzeugen konnte. Überhaupt übertrifft diese an Wirksamkeit alles
bisher Bekannte. Mehrfach gelang die Überpflanzung in 90% der
Fälle. Die befallene Örtlichkeit, die Bildung von Metastasen, von
mikroskopischen Krebsembolis, der Einbruch bösartigen Gewebes in
Venen: alle diese Dinge verhalten sich durchaus entsprechend dem
Karzinom des Menschen. Dagegen besteht eine eigentliche Krebs-
kachexie bei der Maus nicht: schlechte Ernährungsverhältnisse treten
erst ein, wenn die Haut über der Geschwulst ulzeriert ist. Man er-
kennt diese Abmagerung frühzeitig an dem Deutlichwerden der Wirbel
im Bereiche des Schwanzes. Mehrere lehrreiche Photographien ver-
anschaulichen diese Verhältnisse. Anscheinend ist die Karzinom-
entwicklung bei der Maus nicht von Schmerzen begleitet. Ein kleines
Stückchen Mäusekarzinom im subkutanen Gewebe wächst — voraus-
gesetzt daß es überhaupt wächst — schließlich zu einer Neubildung
heran, die fast so groß wie das ganze Tier sein kann, und braucht
bei gründlicher Entfernung nicht zu einem Rückfalle zu führen.
Weber (Dresden).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 915
4) C. Goebel. Die Bilharziakrankheit.
(Heilkunde 1906. Hft. 4.)
G., der in jahrelanger Tätigkeit in Agypten die Bilharziakrankheit
kennen gelernt hat, gibt in kurzer prägnanter Darstellung eine aus-
gezeichnete Schilderung dieser in tropischen und besonders subtropi-
schen Gegenden sehr verbreiteten Krankheit, die infolge unseres rasch
wachsenden überseeischen Verkehres und den mannigfachen kolonialen
Beziehungen bereits hier und da in Deutschland beobachtet ist.
Müller (Dresden).
5) Schleich. Die Selbstnarkose der Verwundeten in Krieg
und Frieden. 39S.
Berlin, Springer, 1906.
Eine kleine Schrift, diktiert vom Mitleid mit den Verwundeten,
und ein Versuch, ihnen ihre Schmerzen zu lindern bis zu dem Augen-
blick, wann sie in ärztliche Obhut treten. Verf. will zu dem Zweck
einem jeden Soldaten, der ins Feld zieht, ein von Watte umhülltes
Etui mitgeben, das drei Aluminiumhülsen in sich birgt, deren jede,
luftdicht verschlossen, in sich Watte enthält, getränkt mit 50 g S.’schem,
bei 38° siedendem Athergemisch (Athylchlorid 2, Chloroform 4, Aether
sulf. 12). Dieses Gemisch hat sich bei 10jähriger sehr häufiger An-
wendung — auch zur Selbstnarkose — dem Verf. stets als unschäd-
liches anästhesierendes und schlafbringendes Mittel bewährt. Der von
Schmerzen gequälte Verwundete soll nun, um seine Qualen zu lindern,
nach Abnahme der umhüllenden Watte eine der Hülsen öffnen, die
getränkte Watte in die trockene nehmen und mit tiefen Atemzügen
den narkotischen Dampf einatmen, bis der Schmerz schwindet und
der Schlaf eintritt. Nach dem Aufwachen kann der Vorgang event.
noch zweimal wiederholt werden. Ein gleiches Verfahren könnte
natürlich auch bei Friedensverletzungen beobachtet werden, zu welchem
Zweck Unfall- und Polizeistationen, Eisenbahnbeamte, Feuerwehren,
Bergwerke u. ä& mit dem Säuregemisch auszurüsten wären.
Der Gedanke des Verf. ist sicher in jeder Richtung zu billigen,
seiner praktischen Ausführung, speziell im Kriege, dürften zunächst
aber noch mancherlei schwer zu beseitigende Hindernisse im Wege
stehen. Richter (Breslau).
6) M. Cohn. Die Bedeutung der Röntgenstrahlen für die
Behandlung der lymphatischen Sarkome.
(Berliner klin. Wochenschrift 1906. Nr. 1.)
Um bei den therapeutischen Bestrahlungen die Haut vor Schi-
digungen zu schiitzen, hat C. die Röntgenröhren mit einer undurch-
lässigen Bleiglaskugel umgeben, welche nur eine etwa Smarkstiickgrofe
Öffnung hat. Durch dieses Fenster gelangen die Strahlen vermittels
einer Röhre, die gleichfalls strahlendicht ist und mit der offenen
Fläche auf die Haut aufgesetzt wird, zu der Geschwulst. Durch
34*
916 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34.
kräftiges Andrücken dieses Rohres erreicht man eine Anämie der
Haut. Verf. glaubt mit anderen, daß den Geschwulstbildungen eine
Infektion zugrunde liegt, und daß, da die primären Geschwülste fast
stets vom Halse ihren Ausgang nehmen, der Giftstoff vom Munde
aufgenommen wird. Die allgemeine Lymphomatose (Pseudoleukämie}
hält er für ein fortgeschrittenes Stadium der bösartigen Lymphome.
Eine Vergrößerung der Milz wurde während der Behandlung bei
allen Fällen beobachtet und scheint mit der Bestrahlung in Zusammen-
hang zu stehen. CO. denkt sich die Milzschwellung durch Aktivitäts-
hypertrophie entstanden: da die den Röntgenstrahlen ausgesetzten
Drüsen degenerieren, tritt vikariierend die Milz ein.
Zum Schluß schlägt C. vor, nach Brustkrebsoperationen die
“Achselhöhle, die Supra- und Infraklavikulargrube mit Röntgenstrahlen
mehrere Monate nachzubehandeln, da er das Karzinom als Infektions-
krankheit auffaßt und die Drüsen als einen günstigen Nährboden
fortschaffen will. Er selbst hat eine hühnereigroße Drüsenmetastase
eines Brustkrebses samt ihren Folgeerscheinungen, Blut- und Lymph-
stauung im Arm, nach Bestrahlung gänzlich zurückgehen sehen.
Die Krankengeschichten von fünf Fällen von Lymphsarkom sind
der Arbeit angefügt. Zwei Kranke sind seit 7 bzw. 5 Monaten
geheilt, ein Pat. ist geheilt, aber noch in Behandlung, ein vierter,
ebenfalls noch in Behandlung, ist der Genesung nahe; der fünfte Pat.
wurde nach anfänglicher Besserung aus der Behandlung entlassen,
weil ein voller Erfolg ausgeschlossen schien. Langemak (Erfurt).
7) Freund. Zur Kenntnis des Stypticins.
(Zentralblatt tür die Krankheiten der Harn- und Sexualorgane Bd. XVII. Hft 4.)
Das zur Bekämpfung von Blutungen des Urogenitalkanals emp-
fohlene phtalsaure Cotarnin geht im Magen, unter Einfluß der darin
enthaltenen Salzsäure, sofort in das Chlorhydrat — Stypticin — und
freie Phtalsäure über. Daß letzterer für sich allein bei interner Dar-
reichung eine styptische Wirkung zukäme, ist bisher nicht erwiesen
worden. Deshalb empfiehlt Verf. die Anwendung des auf seine An-
regung im Jahre 1895 in die Therapie eingeführten Stypticins als
wirksamstes Hämostatikum. Grunert (Dresden).
8) S. N. Jastschinski. Zur Frage von den anatomischen
Grundlagen der Trepanation des Warzenfortsatzes.
(Russki Wratsch 1906. Nr. 24.)
J. studierte an 200 Schläfenbeinen die Anatomie des Antrums.
Bei Erwachsenen lag es 4—18 mm tief, durchschnittlich 9,5 mm, wobei
die Tiefe in keinem Verhältnis zur Massivität des Wearzenfortsatzes
stand. Im Processus pneumaticus (60% aller Fälle) liegt das Antrum
oberfliichlicher als im Processus diploéticus und scleroticus (je 15%).
Die Entfernung zwischen Antrum und Gehörgang schwankte zwischen
2 und 10 mm, betrug durchschnittlich 4 mm; daher ist die von Broca
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 917
angegebene Entfernung der vorderen Grenze der Trepanationsöffnung
vom Gehörgang — 5 mm — zu groß und muß auf 2 mm herabgesetzt
werden. Die Entfernung des Sinus lateralis vom Gehörgang betrug
3—20 mm, durchschnittlich 12,5. Eine Entfernung von weniger als
10 mm macht den Warzenfortsatz fiir die Operation gefährlich. Von
den rechtsseitigen Fortsätzen waren 11%, von den linksseitigen 9%
gefährlich. Zwischen dem Umfang des Warzenfortsatzes und der
Häufigkeit der gefährlichen Fortsätze besteht kein konstantes Ver-
haltnis. Unter 25 Brachycephalen fand J. 7 gefährliche Fortsätze
(283%), unter 70 Mesocephalen 8 (= 11,4%), unter 5 Dolichocephalen
keinen. Unter 18 Fällen von vorgelagertem Sinus war der Winkel
zwischen hinterer Gehörgangswand und Planum mastoideum 12mal
gerade, dmal stumpf; und nur 2mal stand der Boden der Paukenhöhle
hoch, was also die Bedeutung dieser beiden Trautmann’schen
Symptome hinfällig macht. Auch die Richtung der Spina supra meatum
kann keine Auskunft geben: in 30—35% fehlt sie oder ist nur an-
gedeutet, in den übrigen fand J. keine Beständigkeit. — In 4—5%
der Fälle lag der Boden der mittleren Schädelgrube 1 cm tief unter
der Crista temporalis, erreichte aber nie die Höhe des äußeren Gehör-
ganges. Eine Abhängigkeit dieser tiefen Lage vom anthropologischen
Schädeltypus konnte J. nicht finden.
Schlußfolgerungen: Es gibt keine sicheren Zeichen, die auf Vor-
lagerung des Sinus und auf Tiefstand der mittleren Schädelgrube hin-
weisen. Die Gefahr der Trepanation ist gering — nur 9% der Fort-
sätze sind gefährlich — und kann bis auf ein Minimum reduziert
werden, wenn der Chirurg sich nicht mehr als 12,5 mm von der hin-
teren Gehörgangswand entfernt und nicht über die obere Wand in
die Höhe geht. Bei vorgelagertem Sinus kann man das Antrum er-
öffnen durch Entfernung der hinteren Gehörgangswand, doch nicht
weiter als 15 mm tief. Der Trepanationsmeißel darf nur 6 mm breit
sein und muß 2—-3 mm von der hinteren Gehörgangswand aufgesetzt
werden, nicht 5 mm, wie Broca empfiehlt.
E. Gückel (Wel. Bubny, Poltawa).
9) Butlin. [Illustrations of very early conditions of cancer
of the tongue.
(Brit. med. journ. 1906. Mai 26.)
In der Entwicklung der Mehrzahl der Zungenkrebse kann man
drei Zeitabschnitte unterscheiden: prädisponierende Zustände, wie
Leukoplakie, Ichthyosis, oberflächliche Glossitis, präkarzinöse wie
Warzen, dicke, plattenartige Auflagerungen, wunde Stellen, und end-
lich karzinöse. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben B. aber
gelehrt, daß in vielen Fällen die bisher als präkarzinös angesehenen
Zustände bereits ausgebildete Krebse sind. Unter Anführung von
7 Fällen stellt er nun als Frühzeichen beginnender Karzinome folgende
Symptome fest und empfiehlt in solchen Fällen sofortige Operation
statt der bisher üblichen »Beobachtung«:
918 | Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34.
1) Eine flache, ganz wenig erhabene, glatte, rotglänzende Platte
auf der Zungenoberfläche von der Dicke eines Fünfzigpfennigstückes,
für Gefühl und Aussehen einem Primäraffekt ähnlich. 2) Eine weiß-
liche, warzige Geschwulst, nicht zerfallen, kaum verhärtet am Grunde.
3) Eine leichte Verdickung und Verhärtung eines alten Leukoplakie-
fleckes, mehr fühlbar als sichtbar. 4) Ein rotes Knötchen im Beginne
des Zerfalles, mit Einziehung des umgebenden Gewebes. — Zur mikro-
skopischen Diagnose sind Serienschnitte nötig. — Der Arbeit sind
einige Farbentafeln beigegeben, welche diese Frühzeichen veranschau-
lichen. Weber (Dresden).
10) Chlumsky. Uber die Mobilisation der Wirbelsäule
nach Klapp und deren Gefährlichkeit bei der Skoliosen-
behandlung.
(Wiener klin. Rundschau 1906. Nr. 14.)
Verf. weist das Klapp’sche Verfahren zuriick, weil er in der
Mobilisierung der Wirbelsäule eine Gefahr erblickt; er fürchtet, daß
der kranke Teil der Wirbelsäule starr bleibt, während die Nachbar-
wirbel abnorm erschlafft und in den Wirkungskreis der kranken
hineinbezogen würden. Insbesondere gelte diese Gefahr für die schwe-
ren Fälle. Er warnt deshalb vor schablonenhafter Nachahmung, be-
sonders durch Nichtfachmänner. Im Gegensatze zu der Klapp’schen
aktiven Therapie wiinscht sich C. neue Methoden zur Festigung der
Resultate, die er mit den bisherigen Mitteln erzielt hat. — Daß Verf.
das Klapp’sche Verfahren genauer kennt, geht aus seinem Artikel
nicht hervor; insbesondere berichtet er nicht über eigene diesbezügliche
Erfahrungen, oder auch nur Versuche. Vermutlich wäre ihm dann
nicht entgangen, daß neben der Mobilisation der Wirbelsäule als ein
fast noch wesentlicherer Heilfaktor die Stählung der Rückenmusku-
latur einhergeht. Inzwischen haben Erfolge in der gekennzeichneten
Richtung dem aktiven Heilverfahren bereits Recht gegeben.
Schmieden (Bonn).
11) Kocher. A contribution to the pathology of the thyroid
gland.
(Brit. med. journ. 1906. Juni 2.)
Seitdem Victor Horsley 1885 zuerst seine Theorie vom thyreo-
genen Ursprung der Basedow’schen Krankheit aufstellte und alle
Symptome als Folgen einer Dysthyrosis ansprach, hat diese Lehre —
durch die Theorie der Hyperthyrosis von Möbius beeinflußt — immer
mehr Anhänger gefunden. K. hat noch nie einen schweren Fall von
Basedow gesehen ohne Schilddrüsenveränderungen: besonders sind
Zeichen von seiten der Gefäße sehr frühzeitig bereits entwickelt,
Klopfen, Geräusch, Gefäßerweiterung. Ein weiteres Frühzeichen in
vielen Fällen ist außer dem Gräfe’schen, Möbius’schen, Stellwag-
schen Symptom ein plötzliches Hochziehen des oberen Augenlides,
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 919
wenn Pat. den Untersucher fest ansehen oder plötzlich nach oben
sehen soll. — Da der Exophthalmus in sehr vielen Fällen eine lange
Zeit fehlt, so ist die englische Bezeichnung »Exophalmic goitre« irre-
führend und muß durch einen besseren Namen ersetzt werden.
Unter 136 Fallen von Cachexia strumipriva bzw. Cachexia thyreo-
priva oder Myxödem sah R. niemals basedowähnliche Zeichen; vielmehr
ist der Gegensatz zwischen beiden Krankheitsgruppen vollständig durch-
geführt. Es ist daher ungerechtfertigt, irgendeine Form von Basedow
auf eine Hypothyrosis zurückführen zu wollen. Zur Gewinnung eines
klaren Urteils über die Behandlung der Basedowkrankheit muß man
durchaus die verschiedenen Grade der Erkrankung unterscheiden.
K.’s Einteilung ist folgende: Die Struma vasculosa ist bezeichnend
für manche beginnenden Fälle: starke Gefäßerweiterung, Klopfen,
Geräusche, mäßige Allgemeinzeichen (Tachykardie, Tremor, einige
Augensymptome). Die von ihm operierten (Unterbindung oder Exzision
einer Hälfte) zehn Fälle dieser Art wurden völlig und dauernd geheilt.
Die zweite Gruppe nennt K. Struma basedowiana colloides als Ersatz
für die etwa gleichartige Klasse, für die Marie den fürchterlichen
Namen »Goitre Basedowifi&« oder Struma basedowificata erfand. Be-
zeichnend für diese ziemlich häufige Form ist die Entwicklung von
Basedowzeichen auf der Grundlage einer bereits bestehenden Struma.
Auch wenn häufig alle wesentlichen Basedowzeichen bei dieser Form
ausgeprägt sind, so handelt es sich doch immer um abgeschwächte
Grade. Von diesen operierte K. 60 ohne Todesfall. Die Dauerergeb-
nisse waren: 5l volle Heilungen, 2 Besserungen, 7 ohne Nachricht zu
erlangen. Die Eingriffe bestanden in Exzision einer Hälfte, Unter-
bindung auf einer oder beiden Seiten, oder Verbindung beider Maß-
nahmen. Endlich als dritte Gruppe die typischen Basedowfälle mit
dem Exophthalmus als hervorstechendstem Zeichen; indessen kann er
auch hier im Beginne fehlen. 106 Operationen mit 9 Todesfällen,
7 Besserungen, 9 wesentlichen Besserungen, 62 Heilungen. Die feh-
lenden Pat. sind später an anderen Krankheiten gestorben, oder haben
keine Nachrichten gegeben, oder sind ganz kurze Zeit operiert. Im
ganzen operierte K. 175mal mit 9 Todesfällen =5%. Diese sehr
günstige Zahlenreihen beweisen, daß man durch frühzeitige Operation
auch die schwersten Fälle von Basedow heilen kann. Mit Ausschaltung
eines Teiles der Schilddrüse beseitigt man auch die Krankheit: also
besteht die Krankheit in einer Thyrotoxie. Fraglich ist dabei nur
noch, ob in einer Dysthyrosis oder Hyperthyrosis. Für eine Thyrotoxie
sprechen die starke Vermehrung des Epithels der Kolloidräume, ihre
Gefäßentwicklung, die Lymphdrüsenschwellung in der Kopfnähe, die
häufig nachweisbare Hyperleukocytose, der vermehrte Jodgehalt, der
Umstand, daß Masse des entfernten, kranken Gewebes und Besserungs-
grad zueinander im geraden Verhältnis stehen. Zugunsten einer
reinen Hyperthyrosis spricht die Entwicklung von Basedowzeichen bei
großen Gaben normaler Schilddrüse oder Jodothyrin. — Die Reaktion
auf den Eingriff ist bei schweren Fällen hochgradig: plötzlicher Tem-
920 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34.
peraturanstieg, Vermehrung der Herztätigkeit, Herznachlaß bei De-
generation. Daher ist der frühe Eingriff unbedingt zu fordern.
Weber (Dresden).
12) Tolot et Sarvonat. Ostéomalacie et goitre exophthal-
mique. Lrostéomalacie est-elle une maladie thyroidienne?
(Revue de méd. 1906. Nr. 5.)
Verff. besprechen in dieser aus der Klinik von Lépine in Lyon
stammenden Arbeit im Anschluß an die fast ausschließlich deutsche
Literatur dieses Gebietes den Zusammenhang von Osteomalakie und
Kropf. Eine von den Verff. beobachtete Frau von 52 Jahren litt seit
ihrer Jugend an »Schilddrüsensymptomen« (starker Hals, Zittern,
Herzklopfen) und während der letzten Zeit ihres Lebens an Wirbel-
säulenverkrümmung und Rückenmarkskompression. Die Sektion weist
einen retrosternalen Kropf und ausgedehnte osteomalakische Verän-
derungen nach. Aus der Literatur führen sie 11 Fälle von Osteo-
malakie mit Basedow’scher Krankheit an, ausschließlich von deut-
schen Forschern bearbeitet, und gehen genauer auf die verdienstvollen
Arbeiten von Hönnicke (Greifswald) über den Zusammenhang von
Osteomalakie und Schilddrüsenpathologie im allgemeinen ein. Hön-
nicke ist der einzige, der diese Beziehungen methodisch erforscht hat,
und zwar an 33 Fällen der Hofmeier’schen Klinik. Von diesen
boten 22 Beziehungen dar zur Schilddrüsenpathologie, 7 stammten,
ohne selbst an Kropf zu leiden, aus Kropffamilien, 4 standen in gar
keiner Beziehung zu Kropfleiden. — Verff. machen noch auf einige
Punkte aufmerksam: es sei zuweilen, z. B. auch in ihrem eigenen Falle,
recht schwierig, bei einer Osteomalakischen einen Kropf nachzuweisen
wegen der Brustkorbverkrümmungen; oft gibt erst die Sektion darüber
Auskunft. Fast alle Kranken Hönnicke’s boten Zeichen einer
Störung der Schilddrüsentätigkeit dar, wie Nervosität, Schwindel, auf-
steigende Hitze, Zittern, Herzklopfen: man könnte die Fälle also
vielleicht auffassen als abgeschwächte Formen eines »Basedow«. End-
lich erinnern Verff. gleichfalls an die Tatsache, wie selten sich die
Osteomalakie mit anderen Krankheiten verbinde, wie auffällig häufig
dagegen mit Basedowzeichen. Darin liege mehr als zufälliges Zu-
sammentreffen. Für nähere, vielleicht ursächliche Beziehungen irgend-
welcher Art spräche auch die gleichfalls von Hönnicke gefundene
Tatsache, daß die Teile Europas, die Kropfgegenden sind, auch vor-
wiegend von der Osteomalakie befallen würde. In ähnlicher Weise
scheine dies auch für die Gegend um Lyon zuzutreffen. Der Rest
der Arbeit ist einer Besprechung der Hypothesen über die Art des
Zusammenhanges beider Krankheiten gewidmet. Weber (Dresden).
13) J. A. Lindsay. Malignant disease of the lungs.
(Med. press 1906. Mai 23.)
Die Diagnose einer bösartigen Geschwulst der Lunge ist, beson-
ders in den Anfangsstadien, nicht leicht zu stellen, weil charakteristische
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 921
Symptome in der Regel fehlen. L. berichtet ausfühlich über sieben
Fälle; in vier Fällen wurde die Diagnose bei der Autopsie gestellt,
am Lebenden zweimal mit Sicherheit, einmal mit Wahrscheinlichkeit.
Meist ist die Lungengeschwulst sekundär gewachsen. In zweien
der Fälle hatte primär ein Mammakarzinom bestanden, das 6 Wochen
bzw. 2 Jahre vorher operiert worden war, einmal — seit 5 Jahren —
ein Sarkom am Bein, und zweimal hatte die Primärgeschwulst ihren
Sitz in den Mediastinaldrüsen gehabt.
Als Symptomenkomplex fand L. in jedem Fall andauernde Brust-
schmerzen, allmählich zunehmende Dyspnoe und Husten. Die Diagnose
wird u. a. gestützt, wenn der Pat. an einer anderen Stelle des Körpers
eine bösartige Geschwulst zeigt und Phthise oder Aneurysma aus-
geschlossen werden können. Fünfmal fand L. bei seinen Pat. Blut-
husten und Fieber. Beide Symptome schienen ihm in ihrer Art nicht
wesentlich verschieden von dem, was man bei Phthisis pulmonum ge-
wöhnlich beobachtet. Einigemal beobachtete L. auch Nachtschweiße
und Kachexien.
Die physikalischen Symptome sind anfangs ganz uncharakteristisch,
in vorgeschrittenen Stadien leichter zu deuten. Man findet dann aus-
gesprochene Dämpfung, abgeschwächtes Atmen und aufgehobenen
Stimmfremitus. Die Geschwulst sitzt in der Regel in den mittleren
Partien der Lunge, sehr selten in einer Spitze. Oft findet sich ein
meist hämorrhagisches Transsudat in der betreffenden Pleurahöhle.
Bei den vier zur Obduktion gekommenen Fällen handelte es sich
zweimal um Karzinom, einmal um Sarkom; einmal konnte eine be-
stimmte Diagnose nicht gestellt werden. Die Lebensdauer beträgt
nach Manifestwerden der Geschwulst nur noch einige Monate (L. þe-
obachtete 3—8 Monate, Walshe im Durchschnitt 13,2 Monate, Osler
6—8 Monate). Das durchschnittliche Lebensalter betrug 42 Jahre;
ein Pat. war jünger als 30, zwei waren mehr als 60 Jahre alt.
Zur Erleichterung der Differentialdiagnose von Phthise und Ge-
schwulst führt L. folgendes an: Dort findet man gewöhnlich in der
Anamnese Gewichtsabnahme und unbestimmte Angaben über Schwäche
und mangelndes Wohlbefinden, hier event. über Operationen wegen
bösartiger Geschwülste. Phthise befällt öfter jugendliche Individuen
und hat einen mehr chronischen, häufig von Zeiten relativen Wohl-
befindens unterbrochenen Verlauf, während eine bösartige Lungen-
geschwulst öfter im späteren Lebensalter vorkommt, in kurzer Zeit, ehe
es zu Kachexie kommen kann, zum Tode führt, meist heftige Schmerzen
und Dyspnoe verursacht u.a. m., auch bei fehlendem Pleuraerguß
Verlagerung des Herzens zur Folge haben kann. In den meisten
Fällen ist die Untersuchung des Auswurfes ausschlaggebend.
Die Behandlung kann nur eine symptomatische sein.
Erhard Schmidt (Leipzig).
m
922 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34.
14) Momburg. Die Symptomatologie und Diagnostik der
perkutanen Herzverletzung.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXII. p. 564.)
Ohne eigenes neues Material zur Sache zu bringen, unterzieht M.
die Symptomatologie und Diagnostik der perkutanen Herzverletzung
einer allgemeinen kritischen Durchsprechung mit Berücksichtigung
aller in Frage kommenden Umstände und Merkmale. Das Ergebnis
der Auseinandersetzung ist, daß es ein sicheres, die Verletzung
beweisendes Symptom nicht gibt, daß nur die Verletzung des Herz-
beutels, das Vorhandensein eines Hämoperikards oder Pneumoperikards
vorausgesetzt, zuverlässig erkennbar ist, daß aber immerhin bei ge-
nauem Abwägen der einzelnen Anhaltspunkte betreffs der äußeren
Wunde und der vorhandenen Symptome die Diagnose mit ziemlicher
Zuverlässigkeit zu stellen ist, wenigstens daß jedenfalls der Verdacht
einer Herzverletzung mit guten Gründen erhoben werden kann.
Besteht begründeter Verdacht auf Herzverletzung, so muß nach
M.’s Ansicht zwar stets chirurgisch eingegriffen werden, er ist aber
nicht dafür, daß, wie Rotter wollte, die Herznaht als typische Opera-
tion von jedem Arzt ausgeführt soll werden dürfen. Der nicht
chirurgisch vorgebildete Praktiker soll diese Operation mit ruhigem
Gewissen unterlassen und den Verletzten einem Spezialchirurgen zu-
führen, zumal erfahrungsgemäß die Herzverletzten selbst längere
Transporte gut vertragen. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
15) Dhery. La tuberculose du pubis chez l’enfant. 121 p.
Paris, Henry Paulin et Cie., 1906.
Die in Form einer Monographie gehaltene, mit zwei vorzüglichen
Röntgenogrammen ausgestattete umfangreiche Arbeit stützt sich auf
ein Material von 18 Fällen von Schambeintuberkulose; von diesen
18 Pat. sind 4 vom Verf. selbst unter Menard’s Leitung in Berck-
sur-mer beobachtet worden, 5 weitere Fälle entstammen ebenfalls
Menard’s Klientel, die übrigen 9 sind der französischen Literatur,
und zwar fast ausschließlich Dissertationen entnommen.
Die Altersgrenze wird mit dem 15. Lebensjahre gezogen.
Die Tuberkulose des Schambeines im kindlichen Alter ist jeden-
falls eine Seltenheit und ist und bleibt in der Regel die einzige im
Körper nachweisbare Erkrankung tuberkulöser Natur. Sie entwickelt
sich nur in den knöchernen Teilen des kindlichen Schambeines, und
zwar im Gebiete des beim Kinde einzigen Össifikationspunktes. Da
das Gebiet der Symphyse bei Kindern nicht verknöchert, so wird hier,
im Gegensatze zu Erwachsenen, eine Erkrankung tuberkulöser Art nie
beobachtet. Die Pars horizontalis und descendens erkranken gleich oft.
Es kommt entweder zur Bildung einer mit tuberkulösen Massen
erfüllten Höhle im Knochen oder zu einer mehr oder weniger um-
fangreichen Sequestration des Schambeines; kalte Abszesse senken sich
von hier aus, den Muskelinterstitien und Zellgewebsspalten folgend,
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 923
nach dem Hypogastrium, nach dem periproktitischen Gewebe, den
Adduktoren, Glutaeen und der Umgebung des Hüftgelenkes hin.
Zwei Symptomengruppen kann man beobachten: 1) kann jede
Beeinträchtigung der Funktion fehlen, man hat das Bild wie bei jedem
anderen offenkundig tuberkulösen Knochenherde; nur dann ist die
Diagnose schwierig, wenn eine Senkung nach dem After zu stattfindet;
2) aber kommt es zu Gehstörungen, zum Hinken; dann ist man leicht
versucht, eine Koxitis anzunehmen. Zwei Momente aber scheinen dem
Verf. für die Diagnose von ausschlaggebender Wichtigkeit zu sein:
daß nämlich niemals Knieschmerz empfunden wird, und daß ferner
außer einer Kontraktur der Adduktoren mit Beschränkung der Ab-
duktion alle Bewegungen im Hüftgelenk frei sind. Im Spätstadium,
wo zahlreiche Fisteln entstanden sind und erhebliche Bewegungs-
störungen eingetreten sein können, ist trotzdem die rechte Diagnose
noch daraus zu stellen, daß der Trochanter stets genau in der Roser-
Nelaton’schen Linie bleibt, und daß in Narkose volle Bewegungs-
freiheit gfunden wird.
Komplikationen werden beobachtet einmal von seiten der Blase
aus durch Senkungsabszesse; Incontinentia urinae kann sich durch
Reizung der Blasenwand entwickeln, der AbszeB in die Blase durch-
brechen, selbst ein Sequester in sie hineingeraten. Das Interessante
dabei ist, daß all das stets ohne nachteilige Folgen ausheilt, wenn die
Grundkrankheit beseitigt wird und nötigenfalls Sequester aus der
Blase entfernt worden sind. Niemals kommt es zu aufsteigender Er-
krankung der Nieren; hieraus zieht Verf. den Schluß, daß es in Fällen
von primärer Blasen- und sekundärer Nierentuberkulose nur der
Lymphapparat sein kann, der die Verbreitung des Prozesses nach den
Nieren zu besorgt. Die zweite wichtige Komplikation ist ein Über-
greifen der Tuberkulose aufs Hüftgelenk; dies scheint dann sehr
schwere Formen der Koxitis zu zeitigen.
Sonst aber pflegt die Prognose gut zu sein; gefährlich ist aber
das Vordringen des Eiters nach dem Mastdarme hin; es werden dann
äußerst schlimme Mischinfektionen mit gasbildenden Bakterien be-
obachtet. Spontanheilung kommt wohl kaum vor, Rezidive können,
besonders bei Schwangerschaft, noch nach 10—15 Jahren auftreten.
Die Diagnose kann sehr leicht und sehr schwer sein; differential-
diagnostisch kann Koxitis in Frage kommen und ist sicher bisweilen
im Anfang nicht scharf abzutrennen; Spondylitis dürfte schon eher
als solche zu erkennen sein; Tuberkulose des Darmbeines hat eine
Behinderung der Beugung und Streckung zur Folge, die des Scham-
beines, wie erwähnt, nur eine solche der Abduktion. Sicherheit ist
aber nur durch das Röntgenogramm zu gewinnen. Oft wird es schon
genügen, überhaupt an die Möglichkeit des Vorliegens einer Scham-
beintuberkulose zu denken, um auf die rechte Diagnose zu kommen.
Die Behandlung ist eine chirurgische, wenn auch natürlich die
Allgemeintherapie nicht vernachlässigt werden darf. Eröffnung der
tuberkulösen Abszesse, Entfernung des Knochenherdes und alles
924 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34.
kranken Gewebes, Tamponade mit Jodoformgaze hat in der Regel
vollen Erfolg. Auch hier wird das Röntgenverfahren über die zu
treffenden Maßnahmen am besten orientieren. Literaturverzeichnis
von 34 Nummern. W. v. Brunn (Rostock).
Kleinere Mitteilungen.
Mediane Schnittführung zur Eröffnung der: Speiseröhre.
Von
Dr. Hans Hans,
Chirurg am Krankenhause zu Limburg und zu Montabaur.
Der seither allgemein übliche Schnitt zur Eröffnung der Speiseröhre liegt am
inneren Rande des linken Kopfnickers wegen des etwas linksseitigen Verlaufes der-
selben. Besonders bei tieferem Sitze von Fremdkörpern ist hierbei Einkerbung
resp. Durchschneidung des M. sternocleidomastoideus, event. auch des M. omo-
hyoideus notwendig.
In Erinnerung an die Schwierigkeiten, in die mich vor einiger Zeit diese
Schnittführung zur Eröffnung eines weit hinabreichenden Retropharyngealabszesses
nach Wirbeltuberkulose gebracht, wo starkes Ödem die Orientierung vor den seit-
lich liegenden, aber wahrscheinlich verschobenen Nn. vagus, phrenicus, recurrens
und Ansa hypoglossi, Ductus thoracicus, sowie größeren Venen und den Arterien
des Seitenlappens der Schilddrüse fast unmöglich machte, entschloß ich mich zu
einer streng medianen Schnittführung im folgenden Falle:
Am 4. Mai d. J. erschien hier im Krankenhause Frau S. mit ihrem 3jahrigen
Kind und gab an, daß dasselbe vor 5 Tagen ein Zehnpfennigstück verschluckt
habe. Das Geldstück hatte das Kind bekommen, um auf der Festwiese Karussel
fahren zu können. In Ermangelung eines Portemonnaies steckte es dasselbe vor-
sorglich in den Mund und beeilte sich, beim letzten Glockenzeichen aufzuspringen.
Als im Aufspringen die Runde schon begann, erschrak es und verschluckte den
Groschen.
Das Kind suchte sein Mißgeschick zuerst zu verheimlichen, indem es erklärte,
es habe das Geld verloren. Aber schon am Abend wollte es nichts Festes zu sich
nehmen und gab dann am folgenden Tage sein Unglück zu.
Der hinzugezogene Hausarzt sah bei niedergedrückter Zunge nichts im Halse
und nahm an, da der Kehlkopf frei war, daß die Passage in der Speiseröhre nur
durch entzündliche Schwellung schmerzhaft, aber nicht mechanisch aufgehoben sei.
Abführmittel bei schleimiger Kost beférderten den Stuhlgang. Aber der Groschen
zeigte sich nicht.
Die allmählich sich steigernden Beschwerden bei konstanten Klagen kurz
unterhalb des Kehlkopfes (Milchbrei konnte schließlich nur unter eigentümlichen
Kopfdreh- und Beugebewegungen in geringer Menge unter starken Schmerzen
durchgepreßt werden), veranlaßten den Arzt, das Kind zur Röntgendurchleuchtung
ins Krankenhaus zu schicken.
Hier konnte ebenfalls am Halse weder durch Palpation noch durch Spiegelung
(auch direkt nach Kirstein) ein Fremdkörper nachgewiesen werden. Temperatur
betrug 37,6°; Puls 110. Der Schatten im Röntgenbilde zeigte nun das Geldstück
in der oberen Thoraxapertur, platt der Wirbelsäule aufliegend.
Mit dem Finger, vom Mund eingeführt, erreichte ich den Fremdkörper auch
in Narkose nicht; einige Versuche mit der Kehlkopffremdkörperzange nach Char-
riere mißlangen und wurden nach leichter Blutung aufgegeben. Den Münzen-
fänger anzuwenden, scheute ich, weil mein Instrument zu scharfrandig, und die
bei der Fingeruntersuchung stark vorspringend gefundene Platte des Cricoid-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 925
knorpels beim Zurückziehen des event. nicht gefüllten Instrumentes zu leicht auf-
gerissen werden konnte. Sind doch Fälle bekannt, wo der Münzenfänger selbst einge-
keilt bis zur späteren Ösophagotomie tagelang liegen bleiben mußte. Auch war ein
wenigstens teilweises Verstecken in einem Schleimhautriß wahrscheinlich, zunächst
weil der Fremdkörper ganz glatt war und trotzdem festsaß, dann aber auch, weil
ich nur einmal das Gefühl resp. Gehör einer metallischen Berührung mit der Ex-
traktionszange gewonnen. Aus dem gleichen Grunde war auch ein Hinabstoßen
nach unten nicht ratsam, ganz abgesehen davon, daß ein Groschen auch anderswo
im Magen-Darmtraktus bei dem 3jährigen Kinde Stenose bewirken konnte.
Ich entschloß mich daher zur Eröffnung der Speiseröhre in der von der
Tracheotomis inferior geläufigen Gegend, die mir wenigstens die kindliche
Trachea stets als sehr leicht verschieblich erwiesen.
Der Hautschnitt unterhalb des Kehlkopfes bis zum Jugulum legte die Linea
alba zwischen den vorderen Halsmuskeln frei, nach deren Durchschneidung die
Freilegung der Trachea im Gegensatz zur Tracheotomie im Erstickungsstadium der
Diphtheritis überraschend leicht war. Ich konnte die Trachea in über 2 cm Länge
auch auf der Rückwand freilegen und um deren Dicke ohne jeden Hustenreiz oder
gar Atemnot nach rechts verschieben. Recurrens und andere Nerven und Gefäße
wurden mit schmaler Hakenplatte zur Seite gehalten. Die Palpation über den
Wirbelkörpern ergab nun verschiedene Unebenheiten, die aber ebensowohl Zwischen-
wirbelscheiben sein konnten, und beruhigte mich erst eine erneute Durchleuchtung
von der alten Lage des Fremdkérpers.
Ein vom Mund eingeführtes Wildunger Bougie (mit Bleistaubfüllung) erleich-
terte den Schnitt in der Mittellinie der Speiseröhre — man hätte ihn auch seit-
licher anlegen können —, aus der etwas blutiger Schleim hervorquoll. Mit ge-
knöpfter Schere wurde die Wunde nach unten erweitert zu ca. 1!/; cm Länge.
Jetzt erst blutete es ein wenig, und legte ich gleichzeitig zum Hervorholen der
Wundränder die ersten Blutstillungsklemmen an. Vom Fremdkörper war einst-
weilen nichts zu sehen noch zu fühlen. Die beiden Kleinfinger, von der Wunde
und dem Mund eingeführt, begegneten sich ergebnislos. Erst nach längerer Kom-
pression und sorgfältigem Abtupfen des blutig gefärbten Schleimes erglänzte die
obere Rundung des Groschens in dem unteren Wundwinkel. Nach Lüftung des-
selben mittels stumpfen Schielhäkchens konnte die Kornzange den festgekeilten
Fremdkörper lösen.
Der Ösophagus erschien in seiner Wandung leicht infiltriert, aber nicht brandig
entzündet. Ich nähte deshalb mit drei feinsten Catgutnähten, die Schleimhaut ein-
stülpend, nach Art der Sero-Serosanaht die Muscularis breit fassend zusammen,
was in der Tiefe ziemlich schwierig war, aber doch insoweit gelang, als bei Ruhe
des Kindes ein dickerer Sondenknopf nicht mehr ins Lumen eindringen konnte.
Zufällig fing das Kind an zu brechen, und sah man nunmehr deutlich, wie die
vorher geschlossene Wunde sich verkürzte und wenig Schleim durchtreten ließ.
Da ich aus noch enger gelegten Nähten Gangrän befürchtete, nahm ich diese tem-
poräre Undichtigkeit mit in Kauf und unterließ jede andere Naht. Den Bedenken
einer erhöhten Gefahr der Mediastinitis posterior bei der Schnittwunde in der
Speiseröhre hinter der Trachea begegnete ich durch breite Tamponade und Heraus-
leiten der lang gelassenen Catgutfäden aus der Hautwunde. Letztere nicht zu
nähen, entschloß ich mich um so leichter, als die Heilungsdauer durch die Naht
nach der Erfahrung nicht abgekürzt zu werden pflegt.
Das nachher anbefohlene strenge Fasten bei Nährklistieren und Emser Salz-
Inhalationen zur Mundbefeuchtung ließ in den nächsten 3 Tagen das schon durch
die fünf vorhergegangenen Tage stark geschwächte Kind so herunterkommen, daß
ich die leeren Schluck- und Saugbewegungen am Düäumchen, dessen Oberhaut stark
mazeriert war’, durch Eingabe von mit Selterser verdünnter Milch (1/,stiindlich
einen Teelöffel)‘ ersetzte. Wohl sezernierte jetzt die gut granulierende Wunde
etwas mehr Schleim, doch war und blieb das Kind fieberfrei. Die Tamponade
wurde täglich zweimal gewechselt, die Umgebung wegen leichten Ekzems morgens
mit Zinksalbe, abends mit Airol behandelt, Das Kind konnte mit fast verheilter
926 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34.
Wunde nach 12 Tagen entlassen werden. Die Nachbehandlung durch den Haus-
arzt schloß die Wunde in 10 Tagen, doch brach dieselbe nach Genuß von größerer
Menge Brot nach weiteren 2 Wochen für 2 Tage noch einmal auf. Seither (3 Mo-
nate) ist sie geschlossen geblieben, und das Kind bei jeder Kost beschwerdefrei.
Epikrise: Ich habe den Eindruck gewonnen, daß diese mediane Schnitt-
führung zur Eröffnung der Speiseröhre unterhalb des Schilddrüsenisthmus bei dort-
liegenden Fremdkörpern (nach v. Hacker der häufigste Befund), besonders aber
bei noch tieferer Lage im oberen Brustteile wohl stets den Vorzug verdient vor
der seitlichen. i
Aber auch bei höher gelegenen Fremdkörpern, und zwar erstens nicht ver-
hakten, könnte ein tief angelegter Medianschnitt das Hinabrutschen nach unzu-
gänglichen Gegenden bei Extraktionsversuchen (besonders durch vorherige Tam-
ponade des Ösophagus) verhüten; zweitens bei fest verhakten Fremdkörpern
(besonders mittlere Knochenstücke, einzelne Zähne usw.) retrograd die Einkeilung
(event. bidigital) schonender gelöst werden, als durch einen direkten Schnitt in
die schon vorverletzte Schleimhaut, deren Heilungstendenz bei geschwüriger Ver-
änderung sehr herabgesetzt sein muß.
16) P. G. Plenz. Schußverletzungen im Frieden.
Inaug.-Diss., Kiel, 1905. 44 S.
58 Schußverletzungen aus der Kieler Klinik; 56,9% Selbstmorde; 18,9% Todes-
fälle. Bei 32,7 3 Entzündungserscheinungen auf Grund unzweckmäßiger Vor-
behandlung, woraus, wie aus mancher der ausführlich mitgeteilten Krankengeschichten
(Sondieren!) hervorgeht, daß der einfache Verschluß der Wunde unter keimfreiem
Verband — abgesehen von durchbohrenden Bauchschüssen und Schädelschüssen
besonderer Art — durchaus noch nicht Gemeingut aller praktischen Arzte gewor-
den ist. Georg Schmidt (Berlin).
17) W. Schürmann. Zur Kasuistik des Milzbrandes.
Inaug.-Diss., Kiel, 1906.
In der Kieler chirurgischen Klinik sind von 1903 bis 1906 acht Fälle von ku-
tanem Milzbrand beobachtet. Von diesen sind zwei gestorben, einer an gleich-
zeitiger intestinaler Mykose, der andere, wie angenommen wurde, an Toxinwirkung ;
doch bestand hier hochgradiges Odem des Mediastinums. Die Behandlung bestand
in feuchten Verbänden und Schienenfixation bei Sitz an den Extremitäten. Ein-
mal mußte wegen drohender Hautgangrän infolge übermäßigen Ödems zu großen
Entspannungsschnitten, ein zweites Mal wegen starker Atemnot zur Tracheotomie
gegriffen werden. Beachtenswert ist der Vorschlag, bei Sitz der Pustel in der
Nähe des Mundes diese sofort zu exzidieren, um einer Infektion von Lunge und
Darm durch herabfließendes Sekret vorzubeugen. Müller (Dresden).
18) Scott Williams. Case of tetanus; recovery.
(Brit. med. journ. 1906. Juni 9.)
Bei einem 11jährigen Knaben traten nach 10tägiger Inkubation Tetanuszeichen
auf. Trepanation beider Scheitelbeine. Injektion von 5 ccm Antistreptokokken-
serum (Allen & Hanbury) innerhalb von 30 Minuten in jede Hirnhälfte, sehr
gründliche Ausschabung der Eintrittswunde am Ellbogen, Injektionen von Ösiger
Karbolsäurelösung um die Wunde und entlang den entzündeten Lymphgefäßen,
Entfernung der geschwollenen Achseldriisen, Eukaininjektion in den Duralsack.
An den folgenden Tagen alle 4 Stunden subkutane Injektionen von 10 ccm Anti-
tetanusserum und von 5x%iger Karbolsäurelösung wie vorher. Besserung setzte
früh ein. Heilung. Die intraduralen Eukaininjektionen empfiehlt Verf. als gutes
Linderungsmittel gegen die Krämpfe in den unteren Extremitäten und den Bauch-
muskeln; der Opisthotonus wird nicht dadurch beeinflußt.
Weber (Dresden).
i
`
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 927
19) &. Heller. Beobachtungen bei der Behandlung akut-entzündlicher
Prozesse mit der Bier’schen Stauung.
(Med. Klinik 1906. Nr. 22.)
H. teilt aus der Greifswalder chirurgischen Klinik eine Reihe schwerer Fälle
als Typen für die Stauungsbehandlung mit: schöne Erfolge und glatte Heilungen
bei einer Reihe schwer infizierter Verletzungen, überraschend schnelle Heilung bei
frisch zugegangenen Sehnenscheidenphlegmonen, kurze Heilungszeit und kleine Ein-
schnitte bei Gelenkinfektionen, weniger günstige Ergebnisse bei schwereren Fällen
von Osteomyelitis, gute Ausgänge bei Gesichtsfarunkeln bis auf einen Mißerfolg
durch technisch fehlerhafte Behandlung, ungleichmäßige Wirkungen beim Erysipel.
Das Bild frischer akuter Entzündungen gestaltet sich unter der Stauungs-
behandlung ganz anders wie bisher. Der allmähliche Rückgang der örtlichen Re-
aktion infolge der Stauung ist ein sicheres günstiges Zeichen. Überwiegend häufig
wurde — im Gegensatz zu Bier — ein schnelles Versiegen der Absonderung be-
obachtet. Schwierig ist die rechtzeitige Auffindung von in dem Stauungsödem neu
auftretenden Abszessen. Ihre frühzeitige Spaltung bleibt Grundsatz, allerdings ohne
ausgedehnte Sehnen- und Knochenfreilegung und ohne Gelenkdrainierung. Hin-
sichtlich der Ausführung der Bindenstauung ist wichtig das Hineinziehen eines
größeren gesunden Gliedabschnittes in den Entzündungsbereich und die regelmäßige
Unterbrechung der Stauungswirkung durch Bindenabnahme. Fieberkurven zeigen
durch die in den Stauungspausen einsetzenden Fieberanstiege eine Überschwem-
mung des Körpers mit den im Stauungsbereich angehäuften Toxinen oder auch
Infektionserregern an. Zweimal gingen während der Stauung von kleinen Spal-
tungen sekundärer Abszesse Erysipele aus. Sehr schwierig ist bei fortschreitenden
Eiterungen die Vorhersage und die Anzeigenstellung für Stauungsbehandlung. Auch
hierfür empfiehlt H. die genaue Beobachtung der individuellen Schwankungen der
Stärke und der Dauer wirksam eintretender Stauungsreaktion.
Georg Schmidt (Berlin).
20) Ullmann. Über Stauungs- und Saugtherapie bei einigen Affek-
tionen der Haut und der Geschlechtsorgane.
(Berliner klin. Wochenschrift 1906. Nr. 18 u. 19.)
Die mechanische Komponente der Stauung, die Lockerung der in Stauung
versetzten Gewebe durch Austritt von Blutserum und Gewebssaft, muß nach Verf.s
Ansicht in erster Linie zur Erklärung der heilenden Wirkung der Stauung heran-
gezogen werden. Auch glaubt U., daß das Wesen der Veränderungen mehr in
der raschen und gründlichen Zerstörung des Krankhaften und Ungesunden, als in
dem Aufbau normaler Gewebe beruht, also in einem mehr negativen als positiven
Schritte, der aber Platz schafft für die der jeweiligen Schaffenskraft des Organes
bzw. Organismus lieferbaren Produktionsmaterialien. Die spezifische Heilkraft der
venösen Hyperämie gegenüber dem Tuberkelbazillus erklärt U. durch eine chemische
Wirkung durch das mehr kohlensäurehaltige venöse Blut. Daß die Gonokokken
durch die Stauung in ihrer Virulenz geschwächt werden, ist wahrscheinlich, ebenso
daß die Herabsetzung der Virulenz auch aller anderen Bakterienarten durch die
Stauung ermöglicht werden kann und wird, und daß dies ohne Hinzutreten der
vielleicht ab und zu auftretenden Hyperleukocytose geschieht. 80 Fälle wurden
mit Stauung oder Sauggläsern behandelt; fünf Fälle von Tuberculosis testis et
funiculi spermatici unius et utriusque lateris (Stauung: 1/,—3 Stunden); 1 Pat. starb
an Phthisis pulmonum, vier Fälle geheilt bzw. gebessert, obwohl mächtige fistulöse
Infiltration bestand. Es hat sich ergeben, daß es keineswegs nötig ist, daß der
gesamte tuberkulöse Hodentumor unterhalb der Binde oder innerhalb des Saug-
glases liegt, sondern daß auch die mitten in den Infiltrationsherd gelegte Binde
und das Saugglas günstig wirkt, weil 1) die Saugwirkung mächtig in die Tiefe
der Gewebe übergreift und dabei auch eine bedeutende therapeutische Tiefen-
wirkung entfaltet, 2) eine Propagierung von Keimen durch Reizwirkung erfahrungs-
gemäß nicht zu fürchten ist.
928 Zentralblatt für Ohirurgie. Nr. 34.
Bei Furunkeln und Phlegmonen hat U. einen Vorteil von einer Kombination
der Stauung mit Applikation konstanter Wärme gesehen. Auch bei größeren
Akneknoten wurde Saugtherapie mit Erfolg angewendet. Bei Sycosis vulgaris
mentalis circumscripta wirkte die Saugbehandlung gut, ohne daß auf die medika-
mentöse Behandlung ganz verzichtet werden konnte. Alopecia areata wurde ein-
mal durch Sauggläser günstig beeinflußt, viermal konnte ein Erfolg leider noch
nicht beobachtet werden. Von venerischen Erkrankungen wurden Perinealabszesse,
periurethrale Infiltrate rein gonorrhoischer oder gemischt infektiöser Natur mit
bestem Erfolge nach Bier-Klapp behandelt. Bei Epididymitis ergab sich die
Applikation heißer Umschläge, konstanter feuchter Wärme in den ersten Tagen
bei rubiger Lagerung der Pat. als eine sehr zweckmäßige Vorbehandlung und als
eine auch später zeitweilig in die Saugbehandlung einzufügende Therapie, ebenso
bei der Lymphadenitis. Bei Bartholini’schen Abszessen leisteten die Sauggläser
vorzügliches. Ungeeignet für venöse Hyperämisierung ist die Gonorrhöe und das
venerische Geschwür im Beginn und bei hochyirulenten Affektionen. Dagegen ist
sie ein mächtiges Mittel zur Resorption und Übernarbung bei länger bestehenden
atonischen serpiginösen, am Rande zum Teil kallös gewordenen Geschwüren vene-
rischer und nicht venerischer Natur. Langemak (Erfurt).
21) Anders, Daland and Pfahler. The treatment of arthritis defor-
mans with the Röntgen rays.
(Journ. of amer. med. assoc. 1906. Mai 19.)
Bei einem an Arthritis deformans mittleren Grades des Schultergelenkes und
einem des Kniegelenkes Erkrankten wandten Verff. Bestrahlungen mit Röntgen-
strahlen an, und zwar bei beiden mit dem Erfolge, daß schon nach wenigen
Sitzungen die Schmerzen schwanden. Die Sitzungen fanden mehrere Wochen lang
2—3mal wöchentlich statt und wurden mit mittelweicher Röhre aus ca. 30 cm Ent-
fernung gegeben. Gleichzeitig wurde Massage angewandt, die durch die Vermin-
derung der Schmerzen ermöglicht wurde. Vor und nach Beginn der Behandlung
wurde durch Röntgenaufnahme der Zustand der erkrankten Gelenke festgestellt
und die Verff. wollen eine objektive Besserung der Gelenkoberfläche nachgewiesen
haben. Trapp (Bückeburg).
22) Wallace. The behaviour of ethyl chloride.
(Brit. med. journ. 1906. Juni 9.)
Ein 38jähriger, sehr kräftiger Mann mit Mastdarmfistel kommt mit den üb-
lichen 3 ccm Athylchlorid nicht in Narkose; nach weiteren 3 ccm etwas Husten,
Verschwinden der Konjunktivalreflexe. Entfernung des Athylchlorids, statt dessen
Maske mit etwa 20 Tropfen Chloroform. Plötzlicher Atemstillstand bei gutem
Pulse, künstliche Atmung nach Sylvester unmöglich wegen starker Muskelrigi-
dität, besserer Erfolg bei Kompression des Thorax. Bald darauf wieder schwerste
Asphyxie, beseitigt durch künstliche Atmung. W. erwähnt den Fall als Beispiel
einer Überdosierung von Äthylchlorid. Weber (Dresden).
23) P. Steiner. Beiträge zur Krebsstatistik, mit besonderer Berück-
sichtigung der an der I. chirurgischen Universitätsklinik (in Budapest)
durch operative Behandlung erzielten Dauererfolge.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXII. p. 363.)
In der Arbeit sind die Resultate sehr sorgfältiger Nachforschung nach dem
späteren Ergehen der in der Dollinger’schen Klinik in Budapest in der Zeit
von September 1897 bis September 1901 operierten Krebskranken niedergelegt. Bei
der angenommenen Zeitgrenze ist eine Untersuchung auf 3jährige Rezidivfreiheit
ausführbar; um auch eine Untersuchung auf bjährige Rezidivfreiheit zu machen,
ist aber auch das Material der Jahre September 1897 bis 1899 für sich allein
durchgezäblt. Die Zahl der im genannten Gesamtzeitraum in der Klinik ausge-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 929
führten Krebsradikaloperationen beträgt 226, von denen in 175 Fällen (77,3%) der
weitere Verlauf bekannt ist. Davon entfallen auf die Jahre 1897—99 109 Opera-
tionen mit 80 Fällen (73,99%) mit bekannt gewordenen Weiterverlaufes. Für Be-
rechnung der Heilungsstatistik sind nur die Fälle mit bekanntem weiteren Schicksal
gezählt, die Kranken, die infolge der Operationen starben, sind bei Berechnung
der Rezidivfreiheit nicht gestrichen, ebensowenig diejenigen, welche an interkur-
renten Krankheiten starben. Zu bemerken ist, daß die Kranken die Klinik in
einem meist schon recht vorgeschrittenen Stadium ihres Leidens aufsuchten, daß
Jedoch nur ganz aussichtslose Fälle von der Aufnahme ausgeschlossen wurden. Das
Berichtsmaterial, in dem sämtliche Krebsarten, mit Ausnahme derjenigen der weib-
lichen Genitalien, vertreten sind, wird vom Verf. zunächst, nach den betroffenen
Körperabschnitten eingeteilt, im einzelnen untersucht, dann werden sämtliche Fälle
zusammengerechnet und von ihnen die Gesamtsummenzahlen angegeben. Betreffs
der die Einzelgruppen betreffenden Zahlen ist auf das Original zu verweisen; von
denen, die sich auf das Gesamtresultat beziehen, seien folgende mitgeteilt:
| Primäre und
Primäre | Rezidiv- Rezidivopera-
Operationen | operationen tionen
| zusammen
Zahl der Fälle von 1897—1901 193 33 226
Weiterer Verlauf bekannt bei 150 25 175
Nach 3 Jahren rezidivfrei 62—= 41,33% | 8 = 32% 70 = 40%
In 3 Jahren rezidiviert 71 = 47,33% | 17 = 68% 88 = 50,28%
An operativem Tod + 13= 8,66% |
An interkurrenter Krankheit + 4= 2,68% | 4= 2,28%
Zahl der Fälle von 1897—99 83 26 109
Weiterer Verlauf bekannt bei 62 18 80
Nach 5 Jahren rezidivfrei 26 = 41,93% | 7 = 38,88% | 33 = 41,25%
In 5 Jahren rezidiviert 34 = 54,83% | 11 = 61,11% | 45 = 56,25%
An operativem Tod + 2= 322% 2= 250%
Mit gutem Recht nennt S. nach diesen Zahlen die Erfolge der Klinik »gut
und anregend«.
Von den Besprechungen der einzelnen Krebsgruppen ist hervorzuheben, daß
hier betreffs Alter und Geschlecht der Kranken und sonstige Einzeldaten viel
interessante Zahlen zu finden sind. Auch begegnet man beachtenswerten Notizen
über manche wichtige Einzelfälle, z. B. 5jährig rezidivfreie totale Magenexstirpa-
tion bei einem noch Dienst tuenden Polizisten; eine zweite geheilte Magenkrebs-
operation ist 10 Jahre rezidivfrei. Ödjährige Rezidivfreiheit nach Blinddarmresek-
tion, desgleichen nach Kehlkopfexstirpation. Die Brustdrüsenexstirpation nach
Halsted-Kocher (17 Fälle mit bekanntem Ausgang) ergab in 43,7% 3jährige
Bezidivfreiheit usw. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
24) 8. M. Timaschew und T. J. Romanow. Ein Fall von zahlreichen
verkalkten Knoten in Unterhautzellgewebe und Haut.
(Russki Wratsch 1906. Nr. 18.)
Der Fall betraf einen 8jährigen Knaben. Im Alter von 3 Jahren erkrankte
er an Fieber mit periodisch auftretendem scharlachartigem Ausschlag, Jucken und
Schwitzen; das dauerte 8—9 Monate. Während dieser Krankheit traten nach Er-
kältung noch Schmerzen in den großen Gelenken hinzu, und bald darauf wurden
930 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34.
die ersten Knoten unter der Haut am Ellbogengelenke bemerkt. Nach und nach
entstanden neue Knoten an allen Extremitäten, auch am Rumpfe. Einige erreichten
die Größe eines Hühnereies. Mehrere Knoten öffneten sich — ohne Entzündung
— und entleerten eine kalkartige Flüssigkeit, worauf glatte Narben zurückblieben.
— Schwäche, schlechter Appetit, Verstopfungen und Kopfschmerzen. Während
des 78tägigen Aufenthaltes in der Klinik besserte sich der Zustand. Es wurden
fünf Knoten exstirpiert und genau untersucht. Auf Grund des mikroskopischen
Befundes reihen Verff. ihren Fall denjenigen von Profichet, Wildholz und
Lewandowsky an und geben folgendes Bild der Entstehung der Knoten. Es
treten Verdickung der Wand und Verengerung der Lichtung einiger Arterien im
Unterhautzellgewebe auf; histologisch ist das keine gewöhnliche obturierende Ent-
zündung, sondern muß als Krüppelwuchs der Gefäßwände, wahrscheinlich mit an-
geborener Ursache, angesehen werden. Unter dem Einfluß dieser Stenose dege-
nerieren und verkalken die mit festem Bindegewebe umgebenen und folglich
schlecht ernährten Fettacini und kleine Fettzellgruppen. Anfänglich verkalkt nur
das Unterhautfettzellgewebe In der Umgebung dieser verkalkten Nester treten
Riesenzellen und Granulationsgewebe auf, später ganze Schichten gefäßhaltiger
Granulationen, letztere auf Kosten der Elemente, die mit den Gefäßen in die ver-
kalkten Massen selbst eindringen, nicht auf Kosten der Bindegewebskapsel; daher
die scharfe Grenze zwischen Kapsel und Granulationsgewebe. Infolge des Durch-
trittes der Gefäße durch die straffe Kapsel entsteht Behinderung der Zirkulation,
Ansammlung von weißen Blutkörperchen in den Kapillargefäßen der Granulationen,
Ablagerung von hämatogenem Pigment, sowie von Zerfallsprodukten der roten
Blutkörperchen inmitten der Kalkmassen in den Alveolen; diese Granulations-
elemente sowie die Blutbestandteile degenerieren ebenfalls und verkalken; die
körnigen und amorphen Massen in den Alveolen entstehen durch Verkalkung der
körnigen Blutzerfallsprodukte und der Granulationszellen, die größeren Kalkblöcke
durch Verkalkung der hyalinen Gefäßthromben und der hyalin degenerierten
Riesenzellen. Auf diese Art wird die Kapsel immer mehr gespannt und schließlich
durchbrochen, worauf normale Vernarbung entsteht. — So finden Verff. in dem
Prozeß Analogie mit Angiombildung auf angeborener Grundlage. Parasiten, sowie
Stoffwechselanomalien (phosphorsaure Diathese) sind unbewiesen. — Drei Photo-
graphien und drei Röntgenbilder illustrieren die ausführliche Arbeit.
E. Giickel (Wel. Bubny, Poltawa).
25) Blecher. Uber die heteroplastische Deckung von Schädeldefekten
mit Zelluloid.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXII. p. 134.)
B. hat mit gutem Erfolg eine Zelluloidplatte zur Deckung eines Schädeldefektes
in folgendem Falle zur Anwendung gebracht. Ein Unteroffizier hatte durch Schlag
mit einem umgedrehten Säbel eine schwere komplizierte Schädelfraktur davon-
getragen, die, kunstgerecht versorgt und leidlich glatt heilend, am Vorderkopfe links
in der Haargrenze eine Schädellücke von 5 cm Durchmesser hinterließ. Im Be-
reich derselben war deutliche Pulsation sichtbar, Beschwerden fehlten außer Kopf-
schmerzen und Schwindel beim Bücken. Die Zelluloidplatteneinsetzung erfolgte
3 Monate nach der Verletzung. Umschneidung eines Zapfens von 5 cm Durch-
messer bis auf den Knochen mit Stiel nach unten. Man kommt überall auf das
mit der Hautdecke fest verwachsene Gehirn, welches unter starker Blutung scharf
abgetrennt werden muß, Dura nicht vorhanden. Nach Stillung der Blutung wird
eine 4 mm dicke Zelluloidplatte zurechtgeschnitten, entsprechend gewölbt und in
die Lücke fest eingedrückt, darüber feste Weichteilnaht. Nur einmalige Tempe-
ratursteigerung auf 38,5, sonst tadelloser Verlauf mit Beseitigung der Beschwerden
und Herstellung völliger Diensttüchtigkeit.
Der begleitende Allgemeintext liefert, die einschlägige Literatur ausgiebig ver-
wertend, eine sehr gut orientierende Besprechung der Indikation, Technik und
Leistungen der Zelluloidplattenverwertung. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 931
26) H. Revenstorf. Geheilter Hirnschu8. Tod an Meningitis nach
13/ 4 Jahr en.
« (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXI. p. 270.)
Beobachtung aus dem Hamburger Hafenkrankenhause von C. Lauenstein.
Ein 14jähriges Mädchen erhielt einen Pistolenschuß von etwa 6 mm-kalibrigem
Geschoß aus der Nähe, dicht oberhalb des medialen Endes der linken Augenbraue.
Aufnahme in bewußtlosem Zustande, wiederholtes Erbrechen, das erst am 3. Tage
nachließ; die Somnolenz hatte schon am 2. Tage aufgehört. Dann rasche Erho-
lung, so daß 1/3 Monat nach der Verletzung Entlassung als geheilt erfolgen konnte.
Mittels Röntgen war das Geschoß im rechten Hinterlappen sichtbar. Es folgte
während 13/, Jahren eine Periode völliger Gesundheit, wonach Pat. plötzlich unter
den Erscheinungen schwerer Meningitis erkrankte. Lauenstein suchte unter Bil-
dung eines Wagner’schen Lappens am Hinterhaupte rechts das Geschoß vergeb-
lich; bald danach Tod. Sektion: diffuse eitrige Meningitis, besonders an der
Großhirnbasis und um das Kleinhirn. Das Gehirn wurde erst nach Härtung in
Formalin untersucht, und zwar zunächst mittels Röntgen, wobei sich der Geschoß-
schatten im rechten Hinterhauptslappen zeigte. Das Geschoß liegt, durch Tastung
mit Nadelspitzen bestimmt, auf der Oberfläche der Hemisphäre, 5 cm von der Spitze
des Hinterhauptlappens und ebenso weit von der Mittellinie entfernt, 2 cm ober-
halb des Tentoriums, und ist vom Hirn nur durch eine 1 mm dicke Gewebsschicht
getrennt. Es ist etwas deformiert und liegt in einer teilweise verkalkten Binde-
gewebskapsel. Die Flugbahn des Geschosses markiert sich durch eine etwas un-
ebene Knochennarbe an der Stirnbeininnenseite, einen kurzen bräunlichen Streifen
an der Basis des linken Stirnlappens, sowie ebenfalls bräunliche geringe Flecken
am Fundorte des Geschosses. Narbenbildung in der Hirnsubstanz makroskopisch
nicht sichtbar. Das Geschoß hat jedenfalls das Hirn passiert, um an der Schädel-
innenfläche hinten aufgehalten liegen zu bleiben. Die Meningitis sieht R. nicht
als durch gleichzeitig mit der Schußverletzung eingeführte Keime entstanden an,
hält vielmehr eine Infektion auf hämatogenem Wege für wahrscheinlich, zu deren
Ansiedlung auf den Meningen der Fremdkörper die Gelegenheitsursache geboten
haben mag. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
27) Pochhammer. Beobachtungen über Entstehung und Rückbildung
traumatischer Aphasie.
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XV. Hft. 5.)
Bei einem Kranken mit kompliziertem Bruch des linken Seitenwandbeines
kam es zu einem epiduralen Abszeß, der zur Trepanation führte ; dabei zeigte sich,
daß ein umschriebener Bezirk der Hirnrinde erweicht war. Im Verlaufe der Hei-
lung stellten sich nun schr eigentümliche Sprachstörungen ein. Während ent-
sprechend der Schädigung an der dritten Stirnwindung zunächst reine motorische
Aphasie bestand, änderte sich der Charakter der Sprachstörung im Laufe der Hei-
lung so, daß sie einer sensorischen Aphasie ähnlicher wurde, trotzdem eine Schä-
digung des sensorischen Sprachzentrums auszuschließen war. P. kommt auf Grund
dieser Beobachtung zu der Anschauung, daß vielleicht nur ein kleiner Teil der-
jenigen Ausfallserscheinungen, welche wir unter dem Bilde der sensorischen
Aphasie zusammenzufassen pflegen, an eine Lokalisation in Rindenbezirken des
Schläfenlappens gebunden ist, und daß der Aufstellung und Unterscheidung eines
besonders lokalisierten sensorischen Sprachzentrums gegenüber der motorischen
Sprachregion nicht die Bedeutung zukommt, welche ihm in mancher Hinsicht und
von mancher Seite beigelegt wird. Haeckel (Stettin).
28) H. Dardenne. A case of cerebral abscess with its post-mortem
appearences.
(Med. press 1906. Mai 23.)
Bei einem 48jährigen Manne traten ganz plötzlich schleudernde Bewe-
gungen von Arm und Hand der rechten Seite ein; der Mund wurde nach rechts
932 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34.
verzogen. Die Sprache war schwerfällig und undeutlich, die Zunge konnte nur
unvollkommen vorgestreckt werden, der Gang war schleppend. Außer einem
systolischen Geräusch an der Herzspitze und einem akzentuierten zweiten Pulmonal-
ton konnte im übrigen nichts Krankhaftes an dem Pat. nachgewiesen werden.
Allmählich stellten sich Anfälle ein, die als Jackson'sche Epilepsie gedeutet
wurden, und denen Pat. erlag. Bei der — allein gestatteten — Sektion des Ge-
hirns zeigte sich, daß die Hirnhäute der rechten motorischen Region mit eitriger
Flüssigkeit durchtränkt waren, und daß sich im mittleren Drittel der rechten auf-
steigenden Stirn- und Schläfenwindung ein etwa walnußgroßer Abszeß gebildet
hatte. Er war akut entstanden, nicht abgekapselt. Die Meningen zeigten keine
Verdickungen. Das Gehirn war in der Umgebung des Abszesses gerötet und öde-
matös, sonst ohne krankhafte Veränderungen.
Bemerkenswert war, daß während der Erkrankung kein Fieber oder Erbrechen
bestanden hatte, und daß kein Trauma vorangegangen war. Außer einem Rheu-
matismus vor 5 Jahren hatte der Pat. keine Erkrankung, besonders auch keine
venerischer Art, durchgemacht. D. nimmt als Ursache einen septischen Embolus
an, der von den durch Rheumatismus endokarditisch veränderten Mitralklappen
ausgegangen war und glaubt, daß ein rechtzeitiger chirurgischer Eingriff bei der
Möglichkeit genauer Lokalisation hätte von Nutzen sein können.
Erhard Schmidt (Leipzig).
29) Roncali. Osservazioni anatomo-patologiche e cliniche sopra due
casi di disturbi cerebrali come contributo all ’istologia ed alla terapia
chirurgica delle sclerosi nevroglio-connettivali e delle nevrogliosi pure
(gliosi) posttraumatiche.
(Policlinico 1905. Ser. chir. Nr. 11 u. 12; 1906. Nr. 1—4.)
Veranlassung zu der Arbeit gaben zwei Fälle, in welchen Durante wegen
posttraumatischer nervösen Störungen Stücke von Hirnsubstanz entfernt hatte.
1) Komplizierte Fraktur des rechten Stirnbeines durch Stockschlag; 4tägiger
Bewußtseinsverlust, vorläufige Heilung. Nach 21/, Jahr treten allgemeine epilep-
tische Krämpfe auf. Nach ca. 1/ Jahr (inzwischen lömal Anfall) Operation. Auf-
heben eines osteoplastischen Lappens, Freilegung eines bohnengroßen Schädel-
defektes, an dessen Rändern die Dura verwachsen ist, weiteres Freilegen derselben;
unter ihr ist das Hirn auf die Ausdehnung eines 5 Lirestückes erweicht, gelblich,
mit gelatinösem Exsudat auf der Pia. Die ganze vor den Zentralwindungen gele-
gene Partie wird im Gesunden exstirpiert. Starke Blutung steht auf Tamponade.
Weitere Anfälle treten nicht mehr auf. (Beobachtungsdauer?) Mikroskopische
Untersuchung ergibt Schwund der Pyramidenzellen und Ersatz derselben durch
Bindegewebe und Neuroglia. R. nimmt für die Zellen der letzteren eine phago-
cytäre Tätigkeit zum Zwecke der Zerstörung der Pyramidenzellen an. Der Her-
gang ist genau an der Hand von Abbildungen geschildert.
2) 25jähriger Mann. Vor 10 Jahren Schlag gegen den Kopf (linker Scheitel-
höcker) mit äußerer Wunde, keinen Zeichen weiterer Verletzung. Nach 10 Jahren
traten Krämpfe auf, welche in unregelmäßiger Weise sich wiederholten, im rechten
Arm anfıngen, dann auf das Bein übergriffen, späterbin mit Parese der rechten
Körperseite, Hypästhesie derselben, motorischer und teilweise akustischer Aphasie,
Ataxie, unvollständiger Agraphie und schließlich mit Schwäche der peripheri-
schen Funktionen verbunden. Operation nach 1!/, Jahren. Osteoplastische Frei-
legung des Gehirns im Bereiche des Sulcus Rolandi. Nach hinten von letzterem
ist der Scheitellappen etwas härter als normal. Operation zunächst abgebrochen.
Es bildet sich ein großer Hirnvorfall heraus, während eine Besserung der Sprache
und der psychischen Störungen zu bemerken ist. Nach 4 Wochen wird der Vor-
fall mit dem Paquelin abgetragen, weil Durante glaubt, daß er von einem diffusen
Gliosarkom gebildet sei. Folge: Lähmung der rechten Körperseite. Nach weiteren
3 Wochen wird nach vergeblichen Hirnpunktionen eine Harte im Occipitallappen
gefunden, letzterer tief inzidiert bis aufs Tentorium und mit dem Finger unter-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34. 933
sucht; die Blutung durch Tamponade gestillt. Im Verlaufe von einigen Monaten
bildet sich die Lähmung zurück. Der Schädeldefekt wird osteoplastisch geschlossen.
Schließlich bleibt von allen Symptomen nur eine geringe Abschwächung der Mo-
tilitat und Sensibilität der rechten Seite. Nach 2 Jahren ist auch diese ge-
schwunden.
Die mikroskopische Untersuchung des 130 g schweren abgetragenen Hirnstücke
ergibt außer frischen Veränderungen der Dura Verwachsung von Arachnoidea und
Pia, andernteils trübe Prozesse derselben. In der Rinde Wucherung der Glia und
Schwund der Pyramidenzellen und Nervenfasern. R. nimmt an, daß das Trauma
diese schleichende Gliose einleitete; dann eigentlich entzündliche Erscheinungen.
Die schwere Wucherung drückte auf die umliegenden Zentren. Der Erfolg der
Operation spricht dafür, auch bei scheinbar normal aussehendem Gehirn zur Hei-
lung der Jackson’schen Epilepsie die Exstirpation der Zentren nach Horsley
zu machen. Dieselbe macht bei ausgedehnter Entfernung zwar Lähmung, die aber
infolge Eintretens von Bahnen, die nach R. vom Linsenkern kommen, sich kom-
pensiert. In diesem Falle wurde die hinter den Zentralwindungen liegende Hirnpartie
exzidiert, welche als Zentrum der allgemeinen Sensibilität anzusehen ist. Die
Lähmung, welche nach Entfernung des Hirnvorfalls auftrat, war durch den Reiz
der strahlenden Wärme des benutzten Paquelins bewirkt.
E. Pagenstecher (Wiesbaden).
30) M. Draudt. Beitrag zur Genese der Gesichtsspalten.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXII. p. 226.)
Friedrich und Fick haben die Annahme geäußert, daß die Entstehung eines
Wolfsrachens durch Druckwirkung der ungünstig gehaltenen eigenen Hand des
Kindes entstehen könne. D. veröffentlicht einen Fall aus der Lexer’schen Klinik
in Königsberg, in dem ihm die Entstehung einer Hasenscharte durch den Druck
eines Daumennagels des Kindes wahrscheinlich ist. Man sieht nämlich an der
Unterlippe des mit einer linksseitigen Hasenscharte behafteten Kindes etwas rechts
von der Mittellinie ein dellenförmiges Grübchen, welches genau dem kindlichen
Daumennagel entspricht (cf. Photogramm). Dazu kommt, daß das Kind im Schlafe
beide zur Faust geballten Händchen übereinander gelegt mit den Daumen gegen
die Unterlippe gerichtet zu halten pflegte, also auch intra-uterin der Art gelegen
haben mag, so daß, zumal noch enges Anliegen des Amnion hinzugedacht, das Ent-
stehen der Spalte leicht begreiflich erscheint. Ein anderes interessantes Detail
des Falles besteht darin, daß am linken Lippenspaltrande ein kleines Weichteil-
knöpfchen befindlich ist, dem eine entsprechende Delle auf dem rechten Spaltrande
als Negativ gegenübersteht, den Eindruck hinterlassend, als wäre da bereits eine
Vereinigung dagewesen, die aber im entscheidenden Moment wieder getrennt
wurde. In einem anderen Falle, den D. auch abbildet, besteht an der gleichen
Stelle eine vollständige Hautbrücke in der Lippenspalte, die also diesmal stark
genug war, einem Zerreißen zu widerstehen.
Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
31) E. Pagenstecher. Einseitige angeborene Gesichtshypertrophie.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXII. p. 519.)
P. behandelte eine 35jährige Pat. mit hochgradiger, äußerst entstellender links-
seitiger Gesichtshypertrophie mittels mehrfacher ausgiebiger Exzisionen aus den
degeneriert-hypertrophischen Weichteilmassen. Der Fall interessiert, weil Pat. mit
einer linksseitigen Wangengeschwulst geboren war, die im 5. Lebensjahre als
»Lipom« exstirpiert wurde. Die Allgemeinverdickung der linken Gesichtshälfte,
die auch das Jochbein betraf, nahm aber weiteren Fortgang, wie ein aus den
Schuljahren stammendes und ferner das letzte bei der Spitalbehandlung aufgenom-
mene Photogramm zeigen. Nach Abschluß des Körperwachstums im 3. Jahrzehnt
war die Dickenzunahme besonders stark. Die Wucherung betrifft vorzugsweise
das Fettgewebe, aber auch das Bindegewebe, ferner die Mund- und Zungen-
schleimhaut, sowie Gefäße und Nerven, namentlich den Hypoglossus, wie dessen
934 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34.
Bloßlegung bei einer Operation zeigte. Die Muskulatur war degeneriert, ihre
Funktion vernichtet. Jochbein und Oberkieferalveolarfortsatz waren ebenfalls be-
teiligt, und scheinen im ganzen die erkrankten Bezirke den den obersten Kiemen-
bögen entwicklungsgeschichtlich entstammenden Teilen zu entsprechen. Histologisch
findet sich stärkere Entwicklung von Haaren, Balgdrüsen, Papillen usw.
Pathologisch zählt P. seinen Fall zum partiellen angeborenen Riesenwuchs;
auf eine Erklärung seiner Atiologie verzichtet er.
Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
32) Wales. Severe punctured wound of lower jaw.
(Brit. med. journ. 1906. Juni 2.)
Bei einem Sturz vom Rade spießte sich ein 26jähriger Mann auf einer eisernen,
lanzenförmigen Pike eines Gitters so auf, daß ihm die Spitze unter dem Kinn in
den Mundboden eindrang und, ohne den Oberkiefer wesentlich zu treffen, weit aus
dem Munde hervorragte. So an der Lanze aufgehängt konnte er soeben mit den
Zehenspitzen den Boden erreichen. Durchfeilung des zentralen Endes zur Befrei-
ung des Verletzten, Herausziehen in Narkose, Heilung nach Eiterung und mäßiger
Knochennekrose fast ohne Entstellung und Sprachstörung.
Weber (Dresden).
33) Burci. Di une rara malformazione congenita del collo.
(Arch. di ortopedia 1906. Nr. 2.)
Ein 4 Monate altes Kind trägt von Geburt an im Nacken, dicht unterm Hinter-
haupt, eine konische Geschwulst, die ein nabelartiges Grübchen und darum einige
Haare auf seiner Spitze trägt und, wie die Röntgographie sowie nach Exstirpation
die Untersuchung zeigt, in Fettgewebe eingeschlossen ein Y-förmiges Knochenstück
enthält. Halswirbel normal, kein Zusammenhang mit dem Wirbelkanal. Vielleicht
handelt es sich um eine überzählige Wirbelanlage.
E. Pagenstecher (Wiesbaden).
34) Loeb. Gutachten über eine traumatische Verletzung des Conus
terminalis.
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XV. Hft. 5.)
Bei einem Pat. mit Bruch des 2. oder 3. Lendenwirbels fand sich Cystitis,
Blasenlahmung, Mastdarmlähmung, Impotenz, dissoziierte Empfindungslähmung am
Damm. Es ließ sich daraus mit Sicherheit die Diagnose auf Verletzung des Conus
terminalis stellen, deren Charakteristika gegenüber Schädigungen der Cauda equina
ausführlich erörtert werden. Haeckel (Stettin).
35) Voltz. Uber kongenitale vollkommene Synostose der Wirbelsäule,
in Verbindung mit Wachstumsanomalien der Extremitätenknochen.
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XVI. Hft. 1.)
Bei einem 9jährigen Mädchen mit voller Intelligenz besteht eine angeborene
Skelettanomalie mit frühzeitiger vollkommener Synostose der ganzen Wirbeläule
mit Ausnahme der beiden obersten Halswirbel, welche geringe Beweglichkeit
zeigen; auch die Wirbelrippengelenke sind ankylotisch. Der Kopf ist nach vorn
geneigt, die Wirbelsäule zeigt eine hochgradige Cervicodorsalkyphose; die Lenden-
lordose ist wenig ausgesprochen. Die Beweglichkeit der Hiift- und Schulter-
gelenke ist beschränkt; Hände und Füße eigentümlich breit und plump, durch
Verkürzung hauptsächlich der Phalangen. An den Extremitäten zeigt sich ver-
spätetes Auftreten der Knorpelkerne bei ausgedehnter knorpeliger Anlage der Epi-
physen. Die Erkrankung ist als intra-uterine Hemmungsbildung der knorpeligen
Elemente anzusehen; dabei findet zwar übermäßige Proliferation von Knorpelzellen
statt (Chondrodystrophia hyperplastica), jedoch fehlt den Zellen offenbar das Ver-
mögen der normalen Knorpelanlage gegenüber anderen Geweben, speziell der vor-
dringenden gesteigerten Ossifikationsgrenze sich zu differenzieren. Ob eine Hem-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 84. 935
mung des Extremitätenwachstums durch Verengerung der Foramina intervertebralia
und Schädigung der trophischen Extremitätenzentren, der Spinalganglien, sekundär
stattfindet, oder ob auch die Störung im Extremitätenwachstum ein und dem-
selben Krankheitsbild angehört, ist nicht mit Sicherheit zu entscheiden. Die Unter-
schiede dieses seltenen Krankheitsbildes gegenüber dem Kretinismus, der Mikro-
melie, dem Mongolismus werden hervorgehoben. Haeckel (Stettin).
36) H. Hunziker und R. Pfister. Uber Knochenbildung in Strumen.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXII. p. 83.)
Verff. berichten in ihrer aus der Enderlen’schen Klinik in Basel stammen-
den Arbeit über an 194 Kröpfen, die in der Klinik operiert und wahllos in der
Sammlung aufgehoben waren, ausgeführte Untersuchungen. Sie fanden in 67 Fällen
Verkalkung in mehr oder weniger großer Ausdehnung; unter diesen wiesen 11
kleinere oder größere Partien von wahrer Knochenbildung auf. Die Knochen-
bildung zeigte stets lokalen Zusammenhang mit den verkalkten Partien, und war
ihr Sitz namentlich die Wandung großer alter hämorrhagischer Cysten, dann fibröse
und sekundär verkalkte Partien bei Struma fibrosa, selten der eingedickte, sekundär
verkalkte Cysteninhalt. Aktive Beteiligung des eigentlichen Drüsengewebes fand
sich nie. Fast immer standen die Knochenherde mit mehr oder weniger kern-
reichem, weitmaschigem, gefäßreichem Bindegewebe in innigem Zusammenbhange,
so daß sie auf der einen Seite an die verkalkte Partie, auf der anderen an das
Bindegewebe grenzten. Der Knochen zeigte lamellären Bau, schöne Knochen-
körperchen, selten Osteoblasten und Osteoklasten, wohl aber reichliches, gut ent-
wickeltes Mark mit Markzellen, Riesenzellen, Fettgewebe und Gefäßen.
Verff. erörtern unter Heranziehung der Literatur kurz die Theorie der
Knochenbildung an Stellen, die mit osteogenen Geweben keinen Zusammenhang
haben. Die Ansicht, daß überall da, wo Bindegewebe und verkalktes Gewebe zu-
sammentreffen, echter Knochen gebildet werden kann, sehen sie durch ihre Be-
funde als bestätigt an. Demgemäß wäre in dieser Knochenbildung eine Metaplasie
des Bindegewebes und ein späteres Stadium der Verkalkung zu erblicken.
Eingehendes Literaturverzeichnis, die Knochenbildung in allen Organen, wo
sie beobachtet wurde, betreffend, desgleichen drei Abbildungen histologischer Prä-
parate sind beigefügt. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
37) D. @. Zesas. Beitrag zur chirurgischen Behandlung des Speise-
röhrendivertikels.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXII. p. 573.)
Z. publiziert einen von Niehaus im Jahre 1888 an einem 27jährigen Pat.,
dessen Schluckbeschwerden vor 5 Jahren begonnen hatten, mittels Exzision des
Divertikels operierten Fall. Das Divertikel, über dessen Größe nichts mitgeteilt
wird, hatte der Speiseröhre in der Höhe des Ringknorpels aufgesessen, und wurde
die von seiner Abtragung hinterlassene Speiseröhrenwunde unter Nichtmitfassung
der Schleimhaut mit Seidennaht geschlossen, die äußere Wunde tamponiert. Ver-
lauf bei Mastdarmernährung zunächst gut, bis infolge vorzeitigen verbotswidrigen
Essens und Trinkens die Wunde aufbrach und fistulös wurde. Zunehmende Ina-
nition und Tod, bevor noch der zwecks Fistelanlage in eine Bauchwunde einge-
nähte Magen hatte eröffnet werden können. — Dem eigenen Falle fügt Z. eine
Sammlung sämtlicher bisher publizierten Ösophagusdivertikelexstirpationen an, im
ganzen 42 Fälle — 28 Männer und 9 Frauen betreffend; bei den übrigen das Ge-
schlecht nicht angegeben. 34 der ÖOperierten sind geheilt. Z. hält die sofortige
Naht der Ösophaguswunde für das beste Verfahren, am zweckmäßigsten nach der
Technik von Krönlein: Anlegung einer leicht drückenden Klemme auf den
Ösophagusstiel, dessen Stumpf oberhalb der Klemme geschlossen wird. Indessen
wurde eine Primaheilung dieser Speiseröhrennaht nur in 6 Fällen erzielt; sonst trat
Fistelbildung ein, die aber unschwer heilte. Die Gastrostomie fand als Voropera-
tion 5mal Ausführung. Z. hält sie nur bei stark abgeschwächten Individuen für
voll berechtigt
936 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 34.
Außer der nicht chirurgischen Behandlung kann, wie Z. im Eingange seiner
Arbeit kurz erörtert, in einzelnen Fällen die Faradisation des Divertikels und eine
methodische Sondenbehandlung mit Erfolg angewendet werden.
Meinhard Schmidi (Cuxhaven).
38) W. Ettinger. Ein Fall von Druckstauung.
(Medycyna 1906. Mai 26. — Ref. in Russki Wratsch.)
Der 18 Jahre alte Pat. wurde bei einer Prozession während des Tumultes mit
Füßen getreten. Gesicht und Hals dunkelbraun, Blutung aus Nase und Ohr; zahl-
reiche Blutflecke an Haut- und Schleimhäuten. Das laterale Ende des rechten
Schlüsselbeines vom Akromialfortsatz abgerissen. Linksseitige Pneumonie mit
Temperaturabfall am 8. Tage; am selben Tage Blut im Harn. 30 Tage nach der
Verletzung in befriedigendem Zustande entlassen.
(Ref. sah kürzlich auch einen Fall von Druckstauung: Der 24 Jahre alte Pat.
geriet in die Transmission einer Windmühle, wobei ein Balken ihn an Hals und
Brust gegen einen zweiten Balken drückte, das Kinn fest gegen die Unterlage pres-
send. Blutung aus dem Munde. Nach 6 Tagen fanden sich zahlreiche Erosionen
an Hals und Brust vorn und hinten, sowie die bekannten Perthes’schen Stau-
ungssymptome am Gesicht. Fraktur der linken Unterkieferhälfte. Sehen unbe-
hindert. 2 Wochen später zeigte sich Pat. nochmals, klagte aber nur noch über
den Kieferbruch:) E. Giickel (Wel. Bubny, Poltawa).
39) M. v. Arx. Zur Diagnostik der akuten Mediastinalerkrankungen.
(Deutsche Zeitschrift fiir Chirurgie Bd. LX XXII. p. 554.)
v. A. beschreibt auffällige und interessante akustische und palpatorische Phä-
nomene, die, nach einer schweren Brustquetschung entstanden, auf eine Blutung
in das Mediastinum zurückführbar erscheinen. Ein 32jähriger Zugkoppler war beim
Rangieren derart verunglückt, daß ihn ein Eisenbahnwagenrad direkt in der Herz-
gegend gefaßt hatte, woselbst eine fingerdicke stählerne Uhrkette plattgedrückt
war. Vom objektiven Befund ist starke Druckempfindlichkeit des 4. Rippenknor-
pels das wichtigste; die höchst beängstigenden Allgemeinerscheinungen, Cyanose
usw. verloren sich, und kam Pat. mit dem Leben davon, war aber noch nach
Jahresfrist nicht wieder dienstfähig, wegen Hustenreiz bei Anstrengungen und
eines hosenträgerartigen Druckgefühles am linken Sternalrande. Die merkwürdigen
der Verletzung zunächst folgenden Erscheinungen waren folgende: 1) großblasiges.
feuchtes Rasseln und Knistern unter dem unteren Teile des Brustbeines, später
statt dessen Dämpfung an derselben Stelle 2) 1 Stunde nach der Verletzung eine
Veränderung des Herzstoßes. Derselbe wird auffallend stark, nicht tangential, son-
dern konzentrisch direkt von unten kommend. 3) Ein blasendes Geräusch, syn-
chron mit der Herzsystole, von wechselnder Intensität, zeitweise auf Entfernung
hörbar. Deutung: ad 1) Das sich ins Mediastinum ergießende Blut, wahrscheinlich
aus der IV. Intercostalis stammend, machte das Knistern, indem es in die Ma-
schen des Zellgewebes vordrang; später war es Anlaß der Dämpfung. ad 2) Das’
mediastinale Hämatom drängte die Herzbasis nach hinten, infolge wovon die
Herzspitze sich mehr direkt senkrecht gegen die Thoraxwand richtete. ad 3) Das
pfeifenartige Geräusch ist durch Schwingung der gleichsam eine Orgelpfeife spie-
lenden Luftröhre zu erklären. Durch das kompakte Hämatom, das die Luftröhre
in der Bifurkationsgegend deckte, wurde die Erschütterung der Herzkontraktion
weiter geleitet und die Luft in der Luftröhre in Schwingung versetzt.
In einem früheren Falle von Leptothrixphlegmone des Mediastinum mit Gas-
bildung beobachtete v. A. statt einer Dämpfung einen tympanitischen Schall auf
dem Brustbeine, verbunden mit systolischem, lautem Knistern, ein schon ander-
weitig von ihm beschriebener Befund, an den hier erinnert wird.
Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
a E E E SES
Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man
an Prof. B. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags-
handlung Breitkopf & Härtel, einsenden.
Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig, Nürnbergerstraße 36/38.
Zentralblatt
CHIRURGIE
E. vu Beroan, PK, KR
Dreiunddreißigster Jahrgang.
Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei halbjähriger
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.
Nr. 35. Sonnabend, den 1. September. 1906.
Inhalt: I. 0. Witzel, Silberkautschukseide an Stelle des Silberdrahtes zur versenkten
Naht. — II. Wederhake, Herstellung der Silberkautschukseide. (Original-Mitteilungen.)
1) Noble, Bauchwundennaht. — 2) Cooper, Fremdkörpertuberkulose des Bauchfells. —
3) Guthele, Bauchfelituberkulose. — 4) Schumm, Untersuchung des Kotes aaf Blut. —
5) McArdle, Leistenbruch. — 6) Gosset, Duodenalgeschwir nach Gastroenterostomie. —
Pleth, Darmanastomosierung. — 8) Moynihan, Darmdrainage bei akutem DarmverschluS.
— 9) Gdbell, Innerer Darmverschluß. — 10) Beach, Mastdarmkrankheiten. — 11) Randell,
Hämorrhoiden. — 12) Terrier und Dujarler, Gallenfluß bei Leberechinokokken. — 13) Va-
lonce, Gallenfluß bei Leberabszeß. — 14) Rose, Atonie des Magens bei Gallensteinen. —
15) Erdmann, 16) Carr, Cholecystektomie.
E. Haim, Über retrograde Darminkarzeration. (Original-Mitteilung.)
17) Voeckler, Bauchquetschungen. — 18) Clay, Durchbruch von Duodenalgeschwüren. —
19) Warnecke, Perforationsperitonitis. — 20) Bosse, Eitrige Peritonitis. — 21) Schöppler,
Eier von Oxyuris vermicularis im Wurmfortsatz. — 22) Moullin, 23) Henne, Appendicitis.
— U) Archibald, Subphrenischer Abszeß. — 25) Brenner, Leistenbrüche. — 26) Pringle,
Zwei Darmschlingen im Leisenbruchsack. — 27) Axhausen, Schenkelbriiche. — 28) Blech,
Hernia ischiadica. — 29) Methling, 30) Wieting, Zwerchfellbriiche. — 31) Lauensteln, Un-
gewöhnlicher Verbleib des Murphyknopfes. — 32) Ito und Asahara, Tuberkulése Darm-
strikturen. — 33) Gant, Exzision von Dick- und Mastdarm. — 34) Denks, Leberverletzungen.
A. Weischer, Entgegnung auf den Artikel des Herm Prof. E. Goldmann: »Zur offenen
Wundbehandlung von Hauttransplantationen<.
I
Silberkautschukseide an Stelle des Silberdrahtes zur
versenkten Naht. |
Von
Prof. 0. Witzel in Bonn.
Die Beschaffenheit des Fadenmaterials, welches wir für einige
Zeit oder für dauernd in die Gewebe einpflanzen, ist für die Wund-
heilung zum Schluß ausschlaggebend. Auch größte Ubung und Sorg-
falt bei Durchführung der übrigen Maßnahmen des Wundschutzes
läßt uns über den weiteren Verlauf nicht ruhig sein, wenn wir nicht
die Gewißheit haben, daß die zu äußeren und zu versenkten Nähten,
35
938 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35.
zu Unterbindungen dienenden Fäden sicher frei von Keimen sind, daß
sie nicht ihrerseits Ansiedelungsstellen für Keime werden können, die
aus dem Körper an sie herankommen. Deshalb haben wir an das
Ligaturmaterial stets die Anforderung gestellt, daß es nicht nur steril
sei, sondern lange, wenn auch nur leicht, antiseptisch wirke. Wir
unterbinden in nicht infizierten Wunden mit Seide, die wir selbst nach
Kocher herstellen, und werden, da wir ein einfaches Verfahren ge-
funden haben, nach dem jeder Chirurg selbst Seide mit Silber impräg-
nieren kann, auch Silberseide in ausgedehntem Maße verwenden.
Lang, an guten und schlechten Erfahrungen reich, ist der Weg,
der uns zum Gebrauche weichen Silberdrahtes führte als Material zur
äußeren und zur versenkten Naht. — Der zur Naht dienende
Faden muß zunächst fest und nicht imbibitionsfähig sein.
Das war der gewachste Seidenfaden der alten Chirurgen; und er war
in seiner Art gut. Er hatte zugleich den Vorzug, äußerlich glatt zu
sein. In den Rahmen des antiseptischen Verfahrens paßte der ge-
wachste Faden nicht hinein, auch wenn die Herstellung mit Karbol-
wachs geschah. Er blieb verdächtig, in seinem Innern pathogene Keime
zu beherbergen, die, später frei werdend, sekundäre Störungen veran-
lassen konnten. Sicherer erschien in letzterer Hinsicht der Silkworm-
faden; absolut sicher ist der Metalldraht. Vielfach von anderen Chi-
rurgen, auch vor Einführung des Lister’schen Verfahrens gepriesen,
von Meistern der chirurgischen Plastik, einem Sims, einem Tripier
zu äußeren Nähten empfohlen, wurde der Silberdraht von Schede
zuerst zweckbewußt zu versenkten Bauchnähten mit einer meisterhaften
Technik verwandt. — Unsere Bestrebungen, der Entstehung der Bauch-
brüche durch eine Naht der Bauchdecken mit sicher wirkendem Fascien-
schluß vorzubeugen, die Öffnungen bei Bruchoperationen mit einem
mechanisch und antiseptisch verläßlichen Material zu schließen, haben
bei uns zur sehr vielseitigen Verwendung des Silberdrahtes geführt.
— Allerdings lernten wir dabei mit immer weniger versenktem Draht,
z. B. beim Schluß der Bruchpforten, auskommen. Von der in der
Wunde ausgeführten netzartigen Durchflechtung, wie ich sie zuerst
empfahl — man hat immer wieder irrtümlich angenommen, daß ich
ein fertiges Silberdrahtnetz versenke —, kam es allmählich bei dem
Schluß der Bruchpforten zu einer fortlaufenden Naht mit seitlich
auslaufenden Fühlern, die aus der fortlaufenden Naht heraus schlingen-
artig in die Nachbarschaft geführt werden. — Bei der Bauchnaht ge-
brauchen wir nur wenige unterbrochene Nähte, deren zusammengedrehte
Enden sorgfältig in den Wundspalt gebogen und hier noch durch eine
fortlaufende, die äußere Fascie nach Lembert einkrempende Seiden-
naht niedergehalten wurden. — So haben wir, die Technik immer
mehr vervollkommnend, tausend und abertausend Silbernähte versenkt
und, den Zweck der Verhütung von Narbenbrüchen immer erreichend,
in kaum einem halben Dutzend Fällen es nötig gehabt, einen lästig
werdenden Draht mit örtlicher Betäubung herauszunehmen. Wie viel
Bauchbrüche würden wir sonst erlebt haben ?!
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 939
Trotzdem sind wir uns durchaus bewußt geblieben, daß eine, wenn
auch noch so umsichtige Versenkung eines starren Materials in die
Weichteile des Körpers nicht die letzte Erfüllung unserer Wünsche
sein konnte. — Schon früher haben wir versucht, einen antiseptisch
wirkenden, nicht imbibitionsfähigen, dabei festen und nicht resorbier-
baren Faden als Ersatz des Silberdrahtes herzustellen durch Silber-
Paraffinimprägnierung. Die Versuche führten zu keinem befriedigen-
den Ergebnis. — Der Sorgfalt und dem technischen Geschick meines
Assistenten Dr. Wederhake ist die Lösung des Problems gelungen.
Die von uns stets festgehaltenen grundsätzlichen Forderungen erfüllend,
hat er uns den Silberkautschukseidenfaden als Ersatz für den Silber-
draht für die versenkten Nähte hergestellt.
I.
Herstellung der Silberkautschukseide,
Von
Dr. Wederhake,
Assistent an der chirurgischen Abteilung des Friedrich-Wilhelm-Hospitals zu Bonn.
1) Die zu präparierende Seide wird auf dicke Kocher’sche Drains
oder besser auf Glasplatten aufgewickelt, dann in Ather und weiter
in Alkohol absolutus je 12 Stunden entfettet.
2) Sie wird in 10%ige Wasserstoffsuperoxydlésung iiber-
tragen, in welcher sie 20 Minuten verbleibt.
3) Von hier aus gelangt sie in eine Silbersalzlösung, die man
folgendermaßen herstellt: Zu 30 ccm einer 1%igen wäßrigen Lösung von
Argent. nitric. tropft man so lange offizinelle Kalilauge, bis der ent-
stehende schwarzbraune Niederschlag durch einen weiteren Tropfen
Kalilauge nicht mehr verstärkt wird. Im ganzen sind etwa 10 Tropfen
Kalilauge erforderlich. Zu dieser schwarzbraunen Flüssigkeit setzt
man Tropfen für Tropfen unter ständigem Umschütteln so lange Salmiak-
geist, bis der durch die Kalilauge hervorgerufene Niederschlag voll-
ständig aufgelöst und die Flüssigkeit wasserklar und durchsichtig ge-
worden ist. — In der Silberlösung bleibt die Seide etwa eine
Stunde. — Nach dieser Zeit ist die Imprägnierung mit reinem, mole-
kulärem Silber beendigt, so daß die Seide eine tiefschwarze Färbung
angenommen hat und einen deutlichen Silberspiegel aufweist. Man
überzeugt sich, daß die Silberimprägnierung möglichst gleichmäßig
stattgefunden hat, besonders noch dadurch, daß man Querschnitte von
der Seide anfertigt, die ebenfalls schwarz sein müssen und keine
weißen Fleckchen mehr aufweisen dürfen.
4) Jetzt trocknet man die so gewonnene Silberseide im Trocken-
schrank bei etwa 100° und bringt sie nach dem Trocknen
5) in reines Chloroform auf 2 Stunden.
397
940 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35.
6) Nach dieser Zeit kommt die Seide in eine Chloroformkaut-
schuklösung (8 g schwarzen Kautschuks! werden in 50 ccm Chloro-
form gelöst) und bleibt hier 12 Stunden. Dann wird die Seide kurz
in Chloroform abgespült, getrocknet, in 1%/.ige Sublimat-
lösung gebracht und in demselben 10 Minuten gekocht und
aufbewahrt.
Jetzt ist das Nahtmaterial gebrauchsfertig. Dieselbe Methode
ist auch für Zwirn, Hanf usw. brauchbar. .
Die einfache Silberseide wird in folgender Weise hergestellt:
Man bringt die Seide in eine 10%ige Wasserstoffsuperoxydlösung auf 1 Stunde
und überträgt sie dann in ihren schwächeren Nummern 1 Stunde, in ihren stär-
keren Nummern 2 Stunden in die angegebene Silberlösung. Nach der Impräg-
nierung mit Silber wird die Seide in 1%/, Sublimat 10 Minuten gekocht und auf-
bewahrt.
Welche Vorteile hat nun die Silberkautschukseide?
1) Sie ist schon durch die Herstellungsmethode selbst steril und
antiseptisch geworden, wie ich durch bakteriologische Untersuchun-
gen, die an anderer Stelle mitgeteilt werden sollen, nachweisen konnte.
— Sie kann, wenn nötig, vor jedem Gebrauche durch Kochen in
1°/„igem Sublimat nachsterilisiert werden.
2) Sie ist nicht mit wäßrigen Flüssigkeiten imbibierbar,
wäre demnach auch nicht infizierbar, selbst wenn sie in ihrem Innern
ein Antiseptikum enthielte. Diese Eigenschaft sichert also eine Steri-
lität des Fadens auch dann, wenn derselbe versenkt wird, und zufällig
Keime in die Nähe geraten sollten.
3) Die Festigkeit des Nahtmaterials wird durch die Impräg-
nierung mit Silber und Kautschuk nicht nur nicht beeinträchtigt, sondern
sie nimmt noch um ein Drittel zu, wie meine Belastungsversuche
dargetan haben.
4) Die Herstellungsweise ist einfach und billig. Jeder Arzt
kann sich seine Silberkautschukseide selbst bereiten.
Wir haben also in der Kautschuksilberseide ein Nahtmaterial,
welches für versenkte Nähte die guten Eigenschaften des Silberdrahtes
mit denjenigen der Seide vereinigt und dessen exakte Herstellung nach
der gegebenen Vorschrift sich lohnt. Für die äuBere Naht bleibt der
Silberdraht weiter in Gebrauch. —
Eine ausführliche Darstellung soll einer weiteren Arbeit vorbe-
halten bleiben.
1 Zu beziehen: Ash & S., zahnärztl. Depot, Berlin.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 941
1) Noble. Overlapping the aponeurosis in the closure of
wounds of the abdominal wall.
(Annals of surgery 1906. Nr. 3.)
Da es zur Vermeidung von Bauchbriichen bei Laparotomien be-
sonders auf eine gute Fasciennaht ankommt, vernäht N. diese letztere
so, daß ein Blatt der Fascie über dem anderen liegt. Nachem er
z. B. die Bauchfellwunde durch Oatgut geschlossen hat, schneidet er
das Fett von der Oberfläche der über dem Rectus liegenden Fascie
1!/, Zoll weit nach der Seite zu fort; in gleicher Ausdehnung wird
dann die Aponeurose auf der rechten Seite vom Rectus abpräpariert,
nun auf die fettfrei gemachte Oberfläche der linken Seite herüber-
gezogen und in dieser die linke Seite überdachenden Lage durch ein-
fache oder Matratzennähte vernäht. Herhold (Altona).
2) Cooper. Foreign-body pseudo-tuberculosis of the peri-
toneum.
(Annals of surgery 1906. Hft. 3.)
Bei der Pseudotuberkulose des Bauchfells sieht man auf dem-
selben kleine Knötchen, welche an Größe und Aussehen kaum von
Miliartuberkeln zu unterscheiden sind; sie sind von peritonealem
Endothel bedeckt und haben auch mikroskopisch Ahnlichkeit mit
Miliartuberkeln, in welchen sich Riesenzellen befinden. Daß sie nicht
tuberkulöser Natur sind geht daraus hervor, daß sie niemals Tuberkel-
bazillen enthalten, und daß sich solche auch nicht durch Kulturen oder
Tierversuche nachweisen lassen. Charakteristisch ist ferner, daß mei-
stens in ihrer Mitte ein kleiner Fremdkörper gefunden wird (Cholestea-
rinkristalle, Echinokokkenhäkchen, Schwammteilchen usw... Diese
Fremdkörper haben dann die Pseudotuberkulose hervorgerufen. Nach
anderen Autoren können aber auch andere Mikroben, wie z. B. Diph-
theriebazillen, Gartenerdebazillen, Blastomyceten usw. die Ursache
für die Pseudotuberkulose abgeben. Verf. warnt daher, bei Laparo-
tomien nicht zu eilig die Diagnose auf Tuberkulose zu stellen und
genau nach der Ursache der Knötchen zu forschen. Ein Fall von
Pseudotuberkulose, den er selbst beobachtete, wird beschrieben.
| Herhold (Altona).
3) T. Guthrie. The treatment of tuberculous peritonitis.
(Practitioner 1906. Mai.)
Nach genauer Schilderung der früheren Behandlungsmethoden
und ihrer Erfolge wird die moderne Therapie besprochen, wobei Verf.
drei verschiedene Arten der tuberkulösen Peritonitis unterscheidet:
1) die mit Ascites einhergehende, 2) die fibröse, 3) die käsig ulzerative
Form. Auf Grund der neuerdings aufgestellten Statistiken in England
über die Resultate nach chirurgischem Eingriff (Laparotomie) kommt
942 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35.
Verf. zu der Ansicht, daß ein jeder Fall von Peritonitis tuberculosa
zuerst einer diätetisch-hygienischen Behandlungsmethode unterworfen
werden soll und, falls keine Besserung eintritt, die mehr akuten Fälle
nach einer Zeit von 3—4 Wochen interner Behandlung, die mehr
chronischen nach 6—7 Wochen erst dem Chirurgen zu überlassen
wären. Doch soll man sich hierbei stets nach dem Allgemeinzustande
der Pat. richten und dieselben nicht zu sehr herunterkommen lassen,
ehe zur Operation geschritten wird. Letztere besteht in einer 2 bis
3 Zoll langen Inzision in der Medianlinie. Vor einem Eingehen in
die Bauchhöhle mit der Hand, vor Entfernung des Ascites durch tief
in den Douglas eingeführte sterile Bauchtücher — wie solches in der
Göttinger Klinik regelmäßig ausgeführt wird — warnt Verf., da ein
derartiger Eingriff wegen des Choks oder der Sepsis gefährlich sei.
Doch könne man einzelne Verwachsungen, die vom Bauchschnitt aus
leicht zu erreichen seien, unterbinden und durchtrennen, auch bei
frühen Stadien der Erkrankung affızierte Lymphdriisen oder die er-
krankten Tuben entfernen. Tuberkulöse Lungenerkrankung bildet keine
Kontraindikation gegen die Operation, da man vielfach von letzterer
eine günstige Einwirkung auf erstere beobachtet hat. Bei akuten,
unter den Erscheinungen des Strangulationsileus oder der septischen
Peritonitis einhergehenden Fällen, wo sich ein blutiges oder eitriges
Exsudat findet, soll sofort die Laparotomie ausgeführt werden. Bei
der fibrösen Form ist eine Operation nicht angebracht, da derartige
Fälle spontan auszuheilen pflegen. Jenckel (Göttingen).
4) O. Schumm. Die Untersuchung der Faces auf Blut.
Jena, Gustav Fischer, 1906.
S. betont die diagnostische Wichtigkeit des Nachweises kleiner,
verborgener Blutungen im Verdauungskanal. Als Chemiker am Eppen-
dorfer Krankenhaus hat er in jahrelanger Tätigkeit Gelegenheit zu
zahlreichen Blutuntersuchungen im Stuhl gehabt und die verschiedensten
Methoden versucht. Die makro- und mikroskopischen Untersuchungen
des Kotes sind bei kleinen Blutungen durchaus unzulänglich, desgleichen
die Teichmann’sche Hämin-, die Nencki-Kobert’sche Aceton-
und die Adler’sche Benzidinprobe. Als zuverlässig hat sich dem
Verf. die von ihm modifizierte Weber’sche Probe erwiesen, deren
Ausführung er für die verschiedenen Formen der Stühle genau be-
schreibt. Hierbei weist er auf die event. vorkommenden Fehlerquellen
infolge nicht tadelloser Reagentien, infolge des Genusses rohen und
gekochten Fleisches und chlorophyllreicher Vegetabilien, und infolge
von Hyperazidität des Magens hin. Bei entsprechender Diät und An-
wendung einwandsfreier Reagentien hält S. die modifizierte Weber ’sche
Guajakprobe für die sicherste zur Bestimmung kleiner Mengen von
Blut im Stuhlgang. Die Prinzipien dieser Methode sind Entwässerung,
teilweise Entfettung und Entfärbung der zu untersuchenden Stuhl-
menge, Extraktion, Reinigung des Extrakts und Ausführen der Ter-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 943
pentin-Guajakprobe. Gewöhnlich läßt S. dieser Probe noch die
spektroskopische auf Hämochromogen folgen, die aber, wie er besonders
hervorhebt, an Feinheit der von ihm abgeänderten Weber’schen
nachsteht. Müller (Dresden).
5) McArdle. The radical cure of inguinal hernia.
(Edinb. med. journ. 1906. Mai.)
An der Hand von vier Skizzen setzt Verf. sein über 20 Jahre
mit bestem Erfolg angewandtes Verfahren auseinander. Nach Spal-
tung des Leistenkanales wird der Samenstrang freigelegt, die Kremaster-
muskulatur getrennt, der Bruchsack isoliert, nach Reposition des In-
haltes abgetragen, die Kremastermuskulatur durch fortlaufende Cat-
gutnaht wieder vereinigt und darüber das Poupart’sche Band mit
Transversus und Obliquus internus verniht. Der Hauptunterschied
gegenüber den sonstigen Methoden besteht in der Wiedervereinigung
der durchtrennten Aponeurose des Obliquus externus. Nach breiter
Isolierung von der Umgebung werden die beiden Blätter möglichst
weit übereinander hinweg gezogen und in dieser Stellung durch Seiden-
nähte befestigt. Von der Verlagerung des Samenstranges nach Bas-
sini hält Verf. nichts, da hierdurch Verhältnisse geschaffen würden,
die den natürlichen widersprechen; auch Kocher’s Radikaloperation
wird verworfen. Jenckel (Göttingen).
6) A. Gosset. Lulcere peptique du jejunum apres gastro-
enterostomie.
(Revue de chir. XXVI. ann. Nr. 1 u. 2.)
Es ist wohl eines der ernstesten Kapitel unserer modernen
Chirurgie, das G. hier bespricht. Mußten schon die vereinzelt mit-
geteilten Fälle von Ulcus pepticum jejuni verstimmen, und die anfäng-
lch besonders für die Therapie des Magengeschwüres enthusiastisch
aufgenommene, auf dem internationalen Kongreß in Brüssel geradezu
rückhaltlos von mehreren Seiten empfohlene Gastroenterostomie in
ihrer zuweit gesteckten Indikationsstellung beschränken, so müßten
die von G. gesammelten 31 Fälle von Ulcus pepticum mit 10mal téd-
lichem Ausgange doch zu ernsteren Erwägungen veranlassen; handelt
sichs doch in der Mehrzahl um Fälle, die auch klinischer Behand-
lung zugänglich sind; denn die Kasuistik betrifft nur Gastroentero-
stomien nach Geschwür, nicht nach Karzinom. Mehrfach allerdings
scheint die Ursache zur Geschwürsbildung große Enge des Pylorus,
starke Erweiterung des Magens und starke Azidität gewesen zu sein.
Auch die Art der Anheftung scheint insofern nicht ohne Bedeutung
zu sein, als 15mal die Gastroenterostomia antecol. anter. von Ulcus
pepticum gefolgt war. Nichtsdestoweniger bietet bisher keine aller
bisherigen Modifikationen — abgesehen von der Gastroenterostomia
antecol. duodenalis, nach der bislang noch kein Geschwür beobachtet
wurde —, die Gewähr, daß sich in dem abführenden Dünndarmabschnitt
944 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35.
dicht unterhalb der Fistel ein Geschwür entwickelt, und es muß die
Aufgabe der Zukunft bleiben, die Ursachen auch dieses Ereignisses nach
Gastroenterostomie genauer zu studieren und ausschließen zu lernen.
G. beschränkt sich im wesentlichen darauf, drei klinische Gruppen
der Entwicklung des peptischen Geschwürs aufzustellen: 1) schleichende
Bildung mit plétzlichem Durchbruch in die Bauchhöhle; 2) Ver-
wachsung mit der vorderen Bauchwand unter plastisch peritonitischen
Vorgängen; 3) Durchbruch in ein Nachbarorgan (Kolon). Für diese
letzte Form liefert G. selbst einen lehrreichen Beitrag, wo er die
Fisteln schloß, und weil dies beim Colon transv. zu Stenose zu führen
schien, die Dleokolostomie daranfügte.e Aus der bisherigen Kasuistik
glaubt er noch keine bindenden Schlüsse für die Prophylaxe ziehen
zu können; doch empfiehlt er, die Anastomose möglichst fern vom
Pylorus und — wo dies möglich sei — als Gastroduodenostomie an-
zulegen. Jedenfalls bedarf die Frage weiterer eingehender Prüfung,
auch experimenteller Natur. Ist doch auch beim Hunde das Vor-
kommen des peptischen Jejunalgeschwiirs nach Gastroenterostomie
bereits beschrieben. Christel (Metz).
7) V. Pleth. A simple and practical method of performing
anastomosis by means of the two knitting needles.
(Amer. journ. of surg. 1906. Juni.)
Das »Stricknadelverfahren« des Verf. ähnelt in etwas dem Were-
lius’schen (Ref. in diesem Zentralblatt 1906 Nr. 27) und soll die
Infektion des Bauchraumes durch austretenden Inhalt des Darmes
vermeiden. Nach hinterer Serosanaht werden zwei gerade Stricknadeln
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durch beide aneinandergelegte Därme so gestochen, daß sie durch die
Lichtung hindurchgeben, und nun wird, indem beide Nadeln aneinander
gelegt werden, hinter ihnen eine fortlaufende starke Seidennaht durch-
gelegt (siehe Abbildung). Das Messer oder der Paquelin durchtrennt
auf den Nadeln die Darmwände, so daß die befreiten Nadeln heraus-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 945
fallen. Festes Anziehen des fortlaufenden Seidenfadens an beiden
Enden verschließt sofort die Darmlichtungen, so daß eine vordere
Sero-Serosanaht gelegt werden kann. Diese wird zu beiden Seiten
mit den lang gelassenen Fäden der zu allererst gelegten, hinteren
Serosanaht verbunden, indem zugleich der fortlaufende, die Lichtungen
provisorisch schließende Faden aus der Seite herausgezogen wird.
Eventuell nochmalige Übernähung. Der einzig zu fürchtende Übel-
stand, eine Blutung, ist nach Verf. niemals eingetreten, trotz zahl-
reicher Anwendung dieser »Knitting-needles-Methode« beim Menschen
und vielen Tierexperimenten. Goebel (Breslau).
8) G. B. A. Moynihan. Drainage of the intestine in acute
obstruction.
(Arch. internat. de chirurgie 1906. Vol. III. Fasc. 1.)
Zwecks Entleerung des Inhaltes geblähter Darmschlingen bei aku-
tem Darmverschluß wendet M. an Stelle der einfachen, aber manch-
mal unzureichenden Punktion folgendes Verfahren an: Unter sorgfäl-
tiger Beachtung der Asepsis wird durch einen kleinen Einschnitt in
eine vorgelagerte Darmschlinge, die durch Zurückstreichen ihres In-
haltes und Anlegen von Darmklemmen künstlich von Kot- und Gas-
ansammlung befreit wurde, ein 8—9 Zoll langes Glasrohr eingeführt.
Eine umgelegte Gummischlinge verhindert die Verschiebung des Darmes
auf dem Glasrohr. Die herausfließenden Kotmassen werden durch
einen angefügten Schlauch abgeleitet. Ist der nächstgelegene Darm-
teil entleert, so werden die kollabierten Darmschlingen auf dem Glas-
rohr zusammengeschoben und neue Schlingen herangeholt, bis 6 bis
7 Fuß Darm auf das Glasrohr gestülpt sind. Die Entleerung des zu-
führenden wie wegleitenden Darmteiles ist eine rasche und sehr gründ-
liche. In einem Falle von Ileus benutzte M. nach Beendigung der
Darmentleerung die Inzisionswunde des Colon asc. gleichzeitig zur
Ausführung der Enteroanastomose mit der Flexura sigmoidea.
Revenstorf (Hamburg).
35**
946 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35.
9) R. Göbell. Ein Beitrag zur Pathologie und Therapie
des inneren Darmverschlusses.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXII. p. 416.)
Die 102 Seiten starke Arbeit berichtet über das Ileusmaterial
der Helferich’schen Klinik in Kiel aus den Jahren 1899—1906, im
ganzen 58 Fälle betreffend. Die Beobachtungen werden in die ver-
schiedenen ätiologisch-klinisch zusammengehörigen Gruppen eingeteilt,
Symptomatik, Prognose, Therapie bei jeder Gruppe einheitlich genau
durchgesprochen, die ÖOperationsresultate statistisch gewürdigt und
schließlich die sorgfältig geführten Krankengeschichten mitgeteilt.
Das gebotene interessiert in hohem Grade, und ist gründliches Stu-
dium desselben, insbesondere auch der Krankengeschichten, jedem
Praktiker aufs angelegentlichste zu empfehlen.
Für uns muß die Anführung des folgenden genügen. 54 Pat.
wurden des Darmverschlusses wegen aufgenommen, bei 4 war er die
unmittelbare Folge von in der Klinik vorgenommenen Operationen.
Von den 54 wurden 26 (48,1%), von den 58 wurden 29 (50%) geheilt.
Um akuten Darmverschluß handelte es sich bei 47 (44,6% Heilung),
um chronischen Ileus bei 11 Pat. (90,9% Heilung). Nach Art des
Verschlusses ergeben sich als Einzelzahlen: 1) Achsendrehung und
Verknotung 14 Fälle, 2 geheilt, 12 +. 2) Innere Einklemmung 7 Fälle,
3 geheilt, 4 +}. 3) Invaginationen, 6 Fille, 2 geheilt, 4+. 4) Torsion
und Knickung 13 Fälle, 9 geheilt, 4+. 5) Umschniirung des Darmes,
äußere und innere narbige Stenose. 6) Darmverschluß durch karzi-
nomatöse Striktur. 4 Fälle, sämtlich geheilt. 7) Fremdkörperileus
3 Fälle, sämtlich geheilt. (Es handelte sich je 1mal um einen Murphy-
knopf, einen Gallenstein und einen Spulwurm). 8) Unaufgeklärt
1 Fall, geheilt. 9) Postoperativer Darmverschluß 4 Fälle, 3 geheilt, 1 +.
In klinisch-diagnostischer Hinsicht wird auf den Unterschied
zwischen Strangulations- und Obturationsileus hingewiesen. Der
erstere ist im Berichtsmaterial durch 12 Fälle von Volvulus, durch
7 solche von bruchähnlicher innerer Einklemmung und 2 Fälle von
bruchähnlicher innerer Einklemmung kombiniert mit Volvulus vertreten.
Er hat ein fast typisches Krankheitsbild, dessen Zeichen folgende
sind: Beginn mit heftigen Leibschmerzen, initiales Erbrechen, Chok,
Stuhl- und Windverhaltung, sekundäres Erbrechen, das v. Wahl’sche
Zeichen und freier Erguß. Ob auch vermehrte Peristaltik beobachtbar
wird, hängt wesentlich vom Grade der Strangulation und von der
Größe der strangulierten Darmpartie ab. Die Erscheinungen beim
Obturationsileus sind viel weniger typisch. Initiales Erbrechen ist
selten, vermehrte Peristaltik aber stets nachweisbar. Dabei ist wichtig,
daß mit der Peristaltik fast immer ein kolikartiger, tourenweise auf-
tretender Schmerz verbunden ist.
In operativ-technischer Beziehung ist folgendes erwähnenswert.
Jeder Operation wird eine gründliche Magenausspülung vorausgeschickt,
stets wurde narkotisiert, auch im Chok. Bei der Operation ist Ab-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 947
kühlung tunlichst zu vermeiden und deshalb auch auf schnelle Aus-
führung des Eingriffes Wert zu legen. Bei Dünndarmverschlüssen
ist in der Regel der lange mediane Bauchschnitt, wenn die Einklem-
mung am unteren Ileum zu vermuten, ein rechtsseitiger Schrägschnitt
zu wählen. Kann man nicht darauf rechnen, die Einklemmung, In-
vagination usw. rasch zu beseitigen, so ist der zuführende, überfüllte
Darm nach Einnähung eines Drains unter vorsichtigem Bestreichen
gut zu entleeren, wonach sich die ganze Lage besser übersehen läßt.
(In den Kieler Fällen wurde der Darm entleert 3lmal — 48,3%
Heilung —, nicht entleert 21mal — 47,2% Heilung. Den Darm
fixierende, torquierende, knickende Verklebungen sind zu lösen, im
Anschluß hieran aber einfache Darmausschaltungen oft sehr ratsam.
(Im Kieler Material 5mal vorgenommen, mit 3 Heilungen). Die
Lichtung der ausgeschalteten Darmbezirke kann durch zusammen-
raffende Nähte verengert werden. Daß häufig Darmresektionen er-
forderlich werden, ersieht man aus der hohen Zahl von 25 derartigen
im Berichtsmaterial erforderlich gewordenen Operationen, von denen
15 geheilt sind. Am überdehnten zuführenden Darmende darf dabei
nicht zu sehr gespart werden. Wenn tunlich, soll immer gleich die
Darmpassage nach unten wieder hergestellt werden, wobei, wenn die
untersten Dünndarmteile ausfallen mußten, der Vereinigung End-zu-
End diejenige Seite zu Seite vorzuziehen ist. Der Darmknopf ist
wegen schlechter Erfahrungen mit ihm ganz außer Gebrauch gesetzt.
Kunstafteranlage am Dünndarm ist kontraindiziert; am Blinddarm
empfiehlt G. zur Fistelbildung die im Berichtsmaterial allerdings nur
einmal verwendete Appendikostomie. Der Fortsatz wird auf 2 bis
3 cm Länge gestutzt und in den Blinddarm eingeführt, durch seine
Lichtung ein Drain eingelegt. Außer zur Kotentleerung kann die
Fistel auch zu Darmspülungen sowie zur Injektion von Nährklysmen
benutzt werden. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
10) W. Beach. Office treatment of rectal diseases.
(Amer. journ. of surgery 1906. Juni.)
Allgemeine Regeln zur ambulanten Behandlung von Mastdarm-
kranken, Empfehlung der lokalen Anästhesie, da dieselbe den Pat.
nicht so furchtbar erscheint, als Allgemeinnarkose, etwas summarische
Aufzählung der Technik usw. Verf. macht die Lokalanästhesie der
Schleimhaut mit sterilem Wasser event. mit Adrenalin; ist die Haut
auch zu anästhesieren, so bevorzugt er Eukain (1%). Um den Ein-
stich unempfindlich zu machen, tuschiert er mit Karbolsäure. Er
betont, daß die Afternerven nur an den hinteren, seitlichen Quadranten
eintreten, also hier leicht anästhesiert werden können. Schleimhaut-
wunden näht er nicht, da diese besser durch Granulation heilen sollen.
Nach Hämorrhoidal-, Fissur- usw. Operationen soll den zweiten Tag
für Stuhlgang gesorgt werden. Goebel (Breslau.
948 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35.
11) Randell. A simple operation for piles.
(Practitioner 1906. Juli.)
Zur Beseitigung der Hämorrhoiden läßt Verf. die betreffenden
Pat. vorher gut abführen, sowie am Tage der Operation ein heißes
Sitzbad nehmen, um die Knoten zum Vorschein zu bringen. Unter
Anästhesie werden letztere mit der Zange gefalit, gut herabgezogen,
an der Basis mit Catgut unterbunden und oberhalb davon abgetragen,
darauf ein Morphiumsuppositorium in den After geschoben und Pat.
zu Bett gebracht. Am nächsten Morgen erhält Pat. ein Abführmittel
(weiße Mixtur), das nochmals gereicht wird, bis leichter weicher Stuhl
erfolgt. Auch am zweiten Morgen läßt Verf. dieses Abführmittel
geben und gestattet den Pat. zur Stuhlentleerung aufzustehen und
zum Abort zu gehen. In weniger als einer Woche können sie ent-
lassen werden und wieder ihrer Beschäftigung nachgehen. Nur in
einem Falle trat Nachblutung ein, die auf Tamponade stand. Über
Mißerfolge (Lungenembolie) wird nichts berichtet
Jenckel (Göttingen).
12) F. Terrier et C. Dujarier. De la cholérragie dans les
kystes hydatiques du foie.
(Revue de chir. XXVI. ann. Nr. 1.)
Nach Entleerung von Echinokokkusblasen der Leber ist eine
relativ häufige Komplikation der Gallenfluß, der in verschiedenem
Grade, von der einfach galligen Färbung des Sekretes bis zur völligen
Entfärbung der Stühle, d.h. dem Austritt sämtlicher Galle durch die
Wunde, sich entwickeln kann. Mit dieser letzten, schweren Form,
die selbst zum tödlichen Ausgang führen kann, beschäftigen sich
Verff., indem sie zuerst die bisher publizierten Fälle, deren Heilung
auf operativem Wege versucht wurde, dann einen noch nicht veröffent-
lichten Fall von Quenu mitteilen, um hierauf besonders die Atio-
logie des Gallenflusses eingehender zu besprechen.
Bezüglich seines Auftretens ist zu bemerken, daß bereits im un-
mittelbaren Anschluß an die Entfernung des Sackes das Abfließen
der Galle bemerkt wurde von Delbet, der die Öffnung sofort zu
schließen vermochte; daß in den meisten Fällen erst nach Verlauf
von Stunden das Absickern beginnt, daß endlich erst mehrere Monate
nach der Operation bei noch bestehender Fistel das mißliche Ereignis
eintreten kann.
Mitbestimmend für das Zustandekommen des Gallenflusses scheinen
Vereiterung der Uyste und Ikterus — also mechanisches Hindernis
des natürlichen Abflusses — zu sein, was vor allem für Prognose und
Therapie von Wichtigkeit ist. Wo jedoch diese Vorbedingung — Ver-
schluß des Oholedochus durch entzündliche Schwellung, Gerinnsel
(welcher Art?), Echinokokkusblasen, Steine — nicht erfüllt sind, ist
die Erklärung nicht leicht. Genzmer glaubte die Entwicklung‘der
Parasiten im Innern von Gallengängen anschuldigen zu sollen, was
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 949
Verff. nicht recht gelten lassen wollen. Wahrscheinlicher scheinen
die Theorien von Landau und Israel fiir die vereiterten Blasen,
daß durch Abstoßung von Membranfetzen und inkrustierten Stellen
Gallengänge geöffnet würden, und die von Wechselmann fiir nicht
vereiterte Geschwülste, wo die in der Adventitia zahlreich verlaufenden
oft vereiterten Gänge gleichsam ex vacuo durchlässig würden.
Die Behandlung muß prophylaktisch und aktiv sein. Dies führte
Verff. zur Frage, ob man durch Nahtverschluß der Tasche nach
Bond (Billroth, Delbet-Capitonnage) dem GallenfluB vorbeugen
könne — was sie verneinen; die übrigen gegen die Methode erhobenen
Einwände sind bekannt. Prophylaktisch vermeide man zu radikales
Ablösen der Membranen, besonders bei Eiterung, Spülung mit
Causticis, welche die Gallengangwände anätzen könnten. Hat sich
die ernste Komplikation des Gallenflusses eingestellt, ist der Stöpsel-
versuch geraten; er kann zum Ziele führen (Quenu, Israel, Korach).
Andernfalls suche man nach einem Hindernis oder versuche, den
Abfluß durch Herstellung einer Kommunikation mit der Gallenblase
(Körte) oder dem Hepaticus (Kehr) in den Darm zu erzielen.
Christel (Metz).
13) A. Valence. Abces du foie et cholérragie précoce.
(Revue de chir. XXVI. ann. Nr. 1.)
Die Arbeit steht in einem gewissen Gegensatz zur fast das gleiche
Thema behandelnden von Terrier und Dujarier, gleichzeitig bietet
sie eine willkommene Ergiinzung durch Beriicksichtigung der ana-
tomischen Unterlagen.
Verf. scheint wenig Wert zu legen auf schon bestehenden Ikterus,
den er kaum erwähnt; gleichzeitigen Choledochusverschluß hat er
unter allen ihm zugänglichen Fällen frühzeitigen — in oder gleich
nach den ersten 24 Stunden nach der Operation auftretenden —
Gallenflusses nur lmal verzeichnet gefunden. Auch glaubt er nicht,
daß die Ausschälung und Ausspülung der Abszeßhöhle Ursache des
Gallenflusses sei — eher ein zu langes Drain. Vielmehr nimmt er
an, daß das kubische Epithel der Gallengänge ungeeignet sei, durch
AbstoBung der Abszeßmembran freigelegte Astchen schnell zu ver-
schließen, daß die mitunter erweiterten, gedehnten Kanälchen keinem
Innendrucke stand hielten und leicht nachgäben. Erst wenn die all-
gemeine Granulation die kleinen Fisteln überdeckte, käme ihre Heilung
und Schließung zustande. Der Gallenfluß ist meist vorübergehend
und von mäßiger Dauer, die Prognose günstig. Es komme viel darauf
an, die Kranken bei Kräften zu erhalten und die Infektion zu ver-
meiden. Die Drains sollen nicht bis auf den Boden des Abszesses
reichen und bald gekürzt, die Abszeßränder in die Wunde genäht
werden, um die Rippenfragmente vor Nekrose zu schützen.
Christel (Metz).
950 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35.
14) Rose. Atonia gastrica in relation to cholelithiasis.
(Post-graduate 1906. Juni.)
Atonie des Magens ist häufig kombiniert mit bzw. abhängig von
einer Erschlaffung der Bauchmuskulatur; zugleich haben solche Pat.
oft Gallensteinbeschwerden, die nach des Verf.s Ansicht insofern von
mechanischen Ursachen abzuleiten sind, als durch die Schlaffheit des
Jieibes die Steine leicht in ihrer Lage verschoben werden können und
dadurch Koliken auslösen.
Verf. hat in solchen Fällen oft gute Erfolge gesehen von Stützung
der unteren Leibeshälfte durch eine selbstkonstruierte Heftpflaster-
bandage. Abbildungen. W. v. Brunn (Rostock).
15) J. F. Erdmann. Cholecystectomy.
(New York and Philadelphia med. journ. 1906. Februar 24.)
16) W. P. Carr. Some dificulties of diagnosis and operation
in diseases of the biliary tract.
(Ibid.)
E. empfiehlt, ausgedehnteren Gebrauch zu machen von der Exstir-
pation der Gallenblase als eines überflüssigen Organes, das, einmal
infiziert, eine Gefahr für seinen Träger bildet. C. warnt vor der
Exstirpation, wenn sie nicht durch eine bösartige Geschwulst oder
Verdacht darauf streng indiziert ist. Er berichtet über mehrere Fälle,
in denen er später wegen Undurchgingigkeit des Choledochus die
Gallenblase zur Cholecystenteroanastomose gebraucht hat. Man kann
oft genug nicht sicher die Durchgängigkeit des Choledochus feststellen
und erst recht nicht garantieren, daß er auch später durchgängig
bleibt. E. dagegen macht die Exstirpation, wenn nicht die stein-
haltige Blase sonst ganz gesund ist, oder aber Perforationen in den
Darm bzw. starke Verwachsungen die Operation zu einer unnötig
schwierigen oder gefährlichen machen, oder eine Indikation zu rascher
Beendigung der Operation vorliegt. Gründe: raschere Rekonvaleszenz,
Vermeiden einer zweiten Operation; Entfernung eines Organes, das,
einmal infiziert, nicht ungefährlich ist. Lengemann (Bremen).
Kleinere Mitteilungen.
(Aus dem allgemeinen Krankenhause in Budweis. Vorstand: Primarius
Dr. Mautner.)
Uber retrograde Darminkarzeration.
Von
Dr. Emil Haim,
Chirurg und Frauenarzt in Budweis.
Unter dem Titel »>Zwei Diinndarmschlingen im eingeklemmten Bruche< haben
Lauenstein! und Klauber? zwei kurze Mitteilungen erscheinen lassen, in
1 Lauenst ein, Deutsche Zeitschrift fir Chirurgie Bd. LXX VIL Hft. 4—6.
2 Klauber, Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 4.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 951
welchen sie zusammen über fünf Fälle berichten, wo bei eingeklemmtem Leisten-
bruche sich im Bruchsacke zwei Dünndarmschlingen befanden, während die Ver-
bindungsschlinge derselben, welche in der Bauchhöhle lag, an der Inkarzeration
teilnahm. Die Pathogenese dieses ebenso seltenen als überaus wichtigen Krank-
heitsbildes ist noch gar nicht klargestellt, so daß es wünschenswert erscheint, jede
neue Beobachtung zu veröffentlichen.
Frau K. F., 74 Jahre alt, aufgenommen 4. Juli 1906, will früher stets gesund
gewesen sein. Der rechtsseitige Schenkelbruch soll seit 3 Jahren bestehen, ließ
sich früher stets anstandslos reponieren. Am Morgen des Aufnahmetages trat
plötzlich der Bruch aus und ließ sich nicht mehr reponieren; zugleich traten hef-
tige Schmerzen im Abdomen, sowie häufiges Erbrechen auf; Stuhl- und Windver-
haltung. Der herbeigerufene Arzt ließ die Frau nach einigen vergeblichen Taxis-
versuchen in das Krankenhaus schaffen. .
Das Allgemeinbefinden der Frau bei der Aufnahme war dem Alter entsprechend
gut; rechts bestand ein zweimannsfaustgroßer Schenkelbruch, der ziemlich weich,
wenig empfindlich war, tympanitischen Perkussionsschall gab und sich nicht repo-
nieren ließ. :
Das Abdomen war im rechten unteren Anteile ziemlich prall gespannt, sehr
druckempfindlich; deutliche beiderseitige Flankendämpfung.
Operation in Chloroform-Athernarkose. Schnitt über die Kuppe der Ge-
schwulst, Eröffnung des Bruchsackes. In demselben finden sich zwei Dünndarm-
schlingen, welche gar nicht verändert sind; wenig Bruchwasser. Der Bruchring
weit, beim Vorziehen der beiden Schlingen fällt die Verbindungsschlinge (20 cm
lang) aus der Bauchhöhle vor, zugleich mit viel rötlich gefärbtem Bruchwasser.
Die vorgefallene Schlinge ist lebhaft rot, prall gespannt und weist deutliche In-
karzerationsringe auf. Nach Reposition der Schlingen wird die Bruchpforte durch
Tabaksbeutelnaht geschlossen, der Bruchsack exstirpiert und darüber die Haut ver-
näht. Der Verlauf war normal, Pat. konnte geheilt das Spital verlassen.
Resumieren wir kurz: Bei einer 74jährigen Frau sind seit 3 Stunden die hef-
tigsten Einklemmungserscheinungen eines Schenkelbruches aufgetreten. Sehr häu-
figes Erbrechen, Stuhl- und Windverhaltung, Schmerzen im Abdomen, Unreponier-
barkeit des Bruches. Der objektive Befund wies schon mehrfache Besonderheiten
auf, welche sich nicht im Einklange mit den subjektiven Erscheinungen befanden.
Der Bruch war nämlich ziemlich weich, nicht besonders schmerzhaft, ließ sich je-
doch nicht reponieren; andererseits bestanden noch andere wichtige Symptome; es
war im Gegensatz zur Bruchgeschwulst eine extreme Schmerzhaftigkeit des Ab-
domens besonders im unteren rechten Anteile vorhanden; hier war dasselbe prall
gespannt, sehr druckempfindlich, ferner war beiderseitige Flankendämpfung vor-
handen. Die Operation ergab nun, daß im Bruchsacke zwei Darmschlingen von
normalem Aussehen waren, während das im Abdomen befindliche Verbindungs-
stück die Erscheinungen einer heftigen Einklemmung aufwies.
Auch in den oben erwähnten fünf Fällen waren die Verhältnisse ähnlich. Be-
sonders auffällig ist es, daß die in der Bauchhöhle liegende Verbindungsschlinge
(V. S.) schon innerhalb kurzer Zeit so stark veründert war, daß sie in
drei Fällen reseziert werden mußte. Eine einwandsfreie Deutung dieses Krank-
heitsbildes zu geben ist nicht leicht. Lauenstein (l. c.) konnte eine Erklärung
schon deshalb nicht finden, weil er annahm, daß das Mesenterium der V. S.
innerhalb der Bauchhöhle frei von der Radix bis zum Einschnürungsringe
herab verläuft. Auch Tierversuche haben ihm kein Resultat geliefert, die V.
S. blieb stets unverändert, da er ja das ermährende Mesenterium derselben
vollständig intakt ließ. Nach dem Befund in unserem Falle kann ich mich nur
der Erklärung Klauber’s (l. c.) anschließen, »daß ein vollständiger Verschluß der
Mesenterialgefäße der V. S. vorhanden war. Der Darm, welcher zu dem langen
Mesenterialzipfel gehörte, war der Länge nach zu 2/3 im Bruchsacke gelegen
und nur das peripherste Darmstück wieder in die Bauchhöhle zurückgelagert.
Dies macht es schon von vornherein wahrscheinlich, daß die Gefäße, welche
zur V.S. führten, den Bruchring zweimal passieren mußten. Beweisend für diese
952 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35.
Verhältnisse ist jedoch eine Thrombose der mesenterialen Gefäße, welche bezeugt,
daß die Gangrän eben wie sonst durch Zirkulationsstörung des Mesenteriums
zustande gekommen ist.«
Noch ein Umstand spricht dafür, daß wir es hier eigentlich mit einer Stran-
gulation der V. S. zu tun haben, das ist der rasche Eintritt der Gangrän;
im Falle Klauber’s (l. c.) war es »innerhalb weniger Stunden« zur Gangrän des
Darmes gekommen. Von den Fällen Lauenstein’s (I. c.) war es im Falle 2
schon nach 2 Stunden zur mäßigen Infarzierung der V. S. gekommen, im Falle 3
war der Darm nach 12 Stunden völlig dunkelblau schwarz verfärbt, lederartig, im
Falle 4 war in wenigen Stunden eine Perforation der V. S. eingetreten. Auch in
unserem Falle war schon nach 2 Stunden die V. S. lebhaft injiziert, gerötet und
prall gespannt.
Eine Tatsache erscheint mir noch wesentlich und bemerkenswert, deren Er-
wähnung ich bei beiden oben erwähnten Autoren vermisse, das ist das Verhalten
der beiden Darmschlingen im Bruchsacke. Von beiden Autoren wurde einfach
angenommen, daß eine Inkarzeration der beiden Darmschlingen im Bruchsacke
vorhanden war, wobei es ihnen jedoch auffällt, daß die in der Bauchhöhle befind-
liche Schlinge sehr viel weiter vorgeschrittene Veränderungen zeigte.
Nach meiner Meinung findet in diesen Fällen eine Inkarzeration der beiden
Darmschlingen ursprünglich überhaupt nicht statt; Beweis dessen, daß in unserem
Falle dieselben überhaupt nicht verändert waren. Auch von den früher beschrie-
benen Fällen ist nur zweimal von nur geringgradigen Veränderungen der beiden
Darmschlingen die Rede, während doch dreimal die V. S. reseziert werden
mußte. Offenbar findet in diesen Fällen nur eine Einklemmung bzw. Strangu-
lation der V. S. statt; ina der Folge kann es dann durch Schwellung des durch >
die Bruchpforte ziehenden Mesenteriums zu einer Kompression der beiden Schlingen
im Bruchsack und zur Bildung von Inkarzerationsringen kommen. Diese Verän-
derungen sind jedoch nie hochgradig und kommen bei der rapid vor sich gehenden
Gangrän der V. S. gar nicht in Betracht.
Es ist daher auch gar nicht am Platze, hier von »zwei Darmschlingen im ein-
geklemmten Bruche« zu sprechen, da ja das Wesentliche die Einklemmung der
V. S. ist; ich möchte daher vorschlagen, das Krankheitsbild nach Analogie
ähnlicher Vorgänge beim Proc. vermiformis, Tube, Netz (Maydl) retrograde
Inkarzeration des Darmes zu nennen. Wir haben hier vollständig analoge
Verhältnisse. Maydl3 hat diesen Terminus eingeführt und versteht darunter die
Erscheinung, daß der inkarzerierte Teil des Organes bauchwärts vom inkarzerierten
Ringe gelegen ist, während peripherwärts, d. h. im Bruchsack, ein verhältnismäßig
normal beschaffener Teil des Eingeweides sich vorfindet. Anschließen möchte ich
mich hier der Erklärung von Pupovac*, weshalb die peripheriewärts (im Bruch-
sacke) gelegenen Organe nicht inkarzeriert sind. Derselbe sagt nämlich, daß die
zu- und abführenden Gefäße des in der Bauchhöhle gelegenen
Teiles zweimal eine Einschnürung erlitten haben, während der im
Bruchsacke gelegene Teil diese Schädigung der Gefäße nur cinmal
erlitten hat.
Die Bedeutung dieses Krankleitsbildes ist gewiß eine imminente. Vor allem
finden wir hier einen Grund mehr, welcher gegen die Taxis spricht, da es ja leicht
vorkommen könnte, daß die Taxis der ziemlich normalen Darmschlingen leicht
gelingt, während sich im Abdomen schon gangrünöser Darm vorfindet; ferner
mahnt es uns, beim Befunde zweier Darmschlingen im Bruchsacke stets die V.S.
sich zur Besichtigung zu bringen.
Die Diagnose vorher zu stellen ist gewiß nicht leicht möglich. Vielleicht
wird die besondere Größe des Bruches, ferner ein auffälliges Mißverhältnis zwi-
schen den heftigen Inkarzerationserscheinungen und dem lokalen Befund am Bruche
selbst, ferner eine besondere Schmerzhaftigkeit und Druckempfindlichkeit des Ab-
3 Maydl, Wiener klin. Rundschau 1895. Nr. 2 u. 3.
4 Pupo vac, Wiener klin. Wochenschrift 1900. Nr. 15.)
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 953
domen an der Stelle, wo sich die V. S. findet, die eben beschriebene Inkarzera-
tionsform vermuten lassen.
Die Prognose ist sehr ernst, da sich sehr rasch eine Nekrose des in der
Bauchhöhle befindlichen Darmes entwickelt.
Die Therapie ergibt sich aus dem Vorhergehenden; dieselbe kann nur in
einer möglichst frühzeitigen Operation bestehen. .
Herrn Primarius Dr. Mautner sei für die Überlassung des Falles bestens ge-
dankt.
17) T. Voeckler. Zur Kasuistik der Bauchkontusionen.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXII. p. 280.)
Eine Beobachtung aus der Habs’schen Spitalabteilung in Magdeburg-Suden-
burg, einen 35jährigen Arbeiter betreffend, welcher von dem Hebel einer rotieren-
den Zentrifuge in die linke Oberbauchgegend getroffen war. Danach war außer
einer rasch vorübergehenden Ohnmacht eine deutliche Vorwölbung der völlig un-
verletzten Haut eingetreten, in der beim Husten Schmerzen empfunden wurden,
und die 8 Tage später der behandelnde Arzt inzidierte, aber ohne auf Eiter zu
gelangen. Als am nächsten Tage der Verband stark durchgeblutet war, wurde
Pat. ins Krankenhaus geschickt, wo er sehr anämisch anlangte. Bauchdecken leicht
gespannt, links im Bauch Dämpfung. Unterhalb des linken Rippenbogens apfel-
große, vorragende Geschwulst mit frischem Hautschnitt auf der Kuppe, aus dem sich
bei Druck reichlich flüssiges Blut entleert. In der Geschwulstgegend ist unter der
Haut eine Muskelzerreißung fühlbar. Bei der hierauf unternommenen Laparotomie
kommt man auf in der Wunde leicht verklebtes Netz und nach dessen Lösung
durch eine ca. 3markstückgroße runde, von Muskelrändern umgebene Öffnung in
die freie Bauchhöhle, aus der sich in Menge flüssiges Blut entleert. Eine Erwei-
terung des Bauchschnittes nach unten entleert neuerdings viel flüssiges und geron-
nenes Blut. Die Revision der Eingeweide ergab keine Verletzung, dagegen fand
sich innerhalb der Muskelsprengwunde eine spritzende Arterie, wohl die Epigastrica
oder ein Ast derselben. Unterbindung des Gefäßes, Kochsalzausspülung der
Bauchhöhle, Bauchdeckennaht und nach vorübergehender rechtsseitiger Pleuritis
ungestörte Heilung.
Es handelt sich also um eine subkutane Zerreißung oder Zertrümmerung sämt-
licher Fauchwandschichten, auch des Bauchfells. Letzteres scheint bei ähnlichen
Traumen, wie in diesem Falle, häufiger unzerrissen zu bleiben, so daß also eine
traumatische Hernie entsteht. (Fälle von Renner, Lotheissen, Bilfinger,
Witzel.) Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
18) Clay. Two cases of ruptured duodenal ulcer with a note on the
effect of posture on the loss of liver dullness.
(Brit. med. journ. 1906. Juni 9.)
Fall I: 32jähriger Mann mit 9 Jahre währenden Magenbeschwerden, erkrankt
mit heftigeren Schmerzen als sonst: Fehlen der Peristaltik, kein Erbrechen,
schmerzhafte, rigide Bauchdecken ohne Auftreibung, Leberdämpfung erhalten.
Operation 9 Stunden später: freies Gas in der Bauchhöhle, Loch im Duodenum,
nahe dem Pylorus; Vernähung, Auswaschung, Drainageröhren in den Flanken und
über der Symphyse. Heilung.
Fall U: 58jähriger Mann erkrankt plötzlich mit Schmerzen in der unteren
Bauchhälfte; Fehlen der Peristaltik, kein Erbrechen, schwerer Kollaps, rigide, ein-
gezogene Bauchdecken, überall empfindlich, Dämpfung links, Fehlen der Leber-
dämpfung in der Mammillar- und mittleren Axillarlinie. Operation wie vorher,
Loch im Duodenum dicht am Pylorus, Vernähung, Auswaschung, Drainage wie
oben. Tod 24 Stunden später. Sektion ergibt noch ein zweites Duodenalgeschwür.
— Die fehlende Leberdämpfung kann wieder nachgewiesen werden bei rechter
Seitenlage, verschwindet aber nicht plötzlich wieder bei linker Seitenlage, sondern
954 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35.
erst allmählich nach einigen heftigeren Bewegungen, wie Husten, Würgen. — Be-
merkenswert ist das Fehlen von Erbrechen in beiden Fällen.
Weber (Dresden).
19) F. Warnecke. Ein eigenartiger Fall von Perforationsperitonitis.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXII. p. 295.)
Beobachtung aus dem städtischen Krankenhause zu Rixdorf-Berlin (Prof. Sul-
tan). 42jähriger Tischler, der im Dunkeln zu Boden gestolpert war und hierauf
akut von schwerer Unterleibserkrankung befallen wurde. Im Spitale wurde er
unter der Diagnose Perforationsperitonitis sofort laparotomiert, wobei die Perito-
nitis sich bestätigte, die Perforationsstelle aber nicht gefunden wurde. Bei der
Sektion fand man im Dickdarm, am Übergange zwischen Flexur und Mastdarm,
ein feines Perforationsloch, dem auf der Darminnenseite eine 4:6 mm messende
Schleimhautlücke mit glatten, flachen Rändern entspricht. Zeichen von Geschwürs-
bildung und Entzündung fehlen hier völlig, und da sich etwas oberhalb eine zweite
etwas kleinere Lücke fand, wo deren Mitte entsprechend eine breite Lücke in der
Muscularis, ausgefüllt mit lockerem Bindegewebe und einigen Gefäßquerschnitten,
vorhanden war, ist anzunehmen, daß hier wahrscheinlich falsche, Graser’sche
Divertikel vorgelegen haben, von denen das eine infolge des geringfügigen Traumas
zur Perforation gelangte.
Der kasuistischen Mitteilung folgt Allgemeinbesprechung solcher Divertikel in
anatomischer und klinischer Beziehung unter Berücksichtigung der neuen Literatur
darüber. Meinhard Schmidt (Cuxhaven!.
20) Bosse. Über diffuse eitrige Peritonitis.
(Berliner klin. Wochenschrift 1906. Nr. 2.)
B. berichtet über 12 operativ angegriffene Fälle, von denen nur einer, trotz
sachgemäßer chirurgischer Hilfe, gerettet werden konnte (2jähriges Kind). Die
Therapie bestand allemal in breiter Eröffnung des Bauches mit Drainage ohne
unnötige Eventration, aber mit reichlichen Kochsalzspülungen (bis 20 Liter‘, mehr-
fachen intravenösen und subkutanen Kochsalzinfusionen und energischer Unter-
stützung der Herzkraft mittels Kampfer, Digalen usw. (bei den Appendicitisfällen).
Bei diffuser Peritonitis infolge Perforation eines Magengeschwüres wurde stets ein
langer Medianschnitt gemacht, die gefundene Perforationsöffnung übernäht und
nach v. Mikulicz tamponiert.
Die bakteriologischen Befunde bei verschiedenen Peritonitiden werden be-
sprochen und die Maßnahmen, welche zur Bekämpfung der Infektion zu Gebote
stehen. Bei schwerer Darmparalyse wird die Enterostomie empfohlen. Die Ge-
winnung von Staphylokokken- und Bakterium Coli-Serum hat noch nichts prak-
tisch Brauchbares zutage gefördert. Die Cred&’schen Silbersalze können in der
bequemen Anwendung als Klysma immerhin versucht werden. Die Prophylaxe
der Peritonitis bzw. die frühzeitige Operation ist zunächst immer noch das wirk-
samste Mittel gegen die diffuse eitrige Peritonitis. Langemak (Erfurt).
21) Schöppler. Eier von Oxyuris vermicularis L. im Wurmfortsatz.
(Zentralblatt für Bakteriologie usw. Bd. XLI. Hft. 4.)
Verf. fand im Wurmfortsatz eines an Diphtherie gestorbenen Kindes ein
weißes, fadenförmiges, der Schleimhaut lose aufliegendes Gebilde, das sich bei
mikroskopischer Untersuchung als aus Eiern von Oxyuris vermicularis bestehend
entpuppte. S. nimmt an, daß ein in den Wurmfortsatz eingewandertes Weibchen
dort zugrunde gegangen ist; der Körper wurde mazeriert, während die widerstands-
fähigeren Eier erhalten blieben. Verf. hält es für möglich, daß die Eier an sich
zu Entzündungserscheinungen und durch sekundäre Infektion zur Appendicitis An-
laß geben können, oder daß die Eier sich inkrustieren und dann wie Kotsteine
wirken. Goebel (Köln).
Zentralblatt fiir Chirurgie. Nr. 35. 955
22) M. Moullin. Inflammation of the appendix caused by a foreign
body.
(Brit. med. journ. 1906. Juni 9.)
Der bekannte Chirurg am London Hospital fand bei der Operation eines in
voller Gesundheit plötzlich erkrankten 16jährigen Burschen das distale Ende des
Wurmfortsatzes perforiert, gangränös, erweitert, das proximale wenig verändert
und an der ganz scharfen Begrenzung dieser Veränderungen eine die Lichtung des
Fortsatzes verschlieBende Rosine in gequollenem Zustand. Anamnese und Befund
ließen in diesem Fall ausnahmsweise keine andere Erklärung zu, als daß der ver-
stopfende Fremdkörper durch Verursachung einer Stauung im distalen Ende die
schwere Entzündung hervorgerufen habe. Die wenigen Fälle von Fremdkörpern,
die Verf. bei hunderten von Appendixoperationen gefunden hatte, waren mit
dieser einzigen Ausnahme rein zufälliges Zusammentreffen ohne ursächlichen Zu-
sammenhang. Weber (Dresden).
23) H. Henne. Zur Kasuistik der Appendicitis in graviditate.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXII. p. 595.)
Bericht über einen von H. beobachteten und von v. Mandach (Schaffhausen)
operierten Fall. 24jährige Zweitschwangere im 6. Monate. Die Operation wurde
30 Stunden nach Einsetzen des akuten Anfalles, dem übrigens seit 2 Monaten Er-
scheinungen von Dickdarmkatarrh vorausgegangen waren, ausgeführt. Der Wurm-
fortsatz, leidlich gut zugänglich, fand sich nach der Hinterseite des Beckens in
Exsudat gebettet auf dem M. ileopsoas fixiert. Er ist im Oberteile um 180° um
die Längsachse gedreht. Appendektomie, glatte Heilung ohne Störung der Schwan-
gerschaft, die mit normaler Geburt zu richtiger Zeit ihren Abschluß fand. Am
Operationspriparate durchgehends der Befund beginnender Gangrän.
Meinhard Schmidt (Cuxhaven'.
24) Archibald. Subphrenic abscess complicating empyema; resection
of ribs; cure.
(Brit. med. journ. 1906. Mai 19.)
Die subphrenische Eiterung als Folge einer im Brustraume vorhandenen infek-
tiösen Ursache ist ein seltenes Ereignis. Verf. berechnet seinen Fall aus der Lite-
ratur als den 18. sicher nachgewiesenen. Die Ursachen sind fast immer Empyeme
durch Pneumonie, Influenza usw., selten Lungengangrän, Lungenabszeß, Tuber-
kulose. Bis jetzt ist der subphrenische Abszeß aus obiger Ursache noch nie vor
der Operation oder vor der Sektion nachgewiesen worden. Auch im vorliegenden
Fall erkannte man den Zustand erst, als man nach Eröffnung des kleinen subphre-
nischen Abszesses nochmals oberhalb mit der Nadel einging, Eiter fand, ihn durch
erneute Rippenresektion entleerte und nun das Zwerchfell als Grenzmembran
zwischen beiden Eiterherden zwischen zwei Fingern tasten konnte. Im Eiter
fanden sich Pneumokokken. Glatte Heilung. Weber (Dresden).
25) A. Brenner. Radikaloperationen bei Leistenhernien.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXIX. Hft. 4.)
Verf. berichtet über ca. 2000 Fälle von Leistenbrüchen, die vom Jahre 1892
bis Ende 1903 operiert wurden, und zwar nach der Methode Bassini’s mit der
vom Verf. angegebenen Modifikation, die darin besteht, daß der M. cremaster zur
Bildung der hinteren Wand des Leistenkanales verwendet wird (cf. Zentralblatt
1898 Nr. 41). Das Operationsverfahren ist im großen und ganzen das alte geblie-
ben; höchstens wurde den modernen Forschungen über Wundbehandlung bei Ver-
wendung des Nahtmaterials, der Drainage usw. Rechnung getragen. Das Resultat
waren 92% gute Dauererfolge. Die Rezidive betrugen 5.
E. Siegel (Frankfurt a. M.).
956 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35.
26) Pringle. Some. cases of hernia in which several loops of bowel
were strangulated in the same sac.
(Edinb. med. journ. 1906. Juni.)
Vor 10 Jahren konnte Verf. innerhalb eines Monates zwei eingeklemmte
Leistenbrüche operieren, von denen jeder den seltenen Befund zeigte, daß zwei
Darmschlingen innerhalb des Bruchsackes sich befanden, die durch denselben
Schnürring eingeklemmt waren. Bei einem im Jahre 1898 beobachteten Falle
waren sogar drei Darmschlingen eingeklemmt. Bei der Reposition mußte stets
nach Spaltung des Schnürringes die tiefer gelegene zuerst in die Bauchhohle zuriick-
gebracht werden; erst dann gelang es, den Bruchsack vollkommen seines Inhaltes
zu entleeren. Netz lag niemals vor. Da weitere Komplikationen fehlten, heilten
alle drei Fälle glatt aus.
Ahnliche Fälle in der Literatur waren nur von Lauenstein in der Deutschen
Zeitschrift für Chirurgie beschrieben worden — vier Fälle, bei denen jedesmal zwei
Darmschlingen den Bruchinhalt bildeten. Die Inspektion des innerhalb der Bauch-
höhle liegenden, angrenzenden Darmstückes soll jedesmal ausgeführt werden, da
hier eine Gangrän vorhanden sein kann, während der Bruchinhalt gesund zu sein
scheint, wie der vierte, tödlich verlaufende Fall von Lauenstein beweist.
Jenckel (Göttingen).
27) Axhausen. Über den äußeren Schenkelbruch nebst Bemerkungen
über die Klassifizierung der Schenkelbrüche.
(Deutsche Zeitschrift fiir Chirurgie Bd. LX XXII. p. 96.)
A. beobachtete gelegentlich einer Radikaloperation einen sicheren Fall von
äußerer Schenkelhernie, die als solche schon vorher diagnostiziert war. Es handelt
sich um eine 47jährige Witwe, sonst gesund und kräftig, aber mager — ob und
wie viele Entbindungen bei ihr vorgekommen waren, wird nicht mitgeteilt. Sie
hatte seit 5—6 Jahren mehrfach einklemmungsartige Unterleibskoliken durch-
gemacht, die sie durch eigene Reposition einer kleinen Geschwulst der rechten
Schenkelbeuge beseitigte; nur kurz vor der Spitalsaufnahme mußte eine Bruch-
reposition von ärztlicher Hand ausgeführt werden. Befund: Lig. Poupart. auf-
fallend schlaff; bei Husten tritt unterhalb desselben eine bmarkstückgroße flache
Anschwellung hervor, und zwar lateral und dicht an der Art. femoralis. Außer-
dem besteht bewegliche Retroflexio uteri. Operation: Spitzwinklig gegen das Lig.
Poupart. gerichteter Schnitt über die Bruchgeschwulst. Nachdem das oberfläch-
liche Blatt der Schenkelfascie gespalten, läßt sich durch Zerzupfen des Fett-
gewebes ein anscheinend nur vom Bauchfell gebildeter Bruchsack ansichtig machen,
welcher, 4—5 cm breit, das Poupart’sche Band um 3 cm nach unten überragend, der
Fascia ileopectinea aufliegt. Nach innen grenzt er hart an die Arterie, nach auBen
an die Verwachsungsstelle zwischen Lig. ileopectineum und Lig. Pouparti. Wie
sich nach Aufschneiden des Bruchsackes zeigt, besitzt derselbe weder vor noch
hinter den SchenkelgefiBen eine Fortsetzung zur Gegend des Schenkelkanales. Bei
Anziehen des Bruchsackes kommt außer der A. epigastrica das runde Mutterband
hervor, welches durch schleifenförmige Zusammennähung verkürzt wird. Tabaks-
beutelnahtverschluß des Bruchsackes. Die sehr locker liegenden Schenkelgefäße
werden nebst ihrer Bindegewebsumhüllung lateralwärts in den äußeren Bruch-
pfortenwinkel verlagert und vernäht, wodurch die Bruckpfortenlücke auf die mediale
Seite der Gefäße verlegt ist, um nunmehr durch Nähte zwischen Lig. Pouparti
und Fascia ileopectinea (bzw. Lig. pubicum Cooperi) tunlichst geschlossen zu wer-
den. Gutes Resultat, Bruchrezidivfreiheit nach 3/4 Jahren konstatiert.
Die Benutzung des Platzes außen von den Gefäßen als Weg für einen Schenkel-
bruch ist immer ungewöhnlich, da anatomisch normalerweise hier ein »binde-
gewebiger Verschluß der Bauchhöhle« besteht. Immerhin findet man bei Leichen-
untersuchungen zuweilen auch diese Stelle abnorm nachgiebig, so daß von der
Bsuchhöhle die Fingerspitze hier sich ohne viel Widerstand einschieben läßt, was
A. zweimal konstatieren konnte. A. berichtet überhaupt über von ihm ausgeführte
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 957
Untersuchungen betreffend die Anatomie am Schenkelbogen, wobei er die älteren
den gleichen Gegenstand betreffenden Beschreibungen der Herniologen Vessel-
barth, Cooper usw. vergleicht und auch die Kasuistik der atypischen Schenkel-
brüche berücksichtigt. Die äußeren Schenkelbrüche setzen der Regel nach eine
Lockerung oder Spaltbildung der fasciösen Verschlußvorrichtungen am Schenkel-
bogen voraus, die zwar häufiger auf Trauma beruht, wie bei den von Narath ge-
legentlich der unblutigen Einrenkung angeborener Hüftverrenkungen beobachteten
Fällen, doch auch als spontan entstehungsfähig betrachtet werden muß. Da
Nomenklatur und anatomische Klassifizierung der verschiedenen beobachtbaren
Bruchformen noch an Präzision zu wünschen lassen, schlägt A. folgende Einteilung
derselben vor:
Schenkelbrüche,
I. die Lacuna vasorum passierend,
1) die Lacuna als Ganzes, vor den Gefäßen herabsteigend (»Hernia cruralis
vasulo-lacunaris«).
2) Teile der Lacuna.
a. Das Innenfach (»Hernia cruralis interna«, bzw. gewöhnliche H. cruralis).
b. Die Vagina vasorum propria: (»Hernia cruralis intravaginalis«).
c. Das Außenfach (»Hernia cruralis externa«).
iI. Die Lacuna musculorum passierend (»Hernia cruralis musculo-lacunaris«).
Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
28) @. Blech. Zur Kasuistik der Hernia ischiadica.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXII. p. 278.)
Beschreibung und Abbildung folgenden bei einer wegen Spondylitis behandel-
ten 38jährigen Virgo beiläufig aufgenommenen Befundes: Am unteren Rande des
M. glutaeus (sc. maximus, Ref.) eine halbkugelige, leicht zugespitzte Geschwulst,
deren Basis ca. 14 cm Umfang hat und deren Höhe 21/, cm mißt. Nach dem bei-
gegebenen Photogramm zu schließen, sitzt sie ganz nahe dem Tuber ischii — im
Text ist hierüber nichts gesagt. Cystenähnlich weich, läßt sie sich leicht, doch
ohne irgendwelches wahrnehmbares Geräusch wegdrücken, auf Husten erscheint sie
wieder. Mittels Fingerdruck fühlt man in der Tiefe eine scharfumranderte Off-
nung, die sich ebenso wie die ganze Geschwulst nach oben verschieben läßt. Der
Lage nach scheint sie dem unteren Rande des M. gemellus sup. oder dem oberen
Rande des M. obturator int. zu entsprechen. Da die Geschwulst weder im Damm,
noch in der Fossa ischio-rectalis liegt, ist nur eine Hernia ischiadica zu diagnosti-
zieren. Cyste, Lipom, Abszeß und Bursitis sind ausschließbar. Die Geschwulst
besteht in der beschriebenen Weise seit 4 oder 5 Jahren, hat aber nie Beschwer-
den gemacht und bedarf zurzeit keiner Behandlung.
Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
29) Methling. Zur Kasuistik der Zwerchfellshernien. Ein Fall von
eingeklemmter Zwerchfellshernie.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXII. p. 265.)
Beobachtung der Kieler Klinik, betreffend einen 29jährigen Arbeiter, der gut
2 Jahre vor der Erkrankung an Darmeinklemmung eine Stichwunde im linken
7. Interkostalraum überstanden hatte. Dieselbe war, anscheinend unkompliziert, per
primam gut geheilt, doch hatte Pat., ohne übrigens in der Arbeit gestört zu sein,
seitdem oft über Stiche links und Herzklopfen zu klagen gehabt. Jetzt war er
plötzlich mit stärkeren Schmerzen links und Erbrechen erkrankt. Dämpfung auf
dem linken unterer Lungenlappen, auch blutiges Pleuraexsudat links wurde nach-
weisbar, außerdem aber trat Darmverschluß mit Meteorismus usw. ein, so daß
3 Tage später Pat. in die Klinik mußte, wo unter der Annahme innerer Einklem-
` mung sofort laparotomiert wurde. Es findet sich das Querkolon in einem Zwerch-
fellsloch eingeklemmt, das unterhalb und links vorn von der Zwerchfellkuppe liegt.
Einkerbung des Zwerchfellbruchpfortenringes, Entwicklung des Darmes nebst Netz,
958 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35.
die, weil brandig, reseziert werden müssen. Einnähung des Darmes in die Bauch-
wunde als Kunstafter. Der schwer erschöpfte Kranke erlag trotz der üblichen
Exzitantien bald nach der Operation. Bei der Sektion wurde ein Bruchsack nicht
gefunden, es handelte sich mithin um eine unwahre Hernie. Sonst ist von Inter-
esse, daß sich auf der Serosa des Jejunum sehnige Längsstreifen auf 1 m Länge
fanden. Die dann folgende Darmpartie, ebenfalls in 1m Länge, war stark er-
weitert, die Schleimhaut hier gleichmäßig intensiv dunkelrot. M. schließt hieraus
als wahrscheinlich, daß diese Darmpartien früher auch Bruchinhalt gebildet haben
mögen, was die vom Kranken früher geklagten Schmerzen und sein Herzklopfen
erklären könnte. Ist diese Annahme zutreffend, so wäre daraus zu folgern, daß
die Zwerchfellwunde nie zur Heilung gelangt gewesen ist.
Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
30) Wieting. Uber die Hernia diaphragmatica, namentlich ihre chro-
nische Form.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXII. p. 315.)
Die Arbeit basiert auf drei eigenen Beobachtungen W.’s im Konstantinopeler
Krankenhause Gülhane, von denen eine bereits veröffentlicht und in diesem Blatte
p. 92 laufenden Jahrg. referiert ist. Von den neu beschriebenen interessiert be-
sonders die folgende: 19jähriger Mann, der vor 1 Jahre zwei binnen 2—3 Wochen
geheilte Revolverschüsse in die linke Körperseite erhalten hatte. Seit 2 Monaten
schwere Erscheinungen, Magenschmerzen, Angst und Beklemmung nach dem
Essen, das Pat., um Ruhe zu bekommen, meist künstlich durch Brechen entleert;
starke Abmagerung. Durch Perkussion und Röntgen ist eine Herzverschiebung
nach rechts leicht nachweisbar. Daß der Magen in der linken Pleurahöhle ver-
lagert ist, lehrt u. a. die Lufteinblasung in diesen, welche Aufwölbung der linken
unteren Brustpartie zur Folge hat. Ein Dämpfungsbezirk entspricht außerdem dem
Mageninhalt innerhalb der Pleurahöhle, dessen Beweglichkeit bei Lagewechsel
ebenfalls durch Perkussion und Röntgen ersichtlich ist. Operation mittels Schnitt
parallel dem linken Rippenbogen mit Einkerbung des M. rectus. Ein über taler-
großes Loch im Zwerchfell 2 Finger breit von der Mittellinie, um 3 Fingerbreiten vom
vorderen Ansatz entfernt und von eintretenden Eingeweiden gefüllt, wird leicht
tastbar, ist aber noch ungenügend zugänglich, weshalb noch ein auf den gemachten
Schnitt senkrecht verlaufender zweiter hinzugefügt und in diesem die 6.—9. Rippe
ohne Verletzung der Pleura durchschnitten wird. Die Entwicklung von Magen,
Dickdarm und Milz gelingt aber erst, als Brechbewegungen eintreten und bei
Einführung von 2 Fingern Luft in die Brusthöhle schlürft. Nach endlicher Unter-
bindung und Abtrennung eines mit dem Herzbeutel verwachsenen Netzzipfels
Naht des Zwerchfelloches nebst dem in ihm belassenen Netzzipfel, Befestigung der
übrigens verkleinerten Milz ans Zwerchfell, kleines Gazedrain an die Zwerchfell-
naht, Bauchnaht. Die Genesung wurde durch ein linksseitiges Empyem der Pleura
gestört, nach dessen Operation tadellose, völlige Heilung eintrat.
Anatomisch interessiert, wie W. im Allgemeintext erörtert, in diesem Falle
ganz besonders die Netzverwachsung. Man kann annehmen, daß das Netz in sol-
chen Fällen zuerst in die Brusthöhle gerät; ist es dort erst irgendwo angewachsen,
so dient es für die übrigen Organe sozusagen als Leitband für ihre Wanderung
in den Bruch, und Dickdarm wie Magen folgen ihm, sich um die Längsachse
drehend, nach.
Bei Fall 3, einer Brustschußwunde mit Leberverletzung und Tod an Pyle-
phlebitis, ist der Zwerchfellbruch nur ein interessanter Nebenbefund bei der Sek-
tion. In der Narbe der Hautausschußöffnung sitzt ein Zwerchfellsdefekt, in dem
ringsum Netz angewachsen. Von letzterem haftet ein Zipfel auch an der Lunge
und an der Cutis. Eine Dickdarmschlinge ist durch das Netz nach oben gezogen.
Die Allgemeinbemerkungen beschäftigen sich u. a. mit dem Unterschiede von
Hernia und Eventratio diaphragmatica und deren recht schwierigen diagnostischen
Auseinanderhaltung. Erwähnenswert sind auch W.'s Erörterungen über die besten
operativen Maßnahmen. Zur Feststellung, ob eine penetrierende Brustwunde mit
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 35. 959
Zwerchfellsverletzung verbunden ist, empfiehlt er eine Rippenresektion, die guten
Einblick, event. Untersuchung mit der Hand, nicht bloß mit einem Finger zuläßt.
Ist eine Zwerchfellperforation festgestellt, so soll der Regel nach laparotomiert
werden, um nach Eingeweideverletzungen zu sehen. Auch für Behandlung von
Zwerchfellbrucheinklemmungen soll neben der Laparotomie, zu der man bei un-
klarer Diagnose schreiten wird, der Brustschnitt verwertet werden. Dagegen ist
zum Angehen alter diagnostizierter Hernien mit chronischen Symptomen der
Bauchschnitt wohl stets der gewiesene Weg.
Meinhard Schmidt Cuxhaven).
31) C. Lauenstein. Ein ungewöhnlicher Verbleib des Murphyknopfes.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXII. p. 262.)
L. gastroenterostomierte ein 38jähriges Fräulein wegen Pylorusstenose und
Sanduhrmagen mittels Murphyknopf. Der eingetretene, sonst sehr gute Erfolg
wurde durch lästige, heftige Schmerzen in der Magengegend, am stärksten bei
leerem Magen fühlbar, beeinträchtigt. Der Knopf, welcher bei der Entlassung
scheinbar an der Öperationsstelle liegend mittels Röntgen noch sichtbar war, war
dies auch noch 4 Monate später, als die Pat. ihre Klagen führte, und zwar 6cm
nach links von der Wirbelsäule, in der Höhe des 2. Lendenwirbels. Es wurde
laparotomiert, der Knopf aber, wo er zunächst gesucht wurde, nämlich im Magen,
nicht gefunden, statt dessen im zuführenden Teile der angehefteten Jejunumschlinge.
Exzision, Naht, Heilung mit völliger Beseitigung der Beschwerden. Auf Grund
dieser Beobachtung schließt sich L. dem Vorschlage Gelpke's an, die zur Ana-
stomose benutzte Darmschlinge oralwarts der Kommunikationsstelle durch einen
umgelegten Seidenfaden zu verengern. Um Ortsänderung des Fadens zu verhindern,
empfiehlt er, bei seiner Anlegung an mehreren Stellen die Serosa mitzufassen.
Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
32) H. Ito und 8. Asahara. Uber die operative Behandlung der
multiplen tuberkulösen Darmstrikturen.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXII. p. 344.)
Verff. bringen zur Sache fünf von ihnen in der Klinik zu Kyoto operierte,
eigene, neue einschlägige Fälle, in denen dreimal eine Darmausschaltung (Entero-
anastomose ober- und unterhalb des Strikturenbereiches), einmal eine Resektion
von 95 cm Dünndarm vorgenommen wurde, einmal endlich nach Eröffnung des
Leibes kein weiterer Eingriff stattfand. Der Resektionsfall endete tödlich, die
Enteroanastomosen hatten gute Resultate, zum Teil auch von Dauer und völlig
befriedigend.
Der Krankengeschichtsmitteilung folgen Allgemeinbemerkungen, insbesondere
über die Frage. welche Operationsmethode für das Leiden am meisten ratsam ist.
Es handelt sich im wesentlichen nur darum, ob Resektion oder Anastomosenbildung
vorzuziehen ist. Die Verff. entscheiden sich für die Anastomose. Dieselbe ist un-
gefährlicher als die Resektion und reicht dabei praktisch völlig aus. Zunächst nur
als palliatives Verfahren erscheinend, bessert sie doch die Ernährungsbedingungen
für den Pat., und dem Organismus die Möglichkeit bietend, die noch übrigen
Infektionskeime auszuscheiden, kann sie langsam und stetig die völlige Ausheilung
vermitteln, wirkt also schließlich auch radikal.
Zum Schluß steht ein 60 Arbeiten nachweisendes Literaturverzeichnis.
Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
33) 8. G. Gant. Excision of the transverse colon, sigmoid and rectum
for multiple stricture and ulcerative coloproctitis.
‘Amer, journ. of surg. 1906. Juni.)
Eine 17jahrige Leidensgeschichte ging der Operation voraus. Dieselbe bestand
in der SchlieBung eines rechts- und linksseitigen widernatiirlichen Afters, Anlegung
eines neuen in der Mitte des Colon transversum. Lange vorher schon war der
verengte Mastdarm entfernt. Das Mesenterium der entfernten Teile {Flexur, Colon
960 Zentralblatt far Chirurgie. Nr. 35.
descend. und halbes Colon asc.) war auf 2 Zoll Dicke angewachsen, eine geschwulst-
artige Striktur fand sich in der Mitte des Colon descendens. Sie bestand im
wesentlichen aus Granulationsgewebe, in dem die Schleimhaut bis auf wenige Reste
untergegangen war, Infiltration der Muscularis und Verdickung der Appendices,
Mikroskopisch fiel eine, oft bis zum Verschluß führende Endarteriitis, verbunden
mit Hypertrophie der Media, insbesondere der Arterienmuskulatur und periarterieller
Rundzelleninfiltration, auf, also Erscheinungen, die an Syphilis denken lassen.
Goebel (Breslau).
34) G. Donks. Zur Diagnose und Behandlung der Leberverletzungen.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXII. p. 307.)
D. publiziert aus dem Berlin-Friedrichshainer Krankenhause sieben Fälle von
Leberverletzung, die sämtlich laparotomiert, und von denen drei geheilt wurden.
Von den letzteren war je einer durch Schuß bzw. durch Hufschlag gegen den
Leib und Überfahren verletzt.
Abgesehen von der Schußverletzung, die den linken Leberlappen betroffen
hatte, war der Sitz des Leberrisses fünfmal der rechte Leberlappen und hauptsäch-
lich stets dessen obere Oberfläche, nur einmal der linke Lappen. lIsolierte Risse
an der konkaven Seite der Leber fanden sich nie. Von symptomatischen Erschei-
nungen fehlten nie die Spannung und Schmerzhaftigkeit der Bauchdecken. Die
Behandlung bestand in zwei Fällen in tiefgreifenden Catgutähten, sonst stets in
Tamponade. Von letzterer wurde nie Nachteil beobachtet, und da eine Nach-
blutung nach ihr nie auftrat, wird sie von D. bestens empfohlen. Der Tod der
vier erlegenen Pat., die übrigens auch binnen 4 Stunden nach dem Unfall operiert
wurden, beruhte auf zu schwerer Verletzung bzw. bereits stattgefundener zu starker
Blutung. Frühzeitige Laparotomie bei Verdacht auf Leberrisse ist ebenso gerecht-
fertigt bzw. nötig wie bei allen übrigen Zerreißungen von Unterleibsorganen oder
bei geplatzter Extra-uterin-Schwangerschaft. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
Entgegnung auf den Artikel des Herrn Prof.
E, Goldmann: „Zur offenen Wundbehandlung
von Hauttransplantationen‘
(Zentralblatt fiir Chirurgie 1906 p. 793).
Von
Dr. Alfred Weischer in Hamm i. W.
Aus dem Satze Brüning's: »das Sekret, wie es besonders bei alten granulieren-
den Wunden reichlich gebildet wird, hat, wenn es nicht gleich einirocknet, jeden-
falls guten Abfluß«, habe ich sicher nicht allein geschlossen, daß die offene Wund-
behandlung sich auch »für große, stark sexernierende, nicht ganz eiterfreie Wunden«
eignete; denn die alten gramulierenden Wunden scheiden nicht ein seröses, sondern
ein mehr oder weniger mit Eiler gemischles Sekret ab.
Gerade für diese Fälle habe ich meine Methode empfohlen, da sie erstens die
infizierten, oberflächlichen Granulationsschichten entfernt und zweitens durch die
feuchten Kochsalxkompressen die Gerinnung des neu sich bildenden Sekretes am besten
verhindert, so daß es leicht in den Verband aufgenommen werden kann.
Ob sich für diese Wunden die offene Wundbehandlung nach Herrn Prof. E.
Goldmann, d.h. das Auflegen der Transplantationsläppchen auf die unberührte
Granulationsfläche ohne jede weitere Bedeckung besser eignet, wie meine Methode,
kann nicht theoretisch, sondern nur praktisch entschieden werden.
Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags-
handlung Breitkopf & Härtel, einsenden.
Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig, Nürnbergerstraße 36/38.
Zentralblatt
CHIRURGIE
F. u Boram, F, Kinig, E. Richter,
Dreiunddreißigster Jahrgang.
Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei halbjähriger
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.
Nr. 36. Sonnabend, den 8. September. 1906.
Inhalt: 1) Schäfer, Svenson und v. der Osten-Sacken, Die Wirkung der japanischen
Kriegswaffen. — 2) Borst, Geschwülste. — 3) Schwarz u. Chevrier, Osteoperiostale Lipome.
— 4)Thesing, Muskelhypertrophie als Unfallfolge. — 5) Meyer, Zur Regeneration von Lymph-
drüsen. — 6) Taylor, Zur Wirkung der Réntgenstrahlen. — 7) Budde, Nahseide. — 8) Beck,
Deckung von Schädellücken. — 9) Gomperz, Mittelohrentzündung. — 10) Hammerschlag,
Trigeminusneuralgie. — 11) Mouret, 12) Freer, Resektion der Nasenscheidewand. — 13) Del-
saux, Nasennebenhöhleneiterung. — 14) Donati, Ostitis purulenta der Wirbelsäule. —
15) Schlesinger, Basedow. — 16) Frey, Anästhesierung des Kehlkopfes. — 17) Otten, Lun-
genkrebs. — 18) Murphy, Zur Amputatio mammae.
I. L. Grünwald, Pharyngotomia suprahyoidea. — II. C. Lauenstein, Die nachträgliche
Entfernung eingewachsener oder eingeklemmter Gazestreifen. (Original-Mitteilungen.)
19) Reinhard, Zur Tamponfrage. — 20) Schlesinger, Myositis gonorrboica apostematosa.
— 1) Putti, Deformitäten durch Muskelangiom. — 22) Nordmann, 23) Lossen, Stauungs-
hyperämie. — 24) Lop, Tetanus. — 25) Jirotka, 26) Albers-Schönberg, 27) Peters, 28) Wo-
darz, 29) Jungmann, Röntgenologisches. — 30) Trivas, Anosmie nach Schädelbruch. —
31) Laflte-Dupont, Meningitis nach Labyrinthitis. — 32) Bouain, Meningealh&morrhagie nach
Mastoidoperationen. — 33) Haasler, Hirngeschwulst. — 34) Uchermann, Thrombose des Si-
nus occipitalis. — 35) Baurowicz, Nasenmuschelcyste. — 36) Onodi, Empyem des Sinus
maxillaris. — 37) Bichaton, Mukokele des Sinus maxillaris. — 38) Botey, Rhinolith. —
39) Brindel, 40) Duverger, Nasengeschwülste. — 41) Colller, Wangennaevus. — 42) Cheatle,
Zungensarkom. — 43) Ledinger, Mandelgeschwulst. — 44) Daptas, Retropharyngealabszeß.
— 45) Urunuela, Intubation bei Kehlkopffraktur. — 46) Wendeborn, Kehlkopfstenosen und
-Defekte. — 47) Polyäk, Stauungshyperämie bei Erkrankungen der oberen Luftwege. —
— 48) Mader, Röntgentherapie in den oberen Luftwegen. — 49) Bogoljubow, Epiglottis-
cysten. — 60) Johnson, 51) Henricl, 52) Moure, Bronchoskopie. — 53) Jouffray, Asphyxie
bet Kropfoperationen. — 54) Mauclaire und Zesas, Herzmassage. — 55) v. Navratil, Echino-
kokkus des Mediastinums. — 56) Küppers, Sterilisierapparat. — 57) Relnecke, Arterien-
klemme.
1) F. Schäfer, E. Svenson und E. v. der Osten-Sacken,
Über die Wirkung der japanischen Kriegswaffen im mand-
schurischen Feldzuge.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXIX. Hft. 4.)
Die Verff. untersuchten die in die Front zurückgekehrten Ver-
wundeten bei einem Teile der russischen Feldarmee. Die Verwundeten
wurden einzeln, wenn nötig entblößt, vorgeführt und nach einem ver-
36
962 | Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36.
abredeten Modus examiniert, u. a. auch über Transport und Verband.
Über jeden Untersuchten wurde eine Zählkarte aufgestellt. Vor allem
wollte man sehen, was aus den Verwundeten wird, die man bisher
nur in frischem Zustande der Verletzung beobachtet hatte, um einen
Gesamteindruck von der Wirkung der japanischen Geschosse zu er-
halten. Zu diesem Zwecke mußten bei dieser Gelegenheit auch die
Verlustlisten der einzelnen Regimenter zusammengestellt werden. Das
statistische Material derselben bildet den vorliegenden ersten Teil der
gemeinsamen Arbeit, während der zweite Teil die Ergebnisse der
körperlichen Untersuchungen bringen soll. Die großen Schlachten des
russisch-japanischen Krieges werden als blutige, ja als mörderische
bezeichnet. Allein die vielfach vertretene Annahme, daß ganz uner-
hörte, beispiellose Massenverluste eingetreten seien, wird als unhaltbar
angesehen, da z. B. auch in dem deutsch-französischen Kriege größere
und kleinere Truppenverbände von gleichen Verlusten betroffen worden
seien. Sicher scheint dagegen zu sein, daß die Gefährdung des ein-
zelnen Mannes durch das feindliche Feuer in dem mandschurischen
Kriege erheblich größer war als 1870/71 auf deutscher Seite. Die
Offiziere hatten durchweg viel höhere Verluste als die Mannschaften.
Die Zahl der Gefallenen verhielt sich bei dem Armeekorps der Verff.
zu der Zahl der übrigen Verwundeten wie 1:5,5. Auffallend niedrig
dagegen war der Prozentsatz der nachträglich ihren Wunden Erlegenen,
viel geringer als es aus früheren Kriegen bekannt ist. Die allgemeine
Wundprognose war so günstig wie in keinem Kriege zuvor. Was die
Wiederherstellung der Dienstfähigkeit betrifft, so wurden 3 Monate
nach der Schlacht bei Mukden etwa die Hälfte aller Verwundeten
wieder in der Front vorgefunden, nach der Verff. Ansicht ein glänzen-
des Zeugnis für den miltärischen Wert des russischen Soldaten. Die
Verwundungen durch Nahewaffen haben eine geringe Rolle gespielt.
Noch mehr gilt das von den Verwundungen durch blanke Waffen
allein. Bajonettwunden waren sehr selten. Die landläufige Ansicht,
daß Artillerieverletzungen im allgemeinen schwerer und lebensgefähr-
licher seien als Gewehrverletzungen, ließ sich nicht aufrecht erhalten.
Regionär fielen ?/; aller Verwundungen auf die Extremitäten. Sonst
war die Reihenfolge: Kopf, Hals, Brust und Rücken, Bauch und
Becken. Die Hälfte aller tödlichen Wunde entfiel auf den Kopf,
während die Extremitäten hier nur mit 2% beteiligt sind. Etwa 70%
der Verwundeten konnten das Schlachtfeld zu Fuß verlassen.
Die Verff. halten es für wünschenswert, daß alle Verwundeten
auf den Hauptverbandplatz kommen, damit dort die leitenden Organe
die weiteren Bestimmungen, besonders eine geordnete Evakuierung
anordnen können, anderenfalls eine große Willkür mit unabsehbaren
Folgen in dieser Hinsicht auftreten würde. Bei dem allgemeinen
Charakter der Verwundungen waren operative Eingriffe und besonders
blutstillende Operationen auf den Verbandplätzen in verschwindendem
Umfange notwendig. E. Siegel (Frankfurt a. M.).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 963
2) Borst. Über Wesen und Ursachen der Geschwülste.
(Würzburger Abhandlungen aus dem Gesamtgebiete der praktischen Medizin.)
Würzburg, A. Stuber’s Verlag (C. Kabitzsch), 1906.
Das Wachstum der Geschwülste zeichnet sich von vornherein vor
allen anderen Formen des Wachstums durch seine vom ersten Anfang
an hervortretende Selbständigkeit und Unabhängigkeit (» Autonomie«)
aus. Es unterscheidet sich dadurch prinzipiell von den regenerativen,
hyperplastischen, entzündlichen Wachstumsvorgängen. Die Entdiffe-
renzierung der Geschwulstzellen, die Abnahme der funktionellen, die
Zunahme der vegetativen Kräfte in den Geschwulstzellen erfolgt auf
einer pathologischen Linie.
Was die Atiologie der Geschwülste betrifft, so nimmt B. an, daß
die Keime, welche event. später zu Geschwülsten werden, primär quali-
tativ abnorm sind; es muB eine primäre, auf krankhaften inneren Ver-
hältnissen der Zellen beruhende Disposition für die Entstehung aller
Geschwülste angenommen werden. Diese Disposition kann ererbt sein,
wenn nämlich die atypische Qualität der Zellen auf einer Variation
des Keimplasmas beruht; häufiger ist sie individuell, während der
Entwicklung erworben. Diese angeborene Grundlage ist eine durch
die mannigfaltigsten endo- und exogenen Momente hervorgerufene
pathologische Variation des Idioplasmas der betreffenden Zellen.
Für eine infektiöse Natur der Geschwülste spricht nichts, Ge-
schwiilste sind nie infektids. Bei der Metastasenbildung und »Ver-
impfung« von Geschwiilsten handelt es sich stets um Verschleppung
von Zellen der ersten Geschwulst, die nun zu neuen Geschwiilsten
auswachsen. Traumen, Reize der verschiedensten Art können, aber
nur bei vorhandener Disposition, Geschwulstentwicklung auslösen, nie
aber deren eigentliche Ursache sein.
Weder die Cohnheim’sche Theorie der embryonalen Zellverlage-
rung, noch die Theorie Ribbert’s von der Keimausschaltung im post-
fötalen Leben können befriedigen; derartige Vorkommnisse können
aber als Gelegenheitsursachen bei bestehender Disposition in Betracht
kommen.
Die Theorie des Verf.s kann auch die primäre Multiplizität von
Geschwülsten erklären, es kann ja das gleiche auslösende Moment
mehrere zur Geschwulstbildung disponierte Zellen bzw. Zellkomplexe
zugleich treffen. W. v. Brunn (Rostock).
3) Schwarz et Chevrier. Des lipomes ostéopériostiques.
(Revue de chir. Ann. XXVI. Nr. 1—3.
Unter den Lipomen nehmen die dem Knochen aufsitzenden in
mancher Hinsicht eine Sonderstellung ein, schon durch ihre größere
Seltenheit. Doch zeigen sie manche Eigenheiten, die eine genauere
Bearbeitung dieser Gruppe der Fettgeschwülste rechtfertigen. Durch
ihren oft recht tiefen Sitz, ihre Anheftung an den Knochen in mehr
oder minder großer Ausdehnung, ihre häufigen Beziehungen zu anderen
36*
964 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36.
Organsystemen — Gelenken, großen Gefäßen und Nerven —, ihre
Fähigkeit, selbst den Knochen zum Schwinden zu bringen, oder durch
schnelles Wachstum, besonders in der Kindheit, sogar die Gesamt-
ernährung zu beeinträchtigen, werden sie zu weitaus ernsteren Neu-
bildungen als die Lipome im allgemeinen.
Verff. nehmen zur Atiologie naturgemäß nur unentschieden Stel-
lung, geben für eine Reihe von periostalen Lipomen den kongenitalen
Ursprung zu, bezweifeln ihn für andere, sehr spät aufgetretene. Auch
die von anderen Autoren angegebene Beziehung zur Epiphysenlinie
haben Verff. nur für eine beschränkte Anzahl feststellen können.
Die Differentialdiagnose kann recht große Schwierigkeiten machen,
besonders wenn das Lipom, wie es bei Kindern vorkommt, schnelles
Wachstum zeigt. Doch solle man sich in solchen Fällen, wenn auch
der Ernährungszustand der Befallenen reduziert erscheint, nicht vom
Eingriffe, vor allem der Probeexzision abhalten lassen und in jedem
Falle gründlich und vollständig exstirpieren, um Rückfälle zu ver-
meiden.
Des weiteren wird die Differentialdiagnose mit dem Sitze der
Geschwulst die Abgrenzung von anderen, der Gegend eigentümlichen
Neubildungen — Adenomen, Encephalomen, Angiomen, Dermoiden,
Echinokokken usw. — verlangen. Die Kasuistik der bisher veröffent-
lichten Fälle wird durch eine ganze Reihe von Beobachtungen ver-
mehrt, die gelegentlich einer Diskussion in der Soc. de Chirurgie
mündlich mitgeteilt wurden.
So gibt die Arbeit eine ziemlich abgerundete Darstellung des
Stoffes. Christel (Metz).
4) E. Thesing. Muskelhypertrophie als Unfallfolge,
(Med. Klinik 1906. p. 678.)
T. hat früher auf das Vorkommen teilweiser Muskelhypertrophie
neben Schonungsatrophie nach Unfallverletzungen der Beine hinge-
wiesen. Doch kommt im gleichen Zusammenhange auch die Hyper-
trophie allein vor, als Ausdruck übernormaler Arbeitsanstrengungen
zur Erreichung des gewöhnlichen Arbeitserfolges und damit einer
unfallbedingten Mehrabnutzung des Körpers.
Georg Schmidt (Berlin).
5) Meyer. An experimental study on the recurrence of
lymphatic glands and the regeneration of lymphatic vessels
in the dog.
(Bull. of the Johns Hopkins hospital 1906. Juni.)
M. hat an zwei Hunden mesenteriale, an sechs Hunden die popli-
tealen Lymphknoten, zum Teil zugleich auch das umgebende Fett-
gewebe entfernt. Eine Regeneration ist nach Ansicht des Verf.s
nicht eingetreten. M. hat die Tiere nach 7 bis zu 161 Tagen getötet,
die ganze Gegend der Operationsstelle in Serien- bzw. Stufenschnitte
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 965
zerlegt und diese untersucht. Höchstens an ganz jungen Individuen
hält er eine Regeneration in beschränktem Umfange für möglich.
Bei acht Hunden unterband bzw. resezierte er große Lymph-
stämme; auch nach 91 Tagen war von Regeneration nichts zu be-
merken. | W. v. Brunn (Rostock).
6) Taylor. The effect upon glandular tissue of exposure
to the X-rays.
(Annals of surgery 1906. Hft. 3.)
T. verwirft die Betrahlung der Geschwülste mit Röntgenstrahlen
in allen Fällen, in welchen eine radikale Operation möglich ist. Die
Haut und das Fettgewebe werden durch die Bestrahlung hart, die
Neubildungen härten sich und lassen sich aus ihrer Umgebung schlecht
ausschälen, so z. B. tuberkulöse Drüsen am Halse; die durch die nach-
her nötig gewordene Operation gesetzte Operationswunde heilt erheb-
lich schlechter als die von unbestrahltem Gewebe. Die Bestrahlung
soll nach T. nur in operablen Fällen und in den übrigen als Nach-
behandlung nach der Operation zur Verhütung von Rezidiven an-
gewandt werden. Herhold (Altona).
7) Budde. Über die chemische Untersuchung chirurgischer
Nähseide.
(Deutsche militärärztliche Zeitschrift 1906. Mai.)
B. bestimmte chemisch den Feuchtigkeitsgehalt der drellierten und
der geflochtenen Seide (Turner), ferner deren Aschebestandteile, den
Gehalt an Seidenbast und Seidenfibroin. Er kommt zu folgenden
Schlüssen: 1) Für sehr alte chirurgische Nähseiden kann nur ein
Festigkeitsprüfer entscheiden, ob sie noch genügende Haltbarkeit be-
sitzen, weil es unbegrenzt haltbare Nähseiden nicht gibt. 2) Chirur-
gische Nähseiden, die weniger als 19% Seidenbast oder mehr als
71% Seidenfibroin enthalten, sind nur beschränkt haltbar. Die ge-
flochtenen Seiden (Turner) haben deshalb geringere Haltbarkeit, weil
ihr der Seidenbast entzogen ist, und Schutz gegen Lufteinflüsse fehlt.
3) Das Sterilisieren einer chirurgischen Nähseide durch Auskochen
mit einer Sodalösung ist nicht zu empfehlen, weil Soda der Seide den
Bast entzieht und schädigend auf die Festigkeit wirkt. 4) Auch das
Einwicklungspapier spielt beim Aufbewahren von Seide insofern eine
Rolle, als die meisten Handelspapiersorten Sulfite enthalten, die zer-
setzend auf die Gewebe einwirken. Herhold (Altona).
$) C. Beck. Über eine neue Methode der Deckung von
Schädeldefekten.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXX. Hft. 1.)
Zur Deckung von Schädellücken, bei denen es vornehmlich
darauf ankommt, Verwachsungen mit der Gehirnoberfläche zu ver-
966 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36.
meiden, empfiehlt B., die Temporalfascie zu verwenden. Er schildert
die Operation und den Erfolg bei einem Fall, in dem er dies Verfahren
angewendet hat. Der Lappen wird von der Umgebung der Lücke
hergenommen und so umgestülpt, daß das Periost nach außen, die
Fascie nach innen zu liegen kommt. E. Siegel (Frankfurt a. M.).
9) B. Gomperz. Pathologie und Therapie der Mittelohr-
entzündungen im Säuglingsalter.
Wien, Josef Säfar, 1906.
In einer ausführlichen, auf eigener Erfahrung und gründlicher
Literaturkenntnis basierenden Monographie behandelt Verf. das obige
Thema. Chirurgisch erwähnenswert ist, wie auch hier die Versuche,
die Parazentese einzuschränken, als fast abgetan angesehen werden.
Mit Recht warnt Verf. vor Anwendung von Hammer und Meißel bei
Eimpyemoperationen von Kindern unter 6 Monaten und empfiehlt
dringend, langsam präparierend vorzugehen, um so ein unvorher-
gesehenes Eindringen in die Schädelhöhle zu vermeiden. Die Jodo-
formbehandlung bei der Warzenfortsatztuberkulose möchte Ref. doch
nicht missen. Wenn auch die moderneren Antiseptika, wie Isoform,
Vioform usw., bei der Nachbehandlung von Warzenfortsatzoperationen
wegen des Niederhaltens allzu üppiger Granulationsbildung vorzuziehen
sind, so hat sich doch die Anwendung des Jodoforms, speziell auch
Jodoform-Glyzerins, allerorten bewährt.
F. Alexander (Frankfurt a. M.).
10) R. Hammerschlag. Behandlung der Trigeminusneuralgie
mit Perosmiumsäure.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXIX. Hit. 4.)
Die Osmiumsäure ist schon seit 20 Jahren in Gebrauch bei
Trigeminusneuralgien. Die Literatur über das Mittel ist freilich eine
relativ geringe. Die großen chirurgischen Operationen bis zur Exstir-
pation des Ganglion Gasseri waren aber eine zu bedeutende Kon-
kurrenz für das nicht stets sicher wirkende Medikament. Indessen
rechtfertigten die Tatsache, daß z. B. Garré auch nach der Ganglion-
exstirpation ein Rezidiv erlebte, wie die hohe Mortalität des Eingriffes
selbst in geschicktester Hand die Versuche, die man neuerdings wieder
mit der. Injektion von Osmiumsäure macht. Verf. hat selbst acht
Fälle seit 1898 mit diesem Medikament behandelt. Er verwandte eine
1%ige Lösung und injizierte bei acht Fällen bloß ins Foramen intra-
orbitale und mentale auf subkutanem Wege. Ein Fall wurde bloß
gebessert, bei den anderen sind die Schmerzen 4 Monate bis 4 Jahre
ausgeblieben. Nach Ansicht des Verf.s liegt es mit der Therapie für
die Trigeminusneuralgie heutzutage so, daß wir dasjenige Mittel für
das geeignetste ansehen müssen, das auf einfachste Art den Eintritt
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 967
der Rezidive am weitesten hinausschiebt. Die rezidivfreie Zeit, nicht
die sog. Heilung entscheidet. Diesen Anforderungen geniigt am besten
die Osmiumsäure. Die Rezidive treten sowohl nach operativen Ein-
griffen, wie nach Einspritzungen von Osmiumsäure ein, wenn die Ner-
ven sich regeneriert haben. Die Amerikaner haben den Versuch
gemacht, dies dadurch zu verhüten, daß sie das Foramen ovale oder
rotundum mit Metallplatten, mit sterilem Wachs oder mit Gummi-
gewebe verlegten. Verf. selbst macht einen ähnlichen Vorschlag mit
Paraffininjektion, den er aber bisher am Menschen nicht erprobt hat.
E. Siegel (Frankfurt a. M.).
11) J. Mouret. De la résection sous-muqueuse du squelette
de la cloison nasale déviée.
(Rev. hebdom. de laryngol., d’otol. et de rhinol. 1905. Nr. 43.)
Verf. beschreibt sein Verfahren, welches er ohne Kenntnis der
Methoden von Krieg, Bönninghaus und Killian sich in mühevollen
Versuchen ausgebildet und an zahlreichen Fällen erprobt hat. Zur
Ausführung des Schleimhautschnittes wendet er den Galvanokauter an,
erhält die Schleimhaut der konvexen Seite und verzichtet, wie wohl
die meisten Rhinologen, auf die Anlegung von Nähten. Im übrigen
vermeidet er die Konstruktion von speziell hierfür allein geeigneten
Instrumenten. Die Beseitigung von Verdickungen des Septums genügt
meist nicht, die dieselbe begleitende Verbiegung müsse auch entfernt
werden. Verf. gibt dann eine Übersicht über die möglichen Devia-
tionen, an denen Vomer, Lamina perpendicularis und Knorpel allein
oder kombiniert teilnehmen können. Die Häufigkeitsskala der beob-
achteten Deviationen war nach seiner Erfahrung folgende:
1) Luxation des unteren und vorderen Knorpelrandes;
2) Deviation und Luxation an der Vomer-Knorpelgrenze;
3) seitliche Verkrümmung des Knorpels (gebogen, winklig, S-férmig) ;
4) Deviation mit Beteiligung aller drei Komponenten (Vomer,
Knorpel und Lamina perpendicularis);
5) Deviation an der Knorpel-Siebbeingrenze ;
6) Luxation der Knorpel-Siebbeingrenze.
Die genaue Beschreibung der submukösen Resektion bietet wenig
Abweichungen von den deutschen Methoden, speziell der Killian’schen.
Verf. hält die submuköse Injektion des Anästhetikum für überflüssig.
F. Alexander (Frankfurt a. M.).
12) O. Freer. Die submuköse Fensterresektion der Nasen-
scheidewand, nach eigener Methode ausgeführt.
(Archiv für Laryngologie u. Rhinologie Bd. XVIII. Hft. 1.)
Von der Killian’schen Methode unterscheidet sich diejenige des
Verf.s vor allem durch die Lage und Form des Schleimhautschnittes.
Während Killian und mit ihm Hajek und Menzel einen geraden,
ziemlich vertikalen, dicht hinter dem Naseneingang unter allen Verhält-
968 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36.
nissen ausführen, zieht F. je nach der Form der Verbiegung es vor,
den Schnitt event. auch als Lappenschnitt auf den vorstehenden
Partien der Scheidewand zu führen. Verf. erläutert genau seine Me-
thode, für die er ein reichhaltiges Instrumentarium konstruiert hat;
besonders praktisch erscheint die kräftige Zange, welche die Anwen-
dung des Meißels entbehrlich machen soll.
F. Alexander (Frankfurt a. M.). °
13) V. Delsaux. La cure rationnelle des suppurations mul-
tiples des cavites annexes des fosses nasales. Présentation
de malade guérie.
(Revue hebdom. de laryngol., d’otol. et de rhinol. 1906. Nr. 8.)
Bei kombinierten Nebenhöhleneiterungen, die endonasalen Maß-
nahmen getrotzt, führt D. folgende Operation aus: Schnitt von der
Mitte der Augenbraue am inneren Augenwinkel entlang bis zur Naso-
labialfalte, Eröffnung der Stirnhöhle im innersten Winkel ihrer unteren
Wand, von da ausgehend Resektion ihrer vorderen und unteren Wand,
Entfernung des lateralen Teiles des Nasenbeines und aufsteigenden
Kieferfortsatzes; bis hierhin wird die Nasenschleimhaut geschont.
Dann wird am hängenden Kopfe die Schleimhaut durchtrennt und das
ganze Siebbein entfernt, event. auch die vordere Keilbeinhöhlenwand;
sodann wird mit einer schneidenden Zange die Highmorshöhle an
ihrem vorderen, oberen, inneren Winkel eröffnet und die vordere und
innere Wand entfernt. Hierauf folgt eine gründliche Auskratzung,
lockere Tamponade und Naht. Die Entstellung soll minimal sein.
Verf. führt fünf derartig operierte Fälle an. Wenn die Entstellung
tatsächlich so minimal ist, so würde das Verfahren eine Vereinfachung
der Killian’schen Methode bedeuten und wegen seiner breiten Über-
sichtlichkeit den Vorzug verdienen. Übrigens ist Grumert schon
ähnlich vorgegangen. (Zeitschrift für Augenheilkunde Bd. XII.)
F. Alexander (Frankfurt a. M.).
14) M. Donati. Über die akute und subakute Osteomyelitis
purulenta der Wirbelsäule.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXIX. Hft. 4.)
Verf. veröffentlicht die Krankengeschichte eines Falles von Osteo-
myelitis purulenta subacuta, den er selbst beobachtet und operiert hat.
Als Eitererreger fand er den Staphylokokkus pyogenes albus. Lokali-
siert war der Prozeß im linken Wirbelbogen, Bogenhals und im
Körper des zweiten und dritten Brustwirbels. Nach Inzision des
Abszesses und Entfernung mehrerer unregelmäßiger Sequester gingen
die Kompressionserscheinungen, die von seiten des Rückenmarkes vor-
her bestanden hatten, zurück und es trat völlige Heilung ein ohne
Deformität der Wirbelsäule mit Restitution des Ganges und der
Reflexe. Im Anschluß an diese Beobachtung und an ein eingehendes
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 969
Studium der in der Literatur vorhandenen Fälle gibt Verf. eine
Monographie über das Leiden. Aus der Betrachtung scheidet er alle
Fälle von Kreuzbeinosteomyelitis aus.
Die eitrige Osteomyelitis ist beim männlichen Geschlechte häufiger
als beim weiblichen, da das erstere häufiger Traumen erleidet, die
unter den Ursachen eine Rolle spielen. Betroffen ist vornehmlich das
zweite Lebensdezennium. Die Eintrittspforte der Erkrankung ist bei
einer größeren Zahl von Fällen ein eitriger lokaler Prozeß, meist weit
entfernt von der Wirbelsäule. Bei dem weiblichen Geschlecht ist
häufiger der Brustteil, beim männlichen der Lendenteil der Wirbelsäule
betroffen. Bei der Halswirbelsäule ist ein Unterschied bezüglich der
Geschlechter nicht nachweisbar. Ein einziger Wirbel ist öfters befallen
als mehrere zu gleicher Zeit, im Gegensatze zur tuberkulésen Osteo-
myelitis. Mit Vorliebe sind die Wirbelbögen und die Fortsätze be-
fallen; seltener die Wirbelkörper. Am häufigsten sitzt die Osteo-
myelitis in den Dornfortsätzen, weniger oft in den Bogenschenkeln,
am seltensten in den Querfortsätzen. Der entzündliche Prozeß kann
bloß das Periost oder dieses und die oberflächlichsten Knochenlamellen
befallen, oder aber ausgedehnter sein. Die Sequesterbildung ist nicht
konstant. Der Abszeß bricht sich meist nach hinten Bahn, kann aber
auch in den Wirbelkanal durchbrechen und das Rückenmark kompri-
mieren. Bei der Osteomyelitis der Wirbelkörper kommt es häufig zu
pyämischen Vorgängen, zu Metastasen in den Knochen, Gelenken und
Eingeweiden.
Am häufigsten ist die akute Form der Wirbelosteomyelitis, deren
Verlauf in einzelnen Fällen außerordentlich rasch und stürmisch sein
kann. Die subakute Osteomyelitis ist seltener und hat meist einen
günstigen Ausgang im Gegensatze zur akuten, die sehr häufig tödlich
verläuft. Am schwersten sind die Fälle, die sich im Wirbelkörper
abspielen. Die Symptome sind natürlicherweise von der Lokalisation
in der Wirbelsäule abhängig und für Hals-, Brust- und Lendenteil
sehr verschieden.
Die Diagnose kann sehr schwierig sein, weil oft Allgemein-
symptome in den Vordergrund treten, oder eine Komplikation, wie
Pneumonie, Pleuritis, das Krankheitsbild beherrscht. Am wichtigsten
ist für die Diagnose der spontane oder auf Druck hervorgerufene
Schmerz an der Wirbelsäule, die Schmerzhaftigkeit bei Bewegung der
letzteren, und die vom Kranken zur Immobilisierung derselben ange-
nommene Lage.
Die Therapie des Leidens kann nur eine chirurgische sein. Der
Eingriff besteht in frühzeitiger Eröffnung des Abszesses, event. Aus-
kratzung des Knochens, Abtragung nekrotischer Knochenteile oder
freier Sequester und gegebenenfalls Eröffnung des Rückgratkanales, falls
Zeichen von Ausbreitung des Eiters auf diesen vorhanden sind. Die
Heilung ist oft eine langwierige, da sich noch weitere Sequester ab-
stoßen können. Manchmal ist ein erneuter Eingriff erforderlich.
E. Siegel (Frankfurt a. M.).
36**
970 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36.
15) H. Schlesinger (Wien). Die Therapie der Basedow-
schen Krankheit.
(Wiener klin. Rundschau 1906. Nr. 17.)
Es dürfte für den Chirurgen interessant sein, in einer Zeit, die
uns unter Kocher’s Führung in der chirurgischen Therapie und In-
dikationsstellung weit vorwärts gebracht hat, einmal von sachkundiger
Seite die internen Mittel gegen dies Leiden zusammengestellt zu finden.
Für den Chirurgen wird es wesentlich sein, daß man mit immer
größerem Nachdruck vor der Anwendung der Thyreoideapräparate
warnt. Aber auch die zahllosen anderen Mittel werden in dem vor-
liegenden Vortrage fast durchweg mit der Kritik versehen, daß sie
»in einzelnen Fällen«e oder unter gleichzeitiger Anwendung von All-
gemeinbehandlung und Vermeidung von Schädlichkeiten Besserung
gebracht, oder auch versagt haben. Jedenfalls werden die Mittel ihren
Wert behalten beim akuten Stadium und in leichten Fällen. Aber
es ist doch sehr fraglich, ob man so weit gehen darf, wie S., der die
Operation für die schwersten Fälle aufbewahrt wissen will. Er sagt:
»Die Operation ist anzuraten in den Fällen, in welchen die Krankheit
völlige Erwerbsunfähigkeit hervorruft, in welchen der Kranke die Be-
seitigung des Leidens wünscht, selbst wenn er die Gefahren der Ope-
ration kennt. Sind einzelne, besonders schwere Erscheinungen vor-
handen, wie sehr schwerer Exophthalmus mit drohender Keratitis, sehr
große Struma mit oder ohne Stenosensymptomen, beginnende Kachexie,
schreiten die Symptome trotz entsprechender interner Therapie weiter
fort, so ist ebenfalls eine Operation zweckmäßig.« — Ich glaube, wenn
uns die interne Medizin nur diese Fälle zuweisen wollte, dann kämen
wir freilich nicht weit mit der chirurgischen Therapie.
S. gibt zum Schluß der Hoffnung Ausdruck, daß es in absehbarer
Zeit mit Hilfe gefahrloser Methoden gelingen wird, den M. Basedowi
rasch zu heilen. Schmieden (Bonn).
16) G. Frey. Über regionäre Anästhesierung des Kehlkopfes.
(Archiv für Laryngologie u. Rhinologie Bd. XVII. Hit. 2.)
Nach ausgiebigen Vorversuchen an der Leiche mit Methylenblau-
injektionen gelang es Verf., am Liebenden den Kehlkopf durch peri-
neurale Injektion des Ramus internus des N. laryngeus sup., welcher
die meisten sensiblen Fasern führt, zu anästhesieren. Die Injektions-
stelle liegt zwischen großem Zungenbeinhorn und oberem Horn des
Schildknorpels etwa 3 cm von der Mittellinie. Eine 1—1,5 ige Lösung
von Kokain mit einem geringen Zusatz von Adrenalin genügte voll-
ständig; und zwar wurden auf jeder Seite 1 ccm injiziert. Die Wahr-
scheinlichkeit, die Arteria laryngea superior anzustechen, ist nicht
groß, da dieselbe wohl meist ausweicht, wenn man in ihre Nähe kommt,
und man hier außerdem nicht bis auf die Membrana thyreo-hyoidea,
wo die Arterie liegt, vordringt. Eine Pinselung des Velum und der
Rachenwand genügen dann, um das ganze Kehlkopfgebiet unempfind-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 971
lich zu machen. Die Anästhesie beginnt nach 5—20 Minuten, meist
vergehen 2—3 Stunden bis zum Wiedereintritt der Reflexerregbarkeit.
Mit der Anästhesie trat zugleich eine sehr starke Anämie der Schleim-
haut auf; Verf. läßt es dahingestellt sein, ob dies eine Adrenalin-
wirkung auf das Sympathicusgeflecht der Arteria laryngea selbst sei
oder eine Reizung der Vasokonstriktoren, die im N. laryngeus liegen;
25 Versuche an Pat. mit den verschiedensten Kehlkopfsaffektionen
dienten zur Erprobung der Methode; durch systematische Sondierung,
Milchsäurepinselung, Kauterisation, Entfernung von Papillomen wurde
der Beweis der Brauchbarkeit der Methode geliefert. Verf. glaubt dem
Verfahren auch für die Bronchoskopie einen hohen Wert beimessen
zu dürfen. Die genauen Einzelheiten der Technik sind im Originale
nachzulesen. F. Alexander (Frankfurt a. M.).
17) Otten. Zur Röntgendiegnostik der primären Lungen-
karzinome.
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. IX. Hft. 6.)
Verf. hat seine Erfahrung an 21 autoptisch untersuchten Fällen
gesammelt, von denen 13 an Lebenden der Untersuchung mit Röntgen-
strahlen unterworfen wurden. Letztere ergab, daß die Lokalisation
und Art der Ausbreitung der primären Lungen- bzw. Bronchial-
karzinome eine wechselnde ist. Am häufigsten scheinen diejenigen
Neubildungen vorzukommen, die einen Lappen einnehmen, in zweiter
Linie solche, die am Hilus einseitig kleinere oder größere solide In-
filtrationen hervorrufen, mit herdförmiger Ausbreitung in der Um-
gebung, endlich jene Form, die der multiplen, herdförmigen entspricht.
Differentialdiagnostisch kommen vor allem Mediastinalgeschwülste im
engeren Sinne, Aneurysmen der Aorta, endlich Tuberkulose, Gangrän,
Abszesse, Bronchiektasien, Pleuraschwarten in Frage; beachtenswert
ist, daß die Lungenspitzen bei den Oberlappenkarzinomen verhältnis-
mäßig frei bleiben.
Wenn es auch nicht gelingen dürfte, ein primäres Lungen-
karzinom allein mit Hilfe der Röntgenstrahlen frühzeitig zu diagnosti-
zieren, so gibt doch das Röntgenogramm über die genaue Lokalisation,
die Art der Ausbreitung und den Umfang einer solchen Neubildung
den sichersten Aufschluß.
Die Arbeit ist durch zahlreiche instruktive Röntgenbilder illustriert.
Gaugele (Zwickau).
18) J. B. Murphy. Axillary and pectoral cicatrices following
the removal of the breast, axillary glands and connective
tissue for malignant or other diseases.
(New York and Philadelphia med. journ. 1906. Januar 6.)
M. empfiehlt zur Vermeidung störender Narbenverhältnisse an
der Achselgegend nach Ausräumung bei Amputatio mammae die
Deckung der bloßgelegten Gefäße und Nervenstämme mit einem
972 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36.
Muskellappen. Venöse Stauung, Lymphödem am Arm, Schmerzen
im Verlauf der Armnerven sind bedingt durch die Verwachsung der
Gefäße und Nerven mit Narbenmassen, die sich besonders reichlich
dann entwickeln, wenn ein freier Raum in der Achselhöhle nach der
Operation bestehen bleibt. Die spätere Abduktionshemmung wird
ferner wesentlich durch die früher allgemein übliche Feststellung des
Armes am Brustkorb nach der Operation begünstigt. Deshalb ver-
bindet auch M. in mäßiger Abduktionsstellung des Oberarmes (ca. 60°)
mit dem Erfolg, daß die Kranken 3—4 Monate nach der Operation
mit der Hand bis über den Scheitel greifen können. Die Muskel-
plastik nimmt er in der Regel so vor, daß er nach Entfernung der
Pectoralisfascie und des größten Teiles des Muskels seine untere
Partie an der Brust ablöst, distalwärts aber im Zusammenhang läßt;
er erhält so einen länglichen Lappen, der nach dem Proc. coracoid.
zu in die Achselhöhle eingeschlagen und mit einigen Stichen so an-
genäht wird, daß er die Nerven und Gefäße deck. Man kann auch
den Lappen aus dem Latissimus oder dem Subscapularis bilden. Er-
höhung der Rezidivgefahr durch Verwendung des Pector. major.
fürchtet M. nicht; die Rezidive bilden sich in der Fascie, nicht aber
in der Substanz des Muskels selbst. Zunächst besteht eine Verdickung
in der Achselhöhle, die aber durch Atrophie des Muskels bald ver-
schwindet. Lengemann (Bremen).
Kleinere Mitteilungen.
I.
Pharyngotomia suprahyoidea.
Von
Dr. L. Grünwald in Bad Reichenhall-München.
In der mir heute zu Gesicht gekommenen Nr. 29 des Zentralblattes beschreibt
Herr Prof. Spisharny einen Fall, den er der in der Überschrift bezeichneten
Operation unterzogen hat, und nimmt an, daß dies der erste derartige am leben-
digen Menschen unternommene Eingriff sei.
Ohne Kenntnis von dem Vorschlage Jeremitsch’s habe ich dieselbe Opera-
tion bereits vor über 3 Jahren an einem alten Manne wegen eines Sarkoms der
Epiglottis ausgeführt, und zwar ebenfalls in der Erwägung, die Nn. laryng. sup.
zu schonen und die Operationsgegend besser zugängig zu machen. Unbeschadet
anderweitiger Mitteilungen dürfte dies also die erste Operation ihrer Art ge-
wesen sein.
Wie ich in einer eben unter der Presse befindlichen Arbeit über Kehlkopf-
tuberkulose bereits zu berichten in der Lage war (p. 126), ist der Schnitt auch be-
züglich der Übersicht dem subhyoidalen vorzuziehen; am auffälligsten war mir,
wie ich hier hinzufügen möchte, die bequeme Freilegung der Tonsillen.
Ich habe die Operation ebenfalls ohne Tracheotomie bei gesenktem Kopfe
vorgenommen.
Eine Kleinigkeit möchte ich noch erwähnen: In meinem Falle sank der Kehl-
kopf, da die das Zungenbein nach oben ziehenden Muskeln durchschnitten waren,
auch nach der Etagennaht noch nach unten. Ich habe mir dadurch geholfen, daß
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 973
das Zungenbein mit einem starken doppelten Seidenfaden umstochen und mittels
Matratzennaht, die über eine submental gelegte Gazerolle geknotet wurde, nach
oben fixiert wurde.
I.
Die nachträgliche Entfernung eingewachsener
oder eingeklemmter Gazestreifen.
Von
Oberarzt Dr. Carl Lauenstein in Hamburg.
Dr. M. Mori aus Japan empfiehlt in Nr. 33 d. Bl. zu dem Zwecke, ein-
gewachsene oder eingeklemmte Gazestreifen nachträglich aus Wundkanälen zu
entfernen, eine neue Curette, die ihm mehrere Male gute Dienste getan hat. Das
von ihm angeschlagene Thema hat in der Tat eine praktische Bedeutung, so daß
es wohl wert ist, weiter besprochen zu werden. Solche Gazestreifen oder Hüllen
Mikulicz’scher Tampons, wie man sie nach Bauchhöhlenoperationen und be-
sonders nach Operation von gonorrhoischen Adnexerkrankungen einlegen muß,
haften oft sehr fest. Aber ich habe noch niemals Mißerfolge erlebt in der Ent-
fernung. Der einfache Zug genügt in solchen Fällen deshalb nicht, weil er auf
alle Haftungsstellen des Gazestückes in seinem ganzen Lager auf einmal wirkt.
Wir verwenden seit vielen Jahren einen sehr einfachen Handgriff, der uns nie im
Stiche gelassen hat, das ist das Herausdrehen des Gazestreifens. Wir fassen das
hervorstehende Ende des Gazestreifens oder Tampons mit einer Spencer-Wells-
schen Arterienklemme und drehen diese Klemme langsam und kontinuierlich um ihre
Längsachse. So wird die Gaze in ihrem Kanale schrittweise gelöst, und zwar in
umgekehrter Richtung eines Zuges an dem herausstebenden Gazeende. Der Theorie
genau entsprechend, daß jede Umdrehung des Gazestreifens eine beschränkte Zone
löst, und daß diese Lösung gleichmäßig in die Tiefe fortschreitet, hat sich die
Praxis dieses Handgriffes durch lange Jahre mir bewährt. Ich möchte daher
empfehlen, in Fällen, wo ein einfacher Zug nicht ausreicht, den Gazestreifen aus
seinem Kanale zu entfernen, vor Anwendung des Mori’schen Instrumentes erst
noch zu versuchen, ihn herauszudrehen. Ich füge hinzu, daß meiner Erfahrung
nach das beste Material für Gazedrainage solche Gazestreifen sind, die man sich
nicht selbst schneidet, sondern die zwei gewebte und infolgedessen nicht fasernde
Kanten baben. Alle Verbandstoff-Fabriken liefern derartige sehr praktische, streifen-
artige Gazestücken in verschiedenen Breiten.
17. August 1906.
19) F. Reinhard. Zur Tamponfrage.
(Med. Klinik 1906. p. 735.)
R. führt in die Wundöffnungen einen oder mehrere gedrehte und mit Karbol-
wasser gut getränkte Stiele von Verbandwatte ein, deren etwas aufgedrehtes
Außenende auf der umgebenden Haut mit aufliegt (»Watte-Pilz-Tampon«). Der
Tampon bleibt vollkommen schlüpfrig, klebst niemals an, läßt sich schmerz-
los entfernen. Der Eiter läuft an seinen Seiten heraus.
Georg Schmidt (Berlin).
20) Schlesinger. Myositis gonorrhoica apostematosa.
(Deutsche militärärztl. Zeitschrift 1906. Juni.)
Bei einem Kanonier traten 1 Monat nach einer gonorrhoischen Infektion am
rechten Unterarm und an der rechten Wade in den Muskeln liegende knotige Ver-
dickungen ein. An der Wade führte die Verhärtung zur Vereiterung, so daß eine
Spaltung notwendig wurde. In dem aus diesem Muskelabszeß entleerten Eiter
wurden Gonokokken nachgewiesen. Herhold (Altona).
974 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36.
21) V. Putti. Die primären Muskelangiome als Ursachen von Defor-
mitäten.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXIX. Hit. 4.)
Verf. veröffentlicht die Krankengeschichte von zwei Pat. mit primären Muskel-
angiomen, welche sich als die Ursache von Deformitäten erwiesen. Im ersten Falle
hatte Pat. seit frühester Jugend Schmerzen in der Wade. Er suchte dann erst
chirurgische Hilfe auf, als der Prozeß sich auf den ganzen Gastrocnemius ausbrei-
tete, durch Retraktion der Achillessehne eine Equinusstellung des Fußes hervor-
rief und neben Erschwerung des Ganges die Schmerzen ins Unerträgliche steigerte.
Beim zweiten Falle hatte die Geschwulst die Muskulatur des Fußes, den Gastro-
cnemius und den Glutaeus maximus in Mitleidenschaft gezogen. Die Funktions-
störung der Extremität war also noch eine größere. In beiden Fällen erwies sich
bei der Operation das Muskelgewebe fast ganz in einen mit Blut vollgesogenen
Schwamm verwandelt. Die histologische Untersuchung entsprach den von früher
bekannten Befunden. Auffällig war eine mächtige Neubildung von Bindegewebe
und der Reichtum an Kapillaren. E. Siegel (Frankfurt a. M.).
22) O. Nordmann. Erfahrungen über Stauungshyperämie bei akuten
Entzündungen.
(Med. Klinik 1906. p. 751.)
N. berichtet unter Mitteilung zahlreicher Krankengeschichten über 60—70 Fälle
der Körte’schen Abteilung in Berlin. Die Technik war genau die von Bier
angegebene. Auf sorgfältige Pflege der Haut in der Umgebung der Wunden
wurde besonders geachtet. Der Arzt selbst hat die Lage der Stauungsbinde
dauernd zu prüfen. Wichtig ist eine häufige Untersuchung des Urins auf Eiweiß,
um eine Nierenschädigung durch Bakteriengifte, die von den nicht breit geöffneten
Entzündungsherden her aufgesaugt werden, rechtzeitig zu erkennen und sofort den
Eiter völlig zu entleeren.
Bei beginnenden Entzündungen liegt der Hauptwert in der Linderung der
Schmerzen, bei Panaritien außerdem in der Ersparung breiter Schnitte und der
lästigen und quälenden Ausstopfung der Wunden, bei Sehnenscheideneiterungen
schließlich noch in der Wiederherstellung voller Gebrauchsfähigkeit. Schmerz-
stillung und gutes funktionelles Ergebnis treten ebenso deutlich bei akuten Gelenk-
infektionen hervor. Weiterhin wurden gute Erfolge bei vereiterten komplizierten
Knochenbrüchen erzielt; derartige Verletzungen konnten dank der Stauung in
letzter Zeit ganz konservativ behandelt werden; nur ist etwaigen Sekretverhaltungen
usw. durch kleine Einschnitte Abfluß zu verschaffen.
Mißerfolge ergaben sich bei der Stauung der Fascienphlegmonen, vermutlich,
weil die hierbei an sich ungünstigen Ernährungsverhältnisse eine Stauungshyper-
ämie nicht aufkommen lassen. Das Saugverfahren für Abszesse, Furunkel, Naht-
sticheiterungen, Mastitis versagte nur in einem Fall eines großen Nackenkarbunkels,
der schließlich herausgeschnitten werden mußte. Eine Osteomyelitis des Schien-
beines und Oberschenkelknochens wurde durch lange Zeit fortgesetzte Stauung
nicht beeinflußt. Die im Innern des Knochens befindlichen Eiterherde scheinen
der Stauungshyperämie nicht zugänglich zu sein. Auch vermag die örtliche Stau-
ungsbehandlung ja nichts gegen die Allgemeininfektion der Blut- und Lymphwege
bei der Osteomyelitis.
Bei Entzündungen am Schädel wurde aus Furcht vor Kreislaufsstörungen im
Gehirn nicht gestaut.
Wenn auch das eigentlich Wirksame des Stauungsverfahrens noch unbekannt
ist, so bringt es doch praktische Erfolge und ist deshalb kritisch weiter zu be-
nutzen, allerdings nicht in der ärztlichen Praxis. Wohl aber kann die Saug-
behandlung ambulant durchgeführt werden.
Von der prophylaktischen Stauungshyperämie bei frischen Verletzungen rät
N. ab, weil sie öfter zu stärkerer Absonderung führt und damit die Heilung unter
dem trockenen Blutschorfe verhindert, weil sie häufig überflüssig ist, den Arzt
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 975
übermäßig belastet, und weil schließlich bei eintretender Infektion die sofort
angewandte Stauung immer noch früh genug kommt, selbst wenn es sich um
infizierte Sehnenscheiden und Knochenbrüche handelt.
Georg Schmidt (Berlin).
23) W. Lossen. Bier’sche Stauungsbehandlung bei Sehnenscheiden-
phlegmonen und anderen akuten Entzündungen.
(Med. Klinik 1906. p. 650.)
Im Gegensatz zu den Mißerfolgen bei der bisherigen Behandlung der Sehnen-
scheidenphlegmonen heilten unter der seit 1Jahr angewandten Stauungshyperämie von
12 Fällen der Bardenheuer’schen Abteilung in Köln 10 mit voller oder nahezu voller
Beweglichkeit und halber bis voller Kraft; 1 Fall heilte mit halber Beweglichkeit;
1 Fall, in welchem gleichzeitig Nekrose des Grundgliedes bestand, führte zur Ab-
stoßung der Sehne. Darunter waren 7 schwere V-Phlegmonen; bei 6 wurde volle,
bei 1 halbe Beweglichkeit erzielt. Auch bei beginnenden Gelenkvereiterungen
gelingt es in der Regel, der Eiterung Einhalt zu tun und (bei 7 von 9 Fällen)
volle oder nahezu volle Beweglichkeit zu erzielen. Ein schwerer Mißerfolg war
unter Stauung und kleinem Einschnitt bei einer Schultervereiterung nach Messer-
stich zu verzeichnen; erst ausgedehnte Schulterresektion brachte die schwere Sepsis
zur Heilung. Teilweise sehr günstige Ergebnisse werden bei Osteomyelitis be-
richtet (9 Fälle), gute bei Parulis (10) und Karbunkeln (16), wobei gestaut und
gesaugt wurde. Erfreuliches wurde ferner gesehen bei phlegmonöser Schleimbeutel-
entzündung (7), großen Abszessen und vereiterten Hämatomen (4, Dauer 11 Tage),
Phlegmonen (8, Dauer 10 Tage), vereiterten Achseldrüsen (9, Dauer 18 Tage),
Lymphangitis, Lymphadenitis (7, Dauer 10 Tage), Panaritien, vereiterten Wunden,
Fadenfisteln, Ekzem usw.
Weniger gut wirkte die Stauung bei Leistenbubonen, besonders den noch nicht
völlig vereiterten, bei Panaritium osseum, Thrombophlebitis; ungünstig bei drohen-
der Hautnekrose zweier ausgedehnter, diffus infiltrierender Panaritien und bei
zwei Fällen diabetischen Brandes.
In allen anderen, im ganzen 127, stationär behandelten septischen Entzün-
dungen war der Nutzen namentlich hinsichtlich der Abkürzung der Behandlungs-
dauer nnd der Wiederherstellung der Gebrauchsfähigkeit unverkennbar.
Die Eiterherde wurden durch kleine, auch mehrfache Schnitte und, wenn nötig,
von da aus durch stumpfe Ablösung der Haut- und Muskelzwischenräume ausgiebig
eröffnet. Beim Nachlassen des Stauungs- und Entzündungsödems zog man Heiß-
luftbehandlung bis 60° und Lichtbäder zu Hilfe. Georg Schmidt (Berlin).
24) Lop (Marseille. Tetanus suraigu, consecutif & l’emploi preventif
de serum antitetanique.
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXII. p. 184,)
L. berichtet über einen Fall, bei dem im Anschluß an eine stark beschmutzte
Fingerverletzung trotz sofort (1 Stunde 10 Minuten) nach dem Unfall eingeleiteter
und mehrfach wiederholter Behandlung mit trockenem Tetanusserum, 8 Tage nach-
her Tetanuserkrankung auftrat, die nach 36 Stunden zum Tode des Pat. führte.
Er hat weitere acht Fälle zusammenstellen können, in denen trotz prophylaktischer
Seruminjektion Tetanus ausbrach, und wirft die Frage auf, ob nicht vielleicht
sogar die Tetanuserkrankung erst eine Folge der Serumanwendung gewesen sein
könnte, und ob die Serumbehandlung nach bereits erfolgter Infektion überhaupt
noch wirksam sei.
Tuffier macht in der Diskussion darauf aufmerksam, daß bei der Anwendung
des pulverisierten Serums auf Wunden ein impermeabler Verband nötig sei, weil
sonst die Resorption von der Wundfläche aus eine zu geringe sei, und Bazy führt
gegen die Annahme, daß durch das Serum selbst die Infektion verursacht sein
könnte, an, daß er trotz regelmäßiger Anwendung prophylaktischer Injektionen
nie habe Tetanus auftreten sehen. Thümer (Chemnitz).
976 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36.
25) Jirotka. Die Dosierung der Röntgenstrahlen.
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. IX. Hft. 6.)
Die meisten bisher geübten Methoden zur Bestimmung der Bestrahlungsquan-
tität beruhen auf direkter Strahlenmessung. Wie Gaiffe, so hat auch J. die
Strahlenmenge aus der Messung der elektrischen Größen festzustellen gesucht und
gibt als Regel an: »Ein und dieselbe Röntgenröhre gibt, Anschluß an ein und
dasselbe Induktorium und gleiche Frequenz vorausgesetzt, bei gleichem numeri-
schen Werte des Produktes und Spannung, Stromstärke und Zeit praktisch ein und
dieselbe wirksame Strahlenmenge.<« Nach diesem Gesetz ist es leicht, jedesmal
genau dieselbe Strahlenmenge zu erreichen; auch kann man den Zahlenwert der
einzelnen Faktoren variieren, wenn nur der numerische Wert des Produktes aus
den drei Faktoren gleich bleibt. Gaugele (Zwickau).
26) Albers-Schönberg. Eine neue Methode der Orthophotographie.
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. IX. Hft. 6.)
Um die Fehler bei den bekannten Methoden der Orthoröntgenographie zu ver-
meiden, gibt Verf. eine neue Methode an. Diese besteht darin, daß Pat. auf einem
vor des Verf.s Bleikistenblende mit eingestelltem Längsschlitz angebrachten fahr-
baren Sitz an der Blendenöffnung vorbeigeschoben wird, während auf seiner Brust
eine mit Film und doppeltem Verstärkungsschirm armierte Kassette befestigt ist.
Aus Kontrollversuchen mit einer Bleiplatte ersah Verf., daß auf diese Weise ein
absolut exaktes, scharfrandiges Bild erreicht werden kann; die Exaktheit der Masse
beschränkt sich aber nur auf den queren Durchmesser. Will man auch exakte
Längsmaße bekommen, muß eine zweite Aufnahme gemacht werden, die sich von
der ersten dadurch unterscheidet, daß Pat. hierbei ruhig sitzt, während die Blei-
kistenblende mit Röhre und eingestelltem Querschlitz von oben nach unten bewegt
wird.
Durch Kombination dieser beiden Aufnabmemethoden, mittels Längs- und
Querspalt, ist eine absolut exakte mechanische Herzgrößenbestimmung möglich.
Gaugele (Zwickau).
27) Peters. Ein neuer Blendenschutzkasten.
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. IX. Hft. 6.)
Verf. beschreibt einen von der Firma Max Kohl in Chemnitz gelieferten
Schutzkasten. Derselbe ähnelt im wesentlichen Levi-Dorn, soll aber vor diesem
eine Reihe nicht zu unterschätzender Vorzüge haben, so die Anwendung der Iris-
blende und die praktische Aufhängung des Kastens in einem sehr leicht zu hand-
habenden fahrbaren Stativ. Ferner gestattet der Apparat eine gute Beobachtung
der Röhre während des Betriebes; seine Bedienung soll sehr einfach sein.
Gaugele (Zwickau).
28) Wodarz. Über Röntgenschutzhandschuhe.
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. IX. Hft. 6.)
Verf. warnt davor, die gebräuchlichen Schutzhandschuhe aus Leder oder Stoff,
welche auf den Streckflichen der Finger und der Hand übereinandergreifende
Bleiplatten oder Bleisalze enthalten, für einen genügenden Schutz zu halten. Verf.
hat im Jahre 1900 eine erhebliche Verbrennung seiner Finger durch Röntgen-
strahlen erfahren, die jedoch wieder ausheilte.. 5 Jahre später begann er erst
wieder von neuem mit Röntgenstrahlen zu arbeiten; trotzdem er oben genannte
Schutzhandschuhe benutzte, traten nach einiger Zeit wieder neue Verbrennungs-
erscheinungen auf. Gaugele (Zwickau).
29) A. Jungmann. Beitrag zur Technik der Röntgenbestrahlung.
(Wiener klin. Rundschau 1906. Nr. 12.)
Verf. beschreibt ein von ihm erfundenes Hängestativ für Röntgenröhren, das
die Nachteile der bisher üblichen Stative zu vermeiden sucht.
Schmieden (Bonn).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 977
30) Trivas. Deux cas d’anosmie totale consécutive & un traumatisme
du crane.
(Revue hebdom. de laryngol., d’otol. et de rhinol. 1905. Nr. 46.)
In beiden Fällen handelte es sich um Schädelbasisbrüche infolge Radfahr-
unfällen. Im ersten schwand die Anosmie nach 3—4 Monaten, im zweiten entzog
sich Pat. der weiteren Beobachtung. Verf. vertritt die Ansicht, daß es sich meist
um einen Blutergu8 in der Umgebung der Olfactorii handle; sowohl die Wieder-
herstellung, sowie der dauernde Verlust des Riechvermögens ließen sich hiermit
in Einklang bringen, einmal die rasche Resorption mit folgender Restitutio ad
integrum, im anderen Falle verzögerte Resorption bzw. Organisation mit folgender
Atrophie. Eine Zerreißung scheine ihm weniger wahrscheinlich. Bergmann
betont übrigens sehr wohl diese Möglichkeit in seiner bekannten Monographie der
Kopfverletzungen. F. Alexander (Frankfurt a. M.).
31) J. A. Lafite-Dupont. Méningite dans un cas de labyrinthite
fongueuse. Trepanation du labyrinthe. Craniectomie. Guérison.
Paralysie faciale consécutive, suture du faciale 4 l’hypoglosse.
(Revue hebdom. de laryngol., d’otol. et de rhinol. 1905. Nr. 52.)
Vor 1/, Jahre war Pat. wegen einer seit der Kindheit bestehenden Eiterung
anderwärts radikal operiert worden, ohne daß es zu einer Heilung kam. Verf.
nahm noch eine Operation vor, entfernte den damals stehen gebliebenen Amboß
und schabte einige mit Granulationen erfüllte Zellen aus; die Epidermisierung er-
folgte langsam, nachdem der Ernährungszustand des Pat. sich wesentlich gehoben
hatte. Bald darauf klagte Pat. über zeitweise auftretendes Erbrechen und Schwindel,
die Epidermis hob sich hier und da von der Unterlage ab. Schließlich erfolgte
ein äußerst heftiger Anfall von Schwindel und Erbrechen; dazu ungleiche Pupillen,
trüber Liquor mit Leukocyten und Diplokokken. Verf. eröffnete den horizontalen
Bogengang und das Vestibulum, die er voll Granulationen fand, und legte die
Meningen der mittleren und hinteren Schädelgrube frei, ohne dieselben verändert
za finden. Nach 5 Monaten Epidermisierung vollendet. Nach 9 Monaten An-
legung der Facialis-Hypoglossusanastomose; die Zeit, die seit derselben verstrichen,
ist zu kurz, um ihren Wert zu beurteilen. Hier haben wir also wieder einen Fall,
wo mit Ausschaltung des primären Herdes die Meningitis zurückging.
F. Alexander (Frankfurt a. M.).
32) A. Bouain. De l’hemorrhagie méningée comme conséquence de
la compression du sinus lateral dans les interventions sur l’apophyse
mastoide.
(Revue hebdom. de laryngol., d’otol. et de rhinol. 1905. Nr. 46.)
Im ersten Falle erfolgte die Hirnhautblutung bei einem O54jahrigen Pat.
55 Tage nach der Operation, bei der der Sinus infolge Zerstörung seiner knöchernen
Wand breit freigelegt werden mußte; die Heilung hatte bis dahin ungestörte
Fortschritte gemacht. Im zweiten Falle, der genauer beschrieben ist, war der
Mittelohrprozeß fast abgelaufen, und es wurde auf einen Herd im Warzenfortsatze
gefahndet. Die Operation wurde mit Doyen’scher Fraise und Curette ausgeführt;
hierbei erfolgte eine profuse Blutung aus dem Sinus. Antrum nicht gefunden; in
der Nähe der Spitze ein kleiner Eiterherd freigelegt. Nach 14 Tagen Lähmung
der anderen unteren Extremität; breite Präparation der Regio tempero-occipitalis;
Sinus hierselbst unversehrt und von normalem Aussehen; Aufsuchen des kleinen
Antrum, oberhalb und hinten vom Gehörkanal Inzision der Dura und Entleerung
zahlreicher Gerinnsel. 3 Tage später Tod.
Verf. meint, daß derartige Fälle öfter vorkämen, als man nach der Literatur
glauben könnte; man müsse sich mehr daran gewöhnen, zum Nutzen der Gesamt-
beit unglücklich verlaufene Fälle zu veröffentlichen. Wesentlich sei, daß beide
Pat. in vorgeschrittenerem Alter (54 und 62 Jahre) standen und bei der geringeren
978 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36.
Elastizität derartige Zirkulationsstörungen schwerer ausgeglichen würden. Wenn
B. aber glaubt, bei Anwendung der Fraise Sinusverletzungen stets vermeiden zu
können, so mag zugestanden werden, daß im vorliegenden Falle die Anwendung
der Curette gewiß ein Fehler war; aber Ref. vertritt die Ansicht, daß Hammer
und Meisel immer noch der Fraise vorzuziehen sind in Rücksicht auf die variable
Lage des Sinus. F. Alexander (Frankfurt a. M.).
33) Haasler. Diagnostische Hirnpunktion und Trepanation bei Hirn-
tumor.
(Arch. internat. de chir. Vol. III. Fase. 1.)
Die Diagnose der nach klinischen Erscheinungen vermuteten und nach funk-
tionellen Störungen lokalisierten Hirngeschwulst wurde im vorliegenden Falle durch
die Punktion bestätigt. Außerdem gab die nach Neisser’s Vorschrift ausgeführte
Punktion Aufschluß über den cystischen Bau und die Größe der Geschwulst, wenn
auch der histologische Nachweis des Chondroms vor der Operation nicht möglich
war. Die Gefahr der Hirnpunktion ist weniger die Infektionsmöglichkeit als die
Blutung. Auch bei Verwendung stumpfer Nadeln und sorgfältiger Auswahl der
Punktionsstelle ist eine Verletzung der Piavenen nicht völlig zu vermeiden. Außer-
dem kann Blutung eintreten infolge Druckverminderung nach ausgiebiger Flüssig-
keitsaspiration. H. entleerte in zwei Sitzungen zusammen über 20 ccm Flüssigkeit.
Die Blutung beschränkte sich auf flache Hämatome zwischen Pia und Geschwulst-
oberfliche und auf geringfügige Blutergiisse ins Geschwulstgewebe und in die
Hohlräume der Cysten. Doch ist bemerkenswert, daß selbst bei dieser gefäßarmen
Geschwulst die Punktion eine, wenn auch belanglose Blutung gesetzt hatte. Pat.
wurde durch die Operation von seinen Paresen, Krampfanfällen und seiner
Sprachstörung befreit und war nach 5 Monaten völlig arbeitsfähig.
Revenstorf (Hamburg).
34) V. Uchermann. Cas de thrombose infectieuse du sinus occipital.
(Revue hebdom. de laryngol., d’otol. et de rhinol. 1905. Nr. 45.)
Der merkwiirdige Verlauf rechtfertigt einige anamnestische Angaben, die fir
die Beurteilung wesentlich erscheinen dürften. Die 18jährige Pat. hatte vor
4 Jahren einen Abszeß am Zahnfleisch rechts oben; derselbe brach in den Gehör-
kanal durch, dazu kam ein Drüsenabszeß hinter und ein solcher unter dem rechten
Obre. Vollkommene Heilung. Vor wenigen Tagen schmerzhafte Schwellung hinter
dem Ohr und am Hals hinter dem Kopfnicker mit Schüttelfrost; kein Ohrenfluß.
Warzenfortsatz etwas druckempfindlich, Trommelfell nur leicht gerötet. Bei der
Operstion kommt man auf einen hinten und unterhalb nach der Schädelbasis zu
gelegenen Abszeß. Schleimhaut des Warzenfortsatzes hyperämisch, an der Spitze
einige vereiterte Zellen. Erneute Schüttelfröste und Temperaturen bis 41,6° er-
fordern einen zweiten Eingriff. Der bei der ersten Operation als normal befundene
Sinus wird weiter freigelegt, ebenso die Jugularis, ohne daß jedoch irgend etwas
Pathologisches gefunden wird. Nach 2 Tagen Tod. Bei der Autopsie fand sich
eine Thrombose des Sinus occipitalis bis zum Conflucus und der Cervicalvenen,
sowie Hirnödem. Der Infektionsweg war also durch die am meisten peripher
gelegenen Zellen gegangen. Mit Recht betont Verf., daß eine Freilegung und Er-
öffnung bis zum Conflucus vielleicht einen anderen Ausgang herbeigeführt hätte
wenn eine Diagnose im Bereich der Möglichkeit gelegen hätte. Jedenfalls ist der
Verlauf ein sehr merkwürdiger und wohl kaum je beobachtet worden.
F. Alexander (Frankfurt a. M.).
35) A. Baurowieg. Eine Cyste der unteren Nasenmuschel.
(Archiv für Laryngologie und Rhinologie Bd. XVIII. Hft. 2.)
Den einzigen Fall, den Verf., außer dieser Beobachtung, in der Literatur fest-
stellen konnte, veröffentlichte Bobone 1905 in der italienischen Literatur. Die
Cyste lag auch hier im hinteren Teile des unteren Schwellkörpers. Nachdem sie
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 979
sich nach oben geöffnet und ein gelbliches Sekret entleert, bildete sich ein sub-
periostaler Fistelgang, der vorn an der unteren Muschel zum Vorschein kam. Von
diesem aus entfernte Verf. die vorderen 2/;, der unteren Muschel und konnte so
zur breiten Eröffnung der Cyste vordringen. F. Alexander (Frankfurt a. M.).
36) A. Onodi. Empyéme du sinus maxillaire compliqué d’exophthalmie,
de diplopie et d’amaurose.
(Revue hebdom. de laryngol., d’otol. et de rhinol. 1905. Nr. 52.)
Nach Erwähnung der Augenaffektionen im Gefolge von Kieferhöhleneiterung
berichtet O. über einen von ihm beobachteten Fall: Es handelte sich um ein
ziemlich akutes Empyem mit Exophthalmus, Doppelsehen, Amaurose und heftigen
Schmerzen; Resektion der mittleren Muschel, Entfernung mehrerer Polypen und
mehrfache Ausspülungen führten zu einer vollkommenen Restitutio ad integrum.
F. Alexander (Frankfurt a. M.).
37) Bichaton. A propos de deux cas de mucocèle du sinus maxillaire.
(Revue hebdom. de laryngol., d’otol. et de rhinol. 1906. Nr. 3.)
Nach einer kritischen Literaturübersicht über die serösen und speziell cystischen
Erkrankungen der Kieferhöhle berichtet Verf. über zwei Fälle, von denen besonders
der erste ungemein charakteristisch erscheint. Geringe Auftreibung an der Fossa
canina, starke blasige Vorwölbung im mittleren Nasengange mit medialwärts
gedrängter mittlerer Muschel; Eröffnung der Knochenblase und Entfernung ihrer
Wände führt zur Entleerung einer bräunlichen Flüssigkeit und weiter zu voll-
kommener Heilung. Im zweiten Falle war die Auftreibung am Nasenboden und
nach dem Alveolarfortsatz zu; Eröffnung von der Fossa canina, Entleerung einer
ähnlichen Flüssigkeit, Anlegung einer nasalen Gegenöffnung. Die Lage ließ im
zweiten Falle zwar an eine paradentäre Cyste denken, doch fehlte die hierfür
typische und wenn auch noch so dünne Scheidewand gegen das Lumen der Kiefer-
hohle. Zum Schluß finden sich noch einige differentialdiagnostische Erörterungen.
F. Alexander (Frankfurt a. M.).
38) B. Botey. Un cas de rhinolithe de 110 grammes.
(Revue hebdom. de laryngol., d’otol. et de rhinol. 1906. Nr. 9.)
Der 42jährige Pat. hatte seit 4 Jahren Beschwerden, die äußere Nase war
mißstaltet, und war es zur stückweisen Entfernung des Steines nötig,‘ sublabial
einzugehen und die Nase emporzuklappen. Das Konkrement hatte das Septum
perforiert und beiderseits die mittlere wie untere Muschel teilweise usuriert. Verf.
erwähnt, daß der schwerste bisher publizierte Rhinolith 76 g wog. Ref. konnte
dies nach der Seifert’schen Veröffentlichung im Heymann’schen Handbuch
bestätigen. F. Alexander ‘Frankfurt a. M.).
39) Brindel. Un cas de kyste osseux de l'arrière fosse nasale gauche.
Dilatation ampullaire d'une cellule ethmoïdale postérieure.
(Revue hebdom. de laryngol., d’otol. et de rhinol. 1906. Nr. 12.)
Bei der rhinoskopischen Untersuchung waren beide Mandeln nicht verändert,
die harte Geschwulst saß vor der Keilbeinhöhle und verlegte die Choane; Ein-
brechen der knöchernen Wandung und Resektion derselben schaffen eine freie
Nasenatmung. Der Sitz der Knochenblase war im vorliegenden Fall ein äußerst
selten beobachteter. F. Alexander (Frankfurt a. M.).
40) I. Duverger. Epithelioma cylindrique de la fosse nasale droite
ayant détruit la masse laterale de l’ethmoide sans interesser les cavites
annexes de la face.
(Revue hebdom. de laryngol., d’otol. et de rhinol. 1906. Nr. 8.)
b7jähriger Mann, der über Kopfweh und Nasenverstopfung seit 5—6 Jahren
klagt; in den letzten Monaten kam hierzu noch blutiger, mit festen Stücken ver-
980 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36.
mischter Ausfluß. Bei der von außen vorgenommenen Operation zeigte sich, daß
die hühnereigroße Geschwulst von den hinteren Siebbeinzellen ausgegangen war.
Seit der Operation sind 4 Monate verflossen. Verf. betont als typisch für bösartige
Nasengeschwülste das Mißverhältnis zwischen den geringen Beschwerden einer- und
der tatsächlich viel größeren Ausdehnung der Geschwulst andererseits, wie er sich
bei der Operation von außen zu präsentieren pflegt.
F. Alexander (Frankfurt a. M.).
41) M. Collier. Naevus of cheek.
(Medical press 1906. Juni 27.)
Bei einem 8jährigen Knaben hatte an der Innenseite der rechten Wange ein
kleiner Naevus bestanden, der sich allmählich vergrößerte und zuletzt die ganze
rechte Wange einnahm. Die Außenseite war von dünner Haut bedeckt; die Innen-
seite zeigte ein Konvolut dunkelblauer, mehr oder weniger weiter, prall gefüllter
Venen. Durch Druck konnte der Naevus bedeutend verkleinert werden; nach Auf-
hören des Druckes nahm er sofort wieder seine ursprüngliche Größe an. Pulsation
war nicht vorhanden. C. legte an der Innenseite der rechten Wange sechs Liga-
turen in senkrechter Richtung an, die etwa die Hälfte der Dicke umfaßten. In
der 1. Woche danach nahm die Schwellung unter geringen Schmerzen etwas zu.
Am Ende der 3. Woche war die rechte Wange bedeutend verkleinert und zeigte
ziemlich derbe Konsistenz. Die Verschiedenheit beider Gesichtshälften war nur
noch gering. Erhard Schmidt (Leipzig).
42) L. Cheatle. A case of sarcoma of the tongue.
(Medical press 1906. Juli 4.)
Hine 52jährige Frau zeigte an der rechten Seite der Zunge zwischen mittlerem
und hinterem Drittel eine rundliche, umschriebene, derbe Geschwulst unter der
Schleimhaut, die, allmählich gewachsen, vor 6 Wochen zum ersten Male von der
Pat. bemerkt worden war. Es bestand keine Lymphdrüsenschwellung. Die Ober-
fläche der Zunge zeigte normales Aussehen. Die Geschwulst wurde exstirpiert.
Sie war von gleichmäßiger Konsistenz und erwies sich mikroskopisch als Spindel-
zellensarkom. Erhard Schmidt (Leipzig).
43) Ledinger. Gestielte maligne Geschwulst der Tonsille.
(Archiv für Laryngologie und Rhinologie Bd. XVIII. Hft. 1.)
Die gestielte Geschwulst saß am unteren Pole der nicht veränderten Mandel.
Die histologische Untersuchung ergab ein Endothelioma carcinomatodes.. Kurz
vorher exstirpierte Inguinaldrüsen ergaben das gleiche Bild bei der mikroskopi-
schen Untersuchung. Im Laufe der nächsten Monate traten inguinale und retro-
peritoneale Geschwülste auf; nach einem Jahre Tod. Durch das Fehlen der Sektion
war es nicht möglich, die primäre Geschwulst zu bestimmen. Mit Redut betont
Verf., es sei praktisch wichtig, zu wissen, daß gestielte Rachengeschwülste nicht
immer, wie man bisher annehmen zu müssen glaubte, gutartig seien.
F. Alexander (Frankfurt a. M).
44) N. Daptas. De l'abcès rétro-pharyngien chez les enfants et chez
les adultes.
(Revue hebdom. de laryngol., d’otol. et de rhinol. 1906. Nr. 16.)
Die allgemeinen Ausführungen über den Retropharyngealabszeß bieten nichts
Neues. Der ausführlich beschriebene Fall betraf einen 65jährigen Mann, der der Er-
stickung nahe dem Verf. zugeführt wurde; zur Ausführung der nötigen Tracheotomie
konnte Pat. nicht einmal hingelegt werden; plötzliches Aussetzen der Atmung verbot
eine regelrechte Ausführung der Tracheotomie; T. machte im Spatinm hyo-thyreoid.
eine Inzision, führte durch dieselbe eine dünne Kanüle und konnte so die Atmung
wieder herstellen. Am folgenden Tage Eröffnung eines kolossalen retropharyngealen
Abszesses. Derselbe füllte sich mehrmals wieder, besonders in seiner unteren
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 981
Tasche und machte die Abtragung der tiefer gelegenen Teile der Abszeßwand er-
forderlich. Während der langen Behandlungsperiode war die Einlegung einer
Schlundsonde durch die Nase für längere Zeit notwendig. Die Atiologie ist un-
bekannt, Schießlich erfolgte Heilung; nur die Stimme blieb rauh.
F. Alexander (Frankfurt a. M.).
45) E. Uruüuela. De l’intubation appliquee & certaines fractures du
]
(Revue hebdom. de laryngol., d’otol. et de rhinol. 1905. Nr. 51.)
Nach kurzer Besprechung der wesentlichsten Symptome der Kehlkopffrakturen
berichtet Verf. über drei Fälle:
1) Bruch des Schildknorpels durch einen Fußtritt in die Halsgegend bei einem
30jährigen Manne; Ruhe, flüssige Nahrung, Eis, Kokain führten zur Heilung.
2) Bruch des Ringknorpels infolge Tritt eines Maulesels; ein Bruchstück sprang
in das Innere des Kehlkopfes vor; hier war die Intubation sehr förderlich für die
Heilung.
3) 60jähr. Mann mit Schildknorpelbruch infolge Fall von einem Wagen mit hoch-
gradiger Asphyxie und Blutung; hier war die Tracheotomie notwendig, es resul-
tierte eine narbige Stenose. Eine systematische Intubierung war nicht ausführbar,
weil Pat. auf dem Lande wohnte. — Seitdem hat sich Verf. in 4 weiteren Fällen
die Intubation glänzend bewährt. Sollte die Tracheotomie oder Thyreotomie erfor-
derlich sein, so empfiehlt Verf. dringend die Reposition der Bruchstücke und baldige
Einführung einer Tube. F. Alexander (Frankfurt a. M.).
46) R. Wendeborn. Ein Beitrag zur operativen Behandlung der
Larynxstenosen und -defekte.
Inaug.-Diss., Kiel, 1906.
Bei einem 8 Jahre alten Knaben, der 2 Jahre lang eine Kanüle getragen, und
bei dem nach einem Unfalle durch Überfahren Husten und Atemnot sich ver-
schlimmert hatten, wurde mit bestem Erfolge die v. Mangoldt’sche Plastik aus-
geführt. Erster Akt: Einpflanzung einer mit Perichondrium bedeckten Rippen-
knorpelscheibe unter die Kinn-Halshaut. Zweiter Akt (5 Wochen später): Einpflan-
zung dieser Knorpelscheibe in den strikturierten Kehlkopf, nach vorhergegangenem
Umklappen eines Hautlappen. Ohne weitere Intubation war die Atmung voll-
kommen frei. F. Alexander (Frankfurt a. M.).
47) L. Polyäk. Über die Anwendung der Hyperämie als Heilmittel
nach Bier bei Erkrankungen der oberen Luftwege.
(Archiv für Laryngologie und Rhinologie Bd. XVIII. Hft. 2.)
Verf. will durch seine Veröffentlichung auf Grund recht ermutigender Ver-
suche zu weiterer Prüfung anregen. Am besten waren die Erfolge bei akuten
Affektionen (Nebenhöhleneiterungen, Schnupfen, Tonsillitis usw.). Bei phlegmonöser
Tonsillitis, Parotitis, Angina Ludovici wurde daneben noch eine kleine Inzision an-
gelegt. Chronische Katarrhe mit Krustenbildung, Bursitis pharyngea wiesen mäßige
Besserung auf, jedoch ist die Zeit hierfür noch zu kurz. Bei acht Fällen von Kehl-
kopftuberkulose kam es nie, wie Verf. befürchten zu müssen glaubte, zu stärkerem
Ödem und demzufolge Erstickungsgefahr; immer hält er es für ratsam, alle Vor-
bereitungen für eine eventuelle Tracheotomie zu treffen. Schluckbeschwerden und
Heiserkeit wurden gemildert. Zur Beurteilung des Heilwertes ist die Zeit zu kurz,
immerhin schien eine objektive Abnahme der krankhaften Veränderungen bemerkbar
zu sein. Im großen und ganzen dürfte die Stauung zur allgemeinen und dauern-
den Hyperämisierung sich mehr eignen und nur gelegentlich das Saugen eine Er-
gänzung bilden. Um die einzelnen Partien des Rachens usw. zugänglich zu
machen, hat Verf. einige entsprechend geformte Saugapparate angegeben. Unbe-
dingt notwendig sei eine genaue ärztliche Kontrolle, besonders am Anfange der
Stauung. F. Alexander (Frankfurt a. M.).
982 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36.
48) I. Mader. Uber Röntgentherapie in den oberen Luftwegen.
(Archiv für Laryngologie und Rhinologie Bd. XVIL Hft. 1.)
Verf. ist bei seinen Versuchen, die Röntgentherapie für sein Gebiet nutzbar zu
machen, nach mannigfachen Bemühungen zur Konstruktion einer hierfür geeigneten
Röhre gelangt, welche es ermöglicht, die einzelnen Teile von Kehlkopf und Rachen
zu bestrahlen. Die Erfolge waren recht ermutigend besonders in einem Falle, wo
es gelang, ein Karzinom, dessen Natur durch mikroskopische Untersuchung sicher-
gestellt war, an der hinteren Rachenwand zur Vernarbung zu bringen. Die genaue
Beschreibung der Technik erleichtert dem Leser die Nachprüfung wesentlich.
F. Alexander (Frankfurt a. M.).
49) W. Bogoljubow. Epiglottiscysten.
(Russ. Archiv für Chirurgie 1905. [Russisch.))
Die große Seltenheit der Epiglottiscysten — ca. 11/3% aller Kehlkopf-
geschwülste — wird die ausführlichere Mitteilung einer Krankengeschichte recht-
fertigen.
Seit 5 Jahren ungefähr fühlte sich der jetzt 42jährige Bauer beim Schlucken
fester Speisen behindert und klagte über Husten und Veränderung der Stimme.
Bei einfacher Inspektion des Mundes war nichts zu sehen. Bei Hustenstößen aber
erschien hinter dem Zungengrund eine gelbliche, auf der Oberfläche gefäßreiche
Geschwulst in der Größe eines Hühnereies, die mit breitem Stiele der Vorder-
fläche des Kehldeckels aufsaß. Bei Erstickungsanfällen half Pat. sich dadurch,
daß er heftig hustete, wodurch die Geschwulst samt der Epiglottis vom Aditus
fortgeschleudert wurde.
Rasumowski entfernte die Geschwulst auf dem Wege der Pharyngotomia
subhyoidea. Pat. wurde völlig geheilt und war auch 2 Jahre später gesund.
Die Cyste hatte eine birnenförmige Gestalt, dünne Wände und gleichmäßigen
weißen Inhalt, ähnlich einem Atherom (Fett, Cholesterin). Die innere Fläche war
grau-weiß, glänzend. Im Stiele fanden sich Lymphfollikel, in der Wand, in der
Nähe des Stieles, Gruppen von »Schleimdrüsen« und Kanäle verschiedener Größe,
die mit ein- bis mehrschichtigem Zylinderepithel ausgekleidet und stellenweise von
lymphoiden Elementen und Drüsen umgeben waren. Die innere Auskleidung der
Cyste wurde besorgt durch eine Epithelschicht, die bald einfach, bald mehrschichtig,
bald homogen war. In letzteren Partien waren mit sehr starker Vergrößerung ge-
legentlich Endothelzellen zu erkennen.
B. hält die Cyste, besonders auf Grund des Befundes der Zylinderepithelien,
die früher die ganze Cyste ausgekleidet hätten, für eine branchiogene.
V. E. Mertens (Breslau).
50) C. Johnsen. Kasuistischer Beitrag zur Würdigung der Broncho-
skopie. Nagel in der rechten Lunge mittels Bronchoskopie diagnosti-
ziert und extrahiert.
Inaug.-Diss., Kiel, 1905.
Ein 2,5 cm langer Sattlernagel hatte 11 Monate im rechten Hauptbronchus
gelegen; nach Ausführung der tiefen Tracheotomie gelang die Extraktion beim
zweiten Versuch mittels einer Urethralzange mit fast rechtwinklig nach abwärts
gebogenem Handgriff. Die lange Killian’sche Fremdkörperzange bereitete
Schwierigkeiten, um den Widerstand bei der Extraktion der Fremdkörper zu über-
winden. Verf. stellt dann noch 24 aus dem Zeitraume 1904/05 gesammelte
bronchoskopische Fremdkörperfälle zusammen.
F. Alexander (Frankfurt a. M).
51) Henrici. Ein bronchoskopischer F'rremdkörperfall.
(Archiv fiir Laryngologie und Rhinologie Bd. XVIII. Hft. 2.)
Nach mehrmaligen vergeblichen Versuchen gelang es Verf. bei einer 62jährigen
Frau, ein Knochenstück, dessen Maße 1,4 :0,8: 0,4 cm betrugen, aus dem linken
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36. 983
Hauptbronchus mit Killian’s graziler Bohnenzange zu extrahieren; der Fremd-
körper hatte 4 Monate in der Lunge gesteckt und eine mäßige Bronchitis mit
Atemnot unterhalten. Wegen ausgesprochener Enge der Glottis hatte das zerleg-
bare Killian'sche Leitungsrohr sich nicht bewährt, ebenso hinderte das Rohrende,
bis Verf. dasselbe keilförmig abschrägte und sich hierdurch die Einführung wesent-
lich erleichterte. Der Fremdkörper lag 32 cm von der Zahnreihe entfernt.
F. Alexander (Frankfurt a. M.).
52) E. J. Moure. Corps étrangers des bronches et bronchoscopie.
(Revue hebdom. de laryngol., d’otol. et de rhino). 1906. Nr. 6.)
Verf. berichtet über zwei Fälle, die in Rücksicht auf die erst im Werden be-
griffene Indikationsstellung für Anwendung der oberen bzw. unteren Broncho-
skopie wertvoll erscheinen.
1) 63jähriger Mann, der vor 20 Tagen einen Schweineknochen verschluckt
hatte; Durchleuchtung ohne Ergebnis; deutliche Symptome einer eitrigen rechts-
seitigen Lungenerkrankung in der Schulterblattgegend. Nach vorausgegangener
Tracheotomie gelingt es bei zweimaligem Eingehen, zwei Knochenstücke von un-
regelmäßiger Gestalt zu extrahieren; nach der Operation kam es noch zu einer
Infektion der Trachealwunde, und es vergingen 6 Wochen bis die ausgedehnte
Lungenaffektion zur vollkommenen Ausheilung kam.
2) 6öjährige Frau, die angeblich vor 5 Monaten einen Rindsknochen verschluckt
hatte. Die linke Lunge wies zahlreiche physikalische Veränderungen auf, dagegen
gab Pat. an, in der rechten Brustseite Schmerzen zu empfinden. Eine Durch-
leuchtung ist nicht erwähnt. Bei dem guten Zustande der Pat. wurde der natür-
liche Weg zur Bronchoskopie gewählt; in sitzender Stellung gelang die Einführung
der Röhre in den rechten Bronchus bis über die zweite Teilungsstelle; da die
Einführung in den linken Bronchus nicht sofort gelingt und Pat. Zeichen von Er-
müdung bietet, wird von weiteren Maßnahmen Abstand genommen. Pat. erkrankt
am folgenden Tage unter den Zeichen einer schweren Pneumonie und stirbt nach
10 Tagen; die Sektion zeigt einen dreieckigen Knochen im linken Bronchialbaum.
Die Lokalisation der Schmerzempfindung entsprach also nicht der Seite, wo der
Fremdkörper saß.
Der Fall beweist dem Verf., daß ergebnislose Versuche doch nicht immer so
harmlos sind wie von vielen Seiten bisher angenommen wurde.
M. möchte auf Grund dieser und seiner sonstigen Erfahrungen folgende Grund-
sätze aufstellen: Bei Kindern Anwendung der Narkose und Einführung am hängen-
den Kopf. Bei Erwachsenen wolle man zwischen frischen und veralteten Fällen
mit ausgedehnten Lungenveränderungen scheiden; bei ersteren ist die obere
Bronchoskopie sitzend oder in Seitenlage (Ösophagoskopiestellung) zu versuchen,
bei Fällen dagegen, wo der Fremdkörper schon längere Zeit verschluckt ist und
der Zustand demgemäß kein so günstiger, soll man tracheotomieren und die
untere Bronchoskopie ausführen. Die zunehmende Erfahrung wird gewiß allmäh-
lich die Indikation für die beiden Methoden immer mehr präzisieren, und es ist
dem Verf. zu danken dafür, daß er diesen unglücklich verlaufenen Fall so ausführ-
lich publiziert hat. F. Alexander (Frankfurt a. M.).
53) M. P. Jouffray. Du calibrage et de la suspension de la trachée
ramollie au cours des opérations pour goitre suffocant.
(Province méd. 1906. Nr. 14.)
Verf. hat bei zwei Fallen von Asphyxie im Verlaufe von Kropfoperationen
durch Exothyreopexie und durch Aufhängen der kollabierten Trachea den Luft-
weg wieder hergestellt.
_ Die von J aboulay empfohlene Exothyreopexie will Verf. nur fiir eine der-
Indikation in Anspruch nehmen und auch dann nur, wenn eine säbelscheiden-
rormige Luftröhre vorliegt, deren Längsdurchmesser ein dorso-anteriorer ist. In
einer zweiten Sitzung wird dann der vorgelagerte Knoten exzidiert. Ist die Luft-
984 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 36.
röhre erweicht, dann rät Verf. die Suspension, d. h. er knüpft dieselbe seitlich an
beide Sterno-cleido-mastoidei und vorn an den Thyreo-hyoideus an, um ein Kolla-
bieren zu verhindern. A. Hofmann (Karlsruhe).
54) P. Mauclaire et D. G. Zesas. Le massage direct du coeur dans
le collapsus chloroformique.
(Arch. internat. de chir. Vol. III. Fasc. 1.)
Lebrreiche Zusammenstellung der bisher veröffentlichten Fälle von direkter
Herzmassage im Chloroformkollaps. Unter 30 Fällen wurde 10mal die »subdia-
phragmatische« Methode, 4mal die »transdiaphragmatische« Methode und 16mal
die Thorakotomie ausgeführt. Die Thorakotomie hatte 15 Mißerfolge und einen
Erfolg. Unter den Mißerfolgen waren drei Fälle, in denen die Wiederbelebung des
Herzens für 5 bzw. 8 und 24 Stunden gelang, fünf Fälle, in denen der Wieder-
beginn der Herztätigkeit vorübergehend zu beobachten war, und sieben Fälle, in
denen Herzkontraktionen nicht angeregt werden konnten. Die transdiaphragma-
tische Methode hatte in allen vier Fällen ein ungünstiges Ergebnis. Die sub-
diaphragmatische Methode (Laparotomie, rhythmisches Zusammenpressen des Her-
zens zwischen Zwerchfell und Sternum) hatte 6mal vollen Erfolg, 4mal MiGerfolg,
in zwei Fallen nach voriibergehender Wiederkehr der Herzkontraktionen. Diese
einfache Statistik läßt die diaphragmatische Methode als die empfehlenswerteste
erscheinen. Die klinischen Erfahrungen ermuntern jedenfalls, bei schwerer Chloro-
formsynkope, wenn andere Mittel versagen, die direkte Herzmassage zu versuchen.
Revenstorf (Hamburg).
55) D. v. Navratil. Primärer Echinokokkus des Mediastinums (Ope-
ration — Heilung).
(Med. Klinik 1906. Nr. 23.)
Von den vier bisher bekannten und kurz erwähnten Fällen starb einer in-
folge Durchbruchs in den Herzbeutel, drei an Erstickung infolge Durchbruchs in
die Luftröbre. Verf. bringt die Krankengeschichte eines fünften Falles. Die seit
4 Jahren bestehende Geschwulst in der Kehlgrube machte den Eindruck eines tief-
sitzenden Kropfes oder einer Kropfcyste. Die Operation (Dollinger) bestand in
örtlicher Betäubung, Querschnitt und Freilegung der Geschwulst, Entleerung des
Cysteninhaltes durch Punktion, worauf die vorher bedrohliche Atemnot schwand,
Entfernung des Cystensackes. Offene Wundbehandlung. 6 Wochen später Ent-
lassung des Geheilten. Georg Schmidt (Berlin).
56) L. Küppers. Sterilisier- und Desinfizierapparat fiir Arzte und
Laien.
(Med. Klinik 1906. Nr. 23.)
Neun Abbildungen. Uber offenem Feuer schwebt ein Wasserkessel. Uber
diesen ist ein Hohldeckel gestülpt, in dessen Hohlraum ein Instrumentensieb und
ein Verbandmittelbehälter hängt, durch welche der Wasserdampf hindurchtritt.
K. rühmt seinem Apparate praktische Einfachheit und handlichen Betrieb nach.
Georg Schmidt (Berlin).
57) K. Reinecke. Arterienklemme nach Péan-Kéberle.
(Arztl. Polytechnik 1906. Marz.)
Tangential angeordnete Sperrvorrichtung, die durch einfachen Druck, ohne
Voneinanderheben der Griffe, gelést wird, ist die Verbesserung, die R. angebracht
hat. Abbildung im Original. E. Fischer (Straßburg i. E.).
Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man
an Prof. RE. Richter in Breslau (Kaiser WilhelmstraGe 115), oder an die Verlags-
handlung Brestkopf & Härtel, einsenden.
Druck und Verlag von Breitkopf & & Härtel in Leipzig, Nürnbergerstraße 36/38.
Zentralblatt
CHIRURGIE
herausgegeben
E. v Beman, F, Kini, E Bitte
Dreiunddreißigster Jahrgang.
Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.
Nr. 37. Sonnabend, den 15. September. 1906.
Inhalt: 1) Billroth-Winiwarter, Allgemeine Chirurgie. — 2) Ebstein und Schwalbe,
Chirurgie des praktischen Arztes. — 3) Carpi, Zur Hämatologie. — 4) Ross, Die opsonische
Theorie. — 5) Luckett, Tetanus. — 6) Pasteur und Courtould, Pneumokokkengelenkentzün-
dung. — 7) Murphy, Ankylose. — 8) Tuppinger, Röntgenographische Differenzierung. —
9) Jacobi, 10) Neisser und Jacobi, Dermatologische Atlanten. — 11) Morlchau-Beauchant,
Die umschriebenen akuten Ödeme. — 12) Touchard, Sklerodermie. — 13) Bryan, Schädel-
bruch. — 14) Strasser, Gehirnpräparation. — 15) Mills, Hirngeschwülste. — 16) Unterber-
ger, Verletzungen des Ductus thoracicus. — 17) Macewen, Zur Lungenchirurgie. — 18) Jo-
nes, Komplikationen von Schulterverrenkung. — 19) Ehebald, Kahnbeinbruch. — 20) Harry,
Psoashamatome. — 21) Gross, Lymphangiektaste der Leiste. — 22) Flint, Knieresektion. —
23) Pätzold, Genu valgum. — 24) Bunge, Tragfähige Amputationsstümpfe.
I. C. Bayer, 1) Dorsale Fixation des Armes bei Schlüsselbeinbruch. 2) Protektivesilk als
Deckmittel für den Darm bei peritonealer Tamponade. — II. C. Israel, Erhaltung des Weich-
teilnasengerüstes bei Oberkieferresektion und die Vorteile dieser Operationsmethode. (Ori-
ginal-Mittellungen.)
25) Hunt, Abszeß mit Protozoen. — 26) Alessandri, Neubildung um einen Unterbin-
dungsfaden. — 27) Grünberger, Tetanus. — 28) Zur Röntgentherapie. — 29) Borchgrevink,
30) Dold, Lokalanästhesie. — 31) Velel und Hartmann, Pockenähnlicher Ausschlag bei Diph-
therie. — 32) Brault, 33) Le Play und Déhu, Melanodermie bei Pedikulosis. — 34) Runge,
Xanthoma tuberosum. — 365) de Beurmann und Gougerot, Schleimhautkeloide. — 36) Andry,
Uleus rodens beim Kind. — 37) Imhofer, 38) Springer, Tonsillitis. — 89) Ramm, Atlasver-
renkung. — 40) Tubby, Torticollis. — 41) Nakayama, Membranbildung im Kehlkopf. —
in Muller und Speose, Schilddrüsenkrebs und Sarkom. — 43) Zeman, Ösophagotomie. —
44) Fullerton, Verletzung des Ductus thoracicus. — 45) Mackenzie, Lipom des Herzbeutels.
— 46) Schulz, Mangel der a — 47) Puttl, Subluxation der Hand. — 48) Frie-
del, Schnellender Finger. — 49) Kern, Aneurysma popliteum. — 50) Hoffa, Rintgenbilder
nach Sauerstoffeinblasung in das Kniegelenk. — 51) Draudt, Knietuberkulose. — 52) Pelle-
grini, Bandverknöcherung am Knie. — 53) Ottendorf, Amniotische Einschnürung am Unter-
schenkel. — 54) Dambrin, Zerreißung der Achillessehne. — 55) Stegmann, Ersatz des Fer-
senbeines durch das Sprungbein. — 56) Sommer, Fersenbeinbrüche. — 57) Toussaint,
Traumatische Osteochondrome. — 58) Baroni, Mal perforant du pied. — 59) Eckstein, Her-
stellung von Fußabdrücken. — 60) Hohmann, Plattfuß. — 61) Lepuyer, Schlüsselbeinbruch.
— 62) Irish, Intermittierendes Hinken.
— — —— — — — — —
1) Billroth-Winiwarter. Die allgemeine chirurgische Pa-
thologie und Therapie in 51 Vorlesungen. 16. Auflage. 979 S.
Berlin, Georg Reimer, 1906.
Eine neue Auflage des alten Standardwerkes zur Einführung in
die Chirurgie! Und wie ist die Aufgabe gelöst! Vor mir liegt zum
37
986 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37.
Vergleich die 14. Auflage (1889). Man muß staunen, wie der noch
Lebende der beiden Verfasser es verstanden hat, das Buch den viel-
fach veränderten, modernen Anschauungen anzupassen, und wie orga-
nisch die Neuerungen dem Ganzen angepaßt sind. Der Umfang ist
der gleiche geblieben. Dasjenige, was an dem Buche besonders
schätzenswert und erfrischend ist, die Berücksichtigung der Entwick-
lung unserer Wissenschaft und Kunst, die historische Darstellung, ist
unverändert geblieben, und einen eigenen Reiz gewährt es, die alten
Krankengeschichten der Billroth’schen Klinik als Paradigmata heran-
gezogen zu sehen. .
Das Buch nennt sich ein Handbuch für Studierende und Arzte.
Ich möchte es vor allem als ein Handbuch für den chirurgischen
Spezialisten bezeichen, für dessen Arbeit es unentbehrlich erscheint.
Die Kapiteleinteilung ist im großen und ganzen dieselbe geblieben,
einige nur sind zusammengezogen und durch ganz neue ersetzt, so hat
die Tuberkulose der Knochen eine besondere Besprechung erfahren.
Auch die Abbildungen sind um einige vermehrt. Leider sind die alten
schematischen Bilder, insbesondere die histologischen (Entzündung)
beibehalten. Hier hätte Ref. doch lieber eine Ersetzung durch natür-
liche Zeichnungen gesehen. Als das Werk in erster Auflage erschien,
waren die Anforderungen an die pathologische Histologie und die
Voraussetzungen, die für ihre Kenntnis bei Studierenden und Arzten
gemacht werden konnten, sehr viel geringer. Jetzt ist das anders.
Wir sind nicht bessere, aber natürlichere Darstellungen der Gewebs-
strukturen gewohnt, und auch derjenige, der sich weniger in die patho-
logische Anatomie vertieft hat, versteht, sie zu lesen. Ich glaube, daß
neben den schematischen — die ich auch nicht missen möchte — zum
besseren Verständnis auch noch gute Bilder pathologisch-anatomischer
Vorgänge angebracht wären.
Wenn wir einmal kritisieren wollen, so sei noch darauf aufmerksam
gemacht, daß einige moderne Methoden doch wohl noch hätten näher
erörtert werden können, so die Skopolaminnarkose, die Rückenmarks-
anästhesie, von der Verf. überhaupt abrät, die Bunge’sche Ampu-
tationstechnik.
Doch das tut dem hervorragenden Werke sicher keinen Abbruch.
Hoffen wir, daß es weiterhin manchen Adepten in unsere hehre Kunst
einführt und den Ruhm der Wiener Schule der Nachwelt erhält.
Goebel (Breslau).
— — — —
2) Ebstein und Schwalbe. Chirurgie des praktischen Arztes
mit Einschluß der Augen-, Ohren- und Zahnkrankheiten.
(Ergänzungsband zum Handbuch der praktischen Medizin).
I. Hälfte.
Stuttgart, Ferdinand Enke, 1906.
Die Herausgeber des Handbuches der praktischen Medizin haben
bei der zweiten Auflage die Darstellung der Chirurgie aus dem Zu-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 987
sammenhang des ganzen Werkes herausgenommen und als besonderen
Ergänzungsband erscheinen lassen; und zwar ist dieser Band abwei-
chend von der herkömmlichen streng topographischen Anordnung der
chirurgischen Lehrbücher, analog dem Handbuch, nach Organsystemen
gegliedert. Das ist entschieden ein glücklicher Gedanke, wie uns die
Lektüre der vorliegenden I. Hälfte des Werkes beweist. A. Fraenkel
(Wien) gibt die Einleitung, Anästhesierung, allgemeine Wundbehand-
lung, Chirurgie der Schädelknochen und ihrer Decken und der Wirbel-
säule; Tilmann die Chirurgie des Nervensystems, und in Verbindung
mit Kayser die der Muskeln und Sehnen; Hess die Augenkrank-
heiten; Kümmel!’ die Ohrenkrankheiten; Leser die Chirurgie des
Gesichtes; Scheff die Zahnkrankheiten und Garrd die Chirurgie des
Halses und der Brust.
Die Fülle des Gebotenen, trotz der Knappheit der Darstellung,
ist enorm, so daß sich das Buch bei seinem, trotz zahlreicher Abbil-
dungen billigen Preis (8 .4), sicher viele Freunde erwerben wird.
Wenn man will, so könnte man höchstens wünschen, daß die Therapie,
die doch bei dem Praktiker meist die Hauptrolle spielt, etwas mehr
hätte berücksichtigt werden sollen. Vielleicht ließe sich dies auf
Kosten der Literaturangaben erreichen, auf welche der praktische Arzt
nicht so großen Wert legen wird.
Dem hervorragenden Werke, an dem eine Reihe unserer bedeu-
tendsten und erfahrendsten Forscher mitarbeiten, ist zum Besten der
leidenden Menschheit eine große Verbreitung zu "wünschen: besonders
dürfte es geeignet sein, der chirurgischen Therapie unter unseren
inneren Kollegen immer mehr Zuneingung zu verschaffen.
Goebel (Breslau).
— — — —
3) Carpi. Studio sulla formula ematologica.
(Dissertation, Milano, F. Vallardi, 1905. Olinica chirurgica 1905. Nr. 11.)
Diese fleibigo Arbeit, welche aus dem pathologisch-chirurgischen
Universitätsinstitut Muscatello’s zu Pavia hervorgegangen ist, teilt
sich in einen allgemeinen und speziellen Abschnitt. Der erstere
enthält zunächst ein Kapitel über die normale Hämatologie des Men-
schen mit ihren physiologischen Schwankungen. Das zweite Kapitel
ist der Eosinophilie und Jodreaktion der Leukocyten gewidmet, und
im dritten Kapitel wird die Technik besprochen. Alle Kapitel zeugen
von einem gründlichen Studium der Materie.
Der individuelle Wert der Arbeit liegt im zweiten, speziellen
Abschnitte, welcher die eigenen Untersuchungen von 122 Fällen wieder-
gibt. Verf. beginnt mit einem Falle von Leukämie, und hieran reiht
sich die Besprechung des übrigen Materiales. Dieses gruppiert ©.
folgendermaßen. 1) Entzündungen (Septikopyämie, Entzündungen der
Knochen und Gelenke, der serösen Häute, der Harn- und der Gallen-
wege); 2) Tuberkulose; 3) Affektionen der Schilddrüse; 4) gutartige
und bösartige Geschwülste; 5) traumatische Affektionen. Den Schluß
37%
988 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37.
der Besprechung bildet noch eine tabellarische Übersicht seiner Ka-
suistik und ein Literaturverzeichnis von 141 Nummern.
Durch diese Untersuchungen konnte Verf. die früheren Forschungs-
ergebnisse zum Teil bestätigen, zum Teil erweitern. Danach bildet
‘die vollständige hämatologische Untersuchungsmethode ein sehr wert-
volles Hilfsmittel unserer klinisch-chirurgischen Diagnostik; Prüfung
einzelner Komponenten des Blutes, wie der Leukocytenkurve bei Ent-
zündungen, ist nur ausnahmsweise von ausschlaggebendem Wert. Die
Blutuntersuchung überhaupt hat nur im Vereine mit dem übrigen
diagnostischem Rüstzeug ihre Bedeutung.
Für die Diagnose von Wert ist nach Verf. die Leukocytenkurve
bei Eiterungen; hier gibt sie auch differentialdiagnostische Fingerzeige
der Tuberkulose und den Neubildungen gegenüber. Bei lokalisierter
und unkomplizierter Tuberkulose fand Verf. als gewissermaßen ty-
pischen und charakteristischen Blutbefund: Chloroanämie, geringe
‘Leukocytose oder Leukocytenarmut, geringe Eosinophilie, Abnahme
der polynukleären Leukocyten, also Lymphocytose. Auch bei Ge-
schwülsten scheint die Blutuntersuchung die Differentialdiagnose zwi-
schen gutartigen und bösartigen Prozessen zu unterstützen. Bei
Karzinom findet man schwere Anämie nach dem Typus der chloro-
tischen, kombiniert mit leichterer Hyperleukocytose, und zwar vorwie-
gend eine Vermehrung der mononukleären Lymphocyten im Beginne
der Erkrankung und der polynukleären Zellen bei vorgeschrittenen
Fällen. Beim Sarkom scheint sich eine polynukleäre Hyperleukocytose
und Eosinophilie einzustellen bei normalem oder wenig unter die Norm `
sinkendem Befund an den roten Blutzellen.
Prognostisch bietet die Leukocytenkurve in ihrem Ansteigen und
Abfallen, auch nach C.’s Beobachtungen, einen gewissen Anhalt für
den Ausgang in Eiterung oder Resolution, und danach wird eine hohe
und ständig steigende Leukocytenkurve zur Operation drängen. Bei
der Tuberkulose ist eine Zunahme des Hämoglobingehaltes und der
roten Blutzellen, die Neigung zur normalen Höhe der Leukocytenkurve
und die Vermehrung der eosinophilen Zellen als günstiges Symptom
anzusehen. Bei Geschwülsten, speziell beim Karzinom, deutet ein
progressives Sinken des Befundes an den roten Blutzellen unter die
INorm, sowie eine progressive polynukleäre Hyperleukocytose auf ein
Fortschreiten und eine Verallgemeinerung des Prozesses hin.
119 Most (Breslau).
Ái @. Ross. An address on the opsonic theory and its
-19b9. practical application to medicine and surgery.
ddios (Brit. med. journ. 1906. Juli 7.)
I ds dürfte von Interesse sein, eine neue Methode, bakterielle Er-
aüngen zu erkennen und behandeln, kennen zu lernen, von der zur-
slim der englischen Literatur viel die Rede ist. Denn es ist nicht
aoe daB sie in Kiirze auch bei uns nachuntersucht werden
A Es sei darum gestattet, an der Hand der Arbeit von R. einige
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 989:
Erläuterungen über die »opsonische Theorie« von Wright und Dou-
glas zu geben.
Die beiden englischen Gelehrten gehen aus von der Mets —
koff’schen Theorie der Phagocytose. Sie konnten 1903 experimentell
durch künstliche Trennung der Zellelemente vom Blutserum nach-
weisen, daß die Leukocyten allein keine Phagocytose bewirken, sondern
dazu der Mithilfe des Blutserums bedürfen. Sie schlossen daraus auf
das Vorhandensein eines besonderen Körpers im Blutserum, der die
Leukocyten zur Phagocytose befähigt. Weitere Forschungen ergaben
als Eigenschaften dieses Körpers, daß er nicht etwa als Reiz auf die
ohne Serum ohnmächtigen Leukocyten wirkt, sondern daß er sich mit
den Mikroorganismen, die jeweilig vorhanden sind, verbindet und sie
zur Phagocytose vorbereitet, sie gleichsam fähig macht, von den Leuko-
cyten aufgenommen zu werden. Daher der Name »Opsonin«, den sie
diesem angenommenen Körper geben (von: rò dwor = die gekochte
oder sonstwie am Feuer zubereitete Speise. Griechisches Wörterbuch
von Pape. Ref... Die Opsonine verbinden sich chemisch mit den
Mikroorganismen, und erst dann gewinnen die Leukocyten die Kraft.
zur Phagocytose. Das jeweilige Maß an beobachteter Phagocytose
entspricht also der Menge der vorhandenen Opsonine in irgendeinem
Plasma und nicht, wie man bisher meinte, der lebendigen Tätigkeit.
der Leukocyten. Fernere Eigenschaften der Opsonine sind ihre Zer-
störbarkeit durch Hitze ven 60° C in 10 Minuten; ihre Unterscheidbar-
keit von Bakteriolysinen, Agglutininen, Antitoxinen; ihre hochent-
wickelte Spezifizität: Individuen mit der halben Menge der zur
Bekämpfung einer tuberkulösen Infektion nötigen Opsonine besitzen
z. B. die normale Menge von Opsoninen gegenüber Staphylokokken.
Zur Feststellung der Menge an Opsoninen im Blute, z. B. eines
Pat. mit Staphylokokkenfurunkulose, vermengen wir in einer Pipette
gleiche Mengen vom Blutserum des Pat. mit einer Emulsion von
Staphylokokken in Kochsalzlésung und Leukocyten ohne Plasma.
Diese Mischung kommt bei 37° auf 15 Minuten in den Brutschrank.
Eine zweite Pipette enthält dasselbe, nur statt des Serums aus dem
Blute des Pat. Blutserum eines gesunden Menschen. Das gefärbte
Blutpraparat wird untersucht und die durchschnittliche Zahl von
Staphylokokken, die einer von einer bestimmten Anzahl Leukocyten
in sich aufgenommen hat, durch Zählung festgestellt. Dieser Durch-
schnitt der von einem weißen Blutkörperchen gefressenen Staphylo-
kokken heißt der »phagocytische Index« des Serums: er wird für das
normale und für das jeweilige pathologische Serum bestimmt. Da bei
dieser Untersuchungsanordnung das Serum das einzige Veränderliche
ist, während Leukocyten und Staphylokokken sich gleich bleiben, so
bedeutet das Verhältnis der beiden phagocytischen Indices zugleich.
das Verhältnis der Menge an Opsoninen für den betreffenden Mikro-
organismus im Serum des kranken und im Serum des gesunden
Menschen. Dieses Verhältnis der beiden phagocytischen Indices, d.h.
das Verhältnis der Durchschnittszahl von Mikroorganismen, die ein
990 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 87.
Leukocyt »gefressen« hat im gesunden und im pathologischen Serum,
heißt der »opsonische Index<. Wenn z.B. ein Kranker einen opso-
nischen Index von 0,5 für Staphylokokken hat, so bedeutet das die
Verminderung der normalen Opsoninmenge, die nötig ist zur erfolg-
reichen Bekämpfung der Staphylokokken, auf die Hälfte. — Es hat
sich herausgestellt, daß bei lokaler Begrenzung bakterieller Erkran-
kungen, z. B. bei Furunkulose, tuberkulösen Lymphdrüsen, der opso-
nische Index unter der Norm, bei allgemeiner Erkrankung das eine
Mal über, das andere Mal unter der Norm liegt.
Um nun die fehlenden Opsonine zu vermehren, versieht Wright
den Pat. mit einer entsprechenden Menge abgetöteter Mikroorganismen
der gleichen Art durch Einspritzung. Diese bakterielle Suspension
nennt er »Vaccine«. Nach der Einverleibung tritt ziemlich gesetz-
mäßig zunächst eine Verminderung des opsonischen Index auf (»nega-
tive Phase«); 24 Stunden später beginnt der Aufstieg (»positive Phase«)
und geht über den normalen Index hinaus (»Hochflut«), worauf der
Abstieg beginnt. Die zweite Einspritzung soll auf keinen Fall während
der negativen Phase gemacht werden.
Der diagnostische Wert der Opsonintheorie tritt hervor bei der
Unterscheidung der miliaren Tuberkulose von der ulzerösen Endokar-
ditis, vom Typhus, von allgemeiner gonorrhoischer Infektion; bei der
Differentialdiagnose von Lungengeschwülsten, chronischer Bronchitis,
Bronchiektasien einerseits und der Lungenphthise andererseits; bei der
Diagnose der Art von peritonealen oder pleuralen Ergüssen. Für alle
diese Fälle bringt Verf. lehrreiche Beispiele. Der therapeutische Wert
soll den Berichten zufolge bemerkenswert sein bei der chirurgischen
Tuberkulose und bei der Lungenphthise im Beginn. Wright selbst
glaubt, daß insbesondere bei lokal begrenzten chirurgischen Tuber-
kulosen die Behandlung mit Tuberkulin (T. R.) bei sorgfältiger Be-
obachtung des tuberkulo-opsonischen Index bald die allgemein an-
erkannte sein wird. Auch hierfür bringt Verf. mehrere Beispiele von
guten Erfolgen. Weber (Dresden).
5) W. H. Luckett. Fourth of july injuries, with especial
reference to the prophylaxis and management of tetanus.
(Amer. journ. of surg. 1906. Juli.)
L. betont vor allem die Gefährlichkeit der Taschenpistolen. An
einem Tage kamen über 60 Fälle von Verletzung mit diesen (meist
Handwunden) ins Hospital. Verf. empfiehlt Erweiterung und Aus-
kratzung der Wunden (vor allem Entfernung des Pfropfes) und Des-
infektion entweder mit reiner Karbolsäure und Alkohol, oder 20. iger
oder reiner Jodtinktur; nachher feuchten Jodoformgazeverband und
täglichen Verbandwechsel. Prophylaktisch werden 10 ccm Tetanus-
antitoxin intramuskulär injiziert, die stets den Ausbruch des Tetanus
verhinderten. Dagegen sah Verf. einen schweren Tetanus bei einer
Frau, die die Injektion verweigerte und nur mit Einstäuben eines
_ Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 991
pulverisierten Antitoxins in die Wunde behandelt war. Besonders ge-
fährlich sind Wunden zwischen I. und II. Metacarpus, da sich hier
der N. medianus verästelt. Die größte Anzahl Tetanusfälle sah Verf.
nach einem 4. Juli, dem 8 Tage schweren Regenwetters vorausgegangen
waren. Die Symptome treten 2 Tage bis 2 Wochen nach der Ver-
letzung auf, abhängig von klimatischen Einflüssen, der Nähe eines
Nerven und der Resistenz des Kranken (und Virulenz der Bakterien?
Ref... Einmal sah Verf. einen Krampf des Orbicularis palpebrarum,
so daß das Auge nur mit der größten Schwierigkeit geöffnet werden
konnte. Von der endoneuralen Injektion des Tetanusantitoxins hält
L. nicht viel. Es käme ihm das vor, als wenn die Stalltür geschlossen
würde, nachdem das Pferd ausgerissen ist. Die intraspinale Injektion
von Magnesiumsulfat nach Meltzer scheint verheißungsvoll zu sein.
Für die Behandlung des ausgebrochenen Tetanus wählt L. die intra-
spinale Injektion von 10—20 ccm Antitoxin täglich oder öfter. Da
das Serum fast unmittelbar nachher im Urin erscheint, sollen große
Dosen oft gegeben werden; auch ein Hautausschlag bildet keine Kon-
traindikation. Von dem hochtoxischen Liquor cerebrospinalis wird
dabei möglichst viel entleert. Goebel (Breslau).
6) W. Pasteur und L. Courtould. Primary pneumococcal
(Lancet 1906. Januar 23.)
Die primäre Pneumokokkenarthritis ist äußerst selten. Bei Er-
wachsenen waren unter 56 berichteten Fällen nur 2 primär, und außer
dieser einen Statistik finden sich nach Verf. nur noch im ganzen 2
weitere Fälle in der Literatur niedergelegt. Im kindlichen Alter
finden wir dem gegenüber die primäre Pneumokokkenarthritis weitaus
häufiger; so wurde sie unter 38 Fällen 6mal als primär gefunden.
Bei Kindern spielen Kombinationen mit Otitis media, Conjunctivitis
(Cagnani), mit follikulérer Stomatitis (Ockmar) und katarrhalischer
Angina (Bichat und Coffert) eine bedeutsame Rolle.
Was die Pathologie der primären Pneumokokkenarthritis angeht,
so nimmt Verf. als Entstehungsursache kleine, unbeachtete, wohl meist
auf den Schleimhäuten gelegene Rhagaden, die die Eintrittspforte für
den Erreger bilden, an.
Auffallend sind die Fälle, wo die Pneumokokkengelenkaffektion
der Pneumokokkenlungenaffektion vorausging, wie solche Fälle von
Leroux und Raw berichtet werden. Hier ist entweder die Lungen-
affektion sekundär, oder die Gelenkerkrankung wird schon manifest,
während die Lungenkrankheit noch im Inkubationsstadium liegt.
Die primäre Pneumokokkenarthritis ist gewöhnlich auf ein Gelenk
beschränkt, sie kann andererseits natürlich generalisiert werden. In
Anbetracht dessen, daß die sekundäre Pneumokokkenarthritis meist
eine Teilerscheinung ausgesprochener Septhämie ist, gestaltet sich die
Prognose quoad vitam bei der primären Form wesentlich günstiger.
H. Ebbinghaus (Dortmund).
992 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37.
7) J. B. Murphy. Ankylosis. Arthroplasty — clinical and
experimental.
(Journ. of the amer. med. assoc. 1905. Mai 20, 27, Juni 3.)
In dieser auf dem amerikanischen Chirurgenkongreß zu St. Louis
1904 vorgetragenen Arbeit empfiehlt M. auf Grund von Tierversuchen
und einer Reihe von ihm ausgeführter Operationen bei Ankylosen die
Zwischenpolsterung eines Fascienmuskellappens, der auch noch eine
Lage Fettgewebe enthält. M. hat nach solchen Operationen normal
bewegliche Gelenke mit einem deutlichen, Gelenkschmiere enthaltenden
Gelenkspalt erhalten.
Bei Besprechung der zu Ankylose führenden Gelenkerkrankungen
trennt M. von dem gewöhnlichen monoartikulären Rheumatismus die
primäre hämatogene fibröse Arthritis, die, ohne urethralen Ursprungs
zu sein, eine akute Infektion der Synovialmembran darstellt, Wochen
und Monate dauert und zur Nekrose des Endothels und der subendo-
thelialen Gebilde führt. Sie endet mit fibröser Ankylose und Ver-
wachsung der Kapsel. Die periartikulären Gebilde, Sehnen u. dgl.
sind dabei gewöhnlich nicht beteiligt. Einen ganz anderen klinischen
Verlauf nimmt wieder die trockene fibröse Arthritis, bei der keine
septische Intoxikation vorliegt, und die ohne Erguß im Gelenk verläuft,
auch keinen beständigen Schmerz verursacht. Nur bei Bewegungen
ist Empfindlichkeit vorhanden, die Bewegungsfähigkeit wird mehr und
mehr beschränkt, bis sie ganz aufhört. Es hat sich dann eine fibröse
Verwachsung der benachbarten Gelenkflächen ausgebildet. — Diese
beiden Arten sind wieder verschieden von der traumatischen fibrösen
Arthritis nach intraartikulären Frakturen. Diese endet mit vollkom-
mener Verklebung der Gelenkflächen. Sie ist häufig im Schulter-,
Ellbogen- und Kniegelenk. Auch ohne Fraktur kann eine trauma-
tische fibröse Arthritis sich ausbilden ; 8—10 Tage nach einem leichten
Trauma beginnen Schmerzen, die 3—4 Wochen lang zunehmen. Nach
etwa 12 Wochen kann sich eine vollständige Ankylose ausgebildet
haben. Es scheint hier eine Bindegewebsbildung in den Gelenken
vorzuliegen, die mit Keloidbildung in Vergleich zu setzen ist. Glück-
licherweise eignen sich diese Gelenke am besten für arthroplastische
Operationen; die periartikulären Gewebe sind nicht erkrankt. — Die
am meisten zerstörende Form ist die hämatogene eitrige Arthritis.
Bei der typhösen Form ist die gemischte (pyämische und typhöse) von
der rein typhösen Infektion zu trennen. Die erstere spielt sich, ebenso
wie die skarlatinöse Arthritis, meist im Hüftgelenk ab und führt in
über 50% der Fälle zu gleichzeitiger Verrenkung. Die leichteren
skarlatinösen eitrigen Entzündungen benötigen einfache Drainage und
führen dann oft zu vollständiger Ausheilung des Gelenkes. Dagegen
ist nach pyämischen Entzündungen die knöcherne Ankylose häufig.
Bei der gonorrhoischen Entzündung trennt M. die chronische,
schmerzhafte und trockene Form, dann die akute und subakute seröse
Entzündung, und schließlich die gemischte Infektion. Die erstgenannte
Zentralblatt fir Chirurgie. Nr. 37. 993
Form erstreckt sich über Monate und selbst Jahre, sie führt zu pla-
stischer adhäsiver Synovitis. Die seröse Synovitis verläuft schneller
und führt nicht zu Ankylose. Die gemischte Infektion endet mit
Eiterung, synovialer Nekrose, fibröser oder knöcherner Ankylose ohne
Erkrankung der periartikulären Gewebe.
Die tuberkulösen Arthritiden sind größtenteils sekundär von einem
meist in der Höhe der Diaphysen-Epiphysengrenze gelegenen Knochen-
herde her. Unter 128 Fällen von Kniegelenkstuberkulosen konnte bei
126 der Ursprung im Knochen nachgewiesen werden. — Primäre
ossifizierende Arthritis ist selten, ist nicht entzündlicher Art und führt
stets zu knécherner Ankylose. Allzulange Fixation eines Gelenkes
führt zu fibröser synovialer Verklebung.
Um ankylotische Gelenke zu mobilisieren, hat M. zunächst an
Hunden Versuche angestellt. Er hat den Trochanter major durchsägt,
das obere Fragment nebst Muskeln nach oben geschlagen, den
Schenkelkopf verrenkt, den Knorpel aus der Pfanne und vom Schenkel-
kopf entfernt und dann die Fascia lata eingenäht, so daß die mus-
kuläre Oberfläche der Fascie die innere Oberfläche der Pfanne begrenzt.
Die Ränder der Fascia lata wurden dann als Bedeckung des Schenkel-
kopfes über diesem zusammengenäht, letzterer wieder reponiert, Tro-
chanter und Haut darüber vernäht. Bei Tötung des Tieres nach
1/, Jahr konnte freie passive Beweglichkeit nach jeder Richtung hin
festgestellt werden. Man fand Atrophie der Muskeln, zwischen
Schenkelkopf und Pfanne einen feinen Spalt mit weicher Begrenzung
und angefüllt mit trüber klebriger Flüssigkeit, das Oberschenkelende
von neugebildeter Synovialmembran begrenzt. Auch eine neue Gelenk-
kapsel mit länglichen endothelialen Zellen hatte sich als innere Lage
des umgebenden gefäßführenden Bindegewebes gebildet.
Beim Menschen eignen sich von ankylotischen Gelenken zur
Operation das Kiefer-, Hüft-, Schulter-, Ellbogen- und Kniegelenk.
Bei Ankylosen der Kniescheibe kann ein Teil der Kniegelenkkapsel
zur Überlagerung des Oberschenkels benutzt werden. In Fällen von
Verwachsungen nach Sehnenscheidenentzündungen muß die Sehnen-
scheide exstirpiert und die Sehne mit einer Lage von Binde- oder
Fettgewebe oder einer Muskelaponeurose bedeckt werden. Bei Anky-
losen infolge adhäsiver Synovitis mit Verwachsungen der Kapsel mit
Kopf und Hals soll man die Kapsel und die mit ihr verbundenen
Bänder exzidieren und Kopf und Hals mit einer Aponeurose oder mit
Muskel bedecken. Auf die vollkommene Entfernung der Kapsel, beim
Knie auch der Seitenbänder, ist daher großer Wert zu legen, da ein-
fache Durchschneidung der Stränge selbst bei Muskelinterposition
nicht genügt. Die interponierten Lappen erhalten von den Knochen-
enden her sehr bald reichliche Ernährung. Am Kiefer- und Ell-
bogengelenk hat die gründliche Entfernung der Kapsel besondere
Schwierigkeiten.
Gleichzeitig mit der Gelenkoperation sind je nach Bedarf Teno-
und Myotomien bzw. Plastiken auszuführen. An der Quadriceps- und
37+%
994 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37.
Tricepssehne wird man zur Vermeidung von Verwachsungen mit dem
Knochen öfters Lappen von Fett- oder Muskelgewebe oder Aponeu-
rosen der Nachbarschaft einlagern müssen. Knöcherne Verwachsungen
der Gelenkenden müssen mittels Meißels durchtrennt werden, auch
sind nach Bedarf störende Knochenvorsprünge zu entfernen.
M. hat 12 Fälle von Ankylosen auf diese Weise operiert, deren
Krankengeschichten er mitteilt.
Besonders bemerkenswert ist Fall 4, in dem bei einem 12jährigen
Knaben die nach einer Oberschenkelkopfnekrose erfolgte knöcherne
Verwachsung im Hüftgelenk gelöst und nach Auslöffelung der Pfanne
in diese ein Lappen der Fascia lata eingepflanzt wurde, der so groß
war, daß er den neugebildeten Kopf ganz bedeckte. Es erfolgte
Heilung mit sehr guter Beweglichkeit; ebenso in einem anderen Falle
von Hüftgelenkvsersteifung bei einem 26jährigen Mädchen. Bei einem
weiteren Falle von Tuberkulose wurde der Lappen der Fascia lata
nach Resektion des Schenkelkopfes über den Rest des Halses genäht.
Auch hier wurde Beweglichkeit erzielt, allerdings beschränkte. Die
Freilegung der Hüftgelenke geschah stets mittels U-förmigen Haut-
muskellappens. Bei gleichen Operationen am Ellbogen bediente sich
M. auch der temporären Resektion des Olecranon. Beim Ellenbogen
ist zu bemerken, daß die Gelenkkapsel an der Beugeseite des Ober-
armes hoch hinaufgeht, der Fascienlappen also auch weit nach oben
umgeschlagen werden muß.
In den mitgeteilten 12 Krankengeschichten sind teilweise hin-
sichtlich der Beweglichkeit vorzügliche Erfolge erreicht, besonders an
Hüft- und Ellbogengelenken, weniger an Kniegelenken.
Ein geschichtlicher Überblick über operative Mobilisation ver-
steifter Gelenke beendet die äußerst lesenswerte Arbeit.
E. Moser (Zittau).
8) H. Tuppinger. Die Grenzen der radiographischen Diffe-
renzierung.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLIX. p. 49.)
Die sehr anschaulich geschriebene Arbeit gipfelt in folgenden
Schlußsätzen:
1) Gebilde von gleicher Durchlässigkeit heben im Röntgenbilde
sich voneinander nicht ab, auch nicht, wenn sie pathologisch oder alien
sind (absolute Grenze der Differenzierung).
2) Um wahrnehmbar zu sein, müssen die Helligkeitsunterschiede
im Bild einen gewissen Grad erreichen; dementsprechend müssen auch
die Unterschiede in der Durchlässigkeit des Objektes von einer ge-
wissen Höhe sein (relative Grenze der Differenzierung).
3) Die menschlichen Teile außer Fett und Lunge sind äußerst
wenig durchlässiger als Wasser (Perthes), also noch weniger vonein-
ander selbst verschieden.
4) Die relative Grenze wird niedrig gehalten durch
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 995
a. große Dicke des Objektes, teils direkt, teils wegen der Se-
kundärstrahlung ;
b. harte Röhre, teils wegen der Absorptionsverhältnisse im Ob-
jekt, teils wegen geringer Absorption in der photographischen Schicht,
teils wegen der Sekundärstrahlen;
c. die hochempfindliche Platte mit geringer Schwellenbreite.
5) Die relative Grenze wird der absoluten genähert durch
&. Dünnheit des Objektes,
b. weiche Röhre,
c. wenig empfindliche Platte und Verstärkung.
Letztere beide Momente bedingen längere Exposition.
6) Die Exposition ist begrenzt durch die Rücksicht auf Haut und
Röhre. Dadurch wird der Gebrauch weicher Röhren und wenig
empfindlicher Platten stark beschränkt. Reich (Tübingen).
9) Jacobi. Supplement zum Atlas der Hautkrankheiten
mit Einschluß der wichtigsten venerischen Erkrankungen.
Wien, Urban & Schwarzenberg, 1906.
Der Supplementband enthält noch bessere Wiedergaben als der
Atlas selbst, so daB Verf. Recht hat, wenn er im Vorwort von dem
»inzwischen sehr verbesserten Verfahren« (Dr. Albert-München)
spricht. Namentlich von großem Wert für den Nichtspezialisten ist
die Aufnahme zahlreicher Abbildungen von Syphilis. Man kann die
Anschaffung dieses billigen und besten Atlas nicht warm genug
empfehlen. Klingmüller (Kiel).
10) Neisser und Jacobi. Ikonographia Dermatologica. Atlas
seltener, neuer und diagnostisch unklarer Hautkrankheiten.
Unter Mitwirkung zahlreicher in- und ausländischer Derma-
tologen hrsg. von Neisser und Jacobi. 1. Lieferung.
Wien, Urban & Schwarzenberg, 1906.
Der Zweck dieses >periodisch erscheinenden Bilderwerkes« soll
sein, gute, absolut naturgetreue Reproduktionen solcher Erkrankungen
zu geben, welche neu, selten und ungekannt sind (Cases for diagnosis).
Die Wiedergaben werden an der Hand von Moulagen nach dem
Dr. Albert’schen Verfahren (München) hergestellt. Die erste Lie-
ferung enthält: De Amicis, Un nouveau cas de ejale norvégienne
ou croüteuse; Baum, Ein Fall von sog. Acne urticata; Baum, Ein
Fall von sog. Urticaria perstans; Brooke, Varus nodulosus; Finger,
Blastomycosis cutis chronica; Hallopeau, Sur un naevus lymph-
angiomateux végétant de la hanche; Jadassohn und Lewandowski,
Pachyonychia congenita; Pospelow, Ein Fall von Erythromelalgie;
Neisser und Siebert, Ein Fall von lichenoider Eruption mit De-
pigmentation. Die Abbildungen sind ausgezeichnet gelungen. Im
*
996 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37.
Text sind die Krankengeschichten enthalten und die Besonderheit der
Fälle kurz besprochen. Klingmiiller (Kiel).
11) Morichau-Beauchant. Les oedemes aigus circonscrits
de la peau et des muqueuses.
(Ann. de dermat. et de syphil. 1906. p. 22.)
Verf. teilt die akuten umschriebenen Odeme unter Hervorhebung
ihrer nahen Verwandtschaft in drei Gruppen: 1) Die arthritischen
Odeme treten bei arthritischen (Gicht und Gelenkrheumatismus) Men-
schen auf als »weißes flüchtiges Ödem« oder in Form subkutaner
Knoten, welche aber nur der Ausdruck eines tiefer sitzenden Ödems
sind. 2) Die hämorrhagischen Ödeme (Oedöme peliosique, Purpura
myelopathica, Purpura exanthematica) befallen jugendliche, neuro-
arthritisch belastete Individuen und entwickeln sich am häufigsten an
den Unterschenkeln unter Fieber, gastrischen Störungen und Gelenk-
schmerzen. Sie sind flüchtig, rezidivieren manchmal, heilen immer aus.
3) Die Quincke’sche Krankheit wird kurz in ihren bekannten Sym-
ptomen besprochen.
Verf. ist der Ansicht, daß in der Ätiologie dieser Krankheiten
der »Neuroarthritismus« eine wesentliche Rolle spiele, und daß sie
hervorgerufen werden durch anormale Zersetzungsvorgänge im Darm-
tractus, also keine Angioneurosen darstellen. Klingmüller (Kiel).
12) Touchard. Recherches anatomo-cliniques sur la scléro-
Ä dermie généralisée.
Thése de Paris 1906.
Verf. kommt auf Grund seiner Untersuchungen zu folgenden
Schlüssen: Die Veränderungen der generalisierten Sklerodermie, die
als Sklerodaktylie beginnt, gehen von den Gefäßen aus. Die Gefäße
sind von konzentrischen Schichten neugebildeter Zellen, welche auf
Kosten des Bindegewebes gebildet sind, umgeben. Gleichzeitig zeigen
die Endothelzellen der Gefäße eine Schwellung. Die Gefäßobliteration,
welche ausnahmsweise im Beginne vorhanden ist, tritt nur auf, wenn
die Fibrose der Haut ihr Maximum erreicht hat, und befällt gleich-
zeitig Nerven und Gefäße. Sie ist die Folge, nicht die Ursache der
Sklerodermie. Die Pigmentierungen, die sehr häufig im Verlauf auf-
treten, scheinen für eine Beteiligung der Blutgefäßdrüsen zu sprechen,
wie überhaupt klinisch und anatomisch sehr häufig Veränderungen
der Blutgefäßdrüsen (Hypophysis, Thyreoides, Nebennieren) nachweis-
bar sind. Klingmüller (Kiel).
13) W. A. Bryan. Diagnosis of fracture of the skull.
(Amer. journ. of surg. 1906. Juli.)
Sehr lesenswerte, kurze Zusammenstellung der fiir die Diagnose
wichtigen Symptome bei Schädelbrüchen. Es werden vor allem die
Ursachen des Nichterkennens von Schädelbrüchen hervorgehoben.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 997
Abducenslähmung bei Basalbrüchen fand Verf. im Gegensatz zu
v. Bergmann nur hier und da. Die chemische Differentialdiagnose
zwischen Serum und Zerebrospinalfliissigkeit und die Wichtigkeit
später einsetzender Paralysen werden besonders betont.
Goebel (Breslau).
14) Strasser (Bern). Anleitung zur Gehirnpräparation. Zweite
Auflage. 46 S.
Jena, Gustav Fischer, 1906.
Das, was wir über des Verf.s »Anleitungen zur Präparation des
Halses und Kopfes« in Nr. 26 ds. Zentralblattes sagten, trifft auch
für die vorliegende Anleitung im vollsten Maße zu. Das Büchlein ist
ein praktischer und guter Wegweiser beim Studium und Zergliedern
des Gehirnes und kann somit auch dem Praktiker, welcher dieses Ge-
biet der Anatomie an der Hand von Präparaten repetieren will, durch-
aus empfohlen werden. A. Most (Breslau).
15) Mills. The focal diagnosis of operable tumors of the
cerebrum.
(Univ. of Pensylvania med. bull. 1906. April-Mai.)
M. faßt in vorliegender Arbeit seine in zahlreichen früheren Ver-
öffentlichungen mitgeteilten Ansichten über die Herddiagnose der
operabeln Hirngeschwülste zusammen und berichtet gleichzeitig über
einige neue Anschauungen und Beobachtungen. Die Allgemein-
erscheinungen, Einteilung in physiologische Bezirke und diesen ent-
sprechende Operationsbezirke, der Unterschied zwischen den Funktionen
der rechten und linken Hirnhälfte, die Differenzierung kortikaler und
subkortikaler Geschwülste, die Symptomatologie der Geschwülste je
nach dem Sitz, die Quellen der Fehldiagnosen bei der Herddiagnose
der Hirngeschwülste werden unter Einfügung zahlreicher eigener Be-
obachtungen ausführlich erörtert. Die von M. auf Grund reicher
eigener Fälle gewonnenen Anschauungen weichen vielfach von den
bisherigen ab. (2 Abbildungen.) Mohr (Bielefeld).
16) Unterberger. Über operative Verletzungen des Ductus
thoracicus.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVI. Hft. 3.)
Im Anschlu8 an einen in der Garré’schen Klinik beobachteten
Fall von operativer Durchschneidung des Ductus thoracicus mit nach-
folgender Chylorrhée, die unter Tamponade innerhalb 14 Tagen zum
Versiegen kam, gibt die Arbeit eine Ubersicht iiber die anatomischen
Verhältnisse und Varietäten des groBen lumbothorakalen Lymphstam-
mes und eine Kasuistik von dessen operativen Verletzungen mit
29 Fällen.
Das konstanteste und typische Symptom der Verletzung des
Ductus thoracicus bildet die Chylorrhöe Der Säfteverlust kann ein
993 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37.
enormer werden, so daß die Pat. stark abmagern, heftigen Durst,
große Mattigkeit, Kopfschmerz und kleinen, frequenten Puls, mitunter
auch Fieber bekommen. Infolge der Varietäten im Verlauf ist eine
Verletzung des Ductus auch in der rechten Supraclaviculargrube
möglich.
Die Therapie der Ohylorrhöe kennt drei Wege: Die Naht des
Ductus ist in allen Fällen, wo sie technisch überhaupt ausführbar ist,
wie bei seitlichen Schlitzen, zweckmäßig, wenn auch die Erhaltung der
Lichtung dabei fraglich ist. In allen Fällen soll die Unterbindung
versucht werden. Die Tamponade ist eine Aushilfe, wenn das ver-
letzte Gefäß nicht zu fassen und zu unterbinden ist, führt aber eben-
falls zum Ziel. Tritt die Chylorrhöe erst einige Zeit nach der Opera-
tion auf, so hat deren Intensität darüber zu entscheiden, ob die Wunde
geöffnet und eine Unterbindung versucht oder aber nur ein Druck-
verband nach Tamponade angelegt wird. Reich (Tübingen).
17) Macewen. On some points in the surgery of the lung.
(Brit. med. journ. 1906. Juli 7.)
Mannigfache Beobachtungen an Verletzten und bei Operationen
haben Verf. überzeugt, daß die Lunge bei Eröffnung der Pleura
durchaus nicht so vollständig kollabiert, wie immer angenommen wird,
sondern daß der Grad des Kollapses von verschiedenen anderen
Umständen außer dem Luftdruck einerseits und der Lungenelastizität
andererseits abhängt. So kann man das Zusammenfallen der Lunge
vermindern bzw. ihre Wiederausdehnung erleichtern, wenn man Pleura
parietalis und visceralis künstlich wieder in nahe Berührung miteinander
bringt. Es genügt sogar das Bedecken der Lungenpleura mit feuchtem
Verbandsstoff, um die Ausdehnung in die Wege zu leiten. Solche
Mittel, die beiden Pleurablätter miteinander in Berührung zu bringen,
hat Verf. in vielen schweren Fällen mit Erfolg angewandt: Rücken-
lagerung oder Lagerung mehr auf die Seite der eröffneten Pleura,
Zusammendrücken des Thorax, starkes Pressenlassen bei geschlossener
Glottis, gleichzeitiges Hinaufdrängen des Zwerchfelles vom Bauch her
mit Handedruck, Pleurapunktionen bei schwerem traumatischem Pneumo-
thorax oder Rippenresektion mit Lungennaht bei Einrissen im Lungen-
gewebe. Alle diese Mittel dienten ihm mit Erfolg dazu, die beiden
Pleurablätter miteinander in Berührung zu bringen und die Ausdeh-
nung der teilweise zusammengefallenen Lunge so einzuleiten und zu
erhalten. Sie sind aber nur so lange erfolgreich, als die Pleurablätter
in annähernd normalem Zustande sich befinden, vor allem noch nicht
zu stark ausgetrocknet sind durch langdauernde Berührung mit Luft.
Die Kraft, die solcherweise die aneinander gebrachten Pleurablätter
zusammenhält, ist die molekuläre Kohäsion und die Kapillarität, eine
Lehre, die Verf. seit nunmehr 30 Jahren vertritt. Diese Kraft ist die
Hauptursache für die Aufrechterhaltung der Lungendehnung und für
die Wiederausdehnung der zusammengefallenen Lunge, wie ihn ein-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 999
wandsfreie Beobachtungen an Verletzungen gelehrt haben; der atmo-
sphärische Druck kommt erst in zweiter Linie in Betracht.
Die Kraft der Kohäsion mag an einem gegebenen Punkte der
Pleura unbedeutend sein, durch die Verteilung über die großen Pleura-
flächen erreicht sie eine beträchtliche und maßgebende Höhe. Sie
wird ganz bedeutend gesteigert durch die unterstützende Kraft der
Kapillarität, die der serösen, dünnen Flüssigkeitsschicht zwischen den
Pleurablättern innewohnt. Alle jene obengenannten, vom Verf. bei
zufälligen oder operativen Wunden der Pleura verwendeten Mittel, zu
denen er auch das von ihm nicht benutzte Vorziehen und Einnähen
der Lunge in die Brustwandöffnung rechnet, dienen dazu, die aus-
einander gewichenen Pleurablätter miteinander in Berührung zu bringen
und unter Benutzung der gegebenen Kohäsions- und Kapillaritätskraft
in Berührung zu erhalten. Weber (Dresden).
18) R. Jones. Remarks on certain injuries commonly asso-
ciated with displacement of the head of the humerus.
(Brit. med. journ. 1906. Juni 16.)
Die häufigste Komplikation von Brüchen im oberen Humerusende
ist die Schulterverrenkung. In der großen Mehrzahl der Fälle treten
beide Verletzungen gleichzeitig ein entsprechend ihrer häufigsten Ver-
anlassung: Sturz auf die Schulter. Stets muß die Verrenkung so früh
als möglich eingerichtet werden, bevor man den Knochenbruch in An-
griff nimmt. Ihr Bestehenbleiben gibt äußerst ungünstige Verhältnisse.
Die Einrichtung kann leicht, sehr schwierig, ganz unmöglich sein, je
nach KapselriB und Kopfstellung. Wegen der Verschiedenartigkeit
der anatomischen Verhältnisse ist es unmöglich, eine bestimmte Me-
thode der Einrichtung als stets brauchbar hinzustellen. Verhältnis-
mäßig günstig erschien dem Verf. starker Zug am senkrecht erhobenen
Arm mit oft sehr kräftigem Druck auf das verrenkte und gebrochene
Kopfende. Mißlingt die Einrichtung, so kommen nach Aufsaugung
des Blutergusses zwei Eingriffe in Frage: die Resektion des Kopfes
für veraltete Fälle mit Zeichen von Druck oder Stauung, die Opera-
tion von McBurney für frische Fälle vor Heilung der Fraktur. Sie
besteht im Einschneiden auf das obere Ende des Bruches und Ein-
richtung mit Hilfe eines kräftigen Hakens, der in ein besonders aus-
gebohrtes Loch eingesetzt wird. Die Fraktur wird am besten mit
Extension im Sitzen behandelt; Drahtnähte hält J. auf Grund seiner
Erfahrungen an mehreren Hunderten von Fällen für unnötig. — Der
Arbeit sind 26 recht gute Röntgenbilder beigegeben.
Weber (Dresden).
19} Ehebald. Der isolierte, subkutane Kahnbeinbruch im
Handgelenk auf Grund von 17 Beobachtungen.
(Archiv für Orthopädie, Mechanotherapie und Unfallchirurgie Bd. IV. Hft. 3.)
Verf. veröffentlicht 17 Fälle von Kahnbeinfrakturen. Bei den
verschiedenen Gelegenheitsursachen ist der Mechanismus des Bruches
1000 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37.
kein einheitlicher. Die langgestreckte Form, die oft variierende Ge-
stalt dürfte diesen Handwurzelknochen vor den anderen zum Bruche
prädisponieren. Auch der Umstand, daß die Krümmung der Gelenk-
fläche des Kahnbeins zum Radius in radioulnarer Richtung eine stär-
kere ist als die der Radiuspfanne dürfte nicht ohne Einfluß auf das
leichtere Brechen dieses Knochens sein.
Der Bruchspalt, der entweder ganz oder wenigstens zum größten
Teil ein intrakapsulärer ist, durchsetzt das Kahnbein fast immer
mehr oder weniger quer zu seiner Längsachse, am häufigsten ziemlich
genau in der Mitte des Knochens. Selten zerbricht das Kahnbein in
drei Stücke, dagegen findet man häufig einen oder mehrere kleine
Splitter in der Nähe des Bruchspaltes. Die Bruchflächen sind meist
glatt, bisweilen auch zackig und beide Fragmente ineinander verkeilt.
Eine Dislokation ist sehr oft nachzuweisen, und zwar ad latus; nie ad
peripheriam und ad axin.
Um das wichtigste Symptom, den genau lokalisierten Bruchschmerz,
hervorzurufen, setzt man am besten den Daumen in die Tabatiere,
den Zeigefinger und Mittelfinger in die Mitte der Beugeseite des Hand-
gelenkes am Ursprung des Daumenballens dagegen. Hierdurch be-
kommt man das Keilbein gut zwischen die Finger und kann durch
einen heftigen Druck intensiven Bruchschmerz hervorrufen.
Bei Frakturen ohne Dislokation kann bei frühzeitiger Immobili-
sation der Hand möglicherweise knöcherne Heilung erzielt werden.
Bei stärkerer Dislokation der Bruchstücke, wie bei veralteten Brüchen
ist die Entfernung des proximalen Bruchstückes indiziert.
Verf.s Ansicht, daß vor der Einführung der Röntgenstrahlen
isolierte Kahnbeinbrüche niemals sicher erkannt wurden, kann Ref.
nicht beipflichten, da in der Jenenser Klinik bereits vor der Aufstel-
lung des Röntgenapparates Frakturen des Kahnbeines allein aus den
klinischen Symptomen diagnostiziert sind. Hartmann (Kassel).
20) M. Harry. Psoashämatome bei Hämophilie.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVII. Hft. 3.)
Den aus der Literatur zusammengestellten 17 Fällen von teils
traumatischen, teils hämophilen Psoashämatomen reiht Verf. drei Fälle
von Psoashämatomen bei Himophilie aus der Garré’schen Klinik an.
Diese entstehen meist langsam als eine die Fossa iliaca ausfiil-
lende, prallelastische bis derbe Geschwulst, die Flexionskontraktur und
Beweglichkeitsbeschränkung in der Hüfte bedingt. Mitunter bestehen
heftige Schmerzen und Fieber. Die Diagnose kann nur durch Aus-
schluß von tuberkulösen und osteomyelitischen Abszessen, von Lues,
Cysten, Echinokokken und bösartigen Geschwülsten, speziell Sarkom,
gestellt werden und wird erst durch die charakteristische Anamnese
der Hämopbilie gesichert. Die Probepunktion mit Aspiration von
altem Blut kann zwar zur Diagnose verhelfen, ist aber wegen der
Blutungsgefahr recht bedenklich. — Meist bilden sich die Hämatome
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 1001
spontan zurück, um aber in periodischen oder unregelmäßigen Inter-
vallen wieder aufzutreten. — Ein operativer Eingriff, wie Inzision und
Ausräumung, ist auch im postakuten Stadium durchaus kontraindiziert
wegen der Verblutungsgefahr und großen Unsicherheit der Erfolge.
Außer der üblichen, gegen die Hämophilie gerichteten Medikation
(Gelatine, Chlorkalzium, Adrenalin) hat sich die Therapie auf Aus-
gleich der Kontrakturstellung und Anwendung resorptiver Mittel
(Eisblase, feuchte Umschläge, Alkoholkompressen) zu beschränken.
Reich (Tübingen).
21) H. Gross. Die Lymphangiektasie der Leiste und andere
Folgeerscheinungen der Lymphstauung.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXIX. Hft. 4.)
Die vorliegende Arbeit enthält den Schlußbeitrag des Verf. über
seine Studien, welche die Lymphektasie der Leiste betreffen. In der
Hauptsache ist auch sie eine umfangreiche Kritik der nicht ganz un-
bedeutenden und jedenfalls schwer zu bearbeitenden Literatur der
seltenen Erkrankung. Die Einzelheiten der Literaturangaben und
Schlußfolgerungen des Verf. aufzuzählen, würde den Rahmen eines
Referates überschreiten. Interessenten sei die Lektüre der Original-
arbeit empfohlen. E. Siegel (Frankfurt a. M.).
22) Flint. A new method of excision of the knee without
opening the joint.
(Annals of surgery 1906. Hft. 3.)
Verf. glaubt, daß die jetzt bei der Resektion des tuberkulösen
Knies geübte Methode der Exzision der kranken Synovialis einmal
Fig. 2.
f
N
—P
|
durch die dabei vorhandene starke Blutung und dann durch die Aus-
streuung tuberkulösen Materials über die Wunde Nachteile habe. Er
1002 Zentralblatt für Chirurgie Nr. 37.
schlägt deswegen vor, die Kondylen der Tibia und des Oberschenkels
ohne Eröffnung des Kniegelenks zu entfernen. Nach Aufklappen des
Gelenkes durch einen viereckigen Hautlappen wird die Quadriceps-
sehne durch einen hufeisenförmigen Schnitt mit der Konvexität nach
unten durchtrennt (x), von diesen gehen zwei Seitenschnitte (y) nach
abwärts. Jetzt wird die obere Hälfte der Quadricepssehne nach oben
und die untere mit der Bursa nach unten geklappt, wodurch der
Oberschenkel freigelegt wird. In der punktierten Linie f wird die
Säge eingesetzt und nun das Schienbein mit schräg nach oben gerich-
teten Zügen durchsägt und die Weichteile von der hinteren Fläche
entfernt bei starker Beugung des Beines. Die Säge gleitet dann hin-
ter die Kondylen des Oberschenkels und durchsägt diese zunächst von
hinten nach vorn, dann von vorn nach hinten. Es werden auf diese
Weise in einem Stück (u) die Kondylen der Tibia und des Ober-
schenkels mitsamt der Kniescheibe ohne Eröffnung des Kniegelenk-
spaltes entfernt. Herhold (Altona).
23) Pätzold. Zur Frage der Osteotomie des Genu valgum
‚adolescentium.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVIL Hit. 3.)
Bis 1901 wurde in der Königsberger Klinik bei dem Genu valgum
ausschließlich die Osteotomie am Oberschenkel vorgenommen. Die
Nachuntersuchung derartiger Fälle ergab, daß diese Osteotomie in
allen den Fällen kontraindiziert war, in denen der Gelenkspalt vor
der Operation horizontal stand und die Verkrümmung hauptsächlich
in der Tibia ihren Sitz hatte. Es resultierte dann eine funktionell
nicht bedeutungslose Schrägstellung der Gelenkspalte und eine bajonett-
förmige Knickung an der Operationsstelle, die auch durch Knochen-
transformation nie ganz ausgeglichen wird. Auf Grund dieser Er-
kenntnis wurde seit 1901 prinzipiell als Ziel des operativen Eingriffes
eine Horizontalstellung der Gelenkspalte ins Auge gefaßt: ist diese
von lateral oben nach medial unten geneigt, so ist der Oberschenkel
Sitz der Verkrümmung und daher Angriffspunkt der Operation; ist
sie horizontal, so handelt es sich um eine Verkrümmung des Schien-
beines, das dann zu osteotomieren ist.
Der Messung des Kniebasisoberschenkel- resp. Schienbeinwinkels
kommt eine geringe Bedeutung zu, schon wegen der Schwierigkeit
einer exakten Bestimmung, sodann, weil der Kniebasisoberschenkel-
winkel auch bei normalen Beinen wechselnd ist. Die Verkrümmung
der Schienbeindiaphyse scheint viel häufiger zu sein als die des Ober-
schenkels (während bisher allgemein das Gegenteil angenommen wurde)
und findet vielleicht ihre Erklärung in dem längeren Bestand der
Tibiaepiphyse im Vergleich zu derjenigen des Femur.
In ätiologischer Beziehung ist Verf. geneigt, die lymphatisch-
chlorotische Konstitutionsanomalie am ehesten als Ursache der Ver-
krümmung anzuschuldigen.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 1003
Mit den beschriebenen Grundsätzen der Osteotomie beim Genu
valgum wurden durchweg günstige Resultate erzielt. Betrifft die Ver-
krümmung beide Knochen in gleichem Grade, so wird in erster Linie
das Schienbein durchmeißelt, schon deshalb, weil am Unterschenkel
eine Verkürzung sich stets vermeiden läßt, nicht aber ausnahmslos am
Oberschenkel. Eventuell ist an beiden Knochen zweizeitig zu osteo-
tomieren. Steht bei der Schienbeinosteotomie die Fibula der Korrektur
im Wege, so wird sieim unteren Drittel gleichfalls durchtrennt. Verf.
glaubt nicht, daß Peroneuslähmung häufiger sei bei der Osteotomie
des Unter- als des Oberschenkels und zieht in Erwägung, ob es nicht
zweckmäßiger wäre, an Stelle des Gipsverbandes nach der Operation
einen Zugverband zu wählen. Reich (Tübingen).
24) Bunge. Zur Technik der Erzielung tragfähiger Diaphysen-
stiimpfe ohne Osteoplastik.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVII. Hft. 3.)
Die Beobachtung eines nach Bier osteoplastisch gedeckten Unter-
schenkelstumpfes, der trotz Ausstoßung des Knochendeckels tragfähig
wurde und blieb, führte Verf. zu der Überzeugung, daß die Bedeckung
des Stumpfendes mit einem in normalem Zusammenhang mit dem
Periost stehenden Knochenlappen nicht unerläßlich ist, sondern Trag-
fähigkeit sich durch jede Methode erzielen läßt, welche die Bildung
schmerzhafter Knochenwucherungen hintanhält und eine narbenfreie
Unterstützungsfläche liefert.
Dies erreicht Verf. durch Herstellung eines »nackten Knochen-
endes« nach der von ihm eingeführten Methode, deren Technik kurz
folgende ist: Großer vorderer, kleiner hinterer Hautlappen; zirkuläre
Umschneidung des Periosts, welches distalwärts zurückgeschoben wird;
Absetzung der Knochen etwas unterhalb des periostalen Zirkelschnittes;
Ausräumung des Markes auf 2—3 mm; die Fibula wird 2 cm höher
durchsägt als die Tibia.
Diese Methode lieferte in 11 von 12 Fällen vorzüglich tragfähige
Stiimpfe; bei einem waren Neurome Ursache der schlechten Funktion.
Gegenüber der Bier’schen Östeoplastik hat die Methode den
Vorzug technischer Einfachheit bei günstigen Heilungsverhältnissen.
Die Markausräumung führt nicht zu Stumpfnekrose. Eine methodische
Stumpfübung nach Hirsch ist überflüssig, da schon nach 14 Tagen
(nach Heilung der Wunde) eine spontane Schmerzlosigkeit des Stumpf-
endes eintritt, die zu direkter Belastung in der provisorischen Prothese
befähigt. Die einzige Übung besteht darin, daß der Stumpf mitunter
im Bett aufgestützt wird, wenn Pat. aus anderen Gründen nicht früh-
zeitig aufstehen kann. Die Methode legt zweckmäßig die Narbe hinter
die Unterstiitzungsfliche. Die Herstellung eines Muskelpolsters hält
Verf. für überflüssig, da es doch bald atrophiertt. Auch Sehnen-
deckung ist nicht notwendig, da die Haut allein hinreichend wider-
standsfähig wird. |
1004 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37.
Zwar bleiben auch hier seitliche Periostwucherungen nicht immer
aus, allein sie fallen nicht in die Unterstützungsfläche und sind daher
für die Funktion bedeutungslos.. Gewöhnlich wird das Knochenende
durch eine glatte medulläre Knochenproduktion abgeschlossen.
Knochenatrophie war trotz direktem Gange nicht immer zu vermissen.
Die Methode liefert also auf technisch einfache Weise und ohne
jede Nachbehandlung dauerhaft tragfähige Unterschenkelstümpfe und
läßt sich mit Vorteil auch für die Oberschenkelamputation verwenden.
Reich (Tibingen’.
Kleinere Mitteilungen.
I.
Zur Nachprüfung.
Von
Prof. Dr. Carl Bayer in Prag.
1) Dorsale Fixation des Armes bei Schlüsselbeinbruch.
In zwei Fällen von Fraktur des Acromialendes des Schlüsselbeines erzielte ich
tadellose Koaptierung der Bruchenden durch Fixation des Vorderarmes quer über
den Rücken. Ein Pflasterzug über die Clavicula, den Humeruskopf und über
diesen zum Rücken verlaufend extendierte das Acromislende und drängte den
Humeruskopf nach hinten; ein zweiter Streifen, den ersteren kreuzend, verlief von
der Schulterhöhe über die Frakturstelle, den Brustkorb, das Olecranon und über
den Rücken zur Schulterhöhe zurück; ein dritter Streifen endlich umfaßte als
Schleife das Carpalende des Vorderarmes, verlief über den Rücken, die Schulter-
höhe, die Frakturstelle und endete vorn in .der Pectoralisgegend.. Der Arm mit
Freilassung der Hand wurde in dieser Lage mittels Bindentouren nach Desault
fixiert. Die einzige Unbequemlichkeit dieses Verbandes besteht darin, daß der
Kranke nicht auf dem Rücken liegen kann; bei seitlicher Lagerung des Körpers
jedoch mit leichter Neigung zur Bauchlage stört der Vorderarm am Rücken gar
nicht. Ahmt man die beschriebene Armhaltung nach, so kann man sich von dem
kräftigen Zuge, den sie auf die Clavicula ausübt, leicht überzeugen.
2) Protektivesilk als Deckmittel für den Darm bei peritonealer Tamponade.
Die Gefahren und Unannehmlichkeiten, welche Verklebung und Verfilzung von
Gazestoffen mit der Serosa des Darmes bei deren Entfernung gelegentlich des Ver-
bandwechsels später nach der Operation verursachen, haben mich veranlaßt, in
einem jüngst operierten Falle von eitriger Appendixperitonitis nach Entfernung
des Wurmfortsatzes und Entleerung des Exsudats die Bauchhöhle folgendermaßen
zu versorgen:
Blind- und Dünndarm wurden mit einem schürzenartig über sie geklappten
Stück (in Glyzerin sterilisierten und in sterilem Wasser abgewaschenen) Protektive-
silk zurückgehalten und die subcoecale Nische mit Jodoformgaze tamponiert. Der
freie Rand der Protektiveschürze wurde mittels einer Sutur am Hautwundrande
fixiert. Der Tamponwechsel einige Tage nach der Operation gelang auffällig leicht
und war auch für den Kranken ohne Qual.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 1005
I.
Erhaltung des Weichteilnasengerüstes bei Oberkieferresektion
und die Vorteile dieser Operationsmethode.
Von
Dr. med. Carl Israel,
Direktor des Landkrankenhauses Hersfeld.
Wer das unangenehme Gefühl empfunden hat, welches durch das Eindringen
von Speiseteilen in die Gebiete der Nasenhöhle erzeugt wird, hat wohl immer ein
Mitgefühl gehabt mit den armen Pat., denen durch Resektion eines Kiefers diese
Nasenpartien schutzlos dem Eindringen von Speisen usw. preisgegeben sind. Ge-
wiß läßt es sich ja für viele Fälle nicht anders machen, um das Karzinom des,
Kiefers voll und ganz zu entfernen, und den Pat. muß das Bewußtsein, von einer
drohenden Gefahr befreit zu sein, die Belästigung in der Sprachveränderung und
in der Speisezufuhr ertragen helfen. Und doch gibt es eine große Mehrzahl von
Fällen, in denen durch Entfernung der kranken Kieferteile geholfen werden kann,
ohne daß jene eben beschriebenen Beschwerden einzutreten brauchen.
Hierher gehören namentlich die vom Zahnfortsatz und von der äußeren Wand
des Oberkiefers ausgehenden karzinomatösen oder sonstigen bösartigen Neubildungen.
Die oben beschriebenen Belästigungen, welche nach üblicher Resektionsmethode
eintreten, haben mich vor 2 Jahren veranlaßt, die Operation so auszuführen, daß
das Schleimhautgerüst der Nase ganz erhalten wird. Ich habe nach der üblichen
Methode den Schnitt geführt, genau wie ihn König angibt, habe aber nicht von
der Apertura pyriformis aus den Proc. nasalis und nach unten den Proc. alveol.
durchsägt, sondern habe von der Apertura pyriformis aus mir erst mit einem Ele-
vatorium das gesamte Schleimhaut- und Periostgerüst am Boden und an der äußeren
Wand der Nase abgelöst und, zwischen diese und die äußere Nasenwand die Stich-
säge führend, nach oben und außen den Proc. nasalis und nach unten den Proc.
alveol. durchsägt. Die Abdrückung des Kiefers geschah nach vollständiger üb-
licher Durchtrennung seiner übrigen Verbindungen etwas mühevoller und lang-
samer, sie gelang aber so, daß das ganze Weichteilgerüst der Nase erhalten blieb.
Die Heilung ging glatt von statten, und hatte ich die Freude, nicht das geringste
Teilchen der erhaltenen Nase nekrotisch werden zu sehen; es dauerte die Verwach-
sung der Backenschleimhaut mit der in der Mitte durchtrennten Gaumenschleim-
haut länger, weil sie einen weiteren Weg zu überwinden hatte als bei Verheilung
mit der Schleimhaut der ganz geöffneten Nasenhöhle. Und verheilt hatte ich den
Eindruck, daß die Mundhöhle auf der operierten Seite etwas verengt und nicht so
hoch sei. Dafür aber fehlte die geringste Sprachstörung, und es konnten keine
Speisen in die Nasenhöhble.
Jetzt nach 2 Jahren habe ich mich von dem Zustande der damaligen Pat.
überzeugt und kann ich zu meiner Freude berichten, daß die Nasenhöhle etwas
geschrumpft und kleiner aussieht als die gesunde; daß sie voll für Luft durch-
gängig ist, daß die Mundhöhle auf der ehemals kranken Seite ebenso weit geworden
ist wie auf der gesunden, daß die Frau gar keine Sprachstörungen zeigt und in
jeder Weise gesund und nicht im geringsten entstellt ist.
Damals habe ich kurz nachher in einem zweiten Falle in gleicher Weise das
Weichteilnasengerüst erhalten, und verlief auch hier die Heilung glatt und ohne
Störung. Leider trat nach 1/; Jahr ein Rezidiv in den Partien zwischen dem
Boden der Augenhöhle und den Abgangsteilen des Proc. pterygoid. ein, so daß
diese Pat. nur kurze Zeit den Vorteil dieses Operationsverfabrens hatte.
Jedenfalls beweisen diese zwei Erfahrungen, daß in geeigneten Fällen die Er-
haltung des Weichteilnasengerüstes nicht nur möglich und leicht auszuführen ist,
1006 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37.
sondern auch den Pat. die größten Vorteile gewährt, da weder Sprachstörungen,
noch das Eindringen von Speiseteilen in die sonst restierenden Nasenräume, noch
die chronisch entzündlichen Affektionen des hinteren Rachenraumes statthaben
können.
25) E. H. Hunt. Flagellated protozoa in a perineal abcess.
(Lancet 1906. Juli 28.)
Verf. wies in dem frischen Eiter eines perinealen Abszesses ein Flagellaten-
protozoon nach, das er neben den vorhandenen Streptokokken als Ursache der
Eiterung anspricht. Das Protozoon ist in 4 Figuren in der Arbeit demonstriert.
Verf. betont die Wichtigkeit der Untersuchung des frischen Eiters in solchen
Fällen, da derartige Lebewesen seiner Ansicht nach im Eiter, der bereits einige
Stunden gestanden hat, in ihren Eigenschaften (Bewegung usw.) nicht mehr studiert
werden können oder überhaupt mit den üblichen Färbemitteln nicht mehr nachzu-
weisen sind. H. Ebbinghaus (Dortmund).
26) Alessandri. Neoformazione a tipo progressivo intorno ad un corpo
estraneo.
(Bullettino della R. accad. med. di Roma 1905. XXXI. p. 87.)
Das Merkwürdige des mitgeteilten Falles liegt darin, daß sich um einen Seiden-
faden eine langsam wachsende, fibröse Geschwulst entwickelt hatte, die klinisch
zur Annahme eines Fibroms oder Fibrosarkoms berechtigte. Dem 40jährigen Pat.
war 3 Jahre zuvor ein Leistenbruch radikal operiert worden. Wundheilung per
primam intentionem; eine leichte, langsam zurückgehende Hodenschwellung kom-
plizierte allerdings den postoperativen Verlauf, und im Anschluß daran erinnert
sich Pat., eine schnurartige Verdickung unterhalb der Operationsnarbe gefühlt zu
haben. Vor 3 Monaten bemerkte er die Geschwulst, die seitdem an Größe zu-
nahm. Die Operation ergab eine limonengroße, nicht abgekapselte, mit Bauch-
muskulatur und Bauchfell verwachsene, narbig fibröse Geschwulst, in deren Zentrum
ein Unterbindungsfaden von einer kleinerbsengroßen, etwas trübe Flüssigkeit ent-
haltenden Höhle umschlossen wurde. A. Most (Breslau).
27) Grünberger. Ein Fall von Tetanus traumaticus mit Ausgang in
Heilung unter Antitoxin- und Blaulichtbehandlung.
(Prager med. Wochenschrift 1905. Nr. 18.)
Eine kräftige Frau erkrankte 3 Tage nach einer Verletzung der rechten Ferse
mit einer Nadel an einem schweren Tetanus. 3 Tage nach dem Auftreten der
ersten Starrkrampfsymptome erhielt die Pat. 100 Antitoxineinheiten Behring’s
Serum subkutan; diese Einspritzung wurde im Verlaufe der Krankheit noch 10mal
wiederholt, außerdem öfter Urethan (bis zu 21 g) gereicht. Vom 4. Krankheitstag
ab wurde die Frau in einem Zimmer, dessen einziges Fenster blaue Glasscheiben
hatte, untergebracht. Genau 4 Wochen nach Beginn des Tetanus waren alle seine
Erscheinungen beseitigt, es trat völlige Heilung ein. Das blaue Licht hatte eine
subjektiv wohltuende und beruhigende Wirkung auf die Kranke, weshalb Verf. zur
Anwendung dieses Hilfsmittels in jedem ähnlichen Fall auffordert.
Gutzeit (Neidenburg).
28) Radiotherapie.
Société française de dermatol. et de syphiligr. Séance du 15 Mars 1906.'
(Ann. de dermat. et de syph. 1906. p. 338 ff.)
Aus der ausgedehnten Diskussion über Art der Applikation, Auswahl der Fälle
für die Röntgenbestrahlung usw. seien nur die Statistiken mitgeteilt:
Mancel Penard (Thèse 1905):
208 Fälle von Epitheliom: 146 definitiv geheilt = 67,5%,
53 gebessert = 26,7 %,
9 verschlimmert = 85%.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 1007
Bisserié et Mezerette:
186 Falle von Epitheliom: 142 geheilt = 160%,
41 gebessert,
3 ohne Erfolg.
Gaston et Decrossas:
57 Falle von Epitheliom: 27 geheilt = 47,0%,
4 teilweise geheilt,
9 verschlimmert,
13 nicht wiedergekommen.
Balzer et Fleig:
7 Fälle von Epitheliom: 3 geheilt,
4 gebessert.
1 Fall von Sarkom (Rezidiv in einer Operationsnarbe): geheilt.
1 Fall von Prostatahypertrophie: bedeutende Besserung.
Klingmüller (Kiel).
29) O. Borchgrevink. Lokalanaesthesi.
Vortrag in der med. Gesellschaft in Christiania am 25. April 1906.
(Norsk Mag. for Laegevid. 1906. Nr. 8.)
Zusammenfassende Darstellung der Lokalanästhesie an der Hand von 2000 Fällen,
die innerhalb der letzten 4 Jahre im Reichshospital zu Christiania behandelt wurden.
Bei Besprechung der Lumbalanästhesie äußert sich Verf. über die Ursachen, welche
gelegentlich zu Vergiftungserscheinungen Veranlassung geben. Die Erfahrungen
deuten darauf hin, daß es rein physikalische Gesetze sind, nach denen das Anästhe-
sierungsmittel sich im Subduralraume verbreitet. Bei Trendelenburg’scher
Lagerung kann die zentralwärts fließende Injektionsflüssigkeit durch direkte Ein-
wirkung auf die Zentren der Medulla oblongata gefahrdrohende Symptome herbei-
führen. Seit Mai 1905 versuchte B. 40mal die Spinalanästhesie, darunter 29mal
mit Erfolg, d. i. 27,59 MiBerfolge. 25mal wurde Stovain (8mal ohne Erfolg) an-
gewandt, 16mal Novokain (3mal ohne Erfolg). In 2 Fällen führte auch eine aber-
malige Einspritzung von Stovain bzw. Novokain die Anästhesie nicht herbei. Ver-
giftungen sah Verf. sehr selten, weil er die Beckenhochlagerung nicht anwendet.
In 2 Fällen erlebte er eine »konträre Wirkung« des Stovains: es trat eine ungewöhnlich
hartnäckige Blasenlähmung auf. B. vermutet, daß in einem Falle die Lähmung
durch eine zu starke Konzentration des Anästhesierungsmittels veranlaßt worden
sei. Novokain-Suprareninlösung wirkt intensiver und führt daher leichter zu Ver-
giftungserscheinungen als Stovain. Für Bauchoperationen rät B. die Lumbal-
anästhesie nur im Notfall anzuwenden. Bei abdominellen Eingriffen und bei Ope-
rationen am Hodensack ist die Schleich’sche Infiltrationsmethode der Spinal-
anästhesie an Wirkung und Sicherheit überlegen.
Diskussion: T. Bull erzielte unter 8 Fällen von Spinalanästhesie 3mal keine
oder ungenügende Wirkung. Er beobachtete ferner 3mal Blasenlähmung. In
2 Fällen war die Blasenlähmung die einzige Folge der Lumbalinjektion, Anästhesie
wurde nicht erreicht. Bei Nervenleidenden rat B., von der Lumbalanästhesie ab-
zusehen.
Borchgrevink: Die Mißerfolge bei Lumbalinjektionen sind wahrscheinlich
häufiger, als nach den vorliegenden Veröffentlichungen anzunehmen ist. Auch die
Blasenlähmungen haben in der Literatur nur oberflächliche Berücksichtigung ge-
funden. Revenstorf (Hamburg).
30) Dold. Alypin als Lokalanästhetikum.
(Med. Korrespondenzblatt d. württemberg. ärztl. Landesvereins 1906. Juni 30.)
D. berichtet über 50 im Marienhospitale zu Stuttgart unter lokaler Alypin-
snästhesie operierte Fälle. Unter anderem wurden 22 Kröpfe mit Alypin operiert,
wobei nur die Haut und das Unterhautzellgewebe infiltriert wurde; nur in drei
dieser Fälle mußte wegen lebhafter Schmerzäußerungen noch eine leichte Ather-
1008 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37.
narkose hinzugefügt werden; die verbrauchten Mengen schwankten zwischen 0,1 und
0,4g. Die Radikaloperation einer Hydrokele und eine Enterostomie wurden völlig
schmerzlos ausgeführt, mehrere andere größere Operationen nahezu schmerzlos.
Nachwirkungen wurden in keinem Falle beobachtet, auch bei länger dauernden
Operationen (bis zu 40 Minuten) hielt die anästhesierende Wirkung an.
Alypin ist demnach ein sicher wirkendes Lokalanästhetikum, an Wirksamkeit
dem Kokain ebenbürtig, jedoch viel weniger giftig als dieses.
Mohr (Bielefeld).
31) Veiel und Hartmann. Ein Fall von septischer Diphtherie mit
pockenähnlichen Erscheinungen auf der Haut.
(Med. Korrespondenzblatt d. württemberg. ärztl. Landesvereins 1906. Juni 16.)
Der Krankheitsfall, der einen 19jährigen Mann betraf, war dadurch bemer-
kenswert, daß dem Auftreten des charakteristischen diphtherischen Belags im
Rachen ein pockenähnliches, pustulös-hämorrhagisches Exanthem der äußeren Haut
und Rachenschleimhaut vorausging, eine Reihenfolge des Auftretens, welche bisher
nicht beobachtet wurde. Mohr (Bielefeld).
32) Brault. Quelques cas de phthiriases anormales.
(Ann. de dermat. et de syph. 1906. p. 70.)
Verf. berichtet über einen Fall von Melanodermie der Haut und Schleimhaut
bei Pediculi vestimentorum. Die Beteiligung der Schleimhaut ließ an Morbus Ad-
dison denken. Die mikroskopische Untersuchung der Nebennieren gab aber keine
Anhaltspunkte für Addison. Klingmiiller (Kiel).
33) Le Play et Déhu. Un cas de maladie des vagabonds.
(Ann. de dermat. et de syph. 1906. p. 141.)
Verff. beschreiben gleichfalls einen Fall von ausgedehnter Pigmentierung mit
Beteiligung der Schleimhäute bei Pediculosis. Klingmüller (Kiel).
34) Runge. Uber einen Fall von Xanthoma tuberosum multiplex.
Inaug.-Diss., Straßburg i. E., 1905.
Kurze Besprechung der Literatur und kritische Betrachtung der Hypothesen
über die Atiologie. Mitteilung eines Falles: 32jähriger Reisender, erbliche Be-
lastung nicht vorhanden, Potator; Lebervergrößerung, multiple Xanthome an Ell-
bogen, Handrücken, Rücken und Nacken. Die mikroskopische Untersuchung ergab
das seltene Bild eines perifollikulären Xanthoma tuberosum multiplex.
Klingmüller (Kiel).
35) de Beurmann et Gougerot. Chéloides des muqueuses.
(Ann, de dermat. et de syph. 1906. p. 151.)
Verff. beschreiben bei einem mit zahlreichen Keloiden der Haut befallenen
Mann ein reines Schleimhautkeloid, welches sich aus einem Teil eines vielleicht
syphilitischen Geschwüres auf der Schleimhaut der Unterlippe entwickelt hatte.
Klingmiiller (Kiel).
36) Andry. Ulcus rodens chez une fillette de 3 ans.
(Ann. de dermat. et de syph. 1906. p. 379.)
Bei einem 3jährigen Mädchen bestand seit 8 Monaten an der Nasenwurzel eine
gelbrote, ovaläre, indolente, erbsengroße Geschwulst, die sich nicht infiltriert an-
fühlte und mit einer sich zeitweise abstoßenden Schuppe bedeckt war. Die mikro-
skopische Untersuchung ergab die Struktur eines gewöhnlichen Ulcus rodens.
Klingmüller (Kiel).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 1009
37) Imhofer. Zur Behandlung der Tonsillitis chronica.
(Prager med. Wochenschrift 1905. Nr. 22.)
38) Springer. Instrument zur Massage der Tonsillen und zur Kom-
pression derselben nach Tonsillotomie.
(Ibid.)
I. hat zum Ausdrücken von Pfröpfen oder Sekret aus chronisch entziindeten
Gaumenmandeln ein Instrument konstruiert, das an einem Stiel eine um eine
quere Achse drehbare, 2 cm lange Walze von 1,3 cm Durchmesser trägt. Es ist
auch zum Verkleinern solcher hypertrophischer Tonsillen geeignet, die sich mehr
flächenhaft zwischen den Gaumenbögen ausdehnen und deshalb schwer exstirpieren
lassen. Verf. glaubt mit seiner Erfindung dem Hartmann’schen Mandelquetscher
(vgl. d. Bl. 1905 p. 125) eine für den praktischen Gebrauch zweckmäßigere Form
gegeben zu haben.
Schon bevor Hartmann’s und I.'s Instrumente bekannt waren, benutzte S.
eine Zange, die aus zwei mit englischem Schloß verbundenen, durch eine Cre-
maillére stellbaren gekreuzten Branchen besteht, deren eine in einen gebogenen
Schaufelhaken ausläuft, während die andere eine in einer Gabel sich drehende
Metallwalze nach Art der Knapp’schen Rollpinzette trägt. Zur Massage dient
die geschlossene Zange oder die Walzenbranche allein, wobei man mit dem Schaufel-
haken die Mandel von hinten stützen kann. Zur Blutstillung nach Tonsillotomie
wird die Zange so angelegt, daß der Schaufelhaken die Mandel von hinten um-
greift, während die Walze sich an das vordere Gaumensegel legt.
Beide Instrumente sind abgebildet. Gutzeit (Neidenburg).
39) M. Ramm. Ein Fall von Atlasluxation mit Abbruch des Zahn-
fortsatzes des Epistropheus.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVII. Hft. 3.)
Kasuistische Arbeit, welche einen seltenen Fall von traumatischer Verrenkung
des Atlas nach vorn mit geringer Rotation und Bruch des Zahnes des Epistropheus
beschreibt.
Die Verrenkung war durch Fall aus der Höhe auf den Hinterkopf bei nach
vorn gebeugter Halswirbelsäule zustande gekommen. Außer der typischen De-
formität der Halswirbelsäule bestanden Schluckbehinderung und Beschränkung der
Kieferbewegung. Die erst 1/ Jahr nach dem Unfall auftretende Rückenmarks-
kompression führte, wie bei den meisten derartigen Fällen, zum Tode.
Reich (Tübingen).
40) Tubby. A clinical lecture on torticollis, or wry-neck.
| (Brit. med. journ. 1906. Juni 16.)
Verf. bringt über Entstehung, Pathologie, Einteilung der verschiedenen Arten
des Torticollis nichts Neues, dagegen dürften einige Angaben über die von dem
bekannten Orthopäden geübte Behandlung von Interesse sein.
Die subkutane Tenotomie verwirft er als entweder gefährlich oder unwirksam.
Er führt die offene Durchschneidung aus mit einem 2 Zoll langen Schrägschnitt
am vorderen Rande des Kopfnickers. Diese Narbe bleibt auch späterhin linien-
formig und in der vorderen Halsfalte gut verborgen. Auch die unter dem Muskel
liegenden, sich anspannenden Stränge der tiefen Halsfascie müssen sorgfältig durch-
trennt werden zur Vermeidung eines Mißerfolges. Zur Nachbehandlung legt T.
in überverbesserter Stellung des Kopfes eine Gipsschiene an, die von der Stirn
über Kopf und Rücken bis zum Becken reicht und 2—3 Wochen liegen bleibt.
Übungen und eine Halskravatte sichern im Laufe von 3 Monaten das Ergebnis.
Bei den spastischen Formen des Torticollis, die meist in wechselnder Weise
bald auf einer, bald auf beiden Seiten den Sternocleidomastoideus, Trapezius, die
1 Zu beziehen von Waldek & Wagner in Prag.
1010 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37.
Splenii usw. befallen, spielen nervöse Belastung im Vereine mit schweren Gemüts-
erregungen eine ursächliche Rolle. Dementsprechend ist die arzneiliche Therapie
von wechselndem Erfolge. Bei schweren Fällen ist die beste Operation die von
Gardner (Adelaide) und Keen (Philadelphia) vorgeschlagene Resektion der Rami
posteriores der ersten vier Cervicalnerven mit großem Lappenschnitt von der Pro-
tuberantia occipitalis zum Proc. mastoideus und von da zum Proc. spinosus des
6. Halswirbels. Nur durch diese eingreifende Operation ist es möglich, eine
Wiederkehr des Krampfes, wie sie sonst nach einfacher Resektion des N. acces-
sorius die Regel ist, zu verhindern. Weber (Dresden).
41) Nakayama. Kongenitale Membranbildung an der hinteren Wand
des Larynx.
(Prager med. Wochenschrift 1905. Nr. 21 u. 22.)
Bei der Sektion der Leiche eines 68jährigen Mannes wurden zwei Querfalten
von symmetrischer Ausbildung an der hinteren Kehlkopfwand entdeckt, die zu
Lebzeiten keine Symptome gemacht hatten. Die eine war membranartig, 2 cm
lang, lag 1 cm unter den wahren Stimmbändern und sprang 1/3 cm gegen die
Kehlkopflichtung vor; die andere war zarter, schwimmhautartig, 1/, cm lang, am
hinteren Ende der wahren Stimmbänder gelegen. Narben waren im Kehlkopfe
nicht vorhanden. Verf. bringt eine Abbildung und eine genaue anatomische und
mikroskopische Beschreibung der Falten, die er mit Bruns auf eine mangelhafte
Lösung der von Roth beschriebenen embryonalen epithelialen Verklebung im
Anfangsteile des Luftrohres zurückzuführen geneigt ist. In der Literatur fand er
nur drei ähnliche Beobachtungen, in denen jedoch die Hautbildung nur einfach war.
Gutzeit (Neidenburg).
42) Muller and Speese. Malignant disease of the thyroid gland.
(Univ. of Pennsylvania med. bulletin 1906. Juni.)
Verff. berichten über acht Fälle von Karzinom der Schilddrüse und ein Sar-
kom unter genauerer Mitteilung des pathologisch-anatomischen Befundes. In
fünf Fällen wurde entweder Verkalkung oder Cystenbildung in der Geschwulst
beobachtet. Bei einem Pat. trat eine Perforation der Luftröhre von 2 cm Durch-
messer dicht unterhalb des Kehlkopfes ein. Bei einem weiteren Pat. fand sich
nach Exstirpation der entarteten Drüse ein länglicher Tumor, welcher unterbunden
und entfernt wurde, und als die thrombosierte Jugularis interna sich herausstellte.
Verff. stellen 117 Literaturfälle von bösartiger Geschwulstbildung in der Schild-
drüse zusammen, schildern auf Grund dieser Fälle das Krankheitsbild und kommen
zu folgenden Zusammenfassungen: Die bösartige Erkrankung der Schilddrüse ist
selten, besonders in Nordamerika. Frauen werden häufiger als Männer befallen
(3:2), 53% der Erkrankungen treten zwischen dem 40.—60. Lebensjahr auf. Nur
11% der Sarkome betrafen Pat. im Alter unter 30. In der Mehrzahl der Fälle ging
Kropf voraus, meist von langer Dauer (über 10 Jahre. Adenokarzinome und
Rund- und Spindelzellensarkome sind die häufigsten Formen. Das papilläre Cyst-
adenokarzinom ist die am wenigsten bösartige Form und bietet die günstigste
Prognose. Metastasen finden sich am häufigsten in den Lungen und in den
Knochen, besonders im Schädeldach und Unterkiefer. Das Karzinom infiltriert
die Umgebung auf dem Wege der Blutgefäße, und das Sarkom breitet sich häu-
figer als gewöhnlich auf dem Lymphwege aus.
Der Fall von Sarkom der Schilddrüse betraf eine 5Ojährige Frau; harte Ge-
schwulst der Schilddrüsengegend mit ausgedehnter Erkrankung der Halsdrüsen bis
unterhalb des Brustbeines. 3/, Jahr nach der Operation Rezidiv in den Lymph-
drüsen, das noch zweimal entfernt wurde. Später innere Metastasen, Tod 1 Jahr
7 Monate nach der ersten Operation. Mikroskopisch Spindelzellensarkom. (Zahl-
reiche Abbildungen.) Mohr (Bielefeld).
‘Zentralblatt fir Chirurgie. Nr. 37. 1011
43) J. Zeman (Jungbunzlau). Die laterale Osophagotomie bei Fremd-
kérpern des Osophagus.
(Wiener klin. Rundschau 1906. Nr. 20 u. 21.)
Verf. gibt zunächst eine Übersicht über die Chirurgie im Halsteile der Speise-
röhre und kennt aus der Literatur 376 Fälle von lateralem Speiseröhrenschnitt.
Der erste seiner von Kopfstein operierten Fälle war durch verhältnismäßig tiefen
Sitz des Fremdkörpers, außerdem durch Kombination mit einem Kropfe schwierig
gestaltet. Es wurde einer Geisteskranken eine verschluckte Roßkastanie entfernt.
Im zweiten Falle war es ein Gebiß auf der Höhe der Thoraxapertur bei einem
Kellner. In beiden Fällen erfolgte günstige Heilung. Die primäre Naht der Speise-
röhrenwunde ließ kurze Zeit nach der Operation einige Tropfen flüssiger Speise
durch; die äußere Wunde war in beiden Fällen größtenteils offen gehalten worden.
Schmieden (Bonn).
44) Fullerton. Wound of thoracic duct; ligature; recovery.
(Brit. med. journ. 1906. Juni 16.)
Bei der Entfernung tuberkulöser Lymphdriisen aus der linken Fossa supra-
clavicularis wurde der Ductus thoracicus 1 Zoll von der Vene entfernt verletzt.
Sofort füllte sich die tiefe Wunde mit Chylus, der bald zu einem weichen, grauen
Klumpen gerann. Die Unterbindung des zuführenden Teiles erzeugte eine schnell
entstehende, gespannte, 1/3 Zoll im Durchmesser betragende Anschwellung; das
andere Ende teilte sich in drei Aste, die einzeln in die Vene mündeten, und deren
Klappenspiel durch Sondierung gezeigt werden konnte. Unterbindung. Ganz ge-
ringe Kost, größte Ruhe, Ausbleiben von Erbrechen führten glatte Heilung herbei
durch Bildung eines kollateralen Lymphkreislaufes. Weber (Dresden).
45) V. Mackenzie. A case of lipoma of the pericardium.
(Brit. med. journ. 1906. Juli 14.)
Wegen der außerordentlichen Seltenheit von Interesse. Das Lipom fand sich
im an und für sich fettreichen Perikard eines im Delirium tremens gestorbenen
56jährigen Mannes. Es ragte als ovale Masse hängend, 23/4 Zoll lang, 11/3 Zoll
breit ins Perikard hinein und lag auf dem linken Herzohre.
Weber (Dresden).
46) Schulz. Ein Fall von angeborenem Mangel beider Kappen-
muskeln.
(Deutsche militärärztliche Zeitschrift 1906. Juni.)
Der bei der Einstellung des betreffenden Mannes auffallende Befund war fol-
gender: Die Wülste der Kappenmuskeln fehlen beim Anblick von hinten, die Ober-
grätengruben sind vertieft, die Schulterblätter stehen höher als normal; beim
Heben der Arme fällt die mangelhafte Feststellung der Schulterblätter auf, die
beim Erheben zur Wage- und Senkrechten weit nach außen gleiten, wahrscheinlich
infolge des von dem sehr stark entwickelten M. serratus ant. maj. ausgeübten Zuges.
Trotz dieses Fehlens des M. trapezius war der Betreffende stets ein guter Turner
gewesen, worauf auch die im übrigen kräftig entwickelte Muskulatur des Körpers
hinwies. Während der Ausbildung stellte sich beim Gewehrstrecken und Anschlag-
üben ein auffallendes Zittern der Arme ein, so daß der Mann schließlich doch
als dienstunbrauchbar aus dem militärischen Dienst entlassen werden mußte.
Herhold (Altona).
47) V. Putti. La deformità di Madelung.
(Arch. internat. Vol. III. Fasc. 1.)
P. untersuchte einen Fall jener Deformität des Handgelenkes, die Madelung
im Jahre 1878 als spontane Subluxation der Hand nach vorn beschrieben hatte,
radiographisch. Er kommt zu dem Schluß, daß die Madelung’sche Deformität
1012 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37.
alg ein professionales Leiden angesehen werden muß. Die Erkrankung tritt auf.
bei Personen, welche unter Belastung des Handgelenkes mit einem Teile ihres
Körpergewichtes häufig dorsale Flexionsbewegungen im Radiokarpalgelenk auszu-
führen gezwungen sind. Die Folge dieser übermäßigen Arbeit des einseitig be-
lasteten Gelenkes ist ein ungleichmäßiges Wachstum des Radiusepiphysenknorpels
und sekundär eine Knochenverbiegung. Bei dem Pat. bestand gleichzeitig ein
Cubitus valgus. P. erklärt beide Deformitäten aus den gleichen Ursachen. Die
funktionellen Störungen und subjektiven Klagen des Pat. wurden beseitigt durch
die schräge Osteotomie des Radius.
Die Madelung’sche Deformität des Handgelenkes ist kürzlich auch von
Sauer röntgenographisch untersucht worden. Unter dem klinischen Krankheits-
bilde verbergen sich offenbar verschiedenartige Knochen- und Gelenksveränderungen.
(Vgl. das Referat der Sauer’schen Arbeit in Nr. 13 d. Zentralbl.)
Revenstorf (Hamburg).
48) Friedel. Ein Fall von schnellendem Finger.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXX. Hft. 1.)
Der Fall weist eine seltene Entstehungsursache auf. Durch eine Stichver-
letzung war ein Stückchen der Sehne des Flexor digitorum sublimis halb abgetrennt
worden. Dasselbe drängte sich bei der Beugung des Zeigefingers in die Sehnen-
scheide desselben hinein und hakte sich fest. Nach Resektion dieses Sehnen-
stückchens funktionierte der Finger wieder normal.
E. Siegel (Frankfurt a. M.).
49) Kern. Aneurysma popliteum mit Gangrän des Fußes.
(Deutsche militärärztliche Zeitschrift 1906. Hft. 1.)
Das Aneurysma der Kniekehle machte sich 2 Monate vor seinem Fühlbar-
werden durch andauernde Schmerzen im Unterschenkel und durch 6 Wochen nach
Einsetzen der Schmerzen beginnende Gangrän des Fußes bemerkbar. Der aneurys-
matische Sack wurde nach Abbinden der Arterie in nächster Nähe des Adduktoren-
schlitzes ausgeschält und 6 Tage später der nunmehr ganz brandig gewordene Fuß
nach Pirogoff-Günther abgesetzt. Ungestörter Heilungsverlauf. Eine Ursache
für die Entstehung des Aneurysmas konnte K. nicht feststellen; er glaubt nicht,
daß Zerrungen der in der Kniekehle fixierten Arterie infolge des militärischen
Dienstes die Ursache seien, da Kniekehlenaneurysmen bei den Mannschaften des
Heeres recht selten sind. Herhold (Altona).
50) Hoffa. Über Röntgenbilder nach Sauerstoffeinblasung in das
Kniegelenk.
(Berliner klin. Wochenschrift 1906. Nr. 28.)
Die Sauerstoffeinblasung nach Werndorff und Robinsohn wird, nachdem
durch die Konstruktion des Wollenberg-Dräger-Apparates die Technik eine
überaus einfache, schnell zu erledigende und ungefährliche geworden ist, in der
Hoffa’schen Klinik sehr häufig angewendet. Der vorliegenden Abhandlung sind
12 Röntgenbilder zugrunde gelegt, die im Text erklärt werden. Für jeden, der
sich noch nicht lange mit der Sauerstoffeinblasung beschäftigt hat, wird dieser
Beitrag sehr willkommen sein, weil die Deutung der durch das neue Verfahren ge-
wonnenen Bilder sehr erleichtert, wird. |
Interessant ist die bei einem an primär chronischem Rheumatismus erkrank-
ten Kniegelenk gemachte Beobachtung, daß nach Sauerstoffeinblasung die vorher
sehr heftigen Schmerzen schwanden und die Beweglichkeit freier wurde.
Die Methode ist nicht besonders schmerzhaft; sie läßt sich ambulant ausführen.
Die Resorption des Sauerstoffes erfolgt in 24—48 Stunden; nur in einem Falle von
Hämarthros war der Sauerstoff noch ca, 8 Tage im Gelenke nachzuweisen. —
Irgendwelche Komplikationen sind bei zahlreichen Einblasungen nie beobachtet
worden. Langemak (Erfurt).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 1013
51) M. Draudt. Zur Behandlung der Kniegelenkstuberkulose mit be-
sonderer Berücksichtigung der Resektion.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVII. Hit. 3.)
Unter den 252 wegen Kniegelenkstuberkulose von Garr& behandelten Pat.
waren 146 männlichen, 106 weiblichen Geschlechts.
Bezüglich des Krankheitsbeginnes steht das Alter von 1—5 Jahren (64) obenan;
von da bis zum 15. Jahre nahm die Häufigkeit nur wenig ab, um nach dem
25. Jahre erheblich zu fallen. Der Verlauf ist in dem ersten und späten Lebens-
alter akuter als in der Zwischenzeit.
In 37,73 der Fälle wurden Traumen ätiologisch angeschuldigt. In 82 Fällen
erwies die Operation den synovialen, in ca. 20 Fällen den ostalen Ursprung des
Leidens; der Rest gehört der gemischten Form an.
Konservativ war die Behandlung bei frischen Fällen ohne Fisteln und mit gutem
Allgemeinzustand. In allen anderen Fällen, oder wenn die konservative Behand-
lung in kurzer, allerdings individuell schwankender Zeit nicht zu merklicher Bes-
serung führte, trat die Operation in ihr Recht.
Unter den 34 konservativ mit wöchentlichen Jodoform-Glyzerininjektionen und
Streck- oder Kontentivverbänden behandelten Fällen werden 60% gute, 40%
schlechte Resultate berechnet neben 6 Todesfällen; außerdem finden sich unter den
203 Resektionsfällen noch 66 Mißerfolge der konservativen Therapie eingerechnet.
Bei Kontrakturen wurde meist der Gersuny’sche Zugverband mit Erfolg
benutzt; in allen renitenten Fällen führte gewaltsames Redressement zum Ziele, so
daß Verf. die Tenotomie für überflüssig hält und sogar behauptet, daß auch bei
knöcherner Ankylose ohne Keilresektion stets auszukommen sei.
Die Resektion wurde stets unter Blutleere in Äthernarkose, in letzter Zeit
auch mit Spinalanalgesie ausgeführt. Fast ausschließlich wurde der Textor’sche
Schnitt gewählt. Im extrakapsulären Vorgehen sieht Verf. keinen Vorzug.
Knochenherde wurden stets plombiert, die Drainage möglichst beschränkt. Im
übrigen wich Technik und Nachbehandlung nicht vom Üblichen ab. Bei Pat. über
50 Jahren wurde prinzipiell die primäre Amputation ausgeführt, im ganzen 18mal.
Die sekundäre Amputation wurde in 6 Fällen notwendig.
Von den Resektionen fiel die Hälfte vor das 15. Lebensjahr; die Mortalität
der Resektion berechnet sich auf 2,2%.
Von den 167 reseziert entlassenen Pat. hatten 123 eine Primärheilung zu ver-
zeichnen, bei 37 wurde eine Auskratzung der Fisteln und in 7 Fällen Nachresek-
tion wegen Rezidivs notwendig.
Bezüglich der funktionellen Endresultate berechnet Verf. aus den schriftlichen
Nachrichten der Pat., daß von den resezierten Kniegelenken 53,7% gerade, 33,3%
mäßig krumm und 12,9% sehr krumm (unter 150°) waren bei einer Beobachtungs-
dauer von 1 Jahr in 15 Fallen, von 2—5 Jahren in 72 Fallen, von 6—10 Jahren
in 37 Fallen. Verkürzung des Beines wurde in 17,09% nicht berichtet, in 69,23 9
überschritt sie nicht 5 cm, in 6,83% blieb sie unter 10 cm und in 0,85% schwankte
sie von 10—15 cm.
Verkürzungen bis 5 cm sind meist durch die Operation als solche bedingt und
funktionell ohne Belang; bei stärkeren Verkürzungen sind Wachstumsstörungen,
die vor oder nach der Operation begonnen haben, mit im Spiele.
Verf. glaubt sich zu dem Schluß berechtigt, daß seine Statistik an Güte der
Resultate alle bisherigen übertreffe. Beich (Tübingen).
52) Pellegrini. Ossificazione traumatica del legamento collaterale
tibiale dell’ articolazione del’ ginocchio sinistro.
(Clinica moderna XI. 1905.)
Die Beobachtung Verf.s zeigt das seltene und interessante Vorkommnis einer
Knochenneubildung in einem Gelenkbande nach einmaligem Trauma und, wie die
mikroskopische Untersuchung unzweideutig zu erweisen scheint, ist der Knochen
‘durch Metaplasie aus dem Bindegewebe entstanden. — Es handelte sich um einen
1014 Zentralblatt. für Chirurgie. Nr. 37.
36jährigen Mann, der aus 2 m Höhe mit der Innenseite des linken Knies auf einen
eisernen Behälter auffiel. Die Verletzung wurde als Kontusion angesprochen und
behandelt. 5 Monate später sah Verf. den Pat. und konstatierte palpatorisch und
röntgenographisch im Ligamentum laterale internum des linken Knies eine läng-
liche, harte, unempfindliche Geschwulst, die nicht mit den Skelettknochen zusam-
menhing. Die Exstirpation ergab eine taubeneigroße Knochenneubildung inner-
halb der Bandmassen. Mikroskopisch war ein allmähliges Übergehen des fibrösen
Gewebes in Knochen und Knorpel zu verfolgen; Osteoblasten lagen im Zentrum
der Knochenneubildung, Anzeichen, welche auf eine Absprengung von Periost oder
Skelett hinweisen konnten, fehlten vollkommen. A. Most (Breslau!.
53) @. Ottendorf. Operative Heilung einer amniotischen Abschnürung
am Unterschenkel.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXIIL p. 233.)
Eine Beobachtung und Operation aus der Vulpius’schen Klinik in Heidelberg.
Das betreffende Kind war mit teils völligem, teils partiellem Defekt einiger Finger
und Zehen, außerdem mit einer tiefen zirkulären Furche in den Weichteilen des
rechten Unterschenkels behaftet, unterhalb welcher Haut und Unterhautzellgewebe
plump verdickt erscheinen; auch bestanden auf dieser Seite Klumpfußstellung und
Zehendefekte. An dem eben neugeborenen Kinde hatten in den verschiedenen
Abschnürungsfurchen noch einzelne amniotische Fäden gelegen, die aber weder mit
den Eihäuten, noch mit dem Kindskörper verwachsen waren. Die im Alter von
1 Jahr eingeleitete Behandlung bestand in partieller Exzision hyperplastischer
Hautteile aus dem Fußrücken, deren Fett besonders reich an Bindegewebe war,
und in Exzision des Schnürringes aus dem Unterschenkel. Letztere wurde auf
zwei Sitzungen verteilt. Jedesmal wurde auf beiden Rändern der Furche ein
Schnitt um die halbe Peripherie des Unterschenkels gezogen und diese Inzisionen
durch Querschnitte, welche die ganze Hautbedeckung der Furche durchsetzten,
miteinander vereinigt. Dann Exzision des so umschnittenen Lappens bis zum
Grunde der Einschniirung, was bei der Diinnheit der Haut in der Tiefe und ihrem
festen Anliegen an den Knochen nicht leicht war. Schließlich Zusammenfügen
der Hautwunden und tiefe Nähte. Gute Heilung, so daß 1/, Jahr später nur noch
eine schmale, ringförmige Narbe, nicht eingezogen, vorlag. Auch die orthopädische
Behandlung des Fußes ergab ein gutes Resultat.
Das Operationsverfahren ist auch mehrfach in Frankreich von Reclus, Re-
dard u. a., sowie in Deutschland von Fürst, Wolff und v. Mikulicz ausgeführt,
worüber kurz referiert wird. Zum Schluß Literaturverzeichnis von sieben Nummern.
Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
54) Dambrin. Les ruptures sous-cutandes du tendon d’Achille.
(Province med. 1906. Nr. 26.)
Verf. berichtet über einen Fall von subkutaner Zerreißung der Achillessehne,
bei einem Akrobaten entstanden im Moment, als er einen Luftsprung machen
wollte. Was den Mechanismus der Verletzung anlangt, so unterscheidet Verf.
Fille, die sich beim Turnen und Springen im Augenblicke des AbstoBens ereignen,
ferner solche, die durch Fall auf die Füße entstehen und schließlich solche, die
durch einen Fehltritt hervorgerufen sind. Verf. redet der Naht der Sehne das
Wort. Im vorliegenden Falle hat er einen seitlich aufklappbaren Lappen gebildet
und die Sehne mit Draht genäht. Es erfolgte vollständige Heilung.
A. Hofmann (Karlsruhe).
55) Stegmann. Ersatz des exstirpierten Calcaneus durch Drehung
des Talus.
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. IX. Hft. 6.)
Verf. gibt eine Operationsmethode an, das Fersenbein durch das Sprungbein
zu ersetzen, um die üblen Folgen des Verlustes des ersteren einigermaßen auszu-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 37. 1015
gleichen, namentlich bei Tuberkulose des Fersenbeines, dann bei Osteomyelitis und
bei frühzeitig diagnostiziertem Sarkom. Er benutzt den Schnitt von Landerer
zur Exstirpation des Fersenbeines; dann wird nach stumpfer Lösung der Verbin-
dungen zwischen Talus und Os naviculare der Talus mit Hilfe des Elevatoriums
ohne viel Kraft luxiert und derartig gedreht, daß das Caput tali nach unten und
hinten, die Trochles nach vorn gerichtet ist. Die Heilung wurde in dem Falle
von S. durch Fistel- und Sequesterbildung verzögert, das Endresultat ist aber ein
sehr gutes, die Form der Ferse anscheinend beinahe normal, wie die beigelegten
Röntgenogramme zeigen. Gaugele (Zwickau).
56) E. Sommer. Uber Calcaneusfrakturen.
(Wiener med. Presse 1906. Nr. 25.)
Mitteilung zweier charakteristischer Fälle von Fersenbeinbruch. Im ersten
frischen Falle fand sich bei der Röntgenographie ein Kompressionsbruch des
Knochens in seinem oberen Anteil. In dem zweiten Falle wies das erst nach
Jahresfrist angefertigte Röntgenbild keine groben Veränderungen mehr auf, nur
fand sich ungefähr in der Mitte des Knochens ein über dessen ganze Projektions-
fläche parallel zur Epiphysenkuppe verlaufender starker, breiter Streifen, den
man am normalen Knochen nicht zu sehen gewohnt ist.
Paul Wagner (Leipzig).
57) Toussaint. Ostéochondrome traumatique du fémur et de l’astragale.
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXII. p. 190.)
T. berichtet über zwei Fälle, in denen sicher beobachtet erst nach einem
Trauma, in dem einen Falle 7 cm oberhalb des Condylus internus femoris, in dem
anderen am Talushalse, Knorpelgeschwülste aufgetreten waren, die, dem Knochen
breit und fest aufsitzend, nicht im Bereiche der Gelenkkapsel mehr lagen und trotz
ihrer Größe und Härte und deutlichen Tastbarkeit keinen Schatten auf dem
Röntgenbilde erkennen ließen. Die eine der Geschwülste konnte entfernt und
Pat. dauernd geheilt werden. Für die Operation stellt T. die Forderung der Ab-
wesenheit jedweder entzündlichen Reizerscheinungen auf.
Thümer (Chemnitz).
58) G. Baroni. La cura dell’ ulcera perforante del piede collo stira-
mento dei nervi plantari.
(Gazz. degli ospedali e delle clin. 1906. Nr. 84.)
Eine 62jährige Frau leidet seit 4 Jahren an ihrem linken Fuß, der ein Pes
varus mit fehlender zweiter und dritter Zehe ist, an einem Geschwüre des äußeren
Randes, das eine blutig-seröse Flüssigkeit absonderte und einen harten, indolenten
Rand hatte. Das Bein derselben Seite ist schwächer als das rechte; die verschie-
denen Sensibilitätsempfindungen sind daselbst herabgesetzt, und die Schweißsekre-
tion ist vermehrt. Das Geschwür wurde abgekratzt und der N. plantaris externus
durch 5 Minuten langes Aufheben über die Wunde gedehnt. Darauf erfolgte
schnelle Heilung, die nach 3 Jahren noch standhielt. Dreyer (Köln).
59) Eckstein. Eine neue Methode zur Herstellung von Fußabdrücken.
(Archiv für Orthopädie, Mechanotherapie und Unfallchirurgie Bd. IV. Hit. 3.)
Zur Herstellung von Fußabdrücken hat E. einen rechteckigen Kasten kon-
struiert, in den eine dünne Gummiplatte eingespannt ist. Unter dieser Platte be-
findet sich ein Stempelkissen, das die darüber liegende Gummiplatte mit Farbe
versieht. Entfernt man mittels einfachen Mechanismus das Kissen und legt einen
Papierbogen durch einen seitlichen Schlitz unter die Gummiplatte, so gewinnt man
beim Aufsetzen des Fußes auf die Gummiplatte einen genauen Abdruck des Fußes
mittels der Stempelfarbe auf dem Papier. Der Abdruck selbst zeigt die stärkere
oder schwächere Belastung einzelner Fußpartien sehr genau durch intensivere oder
geringere Färbung. Hartmann (Kassel).
1016 Zentralblatt für Ohirurgie. Nr. 37.
60) G. Hohmann. Fortschritte in der PlattfuBbehandlung. (Aus dem
orthopädischen Ambulatorium der klg. Universität München. Prof.
Dr. Lange.)
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 20.)
H. beschreibt die Technik des Gipsabgusses, der von dem redressierten und
belasteten, in seinem vorderen Teile fest zusammen genommenen Plattfuß her-
gestellt wird (s. d. Zentralblatt 1897 p. 1181), und sodann die der Einlagen, welche
aus Lange’s Ambulatorium nicht immer wie früher aus Zelluloid-Stahldraht (s. d.
Zentralblatt 1903 p. 576), sondern vielfach aus Korkstahldraht gefertigt werden.
Zur Verwendung kommen hierzu 4-6 mm dicke Korkplatten, die in Wasser
gekocht werden, bis sie ganz weich sind. Sie werden auf das Gipsmodell model-
liert, nachdem an diesem je nach Bedürfnis auf die zu entlastenden Stellen an der
Unterfläche des Fersenbeines und den Köpfchen der Mittelfußknochen entsprechend
zugeschnittene Filzstückchen angenagelt worden sind, und nach Trocknung mit
Drahtnetz, Stahldrähten und Längsgurten, die mit Zelluloid verbunden sind, ver-
stärkt. Der äußere Rand, der ein Abgleiten des Fußes nach außen verhindern
soll, wird als Gurt angesetzt. Die Einlagen werden lang und kurz gefertigt, die
kurzen bei Schmerzen in der Ferse (Periostitis), die langen bei Schmerzen an den
Capitula der Metatarsen verwendet. Kramer (Glogau).
61) Lequyer. Lesion du plexus brachial consécutive à une fracture
claviculaire.
(Gaz. méd. de Nantes 1906. Nr. 15.)
L. beobachtete nach einem Schlüsselbeinbruche mit Verschiebung des äußeren
Bruchstückes nach vorn eine Atrophie mehrerer Muskeln des Armes und fast völ-
lige Aufhebung der Funktion desselben. Betroffen waren nur Muskeln, die von
den beiden vorderen Bündeln des Plexus brachialis innerviert werden; ferner be-
stand teilweise Anästhesie im Bereiche der Hand. Es handelte sich demnach um
eine teilweise Lähmung des Plexus brachialis durch Druck des hinter dem
Schlüsselbein stark entwickelten Callus. Derselbe wurde ungefähr 1/2 Jahr nach
dor Verletzung entfernt, jedoch wurden die motorischen und sensiblen Störungen
nur in geringem Grade besser.
Nach den bisherigen Erfahrungen ist in ähnlichen Fällen nur von einer sehr
frühzeitigen Operation Erfolg zu erwarten. Mohr (Bielefeld).
62) Irish. Intermittent claudication, due to angiosclerosis of the
extremities.
(Albany méd. annals 1906. Juli.)
I. hat im Hinblick auf das Krankheitsbild des intermittierenden Hinkens
Untersuchungen über die Häufigkeit der fühlbaren Pulsation in den Fußarterien
an 80 Individuen angestellt. Bei 60 von diesen Krankheitsfällen verschiedenster
Art war die Pulsation stets fühlber, dagegen waren die Resultate bei den übrigen 20,
welche ausgeprägte Zeichen von Arteriosklerose darboten, sehr verschieden; bei 10
fehlte die Pulsation in einer oder in beiden Fußarterien.
I. berichtet schließlich über eine eigene Beobachtung bei einem 89jährigen
Pat.; die Fußpulsation war an beiden Tibialis posticae zu fühlen, jedoch links be-
deutend schwächer als rechts; an der Dorsalis pedis war sie auf der rechten Seite
schwach vorhanden, fehlte auf der linken. Die Krankheitserscheinungen betrafen
das linke Bein. Mohr (Bielefeld).
Originslmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags-
handlung Breitkopf & Härtel, einsenden.
TEE er SEE SEES u
Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig, Nürnbergerstraße 36/38.
Zentralblatt
CHIRURGIE
herausgegeben
E. vu Borgman, F, Kinig, E Rite,
Dreiunddreißigster Jahrgang.
Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei halbjähriger
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.
Nr. 38. Sonnabend, den 22. September. 1906.
Inhalt: 1) Coopieret, Schädelverletzungen. — 2) Esteves, 3) De Schweinitz, Hirnechino-
kokken. — 4) Frazier, Hirngeschwiilste. — 5) Broeckaert, Ozaena. — 6) Bunge, Darm-
zerreißungen. — 7) Gauthier und Pinatelle, Gastrostomie bei Peritonitis. — 8) Malcolm,
Appendicitis. — 9) Murray, 10) Ebener, 11) Baldwin, Herniologisches. — 12) Mayo Robson,
Magenkrebs. — 13) Evans, Gastrostomie. — 14) Devé, Echinokokkenrezidive. — 15) Pels-
Leusden, Papilläre Gallenblasenwucherungen. — 16) Dos Santos, Chronische Pankreatitis.
— 17) Calabrese, Prostatektomie. — 18) Morris, Harnsteine.
M. Borchardt, Zur Technik der Trepanation. (Original-Mitteilung.)
19) Alessandri, Umschriebene Tuberkelgeschwulst der Bauchdecken. — 20) Cuff, Aktino-
mykose der Bauchdecken. — 21) Miles, Perforierendes Magen- und Duodenalgeschwür. —
2) Rubritius, Subkutane Darmrupturen. —. 23) van Schuylenburch, 24) Gelpke, Appendici-
tis. — 25) Alessandri, 26) Delkeskamp, 27) Pólya, Herniologisches. — 28) Gibson, Magen-
geschwür und Magenkrebs. — 29) Wallis, Gastrojejunostomie. — 30) Goyanes, Darmstenose.
— 31) Smith, Thrombose der Gekrösgefäße. — 32) Chavannazy, Magen-Dickdarmfisteln. —
33) Petermann, Mastdarmkrebs. — 34) Lederer, Hämorrhoiden. — 35) Stieda, Zur Chirurgie
der Gallenwege. — 36) Rogers und Wilson, Leberabszeß. — 37) Chaput, Echinokokken-
behandlung. — 38) Kopfstein, Pankreascyste. — 39) Dos Santos, Paukreaszerreißung. —
40) Müller, Bauchgeschwülste. — 41) Vance, 42) Porter, Gekrösgeschwülste. — 43) Bate,
Periurethralabszeß. — 44) Thomson, Prostataaushiilsung. — 45) Thelemann, Blasenverlet-
zung. — 46) Böhme, Gonorrhée und Bilharziaerkrankung. — 47) Parker, Harnleiterstein. —
51} Kelly, Harnleiterstriktur. — 49) Klose, Harnleitercyste. — 650) André, Pyelitis. —
51) Watson, Beidseitige Nephrostomie. — 52) Cohn, Nierenfistel. — 53) Bogoljuboff, Neben-
nlerengeschwulst. — 54) Lapointe, Nebennierengeschwulst. — 55) Sellei, Spermatokele. —
56) Bland-Sutton, Eierstockskrebs.
1) M. P. Coopieret. Les plaies pénétrantes du crane par
la voie orbitaire.
Thèse de Paris 1905.
Zusammenstellung von 85 Fällen — 5 eigene Beobachtungen —
von Gehirnverletzungen durch Perforation des Schädelgrundes von der
Augenhöhle her. Die Prognose dieser Verletzungen ist sehr ungünstig.
Denn es sind 82% Mortalität meist infolge von Infektion und hier-
durch hervorgerufener Meningitis. Um so auffallender ist hiergegen
die geringe Neigung der Chirurgen, aktiv operativ vorzugehen, um so
möglichst günstige Bedingungen zur Bekämpfung der Infektion zu
schaffen. Denn die meisten haben sich darauf beschränkt, den Fremd-
38
1018 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38.
körper zu entfernen, die Wunde zu drainieren. Nur mal ist sofort
trepaniert worden — 3 Heilungen. — Wenn auch diese Zahl zu klein
ist, um schon daraus bindende Schlüsse ziehen zu können, empfiehlt
Verf. doch auf dieselbe hin, im Stirnbein eine Trepanationsöffnung
anzulegen, um von hier aus besser und freier an die Knochenverletzung
der Orbita herankommen zu können, dieselbe zu übersehen und Splitter
zu entfernen, vor allem aber auch um so doppelt drainieren zu können.
Coste (Breslau).
2) Esteves. Quistes hidaticos cerebrales.
(Rev. de la Sociedad medica Argentina 1906. Nr. 78.)
E. schlug im Jahre 1899 bereits vor, die Echinokokkuscysten des
Gehirns nicht mehr radikal zu operieren, sondern sie nach geschehener
Trepanation einfach zu punktieren und die Membran zurückzulassen.
Dieser Vorschlag fand keine allgemeine Zustimmung. Fränkel modi-
fizierte ihn 1902 dahin, daß er riet, in die entleerte Höhle Glyzerin-
Formalin zu injizieren, um die vorhandenen Tochterblasen sicher
abzutöten. In seiner neuen ausführlichen Arbeit nimmt E. diese
Erweiterung seines ursprünglichen Vorschlages an und bespricht die
großen Gefahren einer totalen Exstirpation. Die Echinokokkencysten
des Gehirns kommen der schwierigen Diagnose halber stets erst dann
zur Operation, wenn sie eine sehr beträchtliche Größe erreicht und
sich bis in nächste Nähe eines Seitenventrikels ausgedehnt haben. Ein
Durchbruch in den Ventrikel bei Extrahierung der Cystenwand ist
daher fast unvermeidlich. Bleibt aber die Cystenwand zurück, so fällt
diese Gefahr fort, und wird nun die entleerte Cyste mit einer anti-
septischen Lösung gefüllt, so verringert sich hierdurch noch in hohem
Grade die weitere Gefahr, die das Leben durch das plötzliche Zu-
sammensinken großer Hirnmassen bedroht. E. empfiehlt eine Mischung
von Glyzerin, Wasser und Formalin im Verhältnis von 3:1: 0,001
zur Injektion. Anschließend werden vier Krankengeschichten aus-
führlich wiedergegeben, die ein 61/,jähriges Mädchen, einen 5jährigen
Knaben, ein 8jähriges Mädchen und einen iljährigen Knaben be-
treffen. Die beiden ersten Kranken starben an den unmittelbaren
Folgen der Operation, die dritte ging nach 1'/, Jahren an einem
Rezidiv zugrunde, der vierte Pat., der vor 1 Jahr operiert wurde, ist
bisher gesund geblieben. Im Verlaufe der Krankengeschichten nimmt
E. Gelegenheit, auf die interessante, übrigens auch früher von Tripier
schon festgestellte Tatsache hinzuweisen, daß die einmal durch Druck
geschädigte Hirnstelle auch nach Beseitigung der Kompression ein
Locus minoris resistentiae bleibt; bei der geringsten körperlichen Ver-
stimmung, beispielsweise einer leichten Enteritis, können halbseitige
Krämpfe ausgelöst werden, die den früher bestandenen durchaus
gleichen. Stein (Wiesbaden).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 1019
3) De Schweinitz. The ocular symptoms of tumor of the
cerebrum.
(Univ. of Pennsylvania med. bulletin 1906. April-Mai.)
S. erörtert in vorliegender Arbeit nur die Veränderungen an der
Papille und die Gesichtsfeldveränderungen, welche durch Hirn-
geschwülste hervorgerufen werden können. Was den Einfluß einer
Operation auf die Neuritis optica oder Papillitis anlangt, so schließt
S. aus seinen eigenen Beobachtungen an operierten Fällen folgendes:
Nach einer Trepanation mit Eröffnung der Dura oder nach Entfernung
der Geschwulst treten an der Papille in den ersten 10—14 Tagen
gewöhnlich keine Veränderungen auf, dann aber geht die Neuritis in
6—8 Wochen vollständig zurück. Die Sehkraft ist dann oft besser
wie vor der Operation, in anderen Fällen bleibt sie dieselbe oder wird
schlechter. Die besten Erfolge fanden sich in dieser Hinsicht, wenn
ein sehr starker intrakranieller Druck beseitigt wurde, und die Papillen-
veränderungen noch nicht allzulange bestanden hatten. In einzelnen
Fällen werden Neuritis optica und Sehkraft zunächst nach der Ope-
ration schlechter, jedoch nur vorübergehend. S. empfiehlt daher, um
die Sehkraft zu erhalten, die möglichst frühzeitige palliative Trepa-
nation, falls die Exstirpation unmöglich ist. Mohr (Bielefeld).
4) Frazier. Remarks upon the surgical aspects of operable
tumors of the cerebrum.
(Univ. of Pennsylvania med. bulletin 1906. April-Mai.)
F.’s Bemerkungen über die Behandlung der Hirngeschwülste be-
treffen hauptsächlich Technisches. Für die Kraniotomie (besonders in
der motorischen Zone) hält F. an der vorhergehenden kraniometrischen
Bestimmung der Zentralfurche fest, da sonst der zu bildende Haut-
Muskel-Knochenlappen viel zu groß genommen werden muß oder die
Stelle der Geschwulst überhaupt nicht trifft. F. legt großen Wert
darauf, daß der Narkotiseur sich ebenso streng desinfiziert wie der
Operateur. Vor und während der Operation wird häufig der Blut-
druck gemessen. Vordrängen des Gehirns in die Duralinzision fehlt
in einzelnen Fällen von Hirngeschwulst. F. drainiert stets für
1—2 Tage durch zwei Gegenöffnungen vor und hinter dem Lappen.
Im allgemeinen stehen die Operierten am 3.—4. Tage nach der Ope-
ration auf. Ist die Geschwulst nach Eröffnung der Dura nicht in der
Rinde sichtbar, so führt F. stets einen bis mehrere Untersuchungs-
schnitte ins Gehirn bis wenigstens 1 cm Tiefe. Als Narkotikum für
Hirnoperationen hält F. nur den Ather für geeignet. Blutungen aus
dem Knochen werden zweckmäßig durch Tamponade mit Horsley’s
Wachsmasse gestillt. Die von Crile zwecks Blutstillung empfohlene
temporäre Unterbindung beider Carotiden ist nach F.’s Erfahrungen
gefährlich; er unterbindet nur im äußersten Notfall, und dann nur
eine Carotis communis. Fällt der Blutdruck erheblich, so wird eine
38*
1020 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38.
Kochsalz-Adrenalinlösung (1 : 50000) eingespritzt. Die Kontrolle des
Blutdruckes während der Operation mit der Stanton’schen Modifi-
kation des Riva-Rocci’schen Instrumentes gibt den besten Überblick
über den Zustand des Pat.; sie entscheidet, ob die Operation ein-
oder zweizeitig gemacht werden soll. In vielen Fällen wurde der
Blutdruck erhöht gefunden, jedoch fehlt diese Erscheinung bei kleinen
oder langsam wachsenden Geschwülsten. Nach operativer Beseitigung
einer intrakraniellen Drucksteigerung wurde ein Fallen des Blutdruckes
festgestellt, auch dann, wenn die Dura nicht eröffnet oder nach Er-
öffnung sofort wieder vernäht wurde. F. erwähnt noch eine ganze
Reihe weiterer interessanter Beobachtungen bezüglich des Blutdruckes
vor, während und nach der Operation. Die Pulsfrequenz während
der Operation war ganz unabhängig vom Blutdruck. Zur Durch-
trennung des Knochens zieht F. das Cryer’sche Spiralosteotom allen
anderen Instrumenten vor. Dasselbe ist ähnlich wie das Sudeck’sche
konstruiert. F. erörtert schließlich die kraniometrische Bestimmung
einer Reihe von typischen Schädeleröffnungen, um gewisse, gut abgrenz-
bare Zonen der Hirnoberfläche freizulegen; in zahlreichen Abbildungen
von Leichenpräparaten werden die betreffenden Zonen dargestellt.
Fußend auf Froriep’s Untersuchungen über die Lagebeziehungen
zwischen Großhirn und Schädeldach, hält F. an der Zuverlässigkeit
der Kraniometrie, besonders der Methode von Anderson-Makin
fest. Im einzelnen wird die Lagebestimmung und Technik folgender
Öffnungen erörtert: präfrontal, frontal, parietal, motorische Zone,
occipital, parietotemporal. Diesen sechs Zonen entsprachen sechs
typische Eröffnungen des Schädels. F. führt für jede derselben als
Beispiel eine Krankengeschichte an. Mohr (Bielefeld).
5) Broeckaert. Traitement de l’ozene. Valeur curative
des injections de paraffine et de l'intervention chirurgicale.
Bruxelles, Hayez, 1906. |
Die Paraffininjektionen haben sich im Laufe der letzten Jahre
einen, wie es scheint, dauernden Platz in der Behandlung der so hart-
näckigen Ozaena erobert. Von Moure und Brindel vor 4 Jahren
zuerst empfohlen und von B. weiter ausgebildet, hat sich die Methode
allenthalben außerordentlich bewährt. B., welcher das vom Ref. in
zahlreichen Publikationen empfohlene Paraffin in kaltem Zustande zur
Injektion in die untere Muschel verwendet, geht in der vorliegenden
Schrift auf die Technik der Injektion nicht näher ein; er beschäftigt
sich vielmehr mit der Pathologie und Atiologie der Ozaena im allge-
meinen, und mit der Wirkungsweise der Paraffininjektionen auf die
krankhaften Prozesse im besonderen. Verf. versteht unter Ozaena
eine durch folgende drei Symptome charakterisierte Entzündung der
Nasenschleimhaut. 1) Eitrige Sekretion mit Neigung zur Bildung von
grünen resp. braunen Krusten; 2) Atrophie der Schleimhaut und der
Muscheln; 3) charakteristischer Fötor. Er hat Stücke der exzidierten
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 1021
Schleimhaut in systematischer Weise der mikroskopischen Untersuchung
unterworfen und glaubt auf Grund derselben behaupten zu sollen,
daß es sich in der Hauptsache um eine entzündliche Infiltration der
oberen Schichten des Schleimhautepithels handelt, die schließlich zu
einer Atrophie resp. Sklerose führt. Diese Infiltration wird durch das
Auftreten von massenhaften Rundzellen herbeigeführt, die teils Leuko-
cyten sind, teils dem Endothel der Gefäße entstammen sollen. Sie
erleiden teilweise degenerative Veränderungen, und u. a. treten dann
auch sog. Mastzellen auf. Die Drüsen verfallen einer fettigen Dege-
neration infolge von Kompression. Die Gefäße veröden durch End-
arteriitis bzw. Endophlebitis obliterans. Periost und Knochengewebe
atrophieren. Am meisten ist von dem krankhaften Prozeß die untere
Muschel befallen; am wenigsten leidet die Siebbeingegend. — Atio-
logisch spielt wahrscheinlich die von Zweifel zuerst angegebene große
Weite der Nasenlichtung eine Rolle, die entweder angeboren ist oder
in einer Hemmung der Weiterentwicklung der unteren Muscheln be-
steht. B. glaubt nicht, daB es sich bei der Ozaena um eine spezifisch
syphilitische Erkrankung handelt, hält aber für möglich, daß Syphilis
ebenso wie Tuberkulose eine Prädisposition für Ozaena schafft, daß
diese also eine parasyphilitische bzw. paratuberkulöse Erkrankung ist;
dabei spielt nach seiner Meinung die Tuberkulose eine häufigere Rolle
wie die Lues.
Zur Behandlung mit Paraffininjektionen eignen sich alle Fälle
mit Ausnahme solcher, bei denen die Muscheln so gut wie vollständig
geschwunden sind, bei denen also Injektionen in dieselben sich ver-
bieten. — Die Behandlung ist mit großer Konsequenz und Geduld
durchzuführen, da der Erfolg oft längere Zeit auf sich warten läßt.
Von den 39 in den letzten Monaten behandelten Pat. wurden 24
geheilt, 8 bedeutend gebessert, 4 mit nachfolgender Operation gebessert,
3 blieben unverändert. — Unter den früher publizierten Fällen sind
jetzt solche, deren Heilung 3 und 4 Jahre anhält. Die heilsame
Wirkung der Injektionen von Paraffin erklirt B. 1) durch eine Verklei-
nerung der Lichtung der Nasenhöhle, wodurch die Stagnation des
Sekretes und in der Folge die Krustenbildung verhindert wird; 2) spielt
die durch das Paraffin bedingte Kompression und Verödung der das
Sekret liefernden Drüsen eine Rolle; und 3) führe die durch das als
Fremdkörper wirkende Paraffin hervorgerufene reaktive Entzündung
schließlich eine schnellere Sklerosierung der Schleimhaut und damit
das natürliche Ende des krankhaften Prozesses herbei. — Für die
extremen oben erwähnten Fälle bleibt nur die radikale chirurgische
Behandlung. Diese besteht in der Wegnahme des Siebbeines und der
Muscheln, wenn nötig auch der inneren Wand des Sinus maxillaris,
die Eröffnung der Keilbeinhöhle, endlich die Auskratzung der letzteren
und der Oberkieferhéhle. — Wenn die Fälle es irgendwie erlauben,
soll man aber versuchen, auch hier die untere Muschel zu erhalten
und durch Paraffininjektionen sekundär zu vergrößern.
Stein (Wiesbaden).
1022 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38,
6) Bunge. Zur Pathogenese der subkutanen Darmrupturen.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVI. Hft. 3.)
Zu obigem Thema bringt die Arbeit eine referierend-kritische
Besprechung.
Eine subkutane Darmruptur kann zustande kommen 1) durch
Zeerquetschung, 2) Abriß durch Zug, 3) Berstung durch Erhöhung
des Innendruckes.
Der Mechanismus der Zerquetschung ist am häufigsten, am ein-
fachsten zu erklären und am wenigsten umstritten: der Darm wird
zwischen einem äußeren Gegenstand und einer festen Unterlage im
Körper selbst, meist der Wirbelsäule, nach Einstülpung der Bauch-
decken zerquetscht. J
Der Abri8 des Darmes erfolgt durch Uberdehnung der Darmwand
in ihrer Längsachse. Maßgebend hierbei ist die Richtung der Gewalt-
einwirkung, welche meist in schräger oder frontaler Richtung erfolgt,
sowie die Fixation der betroffenen Darmschlinge, welche in den
physiologischen Fixationspunkten, also besonders dem Mesenterium
gegeben ist. Die Gewalt kann dabei sowohl die Fixationsstelle selbst
treffen, oder entfernt davon einwirken. Auch ohne direktes Trauma
kann der Darm bei Fall aus der Höhe dann an seinem Mesenterial-
ansatz abreißen, wenn im Moment des Auffallens der durch seinen
Inhalt beschwerte Darm die Bewegung in der Fallrichtung beibehält.
Viel weniger klargestellt ist die Pathogenese der Darmruptur
durch Berstung. Ist eine Darmschlinge nach oben und unten geknickt,
durch Gas oder Flüssigkeit gedehnt, der intraabdominelle Druck im
Moment der Verletzung durch reflektorische Bauchdeckenspannung
erhöht, so kann bei direkt einwirkendem Stoß die Darmschlinge platzen,
weil ihr Innendruck noch höher wird als der erhöhte intraabdominelle
Druck. Daß bei einseitigem Darmverschluß der Darminhalt nach
dieser Richtung vor dem Trauma mit solcher Gewalt ausweicht, daß
der Darm platzt, hält Verf. für wenig wahrscheinlich bei der enormen
Dehnungsfähigkeit des Darmes, der meist geringen Breite der einwir-
kenden Gewalt und dem Gegendruck von Bauchmuskulatur und be-
nachbarten Darmschlingen. Eine Berstungsruptur durch bloße Er-
höhung des Innendruckes dürfte dann für ausgeschlossen gelten, wenn
der Bauchraum allseitig abgeschlossen wäre. Hat aber eine Darm-
schlinge Gelegenheit zum Ausweichen nach einer Stelle geringeren
Druckes, so ist damit die Vorbedingung zum Platzen durch erhöhten
abdominellen Druck gegeben. Eine derartige Ausbuchtungsstelle stellt
normalerweise der Ureterschlitz dar, und damit ist die Erklärung für
die sog. spontanen Mastdarmrupturen geliefert. Noch häufiger bieten
allerdings inguinale, crurale oder perineale Bruchpforten dem Darm
Gelegenheit zum Ausweichen und damit die Voraussetzung zur Ber-
stungsruptur.
Diese theoretischen Ausführungen werden durch mehrere Kranken-
geschichten illustriert. Beich (Tübingen).
- Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 1023
7) Gauthier et Pinatelle. De la gastrostomie dans certaines
formes de péritonite.
(Province méd. 1906. Nr. 24.)
Jaboulay hatte vor einem Jahre die Gastrostomie zur Bekampfung
der peritonitischen Magendilatation empfohlen. Die Gefahren einer
solchen beruhen in dem erschöpfenden Erbrechen, in der Verdrängung
der Brusteingeweide und der Intoxikation. Die Verff. präzisieren nun
die Indikationsstellung, indem sie die Gastrostomie mit der Entero-
stomie in Parallele stellen und verlangen, daB man bei diffuser Blähung
und mäßigem Erbrechen enterostomieren, aber bei lokalisierter Blähung
im Epigastrium und bei heftigem Erbrechen gastrostomieren soll. Bei
drei Fällen eitriger Peritonitis wurde neben den bisher üblichen Ein-
griffen gastrostomiert. Ein Fall verlief tödlich, die beiden anderen
lassen deutlich den günstigen Einfluß dieses Eingriffes erkennen.
Die Technik der Operation besteht in der Anlegung einer ein-
fachen Magenfistel mit Einlage eines Katheters. Am 2. Tage schon
wird Nahrung durch den Mund und durch die Fistel eingeführt, wo-
nach der Katheter abgeklemmt wird. Nach einigen Tagen wird dann
die Fistel wieder geschlossen, vorausgesetzt, daß weder kotige noch
gallige Massen entleert werden. Die Entleerung ist sehr reichlich und
darf nicht davon abhalten, Nahrung einzugießen.
A. Hofmann (Karlsruhe).
8) J. D. Malcolm. Appendicitis and gangrene of the ver-
miform appendix considered as separate diseases.
(Lancet 1906. Juli 28.)
Verf. will in der Arbeit beweisen, daB die Appendicitis, die von
der Schleimhaut des Wurmfortsatzes ausgeht, und die Krankheit, die
in Bildung eines gangränösen Herdes in der Wand des Wurmfortsatzes
mit Perforation besteht, verschiedene Affektionen sind, wenn schon
sie unter einem ähnlichen klinischen Bilde verlaufen.
Auch im Wurmfortsatze können nach Verf. Gewebsnekrosen ein-
treten, die an sich ohne Krankheitssymptome verlaufen und die nur
durch ihre Folgezustände in die Erscheinung treten, also ähnlich, wie
bei seniler Gangrän, bei perforierendem Magen- oder Duodenalgeschwür,
in der Wand einer Eierstocksgeschwulst, bei einem Uterusmyom usw.
Verf. meint, daß, wenn die nekrotischen Partien das Produkt einer
Entzündung wären, Fieber vorher bestehen müßte und alle dem
Wurmfortsatze benachbarten Gewebe lebhaft vaskularisiert und öde-
matös gefunden werden müßten. Nach den pathologisch-anatomischen
Statistiken von Kelly und Hurdon war bei 86 Todesfällen infolge
von Appendicitis 25mal akute Gangrän vorhanden. Was die Behand-
lung bzw. die exakte Diagnose der beiden Formen der Wurmfortsatz-
erkrankungen angeht, so weist Verf. auf die Schwierigkeiten der
letzteren hin. Zusammenfassend ist er der Meinung, daß alle Fälle
1024 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38,
von Appendicitis, die sehr akut beginnen oder in denen dringliche
Symptome sich plötzlich ausbilden, sofort operiert werden sollten.
H. Ebbinghaus (Dortmund).
9) Murray. The etiology and treatment of oblique in-
guinal hernia.
(Brit. med. journ. 1906. Juni 16.)
Die Anwesenheit eines angeborenen Sackes ist die Hauptursache
für die Entstehung eines Leistenbruches in jedem Lebensalter. — Bei
der Mehrzahl der Säugetiere bleibt der Proc. vaginalis peritonei wäh-
rend des ganzen Lebens offen, aber es bestehen feste Beziehungen
zwischen dem ÖOffenbleiben des Processus und der Körperhaltung der
Tiere. Bei Vierfüßern ist die Verbindung mit der Bauchhöhle ganz
frei, bei Vierhändern mit teils aufrechter, teils wagerechter Körper-
haltung ist der Proc. vaginalis sehr eng, bei den höheren Affen gleiten
die Hoden 2 bis 3 Tage vor der Geburt in den Hodensack, und der
Scheidenfortsatz ist für gewöhnlich vollständig verschlossen. Die
Seltenheit des Austretens von Eingeweiden in ihn bei Vierfüßern hat
ihren Grund in der hohen Lage des Leistenkanales und dem sphinkter-
artig wirkenden Abschluß der Bruchpforte durch die Muskelumgren-
zung. Kommt nun bei Haustieren ein Leistenbruch vor, so handelt
es sich nach allgemeiner Ansicht der Fachleute um das Austreten von
Eingeweide in einen angeborenen Bruchsack. — Bei 100 wahllos
daraufhin geprüften Leichen von Personen, die nie Anzeichen einer
Hernie im Leben geboten hatten, fand sich ein Bruchsack mit offenem
Fortsatz in 21 Fällen. — Bei kleinen Kindern genügt für gewöhnlich
zur völligen Heilung eine hohe Abbindung und Entfernung des Bruch-
sackes. Diese klinischen, anatomischen und vergleichend-anatomischen
Tatsachen sind dem Verf. genügend beweisend für seine Lehre, daß
beim gewöhnlichen Leistenbruch der Sack stets angeboren ist, und daß
die Entstehung eines Bruches abhängig ist von der Weite der Ver-
bindung zwischen Fortsatz und Bauchhöhle und von der Stärke des
muskulösen Sphinkterschlusses.
Für die Behandlung ergibt sich Folgendes: Bei kleinen Kindern
kann ein Bruchband den offenen Processus so stark verengern, daß
es einer Heilung im Erfolg gleichkommt, aber eine Verwachsung
kommt auf diese Weise nicht zustande. Zuverlässiger ist die mög-
lichst hohe Abbindung des Bruchsackes und seine Entfernung.
Bei 60 Operationen an Kindern von 2 Monaten bis 5 Jahren
hatte M., mit Ausnahme eines Rückfalles, vollen Erfolg.
Flaschenkinder operiert er ungefähr im 3. Monate, Brustkinder
nicht vor dem 8., um keine Unterbrechung in der Nahrung eintreten
zu lassen.
Beim Erwachsenen legt er in gleicher Weise den Hauptwert auf
möglichst hohe Abbindung des Bruchsackhalses und einfachen Ver-
schluß der Aponeurose mit Ubereinanderschieben der Schnittrinder.
— In fünf Fällen von großen Brüchen mit umfangreicher Bruchpforte
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 1025
legte er mit Erfolg eine Art »inneres Bruchband« vor die Bruchpforte,
bestehend in einer dünnen Gummiplatte mit kleiner Durchlaßpforte
für den Samenstrang, die durch Cremaster und Aponeurose gedeckt
wird. In einem dieser Fälle mußte er die Platte wegen Fistelbildung
wieder entfernen, die anderen vier verrichten schwere Arbeit ohne Be-
schwerden. Weber (Dresden!.
10) A. Ebener. Über ektopische Inguinalhernien. Mit
besonderer Berücksichtigung der superfiziellen Form und
einem Beitrag zur Kasuistik derselben.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVII. Hft. 3.)
An Stelle der verwirrenden Bezeichnungen für die aus ihrem
gewöhnlichen Bett in die Bauchwand verlagerten Leistenbrüche schlägt
Verf. den prägnanten Gattungsnamen Herniae ektopicae inguinales
vor, erläutert an der Hand schematischer Zeichnungen deren verschie-
dene topographischen Unterarten und bespricht die einzelnen Theorien
über die Entstehung derselben.
Für die spezielle Form der superfiziellen Leistenbrüche wird eine
Kasuistik von 23 Fällen zusammengestellt und eine eigene Beobachtung
beschrieben.
Weitaus am häufigsten sind die abdominalen, seltener die cruralen,
und sehr selten die perinealen Formen der superfiziellen Leistenbrüche.
Der Bruchsack entspricht in der Regel einem offenen Peritonealdiver-
tikel, das für die Mehrzahl der Fälle eine bilokuläre Entwicklung
nimmt. Der Bruch ist fast stets ein äußerer und direkter. Für die
Entstehung der Hernia superficialis congenita kommt in jedem Fall
ein mangelhafter Descensus testiculi mit gleichzeitiger mangelhafter
Entwicklung der betreffenden Skrotalhälfte in Betracht.
Reich (Tübingen).
11) A. Baldwin. The radical cure of femoral hernia.
(Lancet 1906. Juli 21.)
Verf. gibt eine, dem Ref. recht rationell erscheinende Operations-
methode der Schenkelbriiche an. Er zieht durch eine oberhalb des Liga-
mentum Pouparti angebrachte Offnung den freipräparierten Sack durch
den Bruchkanal hindurch und oben heraus. Dann wird der Bruchsack
der Länge nach durch einen Faden gerafft und wieder in den Kanal
zurückgezogen. Der Faden wird dann um die Zwischenwand zwischen
der früheren Bruchpforte und der neuen Öffnung geknotet. Der zu-
sammengeraffte Bruchsack füllt so den ganzen Cruralkanal aus und
wirkt hier als Puffer.
Wie aus den sechs guten Skizzen in der Arbeit hervorgeht, ist
die Methode leicht und sicher auszuführen. Es bleiben anderwärtige
Versuche abzuwarten, um zu sehen, ob sie tatsächlich die guten rezidiv-
freien Erfolge gibt, wie sie der Autor ihr nachrühmt.
H. Ebbinghaus (Dortmund).
38+*+
1026 Zentralblatt fiir Chirurgie. Nr. 38.
12) A. W. Mayo Robson. The treatment of cancer of the
stomach.
(Lancet 1906. August 18.)
An der Hand instruktiver Fälle seiner großen Praxis betont der
bekannte Verf. folgendes: Es ist überaus wünschenswert, eine Früh-
diagnose des Magenkarzinoms zu machen, um die radikale Behandlung
am erstmöglichen Termin einleiten zu können. Um die Diagnose zu
sichern oder zu befestigen, kann eine Probelaparotomie nötig werden;
eine solche kann im Frühstadium der Erkrankung mit keiner oder
nur sehr geringer Gefahr für den Pat. ausgeführt werden. Eine
Probelaparotomie ist selbst bei fühlbarer Geschwulst noch wünschens-
wert, um sich zu vergewissern, ob Radikal- oder Palliativbehandlung
einzusetzen hat. Wo die Geschwulst zur radikalen Behandlung zu
ausgedehnt ist, da ist die Gastroenterostomie eine Operation, die bei
ihrer relativen Ungefährlichkeit (bei Verf. 3,3% Mortalität) wohl
geeignet ist, das Leben des Kranken zu verlängern und erträglicher
zu machen. Es ist möglich, daß umfangreiche Geschwülste des Pylorus
(Geschwüre mit Verwachsungen usw.) nach der Gastroenterostomie
verschwinden und die bereits fiir Karzinom gehaltene Krankheit heilt.
In Fällen von Karzinom der Cardia oder des ganzen Magens ist die
Gastro- bzw. Jejunostomie auszuführen. Wo eine Radikaloperation
ausgeführt werden kann, vermag die gründliche Entfernung des Krank-
heitsherdes hier ebenso gut völlige Heilung herbeizuführen, wie die
Operation des Brustkrebses, Uteruskrebses usw.
Was die momentane Gefahr der partiellen Gastrektomie angeht,
so beträgt die Mortalität an der Operation 14—16%; ca. 14% der
Fälle, die die Operation überstehen, haben nach den von Verf. an-
geführten Daten Aussicht, definitiv (d.h. über 4 Jahre) rezidivfrei zu
bleiben.
Derartige kurze übersichtliche Arbeiten von berufener Feder, wie
die hier vorliegende, dürften wohl am besten geeignet sein, der viel-
fach auch heute noch in internen Kreisen gegenüber der operativen
Behandlung des Magenkrebses herrschenden Skepsis zu begegnen.
H. Ebbinghaus (Dortmund).
13) W. Evans. Senn’s Gastrostomie.
(Medical press 1906. Juni 20.)
E. öffnet den Bauch links der Mittellinie dicht unterhalb des
Rippenbogens in Längsrichtung durch einen etwa 5 cm langen Schnitt.
Durch eine etwa 1.cm lange, ungefähr 8 cm von der großen Kurvatur
entfernte Offnung in der Vorderwand des Magens wird ein Gummi-
schlauch eingeführt und durch eine Catgutnaht befestigt. E. legt
darauf vier Tabaksbeutelnähte, die von einander etwa 1/; cm entfernt
sind, durch Serosa und Muscularis der Magenwand um die Öffnung
herum an und stülpt so diesen Teil der Magenwand mitsamt dem
Gummischlauch allmählich ein. Die darauf angelegten Bauchnähte
Zentralblatt für Ohirurgie. Nr. 38. 1027
fassen die Muscularis des Magens mit. E. rühmt dieser Methode
größte Einfachheit und Schnelligkeit nach, ferner die Vorteile, daß
ein Durchsickern des Mageninhaltes vermieden werde und dem Pat.
noch auf dem Operationstische, wenn nötig, Nährmaterial eingeflößt
werden könne. f Erhard Schmidt (Leipzig).
14) Devé. Des récidives hydatiques post-opératoires.
(Revista de la soc. med. Argentina 1906. Nr. 78.)
Die in Art einer Monographie angelegte Arbeit behandelt in aus-
führlichster Weise die vielumstrittene Frage der Rezidive nach Opera-
tion der Echinokokkencysten. Früher pflegte man unter »Rezidiv«
bei dieser Krankheit jedes Wiederauftreten einer Cyste nach irgend-
welcher voraufgegangenen Medikation zu verstehen, bestand diese nun
in interner Behandlung oder in Punktion oder in Operation. Heute
darf man mit Recht von einem Rezidiv nur dann noch sprechen, wenn
einmal eine Operation voranging, und wenn zwischen der sekundär
entstandenen ÜUyste und der primär vorhanden gewesenen ein lokaler
Zusammenhang sich strickt nachweisen läßt. Was die Atiologie der
Rezidive betrifft, so hat man nach D. bisher immer nur auf Stücke
der Uystenmembran sowie eigentliche Tochterblasen sein Augenmerk
gerichtet, während mit Unrecht die spezifischen mikroskopischen kleinen
Teile des Cysteninhaltes total vernachlässigt wurden. Dieser scolices-
haltige »sable hydatique« ist aber die Hauptursache der Rezidive.
D. führt zur Bekräftigung dieser Tatsache zahlreiche Tierversuche,
sowie eine große Anzahl aus der Literatur gesammelter klinischer
Fälle an. Die wahren Rezidive dürfen jedoch nicht mit den Pseudo-
rezidiven verwechselt werden, die dann auftreten, wenn sich beispiels-
weise einige Zeit nach einer operativen Verödung einer Lebercyste
ein groBer Abszeß bildet, der nach Ausstoßung von Membranteilen
schnell ausheilt. Hier handelt es sich um zurückgebliebene sekundär
vereiterte Teile der primären Cyste. Auch die nach voraufgegangener
Operation einer Lebercyste oft späterhin beobachteten multiplen Cysten
der Bauchhöhle usw. dürfen nicht als Rezidive der Operation aufgefaßt
werden. Vielmehr waren in den allermeisten Fällen die Keime bereits
vor der betreffenden Operation in die Bauchhöhle gelangt; »denn die
spontane Ruptur der Leberechinokokkuscysten in die Bauchhöhle ist ein
häufiges, fast könnte man sagen, ganz allgemeines Ereignis«. Folgender
Fall scheint dies zu beweisen: »Eine frühere operierte Pat. kommt
nach 9 Jahren mit einer Lebercyste wieder. Sie wird wieder operiert
und nach 24 Tagen als geheilt entlassen. 14 Tage vor ihrem Eintritt
ins Spital hatte diese Kranke plötzlich heftige Schmerzen im Bauch,
Übelkeit, Atemnot, Ohnmachtsgefühl; während der ganzen Nacht war
sie sehr aufgeregt; endlich fühlte sie »etwas in ihrem Leib hinab-
rutschen«. Dann beruhigte sich alles, und die Geschwulst wurde etwas
kleiner. Wahrscheinlich wird diese Frau in einigen Jahren multiple
Cysten im Bauch aufweisen; und doch wird von einem »Rezidiv« im
engeren Sinne nicht die Rede sein können.«
*
1028 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38.
Die wahren Rezidive haben ihre Ursache 1) in unvollständiger
Operation der Primärcyste; 2) in unvorsichtiger Operationsweise; 3) in
unglücklichen Znfällen bei der Operation. In den beiden letzten
Kategorien handelt es sich um sekundär auftretende multiple Cysten,
der weitaus häufigste Fall des Rezidivs überhaupt. D. nennt dies
»échinococcose«. Sie kommt zustande durch Ausstreuung des multiple
Keime enthaltenden mikroskopisch feinen »Hydatidensandes« (s. 0.) in
die Wunde oder deren Umgebung; denn dieser Sand wird durch die
gewöhnlichen Antiseptika in seiner Lebens- und Proliferationsfähigkeit
nicht im mindesten beeinflußt. D. ist geneigt, überhaupt alle Rezidive,
auch die unter 1) fallenden, auf Rechnung des »sable hydatique« zu
setzen.
Die Behandlung der Rezidive bei Echinokokkuscysten hat ihren
Schwerpunkt in der Prophylaxe, d.h. in der zweckmäßigen Technik
der Primäroperation. D. hat aus den letzten Jahren ca. 30 un-
bestreitbare Fälle, ca. 1% der Öperierten, gesammelt, von denen
manche hätten vermieden werden können. Er bestreitet ganz ent-
schieden die Richtigkeit der von Arce (Argentinien) aufgestellten
Statistik, die Rezidive nur bei 1,03°%;,, der Operationen annimmt.
Das einzige Mittel zur Vermeidung der Sekundärechinokokkose besteht
nach D. in Injektion einer genügend keimtötenden Lösung in die
Cyste vor deren Eröffnung. Er verwendet zu diesem Zweck eine
1%ige Formollésung, die 5 Minuten lang im Innern der Cyste ver-
bleiben soll. Ausgedehnte Tierexperimente mit Kontrollversuchen
haben dem Verf. gezeigt, daß dadurch alle Scolices sicher abgetötet
werden. Die Verwendung der starken Formollösung bringt weder
eine Intoxikationsgefahr mit sich, da die Absorption in der fibrösen
Cystenwand nur sehr gering sein !kann, noch wird die Heilung der
Operationswunde irgendwie ungünstig beeinflußt. Eine Kontraindika-
tion für {diese Methode besteht jedoch für die Cysten des Gehirns
und der Lunge. Verf. empfiehlt hier !die einfache Austupfung der
Cyste mit Gaze, die mit der obigen Lösung getränkt ist. Für die
multilokulären Formen, wie sie in Knochen, Muskeln usw. aufzutreten
pflegen, wird die sorgfältige Exstirpation mit nachfolgender Aus-
schabung empfohlen; darauf Irrigation der Wunde mit !1/, iger For-
mol-, 1/,°/giger Sublimat- oder 1%iger Chlorzinklösung; zum Schluß
Austupfung mit 5%igem Formol oder 10 gigem Chlorzink.
Stein (Wiesbaden!'.
15) Pels-Leusden. Uber papillire Wucherungen in der
Gallenblase und ihre Beziehungen zur Cholelithiasis und
zum Karzinom.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXX. Hft. 1.)
Verf. hat auf dem Chirurgenkongreß 1904 (cf. d. Zentralbl. Nr. 27
Beilage p. 107; einen Pat. mit mehrfachen papillären Geschwülsten
der Gallenblase vorgestellt. Es hatten langdauernde heftige Gallen-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 1029
steinkoliken mit schwerem Ikterus und Lebervergrößerung bestanden.
Bei der Autopsie im Jahre 1905 zeigten sich am Übergang des
Gallenblasenepithels in die äußere Haut noch reichlich papilläre
Wucherungen. In den abführenden Gallengängen waren dagegen’
nicht, wie vermutet worden war, weitere Papillome. Wider Erwarten
aber zeigt sich in der Nähe der Papilla duodenalis ein eingekeilter
Gallenstein. |
Nach der Einsicht, die P.-L. in die Literatur einschlägiger
Fälle genommen hat, scheinen derartige Geschwülste selten zu sein.
Sein besonderes Interesse wandte Verf. ihrer pathologischen Anatomie
zu. Seine eigenen diesbezüglichen Untersuchungsergebnisse schließen
sich im wesentlichen den Resultaten an, die Aschoff auf Grund
eines größeren Materials gewonnen hat. Er ist der Ansicht, daß es
bei chronischen Gallensteinleiden sehr häufig in der Schleimhaut der
Gallenblase zu atypischer Epithelwucherung in der Tiefe und zu
papillären Wucherungen an der Oberfläche kommt. Neben dem
mechanischen Reiz durch die Konkremente selbst sind bakterielle
Reize und der Reiz infolge der Gallenstauung als Ursache dafür an-
zusprechen. Auf Grund dieser Epithelwucherungen kommt es leicht
zur Entwicklung eines Karzinoms, so daß es sich auch bei weniger
fortgeschrittenen Fällen von Cholelithiasis empfiehlt, die chronisch
entzündliche Gallenblase mit fortzunehmen.
E. Siegel (Frankfurt a. M.).
16) R. Dos Santos. Aspecto cirurgico das pancreatites chro-
nicas. 234 S. 6 Abb.
Lissabon, Libanio da Silva, 1906.
S. teilt die chronischen Pankreaserkrankungen nach ihren Sym-
ptomen in vier Abteilungen. Erste Gruppe: Chronische Pankreatiten
mit gleichzeitigem Choledochusverschluß, der durch Gallensteinbildung
oder Katarrh bedingt sein kann. Fühlbare Geschwulst kann die Folge
der Steinbildung sein. Fehlende Steinbildung verleitet leicht zu der
Annahme eines Pankreaskarzinoms. Die Differentialdiagnose ist ohne
Probelaparotomie äußerst schwierig, wenn nicht rasche Abmagerung,
ausgesprochene Anämie, Ascites oder Metastasen eine bösartige Ge-
schwulst wahrscheinlich machen. Ascites allein kann auch Begleit-
erscheinung der chronischen Pankreatitis sein. Irrtümer sind leicht
möglich. S. beschreibt einen von ihm beobachteten Fall, in dem
rasche Abmagerung und die Symptome des Choledochusverschlusses,
Ikterus, Fettstühle und mangelhafte Eiweißausnutzung auf das Pankreas
hinwiesen und eine Geschwulst vor der Wirbelsäule gefühlt wurde,
die man als ein Karzinom des Pankreaskopfes ansprach. Die Sektion
ergab aber, daß eine chronische indurative Pankreatitis vorlag.
Die zweite Gruppe umfaßt die Pankreatiten mit den Symptomen
der Pylorus- oder Duodenalstenose. Sitzt die Stenose oberhalb der
Papille, so ist die Striktur des Zwölffingerdarmes von der selteneren
Pylorusverengerung nicht zu unterscheiden. In vier veröffentlichten
1030 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38.
Fällen, die wegen Pylorusstenose operiert wurden, fand sich eine
Duodenalstenose. Bei einem Pat. des Verf.s, bei welchem ein Duodenal-
geschwür, das zur Striktur geführt hatte, diagnostiziert war, fanden
‘sich zwar zwei Geschwüre an der Magenwand, statt des Duodenal-
geschwüres indes eine chronische Pankreatitis.. Bei den infrapapillären
Verengerungen entleert sich ein Teil der Galle in den Magen. Pan-
creas annulare als Ursache der Stenose ist ebenfalls nicht zu diagno-
stizieren.
Die dritte Gruppe umfaßt bisher vier Beobachtungen. Gemein-
sam ist diesen Fällen der Schmerz, der dem Krankheitsbild einen be-
sonderen Charakter verleiht, bei Abwesenheit von Erscheinungen der
Darmstenose und des Choledochusverschlusses.
Die vierte Gruppe endlich bilden chronische Driisenerkrankungen,
bei welchen die klinischen Symptome nicht erkennen lassen, daß eine
Pankreatitis vorliegt.
Seitdem die Reaktion von Cammidge bekannt wurde (Lancet
1%4 p. 782, 1905 p. 1951), hat S. alle ihm zugänglichen Fälle von
Pankreaserkrankungen (36 Fälle) untersucht, kommt aber zu dem
Schluß, daß diese Reaktion kein Mittel zur Unterscheidung chroni-
scher Pankreatitis von Karzinom darstellt, da das Ergebnis der Unter-
suchung in 12 Fällen zu falschen Schlußfolgerungen führte.
Die Behandlung richtet sich nach den Symptomen. Von den mit
Choledochusverschluß komplizierten Fällen wurden behandelt mit An-
legung einer Gallenblasenfistel 38 (davon starben 4), mit Eröffnung
der großen Gallenwege und Drainage 20 (davon starben 3), mit Ab-
leitung der Galle in den Magen oder Darm vermittels Cholecystentero-
stomie 27 (davon starben 9), mit Anlegung einer Anastomose zwischen
Gallenwegen und Magen-Darmkanal 8 (davon starben 4) und mit ein-
facher Laparotomie 11 (davon starb 1).
Zur Beseitigung der Pylorus- oder Duodenalstenose wurde die
Gastrostomie unter 6 Fällen viermal ausgeführt. Verf. operierte nach
dieser Methode einen Fall von Pancreas annulare (Tod am 9. Tage
an Pneumonie). Bemerkenswert war, daß es sich in diesem Falle
nicht um kongenitale Mißbildung !handelte, sondern daB eine chro-
nische Pankreatitis die Krümmung des Organs bewirkt hatte.
Zur Behandlung schmerzhafter Pankreatiden empfiehlt Verf., wenn
die Cholecystotomie die Beschwerden nicht beseitigt, die partielle Re-
sektion der Driise. Durch Versuche an Tieren überzeugte er sich,
daß die A. und V. splenica sowie die A. mesenterica geschont wer-
den muß, wenn Nekrosen vermieden werden sollen. Unterbindung der
A. pancreatico-duodenalis kann Gangrän des Duodenums zur Folge
haben. Die Gefahr der Fettnekrose läßt sich durch lockeres Knüpfen
der Unterbindungen verringern. Sorgfältigste Blutstillung ist nötig,
wenn eine Vereinigung der Teilstücke des Pankreas nicht möglich ist.
Man sucht die Drüse am besten auf mittels Durchtrennung des Lig.
gastro-colicum, bei günstigen anatomischen Verhältnissen kann man
auch das Lig. gastro-hepaticum einschneiden. Soll drainiert werden,
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 1031
so empfiehlt sich die Anlegung einer Gegenöffnung in der Lenden-
gegend, damit die Peritonealhöhle durch Naht wieder geschlossen wer-
den kann. :
Im zweiten Teile der Arbeit sind die bisher operierten 131 (dar-
unter 2 bisher nicht veröffentlichte) Fälle von chronischer Pan-
kreaserkrankung zusammengestellt. Das Literaturverzeichnis umfaßt
179 Nummern. Revenstorf (Hamburg).
17) Calabrese. Emiprostatectomia nei casi di ipertrofia
prostatica.
(Ref. nach Morgagni 1906. Nr. 29. Aus Policlinico 1906. Juli 1.)
Ruggi, dessen jetzige Anschauungen über die Prostatektomie C.
wiedergibt, exstirpiert nur noch einen Lappen, und zwar gewöhnlich
den äußeren und hinteren Teil des linken Lappens, um die Ductus
ejaculatorii und das Veru moretanum zu schonen. Die in der Prostata
verlaufenden Nerven .haben nach Ruggi einen wesentlichen Einfluß
auf die Erektion. Die Operation beginnt mit einem 2 cm vom After
entfernt bleibenden Schnitt und schont die der Erektion dienende
Muskulatur möglichst. Dreyer (Köln).
18) H. Morris. On the X-ray shadows of cystic and xanthin
oxyde calculi.
(Lancet 1906. Juli 21.)
Der bekannte Verf. tritt hier der nach seiner Erfahrung vielfach
verbreiteten Ansicht entgegen, daß Xanthin- und Cystinsteine bei der
Röntgendurchleuchtung keine Schatten gäben. An der Hand von
acht in der Arbeit aufgenommenen Röntgenbildern der verschieden-
artigsten Blasen- und Nierensteine beweist er das gerade Gegenteil
und führt die geringe Durchlässigkeit für Röntgenstrahlen auf den
Schwefelgehalt dieser Steine zurück. Ein Harnsäurestein gibt, ver-
glichen mit einem Xanthin- oder Cystinstein, nur einen äußerst
schwachen Röntgenschatten. H. Ebbinghaus (Dortmund).
Kleinere Mitteilungen.
Zur ‘Technik der Trepanation.
Von
M. Borchardt in Berlin.
Wer oft Gelegenheit hat, Trepanationen auszuführen, wird zugeben, daß das
bisber bekannte Instrumentarium noch mancher Verbesserungen bedarf. Neben
dem noch heute vielfach angewendeten Hammer und Meißel ist vor allen Dingen
die Dahlgren’sche schneidende Knochenzange, die Kreissäge und Sudeck’s
Fräse beliebt. In unserer Klinik wurde in den letzten Jahren namentlich die
v. Bergmann’sche Kreissäge benutzt, die wegen ihrer Breite gestattet, die Tiefe
der Sägefurche zu übersehen. Es haften aber auch ihr beträchtliche Mängel an.
1032 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38.
Die Blutungen aus den Knochen sind zeitweilig sehr stark; der Operateur zieht
die Säge gegen sich hin und ist bald so mit Blut bespritzt, daß er überhaupt nicht
mehr sehen kann.
Der mechanische Schutz der Dura durch Vorrichtungen, die gleichzeitig mit
der Kreissäge zwischen harter Hirnhaut und innerer Knochenfläche vorwärts be-
wegt werden, ist ein unsicherer. Es gelingt dieser Schutz noch am leichtesten mit der
bekannten Sudeck’schen Fräse, die von vielen Chirurgen für das beste Trepana-
tionsinstrument gehalten wird.
Wir haben sie wiederholt,
Fig. 1. wie auch die Gaylord’sche
— Fräse angewendet, haben aber
bei dicken, harten Schädeln
mit beiden Instrumenten stets
Fiasko erlebt.
Das Instrument, welches ich
zur Trepanation empfehlen
möchte, ist eine, mit wenigen
Schneiden versehene, zylin-
drische Fräse mit scharfer
Spitze. Die Fräse sitzt in
einem metallischen Hund-
griffe, dessen Auflagefläche
durch einen Metallring be-
werkstelligt wird; derselbe
dient gleichzeitig als Schutz-
vorrichtung fir die Tiefenwir-
kung der Fräse, deren Spitze
aus dem Ringe herausragt.
Die Länge der aus der Schutz-
vorrichtung herausragenden
Schneidefläche kann beliebig
von 3 bis 10 mm verlängert
werden, und die Länge der
herausragenden Spitze läßt
sich an einer Skala ablesen.
Am Handgriff ist für Daumen
und Zeigefinger noch eine be-
sondere Stütze zur leichteren
Führung des Instrumentes an-
gebracht.
Soll z. B. eine große Hemi-
kraniektomie ausgeführt wer-
<. den, so werden zuerst nach
'. Umscheidung des Weichteil-
lappens in üblicher Weise im
ganzen vier Löcher bis auf die
Dura gebohrt, mit Kugelfräsen
von8—9mm Durchmesser, und
so die Dicke des Schädels be-
stimmt; dann wird die Pflug-
fräse eingesetzt und so ein-
gestellt, daßsiezwar Ex-
terna und Diploe, aber nicht die Interna durchischneidet.
Beifolgende Figur zeigt die Fiihrung des Instrumentes, das so leicht wie ein
Bleistift oder eine Schreibfeder zu handhaben ist. Von Loch zu Loch wird das
Instrument vorwärts geschoben und gräbt nach Art eines Pfluges eine
Furche in den Knochen.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 1033
Die Blutung dabeiist äußerst gering, und da der Operateur die Fräse vor
sich her, d. h. von sich weg schiebt, wird er weder durch Blut noch durch Säge-
späne auch nur im geringsten geniert.
Die Interna wird mit scharfem oder stumpfem Meißel mit zwei bis drei
Schlägen durchschlagen, oder mit der Sudeck-Fräse spielend durchschnitten.
Es wird also prinzipiell mit der Pflugfräse nur Externa und
Diploe durchschnitten. 5
Mit diesem Instrumentarium gelingt es, die größten Öffnungen
in noch so dicken Schädeln in wenigen Minuten herzustellen.
Fig. 2.
Anlegung der Boh
rlöcher.
of!
Fig. 4.
Verschiedene Fräsen.
"i we
i
Es eignet sich die Frase auch vorziiglich zu osteoplastischen Operationen an
Schädel- wie an Röhrenknochen.
Bei der König-Müller’schen Schädelplastik ist ja die Herstellung der
Furche mit Hammer und Meißel der langweiligste und schwierigste Akt. Mit
unserer Fräse kann man jede Furche ziehen so tief man will.
Zum Abmeißeln der Knochenschale habe ich mir noch besondere Schälmeißel
konstruieren lassen, deren Form aus beifolgender Abbildung ohne weiteres ersicht-
lich ist.
Das Instrumentarium wird von der Firma W. A. Hirschmann, Berlin,
Ziegelstraße 30, hergestellt.
1034 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38.
19) Alessandri. Miosite tubercolare circoscritta del piccolo obliquo
e del transverso con sintomi di compressione del sigma colico.
(Bulletino della R. accad. med. di Roma 1905. XXX.)
Der interessante, in der Literatur nur wenige Analoga bietende Fall ist
folgender: Ein 38 jähriger Tischler, welcher bereits früher an einer Lymphadenitis
cervicalis und an einer Tuberkulose des linken Zeigefingers gelitten hatte, erkrankte
etwa 1!/o Jahr zuvor mit wiederholt auftretenden Anfällen von heftigen Leib-
schmerzen, bis vor 2 Monaten blutige Stühle auftraten, die einige Tage anhielten.
Fast gleichzeitig bemerkte Pat. eine nußgroße, wenig empfindliche, glatte und
härtliche Geschwulst einwärts von der Spina anterior superior sinistra, die langsam
zu Limonengröße heranwuchs. Pat. hatte abends leichte Temperatursteigerungen
(37,7%, litt an hartnäckiger Verstopfung und kam dabei allmählich herunter. Bei
Aufblähung des Darmes vom Mastdarm aus mußte die Luft erst ein Hindernis über-
winden, ehe sie in der Flexur aufstieg. Die Operation ergab eine gut abgegrenzte
tuberkulöse Geschwulst im Obliquus abdominis, die bis an das Peritoneum vor-
gedrungen war, sich in die Bauchhöhle gegen die Flexura iliaca vorwölbte. Die
Bauchhöhle selbst war unversehrt; nirgends Verwachsungen. Exstirpation der
Geschwulst. Reaktionsloser Verlauf.
(Leider enthält die Mitteilung keine Daten über das spätere Befinden des Pat.,
was nach Ansicht des Ref. doch wichtig wäre, auch um zu sehen, ob die parietale
Geschwulst die alleinige Ursache der beschriebenen Darmstörungen war.)
A. Most (Breslau).
20) A. Cuff. A case of actinomycosis of the abdominal wall pro-
duced by an infected foreign body which had — from the in-
testine.
(Brit. med. journ. 1906. Juli 21.)
Bei der Laparotomie eines 46jährigen Mannes, der eine seit 6 Monaten be-
stehende, langsam wachsende Geschwulst der Blinddarmgegend aufwies, fand man
eine Geschwulst, die im wesentlichen den Bauchmuskeln und dem Bauchfell an-
gehörte, und deren ausgedehnte Verwachsung mit dem Colon ascendens leicht
gelöst werden konnte bis auf eine kleine Stelle festerer Verwachsung. Die Unter-
suchung ergab Aktinomyces und in einem Erweichungsherd ein Stückchen einer
Weizenähre. Das Hineingelangen dieser Ahre erklärt C. aus der Gewohnheit des
Pat., ständig ein Stückchen Strohhalm im Munde zu haben zur Säuberung eines
kariösen Zahnes. Weber (Dresden).
21) A. Miles. Perforated gastric and duodenal ulcers. Some obser-
vations based on a personal esperience of forty-six cases operated
upon.
(Med. press 1906. Juli 18.)
Von 36 Pat. mit Magen- und 10 mit Duodenalgeschwiir waren 20 männlichen
und 26 weiblichen Geschlechts. Das Alter schwankte zwischen 15t/, und
55t/. Jahren. Die Prognose war günstiger bei jugendlichen Individuen. Nicht
selten trat kurz vor der Perforation eine Zeit anscheinender Besserung ein; in an-
deren Fällen vergrößerten sich die Verdauungsbeschwerden, sowie Schmerz und
Druckempfindlichkeit. Die Frage, ob körperliche Anstrengung, Trauma, Nahrungs-
aufnahme den letzten Anstoß zum Durchbruch geben, läßt sich nicht mit Sicher-
heit beantworten. In einzelnen Fällen läßt sich ein Zusammenhang nachweisen,
in den meisten nicht. In 8 Fällen war der Magen gefüllt, in 7 leer, bei 13 Pat.
enthielt er mäßige Mengen Speisebrei. Der Sitz des perforierten Geschwüres war
gewöhnlich in der vorderen Wand nahe der Pars pylorica und der kleinen Kur-
vatur. So fanden sich ventral 33 Magen- und 9 Duodenalgeschwiire, dorsal
3 Magen- und 1 Duodenalgeschwiir. Unmittelbar nach der Perforation lassen
Schmerzen und sonstige Symptome sehr oft an Intensität nach, so daß die Diagnose
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 1035
schwankend und der rechte Zeitpunkt zu chirurgischem Eingreifen versäumt wird.
Schmerz und Druckempfindlichkeit sind in der Regel am Orte des Geschwüres am
größten; in 2 Fällen wurde der Rücken angegeben. Eine Lokalisation unterhalb
des linken Schlüsselbeines, wie sie von einzelnen Autoren angegeben wird, hat M.
nie gefunden. Die subjektiven Symptome bei perforiertem Geschwür gleichen
vollkommen denen bei Durchbruch des Wurmfortsatzes. Erbrechen trat selten,
Starre der Bauchdecken regelmäßig und sehr frühzeitig ein. In einzelnen Fällen
fand sich eine umschriebene, schwache Dämpfung in der Nabelgegend, hervor-
gerufen durch einen Flüssigkeitserguß in die Bursa omentalis bei Durchbruch eines
Geschwüres der hinteren Magenwand.
Bei der Operation macht M. den Bauchschnitt in Längsrichtung an der Stelle
der größten Druckempfindlichkeit. Zur Auffindung der Perforationsstelle ist es
in seltenen Fällen nötig, den Magen zu eröffnen. M. schließt das Geschwür durch
eine Czerny-Lembert’sche Naht und bedeckt es mit einer Netzfalte. Die Ex-
zision des Geschwüres hält er nicht für günstig. Die Bauchhöhle wird darauf aus-
gespült und das kleine Becken drainiert. Eine lokale Drainage wendet M. nicht
mehr an, vielmehr erhöht er das Kopfende des Bettes und bewirkt so einen Ab-
fluß des Sekretes ins kleine Becken. Für die Nachbehandlung kommen Kochsalz-
einläufe und -infusionen zur Anwendung. Eine geringe Flüssigkeitsmenge kann
durch den Mund bereits 24 Stunden nach der Operation gegeben werden. Als
Komplikationen sah M. temporäre Magenfisteln, Pneumonie, Parotitis, Phlebitis,
Bronchitis und einen Fall von Beckenabszeß. Die Prognose ist um so günstiger,
je früher die Operation stattfindet. Füllung des Magens, Sitz der Perforation oder
Initialerbrechen scheinen keinen Einfluß zu haben. Heilungen und Todesfälle
zeigten folgendes Verhältnis:
Operation innerhalb der ersten 12 Stunden 14 Heilungen, 3 Todesfälle (18%).
> zwischen 12 und 24 > 5 > 4 > (4496).
> > 24 und 36 > 3 > 3 > (50%).
> später als | 36 > 1 > 11 > (92%).
Erhard Schmidt (Leipzig).
22) Rubritius. Über subkutane Darmrupturen.
(Prager med. Wochenschrift 1905. Nr. 27—29.)
R. berichtet über das gesamte einschlägige Material der Wölfler’schen
Klinik seit 1895. Von insgesamt 15 Fällen, deren Krankengeschichten ausführlich
mitgeteilt werden, wurden 7 vor Ablauf der ersten 12 Stunden und 3 vor Ablauf
der ersten 30 Stunden nach der Verletzung eingeliefert; in 2 Fällen war die Ver-
letzung 2 Tage, in 3 Fällen schon 4 Tage alt. An 13 Kranken wurde unmittelbar
nach der Einbringung die Laparotomie vorgenommen, 5 davon wurden geheilt;
2mal wurde trotz der auf Darmruptur gestellten Diagnose nicht mehr operiert
Imal hochgradiger Kollaps +, 1mal diffuse Peritonitis mit schwerem Kollaps +).
Die kontundierende Gewalt wirkte in 14 Fällen umschrieben auf den Leib ein, imal
mit breiter Angrifisfläche. 14mal lag eine Verletzung des Dünndarmes, imal eine
ZerreiBung der vorderen Wand des Blinddarmes vor. Nur 2mal handelte es sich
um typische Abreißungsrupturen: die erste betraf fast den ganzen Umfang der
Flexura duodeno-jejunalis, die zweite bestand in einer vollständigen Abreißung des
Dünndarmes neben zwei anderen Darmverletzungen. Bei 12 Fällen lagen Durch-
quetechungen des Darmes vor (11mal je eine, Imal drei kleine Perforationen). In
zwei dieser Falle war je eine freie Hernie vorhanden; in dem einen wirkte das
Trauma gegen das Bruchband, in dem anderen gegen die in den Bruchsack aus-
getretenen Eingeweide. Nur ein einziges Mal wurde eine Berstungsruptur bei
gleichzeitig bestehender freier Hernie im Sinne Bunge’s (vgl. ds. Blatt 1904, Be-
richt über den Chirurgenkongreß p. 53) beobachtet. Der betreffende Kranke hatte
gemeinsam mit einem anderen Arbeiter einen schweren Balken getragen und war
beim Gehen gestolpert, wobei ihn der fallende Balken gegen die Nabelgegend traf.
Sein seit 20 Jahren bestehender linksseitiger, irreponibler Leistenbruch wurde wäh-
rend des Fallens größer und war nicht mehr auf seine frühere Größe zu redu-
1036 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38.
zieren; es stellte sich Aufstoßen, Stuhl- und Windverhaltung ein. Bei der 4 Tage
nach dem Unfalle vorgenommenen Herniolaparotomie fand sich im Bruchsacke nur
trübseröses Bruchwasser. Unweit der Bruchpforte lag ein taubeneigroßer Kot-
abszeß in einem Konvolut von Dünndarmschlingen, deren eine ein bohnengroßes
Loch aufwies.
Bei sämtlichen Fällen kam es sofort nach der Verletzung zu Kotaustritt in die
freie Bauchhöhle. Es konnten alle Stadien dar entstehenden und fortschreitenden
Peritonitis bei der Laparotomie beobachtet werden. Nur 2mal fanden sich abge-
sackte peritonitische Herde; doch erlag der eine dieser Kranken einer fortschrei-
tenden Bauchdeckenphlegmone trotz der Eröffnung des Herdes.
Die Symptome der Darmruptur sind zu scheiden in die primären der Darm-
perforation und die sekundären der Perforationsperitonitis. Die ersteren sind be-
sonders wichtig, weil sie eine Frühdiagnose und rechtzeitige Operation ermöglichen.
Es sind dies nach den Erfahrungen an den beobachteten Fällen: der schwere
Kollaps vergesellschaftet mit Angstlichkeitsgefühl und oberflächlicher, frequenter
Atmung, die intensive Druckschmerzhaftigkeit des Bauches, eine brettharte Span-
nung der Bauchdecken und das bald nach der Verletzung auftretende, wiederholte
Erbrechen und Aufstoßen.
Die an der Wölfler’schen Klinik übliche Behandlung der Darmrupturen ist
sowohl im Frühstadium als bei ausgesprochener Peritonitis die allgemein gebräuch-
liche Spülungen der Bauchhöhle werden nur bei sicher bestehender allgemeiner
Bauchfellentzändung dann vorgenommen, wenn die stark geblähten Darmschlingen
eine Austrocknung mit Kompressen unmöglich machen.
Gutzeit (Neidenburg).
23) J. M. A. van Schuylenburch. Faecaalsteenen en hun rol bij
appendicitis.
Inaug.-Diss., Amsterdam, 1906.
Verf. hat die Frage der Rolle von Kotsteinen bei Appendicitis an dem Ma-
teriale der Klinik von Prof. Lanz studiert. Etwa 13% aller exstirpierten Wurn-
fortsätze enthielt Kotsteine.e Die mikroskopische Untersuchung machte einige
- Mühe, gelang aber schließlich nach sehr vorsichtiger Zelloidineinbettung. Während
Kot als Inhalt des Wurmfortsatzes für physiologisch gehalten werden muß, ist
Kotsteinbildung entschieden pathologisch. Die Kotsteine sind konzentrisch ge-
formte Gebilde, deren Kern in Verf.s Präparaten immer Pflanzenzellen enthielt.
Die Kotsteinbildung soll von verschiedenen, meist auf Entzündung zurückzuführen-
den Veränderungen der Appendix befördert werden. Verf. meint, daß die Rolle
der Steine keine den Appendicitisanfall auslösende ist; ja sie üben sogar eine ge-
wissermaßen schützende Wirkung auf die Wand aus, weil dieselbe über dem Steine
mehr oder weniger gespannt und geglättet, und so die Ansiedlung von Bakterien
in Krypten wenigstens im Aquatorialgebiete des Steines verringert wird. Eine
primär arrodierende Wirkung des Steines konnte Verf. niemals feststellen. Gerät
jedoch ein Kotstein enthaltender Wurmfortsatz in Entzündung, so wird die Ent-
zündung durch den Stein bedeutend verschlimmert. Die Spannung im Aquatorial-
gebiete führt leicht zu Gangrän, und schließlich wird der Heilungsprozeß verlang-
samt, weil die Steine wie Fremdkörper in den zerstörten Schleimhautresten liegen
bleiben. J. H. Zaaijer (Amsterdam).
24) L. Gelpke. Beobachtungen über 153 operativ und 45 exspektativ
behandelte Fälle von Appendicitis nebst 60 exspektativ behandelten
Fällen aus der Privatpraxis.
(Med. Klinik 1906. p. 704.)
G. berichtet über das Material eines gemischten Hospitals (Liestal, Schweiz)
unter Beibringung zahlreicher Krankengeschichten. Sterblichkeit 20%. Von den
Komplikationen werden besonders besprochen: Durchbruch einer Wurmfortsatz-
eiterung in die Blase mit ungewöhnlich langwierigem Verlaufe; chronische Brust-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38, 1037
fellentzändung, ausgehend von einer verborgenen chronischen Appendicitis; Ver-
lagerung des Wurmes gegen die Mitte der Bauchhöhle mit Eiterung über der
Wirbelsäule, Durchbruch in die Pfortader, Pyämie, Leberabszessen und Tod; diffuse
und allgemeine Bauchfellentzündungen.
Seine Erfahrungen als Mediziner, Gynäkologe und Chirurg faßt G. in folgende
Sätze zusammen:
Die Blinddarmentzündung ist seit 1896 zehnfach häufiger geworden, wohl haupt-
sächlich als Folge von Influenza. Verletzungen und Überanstrengung spielen eine
sehr große Rolle und bedingen wahrscheinlich (neben anderen) die Häufigkeit und
Gefährlichkeit der Anfälle in der Jugend. Den Anfang bildet der mechanische
Verschluß des Wurmdarmes (Retentionscyste) ; der erste Anfall bedeutet häufig das
Akutwerden eines latenten Zustandes infolge mechanischer Einwirkungen (Durch-
bruch). Bei der Spontanheilung spielen die Verklebungen eine hervorragende
Rolle durch Verhütung von Durchbrüchen und durch die Abtötung der Krankheits-
keime von seiten der Kräfte des Blutes. Blinddarmentzündung und Cholecystitis,
gedrehte Eierstockscyste, eingeklemmter Bruch haben ausgesprochene Ähnlichkeiten.
Je zentraler der Wurm liegt, desto schlechter ist unter sonst gleichen Verhältnissen
die Aussicht auf Heilung, desto häufiger Darmverschluß und Pyämie. Die Appen-
dicitis ist bei Frauen ebenso häufig wie bei Männern, nur schwerer zu erkennen,
und führt häufig zu Unfruchtbarkeit und Retroflexio uteri fixata. Alle ernsthaften
Fälle sind im Frühstadium zu operieren. Der ausgesprochene Anfall ‘ist wie ein
eingeklemmter Bruch zu behandeln. Die leichten, besonders in der Privatpraxis
häufigen Fälle sind auf das Frühstadium eines etwaigen nächsten Anfalles zu ver-
weisen. Da nach Abszeßeröffnung verhältnismäßig selten Rückfälle (5%) eintreten,
sind diese Fälle nicht ohne weiteres in der fieberfreien Zeit radikal zu operieren;
denn diese Operation kann manchmal gefährliche Schwierigkeiten bieten.
Georg Schmidt (Berlin).
25) Alessandri. Un nuovo caso di ernia inguinale bilaterale della
vescica.
(Bullettino della R. accad. med. di Roma 1905, XXXI. p. 45.)
Verf. fiigt den wenigen (7) bisher bekannten, zum Teil noch unsicheren Fallen
von doppelseitigem Leistenbruch, bei denen die Harnblase der Bruchinhalt war,
eine weitere Beobachtung hinzu. Sie betraf einen 74jährigen Dienstmann, der das
Hospital mit dem Wunsch aufsuchte, es möchten seine beiden Brüche radikal
operiert werden. Symptome seitens der Blase bestanden nicht, hingegen war eine
Prostatahypertrophie vorhanden und eine Gonorrhöe in der Anamnese. Bei der
Besprechung der Atiologie macht A. darauf aufmerksam, daß die sicheren Fälle
des besagten Leidens durchweg ältere Männer betrafen und solche, welche infolge
von Strikturen u. dgl. Schwierigkeiten in der Blasenentleerung hatten.
A. Most (Breslau).
26) Delkeskamp. Zur Kasuistik der inneren Hernien, speziell der
Hernia foraminis Winslowi.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVII. Hft 3.)
Eine j junge Frau erkrankte kurz nach ihrer Entbindung unter Tisussvecheinangen,
wobei die Gegend oberhalb des Nabels besonders vorgewölbt war. Die am 7. Krank-
heitstage vorgenommene Laparotomie ergab, daß der ganze Dickdarm bis zur
Flexura sigmoidea und ein Teil des Dünndarmes durch das Foramen Winslowi in
die Bursa omentalis getreten und der Dickdarm durch das Lig. hepato-duodenale
abgeklemmt war. Nach Lösung einiger Verwachsungen gelang die Befreiung der
eingeklemmten, erholungsfähigen Darmschlingen, und Pat. genas nach glatter
Primärheilung.
Begünstigend für das Zustandekommen der Hernie war das Vorhandensein
eines Mesenterium commune und eine abnorme Weite des Foramen Winslowi. Im
übrigen war der Entstehungsmechanismus so zu denken, daß infolge der Raum-
1038 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38.
beengung durch den schwangeren Uterus die Darmschlingen in die Bursa omen-
talis traten und alsbald nach der Geburt die Knickung über dem Lig. hepato-
duodenale deshalb erfolgte, weil der Bruchinhalt mit der Entleerung des Uterus
seine Stütze verlor.
Die Diagnostik derartiger Fälle wird kaum jemals über die Vermutung hinaus-
kommen. Die Reduktion der inkarzerierten Schlingen kann dann schwer werden,
wenn sich der gestaute Inhalt nicht zuvor durch Druck entleeren läßt, da eine
Spaltung des »Bruchringes« aus anatomischen Gründen untunlich erscheint; man
müßte denn die Enterostomie und Darmentleerung der Reposition vorausschicken.
Der mitgeteilte Fall ist der 13. in der Literatur überhaupt und der 2. durch
Operation geheilte. Reich (Tübingen).
27) E. A. Pölya (Budapest). Beiträge zur Kenntnis der retrograden
Inkarzeration.
(Wiener klin. Rundschau 1906. Nr. 6.)
Verf. definiert zunächst nochmals den Begriff der retrograden Inkarzeration,
welche in der Gangrän von Organen in der Bauchhöhle besteht, deren zuführende
Gefäße in einer Bruchpforte mit eingeklemmt sind; oft kann dabei der eigentliche
Bruchinhalt von Gangrän verschont sein. Seine zwei Fälle waren folgende: ein
alter Mann-wurde an eingeklemmter rechter Hernie operiert, die den Blinddarm
und seinen Anhang enthielt; nach Reposition des ersteren fand sich oberhalb in
der Bauchhöhle eine 35 cm lange brandige Dünndarmschlinge, die reseziert wurde.
Im zweiten Falle war eine karzinomatöse Eierstocksgeschwulst dadurch in der
Bauchhöhle gangränös geworden, daß seine zuführenden Gefäße in einem Nabel-
bruch mit eingeklemmt waren.
Das einzelne über die gut beobachteten Fälle muß im Original nachgelesen
werden. Schmieden (Bonn).
28) Gibson. An address on the bordesland of medicine and surgery
as exhibited in the stomach.
(Brit. med. journ. 1906. Juli 28.)
Längere Abhandlung über Diagnostik und Behandlung in 25 Fällen von chro-
nischem Magengeschwür und Karzinom. Als gute Methode zum Nachweise der
großen Kurvatur empfiehlt Verf. die Auskultation bei allmählich von unten herauf-
steigender Erschütterung des Bauches durch die Ulnarseite der Hand: sobald die
große Kurvatur erreicht ist, wird bei Magenerweiterung ein Plätschergeräusch hör-
bar. Die verschiedenen Mittel zum Nachweise der Magengrenzen sind ausreichend
und machen die Durchleuchtung des mit Wismutspeisebrei usw. angefüllten Or-
ganes überflüssig.
Die genaue chemische Analyse seiner 25 Fälle erlaubt folgende Sätze: Die
durchschnittliche Azidität ist bei nicht bösartigen Erkrankungen viel höher als bei
bösartigen, der Nachweis freier Salzsäure spricht sehr gegen Bösartigkeit, der
Mangel daran nicht ebensosehr dafür; die organischen Säuren sind von recht un-
bestimmter Bedeutung.
Verf. empfiehlt als innerer Kliniker den Probebauchschnitt, wenn hartnäckige
Beschwerden vom Magen her sich trotz interner Behandlung nicht bessern. In
den meisten Fällen dieser Art wird man irgendeine Veränderung antreffen, die
chirurgischer Hilfe bedarf. Weber (Dresden).
29) Wallis. Three cases of gastro-jejunostomie.
(Brit. med. journ. 1906. Juli 14.)
Verf. berichtet kurz über drei Fälle von Gastroenterostomia retrocolica poste-
rior, von denen der erste Interesse bietet, weil es sich um eine 91jährige Frau
handelte, die den wegen gutartiger Stenose nötig gewordenen Eingriff glatt über-
stand und geheilt wurde. Im zweiten Falle fand man bei der wegen heftiger
Magenschmerzen unternommenen Operation eine große »Geschwulst« der kleinen
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 1039
Kurvatur und des Pylorus, die als unzweifelhaft bösartig bei einer in kurzer Zeit
vorzunehmenden zweiten Operation entfernt werden sollte. Dieser 1 Monat später
ausgeführte Eingriff zeigte, daß die »Geschwulst« größtenteils verschwunden war.
Statt ihrer fühlte man ein scharfrandiges Geschwür durch. Ganz ähnlich erwies
sich im dritten Falle die »Geschwulst« bei der Sektion als ein großes Geschwür.
In seiner Mitte verlief eine arrodierte Vene, die zum Verblutungstode geführt hatte.
Weber (Dresden).
30) Goyanes. Oclusion intestinal consecutive 4 una forma rara de
estenosis del intestino.
(Revista de med. y cir. pract. de Madrid 1906. Nr. 937.)
Mitteilung einer bisher nicht beobachteten Form von Diinndarmstenose, fiir
die G. den Namen »Ringförmige Fettstenose« (Estenosis anular lipomatosa) vor-'
schlägt. Ein 42jähriger wohlgenährter Mann litt von Zeit zu Zeit an heftigen
Magen-Darmbeschwerden, die mit Erbrechen und schmerzhaften Kolikanfällen
einhergingen, bisher aber ohne dauernde Schädigung geblieben waren. Bei einem
neuerlichen Anfalle trat vollkommener Darmverschluß ein, der durch die stärksten
Abführmittel, die während dreier Tage gereicht wurden, nicht zu beheben war.
Nunmehr verordnete ein Arzt ein hohes Klysma bestehend aus einer ganzen
Siphonflasche voll sehr stark komprimierten künstlichen kohlensauren Wassers.
Die Folge war Verschlimmerung des Zustandes; subnormale Temperatur, kleiner
und frequenter Puls, Facies abdominalis usw. Pat. kam ins Krankenhaus und
wurde sofort laparotomiert. — Zunächst fanden sich im kleinen Becken reichliche
Kotmassen, als deren Austrittspunkt durch Einblasen von Luft in den Mastdarm
eine große rißförmige Perforationsöffnung in der vorderen Mastdarmwand fest-
gestellt werden konnte. Es war hier offenbar zu einer explosionsartigen Zer-
reißung des Darmes durch die eingeführte Kohlensäure gekommen. — G. benutzt
die Gelegenheit, um ausdrücklich vor der Einführung von Kohlensäure zur Be-
hebung des Ileus zu warnen, die von anderen Autoren empfohlen wurde mit der
Angabe, daß die Darmwandungen einem Drucke von 4—6 Atmosphären gewachsen
seien. — Nach der Naht der Perforation wurde nach der eigentlichen Ursache des
Darmverschlusses geforscht. Diese fand sich 50 cm vom Blinddarm entfernt in
einem den Dünndarm vom Gekröse aus ringförmig umschließenden und einengen-
den Fettwulst von 2cm Dicke. Oberhalb desselben war der Darm hochgradig
gebläht, unterhalb leer und zusammengefallen. Nachdem eine Enteroanastomose
angelegt war, fand sich 20—25 cm entfernt von der ersten Stenose eine zweite
ganz gleichartige Hier wurde die Darmplastik nach Heineke-Mikulicz vor-
genommen. Die longitudinale Inzision der stenosierten Darmstelle zeigte, daß die
Darmlichtung bis auf Federkieldicke verkleinert war; die Schleimhaut erschien
atrophisch, aber nicht geschwürig, die Muskelhaut war sklerosiert und die Serosa
war vom Fettgewebe durchsetzt. — Nach Ausspülung und Drainage der Bauch-
1040 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38.
höhle wurde die Operation beendet. Pat. starb nach 20 Stunden. Eine Autopsie
konnte nicht stattfinden. G. läßt unentschieden, ob es sich um eine primäre Er-
krankung handelte, oder ob die Fettwucherung sekundär nach Ablauf vielleicht
eines tuberkulös - ulzerösen Prozesses zustande kam. Gegen letztere Annahme
sprach das Fehlen jeglicher anderer Krankheitssymptome.
Stein (Wiesbaden).
31) M. Smith. Thrombosis of mesenteric vessels.
(Bristol med.-chir. journ. 1906. Juni.)
Der betreffende Pat. erkrankte plötzlich mit allgemeinen Krankheitserschei-
nungen und Leibschmerzen. Die Symptome nahmen zunächst 2 Wochen lang
einen subakuten Verlauf, dann Zunahme der Schmerzen. Die Laparotomie ergab,
daß der Dünndarm in 3 Fuß Länge dunkelrot verfärbt, jedoch nicht ödematös
war. Der Versuch, den Darm zu resezieren, wurde nicht gemacht. Tod nach
einer Woche. Die Sektion zeigte, daß die Arteria mesenterica superior und die
Venen in ganzer Ausdehnung thrombosiert waren. Sonstige Veränderungen konn-
ten weder am Herzen und an den Lungen, noch an den Arterien festgestellt wer-
den. Eine Embolie lag demnach wahrscheinlich nicht vor.
Mohr (Bielefeld).
32) Chavannazy (Bordeaux). Traitement chirurgical des fistules gastro-
coliques.
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXII. p. 147.)
C. fand bei der Operation eines 3ljährigen Mannes, der seit 11/, Jahren an
Erbrechen, Verstopfung und Abmagerung gelitten und seit 1 Monat jeden 3. bis
4. Tag reichlich schwarze kotige Massen erbrochen hatte, eine hühnereigroße Ge-
schwulst nach links von der Mitte am Querkolon, die mit dem Magen fest ver-
wachsen war und an der, wie die Autopsie später zeigte, eine für einen Finger
gut durchgängige Kommunikationsöffnung zwischen Darm und Magen bestand;
das Colon descendens war kollabiert, das Colon ascendens von normaler Weite.
Da eine radikale Entfernung der Geschwulst unmöglich war, legte C. nur eine
breite Anastomose zwischen Colon ascendens und descendens an. Erbrechen be-
stand danach, wenn auch etwas spärlicher, fort, setzte aber nach Magenspülungen
oft mehrere Tage lang aus. Obwohl die Bauchdecken in drei Etagen und noch
überdies mit drei durchgreifenden Silberdrähten genäht waren, trat. trotz Fehlens
von Fieber und entzündlichen Erscheinungen an der Wunde, 11 Tage nach der
Operation spontan ein Dünndarmvorfall ein; sofortige Reposition; Tod nach
4 Tagen. — C. hat in der Literatur nur 8 Fälle von Magen-Kolonfisteln beschrieben
gefunden; er stellt die verschiedenen dabei aufgeführten Operationsmethoden zu-
sammen und kommt zu dem Schluß, daß die Art des chirurgischen Eingriffes ab-
hängig zu machen sei von dem Allgemeinzustande des Kranken und der Natur
des Grundleidens. Bei sehr heruntergekommenen Kranken hält er nur die Jejuno-
stomie unter lokaler Anästhesie für berechtigt. der nach Hebung ‘des Allgemein-
zustandes eine zweite Operation folgen könne. Von der Exstirpation der Fistel mit
folgender Naht des Magens und Kolons oder der Ausschaltung des dem Magen
anhattenden Kolonteiles und folgender zirkulärer Darmnaht am Colon transversum
erwartet er dauernde Erfolge nur dann, wenn nicht, wie in der Mehrzahl der
beobachteten Fälle, Karzinome, sondern geschwürige Prozesse die Ursache für die
Entstehung der Magen-Kolonfisteln waren; in einem Falle soll einfache Kolo-
Kolostomie ein gutes Resultat geliefert haben. Thümer (Chemnitz).
33) J. Petermann. Über Mastdarmkrebs.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXX. Hft. 1.)
Die Arbeit enthält einen Bericht über die von Rotter vorgenommenen radi-
kalen Mastdarmoperationen wegen Karzinom. Bei ca. 71% der beobachteten Fälle
war ein radikaler Eingriff möglich. Die große Zahl inoperabler Fälle ist dadurch
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 1041
bedingt, daß ein Teil von ihnen lange Zeit nicht von den behandelnden Ärzten
durch den After untersucht worden war, bei einem anderen Teile die ersten Er-
scheinungen überhaupt sehr spät auftraten, wenn an eine radikale Entfernung der
Geschwulst nicht mehr zu denken war. Atiologisch ist zu bemerken, daß häufig
das Karzinom auf Basis gutartiger Polypen entsteht.
Bei der Auswahl der Fälle bilden Verwachsungen mit den Nachbarorganen
im allgemeinen keine Kontraindikation für den Eingriff. Die primäre Kolostomie
wurde nur bei starken Stenoseerscheinungen angelegt. In den letzten Jahren
wurde der Mastdarm stets auf dorsalem Wege mit Steißbeinresektion freigelegt.
Wenn möglich wurde der Sphinkter geschont; doch mußte die Geschwulst dann
mindestens 3—4 cm oberhalb desselben sitzen.
Verf. kann sich Witzel nicht anschließen, der prinzipiell die Amputation
auch bei hochsitzendem Karzinom ausgeführt wissen will. Fast immer wird bei
der Operation die Peritonealhöhle eröffnet, da man sonst selten den Darm 2 bis
3 Querfinger von der Neubildung entfernt durchschneiden kann. Bei der Amputation
wird in allen Fällen ein Anus glutaealis subcutaners angelegt, d.h. das Darmende
durch einen seitlichen Schlitz der Glutäalhaut der linken Seite durchgezogen und
die Lichtung ringsherum mit der Hautwunde vernäht. Bei der Resektion ist die
Darmversorgung schwieriger. Wenn es möglich war, wurde die Durchziehungs-
oder Invaginationsmethode angewandt, in den übrigen Fällen zirkuläre Naht mit
Deckung der Rückseite des Darmes durch den Rotter’schen Lappen. In Fällen,
wo die Ernährung des zentralen Darmendes zweifelhaft erschien oder aus anderen
Gründen die Operation rasch beendet werden mußte, wurde auf die primäre Naht
verzichtet und erst in 2—3 Wochen die Vereinigung vorgenommen. Von den
Pat., welche die Operation überlebten, blieben 41% dauernd geheilt, doch be-
rechnet man die Zahl der Dauerheilungen auf die sämtlichen Operierten einschließ-
lich der letalen Fälle, so beträgt diese Zahl nur 28%.
E. Siegel (Frankfurt a. M.).
34) O. Lederer. Uber die Dauerresultate der v. Langenbeck’schen
Hämorrhoidenoperation.
(Wiener klin. Rundschau 1906. Nr. 29.)
Verf. tritt lebhaft für die in der Überschrift genannte Methode der Entfernung
der Hämorrhoiden ein und weist die dagegen erhobenen Einwände zurück; er be-
tont besonders in überzeugender Weise die Vorteile gegenüber den blutigen Ope-
rationsmethoden. Er hat sich der Mühe unterzogen, das Material von 8 Jahren
(115 Fälle) zu diesem Zwecke nachzuprüfen und kommt dabei zu folgendem Er-
gebnis: 90% geheilt, 6,7% gebessert, 3,3% ungeheilt. Schmieden (Bonn).
35) A. Stieda. Beitrag zur Chirurgie der Gallenwege.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVII. Hft. 3.)
Die umfangreiche statistisch-kritische Arbeit bezieht sich auf 140 an 131 Pat.
von Garr& von 1895—1905 an den Gallenwegen vorgenommene Operationen. Diese
sind: Cystotomien 20; Resektionen der Gallenblase 2; Cystorhaphien 3; Cystosto-
mien 22 (4 ohne nachweisbare Steinbildung, 1 bei Karzinom); Cysticotomien 4;
Cystolysen 5 (1 bei Lithiasis); Abszeßinzisionen 4; Cystektomien 28 (darunter 4
wegen Karzinom, 1 wegen Adbäsionen ohne Steine); Choledocho- bezw. Hepatico-
tomien 36 (darunter 2 bei Echinokokken, 1 bei Narbenstenose); Hepaticusdraina-
gen 5 (1 bei Karzinom der Gallengänge); Anastomosen 6 (1 Cysticoduodenostomie,
1 Hepaticoduodenostomie, 1 Choledochoduodenostomie, 2 Cholecystenterostomien) ;
Hepaticusnaht 1; Probeinzisionen 4. Auf Einzelheiten der umfassenden Arbeit
einzugehen, verbietet der enge Rahmen eines Referates; doch ist die Lektüre des
Originals mit seinen zahlreichen, beachtenswerten Erfahrungen sehr zu empfehlen,
da sie einen Überblick auch über manche nicht überall geübte Operationsverfah-
ren gibt.
Als Resultat der Arbeit ergibt sich:
1042 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38.
Bei den Operationen am Reservoirsystem der Gallenblase sind bei positivem
Steinbefunde je nach dem Inhalte der Gallenblase und dem anatomischen Ver-
halten von Gallenblase und Cysticus die ideale Cystotomie oder die Cystektomie
indiziert. — Die Cystostomie ist mehr oder weniger als eine Kompromißoperation
anzusehen; sie tritt für die Cystotomie ein, falls man die Gallenblase erhalten will,
aber nicht sicher ist, alle Steine entfernt zu haben, also besonders bei sehr zahl-
reichen Steinen. Sie ist an die Stelle der Radikaloperation zu setzen, falls sich
die Ektomie wegen schwieriger technischer Verhältnisse und eines schlechten All-
gemeinzustandes des Pat. verbietet. — Bei den Operationen am Hauptausführungs-
gange hat auch die Eröffnung mit anschließender Naht ihre Berechtigung. — In
allen Fällen ohne Steinbildung ist möglichst radikal vorzugehen. — Hinsichtlich
der allgemeinen Indikationsstellung ist ein Operieren im Anfalle zugunsten der
nicht drainierenden Methoden wenn möglich zu vermeiden. — Bei den Karzinomen
der Gallenblase hat die Palliativektomie (analog dem Magenkarzinom) unter Um-
ständen ihre Berechtigung. — Die seltenen Karzinome im Bereiche des Haupt-
ausführungsganges würden für eine radikale Heilung günstige Chancen bieten.
Reich (Tübingen).
36) Rogers and Wilson. Two cases of amoebic abscess of liver
cured by aspiration and injection of quinine into the cavity without
drainage.
(Brit. med. journ. 1906. Juni 16.)
Vor 4 Jahren wies R. nach, daß die in der Wand von Leberabszessen in
Massen lebenden Amöben sicher und sehr schnell durch schwache Chininlösungen
getötet werden, und schlug zur Behandlung solcher Abszesse in der Leber vor
den Eiter durch Punktion zu entleeren und eine Chininlösung in die Abszeßhöhle
einzuspritzen, da außer den Amöben sich fast nie andere Keime in den Abszessen
befinden. Nach mehreren ergebnislosen Versuchen solcher Behandlung an Fällen
von zufälliger Mischinfektion ist Verf. jetzt in der Lage, über zwei auffallende
Erfolge zu berichten. Ein sehr akut entstandener Leberabszeß durch Amöben-
infektion, dessen Diagnose durch eine Hyperleukocytose und durch die mit Röntgen-
strahlen nachweisbare Aufhebung der Verschieblichkeit der rechten Zwerchfell-
kuppel bestätigt ward, wurde zwischen 8. und 9. Rippe etwas nach außen von der
rechten Mammillarlinie punktiert und mit einer Lösung von Chininum muriaticum
ausgefüllt. Heilung in 3 Wochen und nach 7!/, Monaten noch festgestellt.
Ein chronisch entstandener Abszeß nach mehrfachen Hepatitiden wurde in
gleicher Weise diagnostiziert und behandelt. Heilung ebenso schnell und dauernd.
Weber (Dresden).
37) Chaput. Guérison des kystes hydatiques par linjection de quel-
ques gouttes de formol concentré.
(Bull. et mém. de la soc de chir. de Paris T. XXXII. p. 179.)
C. gibt die Krankengeschichten von sechs Fällen, in denen er durch Injektion
von reinem Formol in Echinokokkencysten Heilung erzielt hatte; mit einer Pravaz-
spritze punktiert er die Blasen, aspiriert 1—2 ccm der Flüssigkeit, um sicher zu
sein, daß die Nadel sich innerhalb der Cyste befindet und um die Wand der letz-
teren etwas zu entspannen, und injiziert dann 1—2 ccm 40xige Formollösung. Bei
Laparotomien zieht er, um Infektion der Bauchhöhle zu vermeiden, die Punktions-
spritze erst zurück, nachdem an einer benachbarten Stelle mit einer zweiten Spritze
das Formol injiziert war und 1—2 Minuten auf den Cysteninhalt eingewirkt hatte.
Beim Zurückziehen umgibt er die Nadel mit einer formolgetränkten Kompresse;
nach 1—2 Tagen konnten die so behandelten Pat. wieder umhergehen.
Potherat tritt C.'s Auffassung entgegen, daß das Verfahren vollkommen neu
sei und stellt fest, daß in gleicher Weise Baccelli, wenn auch mit 10/wigem
Sublimat statt mit Formol, Echinokokkencysten behandelt habe. Quénu hilt
C.’s Beobachtungen nicht für genügend lang, da noch nach 2—3 Jahren sekundäre
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 1043
Echinokokkusblasen auftreten könnten. Weiterhin kommt Quénu anf die Frage
der Behandlung vereiterter Echinokokkuscysten zuriick und betont, daß er keines-
wegs fiir alle Falle die Naht der Wundtasche empfehlen wolle, sondern nur dann
von breiter Spaltung und Offenhaltung der Höhle abraten zu können glaube, wenn
bei gutem Allgemeinzustande der Pat. das Fehlen von Fieber und Schmerzen die
Annahme rechtfertige, daß der Eiter steril sei, oder kulturell der Nachweis dessen
geführt sei; er rät aber dann, die Nahtlinie der Leber an das parietale Bauchfell
anzuheften und ein Drainrohr in die Wunde einzulegen. In zwei Fällen, deren
Krankengeschichte er kurz angibt, erzielte er so Heilung per primam.
Thümer (Chemnitz).
38) W. Kopfstein (Jungbunzlau). Cystis pancreatica.
(Wiener klin. Rundschau 1906. Nr. 12.)
Es handelte sich in dem interessanten Fall um eine echte traumatische
Pankreascyste, deren Ursache, Schlag mit einer Wagendeichsel, 12 Wochen zurück-
lag. Es folgte schwere Kachexie mit Erbrechen, zuletzt ileusartige Symptome, die
den Eingriff in extremis notwendig machten. Die 12 Liter Flüssigkeit haltige Cyste
wurde eingenäht; an Exstirpation war nicht zu denken. (Langsame völlige Heilung.)
Zwei Bilder veranschaulichen die Lage der Cyste in der Bursa omentalis.
Den zweiten Teil der interessanten Mitteilung bilden diagnostische und thera-
peutische Besprechungen über die Cysten des Pankreas. Schmieden (Bonn).
39) R. dos Santos. Feridas e rupturas traumaticas do pancreas.
(Polytechnia 1906. Nr. 4.)
Unter den 73 Fällen von Pankreasverletzungen, die S. aus der Literatur zu-
sammengestellt hat, handelte es sich nur in 12 Fällen um isolierte Drüsenverletzung
(Schußwunden); in den übrigen Fällen waren gleichzeitig benachbarte Organe durch
die Gewalteinwirkung betroffen worden. Zur Blutstillung empfiehlt S. die Unter-
bindung, zur Ableitung des Pankreassaftes die Tamponade. Indikation zur Resek-
tion des abgerissenen Schwanzteiles der Drüse ist nicht die Mitbeteiligung des
Ductus Wirsungianus, sondern die Gefahr einer mangelhaften Blutversorgung des
abgetrennten Drüsenstückes. Zur schonenden Vereinigung der Drüsenwunde ver-
wendet S. nach dem Vorschlage von Ceccherelli feine Darmnadeln. Bei Katzen,
denen S. 1—2 cm lange Stücke aus dem mittleren Teile des Pankreas resezierte,
heilten die genähten Schnittflächen des Drüsenkörpers ohne Komplikation.
Bevenstorf (Hamburg).
40) F. Müller. Über Gefäßgeräusche in der rechten Hälfte des Epi-
gastriums. Kasuistischer Beitrag zur Diagnose der Tumoren des
oberen Bauchraumes.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVI. Hit. 3.)
Bei drei Fällen von Geschwülsten, welche, in der Gegend des Leberhilus
sitzend, zu einer Kompression der großen Gefäße geführt hatten, war in der
rechten Hälfte des Epigastrium ein Gefäßgeräusch von etwas wechselndem Cha-
rakter nachweisbar. Dieses bisher wenig beobachtete Phänomen kann, besonders
bei einem sonst unklaren Symptomenbilde, die Diagnose einer Geschwulst in der
Gegend des Leberhilus ermöglichen. Beich (Tübingen).
41) Vance. Solid tumors of the mesentery with report of a case.
(Annals of surgery 1906. Nr. 3.)
42) Porter. Chylus cyst of the mesentery.
(Ibid.)
V., der einen Fall von fester Gekrösgeschwulst mit unglücklichem Ausgang
operierte, vermochte aus der Literatur 27 Fälle zu sammeln; 9 von ihnen waren
Fibrome, 7 Sarkome, 2 Myxome, 2 Lipome und die übrigen je imal eine der an-
1044 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38.
deren Geschwulstarten, Karzinome, Lymphangiome usw. Durch Operation geheilt
wurden 16, es führten zum Tode 11 (40%). Die Ursachen der Entstehung konnten
meist nicht angegeben werden, Trauma wurde zuweilen beschuldigt. Diese festen
Geschwülste sitzen gewöhnlich zwischen den Falten des Dünndarmgekröses, meistens
werden sie mit der Zeit bösartig. Eine Diagnose ist vor der Eröffnung der Bauch-
höhle kaum mit Sicherheit zu stellen, namentlich sind Verwechslungen mit Eier-
stockscysten häufig. Alle Gekrösgeschwülste bedürfen möglichst frühzeitiger Ope-
ration.
P. operierte wegen einer Chyluscyste des Mesenteriums eine 22jährige Pat.,
die am 6. Tage nach der Operation starb. Nach den aus der Literatur gesam-
melten Erfahrungen können diese zwischen den Gekrösfalten gelegenen Cysten ent-
stehen: 1) aus erweiterten, 2) aus infolge Traumas geplatzten Chylusgefäßen, 3) aus
Lymphdrüsen. Sie sind uni- oder multilokulär und innen mit Endothel ausge-
kleidet, letzteres mit Ausnahme der durch Platzen eines Chylusgefäßes entstandenen
Cysten. Die Diagnose ist sehr schwer. Die Symptome bestehen in Bauch-
schmerzen und Darmverstopfung, die sich bis zum Deus steigern kann. Die Art
der Operation richtet sich nach den gegebenen Verhältnissen. Gestielte Cysten
werden exstirpiert, in einigen Fällen kann die Enukleation ausgeführt werden, in
einer dritten Reihe von Fällen endlich muß man sich mit Spaltung und Naht des
Sackes ans Peritoneum parietale begnügen. Die Furcht, daß eine Chylusfistel
zurückbleibt, ist unbegründet. Herhold (Altona).
43) Bate. A case of peri-urethral abscess with the formation of
calculi.
(Brit. med. journ. 1906. Juli 21.)
In einem chroniseh entstandenen Abszeß an der unteren Seite der Peniswurzel,
der sich an Stelle einer seit 6 Jahren geschlossenen Fistel langsam gebildet hatte,
fand man bei der Öffnung im Eiter 14 facettierte Steine. Keine Verbindung mit
der Harnröhre nachweisbar, keine Striktur. Die Steine bestanden aus oxalsaurem
Kalk. Weber (Dresden).
44) W. Thomson. A further series of enucleations of the prostate.
(Brit. med. journ. 1906. Juli 14.)
An der Hand von 18 neuen Fällen von Aushülsung der hypertrophischen
Prostata im Alter von 54—76 Jahren empfiehlt Verf. wiederum den suprapubischen
Weg als den besten. Die Erfolge waren vorzüglich: die Blase wurde ohne
Schwierigkeit entleert, die im Blasenanteile zerrissene Harnröhre gab keinen Anlaß
zur Störung, die normale Harnentleerung wurde vollständig hergestellt.
Zuweilen, besonders bei Schwierigkeiten, infolge zu engen Drains die Blase
gründlich während der Nachbehandlung zu reinigen, verursachen Phosphatsteine
und flächenhafte Inkrustationen Störungen nach der Operation. Es muß durch
großes, weites Rohr Sorge getragen werden für regelmäßige Fortschaffung von Se-
dimenten durch Spülungen mit Borwasser, und zwar sowohl vom Katheter wie
vom suprapubischen Drain aus. Ableitung des Urins geschieht durch Heberdrai-
nage mit rechtwinklig gebogenem Glasrohre. — Die Infektion des prävesikalen
Raumes vermeidet Verf. meist durch Befestigung der Blasenwundränder an die
Recti. Große Vorsicht ist beim Ausschälen der Prostata vonnöten zur Vermeidung
einer Mastdarmverletzung. Die Beckenhochlagerung ist bei alten Leuten zu ver-
meiden wegen der Beengung von Herz und Lunge. Zur Verhütung schwerer Blu-
tung wird 2 Tage lang vor dem Eingriff Chlorkalzium gegeben. — Von den 18 Ope-
rierten starb einer an Atherbronchitis, einer an Peritonitis, einer an Beckenphleg-
mone, einer an Sepsis, einer nach 1/4 Jahr an Lungengangrän. Mit Abzug des
letzten Todesfalles finden wir also eine Sterblichkeit von vier auf 18 Operierte.
Weber (Dresden).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 1045
45) Thelemann. Kasuistischer Beitrag zur intraperitonealen Pfählungs-
verletzung der Blase.
(Deutsche militärärztliche Zeitschrift 1906. Mai.)
Ein 9 Jahre alter Knabe fiel mit dem Gesäß aus relativ niederer Höhe auf
einen spitzen Kalkstein. Am anderen Morgen hart gespannte Bauchdecken, leichtes
Fieber, Loch in der vorderen Mastdarmwand; Urin war seit der Verletzung nicht
mehr abgeflossen. Durch das Mastdarmloch wurde eine Kornzange nach oben
eingeführt, wonach sich Urin entleerte und eine links von der Blase vorher vor-
handene Dämpfung verschwand.
Statt der sonst üblichen Laparotomie machte Verf. die Sectio alta und nähte
den an der hinteren Blasenwand sitzenden Riß schichtweise (Schleimhaut mit Cat-
gut), hierauf die vordere Operationswunde der Blase. Tamponade der hinteren
Blasengegend durch den After. Günstiger Heilungsverlauf; auch der Mastdarmriß
heilte ohne Naht. Herhold (Altona).
46) Böhme. Ein Fall von Gonorrhöe und Bilharziaerkrankung (Kap-
Hämaturie).
(Zentralblatt für die Krankheiten der Harn- und Sexualorgane Bd. XVII. Hft. 4.)
Kasuistischer Beitrag. Ein 19jähriger junger Mann, der seit seinem 14. Le-
bensjahre an Bilharziose erkrankt ist, erwirbt eine Gonorrhöe. Durch Gebrauch
von Gonosan und mehrere Janet-Spülungen verschwinden die Symptome beider
Erkrankungen und haben sich laut brieflicher Mitteilung des Pat. 1/3 Jahr später
auch noch nicht wieder gezeigt.
Den bisher günstigen Verlauf des Falles erklärt sich Verf. durch die seit
Jahren fehlende Möglichkeit einer Reinfektion mit Bilharziose. (Of. Referat dieses
Blattes 1906 p. 294.)
Zur Morphologie der Bilharziaeier bemerkt Verf, daß er durch Zusatz von
1/io Volumen einer 10xigen Formalinlösung (Formaldehyd. solut. Ph. G. IV
1:10 Aqua) zum Harn die Eier 3 Monate lang halten konnte, ohne daß sie platzten.
Während dieser Zeit war eine Vergrößerung im Querdurchmesser der ovalen
Körper zu konstatieren. Magensack des im Ei liegenden Embryo und die als
Drüsen aufzufassenden zwei kugelförmigen Gebilde treten durch dieses Konser-
vierungsverfahren deutlich hervor. Grunert (Dresden).
47) R. Parker. Large calculus of ureter, removed by suprapubic
cystotomy.
(Brit. med. journ. 1906. Juli 21.)
Ein 49jähriger Mann, ohne irgendwelche Harnbeschwerden, wird wegen einer
walnußgroßen, harten Geschwulst, vom Mastdarm aus fühlbar, laparotomiert.
Durchleuchtung hatte einen dichten, ovalen Schatten über der Symphyse ergeben.
Da der Stein allem Anscheine nach im Harnleiter ganz dicht an der Blasenmün-
dung lag, hoher, querer Blasenschnitt von neuer Inzision aus und Entfernung des
harten, unebenen, 3,8:3,1:2,5 cm großen Steines aus dem Endteile des rechten
Harnleiters transvesikal. Das Wesentliche des Falles ist die Größe des Steines,
die Methode seiner Entfernung, das Fehlen von Symptomen des Harnleiter-
verschlusses. Der Harnleiterkatheterismus, der wohl die Diagnose ermöglicht
hatte, ist anscheinend nicht gemacht worden. Weber (Dresden).
48) Kelly. Two cases of stricture of the ureter; two cases of hydro-
nephrotic renal pelvis successfully treated by plication.
(Bulletin of the Johns Hopkins hospital 1906. Juni.)
Im ersten Falle handelte es sich bei einer älteren Frau um eine Striktur am
Blasenende des rechten Harnleiters. Cystoskopisch konnte man beobachten, wie
allmählich eine hier lose in die Blase hineinhängende Geschwulst an Größe zu-
nahm, durchscheinend wurde und schließlich nach Entleerung einer größeren Harn-
1046 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38.
menge in die Blase wieder kollabierte. K. gelang es, eine Branche einer besonders
konstruierten langen, feinen Zange in die Harnleitermündung einzuführen und die
Cyste im Momente der Füllung längs zu spalten; die Pat. genas vollständig, was
durch cystoskopische Untersuchung bestätigt wurde.
In einem anderen Falle bestand bei einem 42 Jahre alten Mann eine Striktur
des linken Harnleiters dicht unterhalb des dilatierten Nierenbeckens. K. inzidierte
dieses und dehnte die Striktur mit Metallkathetern; dann Schluß der Wunde im
Nierenbecken. Pat. ist seit 6 Jahren ganz geheilt.
In zwei weiteren Fällen bestand bei Damen von 48 bzw. 31 Jahren eine Hydro-
nephrose der Wanderniere.
Im ersten Falle war die rechte Niere allein betroffen; Verf. verkleinerte das
Nierenbecken durch Raffnähte und befestigte das Organ an der letzten Rippe mit
Erfolg.
Im zweiten Falle bestand die Affektion auf beiden Seiten; zugleich war leichte
Pyelonephritis vorhanden. K. hat hier in derselben Sitzung folgende Eingriffe
vorgenommen: Dilatation und Ausschabung des Uterus, Dammplastik, Exstirpation
des Wurmfortsatzes, Entfernung der entzündeten Adnexe rechterseits, Verkürzung
und Fixation der Ligg. rotunda, Raffung beider Nierenbecken und Nephropexie
beiderseits. Der Erfolg war ein guter. W. v. Brunn (Rostock).
49) Klose. Ein auf intravesikalem Wege durch das Operationscysto-
skop geheilter Fall einer Harnleitercyste.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXX. Hft. 1.)
Verf. diagnostizierte die Harnleitercyste aus dem cystoskopischen Befunde,
dessen Bilder der Arbeit beigegeben sind. Die Cystenwand wurde mittels eines
gefensterten Brenners kauterisiert. 4 Tage darauf wurde die verschorfte Stelle mit
einem starken Harnleiterkatheter durchstoßen. In diese Öffnung konnte der
Katheter leicht eingeführt und von da weiter in den Harnleiter geschoben werden,
Der Erfolg war ein günstiger. Die Schmerzen und das Druckgefühl hörten auf
und ebenso die Beschwerden, über die Pat. vorher beim Urinlassen geklagt hatte.
Bei einer späteren Untersuchung zeigte sich die operativ gesetzte Öffnung in der
Cyste erhalten, so daß jetzt zwei Öffnungen für den aus dem betreffenden Harn-
leiter herabkommenden Urin vorhanden sind. E. Siegel (Frankfurt a. M.).
50) André. Traitement des pyélites par les lavages du bassinet.
(Province méd. 1906. Nr. 29.)
Die von Bozeman inaugurierte Auswaschung des Nierenbeckens hatte sich
bis heute keiner groBen Beliebtheit zu erfreuen und blieb das Besitztum einiger
weniger urologisch geschulter Chirurgen. Die Beobachtungen des Verf.s, welche
sich auf sechs Pyelitiker erstrecken, ermutigen zu neuen Versuchen. In allen Fallen
wurde Besserung, in zwei vollständige Heilung, in zwei weiteren fast der Heilung
gleichstehende Besserung erzielt. Was die Indikationsstellung betrifft, so will
Verf. die ganz leichten, auf Harndesinfizientien zurückgehenden Pyelitiden, wie die
ganz schweren mit Pyonephrosen komplizierten Fälle von der Ausspülung des
Beckens ausgeschlossen wissen. Gegenstand der Behandlung soll die aszendierte
gonorrhoisch oder durch Colibazillen provozierte Pyelitis sein.
A. Hofmann (Karlsruhe).
51) Watson. A method of permanent drainage of both kidneys through
the loin in connection with bilateral nephrostomy.
(Annals of surgery 1906. Nr. 3.)
Verf. hatte im Dezemberheft der Annals of surgery (ref. in d. Zentralblatt
1906 Nr. 10) vorgeschlagen, bei ausgedehnten Blasengeschwülsten vor der Exstir-
pation der Blase eine beiderseitige Nephrostomie anzulegen und sich nicht auf eine
Einpflanzung der Harnleiter in den Mastdarm einzulassen. Jetzt beschreibt er
unter Beifügung einzelner Photographien einen Fall, in welchem ein Mann mit
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38. 1047
beiderseitiger Nephrostomie 11 Jahre zu leben vermochte. Zum Auffangen des
in der Lendengegend abgesonderten Urins bedarf es eines Flaschenapparates, den
schematisch die beifolgende Skizze erörtern mag.
/
i
nN
m
/ lj
/
iif J
a ; i! f ;
Ein weicher Katheter A wird in die Nierenfistel eingeführt, an ihn schließt
sich eine harte Kautschukröhre B, welche durch den Schlitz C eines Hartgummi-
schildes D hindurchgeht und in dem Aufsatz einer Flasche J mündet. Diese
Flasche, welche nach vorn zu eine ikonkave Fläche hat, um dem Rücken besser
anzuliegen, wird vermittels eines durch zwei seitliche Öffnungen F des Gummi-
schildes gehenden breiten Bandes in der Lendengegend festgehalten. Am unteren
Rande dieses Bandes befindet sich noch ein Haken, welcher in die Ose K der
Flasche einhakt. Herhold (Altona).
52) T. Cohn. Heilung einer Nierenfistel nach Pyonephrotomie in der
Schwangerschaft durch Ureterenkatheterismus.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVII. Hit. 3.)
Bei einer früher gesunden Frau entstand im 3. Monate der ersten Schwanger-
schaft (also ungewöhnlich früh) eine rechtsseitige Pyelitis, welche durch Nephro-
tomie entleert wurde. An den operativen Verschluß der Nierenfistel konnte erst
gegangen werden, nachdem der seit 51/a Monaten bestehende Harnleiterverschluß
durch Katheterismus hatte beseitigt werden können. Der Verschluß der Fistel
war alsdann von dauerndem Erfolg, und 2 Jahre nach der Operation entleerten
beide Harnleiter normalen Urin.
Bei der an sich schon relativ günstigen Prognose der Schwangerschaftspyelitis
ist ein Versuch mit konservativer Behandlung und Harnleiterspülungen angezeigt.
Führen diese nicht zum Ziel, oder ist der Fall besonders schwer, so ist die Nephro-
tomie angezeigt, zumal da auch bei großen Eitersäcken das erhalten gebliebene
Parenchym häufig zu normaler Funktion zurückkehrt. Die zurückbleibende Nieren-
fistel wird seltener eine Indikation zur Nephrektomie oder zu eingreifenden plasti-
schen Operationen abgehen, seitdem sich der Harnleiterkatheterismus als ein Mittel
erwiesen hat, die Unwegsamkeit des Harnleiters in vielen Fällen dauernd zu be-
seitigen. Reich (Tiibingen).
1048 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 38.
53) Bogoljuboff. Zur Chirurgie der Nebennierengeschwiilste.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXX. Hft. 1.)
Verf. veröffentlicht die Krankengeschichte einer Pat., die wegen einer Bauch-
geschwulst operiert wurde. Bei dem Eingriffe wurde die retroperitoneal gelegene
Geschwulst mit der Niere exstirpiert. Die mikroskopische Untersuchung erwies,
daß es sich um ein Adenoma suprarenale enchondromatodes handelte. Zurzeit,
7 Jahre nach der Operation, ist Pat. völlig gesund. B. stellt im Anschluß an
seine Beobachtung die bisherige Literatur über operative Eingriffe an der Neben-
niere zusammen. Von 35 Patienten, bei denen die Exstirpation der Nebennieren-
geschwülste ausgeführt worden war, starben 20.
E. Siegel (Frankfurt a. M.).
54) A. Lapointe. Tumeur maligne de la capsule surrenale.
(Bull. et mém. de la soc. anat. de Paris 1905. November.)
Bei einem 19monatigen Kinde, bei welchem die Zeichen einer Nierenerkrankung
fehlten, wurde eine linksseitige, mit dem Zwerchfelle verwachsene Neubildung ent-
fernt. Die Aorta abdominis war dabei verletzt und unterbunden worden. Tod
nach 2 Stunden. Die von der Geschwulst umhüllte Niere stand in keiner Ver-
bindung mit derselben.
Histologisch war es eine alveoläre Geschwulst; ob die Geschwulstzellen jedoch
epithelialer oder bindegewebiger Natur waren, ließ sich nicht entscheiden. Die
Drüsenmetastasen hatten denselben Bau. Neugebauer (Mährisch-Ostrau).
55) Sellei. Über Spermatokele.
(Zentralblatt für die Krankheiten der Harn- und Sexualorgane Bd. XVII. Hft. 4.)
Drei Fälle von Spermatokele, von denen zwei operiert, der dritte punktiert
. wurden, und bei denen allen Spermatozoen gefunden wurden. Verf. will die De-
finition, daß man unter Spermatokele eine cystische Neubildung verstehe, welche
mit dem Hoden resp. Nebenhoden zusammenhängt und mit einer Sperma enthal-
tenden Flüssigkeit gefüllt ist, dahin abgeändert haben, daß die Spermatokele in
erster Reihe als eine cystische Neubildung des Nebenhodens betrachtet werden
muß. Seine Fälle sprechen dafür. Grunert (Dresden).
56) Bland-Sutton. A clinical lecture on secondary (metastatic) carci-
noma of the ovaries.
(Brit. med. journ. 1906. Mai 26.)
Bereits vor 20 Jahren äußerte Verf. den Verdacht, eine große Anzahl doppel-
seitiger Ovarialkarzinome könnten Metastasen einer unentdeckten Neubildung in
Magen oder Brustdrüse sein. Neueste Beobachtungen im Sektionshause lehren, daß
Brustdrüsen- und Magenkrebse in 10% der Fälle Metastasen in den Eierstöcken
machen. Diese Beobachtung erhärtet Verf. durch drei operierte Fälle, in denen
gleichzeitig oder bald nach der Entfernung großer doppelseitiger Ovarialkarzinome
Erscheinungen eines Krebses in der Brustdrüse und im Kolon auftraten. Solche
Fälle lehren, daß der Operateur bei doppelseitigen bösartigen Eierstocksgeschwülsten
sorgfältig Darm und Magen auf die Primärgeschwulst untersuchen muß. Verf.
erklärt sich das Befallensein der Ovarien durch eine Art von Krebsdissemination,
durch Loslésung von Zellen der primären Geschwulst, die allmählich, der Schwere
und dem peritonealen Saftstrome folgend, in die Beckengegenden gelangen. (?)
Weber (Dresden).
Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man
an Prof. B. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags-
handlung Breitkopf & Härtel, einsenden.
Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig, Nürnbergerstraße 36/38.
Zentralblatt
CHIRURGIE
herausgegeben
E. von Bergmam, F. König, E. Richter,
Dreiunddreißigster Jahrgang.
Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei halbjähriger
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.
Nr. 39. Sonnabend, den 29. September. 1906.
Inhalt: 1) Leser, Spezielle Ohirurgie. — 2) Mouchet, Cathelin, Iselin, Devralgne, Del-
herm, Klinisch-therapeutisches Handbuch. — 3) Loeb, Geschwulstwachstam. — 4) u. 5) Fran-
genheim, Lokalisation der tierischen Parasiten. — 6) Crile und Dolley, Chirurgische Blut-
verluste. — 7) Grashey, Fremdkörper und Röntgenstrahlen. — 8) Bruhns, Röntgenbehand-
Jung bei Hautkrankheiten. — 9) Abbe, Radiumwirkung. — 10) Mestral, Händedesinfektion.
— 11) v. Herff, Catgutsterilisation. — 12) Cred6, Prophylaktische Antisepsis, — 13) Cum-
mins und Stout, Adrenalin. — 14) Müller, Stovain. — 15) Bier, 16) Dönitz, Rückenmarks-
anästhesie. — 17) Thelihaber, 18) v. Stubenrauch, Verminderung der Infektionsmöglichkeit
bei Operationen in der Bauchhöhle. — 19) Aiquier, Interkostaler Bauchbruch. — 20) Lacasse,
Nabelbruch. — 21) Leven und Barret, Der Magen beim Erwachsenen und Kind. — 22) Holz-
knecht, Röntgenoskopie des Magens. — 23) Montprofit, Gastrektomie. — 24) Fisk, Hyper-
trophische Pylorusstenose. — 25) Terrier, Drainage der Gallenwege.
L A. Hofmann, Zwei Modifikationen der Matratzennaht. — II. V. Manninger, Über retro-
grade Darminkarzeration. (Original-Mitteilungen.) |
26) Freie Vereinigung der Chirurgen Berlins. — 27) Treutleln, Kriegschirurgisches aus
Japan. — 28) Crile und Hill, Vielfache Riesenzellensarkome. — 29) Moldovan, Angeborene
Hautsarkome und -Fibrome. — 30) Köhler, Traumatisches Ödem. — 84) Chiarl, Urimische
Dermatitis. — 32) Giimer und Stegmann, 33) Steln, 34) Alexander, 35) Fischer und Schou,
Röntgenologisches. — 36) Deetz, 37) Becker, 38) König, 39) Landow, 40) Roeder, Rücken-
marksanästhesie. — 41) Kuhn, 42) Grube, 43) Uffenrode, Hyperämiebehandlung.
enteo
1) E. Leser. Die spezielle Chirurgie in 60 Vorlesungen.
7. Aufl.
Jena, Gustav Fischer, 1906.
Das Erscheinen einer 7. Auflage muß an sich als Empfehlung
gelten. Durch sein vortrefflich angelegtes Register (vgl. die einzelnen
Rubriken, z. B. Atiologie, Behandlung, Prognose, Symptome usw.)
wird das Werk zu einem handlichen Ratgeber für den Praktiker.
Sehr zu bedauern ist, daß noch zahlreiche ganz »undeutliche«
Réntgenbilder sich vorfinden, wie z. B. p. 663 und 777.
V. E. Mortens (Breslau).
39
1050 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39.
2) Manuel de clinique et de thérapeutique spéciales. Deuxieme
série. 1) Chirurgie orthopédique par Mouchet. 2) Voies
urinaires par Cathelin. 3) Gynécologie par Iselin. 4) Ob-
stétrique par Devraigne, Electro-radiothérapie par Del-
| herm.
Paris, Paulin, 1906.
1) Nicht ein ausführliches Handbuch der orthopädischen Chirurgie,
sondern lediglich ein möglichst kurzer und klarer Uberblick über das
für den Praktiker notwendige Wissenswerte soll der erste Teil sein.
Wer sich ausführlich orientieren will, ist auf die Monographien von
Berger, Kirmisson usw. hingewiesen. Diese Kürze ist jedoch so
weitgehend, daß ein Arzt, der wirklich orthopädisch behandeln will
und sich deshalb mit Stichworten über Diagnose und Therapie nicht
begnügen kann, gezwungen ist, andere ausführliche Bücher daneben
zu haben. So erledigt Verf. beispielsweise die Frage der Sehnen-
transplantation mit den Worten: Die Nikoladoni’sche Methode be-
steht darin, auf den gelähmten Muskel einen benachbarten gesunden
Muskel überzupflanzen. Diese Methode scheint keine guten Dauer-
resultate zu liefern und ist deshalb von den meisten französischen
Chirurgen verlassen. Es ließen sich ähnliche Beispiele noch mehrere
hinzufügen.
2) Verf. zerlegt die Chirurgie der Harnwege in zwei Teile, die
sog. kleine und einfache Chirurgie und die großen chirurgischen Ein-
griffe an Niere, Harnleiter, Blase und Prostata. Während für letz-
teres Kapitel die Tätigkeit des praktischen Arztes sich darauf be-
schränken wird, die Fälle zu beobachten und gewissermaßen diagnostisch
für die Operation vorzubereiten, muß er die erstere praktisch beherr-
schen. Dementsprechend überwiegt in diesem Teile die Therapie, die
Schilderung der Symptome und Diagnose. Hier findet der Arzt alles,
was zum Katheterismus gehört, die Desinfektion, den Akt des Kathete-
risierens selbst in seinen einzelnen Handgriffen und schließlich die
notwendige Nachbehandlung usw. (Dauerkatheter). Die Sondierung,
Instillation, Cystoskopie und Harnleiterkatheterismus sind genau be-
schrieben. Ausführlich verweilt Verf. bei der von ihm mit Albarran
zusammen angegebenen Therapie der Enuresis nocturna bei Kindern,
wo er die Lumbalpunktion und Injektion von Kokain empfiehlt. Die
Methode ist daher genau beschrieben und die Erfolge besprochen.
Schädliche Folgen sah er nie. Von kleinen Operationen sind genauer
angegeben die Blasenpunktion und Urethrotomia interna. Den Schluß
bildet eine tabellarische Zusammenstellung der internen und lokalen
Mittel bei der Behandlung der Cystitis.
3) Die Röntgenbehandlung des Karzinoms will Verf. nur auf die
oberflächlichen Formen beschränkt wissen, während er vor der Anwen-
dung bei tiefer sitzenden Karzinomen ausdrücklich warnt.
Coste (Breslau).
Zentralblatt far Chirurgie. Nr. 39. 1051
3) Loeb. Further investigations into the growth of tumors.
(Univ. of Pennsylvania med. bull. 1906. Juli.)
L. transplantierte Stücke einer drüsenähnlichen, karzinomatösen
Geschwulst der Submaxillardrüse einer japanischen Maus auf andere
Mäuse. Im Verlaufe der Transplantationen wuchsen nun außer Ge-
schwülsten, die der ursprünglichen ähnlich im Bau waren, auch Spin-
delzellensarkome, obwohl in der ursprünglichen Geschwulst keine sarko-
matösen Stellen gefunden werden konnten. Das Spindelzellensarkom
wurde bereits in der zweiten Generation gefunden; demnach ist lange
fortgesetzte Transplantation von Bindegewebe nicht wesentlich für die
Entstehung eines Sarkoms. Transplantation normalen Epithels oder
Bindegewebes durch mehrere Generationen hindurch verursachte keine
deutliche Steigerung des Wachstums.
Die beiden Geschwulstarten, indem sie sich Seite an Seite ent-
wickelten, folgten denselben Wachstumsvariationen, welche in den
verschiedenen Generationen für die Art des Wachstums charakteristisch
waren; beide erlangten gleichmäßig im Verlaufe der Übertragungen
eine vermehrte Virulenz. Diese Vermehrung des Wachstums beruht
auf einer direkt stimulierenden Wirkung entweder auf die beiden ge-
sunden Zellformen oder auf einen Mikroorganismus, welcher möglicher-
weise die Ursache der beiden Geschwulstformen ist. In letzterem
Falle ist anzunehmen, daß derselbe, bereits in der drüsenähnlichen
Geschwulst vorhandene Mikroorganismus sekundär das Bindegewebe
ergreift und ein sarkomatöses Wachstum desselben verursacht. In-
dessen kann auch eine Umwandlung der Karzinomzellen bisher noch
nicht sicher ausgeschlossen werden.
Das Wachstum des Sarkoms wurde allmählich stärker als das
der drüsenähnlichen Form, so daß im Verlaufe weiterer Übertragungen
wahrscheinlich das Sarkom allein weiter gewuchert sein würde.
Die vorliegenden Beobachtungen machen einen ähnlichen Ursprung
für die sarkomatösen Strukturen, welche man in Mischgeschwülsten
der Schilddrüse beim Menschen und bei Tieren findet, wahrscheinlich;
in beiden Fällen scheint die drüsenähnliche Geschwulst die primäre
. zu sein und ein sekundäres sarkomatöses Wachstum in dem umge-
benden Bindegewebe hervorzurufen. Mohr (Bielefeld).
4) P. Frangenheim (Altona). Die chirurgisch wichtigen
Lokalisationen des Echinokokkus.
(Sammlung klin. Vorträge Nr. 419/420.)
5) Derselbe. Die chirurgisch wichtigen Lokalisationen der
tierischen Parasiten mit Ausnahme des Echinokokkus.
(bid. Nr. 424.)
_ Durch Prof. Lexer veranlaßt, gibt Verf. in den Vorträgen einen
Überblick über die chirurgisch wichtigen Lokalisationen der tierischen
Parasiten, über die Häufigkeit des Vorkommens derselben, wobei frü-
39*
1052 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39.
here Statistiken durch F. vervollständigt werden, über die durch die
Parasiten in Geweben und Organen hervorgerufenen pathologisch-
anatomischen Veränderungen, die klinischen Bilder und die Diagnose
der verschiedenen Erkrankungen.
Im ersten Vortrage werden so die Echinokokken der Knochen,
der Haut und Muskulatur, Schilddrüse, Brustdrüse, Lungen und Pleura,
des Zirkulationsapparates, der Leber, Niere, Milz, des Pankreas,
Bauchfells, Mesenteriums und Netzes, der Beckenhöhle (Geschlechts-
teile), der Augenhöhle, des Gesichts, des Schädelinnern und Wirbel-
kanals geschildert.
Der zweite Vortrag handelt von den Lokalisationen des Cysti-
cercus (in der Haut und Muskulatur, im Auge, Gehirn und Wirbel-
kanal, im Knochen), des Ascaris lumbricoides (Ileus, Verstopfung des
Ductus choledochus usw.), des Oxyuris vermicularis (Appendicitis),
Trichocephalus dispar (Appendicitis), Eustrongylus gigas (Nierenbecken-
verstopfung usw.), der Filariaden, Distomaarten und Arthropoden.
Jedem einzelnen Abschnitt ist ein sorgfältiges Literaturverzeichnis
beigefügt. Die beiden Vorträge werden durch die Zusammenstellung
all’ der durch die tierischen Parasiten veranlaßten chirurgischen Affek-
tionen gewiß manchem willkommen sein. Kramer (Glogau).
6) Crile and Dolley. Clinical and experimental observations
on surgical hemorrhage.
(Surgery, gynecol. and obstetr. Bd. II. Nr. 1.)
Versuche an 61 Hunden ergaben etwa folgendes: Rasches Ver-
bluten wirkt viel stärker auf den Abfall des Blutdruckes als lang-
samer Verlust der gleichen Blutmenge. Dies hat seinen Grund teilweise
in der schnelleren Einwirkung der Blutleere in ersterem Fall auf das
Zirkulationszentrum. Der Zustand dieses Zentrums ist namentlich
wichtig für die Wirkung therapeutischer Eingriffe: bei solcher Schädi-
gung, daß es nur noch wenig reagiert, sind Stimulantien wirkungslos.
Am leichtesten ist seine Schädigung durch Infusion von Salz- oder
Locke’scher Lösung zu bekämpfen, und nach deren Anwendung
wirken dann Mittel wie Strychnin wieder. Chok schädigt das Zirku-
lationszentrum sehr stark. Die Gefäßmuskulatur ist für den Blutdruck
wichtiger als die Herzkraft. Durch Adrenalin läßt sich bedeutende
Blutdruckerhöhung am verblutenden Tier erzielen, sie ist aber nur
vorübergehend, und es kann plötzliches Versagen des Herzens ein-
treten. Bei intravenöser Kochsalzinfusion ist allmähliches Vorgehen
nötig, da bei zu schnellem Einlaufenlassen und bei zu großer Menge
Herzdehnung eintritt. Zu viel Salzlösung wird schnell in Form peri-
tonealer und pleuraler Exsudate ausgeschieden. Einwicklung der Glied-
maßen und des Rumpfes (Autotransfusion) ist sehr wirksam. Sauer-
stoffeinatmungen können bei hochgradiger Blutleere noch lebensrettend
wirken, weil auch der Sauerstoff das Zirkulationszentrum wieder zur
Reaktion auf andere Reize befähigt. Zwei Fälle von schweren Blu-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 1053
tungen beim Menschen werden mitgeteilt, bei welchen Wickelungen
von Rumpf und Gliedmaßen lebensrettend wirkten. Bei einem der Pat.
wurde nachher mit Erfolg die Art. anonyma unterbunden.
Trapp (Bückeburg).
7) R. Grashey. Fremdkörper und Réntgenstrahlen. (Aus
der Münchener kgl. chir. Klinik.)
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 26.)
Der Nachweis eines Fremdkörpers hängt ab von der Dichtigkeit
desselben, deren Verhältnis zur Dichtigkeit des betreffenden Körper-
teiles, von seiner Gesamtdicke im Vergleich zur Gesamtdicke des von
denselben Strahlen getroffenen Körpergewebes, von seiner Entfernung
von der bildgebenden Fläche, von der Qualität der Röntgenstrahlen
und des schattenzeichnenden Mediums usw. Schwierig ist es zu sagen,
ob kein Fremdkörper vorhanden ist; leichter schon ist mit Hilfe eines
Testkörpers auszuschließen, daß ein bestimmter Fremdkörper vorliegt.
Metallsplitter sind in den Extremitäten wohl immer nachweisbar, selbst
solche von !/,, mg, Glas- und Porzellansplitter von der Größe eines
Reiskorns in der Höhe des Handgelenkes noch gut sichtbar, im Fin-
ger auch kleinere noch aufzufinden, Steinsplitter mit wenigstens einem
größeren Durchmesser erkennbar. Holzsplitter und Stoffteilchen sind
nicht zu differenzieren, Gummidrains dagegen nachzuweisen. Luft-
röhre, Bronchien und Auge sind günstig für die Untersuchung Zur
Lokalisation des Fremdkörpers sind bestimmte Methoden notwendig,
über die G. sehr genaue Anweisungen gibt; sie müssen in der Arbeit
nachgelesen werden, ebenso Verf.s Ausführungen über das bei Ope-
rationen zur Entfernung von Fremdkörpern einzuschlagende Verfahren,
bei dem die Funktion des Operateurs und die des Röntgenologen in
Rücksicht auf die Asepsis zu trennen sind. Selbstverständlich soll
nicht jeder röntgenographisch nachgewiesene Fremdkörper durch
Operation entfert werden; die Folgen des operativen Eingriffes müssen
zu den Beschwerden, die der ‘Fremdkörper verursacht, in richtigem
Verhältnis stehen. Kramer (Glogau).
8) C. Bruhns. Die Indikationen der Röntgenbehandlung
bei Hautkrankheiten.
(Berliner klin. Wochenschrift 1906. Nr. 6.)
Verf. faßt das Ergebnis seiner Ausführungen in folgende SchluB-
sätze zusammen:
Unsere heutigen Erfahrungen in der Röntgentherapie der Haut-
krankheiten zeigen, daB wir bei einer Anzahl von Hautkrankheiten
mit der Bestrahlung ausgezeichnete Erfolge dort erreichen, wo unsere
bisherigen übrigen Behandlungsmethoden oft im Stich gelassen oder
in viel langwierigerer Weise zum Ziele geführt haben. Diese guten
Wirkungen der Röntgenbestrahlung sind besonders bei chronischem,
trockenem Ekzem, Neurodermitis circumscripta chronica, Pruritus
1054 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 89.
localis, Lichen ruber verrucosus, Favus, Sycosis parasitaria und non
parasitaria, chronischer Furunculosis nuchae, Aknekeloid, Psoriasis,
Hyperhidrosis, multiplen Verrucae juveniles, teilweise bei bösartigen
Geschwülsten, bei Mycosis fungoides und Rhinosklerom zu beobachten.
Bei einigen anderen Hauterkrankungen (Lupus erythematodes u. a.)
sehen wir manchmal, aber viel weniger regelmäßig, gute Erfolge der
Röntgenbehandlung.
Bei vorsichtiger Anwendung, unter Heranziehung der jetzt vor-
handenen, zur Kontrolle dienenden Hilfsmittel kann man schädigende
Wirkungen der Röntgenstrahlen soweit sicher vermeiden, daß diese
Behandlungsweise auch bei relativ unbedeutenden, dafür geeigneten
Hauterkrankungen wegen ihrer ausgezeichneten Wirkungen sehr emp-
fohlen werden kann. Langemak (Erfurt).
9) Abbe. Radium in surgery.
(Journ. of the amer. med. assoc. 1906. Juli 21.)
Seit 3 Jahren verwendet A. Radium als Heilmittel bei den ver-
schiedensten Erkrankungen, von denen hier hauptsächlich die bösartigen
Geschwülste aller Art, Lupus und Kropf interessieren. A. gebraucht
verschiedene Radiumpräparate, von 300000—1800000 Aktivität. Auf
alle Arten degenerierender Zellen wirkt das Radium kräftig ein, auch
auf solche, welche Röntgenstrahlen widerstehen. Selbst lange be-
stehende Geschwülste und lupöse Affektionen reagieren noch gut auf
Radiumbestrahlung, und mehrfach hat Verf. jahrelang bestehende
Hautkrebse zu völliger Heilung gebracht. Bei Krebsen der Schleim-
haut hat sich Radium weniger wirksam erwiesen, öfters eher Ver-
schlimmerung bewirkt. Dagegen wirkte es auf skirrhösen Brustkrebs
auffällig gut, wie auch mikroskopische Untersuchung später operativ
entfernter Geschwülste zeigte. Ganz besonders aber rühmt Verf. die
Wirkung auf verschiedene Arten von Sarkom. Riesen- und Rund-
zellensarkome, Angio- und Spindelzellensarkome wurden mit bestem
und schnell eintretendem Erfolge behandelt, ebenso ein Teil später
auftretender Metastasen; einige Pat. sind über 1 Jahr rückfallsfrei.
Gute Erfolge hatte A. auch bei einigen Basedowkröpfen (7 Fälle).
Einer davon zerfiel teilweise, wodurch die stark beengte Luftröhre
frei wurde. Auch gutartige Geschwülste, z. B. Warzen, sind leicht
zu beseitigen. In allen Fällen wurden die Narben sehr gut, zart und
weich. Verf. faßt seine Beobachtungen folgendermaßen zusammen:
1) Die Radiumwirkung gleicht der der Röntgenstrahlen. 2) Jedoch
bestehen gewisse Unterschiede; manche nicht durch Röntgenstrahlen
heilbare Affektionen werden durch Radium beseitigt. 3) Radium läßt
sich in für Röntgenstrahlen unzugänglichen Hohlräumen anwenden.
4) Heilend wirkt es bei Lupus und Hautkrebsen. 5) Bei 40 Fällen
innerer Krebse versagte es. 6) Bei einer Anzahl anderer chirurgi-
scher Erkrankungen verspricht es ebenfalls Erfolge.
Trapp (Bückeburg).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 1055
10) Mestral. Contribution à Tétude de la désinfection des
mains.
(Arch. prov. de chir. 1906. Nr. 6.)
M. hat eine große Reihe von Versuchen mit den verschiedensten
üblichen Desinfektionsmitteln zur Händedesinfektion — Alkohol, Ather,
Seifenspiritus, Ammoniak, Lysol, Sublimat, Sublamin und übermangan-
saures Kalium — teils allein, teils untereinander kombiniert, nach
dem Vorgehen von Hägler angestellt und ist der Hauptsache nach
zu folgenden Schlüssen gekommen: Eine absolute Sterilisation der
Hände ist mit keinem Mittel — weder allein, noch mit anderen kom-
biniert — zu erreichen. Als beste Desinficientia haben sich 70. iger
Alkohol und Sublimat bewährt; letzteres übertrifft zweifellos das von
einigen Seiten sehr empfohlene Sublamin. Gummihandschuhe will M.
am besten nur bei septischen Operationen angewendet wissen; sollen
sie auch bei aseptischen gebraucht werden, so rät er, zum Schutz
gegen Einreißen u. dgl. Zwirnhandschuhe darüber zu ziehen. Doch
meint er, daB hierdurch das feine Gefühl der Finger zu sehr beein-
trächtigt wird, und daB deshalb die Handschuhe am besten ganz
weggelassen werden. Ref. benutzt seit Jahren bei allen aseptischen
Operationen doppelte Handschuhe und hat stets auch die technisch
schwierigsten zu Ende führen können. Freilich dauert es eine Zeit,
bis man sich daran gewöhnt hat. Müller (Dresden).
11) O. v. Herff (Basel). Zur Frage der Catgusterilisation.
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 27.)
v. H.’s Untersuchungen der physikalischen Eigenschaften des Cat-
guts nach der Sterilisation haben ergeben, daß die Festigkeit desselben
durch alle Mittel, Jod, Sublimat, vor allem durch Wasser, durch
Kochen sowohl in Cumol wie in Wasser geschädigt, die Dehnung
durch Wasser gesteigert wird. Eine Zunahme der Dehnung um 50%
und mehr macht das Knüpfen der Catgutfäden unsicher. Einfaches
keimfreies Catgut ist das Cumolcatgut; ihm ist auch an Festigkeit
überlegen das zugleich keimtötende Jodcatgut, in Alkohol (95 %ig)
aufbewahrt, das große Widerstandsfähigkeit besitzt.
Kramer (Glogau).
12) Crede. Prophylaktische Antisepsis.
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 24.)
Neben den prophylaktischen aseptischen Maßnahmen hält C. in
jedem Falle einer Gewebsschädigung auch die prophylaktisch-antisep-
tische Behandlung der Wunde für notwendig und hierzu das Collargol
für das geeignetste Mittel, das sich auch durch seine Ungiftigkeit,
Billigkeit und Haltbarkeit auszeichnet. Es verursacht keinerlei Schmer-
zen, ist völlig reizlos, in Serum leicht lösbar, vernichtet, in Wunden
als Pulver (3:97 Milchzucker), Tablette, Stäbchen oder in 1%iger
1056 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39.
Lösung eingebracht, eingedrungene Keime, beugt dadurch jeder ent-
zündlichen Reaktion vor und stellt in oft geradezu überraschender
Weise normale oder fast normale Verhältnisse wieder her.
Kramer (Glogau).
13) Cummins and Stout. Experimental arteriosclerosis by
adrenalin inoculations and the effect of potassium iodide.
(Univ. of Pennsylvania med. bull. 1906. Juli.)
Verff. injizierten Tieren intravenös Adrenalinlösungen und stu-
dierten die Wirkung des Jodkali auf die in einzelnen Fällen experi-
mentell erzeugte Arteriosklerose. Nach diesen Versuchen ist Jodkali
vermutlich imstande, der Entwicklung von Arteriosklerose nach Adre-
nalineinspritzungen vorzubeugen, während es gegen ausgebildete Ar-
teriosklerose der Tiere wirkungslos zu sein scheint.
Mohr (Bielefeld).
14) B. Müller (Hamburg). Stovain als Anästhetikum.
(Sammlung klin. Vorträge Nr. 428.)
M., welcher über die Wirkung des Stovains auf die Blutgefäße
eine Reihe von Versuchen an F'röschen angestellt, auch sonst das
Anästhetikum in bezug auf die beste Art seiner Verwendung und
seiner Giftigkeit genauer geprüft hat, berichtet hierüber in ausführ-
licher Weise im vorliegenden Vortrage. Nach M. bewirkt das Mittel
geringe Dilatation der Gefäße, besitzt geringe aseptische Wirkung
und wird am besten in sterilisierbaren !/,—1%igen Lösungen mit
0,6—0,7% NaCl-Gehalt, durch welches dieselben osmotisch indifferent
gemacht werden, angewendet, da solche keinen Injektionsschmerz her-
vorrufen. Auch mit Suprarenin, das zuerst eingespritzt werden muß,
läßt sich das Stovain kombinieren und wirkt in dieser Kombination
viel stärker anästhetisch, wie auch die Esmarch’sche Blutleere sehr
erheblich zur Unterstützung der Anästhesie beiträgt. Auf das Herz
hat es keinen nachteiligen Einfluß; der Puls bleibt unverändert. Auch
sonst fehlen alle Neben- und Nachwirkungen (vgl. die bei der Lum-
balanästhesie mit dem Stovain gemachten Erfahrungen einzelner Chi-
rurgen; Ref.); nur große Dosen können schwer die Nieren schädigen ;
solche Wirkung bleibt aber aus, wenn die Dosis von 0,1 nicht über-
schritten wird. M. hat im allgemeinen nur 0,05 g Stovain im Einzel-
falle verwendet. Kramer (Glogau).
15) Bier. Zur Geschichte der Rückenmarksanästhesie.
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 22.)
Gegenüber den von Corning (Neuyork) erhobenen Prioritäts-
ansprüchen weist B. nach, daß jener Autor allerdings im Jahre 1885
ein Verfahren beschrieben habe, bei schmerzhaften neurologischen
Leiden gelöste Arzneistoffe in die unmittelbare Nähe des Rücken-
markes zu bringen, um sie von dort durch die Blutgefäße nach dem
Mark führen zu lassen, daß Corning im Jahre 1894 in einer zweiten
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 1057
Arbeit auch die Absicht ausgesprochen habe, Medikamente direkt in
den Lumbalsack einzuspritzen, daß aber Corning’s Versuche und
Ideen gänzlich unbeachtet und unbekannt geblieben, eine Opera-
tion unter Rückenmarksanästhesie vor B. von Niemandem ausgeführt
worden war. Wenn auch Corning zweifellos die Vorarbeiten für
die Rückenmarksanästhesie gemacht hat, so ist doch erst von Quincke
durch seine Lumbalpunktion der Weg gewiesen worden, der für die
Anästhesierung des Rückenmarkes gewählt werden mußte. B. miBt
diesem Autor, durch den er auf die Idee des Verfahrens gekommen,
deshalb auch das weit größere Verdienst zu, nimmt aber gegenüber
der aus den Berliner chirurgischen Kliniken geltend gemachten Auf-
fassung für sich die Erfindung und Einführung der Rückenmarks-
anästhesie in vollem Umfange in Anspruch. Kramer (Glogau).
16) Dönitz. Wie vermeidet man Mißerfolge bei der Lum-
balanästhesie? (Aus der kgl. chirurgischen Universitätsklinik
Bonn.)
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 28.)
Da die Erfolge der Lumbalanästhesie in höchstem Maße von der
Beachtung aller technischen Einzelheiten abhängig sind, gibt D. noch-
mals eine Schilderung derselben, wie sie sich in der Bier’schen Klinik
besonders bewährt haben.
Die Normaldosis des verwendeten Stovains beträgt 0,04, mit wel-
cher Menge man auszukommen suchen muß; die Beckenhochlagerung
bei der Ausführung der Lumbalanästhesie erleichtert dies, ebenso wie
die Verdünnung des Anästhetikums mit großen Liquormengen. Indes
ist es bei Anwendung der Beckenhochlagerung notwendig, die Aus-
breitung der Anästhesie nach der Injektion zu prüfen und den Grad
der Hochlagerung zu modifizieren. Für hochgehende Anästhesien ist
wegen der Gefahr der Atmungslähmung, die auch in der Bonner
Klinik einmal beobachtet wurde, das Tropakokain (0,05 pro dosi mit
10 ccm Liquor) dem Stovain vorzuziehen; auch das Novokain wirkt
zu stark auf die motorischen Nervenwurzeln, wenn auch nicht so er-
heblich, wie Stovain und Alypin. Bei starker psychischer Erregung
des Kranken wird ihm zwecks suggestiver Wirkung die Athermaske
vorgehalten und etwas Ather darauf getropft.
Die Technik der Punktion betreffend, ist es notwendig, genau in
der Mittellinie zwischen 1. und 2. Lendenwirbel bei sitzender Stellung
des Kranken einzustechen, um den Arachnoidealsack in der Mitte zu
treffen, ferner vor dem Anstechen der Dura den Mandrin zu entfer-
nen, damit der hervorsprudelnde Liquor anzeigt, daß sich die Nadel
im Arachnoidealsacke befindet. Auf diese Weise wird das Anstechen
der Cauda-Nervenfasern und von Gefäßen und das Einspritzen der
anästhesierenden Lösung zwischen die Fasern der Cauda mit ihren
Folgen (Halbseitenanästhesie usw.) am ehesten vermieden. Nach der
Injektion wird der Kranke für Operationen am Damm flach gelegt,
gor"
1058 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39.
oder sofort die Beckenhochlagerung vorgenommen; und zwar um so
stärker, je höher die zum ÖOperationsfelde gehörigen Segmente liegen.
1—2 Minuten nach der Einspritzung werden die Reflexe geprüft,
Knie- und Cremasterreflex für Operationen unterhalb des Leisten-
bandes, die drei Bauchreflexe für höhere Anästhesien; für die Leisten-
gegend soll der untere und mittlere, ev. auch der obere geschwunden
sein. 2 bis 3 Minuten nach der Injektion Prüfung auf beginnende
Analgesie. In 5 Minuten ist die Anästhesie vollständig.
In einem Nachtrage wird über einen Todesfall, den ersten unter
mehr als 1000 Lumbalanidsthesien der Bier’schen Klinik, nach In-
jektion von 0,13 (!) Tropakokain mit 10 ccm bei einem 75jährigen
Manne mit Peniskrebs berichtet; es war nach den oben angegebenen
technischen Vorschriften nicht verfahren worden!
Kramer (Glogau).
17) A. Theilhaber. Ein Verfahren zur Verminderung der
Infektionsmöglichkeit bei Operationen in der Bauchhöhle.
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 23.)
18) v. Stubenrauch. Das Theilhaber’sche Verfahren zur
Verminderung der Infektionsmöglichkeit bei Operationen in
der Bauchhéhle.
(Ibid. Nr. 25.)
Die Erfahrung, daß von unterbundenen Organstielen (des Hier-
stockes, Gebärmutter usw.) im Bauch bäufiger Infektion des Bauchfells
erfolgt, wie von Peritonealinzisionen der Bauchdecken oder von Peri-
tonealverletzungen bei Bruchoperationen usw., hat T. veranlaßt, zur
Verminderung der Infektionsmöglichkeit besondere Aufmerksamkeit
auf den Akt der Stielunterbindung selbst zu lenken, bei welchem, wie
Verf. meint, die Hauptgefahr der Infektion besteht. Er befürwortet
deshalb vor der Unterbindung aller Stiele nochmals eine neue Des-
infektion der Hände des Operateurs und Assistenten und der Stiele
selbst und die Unterbindung mit vorher nicht berührten Nadeln und
Fäden und führt hierauf seine günstigen Resuitate bei in dieser Weise
operierten Fälle zurück.
v. S. hält die Deckung der Stiele mit erosa für das Haupt-
moment der Prophylaxe, das Theilhaber augenscheinlich nicht be-
rücksichtigt (Theilhaber wendet es, wo es nur möglich ist, an;
Münchener med. Wochenschrift 1906 Nr.27, Ref.); das Abwaschen
der Stiele hat keinen Zweck, da ein nur kurze Zeit auf Wunden
appliziertes Antiseptikum nicht bakterientötend wirkt. Außerdem ist
v. 8. der Meinung, daß schon seit langem viele Operateure sich
während einer länger dauernden Operation wiederholt desinfizieren
und ebenso besondere Aufmerksamkeit der aseptischen Ausführung
der Ligaturen und Naht widmen. Kramer (Glogau).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 1059
19) Alquier. Contribution à l'étude de la hernie intercostale
abdominale.
Thèse de Paris 1906.
A. behandelt in seiner Arbeit das seltene Krankheitsbild des wah-
ren interkostalen Bauchbruchs, der stets die Folge irgendeines Trau-
mas, niemals durch angeborene Bildungsfehler bedingt ist. Er liegt
auf der linken Seite und ist vom 6.—10. Interkostalraum gewöhnlich
vor der mittleren Axillarlinie beobachtet worden. Ein eigentlicher
Bruchsack besteht nicht, und gewöhnlich ist der Inhalt mit den tie-
feren. Gewebsschichten der Bruchpforte in der Haut verwachsen. Eine
Heilung ist nur durch einen operativen Eingriff zu erzielen, während
die Behandlung mit Bandagen nur in Ausnahmefällen Anwendung
finden soll. Neun ausführliche Krankengeschichten sind der Arbeit
beigegeben. Müller (Dresden).
20) Lacasse. Contribution a l’étude des hernies ombilicales
dites congénitales.
These de Paris 1906.
L. spricht den sog. »angeborenen Nabelbruch« der Neugeborenen
und Kinder für ein erworbenes Leiden an, das in den ersten 14 Le-
benstagen nach dem Abfall der Nabelschnur in die Erscheinung tritt
und bei Knaben häufiger wie bei Mädchen ist. Als prädisponierende
Momente sieht er eine gewisse angeborene Schwäche infolge vorzeiti-
ger Geburt und eine fehlerhafte Ernährung an. Da im allgemeinen
eine große Neigung zur Spontanheilung besteht, rät L., mindestens
bis zur Entwöhnung, zur einfachen Bandagebehandlung, die um so
besser ist, je einfacher sie ist. Müller (Dresden).
21) G. Leven und G. Barret. L’estomac du nourrisson.
Forme, limite inférieure, mode de remplissage et d'évacuation.
(Presse méd. 1906. Nr. 63.)
Verff. haben vergleichende röntgenoskopische Untersuchungen des
Magens beim Erwachsenen und Kinde angestellt und sind zu folgen-
den Resultaten gelangt.
1) Form und Lage. Beim Erwachsenen hat der Magen eine
deutlich senkrechte Lage mit einem rechten und linken Rande, ent-
sprechend der großen und kleinen Kurvatur. Ein großer Teil des
Magens ist im rechten Hypochondrium enthalten, nur der Pylorus
überragt etwas die Medianlinie nach rechts hin.
Beim Kinde ist der Anblick ein ganz anderer, indem die Magen-
höhle eine deutlich transversale Lage, die große Kurvatur den unteren,
fast horizontal verlaufenden Rand auf dem Bilde einnimmt. Ein gro-
Ber Teil des Magens erstreckt sich über die Mittellinie nach rechts
unter die Leber, von welcher er teilweise überdeckt wird.
2) Untere Grenze. Im Normalzustande reicht der untere Ma-
genrand beim Erwachsenen bis zum Nabel oder bis in die Nähe des-
1060 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 89.
selben; der Pylorus, der den tiefsten Punkt bildet, bleibt festliegend
oder verschiebt sich sehr wenig, während beim Säugling der tiefste
Punkt durch die mittleren Teile der großen Kurvatur gebildet wird
und seine Lage innerhalb weiter Grenzen ändert. In gefülltem Zu-
stande reicht dieselbe bis zum Nabel, um sich dann ziemlich hoch
hinaufzuheben; in manchen Fällen überschreitet die untere Magen-
grenze sogar den Nabel.
3) Fiillungsart. Der Magen des Erwachsenen paßt sich fast
genau dem Inhalte an, und nur bei bestehender Dilatation geschieht
die Füllung wie diejenige eines großen Beutels mit präformierter
Höhle. Dieser für den Erwachsenen pathologische Vorgang ist aber
für den Säugling normal. Sowie man eine kleine Menge Flüssigkeit
einführt, entfaltet sich der Magen in seiner ganzen Ausdehnung, und
man sieht die Flüssigkeit sich am unteren Rande in horizontaler
Schicht ansammeln; der übrige Teil des Magens ist mit Luft erfüllt
und erscheint als eine klare Zone, die sich deutlich von den dunklen
Massen der Bauchorgane abhebt. Mit der Vermehrung der Flüssig-
keitsmenge wird auch die Luftmenge kleiner, indem das obere Flüssig-
keitsniveau in stetiger Weise sich erhebt.
4) Entleerung der Milch. Einige Minuten nach dem Saugen
bleibt der Magen des Säuglings unbeweglich, dann zieht er mit einem
Male sich fast bis zur kugeligen Form zusammen, während die Luft-
kammer verschwindet oder kaum sichtbar bleibt. In diesem Zustande
verharrt der Magen lange Zeit, wahrscheinlich bis zu seiner vollstän-
digen Entleerung; man bemerkt das Wiederauftreten der Luftkammer,
und der Übergang zum Zustande der Leere erfolgt in langsamer Weise.
Beim Erwachsenen ist die Kontraktion des ganzen Magens nur aus-
nahmsweise zu beobachten, hingegen sieht man immer Zusammen-
ziehungen der pylorischen Gegend.
5) Dauer des Milchaufenthaltes im Magen. Die Unter-
suchungen der Verff. wurden bei Säuglingen von 2—16 Monaten an-
gestellt, die entweder Muttermilch oder Kuhmilch, gemischt mit Wasser
in Mengen von 80—175 ccm, erhalten hatten. Es zeigte sich, daß bei
denselben die Entleerung der Milch 1?/,—2 Stunden dauerte. Wie es
scheint, besteht in dieser Beziehung kein Unterschied zwischen
Muttermilch und mit Wasser verdünnter Kuhmilch.
E. Toff (Braila).
22) Holzknecht (Wien). Über die radiologische Untersuchung
des Magens im allgemeinen und ihre Verwertung für die
Diagnose des beginnenden Magenkarzinoms im besonderen.
(Berliner klin. Wochenschrift 1906. Nr. 5.)
Der durch Wismutzusatz zu den Speisen röntgenologisch nach-
weisbare Ausguß der Magenlichtung ließ Verf. nach eingehendem
Studium zu der Ansicht gelangen, daß der normale Magen sehr selten
ist, daß er klein und so gelegen ist, daB der Pylorus sein tiefster
Zentralblatt fir Chirurgie. Nr. 39. 1061
Punkt ist. Die weitaus meisten Gesunden tragen einen längs-
gedehnten Magen mit mehr oder minder großer Hubhöhe auf Grund
von genereller Enteroptose.
Nach Schilderung der Details der Magenverdauung im Schirm-
bilde werden die pathologischen Veränderungen kurz gestreift und die
wichtigsten Gruppen der Symptomatologie der Verdickung der Magen-
wand aufgeführt. Einzelheiten der sebr interessanten Beobachtungen
können im Referate nicht wiedergegeben werden, hervorgehoben sei
nur, daß die Schirmuntersuchung von eminent praktischer Bedeutung
für die zweifelhaften Fälle von Karzinom ist, da eine ganze Reihe
von nicht tastbaren Karzinomen röntgenologisch nachgewiesen und
operativ entfernt werden konnte. Die röntgenologische Untersuchung
des Magens, bringt vielleicht, wenn erst ihre Bedeutung in die breite
Masse der Arzte eingedrungen ist, was erfahrungsgemäß sehr langsam
geht, weil die Praktiker viel zu wenig lesen, endlich dem Chirurgen
die Karzinome rechtzeitig zur Operation und trägt dazu bei, die
Röntgenstrahlen als diagnostisches Hilfsmittel häufiger zu benutzen,
als es bisher geschieht. Langemak (Erfurt).
23) A. Montprofit. Manuel opératoire de la gastrectomie.
(Arch. prov. de chir. 1906. Nr. 3 u. 5.)
M.’s Arbeit ist eine zusammenfassende Studie aller Magenopera-
tionen. Im ersten Teile werden die allgemeinen operativen Gesichts-
punkte erörtert, im zweiten, speziellen Teile gibt M. eine Beschreibung
der allgemein üblichen und bekannten Operationsmethoden — Pylor-
ektomie, Gastrektomie, Resektion usw. Bei der Vereinigung von Ma-
gen und Darm bedient er sich am liebsten der Gastroenterostomia
posterior nach v. Hacker oder der Anastomose in Y-Form nach
Roux. Einen Darmknopf wendet er nie an. Zahlreiche instruktive
Abbildungen erläutern die einzelnen Methoden. Müller (Dresden).
24) Fisk. Hypertrophic stenosis of the pylorus in infants.
(Annals of surgery 1906. Juli.)
Die Symptome der hypertrophischen Pylorusstenose bei kleinen
Kindern bestehen in Erbrechen, das gewöhnlich in der 2.—3. Lebens-
woche zuerst eintritt, und in rapider Abmagerung. Das Erbrechen
erfolgt explosiv, das Erbrochene enthält keine Galle, die Zunge ist
stets rein; gewöhnlich sind Erscheinungen von Magenerweiterung am
Bauch sichtbar und eine harte Geschwulst in der Pylorusgegend fühl-
bar. Pathologisch-anatomisch ist die Lichtung des Pförtners durch
die Verdickung der zirkulären Muskulatur, welche die Schleimhaut
faltig emportreibt, sehr stark verengt, so daß nur eine dünne Sonde
hindurch geht. F. glaubt nicht, daß diese verdickte Muskulatur durch
Pylorospasmus bedingt sei, sondern daß es sich um eine angeborene
Anlage handle. Von 71 aus der Literatur gesammelten und operierten
Fällen endeten 33 = 46,5% tödlich, genasen 38 = 53,5%.
1062 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39.
Verf. zieht dort die Pyloroplastik allen anderen Eingriffen vor,
wo sie leicht und gut auszuführen ist. Als zweite Operationsmethode
kommt die hintere Gastroenterostomie in Frage, ohne Murphyknopf.
Die mechanische Erweiterung des Pylorus wird verworfen. Die Haupt-
sache ist im übrigen, daß man mit dem operativen Eingriffe nicht so
lange wartet, bis die Widerstandskräfte des Kindes durch Abmage-
rung zu sehr geschwächt sind. Herhold (Altona).
25) Terrier. Sur le drainage des voies biliaires.
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXII. p. 204.)
T. berichtet eingebend über 6 neue Fälle von Choledochotomie
mit Hepaticusdrainage, von denen 5 wegen eines Choledochussteines,
einer wegen Cholangitis operiert wurden. Nach einem kurzen histori-
schen Überblick der Operationsmethode nimmt T. für sich in Anspruch,
als erster in allen Fallen von Choledochotomie, auch wenn die Naht
möglich gewesen wäre, die Drainage empfohlen zu haben; der Ref.
Quénu teilt mit T. die Ansicht, daß jede Cholangitis mit Drainage
zweckmäßiger als mit anderen Methoden behandelt wird, und hält die
Drainage nach Exstirpation der entzündeten, steinhaltigen oder nicht
steinhaltigen Gallenblase für sehr zweckmäßig, geht aber nicht so weit,
bei jeder Cholecystektomie die Üholedochusdrainage anzuschließen,
oder bei jeder Choledochotomie die wenig oder gar nicht veränderte
Gallenblase mit zu entfernen. Thümer (Chemnitz).
Kleinere Mitteilungen.
I.
Zwei Modifikationen der Matratzennaht.
Von
Dr. Arthur Hofmann,
I. Assistenten der chirurgischen Abteilung des stadt. Krankenhauses in Karlsruhe
(Prof. Dr. v. Beck).
A. Gekreuzte Matratzennaht.
Die gekreuzte Matratzennaht wird auf ganz ähnliche Weise wie die
gewöhnliche ausgeführt. Wie bei dieser wird zunächst viermal ein- und aus-
gestochen (vgl. Fig. 1). Nun wird das eine Fadenende um die Schlinge a, welche
bei der einfachen Matratzennaht parallel dem Wundrande läuft, herumgeführt (vgl.
Fig. 2), und darauf werden die Fadenenden zum Knoten vereinigt.
Auf diese Weise umschlingen sich die sonst parallel ziehenden Fadenstrecken
zu einem Kreuze (vgl. Fig. 3).
Der Zweck der Naht ist, als Entspannungsnaht zu wirken. Die Vorteile be-
ruhen in einer geringeren Spannung der Wundränder und der damit verbundenen
besseren Ernährung des jungen Narbengewebes; ferner in der Vermeidung ever-
tierter Wundränder.
Um eine Inversion der Wundränder zu vermeiden, darf der Knoten nicht in
der Mitte des Fadenkreuzes liegen, sondern er muß über dem ersten Einstiche
geknüpft werden.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 1063
Die geringe Spannung der Wundränder gibt sich schon daran zu erkennen,
daß man dieselben mit viel geringerem Kraftaufwande zum Schluß bringt.
Fig. 1. Fig. 2.
—
A! i |
Let
Unter der Serosa mit dem Wundrande parallel
laufende Strecke des Fadens b.
B. Einstülpende Matratzennaht.
Die einstülpende Matratzennaht stellt gleichfalls eine Entspannungs-
nabt dar und kann bei Fisteln und Löchern des Darmes Verwendung finden.
Nachdem an beiden Ecken einer Darmfistel die Nähte gelegt — nicht geknüpft —
sind, führt man an der Stelle der größten Spannung je einen Faden zu beiden
Seiten der Fistel parallel mit dem Wundrand und ca. 1 cm von demselben ent-
fernt durch die Serosa-Muscularis ein und aus (vgl. Fig. 4 5 und b,). Darauf wer-
den die gegenüberliegenden Fadenenden b und b, zuerst auf der einen, dann auf
der anderen Seite zum Knoten vereinigt.
Man könnte die ganze Naht, ähnlich wie die Ringnaht, mit einem einzigen
Faden ausführen; die beiden Knoten haben jedoch den ganz bestimmten, für diese
Naht charakteristischen Zweck, ein Durchschneiden der Fäden leichter zu vermeiden.
Diese Naht stülpt ferner im Gegensatz zu der gewöhnlichen Matratzennaht
die Wundränder ein und vermag gerade dadurch der Neigung der Darmschleim-
haut zur Eversion zu begegnen.
om
1064 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39.
I. |
Aus dem neuen St. Johannis-Spital in Budapest. Direktor: Dr. Endre Ludvik.)
Über retrograde Darminkarzeration.
Von
Dr. Vilmos Manninger, suppl. Primararzt.
Ein Fall retrograder Darminkarzeration, den ich vor einigen Monaten beob-
achtete, bietet mir Gelegenheit, eine kurze Notiz den Ausführungen Dr. Emil
Haim’s (d. Bl. 1906 Nr. 35) anzuschließen.
Der Fall ist folgender: St. O., 56 Jahre, Taglöhner, aufgenommen am 14. April
1906. Rechtsseitiger, seit Jahren bestehender Leistenbruch. Anamnestisch nichts
Wichtiges. Vor 14 Stunden stellten sich starke Leibschmerzen ein, Erbrechen,
Stuhl- und Windverhaltung. Der Bruch vergrößerte sich. Taxisversuche negativ.
Der behandelnde Arzt sandte Pat. am nächsten Morgen in das Spital.
Elendes Allgemeinbefinden. Großer, prall-elastischer Leistenbruch rechts, auf
Druck nicht empfindlich. Bauchwand in der rechten Ileocoecalgegend bretthart
gespannt, auf Druck ungemein empfindlich. Leichte Dämpfung. Die Gegend der
Bruchpforte nicht besonders empfindlich. Temperatur 37,7°C. Puls 132, klein,
leicht unterdrückbar. Erbrechen fäkulent. Zunge trocken.
Die Differenz zwischen dem lokalen Befund und dem Allgemeinbefinden war
zu auffallend, um an eine einfache Inkarzeration denken zu können. Wahrschein-
lichkeitsdiagnose: Hernia incarcerata, Appendicitis destructiva.
Bei der sofort vorgenommenen Herniotomie (in Lumbalanästhesie) stellt sich
heraus, daß das Coecum und ein ca. 15 cm langes Ileumstück im Bruchsacke liegt.
Am Coecum starke Veränderungen, die Ileumschlinge mäßig verändert. In der
Bruchpforte liegt ein zweites, ca. pflaumengroßes, blauschwarzes, prall gefülltes
Stück Darm. Nach Erweiterung der Bruchpforte ergießt sich aus der Bauchhöhle
massiges, blutiges Exsudat. Erweiterung der Bauchöffnung. In unmittelbarer
Fortsetzung des erwähnten inkarzerierten Darmstückes folgt eine ca. 1 m lange
Dünndarmschlinge mit weit fortgeschrittener Gangrän. Die Schlinge liegt in der
Fossa coecalis (Waldeyer). Der Dickdarm zieht über dieselbe hinweg. Nach
Lösung der fibrinösen Verklebungen liegt ein ca. 11/; m langes Darmstück vor
uns (untere Ileumschlingen und Coecum), dessen größter Teil hochgradige Gangrän
aufweist. Ausnahme davon bildet bloß das ca. 15 cm lange, unterste Ileumstück,
welches im Bruchsacke lag, und dessen Fortsetzung bauchwirts. Resektion der
Dünndarmschlinge und des Coecum. Verschluß des Kolon, End-zu-Seit-Vereinigung
mit Naht. Zigarrettendrain in die Bauchhöhle, sonst Verschluß der Wunde.
Ungestörter Verlauf bis 2. Mai. Die per primam vereinigte Wunde zeigt an
der Stelle der Drainöffnung Rötung, Fluktuation; Fieber 39,7°. Sticheiterung.
Saugapparat nach Bier-Klapp, zweimal täglich 3><5 Minuten. Vom 4. Mai ab
glatter Verlauf. Am 23. Mai geheilt entlassen.
Interessant ist der Befund an den Schnürstellen. Im ganzen waren vier aus-
gesprochene Schnürringe vorhanden: einer am Coecum, einer an der zuführenden
Ileumschlinge, einer entsprechend dem Darmwandbruch, und einer an der im
Bauche befindlichen zuführenden Ileumschlinge, an der Eintrittsstelle in die Fossa
coecalis (Waldeyer). Besonders interessant war es, daß die aus der subcoecalen
Bauchfelltasche austretende Schlinge, die von dort in den Bruchsack eintrat, keinen
Schnürring aufwies und ähnliche Veränderungen zeigte als die im Bruchsacke selbst
befindliche Schlinge (der Beweis, daß nicht eine Incarceratio interna — in der
Bauchfelltasche — vorlag).
Entsprechend diesem Befunde waren bloß in dem der stark veränderten Schlinge
entsprechenden Mesenterium Thrombosen nachweisbar.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 1065
Der Fall beweist:
1) daß neben retrograder Inkarzeration starke Einklemmung einer oder beider
Schlingen im Bruchsacke zustande kommen kann (das Coecum und der Darmwand-
bruch zeigten beginnende Gangrän). Es gibt also »zwei Darmschlingen im ein-
geklemmten Bruche«. Daß hierbei den ernährenden Gefäßen eine eminent große
Rolle zukommt, liegt auf der Hand. Das rapide Auftreten der Gangrän kann man
bloß hiermit erklären.
2) daß die Erklärung Klauber'’s, Pupovac’s und Haim's nicht für alle
Fälle genügt. In unserem Falle war von der einen Schlinge bloß ein Stück Darm-
wand im Bruchsacke, die Mesenterialgefäße dieses Darmabschnittes also sicher
nicht tangiert. Und doch war die Gangrän besonders an dem sich hier an-
schließenden Darmteil am meisten vorgeschritten, während die unterste Ileum-
schlinge (die aus der Fossa coecalis austretende Schlinge) die am wenigsten ge-
schädigte war. Eine absolut einwandsfreie Erklärung dieser recht komplizierten
Verhältnisse zu geben, ist — glaube ich — nicht gut möglich. Doch spielt außer
der Beteiligung der Mesenterialgefäße sicher die Distension der Verbindungs-
schlinge eine große Rolle (im Sinne Kocher’s).
Disgnostisch wichtig halte ich für die Fälle retrograder Brucheinklemmung
das in sämtlichen publizierten Fällen besonders hervorstechende Verhalten der ent-
sprechenden Bauchhälfte. Stark gespannte Bauchmuskeln und intensivster Schmerz
auf Druck nebst mehr oder minder ausgeprägter Dämpfung sind die Kardinal-
.symptome (differentialdiagnostisch schwer abscheidbar Appendicitis destructiva cum
hernia incarcerata bei rechtsseitigem Leiden).
Die Divergenz des lokalen Befundes und der Allgemeinerscheinungen zwingen
uns das Messer in die Hand, so daß wohl kein denkender Arzt Taxis versuchen
wird.
Den Schlußsätzen Haim’s muß man in allem beipflichten.
26) Freie Vereinigung der Chirurgen Berlins.
157. Sitzung vom 9. Juli 1906.
Vorsitzender: Exz. v. Bergmann.
Exz. v. Bergmann: Fall von Ösophagusdivertikel.
v. B. berichtet über ein vor 4 Tagen operiertes Osophagusdivertikel, das an
der rechten Halsseite entwickelt und mit der Diagnose Struma zugewiesen worden
war; es bestand Kompression des Osophagus. Die Moglichkeit der Expression,
die Sondierung ergaben die Diagnose, die Aufnahme eines Rontgenbildes bei
Wismutfüllung gab über Größe und Lage des Divertikels eine richtige Vorstellung;
es erstreckte sich nicht hinter die Clavicula. _Exstirpation des Sackes bei ein-
geführter Sonde, sofort fortlaufende Naht des Ösophagus und Übernähung. Bisher
glatter Verlauf. 3 =
Herr Katzenstein: Über die Anderung des Magenchemismus nach
Gastroenterostomie, zugleich ein Beitrag zur Wirkung dieser Ope-
ration beim Ulcus ventriculi und Karzinom. .
K. hat, um die nach Gastroenterostomie eintretenden Anderungen des Magen-
chemismus zu studieren, bei einer Anzahl von Hunden Magenfisteln angelegt und
den diesen entnommenen Saft vor und nach der Gastroenterostomie auf seine
chemische Zusammensetzung und Verdauungskraft untersucht.
Folgende Tatsachen wurden gefunden:
1) Nach den verschiedenen Arten von Gastroenterostomie tritt reichlich Galle
und Pankreassaft in den Magen, zuerst dauernd, später bestimmten Phasen der
Verdauung folgend.
2) Durch das Einfließen alkalischen Darmsaftes wird die Azidität des Magen-
inhaltes wesentlich herabgesetzt, einmal infolge chemischer Umsetzung, dann auch
infolge geringerer Salzsäureproduktion; es besteht auch eine geringere Azidität in
Zeiten, wo Galle und Pankreassaft nicht im Magen nachweisbar sind.
1066 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39.
3) Pepsin wird wirkungslos in neutraler Reaktion; das Pankreastrypsin wird
durch vorübergehende saure Reaktion nur geschwächt; die Diastase und das Fett-
ferment wirken auch in schwach saurer Reaktion, allerdings schwächer als in
neutraler bzw. alkalischer. Daher ist die Verdauung nach Gastroenterostomie
wesentlich von den Pankreasfermenten abhängig.
4) Die Absonderung des Pankreassaftes und der Galle kann reflektorisch durch
Einbringen von Fett in den Magen erhöht werden.
6) Wir haben es daher in der Hand, die Azidität im Magen nach der Gastro-
enterostomie herabzusetzen.
K. erörtert den Einfluß, den man danach auf das Ulcus und Carcinoma ven-
triculi von der Gastroenterostomie zu erwarten hat.
Herr Wolff (Potsdam): Splenektomie bei Anaemia splenica in-
fantum gravis.
W. bespricht den Heilerfolg, den er bei einem 1!/sjährigen Kinde mit An-
semia splenica infantum gravis durch Exstirpation der Milz erreicht hat. Das
Kind war mit 1!/, Jahren unter zunehmender Kachexie erkrankt; die enorm ver-
größerte Milz füllte die linke, zum Teil die rechte Leibeshöhle aus; leichte Leber-
schwellung, geringer Ascites. Blutbefund: 467000 Erythrocyten, 37800 Leuko-
cyten. Unter den roten zahlreiche kernhaltige, Normo- und Megaloblasten, Poi-
kilooytose, polychromatophile Degeneration. Die Vermehrung der weißen betraf
die Lymphocyten mehr als die Polynukleären, die Mastzellen in geringerem Grade;
in jedem Gesichtsfeld einige eosinophile Zellen; leichte Rachitis. Danach war ein:
ungünstiger Verlauf sicher zu fürchten; deshalb Splenektomie, die bislang noch
nicht angewendet war, und die mit peinlicher Blutersparnis glatt ausgeführt wurde.
Der Effekt des Eingriffes, der ein 500 g schweres, 19: 11 cm großes, derbes Organ
zutage förderte, war frappant. Nach 10 Tagen Gewichtszunahme von 13 auf
15 Pfund, da die vorher daniederliegende Ernährung sich sehr günstig gestaltete;
die Zahl der roten Zellen war auf das Fünffache gestiegen, die Leukocyten be-
trugen 36000 (1:69 gegen vorher 1:12), Hämoglobingehalt 51% gegen vorher
40%. Der Erfolg hat Stand gehalten; jetzt, 1 Jahr p. op., wird das Kind in sehr
gutem Gesundheitszustande vorgestellt. Der Blutbefund ist allerdings noch nicht
völlig normal, 2665600 rote, 26800 weiße (1:103,; auch morphologisch ist das
Blutbild noch nicht normal. Das ausgezeichnete Allgemeinbefinden läßt aber die
Heilung gesichert erscheinen.
W. bittet wegen der prinzipiellen Wichtigkeit in gleichen und ähnlichen Fällen
von Anaemia splenica infantum (Anaemia pseudoleucaemica v. Jaksch's) in gleicher
Weise von der Splenektomie Gebrauch zu machen.
Diskussion. Herr Israel berichtet über einen Fall kürzlich von ihm er-
folgreich exstirpierter mannskopfgroßer Milzcyste bei einem jungen Manne, der
unter Schwindelerscheinungen und Magenbeschwerden (wahrscheinlich durch Blu-
tung in die Cyste) erkrankte und einen den Magen nach rechts verdrängenden,
den linken Rippenbogen vorwölbenden Tumor hatte, der als Milztumor oder Echino-
kokkus des linken Leberlappens zu deuten war; die Cyste enthielt 3 Liter bräun-
licher, cholestearinhaltiger Flüssigkeit. Nach der Operation trat eine auffallende
Erniedrigung der Pulsfrequenz ein, und die vergrößerte Schilddrüse schwoll auf-
fallend schnell ab; sie vergrößerte sich danach wieder etwas und blieb dann
stationär. I. erinnert an den Fall von Crede, wo nach Milzexstirpation bei
Anaemia splenica mit dem Schwinden der Anämie auch die vorherige Vergrößerung
der Schilddrüse schwand. Eine Zählung der Blutzellen hat in Is Fall erst vom
Tage nach der Operation an stattgefunden; vom 4. Tag an erfolgte eine absolute
Vermehrung der roten Zellen; während das Verhältnis der weißen zu den roten
zunächst 1:32 war, war es am 11. Tage 1: 500.
Herr Coenen: Osteoplastik bei Pseudarthrosen.
C. stellt zwei durch Osteoplastik geheilte Pseudarthrosen des Unterschenkels
vor. Das Müller’sche Verfahren der Autoplastik war hier nicht anwendbar
wegen der starken Atrophie des unteren Fragmentes, das nach oben spitz zulief.
Deshalb wurde das Verfahren von Reichel angewandt, das darin besteht, daß
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 1067
man einen breiten, gestielten Haut-Periost-Knochenlappen vom gesunden Schien-
bein auf die Pseudarthrose des anderen pflanzt. Im ersten Fall eines 9jährigen
Mädchens, das seit frühester Kindheit eine vielfach vergeblich operierte Pseud-
arthrose des linken Unterschenkels hatte, wurde am rechten Unterschenkel ein
Lappen mit lateraler Basis gebildet und dieser bei einwärts gerollten Beinen und
aufeinander gelagerten Unterschenkeln am äußeren Rande der die Pseudarthrose
des anderen Beines freilegenden Wunde fixiert. Erhaltung dieser Stellung im
Gipsverbande, dann Durchschneidung des Stieles und Überpflanzung des Lappens.
4 Wochen später wurde der gut granulierende Lappen in eine über der Pseud-
arthrose gemeißelte Knochenmulde der beiden Fragmente geklappt. Glatte Heilung.
Es bildete sich im Bereiche des Knochenlappens neuer Knochen, der die über
8 Jahre beweglich gewesenen Fragmente fest miteinander verschweißte. Nach
1/4 Jahr Entlassung mit Gehgipsverband; jetzt läuft die Pat. ohne Stützapparat
mit erhöhter Sohle. Der zweite Pat., ein lbjähriger Schüler, hatte eine ähnliche
Pseudarthrose, die in derselben Weise operiert wurde; auch hier trat völlige Hei-
lung und Konsolidation ein; Pat. kann über 3 Stunden ohne Beschwerden laufen.
Die recht beträchtliche Verkürzung blieb natürlich in beiden Fällen unbeeinflußt,
wurde aber leicht durch eine hohe Sohle korrigiert. (Demonstration der Röntgen-
bilder.)
Herr Schultze: Meniscusabreißung.
S. stellt einen operativ mit voller Funktion geheilten Fall von Zerreißung des
Meniscus medialis vor. Bei dem Pat., der sich die Verletzung zuzog, indem er
mit dem Knie nach innen in Valgusstellung bei stark auswärts rotiertem Unter-
schenkel umknickte, wurde ein zungenförmiger, 2 cm breiter, aus dem Knorpel
herausgerissener Lappen exstirpiert; nach 8tägiger Fixation in der Schiene Ex-
tension und Bewegungen; Entlassung nach 15 Tagen. Betreffs des Mechanismus
der Verletzung glaubt S. mehr an eine direkte Zerquetschung des Knorpels
(Schlatter), als an eine Zerreißung durch Zerrung an den Fixationspunkten der
Menisci an der Tibia (Bruns), die dort nur stattfinden könnte durch die Aus-
strahlungen der Sehnen in die Kapsel und die Menisci selbst, also für den Me-
niscus lateralis durch den Musc. popliteus und für den Meniscus medialis durch
den Musc. sartorius und semitendinosus.
Diskussion. Herr Wolff stellt einen frischen Fall von Meniscuszerreißung
im Kniegelenke vor; Herr Hoffa zeigt Röntgenbilder, die bei Sauerstoffeinblasung
von solchen Verletzungen aufgenommen sind.
Herr Sticker: Spontane und postoperative Implantations-
tumoren. |
S. bespricht die Entstehungsmöglichkeit sekundärer Tumoren durch Implanta-
tion von außen her. Die dagegen verschiedentlich erhobenen Bedenken sind durch
zahlreiche, mit Erfolg ausgeführte Geschwulstübertragungen widerlegt. Daß solche
Tumoren so selten vorkommen, dafür bat das Experiment Aufschluß gegeben. 1) Im-
plantiert man in ein Organ eine Anzahl Tumorzellen, so kommt es meist zur Aus-
bildung eines einzigen Knotens; dieser wächst nur durch Propagation; Metastasen
in benachbarten Lymphdrüsen oder entfernten Organen bleiben zuerst vollständig
aus. Bei doppelter Implantation, sei es in dasselbe oder in verschiedene Organe,
entsteht an jedem Ort ein solitärer Knoten. 2) Nach Entwicklung eines Implanta-
tionstumors gelingt eine zweite, dritte oder vierte Implantation nie. — Es ist also
eine simultane multilokuläre Implantation möglich, eine pluritemporäre erfolglos.
3) Bei Exstirpation des Implantationstumors gelingt eine Implantation an anderer
Stelle, dieselbe mag einfach oder multipel, an demselben Tag oder später vor-
genommen werden; sie ist auch erfolgreich, wenn an der ersten Implantationsstelle
absichtlich oder unabsichtlich von neuem implantierte Zellen ein Rezidiv entstehen
lassen. 4) Wird der Implantationstumor nur teilweise exstirpiert, und wächst das
zurückgelassene Stück unbehelligt weiter, so bleibt jede nachfolgende Implantation
ohne Erfolg. Damit stimmen die empirischen Beobachtungen bei spontan ent-
standenem Krebs überein; auch hier bleibt der maligne Tumor lange solitär, erst
später treten Tochtergeschwülste auf. Man sagt, Blut und Lymphe besitzen eine
1068 Zentralblatt fir Chirurgie. Nr. 39.
Zeitlang Eigenschaften, durch welche etwaige in sie gelangende Tumorzellen ver-
nichtet werden. S. hat diese Vorstellung dahin erweitert, daß der Geschwulst-
bildungsprozeß ein doppeltes Zonengebiet entstehen läßt, von denen die Tumor-
zone mit Angriffsstoffen erfüllt ist, welche seiner allmähligen Ausbreitung die Wege
ebnen, während die andere, das übrige Körpergebiet umfassende Zone mit Abwehr-
stoffen erfüllt ist. Solange diese Geschwulstzone und eine als Gegenwirkung sich
darstellende Immunzone vorhanden ist, solange wächst der Tumor zwar in seinem
Gebiete weiter, vergrößert auch sein Gebiet, die Entstehung aber eines zweiten
Tumors in entfernten Organen ist weder auf dem Blut- oder Lymphwege, noch
durch Implantation möglich. Dieser Spannungszustand kann plötzlich aufgehoben
werden, sei es durch spontanes Verschwinden der Antistoffe beim Eintritte der
Krankheit in die zweite Phase, die der allgemeinen Metastasierung, sei es durch
konsekutive Eliminierung nach operativer Entfernung des Primärtumors. S. ver-
sucht diese Vorstellung auf die sog. Impfkarzinome (Kontakt-, Narbenkarzinome
zu übertragen und ihre Entstehung durch Implantation verstehen zu lernen.
Diskussion. Herr Milner spricht sich gegen die Häufigkeit der Impf-
karzinome aus; bei der Mitteilung solcher Fälle habe es oft an der nötigen Kritik
gefehlt.
Herr Borchardt: Zur Operation retromaxillärer Tumoren.
B. bespricht die in den letzten Jahren in der v. Bergmann’schen Klinik zur
Operation gelangten Nasen-Rachentumoren einschließlich der breit aufsitzenden
Fibrome. Er erörtert die Nachteile und Vorteile der verschiedenen in Anwendung
gekommenen Operationsmethoden; bevorzugt wird in der v. Bergmann'schen
Klinik die Herstellung des Zuganges zum Operationsgebiete durch temporäre halb-
seitige oder auch doppelseitige Oberkieferresektion nach v. Langenbeck unter
Anwendung des Weber’schen Schnitte. Es werden mehrere mit gutem kosme-
tischen Resultate geheilte Pat. vorgestellt.
Diskussion. Herr Rotter empfiehlt die Anwendung der Kuhn’schen
Tubage bei derartigen Operationen.
Herr Rumpel: Knochentumoren im Röntgenbilde.
R. führt mit dem Projektionsapparat eine Anzahl Röntgenbilder der verschie-
densten Knochentumoren und sonstigen Knochenerkrankungen vor — Exostosen,
Cysten, Enchondrome, Sarkome, osteomyelitische, tuberkulöse Prozesse — und hebt
bei den einzelnen Affektionen die für dieselben charakteristischen Merkmale des
Ursprunges, der Begrenzung usw. hervor. Richard Wolff (Berlin).
27) A. Treutlein. Kriegschirurgisches aus Japan.
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 25.)
T. hat Gelegenheit gehabt, in den Hospitälern von Tokio einen Teil der dort
untergebrachten Verwundeten des letzten japanisch-russischen Krieges zu sehen
und sich davon zu überzeugen, daß die Wirkung des Infanteriegeschosses der
Russen und Japaner eine relativ humane gewesen war, während die Artillerie-
verletzungen einen schrecklichen Eindruck hervorriefen. Von neueren kriegs-
chirurgischen Erfahrungen hebt er die Operation traumatischer Aneurysmen, die
Erzielung tragfähiger Amputationsstümpfe und den Ersatz zerstörter Nervenpartien
durch Kalbsarterien hervor. Die Radikalexzision der Aneurysmen ergab günstige
Resultate in bezug auf das Ausbleiben von Gangrän, wenn etwa 14 Tage lang vor
der Operation täglich 2—3mal je eine viertel Stunde Digitalkompression der aneurys-
matischen Gefäßpartie vorgenommen war; hierdurch wurde die Herstellung eines
geregelten Kollateralkreislaufes ermöglicht. — Die Nachbehandlung von Amputa-
tionsstümpfen mittels Massage, Klopfen, Geh- und Stehübungen nach Hirsch
erhöhte die Tragfähigkeit derselben außerordentlich, Bemerkenswert ist besonders
der Erfolg in einem Falle von Amputation beider Oberarme und Oberschenkel;
der betreffende Offizier, der außerdem noch vier Brustschüsse erhalten hatte, konnte
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 1069
sich ohne fremde Hilfe in den als künstlicher Gliedersatz benutzten hohlen Holz-
säulen fortbewegen. — Die von Foramitti empfohlene (s. d. Bl. 1904 p. 1086)
Umschließung genähter Nerven mittels gehärteter Kalbsarterien hatte glänzende
Resultate durch Beseitigung der Lähmung und Atrophie. — Erwähnt sei schließ-
lich noch die erfolgreiche Verwendung von Perubalsam zur Vermeidung sekun-
därer Wundinfektionen. Kramer (Glogau).
28) Crile and Hill. Report of case of multiple giant cell sarcoma.
(Surgery, gynecology and obstetrics III, 1.)
Bei einem 22jährigen Mädchen, dessen Mutter syphilitisch war, fanden sich
Geschwülste an einer ganzen Anzahl Knochen in den verschiedensten Körper-
gegenden, die schon längere Zeit schmerzten. Von den Geschwülsten ragte nur
eine an dem linken Schambeine nach außen vor, während alle anderen durch syste-
matische Röntgenuntersuchung entdeckt wurden. Da antisyphilitische Kur erfolg-
los, wurde zunächst die größte Geschwulst des Schienbeines ausgemeißelt; nach
Heilung, die durch Jodkaligebrauch beschleunigt wurde, besserte sich das Allge-
meinbefinden sehr, während die Geschwülste teilweise wuchsen, wenn auch sehr
langsam. Später Spontanfraktur des rechten Oberschenkels. Untersuchung der
entfernten Geschwulst ergab Riesenzellensarkom. Die Röntgenbilder zeigten scharf
umschriebene Stellen in den befallenen Knochen, welche auf die Markhöhle be-
schränkt waren. Trapp (Bückeburg).
29) Moldovan. Über kongenitale Sarkom- und Fibrombildung der
Haut.
(Prager med. Wochenschrift 1905. Nr. 29 u. 30.)
Verf. beschreibt vier Fälle: 1) Ein halbmannsfaustgroßes, gestieltes, exkoriier-
tes, stark blutendes Spindelzellensarkom an der linken Wade eines neugeborenen
Knaben; 2) ein kavernöses Fibrom von Hühnereigröße in der Gegend des rechten
Warzenfortsatzes, das ebenfalls bei einem neugeborenen Knaben beobachtet wurde;
3: ein erbengroßes Fibrom des Nasenrückens bei einem 3jährigen Mädchen und
4) ein bereits einmal rezidiviertes Fibrom von Walnußgröße über dem rechten
äußeren Knöchel eines 7 Monate alten Knaben. Gutzeit (Neidenburg).
30) Köhler. Ein Fall von traumatischem Ödem.
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 25.)
Nach einem leichten Schlage des zweiten Fingers gegen die Tischkante, der
keine äußere Wunde, keinen Bruch oder Verrenkung zur Folge hatte, entwickelte
sich bei dem 21jährigen Mann, einem Phthisiker, eine hochgradige Anschwellung
der Hand und des Vorderarmes mit deutlicher Anästhesie des letzteren; nach
2 Monaten war die Gebrauchsfähigkeit des Armes noch nicht normal. Pat. hatte
4 Jahre vorher einen Hieb über den Kopf mit 2 Tage andauernder Bewußtlosig-
keit erlitten, so daß ein Zusammenhang dieser Verletzung mit der Lokalneurose
am Arme nicht auszuschließen war. Kramer (Glogau).
31) Chiari. Über einen Fall von urämischer Dermatitis.
(Prager med. Wochenschrift 1905. Nr. 36.)
Bei einer urämischen 30jährigen Frau wurden auf der Haut neben zahlreichen
Akneknötchen eigentümliche, bis kronenstückgroße, etwas erhabene, mehr oder
weniger scharf begrenzte, teils trüb braunrote, teils livid verfärbte Infiltrate beob-
achtet, die stellenweise zerfielen, sich mit Borken bedeckten und Eiter absonderten.
Sie hatten makroskopisch und histologisch große Ahnlichkeit mit den bei der Sek-
tion untersuchten Infiltraten der Mund-, Rachen- und Dickdarmschleimhaut. C.
fährt deshalb sämtliche Infiltrate auf die gleiche toxische Wirkung aus dem Harn
stammender, auf Haut und Schleimhaut ausgeschiedener Giftstoffe zurück.
Gutzeit (Neidenburg).
1070 Zentralblatt fir Chirurgie. Nr. 39.
32) Gilmer und Stegmann. Ein Universalröntgenuntersuchungstisch.
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. X. Hft. 1.)
Verf. hat einen neuen Tisch konstruiert, der sich insofern von den bisherigen
unterscheidet, als punctum fixum und mobile vertauscht sind; d. h. die Röhre ist
unbeweglich, das zu untersuchende Objekt dagegen beweglich. Auch besitzt dieser
Tisch den Vorzug, daß der Untersuchende den Strahlenwirkungen nicht ausgesetzt
ist, wie dies bei den Orthodiagraphen stets der Fall ist; auch ist der Tisch billiger
als das Holzknecht'sche Trochoskop.
Ein Mangel ist die Unmöglichkeit, im Stehen zu untersuchen.
Gaugele (Zwickau).
33) A. E. Stein (Wiesbaden). Plastische Röntgenbilder.
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 31.)
Eine plastische Kopie eines Röntgenogramms wird nach Schellenberg da-
durch erhalten, daß man von der Originalplatte ein Diapositiv herstellt, dieses, um
weniges verschoben, in nassem Zustande, Schicht auf Schicht, auf das Original-
negativ aufquetscht, trocknen läßt und dann die so hergestellte Doppelplatte
kopiert. S. gibt nun zur Vereinfachung des Verfahrens folgende Technik an:
Von dem Originalnegativ wird im Kopierrahmen eine Kontaktkopie auf Negativ-
bromsilberpapier fiir Gummidruck gemacht; das erhaltene Papierdiapositiv wird,
trocken geworden, durch Bestreichen der Riickseite mit einer Mischung von Rizi-
nusöl und Alkohol (1:2) transparent gemacht, nun im Kopierrahmen Schicht auf
Schicht mit der notwendigen Verschiebung auf das Originalnegativ gelegt, mit
photographischem Papier bedeckt und kopiert. Die erhaltene Kopie ist das fertige
plastische Röntgenbild. Was die praktische Bedeutung einer solchen angeht, warnt
S. vor Überschätzung derselben und vor Täuschungen in der Diagnostik bei An-
wendung der plastischen Röntgenphotographie. Kramer (Glogau).
34) Alexander. Erzeugung plastischer Röntgenbilder.
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. X. Hft. 1.)
Verf. hat in der Sitzung des zweiten Röntgenkongresses ein äußerst plastisches
Bild des Fußskelettes vorgezeigt, ohne aber über die Herstellung des Bildes ge-
nauere Angaben zu machen.
Die Erzeugung solcher plastischen Bilder beruht, wie Verf. heute angibt, auf
verschiedener Durchleuchtung des betreffenden Körperteiles mit nachfolgender
Kombination der Plattenbilder und den dieser Kombination folgendem Weiter-
verfahren. letzteres ist in dem Originale nachzulesen. Das vom Verf. beigelegte
Bild läßt sowohl die Knochen als auch die Weichteile sehr scharf und plastisch
hervortreten. Gaugele (Zwickau).
35) Fischer und Schou. Angiosarcoma maxillae inferioris, mit Röntgen-
strahlen behandelt.
(Nordisk Tidskrift for Terapi 3. Jahrg. p. 229.)
Die Verff. teilen einen Fall obiger Art mit, der ein 8jähriges Mädchen betraf,
das 4 Monate vor der Aufnahme eine Geschwulst an dem linken Kieferwinkel
zeigte, welche bei mikroskopischer Untersuchung eines exzidierten Stückes (Kiefer-
resektion wurde von den Eltern untersagt) sich als Angiosarkom erwies. Das Re-
sultat der Behandlung, das aus beigegebenen Photogrammen ersichtlich ist; war
ein überraschend günstiges: Zwar bildete sich eine Röntgendermatitis im Verlaufe
der Behandlung aus, aber diese heilte schließlich unter entsprechender Behandlung
vollständig; gleichzeitig fing aber die Geschwulst an, zu verschwinden, und war
zuletzt kaum mehr als eine Verdickung der Kiefer nachweisbar.
Die Beobachtung erstreckte sich über 2 Jahre. Zur Zeit der Publikation war
eine neue Verdickung bemerkbar; ob sie von einem Rezidiv oder einem durch-
brechenden Zahne herrührte, blieb unentschieden — jedenfalls wurde eine neue
Behandlungsperiode eingeleitet. Hansson (Cimbrishamn).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39. 1071
36) E. Deetz. Erfahrungen an 360 Lumbalanästhesien mit Stovain-
Adrenalin (Billon). (Aus der Rostocker chir. Klinik.)
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 28.)
Von den 360 Kranken (41 im Alter von 71!/,—14, 52 von 14—20, 149 von
20—40, 84 von 40-60, 16 von 65—70 und 13 von über 70 Jahren) hatten nach
den mit Lumbalanästhesie ausgeführten Operationen, über deren Art Tabellen
Aufschluß geben, 189 weder Neben- noch Nachwirkungen, 31 während der Opera-
tionen über Erbrechen oder Übelkeit zu klagen; 1 bekam einen Ohnmachtsanfall,
1 Pat. (von 72 Jahren) mit akuter Peritonitis starb im Anschluß an die Injektion
von 0,06 (!) Stovain an Atmungslahmung. An Kopfschmerzen litten 50, darunter
8 schwer, 1 Pat. über 14 Tage, ein anderer leidet noch jetzt schon seit 6 Wochen
daran. Unter weiteren 39 Fällen von Anästhesie bekam 1 Pat. am 13. Tage eine
Abducenslähmung. Bei Operationen an der unteren Extremität kamen auf 126
4 Versager, bei Bauchoperationen mußte in 23 Fällen noch die Allgemeinnarkose
hinzugefügt werden; auffallend gut vertrugen 9 Thoraxpatienten die Anästhesie.
Wiederholte bakteriologische Kontrolluntersuchungen des bezogenen Stovains, sehr
peinliche Technik nach Bier sind unbedingt notwendig. Kramer (Glogau).
37) E. Becker. Operationen mit Rückenmarksanästhesie. (Aus dem
städt. Krankenhause in Hildesheim.)
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 28.)
B. berichtet unter Beschreibung der Bier’schem Technik bei der Lumbal-
anästhesie über 135 Fälle, in denen er diese mit Stovain-Epirenan (Riedel) —
0,02—0,104 (!), im Durchschnitte mit 0,056 Stovain — ausgeführt hat. Neben-
erscheinungen waren nicht ganz selten, am häufigsten ein Zustand, dem der See-
krankheit ähnlich, Nachwirkungen (Erbrechen, Temperatursteigerungen, Nacken-
steifigkeit, Kopfschmerz) blieben meist aus, Imal trat Abducens- und Okulomotorius-
parese am 11. Tage auf, 2mal wurden bedrohliche Zustände beobachtet. In einer
Reihe von Fällen war die Anästhesie nicht vollständig; 12 waren Versager. Im
übrigen bestätigt B. das günstige Urteil anderer Chirurgen über die Stovain-
anästhesie. Kramer (Glogau).
38) F. König (Altona). Bleibende Rückenmarkslähmung nach Lumbal-
anästhesie.
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 23.)
Bei einem 35jährigen Manne mit subkutaner Zerreißung der Kniescheibe samt
Seitenbändern war am 8. Tage nach dem Unfalle zur Ausführung der blutigen
Naht die Lumbalanästhesie mit Riedel’schem Stovain (0,06!) in typischer Weise
ausgeführt worden. Seitdem kehrten die erloschenen Funktionen etwa vom Nabel
abwärts nicht mehr zurück; es blieb das ganze Gebiet nach unten vom 7. Dorsal-
wirbel tot wie bei einer Totalläsion des Rückenmarkes. Unter den gewöhnlichen
Folgeerscheinungen ging Pat. nach 3 Monaten zugrunde. In der durch Lumbal-
punktion gewonnenen Spinalflüssigkeit fanden sich vereinzelte rote Blutkörperchen,
wenige mono- und polynukleäre Leukocyten, keine Bakterien; die Obduktion ergab
auffallend starke Erweichung des Rückenmarkes, nirgends Eiterherde, keine eitrige
Meningitis, nur Verwachsungen. — Da eine Infektion auch nach dem Befund aus-
zuschließen war, muß angenommen werden, daß es sich um eine toxische Wirkung
des Stovain gehandelt hat. Kramer (Glogau).
39) M. Landow. Ein Fall von doppelseitiger Abducenslähmung, ver-
bunden mit außergewöhnlich heftigen und lange anhaltenden Nacken-
schmerzen nach Rückenmarksanästhesie.
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 30.)
Im vorliegenden Falle waren 2,5 ccm einer 5% igen Novokain-Suprareninlésung
zur Lumbalanästhesie verwendet worden (außerdem vorher eine Skopolamin-Morph.-
1072 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 39.
Injektion und wegen ungenügender Anästhesie Chloroformnarkose!); die Lähmung
stellte sich am 7. Tage nach der Operation (wegen Mastdarmfistel und Hämor-
rhoiden) ein, mit ihr die sehr heftigen Kopf- und Nackenschmerzen, die über
4 Wochen andauerten und sich immer nur bei Tieflagerung des Kopfes besserten.
| Kramer (Glogau).
40) P. Roeder. Zwei Fälle von linksseitiger Abducenslähmung nach
Rückenmarksanästhesie. (Aus der chir. Abteilung des Krankenhauses
der jüdischen Gemeinde zu Berlin. Prof. J. Israel.)
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 23.)
In den beiden Fällen war 0,04 g Stovain und 0,00013 g Epirenan in 1,25 ccm
Flüssigkeit in den Lumbalsack eingespritzt worden; die Abducenslähmung trat bei
beiden Pat. am 12. Tage p. op. auf, ging aber innerhalb weniger Wochen wieder
völlig zurück. Daß Blutungen im Kerngebiete des Abducens als Ursache der
Lähmung anzusehen seien, dagegen spricht das späte Auftreten der letzteren nach
der Spinalpunktion; viel wahrscheinlicher ist die Annahme einer toxischen Wir-
kung des Stovains auf den Abducens, der von jeher als ein Locus minoris resi-
stentiae angesehen worden ist. Kramer (Glogau).
41) F. Kuhn (Kassel). Technisches zur Bier’schen Stauung.
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 21.)
Die von K. empfohlene Stauungsklammer erlaubt, kurze Stücke von Gummi-
binden zu benutzen und den Druck genau zu dosieren und zu regulieren; sie
zeichnet sich durch Einfachheit der Konstruktion und Billigkeit des Preises aus.
— An den Saugglocken hat K. eine zweckmäßige Anderung angebracht; sie tragen
oben einen Stiel mit seitlichem Loch auf den ein dasselbe Loch führender konischer
Stopfen paßt. Auf diesen wird der Saugballon aufgestülpt, so daß das Loch im
Stopfen freibleibt; durch eine Drehung des Stopfens läßt es sich luftdicht ab-
schließen. Eine Marke an der Glocke bezeichnet die Richtung, wo das Loch in
der Röhre sitzt. Die Einrichtung ermöglicht es, mit einem Balle für viele Glocken
auszukommen. Kramer (Glogau).
42) K. Grube (Neuenahr). Die Anwendung der Hyperämie nach
Bier bei einigen Erkrankungen der Diabetiker.
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 29.)
G. ist in der Lage, im Gegensatze zu Colley über günstige Erfolge der
Saugbehandlung bei Furunkulose der Diabetiker zu berichten. Bei diabetischem
Fußgeschwür und umschriebener -gangrän brachte die heiße Luft, der der Fuß
täglich eine Stunde lang in einem Heißluftkasten ausgesetzt war (60—65° C.), den
Pat. große Linderung der Schmerzen und führte zu Heilung der Geschwüre.
Kramer (Glogau).
43) W. Uffenrode. Kritische Bemerkungen über die Sondermann’sche
Saugmethode bei Erkrankungen der Nasennebenhöhlen. (Aus der kgl.
Poliklinik für Ohren- und Nasenkranke in Göttingen.)
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 24.)
Auf Grund seiner klinischen Erfahrungen und Leichenuntersuchungen bestreitet
U., daß mit dem Sondermann’schen Verfahren das Sekret aus den Nasenneben-
höhlen vollkommen entfernt, eine genaue topische Diagnose gestellt, der Apparat
sicher sterilisiert werden könne. Bessere Resultate liefert bei gleichzeitiger Spü-
lung die Bier’sche Stauung bei akuten und subakuten Fällen.
Kramer (Glogau).
Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man
an Prof. B. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags-
handlung Breitkopf & Härtel, einsenden.
Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig, Nürnbergerstraße 36/38.
Zentralblatt
CHIRURGIE
| Bee uber
E. von Bergmann, T. König, E, ‚Richter,
in Berlin,
'Dreiunddreißigster Jahrgang.
Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei halbjähriger
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.
(Earn EEE EEE EEE EEE EEE EEE EEE TEE SEES
Nr. 40. Sonnabend, den 6. Oktober. 1906.
Inhalt: C. Lauenstein, Zur Bedeutung der spitzwinkligen Stellung des Kniegelenkes in
Fällen von Beugekontraktur des Hüftgelenkes durch schwere Koxitis. (Original-Mitteilung.)
1) Barthélemy, Kleinhirnerkrankungen. — 2) Brühl und Politzer, Obrenheilkunde. —
3) Krotoschiner, Einseitige Labyrintherkrankungen. — 4) Heine, Otogene Meningitis. —
5) Neumann, Antrotomien und Radikaloperation. — 6) Goyanes, Lidplastik. — 7) Kalllus,
Geruchs- und Geschmacksorgan. — 8) Onodi, Die Nasennebenhöhlen. — 9) Schmiegelow,
Nasen- und Augenkrankheiten. — 10) Onodi und Rosenberg, 11) Brindel, 12) Mouret und
Toubert, 13) Heermann, 14) Börger, Krankheiten der Nase und ihrer Nebenhöhlen. —
15) Broca, Angeborene Halsfistel. — 16) Gerhardt, Speiseröbrenstenose. — 17) Sauerbruck
und Hascker, Cardiaverschluß der Speiseröhre.
Lengfellner, Kurze Mitteilung über Versuche mit Zelluloideinlagen in Verbindung mit
Filz und Gummi. (Original-Mitteilung.)
18) Schmieden, Zur Hyperämiebehandiung des Kopfes. — 19) Valentin, 20) Hoffmann,
21) Henrici, 22) Heine, 23) Freytag, Otologisches. — 24) Koelireutter, Extraktion eiserner
Fremdkörper aus Nase und Ohr. — 25) Doering, Schiefhals. — 26) Opokin, Retropharyngeal-
abszesse. — 27) de Riba, Resektion der großen HalsgefiBe und des Vagus. — 28) Kobylinski,
Kehlkopfpapillome. — 29) Cohn, Thymustod. — 30) Castex, Tracheotomie.
Zur Bedeutung der spitzwinkligen Stellung des
Kniegelenkes in Fällen von Beugekontraktur des
Hüftgelenkes durch schwere Koxitis.
Von
Oberarzt Dr. Carl Lauenstein in Hamburg.
Es gibt selbst in den großen Städten heutzutage noch Fälle
schwerer Koxitis, die dem Chirurgen erst zu Gesichte kommen, nach-
dem sie schon ein oder mehrere Jahre bestanden haben. Das hervor-
stechendste Symptom dieser längere Zeit unbehandelten oder doch
längere Zeit ohne Extension gebliebenen Fälle ist die Beugekontraktur
des Hüftgelenkes, meist verbunden mit Adduktion und Innenrotation
40
1074 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40.
wechselnden Grades. Die Kinder, die diese Stellung der kranken
Hüfte bieten, haben für gewöhnlich dauernd auf der gesunden Seite
gelegen, das erkrankte Bein ist durch sein Eigengewicht, abgesehen
von der Beugung, herangezogen und nach innen gedreht. Macht man
an diesen Kranken die Thomas’sche Probe, indem man den gesunden
Oberschenkel so stark wie möglich beugt, so tritt der Grad der Beuge-
kontraktur auffällig hervor. Je stärker die Beugung des erkrankten
Hüftgelenkes, desto stärker beugt sich das gleichseitige Knie. Bei
. starker Beugekontraktur des Hüftgelenkes steht nicht selten das zu-
gehörige Knie in spitzem Winkel. Diese spitzwinklige Stellung des
Kniegelenkes ist abhängig von der Erschlaffung des Streckapparates
des Unterschenkels, andererseits direkt veranlaßt durch die Anspan-
nung der Unterschenkelbeuger. Um so merkwürdiger ist es, daß eine
unangenehme gelegentliche Folge dieses Abhängigkeitsverhältnisses der
Stellung zwischen Hüft- und Kniegelenk in den bekannten Lehr- und
Handbüchern der Chirurgie und Orthopädie keine Erwähnung findet.
Vielleicht hängt dies damit zusammen, daß in der Tat einzelne Chi-
rurgen die starke Beugekontraktur nur selten oder vielleicht nie ge-
sehen haben. Wo die Koxitis frühzeitig durch Extension oder mit
Gipsverband (bei gestrecktem Knie) behandelt wird, da kommt es
weder zu den stärkeren Graden der Beugekontraktur am Hüftgelenke,
noch zu der entsprechenden Beugestellung des zugehörigen Knie-
gelenkes.
Ist diese Beugekontraktur des Hiiftgelenkes durch eine schwere
ostale Tuberkulose mit Abszeßbildung verursacht, so wird eine ratio-
nelle Behandlung nur in der Entfernung alles Erkrankten — also der
Resektion — bestehen können. Hat man bei der Operation nun so
viel vom oberen Femurende entfernt, daB es gelingt, den Oberschenkel
in die Stellung zu bringen, d. h. zu strecken resp. zu abduzieren, so
ist damit nur die fehlerhafte Stellung des Hüftgelenkes, nicht aber
die Beugestellung des Kniegelenkes beseitigt. Gerade diese Schwierig-
keit, die in der Beugestellung des an sich gesunden Kniegelenkes liegt,
die eine, wenn auch sekundäre, aber doch nicht unwesentliche Bedeu-
tung hat, finde ich in der Literatur nirgends erwähnt. Ich möchte
daher die Aufmerksamkeit darauf lenken.
Diese Beugestellung des Knies, bedingt durch die lange Zeit
fortgesetzte einseitige Innervation der Beugemuskulatur des Unter-
schenkels, bei fehlendem Gegenzuge der Streckmuskeln, ist oft so fest,
daß sie nicht rasch nachgeben kann. Wer nun nach der Resektion
der kontrakturierten Hüfte, in der Überzeugung, die Ursache der
Kontrakturstellung beseitigt. zu haben, das Bein, also auch das Knie-
gelenk gleich zu strecken sucht, sei es um Extension oder Gipsverband
anzulegen, der kann die unangenehme Erfahrung machen, daß der
durch den langen Nichtgebrauch atrophierte Oberschenkelknochen ein-:
bricht. Und zwar tut er dies immer nur an einer bestimmten Stelle,
das ist die Gegend der unteren Epiphysenlinie. Es tritt hier durch
die Hebelwirkung des passiv gestreckten Unterschenkels plus der spitz-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40. 1075
winklig oder überhaupt nur winklig mit ihm im Kniegelenk verbun-
denen unteren Femurepiphyse eine traumatische Epiphysenlösung ein.
Es sei mir gestattet, ein kürzlich erlebtes Beispiel anzuführen,
das mir eine bereits weiter zurückliegende Erfahrung wieder lebhaft
in die Erinnerung rief:
bjähriger Knabe R. M., seit 3 Jahren an rechtsseitiger Koxitis leidend, zeigt
rechtwinklige Beugekontraktur des Oberschenkels verbunden mit einer Adduktions-
stellung von etwa 20 und einer Innenrotation von etwa 15°. Großer Trochanter
3cm über der Nelaton’schen Linie. Im oberen Drittel des Oberschenkels, nach
außen vom Sartorius, eine länglich ovale, undeutlich fluktuierende Schwellung
(Senkung). Passive Streckung des Oberschenkels unmöglich, Gelenk auf Druck sehr
schmerzhhaft. Spitzwinklige Stellung des rechten Knies.
Bei der Operation wurde erst der Senkungsabszeß geöffnet. Der seröse Eiter
enthielt zahlreiche reiskörperchenähnliche Fibringerinnsel.e. Durch einen feinen
Kanal stand er mit der Hinterseite des Gelenkes in Verbindung. Das Gelenk zeigte
schwere Zerstörung, indem der Kopf schon größtenteils fehlte und der Knorpel
des oberen Pfannenabschnittes vollkommen zerstört war. Um die Beugekontraktur
beseitigen zu können, mußte der Femurschaft noch 2 cm unterhalb des großen
Trochanter abgetragen werden. Der das Bein dirigierende Assistent übte wohl
nur einen mäßigen Zug am Unterschenkel aus, aber er reichte hin, den Schaft
des Femur in der Epiphysenlinie einzuknicken. Anlegung eines Gipsverbandes bei
gestrecktem Hüft- und nahezu rechtwinklig gebeugtem Kniegelenk.
Noch ein anderes Beispiel füge ich an, das ich schon vor 7 Jah-
ren erlebte:
Knabe O. F. operiert am 31. Januar 1900. Seit etwa 11/2 Jahren krank.
Linker Oberschenkel in extremer Beugestellung bei geringer Außenrotation. Großer
Trochanter 2 cm über der Nelaton’schen Linie. Im Gelenke breiiger Eiter, Kopf
in seinem oberen Teile fast vollkommen zerstört. In der Pfanne der Knorpel ge-
löst. Großer Trochanter mit fortgenommen. Richtigstellung des Oberschenkels,
volle Streckung und mäßige Abduktion. Es zeigt sich, daß bei den Manipula-
tionen des Beines die untere Femurepiphyse sich gelöst hat, weil das
Knie auch spitzwinklig stand. Gipsverband.
Dies Ereignis der Infraktion des J— an oder dicht
über der unteren Epiphysenlinie ist eine Folge der beiden zusammen-
wirkenden Ursachen, der sekundären Beugestellung des Knies und
der Atrophie des Knochens, die ihrerseits wieder hervorgerufen und
begünstigt wird durch den langen Nichtgebrauch der Extremität. Man
wird ihm nur dadurch vorbeugen können, daß man zunächst nach der
Resektion lediglich die abnorme Stellung des Oberschenkels korrigiert
und das Kniegelenk fürs Erste in seiner alten Stellung läßt. Zu
diesem Zwecke wird man den Verband, den man wählt, sei es der
Streck- oder Gipsverband, zunächst bei gebeugtem Kniegelenk anlegen
müssen.
In allen den Fällen, wo die Einknickung des Femur eintritt, wird
man zweckmäßigerweise sich zur Nachbehandlung des gefensterten
Gipsverbandes bedienen. Einen Nachteil habe ich bei dem zweiten meiner
angeführten Fälle von der akzidentellen Verletzung nicht gesehen,
vielmehr ist das Femur ungestört zur Konsolidation gelangt.
40*
1076 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40.
1) M. Barthélemy. De la valeur du syndrome cérébelleux
et en particulier des troubles oculaires.
(Arch. prov. de chir. 1906. Nr. 5 u. 6.)
B. hat aus der Literatur 61 einwandsfreie Fälle von Kleinhirn-
affektionen auf den Wert der sog. Kleinhirasymptome durchforscht
und als Resultat seiner Untersuchung gefunden, daß es keine für
Kleinhirnaffektionen typische Symptome gibt. Diagnostisch am wich-
tigsten sind, wo sie vorhanden, die Augensymptome — einseitiger
Strabismus, Stauungspapille. Doch fehlen sie leider häufig. Vier
Fälle, die klinisch als Kleinhirnerkrankungen imponierten, beschreibt
Verf., doch konnte in keinem der strikte Nachweis geführt werden,
daß das Kleinhirn wirklich der Sitz der Krankheit war. In dem
einen Falle, der zur Operation kam, wurde das Kleinhirn gesund ge-
funden. Müller (Dresden).
2) G. Brühl unter Mitwirkung von A. Politzer. Grundriß
und Atlas der Ohrenheilkunde. 2. Aufl. 1905.
(Lehmann’s med. Handatlanten Bd. XXI.)
Die Vorzüge der meisten Lehmann’schen Atlanten: ausgezeich-
nete Abbildungen, begleitet von einem trotz der Knappheit inhaltreichen
Text, sind allgemein anerkannt. Das vorliegende B.’sche Buch besitzt
diese Eigenschaften in ganz besonderem Maße; daß es nach wenigen
Jahren in zweiter Auflage erscheint, beweist am besten, daß es auch
entsprechende Verbreitung gefunden hat.
Das Werkchen besteht aus zwei Teilen: dem eigentlichen,
47 Tafeln mit 265 farbigen Abbildungen enthaltenden Atlas, und dem
347 Seiten mit 163 Textbildern umfassenden Grundriß. Letzterer
erscheint in der neuen Auflage zum Teil völlig umgearbeitet, ersterer
um 8 Tafeln vermehrt. Die Ergebnisse der letzten Jahre auf dem
Gebiete der Pathologie und Ohrchirurgie sind ausführlich berücksichtigt.
Hinsberg (Breslau).
3) Krotoschiner. ber den Nachweis von Gleichgewichts-
störungen bei einseitigen Labyrintherkrankungen.
(Zeitschrift für Obrenheilkunde Bd. LI. p. 396.)
Nach Operationen am Ohr sieht man nicht selten plötzlich eine
tödliche Meningitis einsetzen, deren Ausgangspunkt meist, wie wir
durch neuere Forschungen wissen, eine nicht diagnostizierte Labyrinth-
eiterung bildet. Diese Erfahrung einerseits, andererseits die Tatsache,
daß wir die Gefahren der Labyrintheiterung durch operative Eröffnung
des inneren Ohres sehr herabmindern können, machen es dringend
wünschenswert, daß möglichst vor jeder Ohroperation festgestellt wird,
ob und wie weit das Labyrinth erkrankt ist.
Die Diagnose ist leicht, wenn zur Zeit der Untersuchung typi-
sche Reizsymptome: Schwindel, Nystagmus neben Taubheit bestehen.
Diese Reizsymptome können jedoch, wenn sie überhaupt vorhanden
Zentralblatt für Chirurgie Nr. 40. 1077
waren, völlig schwinden, in anderen Fällen sind sie überhaupt nicht
vorhanden gewesen oder wenigstens nur schwach ausgebildet. Gerade
diese »latenten« Labyrintheiterungen sind aber anscheinend die ge-
fährlichsten. K. hat sich deshalb die Aufgabe gestellt, zu unter-
suchen, wie weit sich bei solchen Fällen schon vor der Operation die
Labyrintherkrankung erkennen läßt.
K. hat zu diesem Zwecke 14 Pat. der Breslauer Ohrenpoliklinik,
bei denen eine einseitige Labyrinthaffektion vorlag, sehr genauen
Gleichgewichtsprüfungen unterzogen. Untersucht wurde die Fähigkeit
der Gleichgewichtserhaltung auf horizontaler und auf schiefer Ebene,
ferner die Fähigkeit, mehr oder weniger komplizierten Gang bezw.
Hüpfversuche auszuführen, teils mit offenen, teils mit geschlossenen
Augen. Dabei ließen sich bei fast sämtlichen Pat. deutliche Aus-
fallserscheinungen nachweisen, d. h. sie konnten Ubungen, die der
normale Mensch ohne Schwierigkeit ausführt, gar nicht oder nur
schlecht ausführen. ;
Ferner wurden bei denselben Personen Versuche auf der Dreh-
scheibe vorgenommen, um festzustellen, wie weit der bei normalen
Menschen dabei auftretende Drehschwindel und Nystagmus durch
einseitige Labyrintherkrankung beeinflußt wird. Dabei wurden typische
Störungen, wie man sie nach den Mitteilungen anderer Untersucher
hätte erwarten können, nicht gefunden.
Eine genaue Analyse des Hörvermögens ergab in der Regel Taub-
heit auf dem labyrinthkranken Ohre, doch war bei einzelnen Pat. mit
sicherer Erkrankung des Vestibularapparates noch ein mehr oder
weniger großer Hörrest vorhanden — ein Beweis dafür, daß bei der
Erkrankung von Vestibulum und Bogengängen die Schnecke verschont
bleiben kann (umschriebene Labyrintheiterung).
K. kommt zu dem Schlußresultat, daß sich auf Grund der stati-
schen Ausfallserscheinungen und der Hörstörung in der Regel auch
die latente Laby:inthitis ziemlich sicher diagnostizieren läßt. Der
Arbeit sind einige 'l'afeln mit »Ichnogrammen«, d.h. Aufzeichnungen
der Gangspur labyrinthkranker Pat., die deutliche Störungen erkennen
lassen, beigegeben. Hinsberg (Breslau).
4) B. Heine. Die Prognose der otogenen Meningitis.
(Berliner klin. Wochenschrift 1906. Nr. 4.)
Die Prognose der Meningitis serosa bzw. der Meningo-Encephalitis
serosa ist eine günstige, wenn bei Erkrankung des Schläfenbeines der
operative Eingriff rechtzeitig gemacht wird. Von der abgekapselten
Form der eitrigen Meningitis sind sicher schon Fälle geheilt worden,
von der akut fortschreitenden wahrscheinlich ebenfalls. Jedenfalls ist
es mit größter Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß sie heilbar ist.
Die Prognose der allgemeinen eitrigen Meningitis ist absolut ungünstig.
Langemak (Erfurt).
1078 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40.
5) H. Neumann. Antrotomien und Radikaloperationen in
Lokalanästhesie.
(ZeitschrifY für Ohrenheilkunde Bd. LI. p. 178.)
Die Freilegung des Antrum mastoideum läßt sich nach subkutaner
und subperiostaler Kokainlösung mit Adrenalinzusatz (verwendet wur-
den von N. 5 ccm 1%iger Kokainlösung + 12 Tropfen Adrenalin
+ 3 ccm physiologischer NaCl-Lösung) völlig schmerzlos ausführen.
Auch die Radikaloperation verläuft unter Lokalanästhesie schmerzlos,
wenn der Gehörgang infiltriert wird. |
N. gibt genaue Vorschriften fiir die Erzielung der lokalen An-
ästhesie. Hinsberg (Breslau).
6) Goyanes. Fridioplastia. Nueva operacion reparadora..
(Rev. de med. y cirurg. pract. de Madrid 1905. Nr. 901.)
G. empfiehlt eine plastische Operationsmethode zum Ersatze des
oberen Augenlides, die er Phridioplastie nennt, von »weıdıog« Augen-
braue und nAcossıv. Dieselbe besteht darin, daß ein gestielter Lappen
mit der Basis an der Nasenwurzel aus der Haut oberhalb der Augen-
braue der gesunden Seite gebildet und durch Stieldrehung auf die
kranke Seite verlagert wird. Der entstehende Defekt wird sekundär
durch Lappenverschiebung aus der Stirnhaut gedeckt. — Die Resul-
tate sind nach beigefügten Bildern recht gut. Stein (Wiesbaden).
7) E. Kallius. Geruchsorgan (Organon olfactus) und Ge-
schmacksorgan. 2708. 110 Abbildungen im ‘Text.
Jena, Gustav Fischer, 1905.
Das K.’sche Werk bildet die 13. Lieferung des Handbuches der
Anatomie des Menschen, herausgegeben von Bardeleben.
Der größere Teil ist der Nase gewidmet (242 S.). In ihm ist die
makroskopische und mikroskopische Anatomie der Nase und ihrer
Nebenhöhlen, wie ihre Entwicklung ausführlich besprochen. Für den
Chirurgen dürfte in erster Linie das die Konfiguration der Nasenhöhle
selbst und die der Nebenhöhlen enthaltende Kapitel von Interesse sein.
Von den Abbildungen seien besonders die Reproduktionen von Me-
tallkorrosionspräparaten der gesamten Nasenhohlräume, von v. Brunn
stammend, hervorgehoben; sie sind außerordentlich instruktiv. Ferner
sei auf das Kapitel über die Entwicklung und vergleichende Anatomie
der Nase hingewiesen, in dem die Forschungen der letzten Jahre aus-
führliche Berücksichtigung gefunden haben.
Der Abschnitt über das Geschmacksorgan behandelt in der Haupt-
sache den mikroskopischen Bau der verschiedenen, den Geschmack
vermittelnden Organe. Hinsberg (Breslau).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40. 1079
8) Onodi. Die Nebenhöhlen der Nase.
Wien, A. Hölder, 1905.
Die letzten Jahre haben uns eine Reihe ausgezeichneter anatomi-
scher Darstellungen von Nase und Nasennebenhöhlen gebracht; ich
erinnere nur an die Werke bzw. Atlanten von Zuckerkandl, Hart-
mann und Killian. Das vorliegende Werk reiht sich diesem würdig
an Auf 124 Tafeln in Großquartformat sind fast ebensoviel ana-
tomische Präparate in mustergültiger Weise reproduziert, durchgehends
in natürlicher Größe und meist nach photographischen Aufnahmen;
ein kurzer Begleittext hebt jeweils die wichtigen Punkte hervor. Die
Abbildungen wirken fast sämtlich außerordentlich plastisch. Durch
geschickte Schnittführung und geeignete Präparationsmethoden (auch
die im Killian’schen Atlas verwandte Präparation der durch Formalin
gehärteten Nebenhöhlenschleimhaut wurde zum Teil benutzt) ist es
dem Autor gelungen, auch sehr komplizierte Verhältnisse ‘klar zu
illustrieren. Besonderer Wert ist auf die Darstellung der topographi-
schen Beziehungen zwischen Nase und den benachbarten Organen
gelegt, ebenso auf die der zahlreichen Variationen. Einige typische
Operationen (Eröffnung der Stirn- und der Kieferhöhle) sind durch
Serien von Figuren erläutert.
Der Atlas kann demnach warm empfohlen werden. Der Preis
(4 20) ist in Anbetracht der vorzüglichen Ausstattung nicht hoch zu
nennen. | Hinsberg (Breslau).
9) E. Schmiegelow. Beitrag zur Beleuchtung der Be-
ziehungen zwischen Nasen- und Augenkrankheiten.
(Archiv für Laryngologie Bd. XVIII. Hft. 3.)
Im Anschluß an zwei bemerkenswerte Beobachtungen und unter
Anführung der neuesten Literatur über den in Rede stehenden Gegen-
stand empfiehlt S. energisch und nach Ansicht des Ref. mit vollem
Recht ein viel innigeres Zusammenarbeiten zwischen Ophthalmologen
und Rhinologen. Nicht nur die Fälle, wo dem Pat. Nasenbeschwerden
zum Bewußtsein kommen, nein alle diejenigen, welche überhaupt für
die Möglichkeit eines Zusammenhanges in Betracht kommen, gehören
vor das Forum der Rhinologie. Jeder erfahrene Nasenarzt weiß heut-
zutage, eine wie minutiöse Untersuchung dazu gehört, um latente Eite-
rungen der hinteren Nebenhöhlen — und gerade diese kommen vornehm-
lich in Betracht — zu diagnostizieren. Der Fortschritt, welchen die
Erkenntnis und Behandlung der Nebenhöhleneiterungen gerade in den
letzten Jahren gemacht, wird sich auf diesem Gebiete immer mehr
bemerkbar machen, und es ist vor allem unsere Aufgabe, die Allge-
meinheit der Augenärzte darauf hinzuweisen.
= Im ersten Falle handelte es sich um eine retrobulbäre Neuritis,
die sich im Anschluß an eine akut entstandene Entzündung im Sinus
sphenoidalis und in den Cellulae ethmoidales entwickelte. H. war auch
hier erstaunt über das Mißverhältnis, das zwischen dem ante- und
1080 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40.
postoperativen Bilde der Nasenhöhle bestand. Erst nach Eröffnung
der Höhlen trat die reichliche Eiterung zutage.
Im zweiten Falle wurde eine doppelseitige Neuritis optica, die
sich im Laufe von 21/, Jahren entwickelt hatte, durch Eröffnung eines
doppelseitigen Keilbein-Siebbeinempyems wesentlich gebessert.
F. Alexander (Frankfurt a. M.).
10) Onodi und Rosenberg. Die Behandlung der Krank-
heiten der Nase und des Nasenrachens.
Berlin, Oscar Coblentz, 1906.
In den rhinologischen Unterrichtskursen werden, wie die Verf.
beobachtet haben, in der Regel die Untersuchungstechnik und die
Erkennung der Nasenkrankheiten in erster Linie berücksichtigt,
während die Therapie meist kürzer behandelt wird.
Das vorliegende Buch soll die dadurch entstehende Lücke aus-
füllen. Es setzt deshalb die Diagnostik im allgemeinen als bekannt
voraus, um einen möglichst umfassenden Überblick über die heute
gebräuchlichen rhinologischen Behandlungsmethoden zu geben.
Dieser Zweck ist von Verff. in ausgezeichneter Weise erreicht,
das Buch kann deshalb jedem, der Rhinologie betreibt, bestens
empfohlen werden. Es ist anregend geschrieben, die eigene An-
schauung der Autoren, die auf jahrelangen Erfahrungen basiert, ist
überall klar zum Ausdruck gebracht.
Besonders angenehm berührt den Ref. der gemäliigt konservative
Standpunkt und die strenge Indikationsstellung bei endonasalen Ein-
griffen, vor allem auch bei der Behandlung der Nebenhöhlenerkran-
kungen. Gerade das ist ein Gebiet, auf dem heute durch kritikloses
Operieren viel gesündigt wird.
Die Ausstattung des Buches ist gut. Die Abbildungen, die zum
Teil dem O.’schen Atlas (Nebenhöhlen der Nase) entnommen sind,
sind instruktiv. Hinsberg (Breslau).
11) Brindel. Paraffine solide et paraffine liquide dans la
prothese nasale.
(Revue hebdom. de laryngol., d’otol. et de rhinol. 1906. Nr. 23.)
Die Anwendung soliden oder, wie Verf. sagt, halbflüssigen Paraf-
fins, wie es Broeckaert empfohlen, und das überall viel Anklang
gefunden hatte, weil die Unzuträglichkeiten des warmen Einspritzens
wegfielen, möchte Verf. nur bei subkutaner Einverleibung oder bei
nicht atrophischer Schleimhaut gelten lassen. Bei Atrophie übt das
kalte Paraffin bei seiner geringen Ausbreitungsfähigkeit einen zu starken
Druck auf einen ganz beschränkten Raum aus und führte zweimal zu
einer Nekrose der darüber liegenden Schleimhaut. Daher empfiehlt
Verf., die Verwendung kalten Paraffins auf äußere Deformitäten und
Fälle von »Üoryza spasmodique« zu beschränken.
_ F. Alexander (Frankfurt a. M.).
Zentralblatt fiir Chirurgie. Nr. 40. 1081
12) J. Mouret et J. Toubert. Traitement des déviations de
la cloison des fosses nasales.
‘Revue hebdom. de laryngol., d’otol. et de rhinol. 1906. Nr. 20.)
Die vervollkommnete Technik dieser Operation durch das von
Killian modifizierte Krieg’sche Verfahren hat der Verbiegung der
Nasenscheidewand in den letzten 2 Jahren sehr viel Beachtung ge-
bracht. Man hat besser gelernt, die einzelnen Arten der Verbiegungen
nach ihrer Form und der Beteiligung der einzelnen in Betracht kom-
menden Komponenten (Knorpel, Vomer, Lamina perpendicularis) ge-
nauer zu klassifizieren. Eine derartige Übersicht in anatomischer
Hinsicht geben auch die Verff. und fügen dem eine Art historischer
Übersicht über die jeweils bei den einzelnen Formen angewandten
Verfahren bei. Die wichtigsten Verbiegungen werden genauer erläu-
tert und ihre Behandlung an der Hand von Zeichnungen beschrieben.
Im allgemeinen. zeigt sich, daß wir in der submukösen Resektion ein
geradezu universelles Verfahren besitzen, das wohl bald alle anderen
Methoden verdrängt haben dürfte. Verff. beschreiben ihre Technik;
sie ziehen zur Durchtrennung der Schleimhaut den Galvanokauter vor
und halten. (wie Ref.)"das Killian’sche Spekulum für unnötig. Falls
nicht zwingende Gründe vorliegen, operieren sie nicht vor dem
15. Lebensjahre. F. Alexander (Frankfurt a. M.).
4
13) Heermann (Essen). Zur konservativen Behandlung der
Nasennebenhöhleneiterungen.
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 24.)
Bei akuten Oberkieferhöhleneiterungen, die stinkend werden,
durchstößt H. die seitliche Wand des unteren Nasenganges und führt
einen 6— cm langen Seidenkatheter in die Oberkieferhöhle ein, durch
den letztere ausgespült wird. Bei den chronischen Eiterungen muß
eine breite Kommunikation zwischen Kieferhöhle und Nase geschaffen
und zu diesem Zwecke die intranasale Entfernung der seitlichen Wand
des unteren Nasenganges nach Aufklappen der unteren Muschel vor-
genommen werden; nach dem Eingriff wird Oberkieferhöhle und un-
terer Nasengang mit Vioformgaze tamponiert, nach 4 Tagen der
Tampon gewechselt, die untere Muschel in ihre alte Lage zurück-
gebracht und durch einen Tampon festgehalten. Mit der Entleerung
des Eiters bildet sich die wulstige Schwellung der Kieferhöhlen-
schleimhaut bald wieder zurück; eine Auskratzung derselben ist, sofern
nicht ausgedehntere Karies der Wände besteht, überflüssig und eher
nachteilig. — Zur Eröffnung der Keilbeinhöhle und des Siebbein-
labyrinths bedient sich H. mit bestem Erfolg einer besonders kon-
struierten (H. Pfau, Berlin) Zange mit verschiedenen Ansätzen. Die
Stirnbeinhöhle eröffnet er nach Abtragung des vorderen Endes der
mittleren Muschel von dem ausgeräumten Siebbeinlabyrinth aus, wobei
die Stirnzellen nach vorn eingedrückt werden. — Für die Nach-
1082 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40.
behandlung kommt die Saugmethode mit dem Muck’schen Saug-
gläschen in etwas modifizierter Form mit größtem Nutzen in Anwen-
dung. Kramer (Glogau).
14) Börger. Bisherige Erfahrungen mit einer Modifikation
der Friedrich’schen Operation der chronischen Kiefer-
höhlenempyeme.
(Archiv für Laryngologie Bd. XVIII. Hft. 3.)
Im vergangenen Jahre hatte Denker im Archiv für Laryngo-
logie eine Kombination der Luc-Bönninghaus’schen Methode mit
der von Kretschmann und Friedrich publiziert, über die Ref.,
bereits auf eigene Erfahrungen gestützt, in diesem Zentralblatte be-
richten konnte. Verf. hat nun die gleiche Operation, die er modifi-
zierte Friedrich’sche nennt, in sechs Fällen ausgeführt. Nur in einem
Falle, wo ein reines Kieferhöhlenempyem vorlag, erfolgte prompte
Heilung. Die übrigen Fälle boten, weil sie mit Siebbein-Keilbein-
höhleneiterungen kompliziert waren, bei der Nachbehandlung große
Schwierigkeiten. Ref. hat in derartigen Situationen es vorgezogen,
möglichst zuerst die Siebbein-Keilbeineiterungen einer endonasalen _
Behandlung zu unterziehen; dies hat den doppelten Vorteil, daß man
erstens nach Ausheilung dieser Eiterungen oft sieht, daß Kieferhöhlen-
eiterungen sich danach einer konservativeren Bebandlung wesentlich
zugänglicher zeigen, und zweitens, wenn man doch noch gezwungen ist,
radikal zu operieren, die Heilungsbedingungen für die Kieferhöhle be-
deutend günstiger liegen. Bei diesem Vorgehen würde Verf. auch
Ursache habe, den Wert der Denker’schen oder modifizierten Frie-
drich’schen Operation wesentlich höher anzuschlagen. Endlich wäre
noch zu erwähnen, daß das Siebbein von der breit eröffneten Kiefer-
höhle aus recht gut angreifbar ist. Alle oralen Methoden sind mi-
lich und werden immer mehr verschwinden.
F. Alexander (Frankfurt a. M.).
15) Broca. Procédé opératoire pour fistule congénitale la-
terale du cou.
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXIIL. p. 222.)
B. empfiehlt bei angeborenen lateralen Halsfisteln, die über den
Kieferwinkel emporreichen, unter Umschneidung der Fistelöffnung den
unteren Teil des Fistelganges zu exstirpieren, dann aber von einem
zweiten, hinter dem aufsteigenden Kieferaste angelegten Schnitt aus den
nach oben durchgezogenen Fistelgang weiter zu verfolgen und auszulösen ;
als Vorteil seiner Methode bezeichnet er neben einem sehr günstigen
kosmetischen Resultate die bessere anatomische Übersicht an der
Stelle, wo der Fistelgang oberhalb des großen Zungenbeinhornes das
Gefäß-Nervenpaket kreuzt. Thümer (Chemnitz).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40. 1083
16) D. Gerhardt (Jena). Zur Therapie der Ösophagus-
stenosen.
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 27.)
G. hat die in der Naunyn’schen Klinik geübte Morphiumthera-
pie bei Osophagusstenosen mit großem Nutzen in mehreren Fällen
angewandt. Eine ganze Anzahl von Pat., die fast gar nicht mehr
schlucken konnten, empfanden nach Gebrauch von Morphiumtropfen
(1%), dreimal am Tage vor der Aufnahme der flüssigen Nahrung,
sehr wesentliche Erleichterung; das Schluckvermögen stellte sich wie-
der her, die Schmerzen ließen nach, so daß die Pat. an Körper-
gewicht zunahmen. Wenn es sich um eine absolute Verengerung oder
Verlegung der Lichtung der Speiseröhre durch Geschwulstmassen
handelt, wird freilich auch die Morphiumwirkung versagen, während
sie sich da, wo ein Muskelkrampf der Speiseröhre das Haupthindernis
für das Schluckvermögen ist, durch Beseitigung desselben aufs beste
bewähren und die Sondenbehandlung ersetzen wird.
Kramer (Glogau!..
— ee
17) Sauerbruch und Haecker. Zur Frage des Cardiaver-
schlusses der Speiseröhre.
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 31.)
Nach S. und H. mub außer dem Cardiaringmuskel- noch eine
Einrichtung bestehen, die für den Abschluß vom Magen zur Speise-
röhre von besonderer Bedeutung ist. Normalerweise ist der Magen
von der Atmosphäre luftdicht abgeschlossen. Dieser Verschluß ist
aber nicht durch den oberen Verschluß der Speiseröhre allein bedingt.
Die Cardia öffnet sich reflektorischh wenn unterhalb der Hilusnähe
die Sonde auf die Wand drückt. Die Kommunikation besteht nur
von der Speiseröhre zum Magen, nicht aber umgekehrt. Bei Hunden,
bei denen Stücke bis 7 cm aufwärts von der Cardia entfernt waren,
blieb doch ein Abschluß von Magen und Speiseröhre bestehen, so
daß also neben dem durch den Ringmuskel bedingten Abschluß noch
eine rein mechanische, als Ventilwirkung aufzufassende Einrichtung in
Betracht kommen muß. Borchard (Posen).
Kleinere Mitteilungen.
Kurze Mitteilung über Versuche mit Zelluloideinlagen
in Verbindung mit Filz und Gummi.
Von
Dr. med. Lengfeliner,
Assistent der Hoffa’schen Klinik.
Was das Modell betrifft, worüber ich alle Einlagen anfertige, so sei voraus
erwähnt, daß ich dasselbe nie durch einen Gipsbinden-, sondern stets durch Gipsbrei-
abdruck gewinne. Daß ich natürlich einen Plattfußpatienten nicht aufrecht in
Gipsbrei treten lasse, wobei der letzte Rest des Gewölbes schwindet, ist selbstver-
1084 Zentralblatt fiir Chirurgie. Nr 40.
ständlich. Aber lassen Sie einmal einen Plattfußpatienten aufrecht hineintreten und
vergleichen Sie das dadurch gewonnene Modell mit dem vom gleichen Fuße ge-
wonnenen Gipsbindenmodell. Sofort fällt natürlich der Mangel des Gewölbes ins
Auge. Andererseits aber haben Sie die Formen des individuellen Fußes ın ent-
schieden besserer Weise wiedergegeben, als das beim Gipsbindenabdruck der Fall
sein kann. Wer Augen hat, muß ohne weiteres zugeben, daß dies der Fall ist.
Nie wird man nach Vorgehen von Lange durch Belastung bei Gipsbindenabdruck
die gleichen plastischen, individuellen Formen gewinnen können, wie sie der Bild-
hauerabdruck in so trefflicher Weise wiedergibt. Die Unbrauchbarkeit des Bild-
hauerabdruckes liegt also nur im Mangel des Gewölbes. Jedermann muß es klar
sein, daß es der ideale Abdruck wäre, wenn dieser eine Übelstand vermieden
Fig. 1. Fig. 2.
Cipsbreiabdruck nach Herausnahme Anlegung der Gummi- bezw. Filzplatte.
| der Füße.
Fig. 3. Fig. 4.
Form des Kork- bezw. Gummimodells. Anlegung des Gummipositivs.
werden könnte. Und das ist sehr leicht. Man läßt den Pat. nicht stehen, sondern
sitzen mit zwanglos herunterhängenden Beinen. Hierauf nimmt man ein Bein in
die Hand und setzt es in mäßig redressierter Stellung in den Gipsbrei, wo man
es so lange festhält, bis die Stellung gesichert ist. Hierdurch habe ich durchwegs
der Natürlichkeit entsprechendere Gewölbe erhalten, wie das bei Gipsbinden-
abdrücken der Fall ist. Die plastisch-individuellen Vorteile bleiben natürlich er-
halten. Die Modelle sind durchwegs: besser als die durch Gipsbindenabdrücke ge-
wonnenen mit Redressement und Belastung, abgesehen davon, daß Redressement
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40. 1085
und Belastung nie harmonierende Faktoren werden können, vielmehr das eine stets
auf Kosten des anderen gehen muß.
Der gewonnene Abdruck wird sodann ausgegossen und ausgehauen.
Außerdem sei vorausgesagt, daß ich bei keiner Einlage mehr Draht verwende,
der nur zu häufig durchrostet und sich nach innen einkerbt, sondern stets die von
Hoffa angegebenen Stahlbänder.
Ferner ersetze ich durchwegs den Korkklotz durch einen Gummiklotz.
Was den einen Versuch betrifft, so besteht er darin, den immer wiederkeh-
renden Klagen der Pat., sie könnten den Druck der Einlagen nicht vertragen,
gleich vorzubeugen.
Dies erreichte ich durch Anlegen einer größeren Filz- oder Gummiplatte, die
dem ganzen inneren Rande und dem ganzen Gewölbe angelegt wird. Filz wurde.
in kleineren Plättchen bereits mit Erfolg verwendet, um die Druckschmerzen zu
verhindern. Dabei wurde Filz an der betreffenden Stelle mit Zelluloid an der Ein-
lage befestigt. Aber wenn Filz mit dem Fuß in Verbindung kommt, ist die Ein-
wirkung von Schweiß eine unangenehme, außerdem leidet bald die Elastizität des
Filzes darunter. Dies vermeide ich durch die Art der Technik. Auf das Modell
kommt zuerst eine Lage Nessel, dann eine Lage Trikot, dann wird erst die Filz-
platte oder Gummiplatte angelegt. Darauf zwei Stahlbänder in Längsrichtung.
Drei Schichten Zelluloid und ein Gummiklotz daruntergesetzt. Die Gummiplatte
soll nicht dicker als 2 mm sein. Vorteilhaft ist es auch, bei der gleichen Einlage
eine Filz- und Gummiplatte zusammen zu verwenden.
Die Resultate waren ganz befriedigend.
Zum zweiten Versuche veranlaßte mich die Tatsache, daß ich einem schweren
Plattfuß bei ganz schweren Leuten oft ganz machtlos gegenüberstand. Jede Stahl-,
jede Zelluloideinlage wurde heruntergedrückt. Ich formte nun ein Positiv des
Gewölbes des durch Gipsbreiabdruck gewonnenen Modelles, und zwar in einer
Weise, daß ich dasselbe mit Innen- und Brandsohlenrand versah. Zunächst be-
nutzte ich dazu Kork. Die geringe Elastizität des Korkes, das leichte Brechen
desselben und das umständliche und zeitraubende Herstellen des Positivs ließen
mich zu einem anderen Stoffe übergehen. Versuche mit künstlichem Gummi fielen
leider nicht zu meiner Befriedigung aus. Ich fertigte nun aus einer großen Reihe
von Gipsmodellen Zwischenpositive aus Gips an und ließ mittels Stahlformen diese
Positive aus Gummi herstellen (durch Frangois Fonrobert, Berlin W., Frie-
drichstr. 61). i
Eines dieser Positive paßt durchwegs; kleine Korrekturen können durch Weg-
schneiden oder Hinzukleben gemacht werden. Das Positiv besitzt wieder einen
inneren und einen Brandsohlenrand.
Man braucht sich nur auf solch ein Gummipositiv zu stellen, und man ist
überzeugt, daß der Pat. gezwungen ist, auf dem äußeren Fußrande zu gehen.
Das Positiv kann übrigens wie es ist zur Verwendung kommen. Man schiebt
es zu diesem Zweck unter den Strumpf oder versieht es mit Gummiband.
Technik. Nessel, Trikotage. Anlegung des Positivs; drei Schichten Zelluloid.
Da die Einlage nicht leicht ist, empfiehlt es sich, durchwegs die Whitmann’sche
Form zu wählen, wobei der Bügel mit einem Stahlbande versehen wird. Den Fersen-
rand lasse ich stehen.
Auch mit dieser Einlage hatte ich gute Erfolge.
18) V. Schmieden. Ein neuer Apparat zur Hyperämiebehandlung
des Kopfes. (Aus der chir. Universitätsklinik zu Bonn.)
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 31.)
Um auch am Kopfe durch Anwendung des Saugverfahrens eine noch lebhaftere
Hyperämie erzielen zu können, als sie durch die Stauungsbinde erreicht wird, wird
in Bier's Klinik ein neuer Apparat verwendet, der folgendermaßen konstruiert
ist. Auf einem vierbeinigen Gestell ruht eine in ihrer Mitte eine runde Öffnung
1086 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40.
tragende Holzplatte, auf dieser über der Öffnung luftdicht eine große Glasglocke.
Von unten her wird durch das Loch der Kopf des Pat. in letztere eingeführt und
der Hals durch eine zusammenziehbare Mosetigbattistkrawatte lose abgedichtet.
Der so geschlossene Raum der Glasglocke, durch welche an einer Stelle ein aus-
kochbares Atmungsrohr in den Mund des mit verstopfter Nase auf einem Dreh-
sessel sitzenden Pat. hineingeführt wird, wird durch ein zweites in die Glocke
mündendes Rohr ausgepumpt. Wird dies in langsamer und vorsichtiger Weise
gemacht, so hat Pat. selbst bei lebhafterer Blutfülle des Kopfes kaum Beschwer-
den; schlimmstenfalls kann er sofort das ihn mit der Außenluft verbindende Mund-
stück loslassen, wodurch die Luftverdünnung alsbald unterbrochen wird. Damit
die Beobachtung von außen bei starkem Beschlagenwerden der Innenseite der Glocke
mit Schweiß nicht gestört werde, ist in der Glocke ein Schälchen mit Seifenpulver
aufgehängt, das die Feuchtigkeit an sich zieht. Die Dauer der einzelnen Sitzung
soll 1/,—3/4 Stunde betragen; in dieser Zeit wird immer 5 Minuten (Sanduhr) lang
gesaugt und dann ungefähr ebensolange das Saugen unterbrochen. Event. kann
Pat, selbst die Saugpumpe mit seinen Händen bedienen oder die Luftverdünnung
mit einem Tretbalg mit dem Fuß vornehmen. S. erhofft mit dem Apparate, be-
sonders bei Gesichtslupus, günstigere Resultate als mit der Stauungsbinde erzielen
zu können. Kramer (Glogau).
19) Valentin. Uber Othämatom des rechten Ohres bei schweizerischen
Schwingern.
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. LI. p. 141.)
Verf. beobachtete bei ca. 5% der an einem Schwingfest teilnehmenden
Schwinger (das Schwingen ist eine Art von Ringkampf) rechtsseitige Othämatome,
die dadurch zustande kommen, daß der Betreffende durch einen Stoß mit der
rechten Kopfseite den Gegner niederzudrängen sucht. Ähnliche, berufsmäßige
Othämatome wurden schon früher bei altrömischen und japanischen Ringkämpfern,
bei Salto-mortale-Fängern usw. beobachtet. Hinsberg (Breslau).
20) R. Hoffmann. Die Noma des Ohres.
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. LI. p. 366.)
Die Noma tritt, wenn auch bedeutend seltener als an der Wange, zuweilen auch
in der Umgebung des Ohres auf. H. beschreibt drei solche Fälle aus der Mün-
chener Ohrenklinik und stellt, davon ausgehend, zusammen, was über die Noma
im allgemeinen und speziell die des Ohres bekannt ist. MHinsberg (Breslau).
21) Henrici. Weitere Erfahrungen über die Tuberkulose des Warzen-
fortsatzes im Kindesalter.
(Zeitschrift fiir Obrenheilkunde Bd. LI. p. 126.)
Verf. hat in einer früheren Arbeit den Nachweis zu bringen gesucht, daß die
Warzenfortsatztuberkulose im Kindesalter relativ häufig sei (ca. 1/5 aller Mastoidi-
tiden bei Kindern), daß sie meist auf hämatogenem Wege, ohne Vermittlung der
Paukenhöhle, entstehe, und daß die Prognose meist relativ günstig sei, da die Ent-
fernung des tuberkulösen Knochens meist gelinge.
H. berichtet nun in der vorliegenden Arbeit über sechs weitere Fälle der ge-
nannten Erkrankung, die im allgemeinen seine früheren Anschauungen bestätigen.
Hinsberg (Breslau).
22) B. Heine. Isoform zur Nachbehandlung der Radikaloperation.
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. LI. p. 200.)
H. hat mit 3%iger Isoformgaze bei Radikaloperationen gute Erfahrungen ge-
macht. Er rühmt ihre granulationsbeschränkende und antiseptische Wirkung.
Nach der einfachen Antrumaufmeißelung hat sich H. Isoform nicht bewährt, da
hier die zur Ausfüllung der Wunde notwendige Granulationsbildung aufgehalten
wurde, Hinsberg (Breslau).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40. 1087
23) R. Freytag. Zur Prognose der operativen Eröffnung des eitrig
erkrankten Labyrinths.
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. LI. p. 341.)
Das eitrig erkrankte Labyrinth bildet sehr häufig den Ausgangspunkt für töd-
liche Komplikationen (Meningitis, Hirnabszeß). Die Mortalität der Labyrintheite-
rung beträgt ca. 15—20%. Um sie zu vermindern, hat man in den letzten Jahren
versucht, das Labyrinth nach Eröffnung vom Mittelohre her zu drainieren. F. stellt
nun alle ihm bekannten Fälle von Labyrintheröffnung, insgesamt 102 Fälle, zusam-
men. Bei diesem Materiale war die Mortalität infolge eines schädlichen Einflusses
des Eingriffes selbst gering (ein Todesfall. Die Sterblichkeit betrug für die ope-
rativ behandelten Fälle von Labyrinthitis, sofern nicht schon vor der Operation
eine tödliche Komplikation vorhanden war, 4,5%. Die Prognose der Erkrankung
wurde also durch die Operation wesentlich gebessert.
In einem Anhange berichtet F.' über die an der Breslauer Ohrenpoliklinik be-
obachteten Fälle von Labyrintheiterung. | Hinsberg (Breslau).
24) Koellreutter. Die Extraktion eiserner Fremdkörper aus der Nase
und dem Ohre mittels des Mellinger’schen Innenpolmagneten.
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. LI. p. 431.)
Anlaß zu den geschilderten Versuchen gab das Abbrechen eines Meißels im
Nasenseptum. Das abgebrochene Stück, das allen anderen Extraktionsversuchen
trotzte, konnte mühelos vermittels des genannten Magneten extrahiert werden.
Ebenso leicht folgten eiserne oder eisenhaltige Fremdkörper, die an Präparaten und
am Lebenden ins Ohr eingeführt wurden, dem Zuge des Magneten.
Hinsberg (Breslau).
25) Doering. Die Behandlung des Caput obstipum.
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 27.)
In der Klinik Braun’s kamen in den letzten 10 Jahren 35 Fälle von Schiefhals
zur Beobachtung. Alle bis auf einen — nach der Wullstein’schen Methode ope-
rierten — Fall wurden mit offener Durchschneidung des Kopfnickers behandelt,
wobei besonderes Gewicht darauf gelegt wurde, daß lateral vom Muskel gelegene,
verkürzte Partien des Platysma, der Halsfascie oder gelegentlich auch des Trape-
zius entweder gedehnt oder, wenn dies nicht genügte, durohtrennt wurden. Nach
Heilung der Wunde erfolgte sofort die Anlegung einer Zelluloidkrawatte, Massage
und orthopädische Übungen wurden angewandt, dagegen von einer energischen Re-
dression der Halswirbelsäule während der Operation Abstand genommen. Von den
35 Operierten hatten 27 eine völlig freie Beweglichkeit nach allen Seiten erlangt,
fünf zeigten eine geringe Einschränkung in der Neigung des Kopfes nach der ge-
‚sunden Seite zu. Ein Fall wurde nach der Methode Wullstein ebenfalls mit
gutem Erfolg operiert, über zwei war eine Nachricht nicht zu erlangen. Die se-
kundären Veränderungen, namentlich die Gesichtsatrophie, sind wesentlich, zurück-
gegangen. Wenn man bedenkt, daß die Pat. gewöhnlich nach 3 Wochen aus der
Klinik entlassen wurden und es ihrem eigenen Belieben doch schließlich. verblieb,
ob sie die Krawatte ein halbes Jahr tragen wollten oder nicht, so muß man die
Resultgte Braun’s als ausgezeichnete betrachten. Borchard (Posen).
26) A. A. Opokin. Zur Bakteriologie der Retropharyngealabszesse.
- (Russki Wratsch 1906. Nr. 29.)
Der AbszeB wurde bei einer 55 Jahre alten Frau beobachtet, verlief chronisch
(3 Monate), wurde durch den Mund gespalten und heilte nach einem Monat aus.
Die mikroskopische und bakteriologische Untersuchung ergab als Ursache den
langen Diplostreptokokkus (Menschikow) oder Streptokokkus mitior seu viridans
(Schottmüller). Außer diesem Falle wurden von W. K. Menschikow noch
vier Fälle von Retropharyngealabszeß mit dem Diplostreptokokkus als Krankheits-
1088 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 40.
erreger beschrieben (Russki Wratsch 1905 Nr. 16 p. 523). Vielleicht muß daher
dieser Mikroorganismus als spezifische Ursache solcher Abszesse angesehen werden.
E. Gückel (Wel. Bubny, Poltawa).
27) J. de Riba. Caso clinico de reseccion del haz vasculo nervioso
del cuello por carcinoma.
(El crit. catol. en las cienc.. med. Barcelona 1906. Nr. 100.)
Mitteilung eines Falles von vollkommen ungestört verlaufener Resektion der
linksseitigen Halsgefäße wegen Karzinoms bei einem 50jährigen Manne. Der Fall
bietet deshalb Interesse, weil auch der Vagus mit reseziert wurde, ohne besondere
Ausfallserscheinungen herbeizuführen. | Stein (Wiesbaden).
28) T. L. Kobylinski. Zur Frage von der operativen Therapie mul-
tipler Kehlkopfpapillome im Kindesalter (ein Fall von Laryngofissur).
(Russki Wratsch 1906. Nr. 30.)
Es handelte sich um einen 4jährigen Knaben, der sich gut laryngoskopieren
ließ, aber bei jedem Versuch, ein Instrument zum Entfernen der Geschwulst durch
den Mund einzuführen, mit Brechbewegung reagierte. 5 Monate lang mühte sich
K. ab, den Knaben ans Instrument zu gewöhnen, doch vergeblich. Darauf mußte
wegen Atemnot tracheotomiert werden. 4 Monate später machte Fedorow
(Petersburg) die Laryngofissur und entfernte die Geschwülste. 15 Tage nach der
Operation fand man bei der Laryngoskopie ein hirsekorngroßes Rezidiv im Inter-
arytaenoidalraume, das nach 10 Tagen die Größe eines Hanfkornes erreichte. Man
legte ein Tracheotomierohr ohne obere Öffnung ein, und nach 11/3 Monaten war
das Rezidiv verschwunden. Nun wurde ein gefenstertes Rohr eingelegt, und da
Pat. mit geschlossener äußerer Öffnung desselben gut atmete, dasselbe 21/2 Monate
später endgültig entfernt. Die Wunde schloß sich bald, und nach weiteren 2 Mo-
naten kann der Knabe laufen und spielen ohne Atemnot. Die Stimme ist nicht
klangvoll, doch völlig vernehmlich und wird mit der Zeit immer besser. Die
früher. vorhandene Bronchitis ist geschwunden und auch der Allgemeinzustand viel
besser geworden. E. Gückel (Wel. Bubny, Poltawa).
29) Cohn. Ein Fall von Tracheostenose und plötzlichem Tode durch
Thymusschwellung.
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 35.)
Bei dem 8 Monate alten Kinde trat unter Stenosenerscheinungen der Tod ein.
Bei der Sektion fand sich ein 20 g Eiter enthaltender Abszeß der Thymus.
Borchard (Posen).
30) A. Castex. La laryngotomie sans canule.
(Revue hebdom. de laryngol., d’otol. et de rhinol. 1906. Nr. 18.)
Um die Unzuträglichkeiten, welche die Trachealkanüle und das Décanulement .
mit sich bringen, zu vermeiden, zeigt sich allenthalben das Bestreben, die Laryngo-
tomie so auszuführen, daß man möglichst nach Ausführung der Operation bzw.
Entfernung der Neubildung usw. die ganze Wunde schließt. Verf. hat dies zwei-
mal ausgeführt; einmal kam es zu einem Hautemphysem mit Temperatursteige-
rungen, und die untersten Nähte mußten wegen eines kleinen Abszesses entfernt
werden; C. ist daher geneigt, im untersten Wundwinkel unter die Haut ein
Drain zu legen. Ein drittes Mal wurde aus Furcht vor Glottisödem eine Kanüle
nach 24 Stunden entfernt. Die Indikation zur Laryngotomie bildeten Epitheliome,
Tuberkulome und Kondylome, welche hochgradig die Atmung behinderten.
F. Alexander (Frankfurt a. M.).
Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags-
handlung Breitkopf & Härtel, einsenden.
Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig, Nürmbergerstraße 36/35.
Zentralblatt
CHIRURGIE
E. von Bergmann, F. König, 5, Richter,
Dreiunddreißigster Jahrgang.
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Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei halbjähriger
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.
a TER en)
Nr. 41. Sonnabend, den 13. Oktober. 1906.
Inhalt: P. Flori, Die chirurgische Behandlung der akuten Appendicitis im Intermediär-
stadium. (Original-Mitteilung.)
4) Ledderhose, Blutlauf in den Hautvenen. — 2) Otten, Bakteriologische Blutuntersu-
chungen an der Leiche. — 3) Darewe, Behandlung mit apne — A) Schlefterdecker,
Das Netz. — 5) Polssonnier, Perforationsperitonitis. — 6) McCarty, Zur Histologie des
Wurmfortsatzes. — 7) Karrenstein, 8) Aschofl, 9) Kümmell, Appendicitis. — 10) Warabjow,
Traumatische Leistenbriiche. — 11) Donati, Direkter Leistenbruch der Frau. — 12) Froelich,
Angeborene Pylorasstenose. — 13) Mummery, Kolitis.
14) Haggard, KongreBbericht. — 15) Ladenburger, Operationen an Säuglingen. —
16) Schkarin, Rückbildung "von Neubildungen. — 17) Lang, Lähmungen nach Lumbal-
anästhesie. — 18) Balacescu, Kampfernaphthol gegen kalte Abszesse. — 19) Salomon, Dia-
gnostische Bauchpunktion. — 20) Grusdew, Fremdkörper in der Bauchhöhle. — 21) Wnukow,
22) Miles, Perforationsperitonitis. — 23) Friedrich, Bauchaktinomykose. — 24) Schweizer,
25) Seelig, Divertikel am Wurmfortsatz. — 26) Mayet u. Bourganel, 27) Mc Gavin, 28) Wre-
den, Herniologisches. — 29) Poppert, 30) Könlg, Callöses Magengeschwür. — 31) Baradulin,
bs. — 32) Ringel, 33) Karpa, 34) Edmunds, 35) Martin, 36) Pieth, Darmverschluß.
— 37) Leube, Pseudotuberkulose im Dickdarm. — 38) Trinkler, 39) Poppert, Mastdarmkrebs.
— 40) Wertel, Milzresektion. — 41) Donati, Lebergeschwilste. — 42) Schlesinger, Gallen-
=
blasen-Bronchusfistel. — 43) Lejars, Drainage der Gallenwege. — 44) Tuffier, Epitheliom
der Gallenwege. — 45) Terrler, Zur Pankreaschirurgie.
Berichtigung.
(Aus der chirurgischen Klinik in Modena.)
Die chirurgische Behandlung der akuten Appendicitis
im Intermediärstadium.
Von
Prof. Paolo Fiori.
Die Frühoperation bei akuter Wurmfortsatzentzündung ist nunmehr
fast einstimmig angenommen, die weitläufigen Erörterungen des vor-
letzten deutschen Chirurgenkongresses (April 1905) haben sie ent-
scheidend sanktioniert.
41
1090 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41.
Der Zeitpunkt für die Frühoperation liegt zwischen der 36. und
der 72. Stunde. Der 3. Tag jedoch wird von einigen als schon zum
zweiten Stadium gehörig betrachtet: Die Mortalität für die ganze Zeit
schwankt zwischen O und 18,6%; am 3. Tage kann sie auf 36%
steigen (Körte).
Für die zweite Periode, nach Ablauf des 3. Tages, wird die
Enthaltung oder zuwartende Behandlung von allen Chirurgen ange-
raten. Selbst W. Hagen verglich letzthin (ds. Bl. 1906 Nr. 15),
mit Sprengel übereinstimmend, die Mortalität (34,7%) der Intervall-
operation mit der viel geringeren der Spätbehandlung in der 6. Woche.
Vorher schon (Beitr. z. klin. Chirurgie Bd. XLVI) schrieb der Verf.:
»Vom 3. Tage an ist eine zuwartende Behandlung in den nicht
progredienten Fällen berechtigt, wenn wir die Kranken ständig zu
überwachen imstande sind, um mit dem Eintreten irgendeines alar-
mierenden Zwischenfalles sofort eingreifen zu können. Es erscheint
daher dringend geboten, solche Kranke sofort einem Krankenhaus
oder einer Klinik zuzuführen.
Fälle mit progredienter Tendenz oder allgemein septischen Er-
scheinungen sind auch nach den ersten beiden Tagen zu operieren,
und zwar je früher, desto besser.«
Und seine zweite Mitteilung (ds. Bl. 1. c.) schließt Hagen mit
den Worten:
»Wir können uns nicht entschließen, eine Operation zu empfehlen,
die uns eine Mortalität von 35% ergeben hat. Über all unserem
chirurgischen Handeln steht als oberstes Gesetz: Nil nocere.«
Er gibt damit dem Gedanken der meisten Chirurgen Wort: Die
Intervalloperation setze die Kranken der Gefahr der septischen
Entzündung aus.
Dieser Ansicht widerspricht Biondi, der auf dem letzten italie-
nischen Chirurgenkongreß (Oktober 1905) und in einer folgenden
Mitteilung (Policlinico Sez. pratica 1906 Nr. 2) die Notwendigkeit des
chirurgischen Eingriffes auch im zweiten Stadium behauptet, auf seine
eigenen Erfolge sich stützend: vier Todesfälle unter 53 nach dem
3. Tage operierten Fällen von eitriger Appendicitis.
Diese sehr günstigen Erfolge sollten Beachtung finden und uns
an die Worte Dieulafoy’s erinnern: »Abwarten bis die Appen-
dicitis abgeklungen ist, heißt die Kranken der Todesgefahr
aussetzen«.
Auch ich habe mich dieses Jahr mit der wichtigen Frage be-
schäftigt und habe zehn Pat. mit akuter Appendicitis zwischen dem
3. und 17. Krankheitstage operiert, nämlich:
1 Fall am 3. Tage, mit Verklebungen und geringem fibrösem Exsudat;
2 Fälle am 4. Tage, einer mit an der Spitze durchlöchertem Wurmfortsatz
und fibrinös-eitrigem Exsudat;
2 Fälle am 5. Tage, der eine mit frei im Peritoneiin befindlichem brandigem,
der andere mit freiem eiterhaltigen Wurmfortsatz;
2 Fälle am 6. Tage, der eine mit Empyem der Appendix, der andere mit Gan-
grän der Basis des Wurmes;
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 1091
1 Fall am 9. Tage, mit phlegmonöser Appendix, keinem Exsudat, starken
Verklebungen;
1 Fall am 11. Tage, mit pericoecalem Abszeß, Brand des Wurmfortsatzes
und Perforation des Blinddarmes;
1 Fall am 17. Tage, mit Gangrän der Appendix, doppelter Blinddarmperfo-
ration, großem Abszeß,.
Die Zahl der Fälle ist nicht groß, aber fast alle waren sehr schwer: unter
den Kranken starb nur einer, am 9. Tage nach dem Anfall operiert, 5 Tage nach.
der Operation. Bei der Aufnahme war die Temperatur 36,8 und schwacher Puls
von 108, der Leib außerordentlich aufgetrieben, in der Dleocoecalgegend sehr stark
druckempfindlich; Verstopfung, keine Winde, etwas Erbrechen. Sofort Operation:
bei der Eröffnung des Leibes findet man starke Verklebungen des Blinddarmes
und des Wurmfortsatzes mit dem Peritoneum; Wurm Ödematös, verdickt, ver-
größert, injiziert. Resektion desselben, Drainage, partielle Bauchdeckennaht. An
den 2 folgenden Tagen leichte subjektive Besserung, der Leib aber immer stärker
geschwollen, sehr stark gespannt; keine Ausleerung. Am 3. Tage Erbrechen;
Temperatur 37,5; Magenausspülung; das Brechen läßt nach; der Schwächezustand
aber schreitet fort; Tod am 5. Tage. — Sektion: Bauchhöhle frei; keine
Peritonitis; starker Meteorismus; Dünndarm leicht injiziert; Coe-
cumnaht hat fest gehalten. Todesursache: Ileus paraliticus?
Die anderen neun Kranken sind alle rasch genesen; unter diesen befand sich
ein Pat. mit eitriger diffuser Peritonitis infolge gangränöser Appendicitis. Blind-
darmnaht, Bauchhöhlenauswaschungen mit Kochsalzlösung. Heilung in 33 Tagen.
Bei zwei Kranken (am 5. und 6. Tage operiert) lag der erheblich ödematöse,
verdickte, vereiterte Wurmfortsatz ganz frei in der Bauchhöhle, fehlte jede Ver-
klebung. Resektion des Wurmes, Drainage. Heilung in 20—24 Tagen. — Ebenso
schnelle Heilung in zwei anderen Fällen (am 11. und 17. Tage operiert), wo sich
eine oder mehrere Durchbohrungen vorfanden bei gleicher Behandlung.
Alle zur Heilung führenden Fälle verliefen ohne große Zwischenfälle.
Solche Resultate erscheinen mir zweifellos überaus ermutigend,
wenn wir auf die Schwere der Fälle Rücksicht nehmen und uns über-
zeugen, daß bei den geheilten Fällen — 90% — die so befürchtete
septische Verbreitung im Bauchfelle nach der Operation
immer ausblieb.
Im übrigen möchte ich mich gegen die bisher vielfach angenom-
mene Meinung aussprechen, daß bei Appendicitis stets eine sie ab-
grenzende Periappendicitis bestehen müsse, die die Gefahr des Ab-
wartens einschränke.
Meine Fälle stimmen in dieser Beziehung mit denen von Routier,
Nelaton, Tuffier, Sprengel, Riedel, Legueu, Biondi überein,
und gestatten meine Ansicht, daß der Vorschlag des gewaffneten Zu-
wartens mehr auf theoretischer als praktischer Grundlage beruht,
Auch die Symptomatologie täuscht nicht selten.
Zwei meiner gefährdetsten Kranken kamen zu Fuß in meine
Klinik. Ich habe Kranke mit schweren Veränderungen des Wurm-
fortsatzes operiert, die physiologischen Puls zeigten, frei von Fieber
und Druckempfindlichkeit des Leibes waren. Diese Pat., Fälle, die
nur leicht erkrankt erschienen, wären, sich selbst überlassen, mit aller
Wahrscheinlichkeit zugrunde gegangen.
Andererseits ist es nicht richtig, daß eine auf den Wurmfortsatz
und seine Umgebung beschränkte Entzündung während des ganzen
41*
1092 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41.
Zeitraumes der zuwartenden Kur auf ihren Herd beschränkt bleiben
soll; vielmehr sind die Fälle nicht selten, wo der entzündliche Prozeß
wieder aufflackert, sich lokal weiter verbreitet und entfernte Metastasen
veranlaßt. Die Erinnerung an solche Fälle, die ich vor mehreren
Jahren beobachtete, als die zuwartende Behandlung noch unbeschränkt
herrschte, steht mir nur zu deutlich vor Augen. Dazu kommen noch
andere traurige Möglichkeiten: z. B. die Entleerung des Wurmfort-
satzabszesses in umliegende Organe.
Für die zweite Periode können wir wiederholen, was wir über die
erste Periode sagten, nämlich: Der appendicitische Anfall und der
anatomisch-pathologische Prozeß können sich zurückbilden und auch,
indem sie sich ein- oder mehrmals mit dem Typus der Appendicitis
»à rechutes« wiederholen, allmählich immer weniger gefährlich werden.
Das ist richtig; aber es ist auch klar, daß bei jedem neuen Anfalle die
Gefahren des ersten Anfalles sich wiederholen und auch steigern
können. Wenn wir unter solchen Verhältnissen operieren müssen,
werden wir wenigstens den Gewissensbiß empfinden, einen Zustand bei
den Kranken verlängert zu haben, von dem ein früherer operativer
Eingriff ihn längst hätte befreien können. _
Auf Grund solcher Erfahrungen und Überlegungen bin auch ich
geneigt, mit Biondi die Richtigkeit des Eingriffes im Intermediär-
stadium zu behaupten.
In Fällen von Eiterbildung oder Blinddarmdurchbohrung ziehe
ich vor, gleich bei der Abszeßeröffnung den Wurmfortsatz zu unter-
suchen und zu entfernen und die Blinddarmperforation zu nähen
(Arnsperger, Czerny, Biondi), sofern nicht ganz besondere Um-
stände solche Eingriffe zu gefährlich (z. B. bei Anwesenheit vieler fester
Verwachsungen) gestalten.
Besonders wichtig ist die Behandlung der Operationswunde: die
Bauchwunde darf niemals vollständig geschlossen werden, wenn auch die
Entzündung nur umschrieben erscheint; denn die einfachste seröse Infil-
tration kann zu Eiterbildung führen, auch wenn im Augenblicke der
Operation noch kein Eiter vorhanden war. Darum ist die Drainierung
eine absolute Notwendigkeit.
In Fällen, in denen die Adhäsionen fehlen und der Wurmfortsatz
sehr verändert ist, lagere ich das operierte Darmstück in die Wunde
und umgebe es mit aseptischer Gaze. Mit diesem Verfahren war ich
immer zufrieden.
Natürlich ist die größte Sorgfalt zur Erzielung günstiger Erfolge
absolut notwendig. Dank derselben wird das Messer des Chirurgen
bei der Heilung einer der gefährlichsten Krankheiten einen bemerkens-
werten Fortschritt zu verzeichnen haben. Die von Biondi und mir
selbst erzielten Resultate scheinen das mir zur Genüge zu beweisen.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 1093
1) Ledderhose. Studien über den Blutlauf in den Haut-
venen unter physiologischen und pathologischen Bedingungen.
(Mitteilungen a. d. Grenzgebieten d. Medizin u. Chirurgie Bd. XV. Hft. 3 u. 4.)
An der unteren Extremität schwellen bei tiefer Inspiration die
Venen an, bei Exspiration ab; an der oberen Extremität ist das um-
gekehrt, hier fallen bei tiefen Einatmungen die Venen zusammen,
schwellen bei Ausatmung an. Diese Verschiedenheit ist eine zweck-
mäßige Einrichtung für gleichmäßiges Einfließen des Blutes in den
rechten Vorhof. Es findet also an den Venen der oberen und unteren
Extremität bei den Atmungsphasen teils eine Rückstauung, teils ein
leichteres Abfließen des Blutes statt. Diese Rückstauung wird durch
die Venenklappen nicht aufgehalten, entgegen der jetzt allgemein herr-
schenden Ansicht wird die Wirkung des hydrostatischen Druckes in
den Venen durch die Klappen in keiner Weise beeinflußt, d. h. der
von der Blutsäule auf die Gefäßwand und die Venenwurzeln ausgeübte
Druck wird durch sie nicht abgeschwächt. Die Venenklappen werden
in den meisten Fällen, zumal bei den Verrichtungen des gewöhnlichen
Lebens, nicht in Anspruch genommen. Ihre physiologische Bedeutung
besteht darin, daß sie Wehre darstellen, die den Hauptstrom etwas
aufhalten, das Einströmen des Blutes aus den Seitenbahnen in den
proximal von der Klappe gelegenen Hauptteil der Bahn erleichtern
und Rückstauen in die Seitenbahnen verhindern; denn in der Regel
befindet sich distal von einem venösen Seitenast eine Klappe.
Kann somit die herrschende Lehre von der Funktion der Venen-
klappen in wesentlichen Punkten nicht aufrecht erhalten werden, so
müssen auch die bisherigen Anschauungen über die Entstehung der
Varicen und die Bedeutung der üblichen Behandlungsmethoden einer
Revision unterzogen werden. Die Unterbindung der Saphena wirkt
dadurch günstig auf Varicen ein, daß bei den Bewegungen der Beine,
zumal während des Gehens, weitgehende Entleerung der Varicen in
die tieferen Unterschenkelvenen stattfindet; die dadurch herbeigeführte
Entlastung der Venenwand läßt allmählich deren infolge von Über-
dehnung verloren gegangene Elastizität wenigstens teilweise wieder
zurückkehren. Auch andere Begleitphänomene der Varicen, wie über-
reiche Blutungen bei Verletzungen, Ödeme, Ekzeme, Geschwürs-
bildungen, werden aus neuen Gesichtspunkten erklärt. Ursache der
Varicenbildung ist angeborene Schwäche der Venenwände infolge un-
regelmäßiger Ausbildung und Anordnung der sie zusammensetzenden
Elemente. Die Hypertrophie der Media ist als Arbeitshypertrophie
aufzufassen durch Anstrengungen der muskulären Elemente, den In-
halt den wechselnden Druck- und Spannungsverhältnissen anzupassen.
Haeckel (Stettin).
1094 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41.
2) M. Otten. Über bakteriologische Blutuntersuchungen an
der Leiche. (Aus dem pathol.-anatom. Institut des Eppen-
dorfer Krankenhauses.
(Virchow’s Archiv Bd. CLXXXIV. p. 284.)
Von 200 Blutproben, die im Durchschnitte 16—24 Stunden nach
dem Tode aus dem rechten Ventrikel entnommen waren, erwiesen
sich nur 84 = 42 % steril. Von den anderen enthielten 102 Proben
nur eine Bakterienart, 14 zwei Arten. Mehr als zwei verschiedene
Kulturen konnten aus keiner Blutprobe gezüchtet werden. Ferner
waren unter diesen 102 Fällen von Bakteriämie 43mal bei der vitalen
Blutuntersuchung dieselben Mikroorganismen gefunden worden.
Es folgt dann ein ausführlicher Bericht über die Befunde bei
den einzelnen Bakterienarten, der im Original nachzulesen ist. Am
Schluß seiner Mitteilung betont Verf., daß die Entnahme des Leichen-
blutes aus dem rechten Herzen ebenso zuverlässig ist, wie die aus den
peripheren Venen, und daß die im Blute von frischen Leichen gefun-
denen Bakterien, d. h. von solchen, die innerhalb der letzten 36 bis
48 Stunden nach dem Tode untersucht wurden, nicht postmortal,
sondern schon zu Lebzeiten des betreffenden Individuums ins Blut ge-
langt sind. Doering (Göttingen).
3) O. Darewe. La thérapeutique par hyperémie.
(Gaz. des hôpitaux 1906. Nr. 82.)
In objektiver, sachlicher Weise bespricht D. Wesen und Technik,
Indikationen und Kontraindikationen der Behandlung mit Hyperämie.
Aus den Fällen, die er anführt, geht hervor, was Bier immer betont
hat: daß man Chirurg bleibt, auch wenn man mit der Saugglocke
oder mit der Stauungsbinde arbeitet. D. erwähnt auch ausführlich
die Einwände Lexer’s auf dem diesjährigen Chirurgenkongreß, behält
sich aber eine Kritik derselben vor, da man erst die Publikation der
wissenschaftlichen Unterlagen für die ablehnende Haltung Lexer’s
abwarten müsse.
In vier Punkten (hauptsächlich topographischer Art) schränkt D.
die Anwendung der Methode ein, bekennt sich aber im übrigen als
ihr überzeugter Anhänger. Bei allen Arten von Entzündungen, be-
sonders aber denen der Gelenke, hat sie ihm »exzellente« Dienste
geleistet. Ref. unterschreibt auf Grund seiner eigenen Erfahrungen
aus vollster Überzeugung die Schlußworte des D.’schen Artikels:
»— — ľhyperémie artificielle a acquis une importance et une vogue
méritée, qui ne fera que croître à l'avenir «.
V. E. Mertens (Breslau).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 1095
4) Schiefferdecker. Über einen Fall von rudimentärem
großem Netz beim Menschen und über die Bedeutung des
Netzes.
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 25.)
Nach Mitteilung eines Falles von rudimentärer Ausbreitung des
großen Netzes, bei welchem nur der Teil oberhalb des Kolon ausge-
bildet war, geht S. in dem äußerst interessanten und lesenswerten
Aufsatz auf die verschiedene Bedeutung in normalen und pathologi-
schen Zuständen ein. Das Netz ist ein Regulator für die Blutmenge
in den Eingeweiden, ein gutes Resorptionsorgan, es wirkt schützend
durch die Bildung einer gefäßhaltigen Bindegewebskapsel und die
phagocytäre Tätigkeit seiner umgewandelten Endothelzellen. Es hat
neben rein physiologischen Funktionen noch wichtigere Funktionen
für pathologische Fälle. Die Gefäße des Netzes können sich unter
Umständen an der Ernährung von dem Netz ursprünglich durchaus
fremder Geschwülste beteiligen. Die Ursache zu der Verbindung mit
dem Netze muß von den betreffenden Organen ausgehen.
Borchard (Posen).
5) G. Poissonnier. La traitement de la péritonite par per-
foration dďd'ulcère gastrique par la gastrostomie temporaire.
(Arch. prov. de chir. 1906. Nr. 7.)
In Fällen von Geschwürsdurchbruch, in denen ein Verschluß der
Öffnung aus dem einen oder dem anderen Grunde nicht möglich ist,
empfiehlt P., die Perforationsöffnung in die Bauchwunde zu nähen,
bzw. durch diese nach außen abzuleiten — gastrostomie de nécessité.
Als Indikationen für dieses Vorgehen gibt er schlechten Allgemein-
zustand, der einen längeren Eingriff verbietet, Unmöglichkeit oder
Unsicherheit der Naht an und führt als besonderen Vorteil an die
Möglichkeit der frühzeitigen Ernährung und das Vorbeugen der akuten
Magendilatation. Kontraindiziert ist diese Behandlung nur bei Sitz
der Perforationsstelle in der Nähe des Pylorus; für diese Fälle hält
P. die Gastroenterostomie für zweckmäßiger.
Von 10 nach obiger Methode behandelten Fällen sind 3 geheilt,
davon 2, die sich in verzweifeltem Zustande befanden. Bei 3 von
den 7 Gestorbenen trat der Tod außerdem am 7.—10. Tage nach der
Operation ein, unter Erscheinungen, die eine allgemeine Peritonitis
als ausgeschlossen erscheinen ließen, was bei zweien auch die Sektion
bestätigte.
Die Krankengeschichten der zehn aus der französischen, engli-
schen und deutschen Literatur entnommenen Fälle bilden den größten
Teil der Arbeit. Müller (Dresden).
1096 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41,
6) W. ©. McCarty. Beiträge zur normalen und patho-
logischen Histologie des Wurmfortsatzes.
i (Virchow’s Archiv Bd. CLXXXV. p. 483.)
Die umfangreiche Arbeit befaßt sich mit der Beschaffenheit des
Wurmfortsatzes im Kindesalter, der Beschaffenheit des Wurmfortsatzes
bei Erwachsenen und seinen Veränderungen, die er im Laufe des
Lebens erleidet, und mit der Obliteration des Processus vermiformis.
Sie enthält nichts Neues. Doering (Göttingen).
7) Karrenstein. Ist die Blinddarmentzündung bei Männern
oder bei Frauen häufiger?
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 32.)
K. glaubt zahlenmäßig bewiesen zu haben, daß die meistverbrei-
tete Ansicht, daß die Frauen seltener als Männer an Blinddarment-
zündung erkranken, falsch ist. Sind sie denselben schädigenden wie
disponierenden Ursachen wie die Männer ausgesetzt, so erkranken sie
eben so häufig. Borchard (Posen).
8) Aschoff. Ist eine chronische Entzündung des Wurm-
fortsatzes die Vorbedingung für den akuten Anfall?
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 25.)
Nachdem vor 2 Jahren A. auf die Bedeutung der genaueren
Untersuchung des Wurmfortsatzes für die Erkennung des Wesens
der Appendicitis hingewiesen und vor allen Dingen gegen die Vor-
stellung einer chronischen, schleichenden Entzündung des Wurmfort-
satzes als Vorbedingung des akuten Anfalles Front gemacht hatte,
hat Oberndorfer betont, daß fast alle Menschen an einer chroni-
schen obliterierenden Appendicitis leiden, die den Boden für die
akuten Anfälle vorbereitet. A. leugnet ebenso wie Sprengel die
Appendicitis chronica und granulosa Riedel’s. Auf Grund seiner
Erfahrungen hält er viele der von Oberndorfer geschilderten Bilder
der submukösen Granulationsgewebebildung für normale Erscheinungen,
andere für hyperplastische Prozesse des hämatopoetischen Apparates.
Der Beweis für die Existenz einer chronischen obliterierenden Entzün-
dung, auf deren Boden erst die akuten Schübe einsetzen, ist in kei-
ner Weise erbracht. Borchard (Posen).
9) Kümmell. Resultate der Frühoperation bei Appendicitis.
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 33.)
Unter Hinweis auf die erzielten günstigen Resultate mit der Früh-
operation beantwortet K. die Frage, was wir mit der Frühoperation
erreichen, dahin, daß wir durch sie die momentane Gefahr nach Mög-
lichkeit beseitigen und den Pat. dauernd von einem schweren Leiden
befreien. Mit der zuwartenden Behandlung geht der Pat. größere
Gefahr ein und muß sich, will er dauernd, d. h. durch Operation im
Intervall, geheilt sein, einem viel längeren Krankenlager unterwerfen.
Borchard (Posen).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 1097
10) A. A. Warabjow. Zur Ätiologie und Anatomie trau-
matischer (resp. künstlicher) Leistenbrüche.
(Russ. Archiv für Chirurgie 1906. [Russisch.))
Wie zahlreich die Methoden der Selbstverstümmelung sind, die
die russischen Juden anwenden, um vom Militärdienst frei zu kommen,
weis jeder, der längere Zeit in Königsberg oder Breslau Chirurgie
getrieben hat. In der vorliegenden Arbeit handelt es sich um die
Erzeugung von Hernien zu gedachtem Zwecke. Alle 7 Pat. sind
jüdische Soldaten und wurden im Jahre 1903 in wenigen Monaten
beobachtet (allein drei im Februar). Da die Leute den wahren Sach-
verhalt natürlich zu verheimlichen suchen, bedarf es anatomischer
Merkmale zur Erkennung der Natur der Hernie. Ein Bruch erscheint
»verdächtig«, wenn er nicht in das Skrotum hinabreicht und im Lie-
gen sofort verschwindet, die Ränder des äußeren Leistenringes uneben
sind, wenn sich Narbenstränge oder gar frische Infiltrate finden, wenn
die ganze Vorwölbung höckrig ist usw.
Zum Schluß wird hervorgehoben, daß die Technik der Hernien-
erzeugung in letzter Zeit derartige Fortschritte gemacht hat, daß es
immer schwerer wird, der Wahrheit auf den Grund zu kommen, i. e.
vor der Operation. V. E. Mertens (Breslau).
11) M. Donati. Sull’ ernia inguinale diretta nella donna. Contri-
buto clinico e ricerche anatomiche intorno alle formazioni
limitanti il canale inguinale nei due sessi.
(Arch. per la scienze med. T. XXIX. Nr. 10.)
Verf. hat, angeregt durch die Operation eines direkten Leisten-
bruches bei einer Frau, diese seltene Bruchform genauer studiert.
In der Literatur fand er nur drei mitgeteilte Fälle von Hernia
inguinalis directa beim Weibe. Um die Ursache dieser Seltenheit zu
ergründen, hat D. an 52 — 31 weiblichen und 21 männlichen —
Leichen anatomische Untersuchungen ausgeführt. Diese ergaben, daß
die hintere Wand des Leistenkanales, besonders die Gegend der
Foveola inguinalis interna, im Durchschnitte beim Weibe bedeutend
widerstandskräftiger ist als beim Manne. Dies wird vornehmlich be-
wirkt durch Faserzüge, die von der hinteren Fascie des Transversus
abdominis ausgehen und nach unten und außen verlaufen. Diese
Lamina pubo-transversalis, wie sie Verf. nennt, fand sich in 60% der
weiblichen und nur in 14% der männlichen Leichen. Dazu kommt
noch, daß sich gerade bei der Frau Endfasern des Obliqus internus
und Transversus über den äußeren Rand der Lamina pubo-trans-
versalis hinweg zu den epigastrischen Gefäßen hinziehen. So besteht
statt des beim Manne für gewöhnlich vorhandenen schwächeren Punktes
an dieser Stelle beim Weibe festeres Gewebe, das einem Vortreten der
Eingeweide im Sinne der Hernia inguinalis directa entgegensteht.
A. Most (Breslau).
—
41**
1098 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41.
12) Th. Froelich. Om pylorusstenose hos spaedbarn.
(Norsk Mag. for Laegevid. 1906. Nr. 9.)
F. rät, wenn auch Heilungen bei interner Behandlung beobachtet
sind, die Operation der angeborenen Pylorusstenose nicht allzulange
hinauszuschieben. Pyloroplastik und Loreta’s Operation geben bessere
Resultate als die Gastroenterostomie. Operation bringt dauernde Hei-
lung. Der älteste bekannte Fall ist vor ca. 6 Jahren operiert.
Revenstorf (Hamburg).
13) L. Mummery. The surgical aspects of colitis.
(Practitioner 1906. August.)
Verf. unterscheidet zwei Arten von Kolitis: die primäre Kolitis,
wobei es sich um eine mehr oder weniger diffuse Erkrankung des Kolon
handelt, und eine sekundäre Kolitis, bei der ein umschriebenes Leiden
innerhalb oder außerhalb des Dickdarmes vorliegt oder aber die Kolitis
als Teilerscheinung einer allgemeinen Erkrankung auftritt.
Die Diagnose ist in den einzelnen Fällen nicht immer leicht;
stets soll man bei Diarrhöen, kolikartigen Darmschmerzen, Abgang
von Blut oder Schleim durch den After auch bei jüngeren Individuen
an bösartige Neubildung denken und dementsprechend seine Unter-
suchung anstellen, wobei das Sigmoidoskop vielfach wichtige Dienste
leistet. An der Hand einzelner Fälle und Photogramme wird dies
erläutert. Zum Schluß stellt Verf. folgende Sätze auf: 1) Bei jeder
Kolitis soll eine genaue Untersuchung des Bauches, des Mastdarmes
mittels Sigmoidoskops, sowie des Kotes gemacht werden, ehe man
eine Behandlung einleitet. 2) Ist die Kolitis Folge einer Nachbar-
erkrankung (Wurmfortsatz, Niere, Gallenblase usw.), so soll der primäre
Erkrankungsherd operativ beseitigt werden. 3) Bei Kolitis infolge
bösartiger Neubildung muß möglichst frühzeitig operiert werden. 4) Bei
lokaler Erkrankung (Tuberkulose, Aktinomykose) ist lokale Behand-
lung, eventuell Operation zu empfehlen (Kolotomie, Enteroanastomose).
5) Wirkliche Kolitis behandelt man am besten diätetisch, kombiniert
mit Irrigationen. 6) In sehr hartnäckigen Fällen, die allen palliativen
Mitteln trotzen, gelten als beste Methoden zur Erzielung der Heilung
die temporäre Coecotomie, Kolotomie oder Enteroanastomose.
Jenckel (Gottingen).
Kleinere Mitteilungen.
14) W. 8. Haggard. Transactions of the southern surgical and
gynecological association. Vol. XVII. XVII. session.
J. 8. Horsley eröffnet die Reihe der chirurgischen Vorträge mit der Be-
sprechung einer Methode, sehr enge und ungleich weite Darmlichtungen zur Ver-
einigung zu bringen. Es ist eine End-zu-End-Vernähung mit fortlaufender Naht,
wobei ein Zwickel aus jeder Darmlichtung herausgeschnitten wird, so daß die
Anpassung der Darmschlingen unter rechtem Winkel zustande kommt. Die Ein-
wände in der Diskussion, daß die fortlaufende Naht die Anastomosenöffnung zu
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 1099
eng gestalten könne, weist H. zurück, weil er gerade deswegen die Darmlichtungen
möglichst weit mache. Im übrigen verweist H. auf seine Wachsausgüsse derartig
vernähter Hundedirme, und fihrt die enge Offnung, die der Murphyknopf habe,
dagegen ins Feld. (Redner berücksichtigt nicht, daß die enge Lichtung des
Murphyknopfes nur vorübergehend die Darmlichtung verengt. Ref.)
Talley berichtet über acht Fälle von Ileus. Darunter befindet sich eine vier-
fache Invagination. T. empfiehlt frühzeitige Operation, auch bevor eine spezielle
Diagnose gestellt werden kann.
Die Brüder Mayo haben in den Jahren 1894—1904 1000 Gallenoperationen
ausgeführt mit einer Gesamtsterblichkeit von 5%. Betraf die Erkrankung nur
die Gallenblase, so betrug die Sterblichkeit 2,44%, bei Choledochusoperationen
11,7%. Bei chronischer Cholecystitis exstirpiert M. die Gallenblase. Eine absolut
trübe Prognose bieten diejenigen Fälle, bei welchen die Leber ihre Tätigkeit ein-
gestellt hat, und bei denen in der Gallenblase nur eine wasserklare Flüssigkeit zu
finden ist. Rezidive wurden nicht beobachtet.
Hall hat ein Rezidiv nach 8 Jahren operiert.
Mayo gibt der damals noch nicht vollkommenen Technik die Schuld daran.
J. W. Long redet der Enterostomie als lebensrettendem Eingriffe das
Wort. Er betrachtet seine acht Fälle unter den Gesichtspunkten der mechanischen
Verstopfung, der diffusen Peritonitis, der Darmperforation und der Fistelbildung
zwecks Ernährung.
Stone und McMurtry wenden sich beide gegen den Mißbrauch von Ab-
führmitteln vor und nach Laparotomien bei Peritonitis. Es wird oft dadurch der
Darmparalyse und dem Ileus nur Vorschub geleistet. Zur Ableitung von Exsudaten
sind sie gänzlich zwecklos. Das beste Mittel ist die absolut flüssige Nahrung in
den ersten Tagen. Dabei soll man sich durch das Fehlen der Peristaltik nicht
gleich einschüchtern lassen und erst in der zweiten Hälfte des 2. Tages es mit
einem Einlaufe versuchen.
Nicolson empfiehlt Zelluloidplatten bei Schädeldefekten aufs wärmste. Er
hat bei fünf Fällen von Jackson’scher Rindenepilepsie die Lücke während der
Operation gedeckt. Den Wagner’schen Lappen hält er bei diesen Operationen
nicht für geeignet, weil man nie vorher wissen kann, wieviel man von dem Schädel-
dache noch resezieren muß, um zu erkrankten Bezirken zu gelangen. Die Zelluloid-
platten liegen noch zu kurze Zeit, um darüber ein endgültiges Urteil zu fällen.
Balloch bespricht den chirurgischen Eingriff bei der traumatischen Knie-
gelenkssynovitis und gelangt zu folgenden Schlüssen: Man soll mit konservativen
Maßnahmen keine Zeit verlieren. 3 Wochen sind lange genug, um sich ein Urteil
über den weiteren Verlauf zu bilden. Die Arthrotomie ist eine ungefährliche Ope-
ration. Frühzeitiger Eingriff gibt bessere Prognose als jede andere Behandlung.
Oliver berichtet über das Zusammentreffen von Typhus und Perityphlitis,
sowie über die Schwierigkeit der differentiellen Diagnose beider Erkrankungen,
namentlich wenn die Vorgeschichte fehlt und Pat. mit einer Perforation eingeliefert
wird. Q. ist kein Anhänger einer probatorischen Laparotomie und auch keiner
einer wirklich typhösen Appendicitis. Von letzterer Erkrankung werden zwei Fälle
erwähnt. Die typhöse Ulzeration des Wurmes und die Infiltration des mit der
Umgebung verbackenen Netzes vermögen gerade wie bei der genuinen Appendicitis
eine Dämpfungszone hervorzurufen.
In der Diskussion weist Murphy darauf hin, daß er acht Fälle von typhöser
Appendicitis beobachtet hat, von denen er die ersten drei operierte. Zwei Tat-
sachen scheinen ihm differentialdiagnostisch von Wichtigkeit: Bei der Wurmfortsatz-
erkrankung geht das Fieber dem Anfalle nicht voran, und die Schmerzen treten
bei der typhösen Form am 3., 4. und 5. Tag auf.
Sherrill bespricht die Behandlung der akuten diffusen Peritonitis und stellt
als obersten Grundsatz auf, so früh als möglich chirurgisch einzugreifen. Virulenz
1100 Zentralblatt für Chirurgie Nr. 41.
und Kräftezustand sind die beiden Faktoren, die das Schicksal des Kranken be-
stimmen.
Die lebhafte Diskussion, die sich an den Vortrag anschließt, behandelt
namentlich die Frage der Reinigung und Drainage der Peritonealhshle. Es be-
teiligen sich hauptsächlich Murphy, Finney, C. H. Mayo und Haggard. Die
Ansichten über Irrigation und Austupfen gehen auseinander. Einig sind sich alle
darin, daß drainiert werden muß und alle Eingriffe so schonend wie möglich vor-
genommen werden müssen.
Murphy bringt eine neue Operationsmethode in Gestalt einer Resektion des
Nierenbeckens bei Hydronephrose. Für diese Pyelektomie gibt M. kein bestimmtes
Operationsverfahren an, sondern individualisiert in jedem Falle. Gewöhnlich
schneidet er über der stärksten Vorwölbung ein und geht dann bis zum Nieren-
rande. Er macht ferner darauf aufmerksam, daß rechtsseitige Hydronephrosen
eine Appendicitis vortäuschen können.
Young berichtet über neun Fälle von Blasendivertikel. Ätiologisch kamen
angeborene Klappenbildung, Strikturen, Verletzung und Prostatahypertrophie in
Betracht. Der Druck eines Divertikels auf den Harnleiter spielt eine große Rolle.
Die mikroskopischen Befunde der Divertikelwand zeigen äußerst wechselnde For-
men. In keinem Falle feblt die Muskulatur. Die Operation geschieht je nach
den Verhältnissen extra- oder intravesikal.e Wenn der Harnleiter in ein Divertikel
einmündet, so macht Y. die Einpflanzung des Harnleiters mit Schonung des
Klappenapparates, d. h. er schneidet nicht den Harnleiter durch, sondern er um-
schneidet den um die Harnleitermündung gelegenen Bezirk und pflanzt dann diesen
nach Abtragung des Divertikels in die Blasenwand ein.
Young hat in den 2 vergangenen Jahren 75 Fälle von Prostatahypertrophie
auf perinealem Weg operiert, und alle machten eine Rekonvaleszenz durch. Zwei
starben nach dem 9. Tage an Komplikationen. Y. gibt der perinealen Methode
den unbedingten Vorzug. Er macht parallel zueinander jederseits zwei Längs-
schnitte durch die Prostatakapsel. Dadurch will er die Ducti ejaculatorii schonen
und nach seinen Beobachtungen die sexuelle Potens erhalten haben. Y.legt durch
seine Inzisionen zwei Drains ein, mit denen er eine Dauerspülung 12—24 Stunden
lang aufrecht erhält. Danach werden die Drains entfernt. Die Tamponade wird
am 3. Tage weggelassen; am 4. Tage steht Pat. auf. Schon nach 1 Woche will
Y. den perinealen Abfluß des Urins beseitigt haben.
Caldwell bespricht die Indikation der Resektionen tuberkulöser Gelenke.
Seine Grundsätze sind im großen und ganzen die bekannten. Die Altersgrenze für
die Kniegelenksresektion setzt C. auf 50 Jahre fest. Doch hat er auch jenseits
dieser Grenze zwei Heilungen zu verzeichnen.
Mixter berichtet über drei Fälle von Magenobliteration nach Verätzung.
Einmal wurde die Gastroenterostomie mit Erfolg ausgeführt, einmal die Duodeno-
stomie; der dritte Fall kam nicht zur Operation.
Bosher bespricht die Dermoidcysten und Fisteln am SteiB.
In der Diskussion erwähnt Denegre einen Fall von Dermoidcyste, die doppelt-
mannskopfgroß war und bis zur Kniekehle beiderseits herunterhing. Pat. starb
infolge der Operation.
Stokes bespricht sechs Fälle tuberkuléser Peritonitis. Die Operation soll
lediglich in der Eröffnung der Peritonealhöhle bestehen. Drainage ist nur dann
angebracht, wenn Eiter oder Darmperforation vorhanden sind.
Gaston erwähnt eine Schußverletzung der Luftröhre bei einem 8jährigen Mäd-
chen, die durch Tracheotomie geheilt wurde.
Byford desinfiziert nach der Methode von Fürbringer, doch bält er den
Alkohol für nicht unbedingt notwendig und legt auf die mechanische Reinigung
sowie auf die Vermeidung von eitrigen Wunden den Hauptwert. Handschuhe
wendet er höchstens bei seinen Assistenten an. Eine glatte Haut besitzt große
Vorzüge.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 1101
In dieser Hinsicht erwähnt C. H. Mayo, daß man Gummihandschuhe in Eiter
tauchen könne und sie nach tüchtigem Abspülen nicht in allen Fällen, aber doch
oft steril finden würde.
Murfree spricht über die eingeklemmten Brüche im allgemeinen und verlangt
so früh wie möglich Operation.
Denegre erwähnt zwei Fälle von Karzinom des Wurmfortsatzes, die operiert
wurden, aber zum Tode führten.
G. Brown bespricht einen Fall von Zwerchfellbruch, bei dem das ganze Netz
und ein großer Teil des Magens in den Pleuraraum eingetreten waren. Tod.
Haggard erwähnt einen Fall von Meningokele, die bei der Geburt gänseei-
groß war und in 4 Monaten die enorme Größe von zwei Kindsköpfen dieses
Alters erreichte. Operation: Abtragung der Cyste. Tod nach 2 Tagen. In der
Cystenwand befand sich Zentralnervengewebe.
Haggard empfiehlt sodann die Drainage des Douglas bei diffuser Peritonitis.
B old: Demonstration eines neuen Operationstisches, eines Irrigationsspekulums,
eines Cul-de-sac-Perforateurs und einer Invaginationsnadel fiir den Wurmfortsatz.
Royster sterilisiert seine Messer, indem er dieselben vor der Operation 10 Mi-
nuten lang in 95x%igen Alkohol legt.
Manton: Zwei Fälle von tuberkulöser Peritonitis.
Richardson: Ein Fall von embolischer Gangrän beider Femorales mit töd-
lichem Ausgange.
Jordan: Zwei Schußverletzungen des Magens. Ein Pat. genas und bot die
Eigentümlichkeit, daß nur eine Einschußöffnung vorhanden war.
Doughtya: a. Ein Fall von suprapubischer Prostatektomie. b. Ein Fall von
Peritonealcyste. Beide genasen.
Hunner bespricht die Bedeutung der Blasenuntersuchung bei Frauen.
A. Hofmann (Karlsruhe).
15) H. Ladenburger. Operationen an Säuglingen.
(Vereinsblatt pfälzischer Arzte 1906. Februar.)
Verf. will bei Säuglingen nur die Witzel’sche Athertropfnarkose angewendet
wissen. Instrumente sollen stets trocken benutzt und jede antiseptische Flüssig-
keit vom Operationsfelde ferngehalten werden. Weiter betont Verf. die Schwierig-
keit des Sauberhaltens des Verbandes, besonders wegen der Spannungsverhältnisse
der zu vereinigenden Weichteile. (Die kolossale Nachgiebigkeit der kindlichen
Haut unterschätzt Verf. Ref.) Als Nahtmaterial will Verf. nur Jodcatgut gelten
lassen, besonders da eine Entfernung der Nähte der äußeren Haut dann fortfällt.
Mit seiner Ansicht über die Bruchoperation bei Säuglingen dürfte Verf. bei der
Mehrzahl der Chirurgen auf Widerspruch stoßen. Zum Schluß teilt er zwei Ope-
rationen an Säuglingen (Exstirpation eines 31/, Pfund schweren embryonalen
Nierensarkoms bei einem ljährigen Kinde und Radikaloperation eines Nabelschnur-
bruches 5 Stunden nach der Geburt) mit, die beide tédlich verlaufen sind.
Grosse (Kassel).
16) Schkarin. Zur Kenntnis der Riickbilduhg von Neoplasmen nach
operativen Eingriffen.
(Prager med. Wochenschrift 1906. Nr. 37 u. 38.)
Die Rückbildung von Geschwülsten nach Arsenik-, Röntgen- oder Radium-
behandlung und nach Infektionskrankheiten ist schon häufig beobachtet und be-
schrieben worden. Nur spärlich in der Literatur sind solche Fälle berichtet, bei
denen ein operativer, selbstverständlich nicht radikaler Eingriff den Anstoß zum
Beginn eines Rückbildungsvorganges in bösartigen Neubildungen gab. S. teilt
zwei hierher gehörige Beobachtungen mit: Bei einem 6jährigen Mädchen mit einem
1102 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41.
Rundzellensarkom des Jejunum und zahlreichen knolligen Metastasen im Bauch-
fell und den mesenterialen Lymphdrüsen wurde 4 Tage nach der Probelaparotomie
die Sektion gemacht. Dabei stellte sich heraus, daß nur noch die Lymphdrüsen,
welche regionär zur Primärgeschwulst gehörten, etwas vergrößert waren. Während
die mikroskopische Untersuchung eines bei der Operation gewonnenen Stückchens
vom Peritoneum parietale keine degenerativen Veränderungen erkennen ließ, fanden
sich bei der Sektion überall ausgedehnte, besonders fettige Zerfallserscheinungen
in den Geschwulstzellen.
In dem zweiten Falle, der einen jährigen Knaben betraf, ergab die Laparo-
tomie zahlreiche, den ganzen Bauch erfüllende, knollige, bis kleinfaustgroße Ge-
schwülste. Ein Teil des großen Netzes wurde zur mikroskopischen Untersuchung
exzidiert, die ein kleinzelliges Rundzellensarkom von alveolärem Bau nachwies. In
den nächsten 14 Tagen schwanden sowohl die Geschwülste im Bauch als auch
mehrere Hautknoten der Brustwand und geschwollene Lymphdrüsen am Hals und
in den Achseln; dann setzte ein erneutes Wachstum der Geschwülste ein, das
schließlich 4 Wochen nach der Operation zum Tode des Kindes führte. Eine
Sektion unterblieb; der Ausgangspunkt der zahlreichen Geschwülste hat anschei-
nend nicht ermittelt werden können. Gutzeit (Neidenburg).
17) Lang. Lähmungen nach Lumbalanästhesie mit Novokain und
Stovain.
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 35.)
In den beiden mitgeteilten Fällen handelte es sich um Augenmuskellähmungen,
welche 11 Tage nach der Einspritzung des Novokains in den Lumbalsack began-
nen und sich innerhalb von 12—20 Stunden zur Paralyse steigerten. Beim ersten
Falle gesellte sich außerdem zur rechten Paralyse am 18. Tage noch eine Parese
des linken Abducens. Bei beiden Fällen trat nach ungefähr 10 Tagen eine all-
mähliche Rückbildung ein. L. glaubt, daß es sich um eigenartige toxische Spät-
wirkung des Novokains handelt.
Des weiteren teilt L. einen Fall mit, in welchem nach Anwendung von Stovain
eine Peroneuslähmung, die nach etwa 12 Wochen zurückging, sowie eine Atrophie
des rechten Thenar einstellte. Borchard (Posen).
18) Balacescu (Bukarest). Die Behandlung der kalten Abszesse mit-
tels Einspritzungen von Naphtholum camphoratum.
(Chirurgische Gesellschaft in Bukarest. Sitzung vom 31. Mai 1906.)
B. hat mehrere Fälle von lokaler Tuberkulose nach der Methode von Calot
mit Einspritzungen von Kampfernaphthol in die Abszeßhöhle behandelt und sehr
gute Resultate erzielt. Es wurde nicht nur bei Knochen- und Gelenkcaries Hei-
lung erzielt, sondern auch Lymphdrüsentuberkulosen können auf diese Weise ohne
Operation und ohne entstellende Narbenbildung behandelt werden. Diese, bekannt-
lich von Calot angegebene, Behandlungsmethode kann also nur wärmstens emp-
fohlen werden. E. Toff (Braila).
19) H. Salomon. Die diagnostische Punktion des Bauches.
(Berliner, klin. Wochenschrift 1906. Nr. 2.)
Verf. hat das von Adolf Schmidt zur Verwendbarkeit der intraperitonealen
Infusion von Kochsalz- und Nährlösungen konstruierte Instrument modifiziert, um
die Probepunktion der Bauchhöhle gefahrlos zu gestalten. Der Apparat, welcher
vom Instrumentenmacher Cassel (Frankfurt a. M.) geliefert wird, besteht aus einer
kurzen, nur die Haut durchstechenden scharfen Gleitnadel und einer stumpfen
Hohlnadel, die durch die Gleitnadel hindurchgeführt wird und Muskel, Fascie und
Peritoneum stumpf durchbohrt. Durch eine seitliche Öffnung am Ende der stumpfen
Hohlnadel wird ein feiner Katheter nach Art der Harnleiterkatheter hindurch-
geleitet, der von einem Mandrin gesteift wird. Das Instrument wurde erst in
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 1103
einigen Fällen angewendet, zeigte seine Brauchbarkeit besonders in einem Falle
von Durchwanderungsperitonitis bei Typhus. Wie die Obduktion ergab, betrug
die Gesamtexsudatmenge nur 100 ccm, eine Flüssigkeitsansammlung, die durch
andere klinische Untersuchungsmethoden nicht nachweisbar ist, die sich aber cyto-
diagnostisch und bakteriologisch verarbeiten lässt. Die diagnostische Punktion,
die Verf. zwischen Nabel und Blase in der Mittellinie oder an den seitlichen Par-
tien des Bauches, besonders linkerseits, auszuführen empfiehlt, soll sich zunächst
auf Fälle von Peritonitis zweifelhafter Ursache, oder wo es sich darum handelt,
die Differentialdiagnose zu stellen zwischen Perforationsperitonitis und einer Kolik
von seiten des Harnleiters oder der Gallenblase, oder zwischen einem nervösen
Schmerzanfalle beschränken. Auch bei Fällen von etwaigem perforiertem Magen-
geschwür und von geplatzter Tubarschwangerschaft wird sie die Diagnose sichern.
Langemak (Erfurt).
20) W. S. Grusdew. Zur Frage von den Fremdkörpern in der
Bauchhöhle und von dem Verhalten des Bauchfells zu denselben.
(Russki Wratsch 1906. Nr. 30.)
G. entfernte bei einer 58 Jahre alten Bäuerin eine vor 7 Jahren zurückgelas-
sene, 22 cm lange Terrier’sche Klemme; das erste Jahr nach der damaligen
Operation fühlte sich Pat. gesund, dann traten Schmerzen auf, und vor 3 Monaten
perforierte die Spitze der Klemme die vordere Bauchwand rechts vom Nabel. Die
Branchen lagen im hinteren Douglas. G. entfernte das Instrument durch hintere
Köliotomie. Die Branchen waren von einer 1—1,5 mm dicken, sehnigen Haut
umschlossen, die im Zentrum bloß aus geschichtetem sklerosiertem Bindegewebe
bestand, in den peripheren Lagen längliche Zellen mit großen ovalen Kernen, ferner
runde, vielkernige und einzelne Riesenzellen, sowie spärliche Gefäße enthielt. Da
das Bauchfell und die Darmschlingen im Douglas nicht verwachsen waren, so ist
anzunehmen, daß die Reizung des Bauchfells nur vorn — an der Spitze — zu
Verklebungen führte, hinten — an den Branchen — nur zu Ablagerung an den
Fremdkörper selbst. Als Mittel zur Vermeidung des Zurücklassens von Fremd-
körpern empfiehlt G. das von ihm geübte Spülen der Bauchhöhle nach jeder Ope-
ration mit physiologischer Lösung, wobei die das Instrument einführende Hand
einen eventuell vergessenen Fremdkörper finden muß, wie es dem Verf. einmal
passiert ist. E. Gückel (Wel. Bubny, Poltawa).
21) W. W. Wnukow. Zwei Fälle von akuter perforativer Peritonitis,
geheilt durch Bauchschnitt.
(Russki Wratsch 1906. Nr. 27.)
Die Fälle wurden in Prof. Fedorow’s Klinik in Petersburg operiert.
Der erste Pat., 29 Jahre alt, verschluckte vor 10 Tagen, zwecks Selbstmordes,
zahlreiche Schnitzel einer Blechdose. Vor 2 Tagen plötzliche Schmerzen im
Unterleibe (Perforation); 62 Schnitzel waren durch den After abgegangen. Sofort
nach Eintritt ins Krankenhaus — am 3. Tage der Krankheit — Laparotomie in
der Linea alba. Ein verlöteter Dünndarmknäuel wurde hervorgezogen, in, dessen
Mitte Eiter und zwei Perforationsöffnungen im Darme gefunden; die eine Öffnung
wird erweitert und 7 Schnitzel entfernt; Naht der Öffnungen, Anlegen von vier
Schnitten durch die Bauchwand: je eine hinten am Ende der 12. Rippe und vorn unten,
über dem Lig. Pouparti, Einführen von Drains durch diese Löcher, hinten zwischen
Leber (resp. Milz) und Zwerchfell, sowie nach vorn unten; durch die Öffnungen
über dem Poupart’schen Bande nach oben längs dem Dickdarm bis zur Leber und
zum Magen; durch die mediane Wunde wurde ein Mikulicztampon eingelegt.
Spülen der Bauchhöhle mit 9/iger NaCl-Losung von 40° O, bis die Flüssigkeit
klar abfließt. 500,0 Kochsalzlösung subkutan. Glatter Verlauf; nach 3 Monaten
geheilt.
Der zweite Pat., 41 Jahre alt, erkrankte an Peritonitis nach einer Punktion des
Bauches, die rechts mitten zwischen Nabel und Spina ant. sup. ausgeführt wurde ;
1104 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41.
dabei wurde eine mit der Bauchwand verwachsene Dünndarmschlinge angestochen,
deren Inhalt sich in die Bauchhöhle entleerte. Schon nach sechs Minuten
starke Schmerzen, nach 15 Minuten Erbrechen. Operation nach 4 Stunden.
Schnitt rechts schräg über die Punktionsöffnung, links wird symmetrisch eine
zweite Öffnung gemacht. Da die angewachsene Stelle des Darmes verengt ist,
werden der zu- und abführende Schenkel durch eine Enteroanastomose verbunden.
Hinten an den Enden der 12. Rippen werden noch 2 Öffnungen angelegt, die
Bauchhöhle mit heißer Kochsalzlösung gespült und Drains eingeführt (durch die
vorderen Schnitte tiefe Tampons). Da der Darm nicht zu reponieren war, mußte
er punktiert werden; die Punktionswunde, sowie die erste Stichwunde, die die
Peritonitis veranlaßte, wurden genäht. 1000 cem Kochsalzlösung subkutan. Verlauf
gut. Am Ende des zweiten Monats bildete sich an der Stelle der Anastomose eine
Darmfistel mit Sporn. Daher 3 Monate später Laparotomie, Ablösung des Darmes.
Naht der Fistelöffnung im Darme, Naht der Bauchwunde. Glatte Heilung. Am
Ende des 7. Monats nach der ersten Operation geheilt entlassen.
E. Qückel (Wol. Bubny, Poltawa).
22) A. Miles. Observations on perforated gastric and duodenal ulcer,
based on a personal experience of forty-six cases operated upon.
(Edinb. med. journ. 1906. August u. September.)
Kurze, interessante, statistische Arbeit auf Grund der Beobachtung von
46 Fällen von Perforationen bei 36 Magen- und 10 Duodenalgeschwüren. Was
das Geschlecht der Pat. anlangt, so ist auch Verf. der Meinung, daß das Geschwiir
unzweifelhaft häufiger beim weiblichen Geschlechte vorkommt, als beim männ-
lichen, und infolgedessen bei Weibern öfter Perforationen erlebt werden; doch tritt
die Perforation auch bei Männern verhältnismäßig oft auf; denn von 36 perforierten
Magengeschwüren betrafen 25 das weibliche, 11 das männliche Geschlecht, ja beim
Duodenalgeschwür überwiegt bei weitem das männliche Geschlecht, indem von
10 Fällen 9 das männliche, nur einer das weibliche betrafen. Die jüngste ope-
rierte Pat. war 151/., die älteste 551/. Jahre alt. 22mal trat die Perforation des
Magengeschwüres bei Pat. ein, die jünger als 30 Jahre waren (3 Männer,
19 Weiber), 14mal bei älteren (3 Männer, 6 Frauen). Beim Duodenalgeschwiire liegt
das Alter zwischen dem 19. und 64. Lebensjahre, die einzige weibliche Person war
21 Jahr alt. Von 14 über 30 Jahre alten Kranken, die wegen perforierten Magen-
geschwüres operiert wurden, blieben nur 4 am Leben, während von den 22 unter
30 Jahre alten 15 geheilt wurden. Von den 5 Todesfallen bei perforiertem Duo-
denalgeschwür waren 4 Männer über 40 Jahre alt, einer stand im Alter von
19 Jahren, während von den 5 geheilten eine Person 52 Jahre alt war, die übrigen
4 unter dem 40. Lebensjahre standen. Sowohl bei Perforation des Magen-, als
auch des Duodenalgeschwüres beträgt die Sterblichkeit 50% ; die besten Aussichten
für die Erhaltung des Lebens sind vorhanden, wenn innerhalb der ersten 12 Stunden
nach der Perforation die Operation ausgeführt werden kann (Sterblichkeit 26,3%),
zwischen 12 und 24 Stunden beträgt die Sterblichkeitsziffer schon 44,4%, zwischen
24 und 36 Stunden 50%, nach 36 Stunden 91,7%.
Ein Trauma konnte nur verhältnismäßig selten als Ursache der Perforation
nachgewiesen werden. Was den Sitz des Geschwüres anlangt, so überwiegt bei
weitem die vordere Wand (Magengeschwüre: 33 an der vorderen, 3 an der hinteren
Wand; Duodenalgeschwüre: 9 an der vorderen, 1 an der hinteren Wand). Mehr-
fache Perforation erlebte Verf. nur Imal bei einem 20jährigen Mädchen, wo das
Geschwür an der vorderen Wand übernäht war, bei der Autopsie sich aber auch an
der hinteren Wand eine Perforation vorfand. Die Perforationsöffnungen an der
hinteren Wand pflegten stets größer zu sein als an der vorderen. Das Operations-
verfahren bestand gewöhnlich in Einstülpung und Übernähung des Geschwüres
(zwei Etagen). Zur Sicherung wurde, wenn möglich, ein Netzzipfel noch über-
genäht. Nur in 2 Fällen exzidierte Verf. das Geschwür (beide Pat. starben). So-
bald die Befürchtung vorlag, daß durch die Einstülpung und Übernähung die
Lichtung sehr verengt würde, führte Verf. entweder die Pyloroplastik oder aber,
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 1105
wenn der Zustand des Pat. es erlaubte, die Gastroenterostomia retrocolica posterior
aus. Großes Gewicht legt M. auf die Auswaschung des Bauches nach Schluß der
Perforationsöffnung. In jedem Falle soll durch suprapubischen Schnitt das Becken
freigelegt und das Cavum Douglasii mit Hilfe einer langen Tube mit steriler
warmer Kochsalzlösung resp. warmem abgekochten Wasser gehörig ausgespült
werden. Zu diesem Zwecke verwendet Verf. lange Glasdrains, die nach allen
Richtungen hin vom Laparotomieschnitt aus eingeführt werden (Milz-, Nieren-,
Leber-, linke und rechte Diacalgegend) und den Abfluß erleichtern. Die Perfora-
tionsstelle wurde nur in zweifelhaften Fällen, speziell beim Duodenalgeschwür, zur
Sicherheit mit einem Jodoformgazestreifen versehen, im übrigen die Laparotomie-
wunde bis auf die Drainöffnung für den Douglasraum geschlossen. Am 2. Tage
nach der Operation wurde die Drainage entfernt. Jenckel (Gottingen).
23) Friedrich. Uber die Häufigkeit und operative Prognose der
Bauchaktinomykose des Menschen.
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 31.)
In 3 Jahren kamen an der Greifswalder chirurgischen Klinik unter 600 Lapa-
rotomien — darunter rund 200 wegen Blinddarmerkrankung — sechs resp. acht
Fälle von Aktinomykose vor, so daß, da alle diese unter dem mehr oder minder
ausgesprochenen Bilde der Blinddarmentzündung verliefen, 3 resp. 4% der Blind-
darmerkrankungen durch den Strahlenpilz bedingt waren. In keinem der Fälle
war vor der Aufnahme in die Klinik die Diagnose gestellt worden, sondern in fünf
von acht war Blinddarmentzündung angenommen. Es setzte bei vier Pat. die Er-
krankung ganz akut, unter dem typischen Bilde der Perityphlitis ein. Dagegen
traten Symptome, welche wir unter peritonitischer Reizung zusammenfassen, auf-
fallend zurück. In den anderen Fällen braucht der erste »Blinddarmanfall«< kaum
Resistenzen zu hinterlassen, und dann stellt sich nach und nach eine immer größer
werdende, sehr derbe, fast oder ganz schmerzlose Entzündungsgeschwulst ein. Hier-
neben Bewegungsstörungen im rechten Bein, ausgesprochener Kräfteverfall. Von
den acht Fällen — bei denen 2mal die spezifischen Pilze, trotz des typischen klini-
schen Bildes, nicht gefunden werden konnten — sind sieben am Leben geblieben.
Wenn F. auch einen therapeutischen Versuch mit Jod unter dauernder Überwachung
des Kranken für gerechtfertigt hält, so steht er doch auf Grund seiner bakterio-
logischen und klinischen Erfahrungen auf dem sicher von allen, die die Erkran-
kung häufiger gesehen haben, zu billigenden Standpunkte, nach Möglichkeit alles
Kranke bis in das Gesunde auszuschneiden. So hat er z. B. bei einer 54jahrigen
Pat. den ganzen aufsteigenden Dickdarmteil an seiner Außen- und Rück-
wand freigelegt, um alles Kranke radikal zu entfernen. In einem anderen Falle
mußte das ganze krankheitsverdächtige Darmgebiet nach radikaler Entfernung alles
Kranken durch Dünndarm- und Dickdarmanastomose ganz ausgeschaltet werden.
Borchard (Posen).
24) B. Schweizer. Uber Divertikelbildung bei Appendicitis.
(Virchow’s Archiv Bd. CLXXXV. p. 278.)
Verf. beschreibt einen von ihm im Intervall exstirpierten Wurmfortsatz, dem
im proximalen Drittel auf der konvexen Seite ein mehr als kirschgroßes Anhängsel
breitbasig aufsaß. Die Kommunikationsöffnung zwischen Divertikel und Wurm
war erbsengroß und scharfrandig. Der Inhalt beider Gebilde bestand aus einer
mit Fibrinflocken vermischten schleimig-eitrigen Flüssigkeit. Ein Kotstein fehlte.
Die mikroskopischen Befunde, sowie die Erörterungen über die Entstebung der-
artiger Ausbuchtungen, sowie ihre pathologische Wichtigkeit müssen im Original
nachgelesen werden. Doering (Göttingen).
25) Seelig. False diverticula of the vermiform appendix.
(Annals of surgery 1906. Juli.)
Gelegentlich einer Operation fand S. am exstirpierten Wurmfortsatz ein
falsches Divertikel, welches nur aus der Schleimhaut, Subserosa und Serosa ge-
1106 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41.
bildet wurde, während die Muscularis fehlte. Während die idiopathischen Diver-
tikel des Fortsatzes gewöhnlich am Gekrösrande desselben ihren Sitz haben, lag
dieses gegenüber am konvexen Rande. Verf. ist der Ansicht, daß diese Divertikel
eine Folge stattgehabter Entzündung sind und durch teilweise Einschmelzung der
Wand hervorgerufen werden, während die am mesenterialen Rande entstehenden
Divertikel.
idiopathischer Natur sind, da hier an der Stelle des Eintritts der Gefäße ein natür-
licher Locus minoris resistentiae sich befindet. Hervorgerufen werden beide durch
den im Innern des Wurmfortsatzes herrschenden Druck. Diese Divertikel haben
lediglich anatomisches Interesse. Herhold (Altona).
26) H. Mayet et F. Bourganel. Hernie inguinale congénitale étranglée,
contenant un diverticule de Meckel, chez un prématuré de six
semaines.
(Arch. de méd. des enfants 1905. September.)
Das betreffende 6 Wochen alte Kind wurde 3 Wochen vor dem normalen
Schwangerschaftsende geboren und hatte einen umfangreichen eingeklemmten
Leistenbruch, der vor 2 Tagen sich bereits einmal eingeklemmt hatte, durch miib-
same Taxis aber reponiert werden konnte.
Die vorgenommene Operation zeigte im Bruchsacke eine eingeklemmte Diinn-
darmschlinge und neben derselben ein 9 cm langes Diverticulum Meckeli, welches
reseziert wurde. Die Operation wurde nach der Bassini’schen Methode aus-
geführt, der Divertikelstumpf mit dem Glüheisen verschorft, und konnte innerhalb
3 Wochen Heilung erzielt werden. E. Toff (Braila.
27) L. McGavin. Seven cases of hernia treated by the implantation
of a prepared filigree of silver wire.
(Practitioner 1906. August.)
Bei sieben Hernien hat Verf. mit gutem Erfolge große Bruchpforten durch
Silberdrahtgeflecht verschlossen. Er will nur solche Fälle in dieser Weise behandelt
wissen, bei denen die sonstigen gebräuchlichen Operationsmethoden keinen Dauer-
erfolg versprechen. Einmal handelte es sich um einen großen postoperativen
Bauchbruch mit vielen Verwachsungen und großer Bruchpforte bei einer 4öjährigen
Frau, dann um eine sehr starke Diastase der Musculi recti mit Enteroptose bei
einer 50jährigen Frau, wo durch Einführung eines 9 Zoll langen, 4 Zoll breiten,
mit 50 Schlingen auf jeder Seite versehenen Drahtgeflechtes völlige Heilung erzielt
wurde. Die übrigen Fälle (zwei Männer, zwei Weiber) betrafen Leistenbrüche.
Peinlichste Asepsis ist Grundbedingung, das Geflecht soll erst direkt vor der
Anwendung dem Sterilisator entnommen werden; außerdem wird sorgfältige Blut-
stillung empfohlen, um die Wunden ohne Drain schließen zu können. Bei Bauch-
brüchen empfiehlt Verf., das Drahtnetz nicht nach dem Vorschlage von Bartlett
zwischen Bauchfell und Muskulatur zu legen, da bei der notwendigen Lösung der
um die Bruchpforte herum gelegenen Verwachsungen zu leicht eine diffuse Blutung
auftritt, sondern zwischen Muskulatur und hintere Muskelscheide. Alle Operationen
wurden mit Gummihandschuhen ausgeführt. Zur Naht in der Tiefe verwandte
G. Catgut mit recht gutem Erfolge, während er die Hautwunde mittels Michel-
scher Klemmen schloß. Vor den Hagedorn'schen Nadeln wird gewarnt, da sie
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 1107
zu leicht zu Blutungen im — gemebe führten; man soll lieber abgerundete
Nadeln anwenden. Jenckel (Gottingen).
28) K. K. Wreden. Radikaloperation des Nabelbruches.
(Russki Wratsch 1906. Nr. 30.)
Um auch große Bruchpforten gut verschließen zu können, operiert W. auf
folgende Weise. Nach sorgfältigem Abpräparieren des Fettes von der Aponeurose
in der Gegend des Bruchhalses wird letzterer (Aponeurose und Bauchfell) 2 cm vor
dem Bruchring durchschnitten und durch zwei seitliche Einschnitte (bis zum Ring)
in einen oberen und unteren Lappen geteilt. Der untere wird unter den oberen
genäht, der obere darüber gelegt und angeheftet. Nun wird die Rectusscheide
längs dem lateralen Rande gespalten und das vordere Blatt vom Muskel abpräpariert
(auf beiden Seiten); der so gebildete Lappen wird herübergeschlagen und an den
medialen Rand der Rectusscheide der anderen Seite angenäht; der Lappen der
anderen Seite wird über den ersten gelagert und ebenfalls angeheftet. Endlich
wird die Haut genäht. W. machte die Operation 8mal, und 2-—-10 Monate nachher
war die Narbe fest. E. 6ückel (Wel. Bubny, Poltawa).
29) Poppert. Chirurgische Behandlung des chronischen callösen
Magengeschwiires.
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 28.)
P. stellt in der medizinischen Gesellschaft in Gießen drei Fälle von callösem
Magengeschwür vor, die er teils mit Exzision (zwei) der ausgedehnten indurierten
Partie, teils mit Resektion (eine) des Pylorus behandelt und geheilt hat.
Borehard (Posen).
30) König. Durch Gastroenterostomie geheiltes callöses penetrierendes
Magengeschwiir.
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 33.)
K. stellt im Hamburger ärztlichen Verein einen äußerst interessanten Fall von
prinzipieller Bedeutung vor, in welchem er wegen schwerer Magenblutung vor
einem Jahr operierte. Es fand sich eine harte Geschwulst an der kleinen Kurvatur,
die auf die hintere wie vordere Magenwand in je 5-Markstückgröße übergrifff und
in der Mitte einen tiefen Krater fühlen ließ. Eine Entfernung war nicht angängig.
Deshalb Gastroenterostomie. Es ging dem Pat. gut. Nach Monaten trat ein
Bauchbruch ein, der Beschwerden machte, und bei der Operation desselben fand
K. nsch Lösung ausgedehnter Netzverwachsungen, daß die frühere Geschwulst
gänzlich geschwunden war. Es bestanden nur noch ein paar Ve
zwischen Leber und kleiner Kurvatur. Borchard (Posen).
31) G. J. Baradulin. Einige Blutveränderungen bei an Magenkrebs
Leidenden (Verdauungsleukocytose).
(Russki Wratsch 1906. Nr. 28.)
B. untersuchte das Blut von 10 Pat. 13mal. Nur 5mal war der Hämoglobin-
gehalt 50—55. Die Zahl der Leukocyten war imal 9600, 5mal 10—15000, 4mal
15—20000, 3mal noch höher (bis 23000. Mit dem Fortschreiten der Krankheit
nimmt die Zahl der polynukleären Leukocyten zu, der Lymphocyten ab (erstere
bis 92,4%, letztere bis zum Minimum 6,8%). Verdauungsleukocytose wurde nur
2mal beobachtet (Vermehrung der Leukocytenzahl um 1100 und 1200). B. unter-
suchte die Verdauungsleukocytose bei 5 weiteren Krebskranken, wo die Brustdrüse,
der Mastdarm, der Oberkiefer und das Bauchfell vom Krebs befallen waren. 2mal
— in leichteren Fallen — fand er wahre Leukocytose nach dem Essen, 3mal —
bei sehr geschwächten Pat. — fehlte sie, und war in einem Falle die Zahl der
Leukooyten sogar nach dem Essen geringer als vorher. B. glaubt daher, daß das
Karzinom unabhängig von der Lokalisation die Verdauungsleukocytose verhindern
1108 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41.
kann. Die Untersuchung der Verdauungsleukocytose kann die Diagnose zwischen
Magenkrebs und Magengeschwür sicherstellen.
E. Gtckel (Wel. Bubny, Poltawa).
32) Ringel. Über akuten mechanischen Ileus.
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin u. Chirurgie Bd. XVI. Hft. 2.)
R. bezeichnet als akuten mechanischen Ileus das, was man sonst Strangula-
tionsileus nennt; er berichtet über 27 Fälle, die er im Eppendorfer Krankenhaus
operiert hat; es handelte sich 4mal um Invagination, 19mal um Abschniirung durch
Strange, 3mal um Volvulus, {mal um Hernia obturatoria; von den Pat. starben
14 = 51,8% Mortalität. Bei den Gestorbenen fand sich meist bei der Operation
schon Peritonitis. Bei Gangrän des Darmes empfehlt R. Resektion, nicht An-
legung eines Kunstafters. Für die Reposition der Därme bewährte sich folgender
Handgriff: die ganzen eventrierten Därme werden allseitig in eine große, sterile
Serviette gehüllt, die ringsherum unter den Rand der Bauchwunde geschoben und
hier vom Assistenten fixiert wird, so daß der Darm in der Serviette wie in einem
Bruchsack liegt. Dann wird die Reposition in derselben Weise ausgeführt, wie
man eine mobile Hernie zurückbringt, indem man von allen Seiten gleichmäßig
gegen den Bruchsack bzw. die Serviette einen sanften Druck ausübt. Bei dieser
Methode hat Verf. niemals ernste Schwierigkeiten gehabt, den Darm schnell zu-
rückzubringen und die Bauchhöhle zu schließen. Haeckel (Stettin).
33) P. Karpa. Zwei Fälle von Dünndarmatresie.
(Virchow’s Archiv Bd. CLXXXV. p. 208.)
Bei einem 4 Tage alt gewordenen Kinde, das unter Darmverschlußerscheinungen
gestorben war, fand sich bei der Autopsie eine hochgradige sackartige Erweiterung
des obersten Duodenalabschnittes. 4,5 cm hinter dem Pylorusring war das Duo-
denum vollkommen verschlossen. In der Gegend des blinden Endes zeigte sich
eine Klappe, unter welcher ein Gallengang einmündete. Vom Mittelstück des Duo-
denum fand sich gar nichts, auch nicht einmal ein fibröser Rest. Das Duodenum
begann erst wieder mit der Einmündung des Choledochus, der eine typische
Vater’sche Papille bildete. Die blinden Enden des Duodenum lagen dicht neben-
einander. Der gesamte übrige Darm war normal. Der Choledochus gab unterhalb
der Vereinigung von Hepaticus und Cysticus einen nach links verlaufenden
schmalen Ast ab, der sich, wie erwähnt, in den oberen blinden Abschnitt des
Duodenum einsenkte. Erklärt wird die Mißbildung durch die Annahme, daß sich
wahrscheinlich an der Einmündungsstelle des Choledochus eine Einschnürung ent-
wickelt hat, und daß dann unter der Einwirkung des Zuges der beiden nach ver-
schiedenen Richtungen auswachsenden Darmenden der Gallengang gespalten und
in die beiden Zweige auseinander gezogen ist.
Im zweiten Falle handelt es sich um eine in früher Embryonalzeit entstandene
Invagination des Diinndarmes. Es fand sich im distalen Darmende ein 22 mm
langes nekrotisches Intussusceptum, das an einer Stelle mit der Darmwand fest
verwachsen war. Der zuführende wie der abführende Darmabschnitt endigte
blindsackförmig, und zwischen beiden fand sich eine mehrere Zentimeter lange
Darmlücke, in deren Bereich das Mesenterium mit scharfem Rand endete Aus
der starken Ausdehnung des proximalen Darmblindsackes und aus dem freien
scharfen Rande des Mesenteriums in der Darmlücke wird auf ein Zustandekommen
des Prozesses in früher Fötalzeit geschlossen. Ahnliche Fälle sind bisher nur von
Chiari und Braun beobachtet worden. Doering (Göttingen).
34) A. Edmunds. Intestinal obstruction in children: a clinical study.
(Practitioner 1906. August.)
Beschreibung eines seltenen Falles von Dünndarmverschluß bei einem 3jährigen
Madchen durch ein Meckel’sches Divertikel, bei dem sich offenbar durch den
Zug eines an der Spitze des Divertikels ansetzenden fibrösen Bandes die mesen-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 1109
teriale Seite des Darmes spornartig vorgestülpt hatte und zur Verlegung der
Lichtung führte. Das Kind war 6 Tage vorher von einer Droschke quer über
den Leib gefahren worden, und glaubte man infolgedessen zuerst an eine durch
dieses Trauma bedingte Erkrankung; bei der Operation zeigten sich aber keinerlei
diesbezügliche Veränderungen. Verf. glaubt trotzdem, daß der an der Spitze des
Divertikels haftende solide Strang durch Entzündung entstanden sei, während doch
die Wahrscheinlichkeit viel größer ist, daß der Strang durch die obliterierten
Vasa omphalo-mesaraica gebildet wird (Ref). Leider ist in der Arbeit nicht an-
gegeben, wohin der Strang von der Kuppe des Divertikels aus führte. Die Re-
sektion des Darmstückes und axiale Vereinigung der Enden mittels Naht führten
völlige Heilung herbei. Jenckel (Gottingen).
35) G. Martin. Ein Fall von Kaiserschnitt bei Adhäsionsileus. (Aus
dem städt. Krankenhause zu Frankfurt a. M. Prof. Dr. Rehn.)
(Miinchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 22.)
Bei der Laparotomie wurde eine Dünndarmschlinge samt Gekröse mit der Ge-
bärmutter, an der vor ca. 5 Jahren eine Myomotomie ausgeführt worden war,
verwachsen und infolge der Schwangerschaft um 180° gedreht, sowie in dem spalt-
förmigen Raume zwischen dem nach dem Fundus uteri sehenden Mesenterium und
dem Uterus eingeklemmt und geknickt gefunden; sie wurde unter Wegnahme
der äußeren Uterusschicht losgetrennt, was eine sehr starke Blutung aus der Uterus-
wundfläche zur Folge hatte. Dieselbe stand nach Entleerung des Uterus durch den
Kaiserschnitt, der außerdem durch den Schwächezustand der Frau und die Rück-
sicht auf die Notwendigkeit rascher Wiederherstellung der Darmpassage durch
Vergrößerung des freien Bauchraumes für die stark geblähten Darmschlingen an-
gezeigt war. — Bemerkenswert ist noch, daß schon während der vorausgegangenen,
aber frühzeitig beendeten zwei Schwangerschaften Verschlußsymptome leichterer
Art vorhanden waren, die sich bei der letzten zum schweren Ileus gesteigert hatten.
— Heilung. Kramer (Glogau).
36) V. Pleth. A case of colo-sigmoidostomy for constipation &c.
(St. Paul med. journ. 1906. Juli.)
Bei einer 42jährigen Frau, die an hartnäckiger Verstopfung litt, konstatierte
Verf. eine frei bewegliche Geschwulst, deren Lage etwa dem unteren Rande der
Mitte des Colon transversum entsprach. Nach energischem Abführen konnte die
Geschwulst nicht mehr gefühlt werden. Verf. dachte eine zeitlang an eine Cyste
des großen Netzes, die geplatzt sei und sich langsam wieder fülle Heftige
Schmerzen veranlaßten ihn aber zu laparotomieren, und da entpuppte sich die
vermeintliche Geschwulst als der mittlere Teil des Colon transversum, der V-förmig
ausgesackt und mit Kotmassen gefüllt war. Nach Zerdrücken und Wegstreichen
der Kotmassen, machte Verf. eine Anastomose zwischen Kolon und Sigmoid mittels
McGraw'’scher elastischer Ligatur. Heilung. Levy (Wiesbaden).
37) M. Leube. Pseudotuberkulose im Dickdarm (encystierte Amöben).
(Virchow’s Archiv Bd. OLXXXV. p. 517.)
Ein durch Operation entferntes scheinbar karzinöses Mastdarmgeschwür erwies
sich bei der mikroskopischen Untersuchung als Pseudotuberkulose, hervorgerufen
durch Einwanderung von Amöben in die Darmwand. Die histologischen Details
müssen im Original nachgelesen werden. Doering (Göttingen).
38) N. Trinkler. Zur Technik der Exstirpation des karzinomatösen
Mastdarmes.
(Russ. Archiv für Chirurgie 1906. [Russisch.])
T. schlägt vor, in Fällen, wo schon vorher ein Kunstafter angelegt war, den
Mastdarm so hoch als möglich zu durchtrennen und das zentrale Ende blind zu
verschließen. Dadurch wird die sehr große Wunde >aseptisch« gemacht, und man
1110 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41.
ist aller Sorgen bezüglich der Unterbringung des zentralen Endes enthoben. Vor
allen Dingen aber kann im Falle des Rezidivs nicht wieder eine Stenose resp. ein
Verschluß der Darmlichtung zustande kommen. V. E. Mertens (Breslau).
39) P. Poppert (GieBen). Zur Frage der Erhaltung des Schließmus-
kels bei der Exstirpation des Mastdarmkrebses.
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 31.)
P. ist auf Grund seiner Erfahrungen in der Lage, die Überlegenheit der Re-
sektion des Mastdarmes gegenüber der einfachen Amputation desselben bei Krebs
zu bestätigen. Unter 28 Operationen der ersteren Art war nur eine tödlich ver-
laufen (3,6%), während bei 35 Amputationen drei Todesfälle (je ein Fall an Herz-
schwäche, Pneumonie und Jodoformintoxikation) zu beklagen waren (8,6% Morta-
lität), ein Resultat, das im Gegensatz zu dem anderer Statistiken, z. B. der v. Berg-
mann’schen und Wölfler’schen Klinik, steht. Auch die funktionellen Erfolge
waren in P.’s Klinik sehr günstige. Von 20 Fällen mit zirkulärer Darmnaht
heilten zehn per primam mit vollkommener Funktion des Darmrohres; sechsmal
kam es zu einer vorübergehenden Kotfistel, vier Pat. wurden mit einer kleinen
Fistel entlassen. Das Hochenegg’sche Verfahren mit Hindurchführung des
Mastdarmstumpfes durch den von der Schleimhaut entblößten Afterteil und mit
Anheftung an der äußeren Haut erwies sich als ein einfacher und bequemer Ersatz
der Darmnaht in Fällen, wo die Neubildung dicht oberhalb des Sphinkters saß
und das obere Darmende ohne zu starke Spannung durch den Muskelring hin-
durchgezogen werden konnte; der muskuläre Verschluß war meist ein befriedi-
gender, wenn auch die Kontinenz für Darmgase und dünnen Stuhl bisweilen un-
sicher blieb. In drei Fällen von Amputation mit Anlegung eines Anus glutaealis
war einmal infolge Neigung zu Durchfällen völlige Inkontinenz, zweimal nur re-
lative Kontinenz für festen Stuhl. Auch die Endresultate in bezug auf dauernde
Heilung sprechen nicht gegen die Resektion in deh Fällen, in welchen der
Sphinkterteil gesund ist und deshalb erhalten werden darf. Von 17 seit 3 Jahren
geheilten Fallen unter 60 Radikaloperationen waren acht Amputstionen und neun
Resektionen, unter letzteren ein Fall von Heilung seit 15 Jahren, einer von Yjäh-
riger, drei von 7jähriger Dauer. . P. bestreitet nicht, daß die Wundverhältnisse bei
der Amputation sich wesentlich einfacher gestalten, daß bei der Resektion die Ge-
fahr der Wundinfektion und Kotphlegmone durch Undichtwerden der Naht besteht;
aber er ist der Meinung, daß sich derselbe durch entsprechendes Vorgehen mit
einem hohen Grade von Sicherheit begegnen lasse, und stellt sich aus all diesen
durch eigene Erfahrung gestützten Gründen auf die Seite derer, die eine grund-
sätzliche Bevorzugung der Amputation gegenüber der Resektion verwerfen.
Kramer (Glogau).
40) B. W. Wertel. Milzresektion.
(Russ. Archiv für Chirurgie 1906. [Russisch.])
Vor 5 Jahren fiel die nunmehr 38jährige Pat. von einer Treppe. Vor einem
Jahre fühlte sie eine Verhärtung im Leibe, während sie bis dahin nur links stän-
dige Schmerzen gehabt hatte. Seit 3 Monaten wurde der Leib stärker. Bei der
Untersuchung fand sich eine über die Mittellinie und fast ins kleine Becken
reichende Geschwulst in der linken Bauchhälfte, die in ihrem unteren Teile prall-
elastisch, im oberen fest war. Trotz Mangels einer exakten Diagnose wurde auf
den dringenden Wunsch der Pat. operiert.
Schnitt in der Medianlinie. Es fand sich im unteren Pole der Milz eine von
Milzgewebe iiberzogene kugelige Geschwulst. Da die Milz sonst normal erschien,
wurde nur der untere Teil reseziert. Die Blutung wurde durch Matratzennähte
beherrscht, der Stumpf, da die Blutung nicht ganz stand, mit Netz übernäht. Die
genaue mikroskopische Untersuchung ergab, daß die Geschwulst eine Blutcyste war.
Der Verlauf wurde durch Malaria und Fadeneiterung verzögert. Pat. verließ das
Krankenhaus 1/, Jahr nach der Operation in gutem Zustande.
V. E. Mertens (Breslau),
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41. 1111
41) M. Donati (Torino). Ipernephroma maligno del fegato.
(Arch. per le scienze med. 1905. XXIX.)
Die 36jahrige Pat. bemerkte seit 6 Monaten eine rasch wachsende Geschwulst
in der Gegend der Gallenblase. Zuerst klein, beweglich und schmerzlos, wurde
sie später spontan und auf Druck stark empfindlich, erreichte eine Größe von zwei
Fäusten, veranlaßte Kachexie und Fieber. In der Vermutung, ein Empyem der
Gallenblase zu finden, wurde zunächst die zweizeitige Eröffnung des Sackes
beschlossen. Als man jedoch bei der zweiten Operation (Inzision der Geschwulst)
nur Blut mit nekrotischen Fetzen erhielt, wurde sofort die Exstirpation der Ge-
schwulst ausgeführt (Prof. Calvini). Dabei wurden zwei Dritteile des rechten
Leberlappens abgetragen nach elastischer Abschnürung in der Nähe des Hilus,
Glatter Wundverlauf. Pat. nahm an Gewicht zu und befand sich ein halbes Jahr
nach der Operation noch wohl. Das entfernte Leberstück wog über 370g und
enthielt eine weiche, über die Schnittfläche herausquellende Neubildung, die sich
gegen das sie allerseits umschließende Lebergewebe mit einer Art Kapsel abgrenzte.
Mikroskopisch erwies sie sich als ein von einem versprengten Keim ausgehendes
Hypernephrom mit bösartigem Charakter. Verf. fand in der Literatur nur einen
analogen Fall. Eine Tafel mit vier Abbildungen erläutert den histologischen
Befund. A. Most (Breslau).
42) Schlesinger. Zur Kenntnis der Gallenblasen-Bronchusfisteln in-
folge von Cholelithiasis.
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XVL Hit, 2.)'
Zu den wenigen — 39 — bisher bekannten Fällen von Fistelbildung zwischen
Gallenwegen und Bronchus fügt S. einen neuen, dessen Krankengeschichte und
Obduktionsbefund mitgeteilt wird. Eine steinhaltige Gallenblase war perforiert
und hatte zu einem subphrenischen Abszeß geführt; dieser war in die Lunge durch-
gebrochen. Daneben bestand Lungentuberkulose. Die Fistel bestand viele Monate
hindurch, das Lungengewebe war in ihrer Bahn nicht schwer verändert.
Haeckel (Stettin).
43) Lejars. Le drainage des voies biliaires.
(Bull. et mem. de la soc. de chir. de Paris T. XXXII p. 150.)
L. knüpft seino Mitteilungen an eine Veröffentlichung Quénu’s über Duodeno-
tomia explorativa und Choledocho-Enterostomie. Letztgenannte Operation bezeich-
net er bei den Fällen, in denen allein er ihre Ausführuug für berechtigt und emp-
fehlenswert hält, nämlich bei karzinösen oder narbigen Strikturen des Choledochus,
als technisch recht schwierig; er führt die Krankengeschichte eines Falles genauer
an, bei dem er nach Spaltung des Duodenums und Bougierung (Nr. 5) des Chole-
dochus vom Vater’schen Divertikel aus einen durch Verwachsungen bedingten
Verschluß desselben dauernd zum Verschwinden gebracht hatte.
Zur Ergänzung seiner früher veröffentlichten Beobachtungen über Hepaticus-
drainage führt L. die Kranken- und Operationsgeschichten von Gallensteinkranken
an, bei denen er nach Entleerung und genauer Revision der großen Gallenwege,
(wobei ihm der von Kehr angegebene Bajonettschnitt vorzügliche Übersicht ver-
schaffte) Gallenblase und Ductus cysticus exstirpierte, den gespaltenen Choledochus
nach Bedarf durch einige Nähte vereinte und den Hepaticus drainierte. Die Drains
wurden durchschnittlich am 8.—12. Tage entfernt.
Völlige Heilung nach 4—6 Wochen. Thümer (Chemnitz).
44) Tuffier. Epithélioma du confluent cystico-hépatique.
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXII. p. 156.)
T. berichtet über drei Fälle von Verschluß der großen Gallenwege an der
Vereinigungsstelle des Ductus cysticus und bepaticus durch eine Neubildung. Die
Geschwulst war in allen Fällen klein, hart, höckerig, Pankreaserkrankung bestand
dabei nicht, so daß die Geschwulst als Drüsenmetastase hätte aufgefaßt werden
1112 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 41.
können. Auch war die Geschwulst nicht mit ihrer Umgebung verwachsen. Als
charakteristisch gerade für diese Geschwülste bezeichnet T. das gleichzeitige Vor-
handensein einer prall gefüllten Gallenblase, deren Inhalt jedoch klar und farblos
sein kann, und eines auf Daumendicke erweiterten Ductus hepaticus, der bei der
Operation schon zu Verwechslungen mit der Vena portae Anlaß gegeben hat. Der
Befund am Kranken bietet dasselbe Bild wie bei Pat. mit Verschluß des Chole-
dochus durch Pankreasgeschwülste, nur mit dem Unterschiede, daß der Ikterus lang-
samer zunimmt, und daß die vergrößerte und häufig fühlbare Gallenblase farblose,
nicht gallige Flüssigkeit enthält. Entsprechend dem verschiedenen Stande der
Bauchchirurgie wurden die drei von T. beobachteten Fälle verschieden behandelt:
bei dem ersten im Jahre 1893 operierten Kranken wurde der Leib nach Feststel-
lung des Befundes wieder geschlossen, bei dem zweiten später beobachteten Falle
wurde der Hepaticus in das Duodenum eingepflanzt; Pat. ging nach einigen Tagen
infolge von Insuffizienz der Naht zugrunde. Im dritten Falle, dessen Kranken-
geschichte ausführlich gegeben wird, wurde wegen bestehenden hohen Fiebers in-
folge einer infektiösen Cholangitis nur die Hepaticusdrainage ausgeführt, nach der
Pat. sich schnell erholte und völlig beschwerdefrei geblieben ist, so daß er die vor-
geschlagene sekundäre Exstirpation der Geschwulst und Einpflanzung des Hepaticus
in das Duodenum bisher abgelehnt hat.
In der anschließenden Diskussion verteidigt Hartmann seinen Standpunkt,
daß Schrumpfung der Gallenblase entzündliche Veränderungen zur Ursache habe,
wie sie durch den Reiz von Fremdkörpern (Gallensteinen) hervorgerufen würde,
während Delbet betont, daß nicht die Art des Hindernisses in den Gallenwegen
‘(Neubildung oder Stein), sondern sein Sitz ausschlaggebend sei für die Entstehung
einer hydropischen Schwellung oder einer Schrumpfung an der Gallenblase.
Thümer (Chemnitz).
45) Terrier. Pancréatite chronique. Rétention biliaire par compression
probable du cholédoque. Oblitération du cystique.
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXII. p. 164.)
T. gibt ausfiihrlich die Kranken- und Operationsgeschichte eines 38jahrigen
Pat. wieder, der an einer Geschwulst des Pankreaskopfes und Verschluß des Ductus
cysticus und Ductus hepaticus durch die genannte Geschwulst, in der die Gallen-
gange eingebettet lagen, gelitten hatte. Welches die Todesursache des Pat. war,
der am 3. Tage nach Ausfiihrung der Hepaticusdrainage unter hohem Fieber und
Blutbrechen starb, ist aus den Angaben T.’s nicht zu entnehmen. Der Fall ist
dadurch besonders interessant, daß durch genaue Stuhluntersuchungen das völlige
Fehlen der Galle im Darm und eine beträchtliche Verminderung des Pankreas-
saftes nachgewiesen werden konnte, woraufhin (neben dem jahrelangen Vorhanden-
sein von Zucker im Urin) schon vor der Operation die Diagnose auf primäre Pan-
kreaserkrankung und sekundären Verschluß des Ductus hepaticus gestellt wurde.
Die Diagnose fand bei der Laparotomie ihre Bestätigung. Der Technik der Stuhl-
untersuchung nach René Gaultier und ihrer hohen klinischen Bedeutung widmet
T. am Schluß seiner Ausführungen eine eingehende Besprechung.
Thümer (Chemnitz).
Berichtigung.
P. 1000 2.14 v. o. lies »wie< statt >nie«.
Dem Referat ist der Satz hinzuzufügen: Das Os naviculare bipartitum der
Anatomen existiert nicht.
P. 1018 Z. 14 v. o. lies Franke statt Fränkel.
Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags-
handlung Breitkopf & Härtel, einsenden.
Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig, Nürnbergerstraße 36/38.
Zentralblatt
CHIRURGIE
herausgegeben
F. vun ‚Bergmann, F. inig, E. Richter,
Dreiunddreißigster Jahrgang.
Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei halbjähriger
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.
Nr, 42. Sonnabend, den 20. Oktober. 1906.
Inhalt: 1) Frangenhelm, Myositis ossificans und Callus. — 2) Liek, Heteroplastische
Knochenbildung. — 3) Ferrarini, Immobilisierte Muskeln. — 4) Witzel, Wenzel, Hacken-
bruch, Schmerzverhütung in der Chirurgie. — 5) Lenormant, Herzmassage in der Chloro-
formsynkope. — 6) Meyer, Rettungs- u. Krankenbeförderungswesen. — 7) Neudörfer, Kryo-
skopie. — 8) Weinberg, Orthocystoskopie. — 9) Vogel, Hämaturie. — 10) Nicoll, 14) Gold-
berg, Prostatachirurgie. — 12) Leedham-Green, Mechanismus des Blasenverschlusses. —
13) Kimla, Malakoplakie der Harnblase. — 14) Küttner, Nierenchirurgie. — 15) Rautenberg,
Folgen des zeitweisen Harnleiterverschlusses. — 16) Sträter, Angeborene Nierendystopie. —
17) Legueu, 18) Flori, Wanderniere. — 19) Herxhelmer, Oystenbildungen der Niere. —
20) Jungano, Unterbindung der Nierenarterie. — 21) Jungano, Unterbindung der Nieren-
vene. — 22) Reynold und Wadsworth, Nierenfettlipome. — 23) Batut, Hodentuberkulose.
— 24) Lydston, Anastomosierang des Ductus deferens.
J. M. A. Gevers Leuven, Ein Fall von Luxation des unteren Endes der Ulna. (Original-
Mitteilung.)
25) Krüger, Osteoarthropathie hypertrophlante pneumique. — 26) Huet, Plötzliches Er-
scheinen latenter Tuberkulose. — 27) Levin, 28) Hoffa, Antituberkuloseserum Marmorek. —
29) Stucky, Rektale Athernarkose. — 30) Goidschmidt, Endoskopie der Harnröhre. —
31) Weinstein, MiBbildung am Urogenitalapparat. — 32) Morton, 33) Cohn, 34) André, Zur
Prostatachirurgie. — 35) Göbell, Röntgenschattengebende Harnleiterkatheter. — 36) Bazy,
Intermittierende Hydronephrose. — 37) Casper, Nieren- und Nierenbeckenblutungen. —
38) Minkowski, Perirenale Hydronephrose. — 59) Cuturi, Einseltige chronische Nephritis. —
40) Monod und Loumeau, 41) Jaegy, 42) Gallina, Nierengeschwülste. — 43) Jacobsohn,
Stichverletzung der schwangeren Gebärmutter.
1) Frangenheim. Über die Beziehungen zwischen der
Myositis ossificans und dem Callus bei Frakturen.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXX. Hft. 2.)
Auf Grund seiner Untersuchungen an einem Priparate von Myo-
sitis ossificans traumatica und am Callus bei verschiedenen Ober-
schenkelhalsbrüchen kommt F. zu der Ansicht, daß sowohl die Myo-
sitis ossificans traumatica und ihre sog. traumatische Form, die als
Reit- und Exerzierknochen bekannt ist, wie die echten traumatischen
Osteome und schließlich der Callus — besonders der parostale —, von
geringen Abweichungen abgesehen, sehr ähnliche Befunde aufweisen.
Bezüglich ihrer Entstehung haben sie das gemein, daß sie sich bei
42
1114 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42.
Menschen finden, die zu einer abnormen Knochenbildung prädisponiert
sind. Besonders zu erwähnen ist, daß am Oberarm Muskelverknöche-
rungen sehr oft durch Fall auf den Ellbogen nach Verrenkung beider
Vorderarmknochen nach hinten entstehen, also ohne eine direkte
traumatische Einwirkung auf den später ossifizierenden Muskel, wohl
lediglich nach Zerreißung der Muskelsubstanz und durch partiellen
Muskelabriß. Bei Frakturen nimmt F. nicht selten eine Beteiligung
des intermuskulären Bindegewebes an der Knochenbildung an, und
hält infolgedessen die Ossifikation als von diesem Gewebe ausgehend für
sichergestellt. Infolgedessen erscheinen auch die Muskelverknöche-
rungen nicht als so selten wie bisher angenommen wurde, und es ist
mit Sicherheit anzunehmen, daß diese traumatischen Muskelverknöche-
rungsprozesse nicht zu den echten Neubildungen zählen, zu denen sie
noch von manchen Autoren gezählt werden. Auf Grund zahlreicher
Röntgenogramme bei verschiedenen Knochenbrüchen hält sich Verf.
schon jetzt für berechtigt, zu behaupten, daß bei allen Frakturen, die
starke Callusbildung aufweisen, an dem Zustandekommen des letzteren
neben dem Periost auch die umgebenden Weichteile beteiligt sind.
E. Siegel (Frankfurt a. M.).
2) E. Liek. Experimenteller Beitrag zur Frage der hetero-
plastischen Knochenbildung.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXX. Hft. 2.)
Während man früher die Entstehung von Knochen an Stellen,
an denen normalerweise kein Knochengewebe vorkommt, auf embryo-
nale Verlagerungen zurückführte, ist in der jüngsten Zeit eine ganze
Reihe einwandsfreier Beobachtungen veröffentlicht worden, welche
beweisen, daß unter gewissen Bedingungen überall, wo Bindegewebe
vorhanden ist, Knochen entstehen kann. Man hat in fast allen
Organen fernab von osteogenem Gewebe gelegentlich Verknöcherungen
angetroffen. Einen sicheren Weg, experimentell heteroplastische
Knochenbildung zu erzielen, zeigten Sacadosti und Frattin. Sie
wiesen nach, daß in verkalkten Kaninchennieren fast regelmäßig sich
Knochen bildet. In vorliegender Arbeit will Verf. eine Nachprüfung
dieser Versuche und die Erörterung einiger unerörtert gebliebener
Fragen geben. Die Verkalkung der Kaninchenniere ist auf einfache
Weise durch Unterbindung der Nierengefäße zu erreichen. L. hat
dies bei 16 Tieren ausgeführt. Bei denjenigen, welche innerhalb der
ersten 20 Tage untersucht wurden, zeigte sich, daß sich in dieser
Zeit vornehmlich regressive Prozesse — Nekrose und Verkalkung —
in der Niere ausbilden. Nur in einem Versuche war der Beginn pro-
gressiver Vorgänge zu erkennnen; d. h. von der verdickten Kapsel
her schob sich junges zellreiches Gewebe zwischen die nekrotischen
verkalkten Kanälchen. Bei einer zweiten Gruppe von Tieren, die
bis zum 93. Tage nach der Gefäßunterbindung lebten, sah man eine
ausgedehntere Verkalkung als in früheren Stadien. Der anfänglichen
Vergrößerung ist jetzt eine Schrumpfung der Niere gefolgt. Im
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 1115
Vordergrunde des mikroskopischen Bildes steht die Resorption der
verkalkten Massen durch junges zellreiches Bindegewebe. Von der
Kapsel wie vom Hilus her wuchert zell- und gefäßreiches Gewebe
zwischen die Kalkplatten. Die Zellen lösen den Kalk auf, vielfach
unter Bildung von Riesenzellen. Nach 41 Tagen sind schon Anfänge
der Knochenbildung vorhanden. Echter Knochen wurde jedoch erst
bei den Kaninchen gefunden, welche zwischen dem 94. und 300. Tage
untersucht wurden. In all diesen Fällen war er dann vorhanden.
Zunächst tritt er in der Gegend des Hilus in Form zierlicher spon-
giöser Bälkchen auf, die echtes Knochenmark umfassen. Die Grund-
substanz ist in Lamellen angeordnet. Die nach dem Knochenmark
gelegene Fläche der Bälkchen zeigt regelmäßig Osteoblastenbesatz.
Ebenso häufig findet man in Lakunen gelegene Osteoklasten. Nach
der Peripherie zu geht der Knochen an vielen Stellen direkt in
Bindegewebe über. Der Knochen entsteht dort, wo junges zellreiches
Bindegewebe auf verkalktes Gewebe trifft. Die Zellen lösen den
Kalk auf und wandeln sich zum Teil in Knochenzellen um. Der
gelöste Kalk wird zum Aufbau der Interzellularsubstanz verwandt;
das Knochenmark entsteht ebenfalls aus Bindegewebe. Bei den am
längsten lebenden Tiere fand sich neben den geschilderten Befunden
schon ausgedehnte Knochennekrose, die Knochenhöhlen leer, die
Zwischensubstanz körnig getrübt, keine Osteoblasten und Osteoklasten,
leere Havers’sche Kanäle. Das Schicksal des neugebildeten Knochens
scheint demnach Auflösung und Zerfall zu sein.
Verf. ist der Ansicht, daß seine Versuche nicht nur beweisen,
daß Bindegewebe sich bei Anwesenheit von Kalk in Knochen um-
wandeln kann, sondern daB dieser Vorgang bei bestimmter Versuchs-
anordnung regelmäßig eintritt. E. Siegel (Frankfurt a. M.).
3) Ferrarini. Sopra la composizione chimica dei muscoli
degli arti sottoposti ad immobilizzazione.
(Arch. di ortopedia 1906. Nr. 2 u. 3.)
Immobilisierte Muskeln erleiden, wie andere Veränderungen, auch
solche ihrer chemischen Zusammensetzung. Experimente wurden an
Kaninchen gemacht. Der Wassergehalt der Muskeln steigt. Der
Salzgehalt sinkt um ca. '/,%, proportional der Dauer der Immobili-
sierung. Die Wasservermehrung hängt ab von der Stase und dem Ödem,
das durch den immobilisierenden Verband erzeugt wird. Die Salz-
verminderung hat wohl die gleiche Ursache, teilweise liegt ihr aber
auch eine wirkliche chemische Umsetzung im Muskelfleische zugrunde,
über deren Natur Hypothesen zurzeit noch unnütz sind.
E. Pagenstecher (Wiesbaden).
1116 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42.
4) O. Witzel, F. Wenzel, P. Hackenbruch. Die Schmerz-
verhütung in der Chirurgie.
München, J. F. Lehmann, 1906.
Witzel bespricht in einem kurzen Vorworte die Narkose im all-
gemeinen und gibt vorzügliche, sehr beherzigenswerte Ratschläge zur
Ausführung derselben. ,
Wenzel beschreibt in ausführlicher Weise die Athertropfnarkose,
wie sie seit 1902 in der Bonner Klinik ausschließlich angewandt wird,
wobei die »forcierte« Reklination des tiefgelagerten Kopfes von größter
Wichtigkeit ist.
Wenzel betont weiter die Wichtigkeit der Vorbereitung zur
Narkose (die leider noch so häufig außer Acht gelassen wird; Ref.).
Hierzu gehören vor allem Entleerung des Darmes, Regulierung der
Herztätigkeit durch Verabreichung von Digitalis oder Strophanthus,
nach Wenzel am zweckmäßigsten ein Gemisch beider.
Hackenbruch’s Ausführungen im Endteile des Buches be-
treffen die Lokalanästhesie mit ihrer Entstehungsgeschichte und heu-
tigen Technik, deren Details im Original nachgelesen werden müssen.
Grosse (Kassel).
5) Ch. Lenormant. Le massage du coeur chez l'homme
en particulier dans la syncope chloroformique.
(Revue de chir. 1906. Nr. 3.)
Zu den operativen Maßnahmen am Menschen, die sich nur müh-
sam Eingang in die Praxis verschaffen, gehört die Massage des bloß-
gelegten Herzens zur Wiederbelebung. Die Gründe sind einleuchtend:
Der bisherigen Erfolge sind sehr wenige, und jeder trägt Bedenken,
einen an sich nicht gefahrlosen Eingriff ohne zureichende Vorbereitung
dennoch vorzunehmen, wo die landläufigen Wiederbelebungsmittel —
Injektionen, künstliche Atmung usw. — nicht zum Ziele führten.
Inzwischen haben wertvolle Tierversuche von Prus, Battelli
und d’Halluin uns manche wertvolle Bereicherung der Erfahrungen
gebracht, auf Grund derer erneute Versuche auch am Menschen Be-
rechtigung erlangen. So ist erwiesen, daß selbst 45 Minuten nach
definitivem Herzstillstand die Massage des freigelegten Herzens
mit gleichzeitiger künstlicher Atmung volle Wiederbelebung bewirken
kann. Ein absolutes Hindernis bilden fibrilläre Kontraktionen der
Muskulatur, die, einmal vorhanden, sich höchstens durch stark ge-
spannte Ströme — doch nur ausnahmsweise — in geregelte Pulsa-
tionen umformen lassen. Das scheint auch für das menschliche Herz
zu gelten, obgleich ausreichende Mitteilungen fehlen.
Der Zugang zum Herzen kann auf direktem Wege durch die
klassischen Schnittführungen — innerer oder äußerer Scharnierlappen
— oder vom Bauch her durchs Zwerchfell (Mauclaire) gewählt wer-
den. Ist es im ersten Falle der fast unvermeidliche Pneumothorax,
der sowohl die künstliche Atmung hindert, als auch an sich den
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 1117
Kranken gefährdet, so erschwert bei abdomino-transdiaphragmaler
Massage der unzugängliche Spalt im Zwerchfell die Naht, und somit
sind beide Wege nur dann empfehlenswert, wenn die Lage der Sache
— Öperationen im entsprechenden Gebiet — sie vorschreibt. An-
derenfalls empfiehlt es sich — nach Lane, Cohen u. a. —, einfach
das Herz von unten her durch das schlaffe Zwerchfell zu ergreifen
ohne Eröffnung des Herzbeutels (bzw. Zwerchfells) und von der Brust
aus sich entgegen zu drücken. Die Methode ist schnell und gefahr-
los auszuführen und hat vier Erfolge — einen dauernd geheilten —
aufzuweisen. Ganz zu verwerfen ist nach L. die elektrische Reizung
des bloßgelegten Herzens. Christel (Metz).
6) G. Meyer. Das Rettungs- und Krankenbeförderungs-
wesen im Deutschen Reiche. III. Ergänzungsband zum
Klinischen Jahrbuch. Mit 10 Kurventafeln und 4 Karten.
287 S.
Jena, Gustav Fischer, 1906.
Das im Jahre 1901 begriindete Zentralkomitee fiir das Rettungs-
wesen in Preußen veranlaßte im Jahre 1903/04 mit Unterstützung der
Behörden Erhebungen über die in Deutschland vorhandenen Einrich-
tungen für das Rettungs- und Krankenbeförderungswesen, einschließ-
lich des Meldewesens und Samariterunterrichtes. Die Ausarbeitung
des gesamten Materiales — es gingen 11746 ausgefüllte Fragebogen
ein — wurde M. übertragen. Wenn die Beantwortung der gestellten
Fragen zum Teil auch ungleichmäßig und mißverständlich erfolgt war,
so konnte Verf. doch einen ausgezeichneten Überblick über die vor-
handenen Einrichtungen geben. Die Ergebnisse der Umfrage werden
außerdem noch durch Tafeln, Tabellen und Karten übersichtlicher
gemacht.
Eine besondere Zusammenstellung gibt M. für die Einrichtungen
in den Städten mit mehr als 100000 Einwohnern.
Der Bericht zeigt, daß wir von einer einheitlichen Organisation
und gleichmäßigen Ausbreitung des Rettungs- und Krankenbeförderungs-
wesens in Stadt und Land noch weit entfernt sind. Das Gegenteil
wäre vornehmlich auch im Interesse aller chirurgischen Kranken, für
deren Wohl und Wehe die erste Wundversorgung und der Trans-
port häufig ausschlaggebend sind, nur zu wünschen.
Gutzeit (Neidenburg).
7) Neudörfer. Zur Frage der Kryoskopie und ihrer Technik.
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XVI. Hft. 1.)
Wenn der Wert der Kryoskopie für die funktionelle Nierendia-
gnostik noch so sehr verschieden beurteilt wird, so rührt dies nach
N. davon her, daß oft eine ganz falsche Technik angewandt wird.
N., voll überzeugt von dem hohen Werte dieser Untersuchungsmethode,
schildert daher eingehend die auf der Kümmell’schen Abteilung
1118 Zentralblatt ftir Chirurgie. Nr. 42.
geübte Technik. Er beschäftigt sich sodann mit den Arzten, die die
Kryoskopie für wertlos halten, und widerlegt besonders Kapsammer’s
Ansichten. Eine Reihe von Fällen wird aufgeführt, in denen schon
allein aus der kryoskopischen Blutuntersuchung auf schwere Nieren-
veränderungen geschlossen werden konnte. Entgegen Koranyi zeigt
N., daB Cyanose keinen Einfluß auf die Blutkonzentration hat. Im
Fieber wird bei normalen Nieren der Gefrierpunkt des Blutes um
0,02—0,03 nach oben hin verschoben. Bei größeren Geschwülsten
der Bauchhöhle, die nach Koranyi durch Eiweißzerfall Erniedrigung
der Blutkonzentration herbeiführen sollen, fand N. stets normalen
Gefrierpunkt, ebenso bei Schwangeren. Haeckel (Stettin).
8) J. Weinberg (Dortmund). Die Orthocystoskopie.
(Miinchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 31.)
Das Prinzip der von W. beschriebenen Vorrichtung besteht darin,
daB die durch den Cystoskop-Prismenspiegel bewirkte Umkehrung des
Blasenbildes durch eine zweite Spiegelung am Trichterende wieder
aufgehoben, also das cystoskopische Bild wieder aufrecht gemacht
wird (»Orthocystoskopie<). Aus optisch-mechanischen Griinden ge-
gestattet die Vorrichtung indes nur die Besichtigung des Blasenbodens
und der angrenzenden Partien mit den Harnleitermündungen, so daß
auch der Orthoureterenkatheterismus ermöglicht ist. Die Vorzüge der
Orthocystoskopie bestehen in der durch sie bewirkten Erleichterung
der Erlernung der cystoskopischen Technik und des Ureterenkathete-
rismus. Kramer (Glogau).
9) J. Vogel. Über Hämaturien.
(Berliner klin. Wochenschrift 1906. Nr. 16.)
Die gut orientierende knappe Zusammenstellung eignet sich nicht
zum Referat. Es sollen nur kurz einige weniger bekannte Tatsachen
wiedergegeben werden.
Die Cystoskopie gibt häufig Aufschluß über die Quelle der Blu-
tung, doch dürfen die anderen Methoden der Harnuntersuchung des-
halb nicht vernachlässigt werden.
Während der Schwangerschaft können sehr erhebliche Blutungen
auftreten, die auf Stauungen im kleinen Becken zurückzuführen sind.
Auch Geschwülste und Eiteransammlungen, die die Zirkulation im
kleinen Becken hochgradig beeinträchtigen, können ebenso wie die
Prostatahypertrophie zur Hyperämie der Schleimhaut und dadurch
zur Hämaturie führen. Varicen der Blasenschleimhaut sind unbestritten
beobachtet, ebenso bedeutende Blutungen aus ihnen. Außer Bettruhe
leistete die Injektion von 100 g 2%iger Gelatinelösung in einem Falle
des Verf.s gute Dienste. Außer Traumen, Gonorrhöe, Blasensteinen,
Geschwülsten, Tuberkulose, Fremdkörpern werden in ätiologischer
Beziehung Blasenparasiten genannt. Langemak (Erfurt).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 1119
10) Nicoll. The present position of prostatic surgery.
(Brit. med. journ. 1906. August 11.)
Der Erfolg einer Prostatektomie hängt ab von der Ausschälung
der Drüse aus ihrer Kapsel, von der genügenden Entfernung der den
Weg sperrenden Driisenmasse und vom Vorhandensein einer mit
Schleimhaut ausgekleideten Harnröhre, die verschont geblieben sein
oder sich neugebildet haben kann. Der erste Schritt bei der Prostat-
ektomie besteht in der suprapubischen Eröffnung der Blase, zur
genauen Feststellung der Diagnose auf bimanuellem Wege: ein Finger
in der Blase, ein Finger im Mastdarm. Darauf wird in Steinschnitt-
lage mittels umgekehrt Y-förmigen Darmschnittes die Prostata aus
ihrer Kapsel ausgehülst unter Schonung und Schutz der Blasen-
schleimhaut durch die Hand in der Blase und der Harnröhre durch
eine Metallsonde Die Dammwunde wird tamponiert, die Blasenwunde
um ein dickes Gummirohr vernäht, ohne Dauerkatheter. Mit diesem
»kombinierten submukösen Vorgehen« ist es möglich, in 70% der
Fälle die Prostata auszuschälen ohne Schädigung der Blasen- oder
Harnröhrenschleimhaut. Bei zähen, fibrösen Drüsen ist es nötig, dem
aushülsenden Finger mit irgendeinem schneidenden Instrument zu
Hilfe zu kommen. Trotzdem heute die Neigung besteht, die intra-
vesikale Ausschälung als Operation der Wahl bei der Prostatektomie
hinzustellen, hält Verf. sein »kombiniertes, submuköses Vorgehen« für
angezeigt bei alten, geschwächten Leuten wegen der geringen Blutung,
wegen der Fernhaltung von Urin und der Vermeidung von Phosphat-
niederschlägen in der großen Wunde, wegen der schnellen Wieder-
herstellung der Miktion. — Die heute übliche Enukleation der Prostata
von der Blasenwunde aus mit dem Finger, während die Finger der
anderen Hand vom Mastdarm her den Gegenhalt bieten, ist ursprünglich
von McGill angegeben worden, wie Verf. in längerer Polemik mit
Nachdruck insbesondere gegenüber Freyer und anderen »Nach-
entdeckern« betont. — Die Sterblichkeit der Prostatektomie ohne An-
sehung der Methode und des Operateurs berechnet N. zu 5 bis 7%.
Bei seinen eigenen ersten 48 Fällen hatte er 8% Sterblichkeit, bei
den zweiten 25 sogar 25%, bei den dritten 38 Fällen 51%.
Weber (Dresden).
11) Goldberg. Die Anzeigen zur Radikaloperation der Pro-
statiker.
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 32.)
In einem sehr lesenswerten Aufsatze bespricht G. obige Frage
nach allen Richtungen. Besteht bei Prostatikern keine Harnverhaltung,
so ist jede Operation der Prostatahypertrophie durchaus kontraindi-
ziert. Bei akuter Retention ist die Prognose mit Radikaloperation
weit schlechter als ohne Operation. Unmöglichkeit des Katheterismus
bei akuter, kompletter Retention erfordert Punktion. Lebenbedrohende
Blutung bei akuter Retention erfordert, wenn sie bei Ruhigstellung
1120 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42.
der Harnblase durch den Verweilkatheter nicht aufhört, die Eröffnung
der Blase zwecks Ausräumung der Gerinnsel und Tamponade Bei
chronischer Retention ohne Distension ist für diejenigen, welchen es
beim Selbstkatheterismus andauernd subjektiv und objektiv gut geht,
. die Radikaloperation nicht angezeigt. Der selbständige Wille solcher
Prostatiker, vom Katheter befreit zu werden, berechtigt den Arzt,
nachdem er den Pat. ausreichend aufgeklärt hat, zur Radikaloperation.
Bei dauernder und hochgradiger Erschwerung des Katheterismus durch
anatomische Verhältnisse ist die Radikaloperation angezeigt. Sie ist
es ferner bei einer trotz ausdauernd sachkundig und kunstgerecht an-
gewandter Palliativtherapie; demnach nicht stationärer, sondern pro-
gressiver Retention und Infektion. Ist aus anderen Gründen die
Kastration angezeigt, so lasse man es zunächst bei der Kastration
bewenden. Prostatiker mit chronischer inkompletter Retention und
chronischer Distension sind ohne Behandlung in ständiger Lebens-
gefahr, können durch kunstgerechte Katheterbehandlung außer Gefahr
gebracht werden, können durch Prostatokaustik oder Prostatektomie
sehr gebessert, falls noch keine Infektion, Kachexie oder Uräfie be-
steht und alle sonstigen Verhältnisse günstig liegen, sogar geheilt wer-
den, dürfen aber zur Zeit einer entstehenden Infektion unter keinen
Umständen radikal operiert werden. Borchard (Posen).
12) Leedham-Green. On tbe vesical sphincter and the
mechanism of the closure of the bladder.
(Brit. med. journ. 1906. August 11.)
Betreffs des Vorganges der Urinentleerung stellte Finger die
Theorie auf, daß der eigentliche Sphincter vesicae internus viel zu
schwach sei, um den Druck einer sich füllenden Blase zu tragen,
dieses Amt vielmehr dem Sphincter vesicae externus und Compressor
urethrae überlasse. Sobald die Blase sich durch Füllung anfange zu
dehnen, gebe allmählich der Blasenhals und der Sphincter internus
nach, so daß Urin in den hinteren Teil der Pars prostatica eintrete
und die Blase durch Bildung eines »Halses« eine Birnenform an-
nehme.
Gestiitzt auf Durchleuchtungen wismutgefiillter Blasen am
Lebenden bestreitet L. entschieden die Richtigkeit dieser Lehre. In
jedem Füllungszustande der Blase behielt diese eine ovale Form bei
und zeigte keine Andeutung von »Hals« oder von Birnenform. Selbst
bei stärkerer Füllung, die nur durch große Kraftanstrengung der
Hilfsmuskeln des Pat. ertragen werden konnte, blieb die Schatten-
absetzung der Blase gegen die Harnröhre scharf und ohne Andeutung
eines »Halses«.
L. schließt daraus, daß beim Verschluß der Blase dem Sphincter
internus die Hauptrolle zufällt. Weber (Dresden).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 1121
13) R. Kimla. v. Hansemann’s Malakoplakia vesicae uri-
nariae und ihre Beziehungen zur plaqueförmigen Tuberku-
lose der Harnblase.
(Virchow’s Archiv Bd. CLXXXIV. p. 469.)
Im Gegensatze zu v. Hansemann, Landsteiner, Störk u. a.
ist Verf. der Ansicht, daß die Malakoplakie in manchen Fällen durch
den Koch’schen Bazillus verursacht werde. Da eine makroskopische
Unterscheidung der plaqueförmigen Tuberkulose der Harnblase und
der Malakoplakie nicht möglich, betont K. die Notwendigkeit, jeden
derartigen zur Beobachtung gelangenden Fall genau bakteriologisch
zu untersuchen, um an der Hand einer größeren Untersuchungsreihe
die Frage nach den Beziehungen der Tuberkulose zur Malakoplakie
definitiv lösen zu können. Doering (Göttingen).
14) Küttner. Was ergibt sich für den praktischen Arzt aus
den Fortschritten der Nierenchirurgie?
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 1—3.)
In kürzerer, knapperer und doch gründlicherer Form ist wohl
selten aus der Reihe der chirurgischen Erkrankungen das Wissens-
werteste hervorgehoben worden. Für den praktischen Arzt, für den der
Aufsatz in erster Linie bestimmt ist, ist die Veröffentlichung von
großer Bedeutung, da sie eine genaue Orientierung über Diagnose und
Indikationsstellung bei jeder einzelnen Krankheitsform gibt. Aber auch
der Spezialkollege wird nicht ohne Befriedigung und Gewinn die Lek-
türe aus der Hand legen. Nach eingehender Besprechung der Dia-
gnose, der diagnostischen Hilfsmittel und kleinen Erleichterungen bei
der Untersuchung Nierenkranker behandelt K. die Therapie und In-
dikationsstellung bei offenen Verletzungen, bei subkutanen Verletzungen
der Niere, bei beweglicher Niere, Sackniere (aseptische und infizierte
Uronephrose, Pyonephrose), Steinniere, Nierentuberkulose, bösartigen
Nierengeschwülsten, eitrigen Entzündungen der Niere und des Nieren-
beckens, paranephritischen Eiterungen, sowie schließlich die chirur-
gische Behandlung der chronischen Nephritis. Ein eingehendes Referat
würde einen zu großen Umfang annehmen. Es genügt aber nach
obigem, auf diesen sehr lesenswerten, leicht zugänglichen Aufsatz
hingewiesen zu haben. Borchard (Posen).
15) Rautenberg. Die Folgen des zeitweiligen Ureter-
verschlusses.
(Mitteilungen a. d. Grenzgebieten der Medizin u. Chirurgie Bd. XVI. Hft. 3.)
Alle Versuche, an Tieren chronische interstitielle nephritische
Veränderungen zu erzeugen, analog denen der menschlichen Nephritis,
sind bisher fehlgeschlagen. R. ist es gelungen, dieses wichtige Pro-
blem zu lösen. Er unterband bei Kaninchen einen Harmleiter dicht
an der Blase, pflanzte nach 2—6 Wochen den oberhalb der Unter-
42%%
1122 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42.
bindung erweiterten Harmleiter in die Blase wieder ein und konnte
nun vergleichen, wie sich der Urin durch Hinzutritt des aus der ge-
schädigten Niere stammenden Anteiles gegenüber dem bis dahin nur
aus der gesunden Niere abgesonderten verhielt. Es zeigte sich, daB
die Tiere am Leben blieben, aber mit allen Zeichen einer chronischen
interstitiellen Nephritis: Albuminurie, Zylinder, Herzhypertrophie.
Wurden sie getötet und die geschädigte Niere untersucht, so bot
dieselbe alle Veränderungen einer chronischen interstitiellen Nephritis
dar. Das Nierenparenchym zeigt eine zunehmende Atrophie, an
seine Stelle tritt Bindegewebsvermehrung. Aus diesem Zustande der
Atrophie, die je nach der Dauer der Harnstauung verschieden hoch-
gradig ist, erholt sich das Parenchym langsam und zeigt beträchtliche
Regenerationserscheinungen; diese können bis zur Neubildung völlig
normaler Harnkanälchen gehen. Allein das regenerierte Parenchym
scheint nicht lebensfähig zu sein, es schwindet wieder.
Wurde bei solchen Tieren die gesunde Niere exstirpiert oder
auch nur deren Harnleiter unterbunden, so konnte meistens die
geschädigte Niere allein nicht die ganze Arbeit leisten, die Tiere
starben. Hatte aber die Harnstauung nur 3 Wochen oder kürzer
gedauert, so blieben auch diese Tiere am Leben trotz dauernder
Albuminurie; bei Abschluß der Arbeit lebte eines der Tiere bereits
1 Jahr lang; ein anderes starb nach mehr als einem Jahr an Schwäche
infolge eines Partus; die Autopsie ergab eine allgemeine hochgradige
Arteriosklerose mit Hypertrophie des linken Ventrikels.
Enthülsung der durch Harnstauung geschädigten Niere nach
Edebohls vermochte den Zustand nach Nephrektomie der gesunden
Niere nicht günstig zu beeinflussen.
Die Resultate dieser Versuche sind höchst bemerkenswert, da sie
zum erstenmal experimentell eine chronische interstitielle Nephritis
erzeugten. Wie sich Fleischfresser gegen diese Eingriffe verhalten,
muß noch näher erforscht werden. Die wenigen Experimente, welche
R. an Katzen ausführte, zeigen zunächst nur, daß hier individuelle
Verschiedenheiten der Tiere eine weit größere Rolle spielen als bei
Kaninchen. Haeckel (Stettin).
16) M. Sträter. Beiträge zur Pathologie und Therapie der
kongenitalen Nierendystopie.
(Deutsche Zeitschrift fir Chirurgie Bd. LXX XIII. p. 55.)
Ein selbst beobachteter und sehr glücklich operierter Fall hat S.
Anlaß zu dieser sehr fleißigen und verdienstlichen Spezialstudie über
die Nierendystopie gegeben, in der 58 gut beobachtete Fälle des
Leidens gesammelt und referiert werden, dann aber eine erschöpfende
Allgemeinbesprechung der Affektion mit Berücksichtigung der Ana-
tomie, Diagnose, des klinischen Verhaltens und der sehr wichtigen
und vom Verf. um mancherlei rationelle Vorschläge bereicherten The-
rapie gegeben wird.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 1123
S.'s eigener Fall betrifft eine 34jährige Nullipara, von jeher an Dysmenorrhöe
mit rechtsseitigen Leibschmerzen leidend. Da rechts von der Gebärmutter eine
ungetähr hühnereigroße, feste, druckempfindliche Geschwulst fühlbar, wird eine
intraligamentäre Eierstooksgeschwulst diagnostiziert und laparotomiert. Man findet
die Adnexe beiderseits normal, den Uterus retroflektiert und nach links geschoben.
Die gefühlte Geschwulst findet sich rechts von ihm im Lig. latum subperitoneal
und erweist sich nach Entblößung durch Spaltung des Bauchfelles als dystopische
Niere, während die linke durch Tastung an richtiger Stelle liegend nachzuweisen
ist, Es gelingt, sie aus dem kleinen Becken subperitoneal auf die Hüftbeinschaufel
zu verlagern ohne übermäßige Spannung ihrer Gefäße und des Harnleiters. Ver-
nähung der Niere an das Bauchfell. Gazedrainage des subserösen Raumes für
7 Tago. Glatte Heilung mit dauernder Beseitigung der früheren Beschwerden.
Von der Allgemeinbesprechung des Leidens sei folgendes kurz
angeführt. Die Nierendystopie tritt meist einseitig und links auf. Die
beiden Geschlechter scheinen gleich häufig betroffen zu sein, doch
macht sich die Affektion klinisch-pathologisch bei Weibern ungleich
häufiger bemerkbar. Häufig sind gleichzeitige Mißbildungen der Ge-
schlechtsteile, insbesondere fehlen oft Scheide, Uterus und Tuben ganz
oder teilweise, während die Eierstöcke immer vorhanden sind. Man
kann eine abdominale und pelvine Form der Dystopie unterscheiden,
von denen die letztere häufiger ist. Stets retroperitoneal gelegen, ist
die dystopische Niere meist ziemlich fixiert. Geringe Größenentwick-
lung, Fehlen der Fettkapsel, eine mehr dem embryonalen Typus
gleichende Art der Gefäßversorgung mittels multipler statt einfacher
Gefäßzufuhr bedingen eine geringe Beweglichkeit. Eine völlig intra-
ligamentäre Verlagerung der Niere hat S. außer in seinem Falle sonst
nicht notiert gefunden. Das Organ ist häufig stark gelappt, auch
sonst von fehlerhafter Form. Der Hilus findet sich oft auf der vor-
deren statt auf der medialen Seite. Die klinischen Erscheinungen
betreffend, ist zwischen dem Verhalten sonst unveränderter dystopischer
Nieren und demjenigen von erkrankten (Hydro-, Pyonephrosis, Lithiasis
usw.) zu unterscheiden. Durch Druck können schon die gesunden
Organe allerhand gynäkologische Beschwerden und Verstopfung ver-
anlassen, außerdem können sie bei Schwangerschaft und namentlich
bei der Geburt die ernstesten Störungen herbeiführen. In der Diagnose
des Leidens ist bislang noch nicht viel geleistet. Ein hier besonders .
bemerkenswertes Merkmal wird die Messung der Harnleiterlänge bilden
können, da Harnleiterverkürzung mit Wahrscheinlichkeit auf die Dys-
topie schließen läßt. Einführung von Harnleiterkathetern, die mit
Stahlmandrin versehen sind, gefolgt von Röntgenaufnahme, erscheint
da plausibel.
Besonders beachtbar scheinen die von 8. vertretenen therapeu-
tischen Grundsätze. Er verwirft mit Recht die kritiklose Ektomie
gesunder dystopischer Nieren. Bei siebenmal auf Grund von Verken-
nung der Sachlage ausgeführten Nierenexstirpationen wurde zweimal
die einzige vorhandene Niere exstirpiert. Statt der Ektomie ist die
zweckmäßige Verlagerung und Annähung der Niere angezeigt, die
außer S, auch Frank, Delore und Delaforge gelungen ist. Auch
1124 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42.
in geburtshilflichen Fällen der Not soll, was die Niere anlangt, kon-
servativ verfahren werden — Perforation bei totem, Kaiserschnitt oder
operative Beckenerweiterung bei lebendem Kinde. Prophylaktisch
kommt auch die wiederholt mit Erfolg gemachte künstliche Frühgeburt
in Frage. |
Zum Schluß Literaturverzeichnis von 90 Nummern.
| Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
17) F. Legueu. Le rein mobile. 96 S. Mit 6 Textabbild.
Paris, J.-B. Baillitre & fils, 1906.
Der auf dem Gebiete der Nierenchirurgie wohlbekannte Autor
gibt in dieser kleinen, fiir praktische Arzte berechneten Monographie
eine gute, übersichtliche Darstellung der Pathologie und Therapie der
beweglichen Niere. Er steht auf dem Standpunkte, daß die beweg-
liche Niere keine lokale Erkrankung darstellt, sondern nur das lokale
Zeichen einer Allgemeinerkrankung, die in einer Ernährungsstörung
des fibrösen, muskulären und nervösen Systems besteht. Symptome
dieser Allgemeinerkrankung können sich an den verschiedensten Körper-
gegenden finden. Die Niere wird immer zuerst ergriffen und bildet
oft den einzigen Krankheitsherd.
Therapeutisch genügt in den meisten Fällen eine einfache zirku-
läre Bandage, die auf die ganze vordere Bauchwand und dadurch
auch indirekt auf die Niere einwirkt. Die operative Festlegung der
Niere — Verf. empfiehlt die Methode von Guyon — ist nur in ganz
besonderen Fällen zu empfehlen. Die operativen Indikationen gründen
sich haupsächlich auf Schmerzen, auf dyspeptische und neurasthenische
Beschwerden. Ehe man operiert, muß man sich natürlich vergewissern,
daß die betreffenden Beschwerden auch wirklich durch die bewegliche
Niere hervorgerufen werden. Bei Komplikation der beweglichen Niere
mit intermittierender Hydronephrose ist ebenfalls die operative Fest-
legung angezeigt. Aber nur dann, wenn das Nierenbecken nicht sehr
stark ausgedehnt ist, genügt die Nephrorrhaphie;, bei sehr beträchtlicher
Ausdehnung ist die Uretero-Pyeloneostomie indiziert. Bei der sog.
Einklemmung einer beweglichen Niere kann man unter Umständen
durch den Harnleiterkatheterismus ein sofortiges vollständiges Nach-
lassen der Einklemmungserscheinungen erreichen.
Paul Wagner (Leipzig).
18) P. Fiori. Considerazioni cliniche sopra 30 casi di nefro-
pessi.
(Poliolinico, Ser. chir. 1906. No. 7.)
Von ca. 100 Fällen von Wanderniere hat F. ca. 30 operiert. Er
bespricht die Symptome und Komplikationen, die von seiten der Niere
und anderer Organe eintreten können. Besonders wichtig erscheinen
ihm die Darmerscheinungen. Der Dickdarm wird direkt in Mitleiden-
schaft gezogen durch Verlagerung des Dickdarmwinkels oder Kompression
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 1125
des Dickdarmes durch die Niere, die in einem Falle mit der Vorder-
wand des Darmes verwachsen gefunden wurde. Die Angaben von
Edebohls über die Häufigkeit einer gleichzeitigen Appendicitis chronica
wird nicht bestätigt. Genitalerkrankungen sind meist selbständiger Natur,
nur in einem kleinen Teile der Fälle bessern sie sich durch die Ope-
ration. Genauer wird die Diagnose besprochen, insofern sie aus der
Summe der Beschwerden herausschälen soll, ob die Niere die Ursache
derselben ist. Hier wird besonders auf das Verschwinden der Be-
schwerden im Liegen hingewiesen.
Absolute Indikation zur Operation ist Komplikation mit Albu-
minurie, Uronephrose, Blutung, Anfälle von Strangulation der Niere;
sodann Erscheinungen von seiten des Darmes oder der Leber, als
deren Ursache die Nierenverschiebung erkannt wird; ebensolche nervöse
Störungen.
Relative Indikation besteht bei Fällen, welche bei Bindenbehand-
lung sich bessern, aber frei sind von Komplikationen vom Darm her.
Kontraindiziert ist die Operation bei Splanchenoptose und meist bei
Genitalbeschwerden. Als letztes Mittel dient die Operation in Fällen,
die sonst auf keine Weise sich bessern. E. Pagenstecher (Wiesbaden).
19) G. Herxheimer. Über Cystenbildungen der Niere und
der abführenden Harnwege.
(Virchow’s Archiv Bd. CLXXXV. p. 52.)
H. beschreibt zunächst zwei Fälle von Cystennieren, die bei einem
4jährigen Kind und einem 40jährigen Manne bei der Autopsie ge-
funden waren. Nach der ausführlichen Schilderung des makroskopi-
schen und mikroskopischen Befundes, dessen Einzelheiten sich für ein
kurzes Referat nicht eignen, bespricht Verf. unter kritischer Berück-
sichtigung der Literatur die Frage der Pathogenese dieses Leidens.
Er schließt sich den Autoren an, die die Cystenniere als die Folge
einer entwicklungsgeschichtlichen Hemmungsbildung auffassen, glaubt
aber auch den geschwulstartigen Charakter der Cystenniere nicht ver-
nachlässigen zu dürfen. Er schlägt vor, die Cystennieren einer Gruppe
von Gebilden anzureihen, die, auch auf Mißbildungen beruhend, zu
den Geschwülsten durchaus nahestehenden und in diese übergehenden
Formen führen und die als besondere Gruppe neuerdings von Albrecht
unter dem Namen »Hämatome« zusammengefaßt wurden. — Eben-
falls durch entwicklungsgeschichtliche Hemmungen wird das Zustande-
kommen der meisten Nierencysten erklärt; nur durch die gemeinsame
Genese werden die Übergänge zwischen Cystennieren und Nierencysten
verständlich. Ein sehr umfangreiches Literaturverzeichnis schließt den
ersten Teil der Arbeit.
Alsdann folgt eine genaue Beschreibung von zwei Fällen von
Ureteritis cystica und einem Falle von Cystitis cystica, deren Einzel-
heiten ebenfalls im Original nachgelesen werden müssen. In ätio-
logischer Hinsicht schließt sich Verf. der Ansicht der meisten Autoren,
1126 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42.
daß die Cysten durch zentralen Zerfall der sog. Brunn’schen Zell-
nester entstehen, an. Als auslösendes Moment kommt stets eine Ent-
zündung in Betracht, doch darf diese keinen diphtherischen Charakter
annehmen, da sonst eine Zerstörung des gesamten Epithels eintritt.
Der Inhalt der Cysten besteht aus degeneriertem Zellmaterial; Schleim
findet sich nicht. Ebenso unerwiesen ist die Anwesenheit von Para-
siten in den Cysten. Ein umfangreiches Literaturverzeichnis ist auch
diesem Abschnitt am Schluß beigefügt. Doering (Göttingen).
20) M. Jungano. De la ligature de l’artere rénale.
(Ann. des malad. des org. gén.-urin. 1906. Nr. 13.)
Verf. hat experimentelle Untersuchungen an Hunden und Ka-
ninchen angestellt und erstere bis zu 75 Tagen, letztere bis zu 4 Mo-
naten nach der intraperitoneal angelegten Unterbindung der Nieren-
arterie am Leben erhalten. Er hat bei diesen Untersuchungen gefunden,
daB die Niere nirgends Zeichen von Restitutio ad integrum darbietet,
und zwar weil von Anfang an das sezernierende Epithel zerstört ist.
Es ist nicht nötig, daß die betreffende Niere nekrotisch wird und
infolgedessen toxische Substanzen in die Zirkulation gelangen; vielmehr
kann die betreffende Niere eine fibröse Umwandlung eingehen oder
eine Art Verkalkungsprozeß erleiden.
Im Falle einer traumatischen Verletzung der Nierenarterie beim
Menschen empfiehlt Verf. mehr die Nephrektomie als die Unterbin-
dung der Arterie; denn durch erstere werden sicherer Infektionen
vermieden, die etwa durch das verletzende Instrument entstanden sein
könnten, oder Intoxikationen, wenn nach der Unterbindung doch Ne-
krose der Niere eintritt. Paul Wagner (Leipzig).
21) M. Jungano. Ligature de la veine rénale.
(Ann. des malad. des org. gén.-urin. 1906. Nr. 15.)
Die experimentellen Untersuchungen über die Unterbindung der
Nierenvene hat Verf. an Hunden und Kaninchen angestellt. Nach
der Unterbindung der Nierenvene tritt sofort eine Volumsvermehrung
der Niere ein, die ihren Höhepunkt meist am 2. oder 3. Tage erreicht.
Es kommt dann in der Nierensubstanz zunächst zu Blutungen per
diapedesin, dann zu Blutungen infolge Gefäßzerreißungen und zu In-
farktbildungen mit mehr oder weniger ausgesprochener Zerstörung
des Nierenparenchyms. Vom 4. Tage an beginnt ein Entzündungs-
prozeß, der in der Hauptsache auf eine sehr intensive Neubildung
von Bindegewebe hinausläuft und schließlich zu einer vollkommenen
Degeneration der sezernierenden Nierensubstanz führt. Bei den Ka-
ninchen kommt es niemals zur Bildung eines Kollateralkreislaufes,
während dies bei Hunden der Fall sein kann; aber auch hier bleibt
das Nierengewebe funktionsunttichtig.
Handelt es sich um eine traumatische Verletzung der Nieren-
vene beim Menschen, so wird man lieber die Nephrektomie machen;
Zentralblatt für Obirurgie. Nr. 42. 1127
denn bei der Unterbindung der Nierenvene setzt man den Organismus
allen den Gefahren aus, die durch eine in Degeneration begriffene
Niere hervorgerufen werden können. Bei der menschlichen Niere
kann sich ein genügender Kollateralkreislauf von der Capsula adiposa
aus entwickeln; wollte man also die Nierenvene unterbinden, so müßte
man, um das Nierenfettgewebe möglichst zu schonen, sich den Weg
zur Nierenvene transperitoneal bahnen. Dieser Weg ist aber zu ge-
fährlich, um so mehr, als man doch nicht sicher ist, ob der Kolla-
teralkreislauf genügt, die Funktion der Niere zu erhalten.
Paul Wagner (Leipzig).
22) Reynold and Wadsworth. Retroperineal perineal lipo-
mata.
(Annals of surgery 1906. Juli.)
Verf. bespricht jene seltenen Lipome, welche sich als nicht un-
beträchtliche Geschwülste im Nierenfett entwickeln. Dieselben gehören
im allgemeinen zu den gutartigen Geschwülsten, selten entarten sie
sarkomatés. Die durch sie hervorgerufenen klinischen Symptome be-
stehen in Druck- und Schwergefühl, in neuralgischen Unterleibs-
schmerzen, Störungen des Stuhlganges; zuweilen tritt Ascites oder
Hautödem hinzu. Außerlich werden sie als runde Geschwulst gefühlt,
die meistens das Gefühl schwacher Fluktuation hervorruft. Da das
Colon transversum nach vorn von der Geschwulst liegt, ist der Schall
über der Geschwulst tympanitisch. Die Diagnose ist kaum stellbar,
Verwechslungen mit Ovariencysten und Echinokokken usw. sind leicht
möglich. Die Geschwulst selbst hat eine dünne Kapsel, welche von
der prärenalen Fascie gebildet wird. Diese ist nach vorn mit dem
parietalen Peritoneum verbunden, hinten liegt sie auf der Lenden-
muskulatur auf. Die Operation wird transperitoneal folgendermaßen
vorgenommen: quere Spaltung des die Geschwulst überziehenden
Bauchfelles, Durchtrennung der prärenalen Fascie im lateralen Drittel,
da medial der Harnleiter und verschiedene Gekrösgefäße liegen, auch
Pankreas und Duodenum verletzt werden könnten. Stumpfes Auslösen
des Lipoms mit dem Finger. Ist die Geschwulst nicht in einem Stück
zu entfernen, so wird sie von der laterale Seite zerkleinert. In der
Literatur sind 49 operierte Fälle mit 48% Mortalität zu finden. Verff.
selbst entfernten ein 15 Pfund schweres perirenales Lipom mit gün-
stigem Ausgange bei einer 25jährigen Pat. Herhold (Altona).
23) L. Batut. Traitement de la tuberculose du testicule.
(Ann. des malad. des org. gén.-urin. 1906. Nr. 16.)
Verf. bespricht zunächst die differentialdiagnostischen Schwierig-
keiten zwischen sekundär luetischer, gonorrhoischer und tuberkulöser
Epididymitis. Bei der operativen Behandlung der Hoden- und Neben-
hodentuberkulose sind die Ansichten noch geteilt, ob man stets radikal
vorgehen soll, oder ob man sich zunächst auf konservative Eingriffe
1128 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42.
beschränken kann. Verf. teilt eine Reihe von Krankengeschichten mit,
in denen teils das radikale, teils das mehr konservative Verfahren
zur Anwendung kamen. Paul Wagner (Leipzig).
24) Lydston. A method of anastomosis of the vasa defe-
rentia.
(Annals of surgery 1906. Juli.)
Da durch Traumen oder durch bei Operationen notwendige Re-
sektion der Ductus deferens nicht selten in zwei voneinander abstehende
Teile getrennt wird, und andererseits eine Vereinigung der durch-
trennten Teile nachher wieder erwünscht ist, schildert Verf. das von
ihm geübte Verfahren der Verbindung des durchtrennten Samenleiters.
Das betreffende Ende wird rechtwinklig gebeugt und von der Schnitt-
fläche aus eine dünne Nadel oder Sonde in die Lichtung eingeführt
IN
KR UL ‘
und 1'/, Zoll entfernt davon an der Umbiegestelle ausgestoßen (a).
Bei c wird in die Nadel ein dicker Seidenfaden eingefädelt und nach
d so weit durchgezogen, daß bei c noch ein 3 Zoll langes Stück hervor-
sieht. Das bei d hervorragende Ende wird nun wieder mit einer
Nadel durch das distal gebeugte Ende des Ductus deferens gezogen (b).
Die an den Beugestellen hervorragenden Fäden c und f werden dann
über dem Samenleiter geknüpft, und über die vereinigte Stelle noch
einige feine Catgutfäden gelegt und leicht geknotet. Endlich wird
der so vereinigte Samenleiter noch durch Fasciennähte mit einer Art
Scheide umgeben. Herhold (Altona).
Kleinere Mitteilungen.
Ein Fall von Luxation des unteren Endes der Ulna.
Von
Dr. J. M. A. Gevers Leuven in Ede, Holland.
Bekanntlich sind die Luxationen des unteren Endes der Ulna sehr selten.
Tillmanns sagt davon in seinem Handbuch der speziellen Chirurgie folgendes:
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 1129
Erstens die am häufigsten vorkommenden sind die Luxationen des unteren Endes
der Ulna über die Cartilago triangularis, welche besonders bei kleinen Kindern
beobachtet werden, wenn sie an der Hand gefaßt und in die Höhe gehoben werden.
Die vollständigen Luxationen entstehen besonders durch forcierte Pro- und Supi-
nation. Die Ulna luxiert entweder nach der Vola oder nach dem Dorsum oder
auf die Innenseite der Handwurzel.
Aus der Literatur hat er 48 vollständige traumatische Luxationen zusammen-
gestellt. Davon waren 16 (12 einfache und 4 komplizierte) nach der Vola und 18
(10 einfache und 8 komplizierte) nach dem Handrücken, endlich 9 auf die innere
Seite der Handwurzel. In 5 Fällen war die Richtung der Luxation nicht an-
gegeben.
Der Fall, welcher von mir beobachtet wurde, ist einer, wobei das untere Ende
der Ulna auf die volare Seite des unteren Endes des Radius zu liegen kam.
Am 23. August d. J. wurde meine Hilfe angerufen für einen »zerbrochenen
Pulse. Der Mann, Baumeister des Wasserturmes, unterstützte seinen rechten Unter-
arm mit der linken Hand, die rechte konnte er weder pro- noch supinieren. Hand
und Unterarm zeigten die Konfiguration der Fractura radii. Die volare Seite des
Unterarmes hatte die typische Vorwölbung. Jedoch bei genauer Untersuchung
stellte sich heraus, daß von einer Fractura radii keine Rede war, vielmehr an-
scheinend eine unkomplizierte Luxation des unteren Endes der Ulna vorlag, wobei,
wie ich oben schon erwähnt habe, die Ulna sich auf der volaren Seite des Radius
befand.
Der Unfall hatte sich auf folgende Weise zugetragen: Auf dem Terrain des
Wasserturmes sollten mit einer Hißmaschine schwere Röhren aus einer Grube
emporgehoben werden. Das Hißtau war so auf die Rolle A gewunden, daß diese
sich in der Richtung (1) drehte. Der Baumeister, welcher bei der Arbeit assistierte.
hatte selbst den Hebel B in der linken Hand. Mit der Rechten hielt er das freie
Ende des Hißtaues fest. Als er die Maschine plötzlich hemmen wollte, versagte
die Sperrklinke C. Die Rolle bewegte sich in entgegengesetzter Richtung (2). Die
rechte Hand kam auf der Rolle in extreme Supination, wodurch die Ulna luxierte.
Glücklicherweise stockte die Röhre, sonst hätte das Unglück weit ernstere Folgen
gehabt.
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Die Reposition gelang ziemlich einfach. Der Unterarm wurde rechtwinklig
gegen den Oberarm gebeugt. Am Ellbogen wurde in proximaler Richtung am
Unterarme gezogen. Ich selbst faßte mit meiner rechten Hand die Rechte des
Pat. und zog distal. Mit dem Daumen meiner linken Hand drückte ich die Ulna
auf ihre Stelle. Die Hand des Pat. zeigte nur einige Exkoriationen auf der dor-
salen Seite. Die Nachbehandlung beschränkte sich nur auf diese letzte und leichte
Massage des Pulses. Die Ulna bleibt in situ.
Am Ellbogengelenk war nichts Pathologisches zu bemerken.
September 1906.
1130 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42.
25) Krüger. Zur Kenntnis der Ostéoarthropathie hypertrophiante
pneumique.
(Virchow’s Archiv Bd. CLXXXV. p. 43.)
Verf. beschreibt nach einer kurzen zusammenfassenden Schilderung des zuerst
von Pierre Marie aufgestellten Krankheitsbildes einen neuen Fall dieses seltenen
Leidens, das im Chemnitzer Krankenhause bei einer 52jährigen Frau beobachtet
wurde. Bezüglich der Details des Betundes sowie auch der ausführlichen Beschrei-
bung der Röntgenbilder sei auf das Original verwiesen. Hervorgehoben soll werden,
daß vom Verf. in ätiologischer Hinsicht der Krankheitsprozeß nicht mit trophischen
Neurosen, vor allen Dingen der Syringomyelie, in Zusammenhang gebracht wird,
vielmehr versucht wird, sein Entstehen durch eine Intoxikation zu erklären, her-
vorgerufen durch Resorption von jauchigen Zerfallsprodukten, wie sie bei Lungen-
tuberkulose, jauchiger Pleuritis, Cystopyelonephritis und bösartigen Geschwülsten
gelegentlich zustande kommt. Bei der betreffenden Pat. hatte es sich um eine
bösartige Brustdrüsengeschwulst gehandelt, die in der Schilddrüse und im Unter-
lappen der rechten Lunge Metastasen gebildet hatte. Doering (Göttingen).
26) M. Huet. Tuberculose latente, réveillée subitement par une inter-
vention sur un autre foyer tuberculeux.
Thèse de Paris, @. Steinheil, 1906.
H. berichtet über zwei Fälle von Hautlupus, bei denen im Anschluß an
chirurgische Eingriffe (Kauterisation) die Tuberkulose an entfernten Stellen mani-
fest wurde. Über beide Fälle, die Kinder betrafen, ist bereits auf dem letzt-
jährigen Tuberkulosekongreß in Paris berichtet. Im ersten Falle traten jedesmal
nach der zweimaligen Kauterisation eines Gesichtslupus unter Temperatursteigerung
heftige Entzündungserscheinungen in der bisher völlig gesunden linken Hüfte ein,
die sich das erste Mal im Laufe von 10 Tagen zurückbildeten, das zweite Mal aber
zur koxitischen Versteifung des Gelenkes führten. Bei dem zweiten Falle bekam
das Kind ebenfalls nach Kauterisation von Lupus am Hals Erstickungs- und keuch-
hustenähnliche Hustenanfälle. Die Kauterisation wurde dreimal wiederholt, jedes-
mal traten die Zufälle in bedrohlich steigendem Maß auf. Sie wurden auf exazer-
bierende Bronchialdrüsentuberkulose zurückgeführt. Das Kind erlag nach Einsetzen
einer rasch verlaufenden Lungenphthise einer allgemeinen Tuberkulose. Verf. lehnt
für diese und ähnliche Fälle eine Metastasierung der Infektionskeime infolge des
Eingriffes auf dem Blut- bezüglich Lymphwege ab und erklärt das Auftreten der
neuen Herde dadurch, daß durch den Eingriff tuberkulöse Giftstoffe, ähnlich den
injizierten Tuberkulinen, frei werden, und daß diese bereits vorher vorhandene
latente Herde zu neuem Leben anfachen. In einem zweiten Teile berichtet er über
Experimente, die er an Kaninchen zur Klärung dieser sehr interessanten Fragen
angestellt bat, und gibt kurz die einzelnen Versuche wieder.
Müller (Dresden).
27) E. Levin. Behandlung der Tuberkulose mit dem Antituberkulose-
serum Marmorek.
(Berliner klin. Wochenschrift 1906. Nr. 4.\
28) A. Hoffa. Das Antituberkuloseserum Marmorek.
(Ibid. Nr. 8.)
L., welcher bei Lungentuberkulose einen günstigen Einfluß der Serumbehand-
lung konstatieren konnte, unterzog auch 26 Kranke mit chirurgischer Tuberkulose
dieser Heilmethode. 20 davon waren vorgeschrittene, 6 frische oder akute Fälle.
Eine bedeutende Besserung wurde in ungefähr der Hälfte der Fälle konstatiert
und daß die Besserung schneller und energischer durch das Serum Marmorek
erzielt wurde, als es mit den bisher üblichen Mitteln der Fall war. Fisteln, die
lange Zeit offen geblieben waren und sehr stark eiterten, reinigten sich und heilten.
Auch bei multipler Tuberkulose wurden unzweifelhafte Besserungen beobachtet;
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 1131
daneben fehlte es nicht an Mißerfolgen, z. B. wurden 4 Fälle von Lupus ohne
Erfolg behandelt.
Ob die Erfolge von Dauer sein werden, bleibt abzuwarten. Wenn das der
Fall sein sollte, so glaubt Verf. behaupten zu können, daß Marmorek durch sein
Serum den Kampf gegen die Tuberkulose in neue Bahnen lenkte. —
H. behandelte ca. 40 Fälle aller Formen von Tuberkulose der Knochen und
Gelenke, zum Teil viele Monate hindurch, seit 2 Jahren mit Marmorek’schem
Antituberkuloseserum. Bei schweren, weit vorgeschrittenen Zerstörungen wurde durch
das Serum kein Stillstand geboten. In vielen Fällen hatte das Serum einen ent-
schieden guten Einfluß auf Temperatur, Allgemeinbefinden und den lokalen Krank-
heitsprozeB. Abszesse heilten schneller als es gewöhnlich zu geschehen pflegt.
Wenn auch die starke Serumlokalreaktion bei subkutaner Injektion in einem Drittel
der Fälle störend wirkte, so hatte doch kein Pat. einen bleibenden Nachteil davon.
Bei Einführung des Serums als Klysma trat keine Serumreaktion auf.
H. hält es für wünschenswert, daß diesem wertvollen Heilmittel mehr Beach-
tung geschenkt wird, damit durch größere Erfahrung die Indikationsstellung zur
Anwendung des Serums präzisiert werden kann. Langemak (Erfurt).
29) J. A. Stucky. Ether narcosis by rectum. Report of cases.
(Amer. journ. of surg. 1906. September.)
Die rektale Athernarkose wird besonders fiir Operationen an Mund und Nase
empfohlen. Die vier von S. ausführlich beschriebenen Fille betrafen Empyeme
der Highmors- und Stirnhöhle, Nasenpolypen usw. Die Anwendung geschah durch
ein steifes Mastdarmrohr. Der Ather war in einer Flasche mit zuführendem Ge-
bläse aufbewahrt. Die Flasche darf nicht ganz mit Ather gefüllt sein und soll in
einem Gefäße mit etwa 30° C warmem Wasser stehen, damit der Ather, dessen
Siedepunkt 37°C ist, leichter verdunstet. Sehr wichtig ist die Vorbereitung des
zu Betäubenden. Verf. richtete sich nach den Vorschriften Cunningham's:
2 Tage vor der Operation nur flüssige Diät; Abführen durch Kalomel (0,3), Salol
und Natr. bicarbonicum, nach 8 Stunden ein Eßlöffel Rizinusöl; abends vor der
Operation 50 g gesättigter Magnes. sulfur.-Lösung und morgens ein großes Seifen-
wasserklistier, ein zweites direkt vor der Operation. Nur wenn der Mastdarm ganz
leer ist, ist die Narkose möglich, Zu deren Unterstützung wurde Morphium (0,01)
mit Strychnin (0,0015) gegeben; im Anfange waren auch meist einige Chloroform-
inhalationen nötig. Dafür war aber auch der Gebrauch an Ather (weniger als
30 bis zu 60 g) sehr gering, trotz Narkosen bis 50 Minuten Dauer. In den vier
Fällen traten sehr geringe Nachwirkungen, gelegentlich etwas Tenesmus, Koliken
und Abgang blutigen Schleimes auf. Schon 1—2 Stunden nachher konnten Flüs-
sigkeiten und bald dann auch feste Nahrung verabreicht werden. Pat., die einmal
durch den Mund, dann durch den’After ätherisiert waren, bevorzugten die Rektal-
methode. Goebel (Breslau).
30) H. Goldschmidt (Berlin). Die Endoskopie der Harnröhre.
(Berliner klin. Wochenschrift 1906. Nr. 6.)
Durch Injektion von Wasser in die Harnröhre vor Einführung des optischen
Apparates, durch Vereinfachung des nach dem Prinzip des Nitze’schen Cysto-
skops gebauten Instrumentariums ist es dem Verf. gelungen, ohne die Harnröhre
übertrieben auszudehnen, Abschnitte von 4 cm Länge zu übersehen. Für die vor-
dere Harnröhre wird ein gerades, ca. 18 cm langes Rohr, zur Besichtigung der hin-
teren Abschnitte ein längeres Rohr benutzt und an dem viszeralen Ende eine zur
leichteren Einführung in die Pars membranacea geeignete Krümmung angebracht.
Das Abfließen des Wassers wird durch Umschnürung der vorderen Partie des
Penis verhindert.
Dieser vorläufigen Mitteilung wird eine genauere Beschreibung der mit dem
neuen Instrumente sichtbaren Bilder folgen. Die Firma Louis & H. Löwen-
stein liefert das Instrumentarium. Langemak (Erfurt).
1132 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42.
31) A. Weinstein. Über eine seltene Mißbildung am Urogenitalapparat.
(Virchow's Archiv Bd. CLXXXV. p. 363.)
Durch eine in der Blasenwand gelegene prall gefüllte Cyste, die wie eine
Ausstülpung der Schleimhaut der Pars prostatica urethrae in die Blase hinein aus-
sah, war es einerseits zu einem ventilartigen Verschluß des Harnröhrenabganges
aus der Blase gekommen, dann aber auch zu einer Kompression der einmündenden
Harnleiter. Infolgedessen ging das 3jährige Kind an einer doppelseitigen Hydro-
nephrose zugrunde. Bei der Autopsie fand sich außer den bereits erwähnten Ver-
änderungen eine Verdoppelung des rechten Harnleiters. Von diesen beiden Harn-
leitern endigte jedoch der eine blind in der Wand des Nierenbeckens. Bezüglich
der Details der Beschreibung wird auf das Original verwiesen. Fünf Abbildungen
illustrieren die interessante Mißbildung. Doering (Göttingen).
32) Morton. A series of cases in which collections of stones formed
in the prostatic urethra.
(Brit. med. journ. 1906. August 11.)
In den drei Fällen, über die M. berichtet, handelte es sich um Steinansamm-
lung in der Pars prostatica der Harnröhre. Die Steine lagen in der taschenförmig
erweiterten Harnröhre. M. glaubt, daß sie dort auch entstanden sind.
I. 35jähriger Mann, Behinderung beim Woasserlassen seit 15 Jahren, niemals
völlige Verhaltung, einmal schmerzloses Blutharnen mehrere Wochen lang. Erst
bei mehrfacher Sondenuntersuchung ließen sich mehrere Steine, die bei der ersten
Sondeneinführung unentdeckt geblieben waren, nachweisen. Die Urethrotomie
förderte mehrere Steine zutage, die in der Pars prostatica lagen. Von der Pro-
stata war nichts zu finden. Es handelte sich um Phosphatsteine. Im Laufe der
nächsten Jahre mußten noch sechsmal zahlreiche neue Steine entfernt werden. Am
Damme blieb eine Fistel.
II. 34jähriger Mann mit Fistel am Damme, herrührend von einer zur Ent-
fernung von Harnröhrensteinen vorgenommenen Urethrotomie. Neuer Einschnitt
entfernt zwei Steine aus der Pars prostatica. Dammfistel blieb ungeheilt.
III. 63jähriger Mann mit Fistel am Damm und mehreren Steinen, die ziem-
lich weit hinter einer Striktur in der sehr ausgeweiteten Pars prostatica lagen.
Entfernung der teilweise aus Kalziumoxalat bestehenden Steine durch Urethro-
tomie. Von der Prostata war nichts zu entdecken. Die Dammfistel blieb un-
geheilt.
In allen drei Fällen hinderte eine Striktur die natürliche Entleerung der Steine
nach außen.
Da in der Harnröhre sich nur Phosphatsteine bilden, so stammen Steine von
anderer Zusammensetzung aus Blase oder Niere, wie in Fall III, und umgeben
sich, durch eine Striktur an der Ausstoßung gehindert, in der Harnröhre mit einem
Phosphatmantel. Durch ihr Wachstum können Harnröhrensteine die Prostata zum
Schwinden bringen, wie in M.’s drei Fällen. M. glaubt, daß in Fall I und II
die Erweiterung der Harnröhre hinter der Striktur das Primäre, die Steinbildung
das Sekundäre war. — Die Sondenuntersuchung führt nicht immer zum Nachweise
der Steine. Eine völlige Harnverhaltung durch Steine in der Harnröhre ist an-
scheinend selten. Zur Vorbeugung gegen die Bildung neuer Steine ist es not-
wendig, Strikturen dauernd zu beseitigen, damit im Fall einer Neubildung von
Steinen diese in früher Zeit abgehen können. Weber (Dresden).
33) J. Cohn. Zur Würdigung der Bottini’schen Operation.
(Berliner klin. Wochenschrift 1906. Nr. 16.)
Eine sehr sachliche Kritik, die überzeugend den Beweis erbringt, daß die
Bottini’sche Operation noch immer bei der Behandlung der Prostatahypertrophie
in Frage kommt und in einer großen Reihe von Fällen jeder anderen radikalen
Behandlung vorzuziehen ist. Die Erfolge der Operation haben sich nicht nur durch
Verbesserung des Instrumentariums, sondern namentlich durch die Anwendung der
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 1133
Cystoskopie gebessert, durch die eine bessere Indikationsstellung, eine genauere
Schnittführung eine Kontrolle des Erreichten ermöglicht wurde.
Die Arbeit berichtet über Beobachtungen und Erfahrungen bei einigen 30 Fällen.
In letzter Zeit wurde ganz ohne Anästhesie operiert, ohne daß die Pat. erheblich
unter Schmerzen litten. Nach sorgfältiger Spülung der Blase werden vor Ein-
führung des Instrumentes 100 g lauwarmen Borwassers eingefiillt. Die Finger-
kontrolle vom Mastdarm aus wird bei Ausübung der Operation empfohlen. Nach
der Operation ist für einige Tage stets Dauerkatheter einzulegen. — Der Erfolg
trat nicht immer schon am 4. Tage nach Entfernung des Dauerkatheters ein;
starker und sehr lästiger Tenesmus wurde beobachtet und war nur schwer zu
lindern. Er zeigte sich aber gerade in den Fällen, die durch die Operation günstig
beeinflußt wurden. Die mehr oder minder starke, schon während der Operation
beobachtete Blutung kam nach Einführung des Dauerkatheters und Spülung mit
Argentum nitricum 1: 1000 meist zum Stehen. Ein Todesfall infolge von Ver-
blutung war zu beklagen. Die gefährlichen Blutungen treten erst nach einigen
Tagen, wenn die Pat. zu urinieren beginnen, auf und sind durch Abstoßung des
Brandschorfes zu erklären. Auch Fieberanfälle und Schüttelfröste wurden zur
Zeit der Brandschorfabstoßung beobachtet. Bei einem Pat. konnte eine bedroh-
liche Lungenembolie erfolgreich bekämpft werden. Ein Pat. mit Cystitis und Pye-
litis ging nach der Operation zugrunde, seitdem werden Fälle mit Pyelitis von der
Operation ausgeschlossen. Nicht alle anderen Pat. wurden durch die Operation
vom Katheter befreit, sie wurden aber alle bisher nur einmal operiert, und kann
eine Wiederholung des Eingriffes noch Besserung oder Heilung bringen. Eine
weitere Gruppe ist als geheilt zu betrachten, und wenn auch von einer Dauer-
heilung vorläufig nicht gesprochen werden kann, da nach der Bottini’schen Ope-
ration unzweifelhaft Rezidive vorkommen, so betrachtet es Verf. doch mit Recht
für einen großen Gewinn, wenn ein Pat. d—5 Jahre nach der Operation in nor-
maler Weise urinieren kann. — Die Bottini’sche Operation wird, auch wenn die
radikalere Prostatektomie sie mehr und mehr verdrängen sollte, ihr Recht behalten
für die Fälle, in welchen der Pat. so geschwächt ist, daß ihm eine Narkose
und ein langes Krankenlager nicht zugemutet werden kann.
Langemak (Erfurt).
34) André. Des prétendues recidives après la prostatectomie pour
hypertrophie simple.
(Ann. des malad. des org. génito-urin. 1906. Nr. 13.)
Eine Reihe von Autoren hat behauptet, daß nach der Prostatektomie wegen
einfacher Hypertrophie ein Rezidiv eintreten könne, d. h. daß die Reste der un-
vollständig entfernten Drüse wieder hypertrophieren und eine Art neue Prostata
erzeugen könnten mit allen den unangenehmen Folgeerscheinungen, derentwegen
die erste Operation vorgenommen wurde. Verf. hat sich zuerst auch dieser An-
sicht angeschlossen, ist aber jetzt durch die eigene Beobachtung von zwei angeb-
lichen Rezidiven anderer Meinung geworden. In diesen beiden Fällen waren die
Rezidive nach der totalen Prostatektomie wegen anscheinend einfacher Prostata-
hypertrophie sichere Karzinomrezidive. Es hatte sich also auch bereits bei der
Prostatektomie um beginnendes Karzinom gehandelt, das differentialdiagnostisch
nur äußerst schwer oder überhaupt nicht von einfacher Hypertrophie zu unter-
scheiden ist. In den sog. Rezidivfällen der anderen Autoren wird es sich wahr-
scheinlich um ganz gleiche diagnostische Irrtümer handeln. Bei totaler Prostatek-
tomie wegen wirklicher einfacher Hypertrophie ist ein Rezidiv ausgeschlossen.
Paul Wagner (Leipzig).
35) R. Göbell. Röntgenschattengebende Ureterenkatheter.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXIII. p. 396.)
G. empfiehlt vom Instrumentenmacher Pohl in Kiel gelieferte Harnleiter-
katheter, deren Lacküberzug mit Zusatz von Mennige oder Zinnober (Vermillon)
1134 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42.
präpariert ist. Jeder zweite Zentimeter ist schwarz lackiert. Die Instrumente
geben auch bei fetten Menschen scharfe, die Zentimetereinteilung zeigende
Röntgenbilder und machen die unangenehme Anwendung gewöhnlicher Katheter
mit Bleimandrin vermeidbar. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
36) Bazy. Hydronéphrose intermittente partielle.
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXII. p. 248.)
B. berichtet über einen Fall von Hydronephrose, den er bezüglich seiner Ent-
stehung auf eine angeborene Mißbildung zurückführen zu müssen glaubt; bei der
Spaltung der linksseitigen, mannskopfgroßen Geschwulst, die ihrer Trägerin schon
seit etwa 8 Jahren mehrfach heftige Schmerzanfälle verursacht hatte, fand er den
oberen Teil der Niere völlig gesund, dagegen war mehr als die untere Hälfte der
Geschwulst zu einer großen, dünnwandigen, mit zahlreichen Buchten versehenen
Tasche umgebildet, die mit dem Becken des oberen Teiles in keiner Verbindung
stand. Da nun am gesunden Pol ein normal dicker und durchgängiger Harnleiter
gefunden wurde, von dem kranken Bezirk aber auch ein derber, bindegewebiger,
obliterierter Strang abging, glaubt B. eine Verschmelzung einer doppelt angelegten
Niere annehmen zu müssen; der Fall kam zur Heilung nach Exstirpation der an-
fangs nur gespaltenen und drainierten Geschwulst.
Am Schlu8 warnt B. davor, bei der funktionellen Priifung der Nieren der
chemischen Untersuchung des Urins allzugroßen Wert beizulegen, da er häufig bei
den gleichen Pat. und unter dem gleichen Regime erhebliche Schwankungen in
der Menge des Urins und der in ihm ausgeschiedenen Substanzen feststellen konnte,
auch wenn die Nieren selbst gar nicht erkrankt waren. Zuverlässigere Resultate
erhielt er durch die Kryoskopie und die Methylenblauprobe.
Thümer (Chemnitz).
37) Casper. Über ungewöhnliche Nieren- und Nierenbeckenblutungen.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXX. Hit. 2.)
C. veröffentlicht eine Reihe interessanter Krankengeschichten, welchen gemein-
sam ist, daß die Pat. an Nierenblutungen aus ungewöhnlicher Ursache litten. Bei
den ersten vier Fällen handelte es sich um chronische Nephritiden. Die Diagnose
konnte zweimal erst nach operativem Eingriff an herausgeschnittenen Nierenstück-
chen erhärtet werden. Bei den beiden anderen Pat. ließ sich trotz des ungewöhn-
lichen Verlaufes die Diagnose stellen und ein Eingriff vermeiden, den Verf. als
äußerst schädlich bei solchen Fällen von Nephritis fürchtet. Jedenfalls beweisen
die vorliegenden Beobachtungen aufs Neue, daß chronisch verlaufende, besonders
parenchymatöse Nephritiden lange anhaltende und heftige Blutungen zu erregen
vermögen, und daß im Gegensatz zur gewöhnlichen Erfahrung auch vorwiegend
parenchymatöse Prozesse lange Zeit bestehen können, ohne daß Zylinder und Al-
bumen im Harn auftreten. Die Blutung bei den genannten Fällen war einmal
doppelseitig, dreimal einseitig.
Verf. glaubt, daß man in den meisten dieser Fälle nach unseren heutigen Er-
fahrungen die Diagnose zu stellen vermag. Bemerkenswert ist, daß diese Nephritis-
formen ohne jede Beschwerde einhergehen, daß die Kranken sich absolut gesund
fühlen. Allerdings wird manchmal die Differentialdiagnose gegenüber kleinen,
nicht fühlbaren Nierengeschwülsten und Nierenbeckenpapillomen unmöglich sein,
da auch diese keine Krankheitserscheinungen hervorzurufen brauchen. Der Harn-
leiterkatheterismus und die funktionelle Nierenprüfung führen in diesen Fällen
auch nicht zur Erkenntnis. In zweifelhaften Fällen wird man angesichts der
schlechten Prognose bei bösartigen Geschwülsten, Hypernephromen usw. den Probe-
schnitt nicht vermeiden können.
Bei zwei weiteren Pat. bestanden Massenblutungen; die makroskopische und
mikroskopische Untersuchung ergaben aber nur minimale Veränderungen. Da Verf.
auf dem Standpunkte steht, daß den Namen Nephritis nur doppelseitige, diffuse,
auf hämatogenem oder Iymphogenem Weg entstandene Entzündungen verdienen,
so kann er auch die in der Literatur publizierten Fälle mit umschriebenen, mini-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42. 1135
malen Veränderungen an dem Organe nicht als Nephritisfälle anerkennen. Viel-
fach sind wohl jene Veränderungen auf die bei dem chirurgischen Eingriff unver-
meidliche MißhandInng des Organes zurückzuführen gewesen. Außerdem ist zu
bemerken, daß sich solche minimale Veränderungen fast in allen Nieren nicht ganz
Junger Individuen finden. Mit Sicherheit sind also Blutungen nicht auf diese
kleinen Befunde zurückzuführen. Bei seinen beiden eigenen Fällen kann C. mit
Bestimmtheit nachweisen, daß jene Herde nicht die Blutausscheidung hervorgerufen
haben, da der Sitz derselben nicht in der Nähe jener veränderten Partien lag.
Eine Erklärung für die Blutungen kann Verf. allerdings auch nicht geben und
schließt sich deshalb der Ansicht von Klemperer und Senator an, daß es
essentielle Blutungen der Niere gibt, für die sich eine materielle Grundlage nicht
findet. Zum Schluß bringt C. noch einen lehrreichen Krankenbericht, der beweist,
daß eine Nephritis, ehe sie irgendwelche Urinveränderungen setzt, schwere Blu-
tungen hervorrufen kann, und daß eine solche Nierenblutung sich in 7 Jahren
nicht zu wiederholen braucht, so daß der Schluß falsch sei, eine Niere nach einer
Operation als gesund zu betrachten, wenn auch keine Wiederholung der Blutaus-
scheidung vorläufig auftrete. | E. Siegel (Frankfurt a. M.).
38) Minkowski. Uber perirenale Hydronephrose.
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XVI. Hft. 2.)
Bei einem 21jährigen Manne fand sich eine große Geschwulst der rechten
Nierengegend, die zunächst für eine Hydronephrose gehalten wurde. Mehrfache
Punktionen entleerten große Mengen von Flüssigkeit, die rasch wieder ersetzt
wurde. Die wasserklare Flüssigkeit enthielt reichlich Harnstoff und etwas Eiweiß,
reagierte alkalisch, während der Harn sauer war. Methylenblau ging nur in
Spuren in den Cysteninhalt über, nach Benzoösäureeinfuhr trat keine Hippursäure
auf, nach Phloridzininjektionen war nur ein geringer Zuckergehalt nachweisbar.
Beim Harnleiterkatheterismus erwies sich der rechtsseitige Harnleiter durchgängig;
der durch ihn abgesonderte Urin untersckied sich in nichts von dem linksseitigen.
Bei der Operation fand sich, daß die Flüssigkeit zwischen Niere und Kapsel saß;
die Niere sprang in den Cystenraum so vor, wie ein Hode in einen Hydrokelen-
sack; ein Zusammenhang mit dem Nierenbecken bestand nicht. Nach Tamponade
erfolgte Heilung. Es handelte sich also um eine Ansammlung lymphartiger Flüs-
sigkeit zwischen Niere und Kapsel. Es sind nur wenige ähnliche Fälle bekannt,
ganz gleich ist nur ein von Malherbe veröffentlichter. Statt der dafür ge-
brauchten Bezeichnung einer »äußeren oder subkapsulären Hydronephrose« wird
der Name »perirenale Hydronephrose« vorgeschlagen. Haeckel (Stettin).
39) P. Cuturi. Sur un cas de néphrite chronique unilatérale con-
sécutive & une grosse cellule vesicale.
(Ann. des malad. des org. genito-urin. 1906. Nr. 17.)
Der nach vielen Richtungen hin bemerkenswerte Fall betraf einen 54jährigen
Kranken, bei dem sich wahrscheinlich im Alter von 28 Jahren im Anschluß an
eine Verletzung ein Blasendivertikel gebildet hatte. Weitere begünstigende Um-
stände bildeten hierbei eine Malaria und ein schweres typhöses Fieber. Dieses in
der linken Blasenhälfte gelegene Divertikel war der Sitz schwerer infektiöser
Eiterung, die schließlich auch zu einer Infektion der linken Niere führte. Die
Freilegung des Organes ergab eine allseitige Vergrößerung desselben; am oberen
Pole bestand eine ausgesprochene Perinephritis sowie eine sklerosierende Binde-
gewebsentartung. Im übrigen war die Niere kongestioniert, nirgends eine Eiterung.
Der Harnleiter war durchgängig. Catgutnaht des Nierenparenchyms; Drainage
der Lendenwunde; bedeutende Besserung des lokalen und allgemeinen Zustandes.
Ein ganz ähnlicher Fall, der auch pathologisch-anatomisch genau untersucht
werden konnte, ist von Durrieux mitgeteilt worden.
In der oben mitgeteilten Beobachtung hatte also die Infektion des Nieren-
parenchyms nicht zu einer Eiterung, sondern nur zu einer im oberen Pole der
linken Niere lokalisierten interstitiellen Nephritis geführt, die durch die Nephro-
1136 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 42.
tomie günstig beeinflußt wurde. Auf diese Verhältnisse hat Albarran zuerst auf-
merksam gemacht. Bemerkungen über einseitige Nephritis beschließen die Arbeit.
Paul Wagner (Leipzig).
40) E. Monod et E. Loumeau. Gros reins polykystiques.
(Ann. des malad. des org. génito-urin. 1906. Nr. 17.)
Genaue klinische und pathologisch-anatomische Krankengeschichte einer 32jäh-
rigen Frau mit doppelseitiger cystéser Nierendegeneration. Eine hereditäre Be-
lastung war nach keiner Richtung hin nachzuweisen; die Krankheitserscheinungen
gingen auf mehrere Jahre zurück. Seit einem Jahr außerordentlich starke
Schwäche, Magenstörungen usw.; Anfall von schwerstem Nasenbluten. Der Bauch
wurde von zwei großen, rechts und links aus der Lendengegend entspringenden,
harten, höckrigen Geschwülsten eingenommen. Niemals blutiger Urin; seit 1 Jahre
Polyurie (2500-3000 g pro die). Urin trüb, eiweißhaltig, ohne sonstige charakte-
ristische Bestandteile. In der Folge kam es zu zeitweiser Anurie mit urämischen
Zuständen, zu Hämaturien mit heftigen kolikartigen Schmerzen, zu Azetonurie.
Tod im urämischen Koma.
Die bald nach dem Tode vorgenommene Autopsie ergab beiderseitige cystöse
Nierendegeneration höchsten Grades; Leber und Milz ohne Cysten; dagegen waren
beide Eierstöcke mit Cysten besetzt. Der genaue histologische Nierenbefund muß
in dem mit Abbildungen versehenen Original nachgelesen werden.
Die Verff. besprechen besonders die Beziehungen zwischen Sklerose und Cysten-
bildung; sie sind überzeugt, daß die Krankheit kongenitalen Ursprunges ist und
auf einer bisher noch nicht nachweisbaren »Malformation« beruht. Chirurgisch darf
in solchen Fällen natürlich niemals eingegriffen werden.
Paul Wagner (Leipzig).
41) E. Jaegy. Kystombildung im Bereich eines Renculus.
(Virchow’s Archiv Bd. OLXXXV. p. 268.)
Im Gegensatz zu der meist beobachteten diffusen Kystombildung der Niere
betraf in dem vom Verf. beschriebenen Falle die pathologische Veränderung nur
einen einzigen Renculus, erreichte allerdings so bedeutende Größe, daß die Exstirpa-
tion der Niere nötig wurde. Nierengewebe fand sich zwischen den einzelnen Cysten
in keiner Gestalt. Die Niere wies starke embryonale Lappung auf.
Doering (Göttingen).
42) Gallina. Contributo allo studio dei tumori ghiandolari del rene.
(Policlinico 1906. Ser. chir. Nr. 7.)
G. beschreibt drei Nierengeschwülste, von denen er nach Albarran annimmt,
daß sie vom Harnkanälchenepithel ausgehen, weil sie 1) keine scharfe Grenze gegen
das gesunde Nierenparenchym aufweisen; 2) Übergänge von den normalen Nieren-
epithelien zu den alveolär gelagerten mit großem Kern und blassem hellem Proto-
plasma versehenen Geschwulstelementen zeigen.
E. Pagenstecher (Wiesbaden).
43) Jacobsohn. Stichverletzung des graviden Uterus.
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 33.)
J. berichtet über einen von Tietze mit Erfolg operierten Fall von Stich-
verletzung des im 7. Monate schwangeren Uterus. In der Bauchhöhle war eine
Menge Blut. Die Uteruswunde, in der die Eihäute lagen, wurde in zwei Reihen
genäht, was bei der durch die teilweise Entleerung seines Inhaltes relativen Schlaff-
heit des Uterus leicht gelang. Geburt eines lebenden Kindes, das !/, Stunde nach
der Geburt starb. (In den Daten scheinen sich Irrtümer eingeschlichen zu haben.)
Borchard (Posen).
Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags-
handlung Breikopf & Härtel, einsenden.
Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig, Nürnbergerstraße 36/38.
Zentralblatt
CHIRURGIE
herausgegeben
E. vu Bow, Fini, Rite
Dreiunddreißigster Jahrgang.
Wöchentlich eins Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei halbjähriger
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.
Nr. 43. Sonnabend, den 27. Oktober. 1906.
Inhalt: L. Kredel, Über Blutleere der Galea bei Schädeloperationen. (Original-Mittei-
lung.
A Homén, Bakteriengifte. — 2) Brunner, Ausscheidung von Mikrobien durch die Schweiß-
driisen. — 3) Marshall und Macleod Neave, Antibakterielle Wirkung von Silberpräparaten.
— 4) Goebel, Lugol’sche Lösung. — 5) Verhandlungen der deutschen Röntgengesellschaft.
— 6) Blaschko, Radiumbehandlung. — 7) Apelt, Extra- und intradurales Himatom. —
8) Frinkel, Infantile zerebrale Hemiplegie. — 9) Horsley, Operationen am Gehim. —
10) Bromser, Mastoidoperation. — 11) Spitzy, 12) Bernhard, Anastomosenbildung zwischen
peripheren Nerven. — 13) Ludloff, Auskultation der Wirbelsiule und des Beckens. —
14) Finder, Kehlkopftuberkulose. — 15) de Quervaln, Thyreoiditis. — 16) Weir, Brustampu-
tation.
17) Morestin, Kopf- und Halsekchymosierang. — 18) Anton, Angeborener Choanenver-
schluß. — 19) Mieck, Osteome der Kieferhéhle. — 20) Minelli, Lymphomatose der Speichel-
und Trinendrisen. — 21) Macomber, Angeborene MundmiBbildung. — 22) Donati, Makro-
chilie. — 23) Mayrhofer, Wangenfistel. — 24) Nélaton, Wirbelbruch. — 25) Lüders, Syringo-
myelie. — 26) Oppenheim, Neubildungen im Umkreise des Riickenmarkes. — 27) Telford,
Herztod vom Vagus aus. — 28) Schultze, Basedow’sche Krankheit. — 29) Wiget, Geschwülste
mit Kautschukkolloid. — 80) Paterson, Ösophagoskopie und Bronchoskopie. — 31) Ribbert,
ae nen dere el — 32) Naumann, 33) Burmelster, Oesophagotomia extern. —
Castañeda, Aktinomykose des Halses. — 35) Groeber, Verlagerung der Luftröhre. —
36) Picqué, Fremdkörper in der Luftröhre. — 37) Confortl, Stenosierung des Hauptbronchus.
— 38) Maffre, Brustschuß. — 39) Burdach u. Mann, Brusthöhlengeschwülste. — 40) Jaquet,
Mediastinalgeschwulst. — 41) Quénu, 42) de Fourmestraux und Liné, 43) Tschernlachowski,
Herznaht. — 44) Mislowltzer, Mastitis. — 45) Barker, Aortenembolie. — 46) Klar, Ange-
borene Osteodysplasie. — 47) Mce Kay, Ergotingangrăn.
Uber Blutleere der Galea bei Schädeloperationen.
Von
L. Kredel in Hannover.
Die Blutung bei Durchschneidung größerer Strecken der Kopf-
schwarte ist immer eine ansehnliche, sie kann zuweilen, wie ich das
bei Gehirnoperationen auch erlebt habe, eine über alles Erwarten große
sein. Zwar ist das alles mit Fingerkompression, Unterbindungen und
Umstechungen zu beherrschen, und deshalb hat die Blutstillungsfrage
für Operationen an der äußeren Schädeldecke keine besondere Be-
43
1138 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43.
deutung. Wenn dagegen bei Gehirnoperationen schon der einleitende
Akt solche Verluste an Blut und Zeit mit sich bringt, so addiert sich
das in fataler Weise zu den übrigen Gefahren, und darum bildet
dieser Umstand eins der Motive, welche der zweizeitigen Methode
bei Gehirnoperationen allmählich mehr Verbreitung verschafft haben.
Sicher wird es sehr zur Förderung dieser wichtigen Eingriffe beitragen,
wenn es gelingt, die Übelstände und die Zeitdauer des Voraktes
immer mehr zu verringern.
Ich habe mich neuerdings eines Verfahrens zur präventiven
Blutleere der Galea bedient, welches auf einfache und rasche Weise
so Gutes leistet, daß es Empfehlung verdient. Bevor man einschneidet,
wird etwa 1!/, cm von der Schnittlinie entfernt eine große flach ge-
bogene oder gerade Nadel durch die Kopfschwarte gestochen und am
Knochen entlang, parallel dem zu führenden Schnitt auf eine beliebig
lange Strecke, sagen wir 5—7 cm, durchgeführt, ehe sie ausgestochen
wird. Bequemer noch und rascher geht es, wenn man bei langen Strecken
in der Mitte einmal aussticht und dicht daneben, am besten rückläufig,
von neuem einsticht. Der starke Seidenfaden, welcher auf diese
Weise durchgeführt ist, wird nun über einer gebogenen Metallplatte
(8. u.) so fest wie möglich angezogen und geknotet. Dasselbe geschieht
auf der anderen Seite und so weiter hüben und drüben entlang der
ganzen Strecke, welche der Schnitt durchmessen soll. Diesen kann
man dann in einem Zuge bis auf den Knochen in ganzer Länge aus-
führen; der Weg des Messers liegt zwischen zwei Mauern, die einen
Abstand von ca. 1!/, cm haben.
Erprobt habe ich dieses Verfahren gleich an derjenigen Stelle
des Schädels, wo es am meisten zu leisten hat, nämlich bei Freilegung
einer Kleinhirnhemisphäre und Exstirpation eines hühnereigroßen Tu-
mors am linken Kleinhirn-Brückenwinkel. Hier hat aus dem ganzen
Weichteilschnitte, der zugleich dicke Partien der Nackenmuskeln durch-
setzte, nur die Art. occipitalis in dünnem Strahl gespritzt. Von den
Schnittflächen rieselte kurze Zeit eine unbeträchtliche parenchymatöse
Blutung, welche keiner Versorgung bedurfte, und die wenigen (4—5)
Schieber, die zur Verwendung kamen, waren an den Schnittwinkeln
nötig, wo seitlich aus den Muskeln einige Gefäße bluteten, welche
der Schnürfaden nicht erreicht hatte. Der Zweck der präventiven
Umstechungsnaht war also vollkommen erreicht.
Die gebogenen Metallplatten, welche ich für die Galea verwandt
habe, sind 1 cm breit, !/, cm dick, ihre Länge läßt sich beliebig vari-
ieren; ich benutzte solche von 5 und 7” cm Länge. Damit sich die
Platte dem Schädeldach einigermaßen anpaßt, muß sie eine gewisse
Wölbung haben, welche sich auf der Abbildung nicht gut wiedergeben
läßt. Ferner kann man sie je nach der Form des Hautschnittes ge-
rade oder gekrümmt nehmen, doch empfehlen sich im allgemeinen
starke Krümmungen nicht, weil bei ihnen der stark angezogene Seiden-
faden die Sekante des Bogens bildet und die Platte infolgedessen
nach der konkaven Seite kantet und auszugleiten droht. Man kann
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. . 1139
dies jedoch sehr einfach dadurch verhindern, daß man in der Mitte
der Platte eine Naht durch die Galea legt, welche die Platte nebst
dem Schnürfaden umfaßt und an die Kopfhaut fixiert — freilich
wieder ein kleiner Zeitverlust! Ich habe auf diese Weise 7 cm lange
Platten mit der in Abbildung 2 wiedergegebenen Krümmung, welche
völlig glatt gearbeitet sind, sehr gut verwenden können und habe
bei diesen nur die Vorsorge getroffen, daß die Einkerbungen an bei-
den Enden, welche den Faden aufnehmen sollen, ihre Spitze nicht in
der Mitte des Plattendurchmessers, sondern mehr nach der konkaven
Seite zu haben, damit der Faden weniger leicht abrutscht. Für
die geraderen Formen wird eine Rinne zur Aufnahme des Fadens
Fig. 1. (Natürl. Größe.
Fig. 2.
zweckmäßig sein (Abbildung 1}. Man wird gut tun, die Entfernung
von Ein- und Ausstich um einige Millimeter kürzer zu wählen, als
die Länge der Platte beträgt, damit die Haut in straffer Spannung
umschnürt wird.
Ich erblicke den wesentlichen Vorteil dieser Umstechungsmethode
darin, daß sie die Haut nicht refft, sondern in ihrer natürlichen Lage
fixiert, was bei osteoplastischem Verfahren für den Haut-Knochenlappen
von Bedeutung ist; auch dürfte sie weniger Zeit kosten, als die vor-
treffliche Art der Umstechung, welche Heidenhain? empfahl.
Gelegentlich wird auch bei Weichteiloperationen die Anwendung
dieser kleinen Apparate von Nutzen sein. Ich habe mir z.B. für
die Exstirpation kavernöser Angiome bei Kindern kleine Platten von
2—3 cm Länge anfertigen lassen und konnte damit diese kleine Ope-
ration ohne jeden Blutverlust ausführen.
1 Instrumentenmacher Nicolai, Leinstraße 33, Hannover, hat die Platten
nach meiner Angabe angefertigt.
2 Dieses Zentralblatt 1904. p. 249.
1140 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43.
1) Homön. Über den Einfluß der Bakteriengifte, ins-
besondere der sog. echten Toxine, auf die verschiedenen
Gewebe der menschlichen Organe.
(Moderne ärztl. Bibliothek Hft. 26 u. 27.)
Das 62 Seiten starke Heft enthält den dankenswerten Versuch,
in knapper Darstellung die sich immer mehr ausbauende und be-
deutungsvoller werdende Lehre von den Bakteriengiften auch dem
Nichtvorgeschulten näher zu bringen. In kurzer Einleitung erörtert
Verf. die verschiedenen Arten der Bakteriengifte und ihre Beziehungen
zur tierischen Zelle im Lichte der Ehrlich’schen Theorie von den
Seitenketten. Wir erfahren das Wesentliche über die sog. echten
Toxine, über die minder giftigen Toxoide und Toxone und ihre Deri-
vate, über die durch Untergang oder Auslaugung des Bakterienleibes
frei werdenden Protoplasmagifte, die Endotoxine, über die durch
Bakteriengifte entstehenden und als »chemisch differente Substanzen «
zu betrachtenden Entartungs- und Zerfallsprodukte der Gewebs-
zellen u. a. Unter möglichster Trennung der Lokal- und Fernwirkung
bespricht Verf. in einem allgemeinen Teile die Veränderungen der
einfachen Gewebe (Endothelzellen, Bindegewebe, Neuroglia) unter be-
sonderer Berücksichtigung der Wirkung der echten Toxine; für Knorpel-
und Knochengewebe glaubt Verf. besondere auf Toxinwirkung be-
ruhende Veränderungen ausschließen zu können.
In dem umfangreicheren speziellen Teile werden die durch Lokal-
und Fernwirkung der Bakteriengifte — beide häufig genug nicht
trennbar — hervorgerufenen Schädigungen der zusammengesetzten Ge-
webe, d. h. der Organe, behandelt. Hier finden als Beispiele von Fern-
wirkungen spezifischer Toxine die heute wohl am meisten erforschten
Einflüsse des Botulinus-, des Tetanus- und des Diphtheriegiftes auf
das zentrale und periphere Nervensystem eine eingehende Besprechung.
Interessant ist die Hypothese der Entstehung der Amyloidentartung.
Das Werkchen wird manchem willkommen sein.
Goebel (Köln).
2) C. Brunner. Zur Ausscheidung von Mikrobien durch
die Schweißdrüsen.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXX. Hft. 2.)
Verf. gibt eine Übersicht über die Literatur, die die Ausschei-
dung der Mikroben aus dem Körper im allgemeinen und durch die
Schweißdrüsen ins besondere behandelt. In ausführlicher Kritik ist
ihm besonders daran gelegen, seine frühere Arbeit über die Ausschei-
dung der Bakterien durch die Schweißdrüsen und deren positives Re-
sultat gegenüber seinen Kritikern zu rechtfertigen und ihr Anerken-
nung zu verschaffen. Er sucht deshalb im einzelnen die Widersprüche
seiner Gegner zu analysieren und zu widerlegen und bleibt auf Grund
seiner ausführlichen Besprechungen und bei Anschluß an die Ergeb-
nisse seiner Arbeit, wie besonders eines Falles von Finger in Wien,
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1141
bei seiner ehedem ausgesprochenen Meinung, daß die Mikrobien doch
durch die Schweißdrüsen aus dem Blute ausgeschieden werden.
E. Siegel (Frankfurt a. M.).
3) Marshall and Macleod Neave. The bactericidal action
of compounds of silver.
(Brit. med. journ. 1906. August 18.)
Die Untersuchungen der Silberpräparate fanden statt im Auftrage
der British Medical Association (Ausschuß für Therapie) und erstreckten
sich auf ihre bakterientötende Wirkung bei gemischten Kulturen und
Reinkulturen von Staphylokokkus pyogenes aureus. Jeder Versuch war
begleitet von einem Kontrollversuch, der ausnahmlos nach 20 Stunden
Bakterienwachstum zeigte. — Als Gesamtergebnis stellte sich heraus,
daB die Silberzusammensetzungen nach ihrer bakterientötenden Wir-
kung in drei Gruppen zerfallen: 1) in solche, die stark wirkend sind:
zu ihnen gehören die meisten der untersuchten Präparate: Silbernitrat,
Fluorsilber, Aktol, Itrol, Argentamin, Argentol, Albargin, Argonin,
Ichthargan, Largin, Novargan, Protargol; 2) ein bedeutend schwächer
wirkendes Präparat: Nargol; 3) zwei praktisch gar keine bakterien-
tötende Wirkung besitzende Mittel: Argyrol und Collargol. Da ersteres
20%, letzteres 86,6% Silber enthält, so geht daraus hervor, daß der
Gehalt an Silber kein Maßstab ist für bakterientötende Wirkung. Die
guten Erfolge, die an manchen Orten mit diesen beiden Mitteln
klinisch gewonnen wurden, können also schwerlich ihrer bakterien-
tötenden Wirkung zugeschrieben werden. Die Einzelheiten der Ver-
suche müssen in der Urschrift eingesehen werden. Weber (Dresden).
4) W. Goebel. Über die desinfizierenden Eigenschaften Lu-
gol’scher Jodlésungen.
(Zentralblatt fiir Bakteriologie usw. Bd. XLII. Hft. 1. Abt. I.)
Verf. hat die keimtötenden Wirkungen des Jodes in Form der
Lugol’schen Jodauflösung auf einige der hauptsächlichsten in Wasser,
Nährbouillon und Ascitesflüssigkeit aufgeschwemmte pathogene Bak-
terienarten untersucht. Wie alle chemischen Desinfektionsmittel, wirkt
das Jod am kräftigsten in wäßriger Lösung. Verf. kommt zu dem
Schluß, daß wir in der 0,02%igen Lugol’schen Jodlösung (0,5 Jod
-+ 1,0 Jodkal. + 2500,0 steril. dest. Wasser) ein sehr kräftig und
schnell wirkendes Desinfektionsmittel von stark desodorisierenden Eigen-
schaften haben; er hält diese etwa sherryfarbene Lösung, der üble
Eigenschaften fast völlig fehlen, zur Desinfektion physiologischer und
pathologischer Hohlräume, zur Reinigung des Operationsfeldes und
zur Händedesinfektion als Sublimatersatz eines Versuches für wert.
(Selbstbericht.)
1142 Zentralblatt ffir Chirurgie. Nr. 43.
5) Verhandlungen der deutschen Röntgengesellschaft. Bd. II.
116 S.
Hamburg, Gräfe & Sillem, 1906.
Bd. II enthält in ähnlicher Einteilung wie Bd. I die Verhand-
lungen und Berichte des II. Kongresses der deutschen Röntgengesell-
schaft. Über die einzelnen Vorträge ist schon in Nr. 18 ds. Blattes
referiert worden.
Auch der neue Band wird jedem Arzte, dem es nicht vergönnt
war, an den Kongressen teilzunehmen, willkommen sein; zumal es sich
die Verlagsbuchhandlung angelegen sein ließ, durch zahlreiche Illu-
strationen den Wert des Werkes zu erhöhen. Gaugele (Zwickau).
6) Blaschko. Erfahrungen mit Radiumbehandlung.
(Berliner klin. Wochenschrift 1906. Nr. 8.)
Das Radium hat sich als ein außerordentlich wirksames Mittel
zur Beseitigung umschriebener, oberflächlich gelegener bös- und gut-
artiger Geschwülste erwiesen, ferner als ein Mittel, das bei einer ganzen
Reihe sonst hartnäckiger chronisch-entzündlicher Hautaffektionen in
relativ kurzer Zeit eine vollkommene Rückbildung und Abheilung zur
Folge hat. Außer Kankroiden und Warzen wurden Naevi und An-
giome geheilt, selbst große behaarte und pigmentierte Naevi zum Ver-
schwinden gebracht. Beim Lupus vulgaris eignet sich die Radium-
behandlung besonders für kleinere umschriebene Herde und zur Nach-
behandlung in allen den Fällen, die anderen Verfahren unterworfen
wurden. Bei der Psoriasis wurden überraschende Erfolge erzielt. Die
eigentliche Domäne sind die oft aller Therapie gegenüber so hart-
näckigen alten lokalisierten Infiltrate, ferner die Psoriasis der Finger,
der Hände und des Gesichtes. Ekzeme wurden im allgemeinen günstig
beeinflußt, doch sind die Versuche noch nicht abgeschlossen. Bei
Lupus erythematodes scheint das Radium sehr günstig einzuwirken.
Lichen ruber planus wurde nicht oder nur sehr wenig, dagegen Lichen
ruber verrucosus sehr gut beeinflußt. Die Hälfte der Fälle von Sy-
cosis vulgaris heilte, die andere Hälfte nicht, doch wurde in diesen
Fällen die Behandlung wohl nur nicht lange genug angewendet. Alo-
pecia areata besserte sich nicht unter Radiumbehandlung. Bei hart-
näckiger Nasenröte wurden vorzügliche Erfolge erzielt. Keloide wurden
nicht zum Verschwinden gebracht, aber gebessert.
Als Vorzüge der Radiumbehandlung gegenüber den Röntgen-
strahlen werden genannt: Völlige Ungefährlichkeit, Transportfähigkeit,
Verwendbarkeit an fast allen Körperstellen, Schmerzlosigkeit, Sauber-
keit der Anwendung; dagegen wirkt sie nicht auf so große Strecken,
auch nicht so in die Tiefe wie die durch Röntgenstrahlen.
Langemak (Erfurt).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 1143
7) Apelt. Zum Kapitel der Diagnose des extra- und intra-
duralen traumatischen und pachymeningitischen Hämatoms.
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. X VI. Hft. 2.)
Auf Grund der Studien von Naunyn und Schreiber, v. Berg-
mann, Schulten, Hill, Kocher u.a. scheint dieLehre vom Symptomen-
komplex, der bei Blutungen aus den Gefäßen der Dura im geschlossenen
Schädel aufzutreten pflegt, ziemlich abgeschlossen zu sein. Allein
Gesetze, die meist an der Hand klassischer Fälle mit Unterstützung
des Experimentes geschaffen wurden, werden durch die sich allmählich
mehrende Zahl sog. Ausnahmefälle wieder erschüttert; denn die Natur
schematisiert nicht. So zeigt A. an zehn Fällen aus dem Material
von Nonne’s Abteilung am Eppendorfer Krankenhause, wie unsicher
die Diagnose auf Hämatome der Dura doch noch ist. Denn einmal
kann das Hämatom Zentren komprimieren, die für uns feststellbare
Reiz- oder Lähmungserscheinungen noch nicht aufweisen; ferner sind
die wenigsten Fälle reine Fälle von Hirndruck; in den meisten besteht
gleichzeitig ein Schädelbruch mit Zertrümmerung von Hirnsubstanz,
bald auf der Seite des Traumas, bald auf der entgegengesetzten Seite.
Meist ist außerdem eine Hirnerschütterung mit vorhanden. Oft kommen
die Kranken erst im Stadium der Lähmung zur Behandlung, in dem
die Diagnose schon sehr an Sicherheit abnimmt. Wichtige Symptome,
wie die Stauungspapille, können wieder schwinden, oft besteht nicht
gekreuzte, sondern kollaterale Hemiplegie; auch die Lumbalpunktion
trägt zur Sicherung der Diagnose nur wenig bei.
A. zeigt nun zunächst an einigen Fällen, wie ein vorhandenes
Hämatom der Diagnose entgehen kann. Sodann werden Beobachtungen
mitgeteilt, bei denen umgekehrt nach Traumen alle Zeichen eines
Hämatoms sich entwickelten, während die Sektion nichts davon nach-
wies; besonders kommt hier die Encephalomalakie als irreführend in
Betracht. Haeckel (Stettin).
8) J. Fränkel. Die infantile zerebrale Hemiplegie.
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XV. Hft. 2—4.)
Auf Hoffa’s Anregung berichtet Verf. zunächst über 60 Beob-
achtungen von Krankheitsfällen in der Universitätspoliklinik für ortho-
pädischeChirurgie in Berlin. Auf Grund einer hauptsächlich ätiologisch-
klinischen Betrachtungsweise ist er zu dem Schlusse gelangt, daß die
infantile zerebrale oder spastische Hemiplegie oder die zerebrale Kinder-
lähmung immer einen Symptomenkomplex darstellt, dem eine vaskuläre
Entstehung zugrunde liegt, und der den zerebralen Displegien oder der
Little’schen Krankheit an die Seite zu stellen ist. In der Mehrzahl
der Fälle liegen mehrere ätiologische Momente vor, sowohl aus der
Zeit vor als auch aus der Zeit während und nach der Geburt. Er-
wähnt werden: hereditäre Lues, Zirkulationsstörungen im Fötus, akut
entzündliche Gefäßerkrankung (Encephalitis, Meningitis), Hämorrhagie,
Embolie und Thrombose. Akute Infektionskrankheiten können durch
Toxinwirkung Auslösung oder Verschlimmerung bewirken.
1144 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43.
Nach Besprechung der pathologischen Anatomie, der Symptomato-
logie, Diagnose und Prognose schildert Verf. noch die an der Hoffa-
schen Klinik übliche Therapie, z. B. Hoffa’s Pronatorplastik, welche
darin besteht, daß der Pronator teres vom Condylus internus ab-
getrennt und am Condylus externus festgemacht wird, der Pronator
also ein Supinator wird. Um die Supination herzustellen, hat Verf.
in zwei Fällen auch den M. flexor carpi ulnaris verwendet. Die Sehne
des Muskels wird nach Loslösung vom Os pisiforme über die Streck-
seite des Vorderarmes hinübergeführt und an der Facies volaris radii
vernäht. Der M. extensor pollicis longus wird verkürzt. Verf. betont
die krampflösende Wirkung der Sehnenplastik und die günstige Be-
einflussung der choreatischen Erscheinungen.
J. Biedinger (Würzburg).
9) Sir V. Horsley. On the technique of operations on the
central nervous system.
(Brit. med. journ. 1906. August 25.)
Die Arbeit gründet sich auf H.’s Erfahrungen am National hos-
pital for paralysed seit 1886 und ausgewählte Fälle aus seiner übrigen
Praxis. Seit dieser Zeit hat die operative Technik weniger Fortschritte
gemacht als die Erkennung des Sitzes und der Art einer Erkrankung
des Zentralnervensystems. Trotzdem ist das Ideal einer Diagnostik
noch in weiter Ferne. Um ihm näher zu kommen, hilft uns die
Autopsie am Lebenden schneller vorwärts als die an Leichen, weil
letztere so gut wie immer inoperable Fälle schildert. Der fehler-
reichen Diagnostik ist der noch immer weitverbreitete Irrtum zu dan-
ken, der in der operativen Behandlung nur die letzte, äußerste Zu-
flucht erblickt.
Die wichtigste vorbeugende und lindernde Maßnahme, Anlegung
einer genügend großen Öffnung in Schädel und Dura bei sonst in-
operablen Fällen, beseitigt fast immer den vermehrten Hirndruck und
damit Kopfschmerzen und Erbrechen. Da die im Schädelinneren
herrschende, vermehrte Spannung die vornehmste, wenn auch vielleicht
nicht die einzige Ursache für die Neuritis optica ist, so können wir
durch frühzeitige Öffnung des Schädels — d. h. sobald die Neuritis
optica erkannt worden ist — die Erblindung mit Sicherheit vermeiden,
mit Ausnahwe der Fälle, wo der Tractus opticus selbst von der Neu-
bildung ergriffen ist. Wenn Erblindung eintritt, so trifft die Verant-
wortlichkeit den Arzt, der die Öffnung des Schädels nicht rechtzeitig
angeraten hat. — Bei Geschwülsten im Schädelinnern beginnt die
Neuritis optica mit wenig Ausnahmen auf der befallenen Seite, ein
wichtiger Fingerzeig für den Ort des Eingriffes.
Vor Ausführung des radikalen Eingriffes ist die Überlegung,
wieviel Ausgleichung wir vom Gehirn nach Entfernung bestimmter
Teile erwarten dürfen, von Wichtigkeit. Besondere motorische Funk-
tionen stellen sich nicht wieder her, wenn ihr gesamter Rindenbezirk
Zentralblatt ftir Chirurgie. Nr. 43. 1145
entfernt ist; das gleiche gilt für die Bezirke der Sinnesorgane. Da-
gegen sind höhere sensorische und intellektuelle Tätigkeit auf die
Dauer nicht aufgehoben bei der Zerstörung irgendeines Teiles der
Hemisphäre. Im ganzen haben Großhirn wie Kleinhirn eine ganz be-
deutende Fähigkeit zum Ausgleich zerstörter Teile. Für das Kleinhirn
und seine Geschwülste und für tiefsitzende Geschwülste ist das wichtig,
wie H. an dem Beispiel eines vor 11 Jahren wegen einer großen
cystenartigen Geschwulst des Kleinhirns operierten, jetzt ganz ge-
sunden Mannes darlegt. Zur Erreichung solcher tiefsitzender Ge-
schwülste ist es nötig, die Hälfte des Kleinhirns ganz bedeutend zu
verschieben und oft durch Quetschung zu verletzen. H. sah nie
dauernden Schaden davon und spricht sich daher gegen den Vor-
schlag Frazier’s aus, einen Kleinhirnlappen in solchen Fällen ganz
zu entfernen.
Sehr wichtig für die Blutungsverhältnisse und die Technik ist
eine gut passende Stütze für den erhöht gelagerten Kopf. Als Be-
täubungsmittel kommt nur reines Chloroform in Betracht; Ather hält
H. für ganz unzulässig bei Operationen am Zentralnervensystem wegen
seines Einflusses auf die Blutung und auf die Nacherregungszustände.
Ein schwerer Nachteil des Chloroforms, die plötzliche Lähmung des
Atemzentrums, wie sie bei Hirndruck auch ohne Betäubungsmittel
schon oft den Tod schlagartig herbeigeführt hat, wird am besten aus-
geglichen durch eine genaue Dosierung des Chloroforms. Zur Er-
zielung einer tiefen Narkose sind noch nicht 2% Chloroform in der
Einatmungsluft nötig, zur Vermeidung des Schmerzgefühles viel weniger.
H. benutzt zur Erreichung genau bekannter Mengenverhältnisse von
Chloroform und Luft bzw. Sauerstoff den Apparat von Vernon
Harcourt (siehe Abbildung) und richtet sich bei der Dosierung sorg-
fältig nach der jeweilig nötigen Menge des Betäubungsmittels: vor der
Operation und während der Herstellung des Weichteillappens gibt er
2%, bei der Entfernung des Knochens 1%, etwas mehr bei dem Ein-
schnitt in die Dura, unter 0,5% beim Operieren im Gehirn, 0,7—1%
beim Schluß der Wunde.
Eine 20jährige Erfahrung an Mensch und Tier hat H. die ge-
waltige Bedeutung gelehrt, die eine Abkühlung des freiliegenden Ge-
hirns als Ursache des Choks hat. Daher läßt er Gehirn und Rücken-
mark, während sie offen liegen, beständig mit einer 115° F heißen
Lösung von Sublimat 1: 10000 überrieseln. Diese Vorkehrung ver-
mindert gleichzeitig die kapillare und arterielle Blutung.
Es sollen so wenig wie möglich Gefäße unterbunden werden; wenn
aber, dann möglichst entfernt von größeren Stämmen. Die Carotis-
unterbindung lehnt H. ab. Kapillaren und kleine Arterien stehen
auf Überrieselung mit 43,5—46° C heißer Lösung. Alle Knochen-
blutungen stillt H. sofort und sicher durch Überstreichung und Ein-
reibung mit Wachs, vorausgesetzt, daß das Periost gründlich entfernt
war. Während der Chloroformdarreichung entsteht ein mäßiger Grad
von Asphyxie, der die venöse Blutung unterhält. Ein schnelles,
434%
1146 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43.
sicheres Mittel gegen diese Art Blutung ist die Einatmung von Sauer-
stoff aus dem Harcourt-Apparat.
Zur Vermeidung zu großer Chokwirkung operiert H. stets zwei-
zeitig: Öffnung des Schädels und nach 5 Tagen Öffnung der Dura.
Nach seinen Erfahrungen ist die Öffnung des Schädels von stärkerer
Chokwirkung als der folgende Eingriff.
Der Schädel soll mit möglichst wenig senkrecht gerichteter Kraft-
aufwendung geöffnet werden. Nach langjährigem Durchproben aller
möglichen Verfahren und Werkzeuge empfiehlt H. zunächst, eine kleine
Knochenscheibe mit dem Trepan zu entfernen, mit einer gewöhnlichen
Säge die zu entfernenden Stücke anzuritzen und mit großen Knochen-
zangen die Knochen auszubrechen mit nach außen gerichteter Kraft-
aufwendung. Da der Knochen meist nicht erhalten werden soll, und
da die osteoplastischen Verfahren mit senkrecht auf den Schädel ge-
richteter Kraft arbeiten, so spricht sich H. gegen diese Methoden aus.
Die Gefahrenabstufung nach der Hirngegend, in welcher operiert
wurde, ist ersichtlich aus folgender Tafel:
Motorische Zentren 1 + auf 27 Eingriffe,
Regio parietalis 1+ » 19 >
Regio frontalis 1+ » 13 >
Regio temporalis 1+ > 12 >
Regio cerebellaris 1+ » 10
Auch H. hat die große Neigung von Hirawandan zur Infektion
erfahren müssen: er verlor 17 Fälle durch septische Erkrankungen,
die meist während der Nachbehandlung bei drainierten mene auf-
treten. Je weniger Drainage, um so besser.
Um Geschwiilste der Basis zu erreichen, kann man das Hirn mit
breiten Spateln bei vorsichtigem Druck sehr bedeutend heben und
verdrängen ohne große Schädigung, wie H. zehn Eingriffe im Gebiete
der Glandula pituitaria gelehrt haben. Man vermag bei gutem Lichte
sich die Hirnschenkel, den Circulus Willisii, die Glandula pituitaria,
die Carotis interna, den II. und III. Gehirnnerven zu Gesicht zu
bringen.
Umschriebene Geschwülste geben gute Endergebnisse, schlecht
begrenzte mangelhafte, wie folgende Tafel über 55 Geschwülstexstir-
pationen, deren Krankheitsverlauf verfolgt werden konnte, beweist:
Gliome, Sarkome: 23 mit 20 Rückfällen in 2 Jahren;
Endotheliome: 8 mit 1 Rückfall und 7 Dauerheilungen;
Tuberkulome: 4 mit 2 Todesfällen an Meningitis tuberculosa und
2 Dauerheilungen;
Gummata: 8 ohne Rückfall;
Fibrome: 4 ohne Rückfall;
Cysten: 5 ohne Rückfall;
Adenome und Adenosarkome der Glandula pituitaria: 3 mit
1 Riickfall.
In elf Fällen mit ausgeprägtem klinischen Bild einer Hirn-
geschwulst, in denen H. nur den Schädel öffnete und wieder schloß,
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 1147
nachdem er sich überzeugt hatte von der Inoperabilität der Geschwulst,
bzw. in denen von der eigentlichen Geschwulst nichts zu finden war,
gingen nach der Operation alle Erscheinungen wieder zurück. In
allen Fällen hatte die Operation beträchtlichen Hirndruck ergeben.
Weber (Dresden).
10) Bromser. The modern mastoid operation.
(Brit. med. journ. 1906. August 11.)
B. arbeitet nur mit Hohlmeißel und Knochenzangen. Zur Stillung
der flächenhaften Blutungen aus Knochen und Granulationen, zur
Beseitigung von Knochenbröckeln empfiehlt er Wassersuperoxydlösung.
Die retroaurikuläre Offnung schließt er nach 5—10 Tagen, wenn der
Verlauf ohne Reaktion geblieben ist, durch Zuziehen einer schon bei
der Operation gelegten Naht. Übermäßige und dann sehr störende
Granulationsbildung ist oft die Folge von zulange dauernder Jodo-
formanwendung. B. benutzt zur Tamponade Aluminiumazetatgaze und
bläßt Aristol, Isoform oder Xeroform ein. Zur Atzung benutzt er
10%ige Trichloressigsiure. Weber (Dresden).
11) H. Spitzy. Aus den Grenzgebieten der Chirurgie und
Neurologie.
(Zeitschrift fiir orthopad. Chirurgie Bd. XV. Hft. 2—4.)
Verf. setzt seine anatomisch-chirurgisch-neurologischen Studien,
um brauchbare Operationsmethoden der Anastomosenbildung zwischen
peripheren Nerven zu gewinnen, fort (s. Zentrallblatt fiir Chirurgie
1905 Nr. 41). In der vorliegenden Arbeit beschäftigt er sich mit der
Peroneus-Tibialis- und der Medianus-Radialisplastik. Seinen exakt
wissenschaftlichen Arbeiten verdankt Verf. auch klinische Erfolge,
über die er später berichten wird. J. Riedinger (Würzburg).
12) Bernhard. Über Nervenpfropfung bei peripherischer
Facialislähmung, vorwiegend vom neurologischen Standpunkte.
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd XVI. Hft. 3.)
Nachdem Zesas 1904 in den »Fortschritten der Medizin« alles
zusammengestellt, was über Nervenpfropfung bei Facialislähmung be-
kannt war, führt B. die seitdem neu hinzugekommenen Fälle auf und
unterwirft die Resultate einer scharfen kritischen Beleuchtung, die um
so wertvoller ist, als B. selbst drei operierte Kranke sehr lange, bis
5 Jahre nach der Operation, verfolgen konnte. B. stellt zunächst fest,
daß es in der Tat möglich ist, durch Anfügen des peripheren Facialis-
stumpfes an den Hypoglossus oder Accessorius es dahin zu bringen,
daß aktive Kontraktionen willkürlich in dem früher gelähmt gewesenen
Facialisgebiet ausgeführt werden können, gleichgültig, ob man den
Facialis nur seitlich an den angefrischten Accessorius resp. Hypoglossus
angenäht, oder ob man die letzteren Nerven durchschnitten und an
ihr zentrales Ende das periphere des Facialis angeheilt hat. Bei ersterer
1148 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43.
Methode hat man den Nachteil, daß bei Bewegungen im Facialisgebiet
auch die vom Accessorius resp. Hypoglossus innervierten Muskeln mit-
bewegt werden. In den meisten Fällen ist ferner erreicht worden,
daß in der Ruhelage des Gesichtes die früher vorhandene Asymmetrie
durch die Operation wesentlich gebessert wird dadurch, daß der Tonus
der Gesichtsmuskeln wieder hergestellt wird. Allein eine vollkommene
restitutio ad integrum wird nicht erzielt; von den drei von B. genauer
untersuchten Leidenden konnte keiner aktiv das Auge der früher gelähm-
ten Seite schließen; es entsteht ferner beim mimischen Spiele der Ge-
sichtsmuskeln, beim Sprechen, Lachen usw. stets eine häßliche Asym-
metrie, eine starke Verzerrung. Es besteht eben ein großer Unter-
schied zwischen willkürlicher Kontraktion einzelner Gesichtsmuskeln
und dem feinen asymmetrischen Spiele der Muskeln beider Gesichts-
hälften bei Affekten. Wie Sternberg nachgewiesen hat, hängen
diese beiden Dinge von verschiedenen zentralen Organen ab.
Da Mitbewegungen der Zunge weniger störend sind, als solche
in den Armmuskeln, so wird für die seitliche Anfügung des Facialis
der Hypoglossus dem Accessorius vorzuziehen sein. Bei Durchtrennung
des Accessorius und Hypoglossus zur Vereinigung ihrer zentralen Enden
mit dem Facialis wird die vom durchtrennten Nerven innervierte Mus-
kulatur gelähmt; da Lähmung des Trapezius oder Sternocleidomastoideus
meist hinderlicher und die Atrophie dieser Muskeln entstellender ist,
als die gleichen Folgen in einer Zungenhälfte, so wird auch für diesen
Fall meistens die Anastomosierung des Facialis mit dem Hypoglossus
derjenigen mit dem Accessorius vorzuziehen sein. Haeckel (Stettin).
13) Ludloff. Die Auskultation der Wirbelsäule, des Kreuz-
beins und des Beckens. (Aus der chirurgischen Klinik zu
Breslau.)
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 25.)
Die Auskultation von Teilen der Wirbelsäule, welche sich bei
der Perkussion als schmerzhaft erwiesen hatten, hat L. bemerkens-
werte Aufschlüsse über die Ursache der Schmerzen ergeben. Bei den
verschiedensten Bewegungen der Wirbelsäule hörte er an derselben
mittels des Phonendoskops ein deutliches Knirschen und Krachen, be-
sonders an der Grenze zwischen Kreuzbein und Lendenwirbelsäule,
das auf eine umschriebene Arthritis deformans in den kleinen Wirbel-
säulengelenken zurückzuführen war. Bei Nachprüfung dieser Stellen
im Röntgenbilde ließen sich dann meist auch kleine Auflagerungen
an den Gelenkgrenzen feststellen, die als Ursache dumpfer Druck-
schmerzen, wie auch von Lumbal- und Sakralneuralgien anzusehen
waren. Auch bei Occipitalneuralgien hat L. zweimal das Reibegeräusch
im Gelenk zwischen Atlas und Hinterhaupt und Atlas und Epistro-
pheus gefunden und durch einen entlastenden Verband, Massage und
Medikomechanik Besserung herbeiführen können. Ebenso gutes leistet
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 1149
die Auskultationsmethode in Fällen, bei denen die Folgen schwerer
Gewalteinwirkungen auf die Lendenwirbelsäule und das Becken zurück-
geblieben waren, so daß L. dieselbe wärmstens empfehlen kann.
Kramer (Glogau).
14) Finder. Die chirurgische Behandlung der Kehlkopf-
tuberkulose.
(Berliner klin. Wochenschrift 1906. Nr. 9.)
Die vorliegende Arbeit ist ein gelungener Versuch einer objektiven
Darstellung des gegenwärtigen Standes der Frage. Heilungen der
Kehlkopftuberkulose kommen selten ganz spontan, häufiger allein unter
Anwendung allgemein hygienischer Maßnahmen vor. Für die medika-
mentöse Behandlung eignet sich am meisten die Milchsäure. Die nur
noch in sehr beschränktem Maße angewandte Galvanokaustik stellt
ein in seinen Wirkungen nicht absolut sicher zu dosierendes Mittel
dar. Noch weniger hat sich die Elektrolyse in der Therapie der
Kehlkopfschwindsucht Eingang verschaffen können. Die endolaryngeale
Chirurgie wird da Erfolge zu verzeichnen haben, wo die Erkrankung
räumlich beschränkt ist und die Zerstörung nicht allzu sehr in die
Tiefe geht, vorausgesetzt, daß die tuberkulösen Veränderungen für
Auge und Hand des Operateurs sicher erreichbar sind. Die operative
Behandlung ist zweckmäßig mit der nachträglichen Applikation von
Milchsäure zu kombinieren. Auch die Fälle von umschriebener Ge-
schwulstbildung eignen sich ganz besonders für die endolaryngeale
Operation. Der Grad des Lungenleidens ist nicht immer ausschlag-
gebend fiir den Erfolg der Kehlkopfbehandlung. Kachektische und
zu weit vorgeschrittene Fälle wird man selbstverständlich ausschließen,
da ein günstiger allgemeiner Kräftezustand des Pat. für das Gelingen
des chirurgischen Eingriffes notwendig ist. Die Heilungstendenz der
einzelnen Individuen ist eine sehr verschiedene, sie zwingt manchmal
in anscheinend günstig liegenden Fällen, von der endolaryngealen Be-
handlung Abstand zu nehmen, ermöglicht andererseits in schwereren
Fällen zuweilen wider Erwarten Erfolge. Die lokale Behandlung ist
durch geeignete Hilfsmittel zu unterstützen: Tuberkulininjektionen,
klimatische Kuren, Aufenthalt in Sanatorien und Lungenheilstätten.
Die Behandlung der Lungen darf daneben nicht vernachlässigt wer-
den. In verlorenen Fällen hat die instrumentelle Behandlung oft den
Segen, den Pat. ihre letzte Lebenszeit wenigstens einigermaßen er-
träglich zu machen, sie von der entsetzlichen Dysphagie zu befreien.
Die Tracheotomie kommt bei Stenosen in Frage, wenn die endo-
laryngeale Behandlung zur Beseitigung der tuberkulösen Granulationen
nicht ausreicht. Die kurative Tracheotomie bei nicht vorhandener
Stenose ist manchmal mit gutem Erfolg ausgeführt, wird aber nur
noch selten bei Erwachsenen geübt, bei Kindern häufiger wegen tech-
nischer Schwierigkeit der endolaryngealen Behandlung. Schwanger-
schaft ist die denkbar verhängnisvollste Komplikation der Kehlkopf-
tuberkulose. Neben Einleitung des Aborts ist von Kuttner wenigstens
1150 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43.
für Fälle in der zweiten Hälfte der Schwangerschaft mit gutem
Allgemeinbefinden die Tracheotomie empfohlen. Die Laryngofissur
wird sich nach Verf.s Ansicht nie Bürgerrecht bei Behandlung der
Tuberkulose erwerben. Die Totalexstirpation wird allgemein verworfen.
Langemak (Erfurt).
15) de Quervain. Thyreoiditis simplex und toxische Reak-
tionen der Schilddriise.
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten d. Medizin u. Chirurgie Bd. XV. Hft. 3 u. 4.)
Im Anschluß an seine frühere Arbeit über denselben Gegenstand
(ref. d. Bl. 1905 p. 440) verfolgt Verf. die inzwischen über dieses
Thema erschienenen Arbeiten von Perrin de la Touche und Dide,
Loeper und Esmonet, Luzzato, Crisafi, Bayon und hebt noch
einmal präzise den Unterschied hervor zwischen Thyreoiditis simplex,
bei der sich Entzündungserreger direkt in der Schilddrüse ansiedeln,
und der toxischen Thyreoiditis, die nur in einer Einwirkung der im
Körper zirkulierenden Toxine bei Infektionskrankheiten besteht, die
man daher auch als »toxische Reaktion« der Schilddrüse bezeichnen
könnte. Haeckel (Stettin).
16) R. F. Weir. A point in the technique of breast ampu-
tation for cancer.
(New York and Philadelphia med. journ. 1906. März 3.)
W. schließt an die Ausräumung der Achselhöhle nach der Am-
putatio mammae carcin. regelmäßig eine Durchtastung der Supra-
claviculargegend an, in dem er entlang den Gefäßen den Finger hinter
das Schlüsselbein bis hinter und neben den Kopfnickeransatz führt.
In 47% der Fälle ist es ihm so gelungen, erkrankte Drüsen zu fühlen,
die der Untersuchung vor der Operation entgangen waren. Sie wurden
dann natürlich mit dem umgebenden Fett ausgeräumt von einer In-
zision über und parallel mit dem Schlüsselbein.
Lengemann (Bremen).
Kleinere Mitteilungen.
1%) Morestin. Le masque ecchymotique par compression thoraco-
abdominale.
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXII. p. 273.)
M. berichtet über einen Fall ekchymotischer Infiltration an Kopf und Hals
nach einem Trauma des Bauches. Ein 15jähriger Bursche war beim Schaukeln in
gekrümmter Haltung des Rumpfes mit Gewalt von seinem Sitz auf den Boden
geschleudert worden und zeigte nach dem Erwachen aus einer kurzen Ohnmacht
außer Beklemmungsgefühl auf der Brust, Atemnot und Sehstörungen eine veilchen-
blaue Verfärbung des Gesichts, die nach dem Halse zu in eine dunkelrote Fleckung
der Haut überging; alle Erscheinungen schwanden nach 4 Tagen ohne besondere
Behandlung.
M. weist darauf hin, daß die genannte Verfärbung, wenn sie in nur geringer
Ausdehnung, z. B. nur im Bereiche der unteren Augenlider aufgetreten sei, zur
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 1151
Verwechslung mit Basisfrakturen Anlaß gegeben habe (und daß derartige Ekchy-
mosen auch schon nach Keuchhustenanfällen zu beobachten seien). Bezüglich der
Entstehung der subkutanen Blutaustritte an Kopf und Hals erwähnt Broca, daß
sie nicht ausschließlich Folge von stärkerer Gewalteinwirkung auf Brust und Bauch
seien, sondern daß auch schon bei plötzlicher Kompression des Bauches die Rück-
stauung des Blutes in der unteren Hohlvene und im rechten Vorhofe die ge-
nannten Erscheinungen auslösen könne. Thümer (Chemnitz).
18) Anton. Kongenitaler Verschluß der linken Choane.
(Prager med. Wochenschrift 1905. Nr. 45.)
Bei einer ö3jährigen Frau war die linke Choane durch eine senkrecht stehende,
sehnig weiße, knochenharte Platte verschlossen, die etwas vom hinteren Vomer-
rande überragt wurde. In der Mitte der Platte, näher der Nasenscheidenwand,
fand sich eine scharf begrenzte, etwas dunklere Vertiefung. Es handelte sich nach
dem Befunde um eine knöcherne, noch intranasal gelegene Atresie; Störungen hatte
sie, abgesehen von Hyposmie und erschwerter Entleerung des Nasenschleimes, nicht
verursacht, da die rechte Nasenhöhle sehr geräumig war. Von einem operativen
Eingriffe wurde daher abgesehen. Gutzeit (Neidenburg).
19) L. Mieck. Über die Osteome der Kieferhöhle.
Diss., Straßburg, 1906.
Bei einem 36jährigen Manne besteht seit dem 14. Jahr eine sehr langsam
wachsende Vorwölbung der rechten Wange mit mäßiger Verunstaltung des Ge-
sichtes. Vor 3 Jahren zeigte sich nach vorausgegangenen akut entzündlichen Er-
scheinungen eine Fistel am Alveolarfortsatz des rechten Oberkiefers in der Gegend
des Caninus, aus der sich reichlich Eiter entleerte. Die Extraktion zweier kariöser
Prämolaren brachte keine Heilung. Bei der Untersuchung findet man die rechte
Oberkiefergegend vorgetrieben; die Schwellung ist knochenhart, die Haut über der
Geschwulst gut verschieblich. Über dem Caninus findet sich eine Fistel, aus der
spontan und auf Druck Eiter sich entleert. Die eingeführte Sonde stößt auf rauhen
Knochen. Bei der Operation findet man nach Eröffnung der rechten Highmors-
höhle eine walnußgroße knöcherne Geschwulst, die frei in der erweiterten Kiefer-
höhle liegt und sich, wie die Nuß in der Schale, fest an die Wandungen anschließt.
Ihre Oberfläche ist glatt, wie poliert, nur an einigen Stellen sind kleine Rauhig-
keiten und Höcker. Die Heilung erfolgte glatt, und Pat. ist bis heute frei von
Beschwerden geblieben. Die mikroskopische Untersuchung zeigte das Bild der
lamellös geschichteten Knochensubstanz mit sehr feinen Kanälchen und Knochen-
körperchen. Die Geschwulst war also ein »totes« Osteom im Sinne Tillmann’s.
Boennecken (Prag).
20) 8. Minelli. Beitrag zum Studium der Lymphomatose der Speichel-
und Tränendrüsen.
(Virchow’s Archiv Bd. CLXXXV. p. 117.)
Verf. hatte Gelegenheit, einen Fall von Mikulicz'scher Krankheit mikro-
skopisch zu untersuchen. Seine Befunde sind folgende: Die Vergrößerung der
Speichel- und Tränendrüsen wird hervorgerufen durch Substitution des Drüsen-
gewebes durch ein Iymphatisches Gewebe, das durch Hyperplasie der schon nor-
malerweise in diesen Drüsen vorkommenden Lymphfollikel entsteht. Die Vergröße-
rung hat daher den Charakter einer Lymphadenitis hyperplastica. Die Neubildung
lymphatischer Elemente nimmt ihren Anfang im Innern des Parotisläppchens und
hat die Volumenvergrößerung der Drüse und ihre Zerstörung zur Folge. Letztere
kommt auf rein mechanischem Wege durch Druck zustande; toxische Ursachen
fehlen. Der Übergang der Affektion in eine allgemeine Pseudoleukämie ist selten.
Doering (Göttingen).
1152 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43.
21) E. K. Macomber. An interesting case of congenital malformation
of the mouth.
(Amer. journ. of surg. 1906. September.)
Ein neugeborenes Kind hatte am Munddach eine 1: 1/, Zoll große Geschwulst,
die sich nach der Exstirpation als Lipom, mit normaler Haut und Lanugo über-
zogen, erwies. Das vordere Ende war zwischen den Lippen sichtbar. Dann fand
sich ein unterer, lose — da nicht durch einen Alveolarfortsatz befestigt — sitzender
Schneidezahn und eine dreifache Zunge, indem zunächst von einer gemeinsamen
Wurzel zwei gut gebildete Zungen (mit Raphe und Frenulum) ausgingen, von deren
Bifurkation eine dritte, rudimentäre Zunge ohne Frenulum und ohne Raphe, aber,
ebenso wie die anderen, mit deutlichen Papillen versehen, entsprang. Die Ge-
schwulst und die rudimentäre mittlere Zunge wurden zunächst entfernt. Es zeigten
sich dann zwei Gaumen und zwei Zäpfchen. An jeder Seite hinter der Basis der
Geschwulst bestand eine Rinne von 1/, Zoll Tiefe, aber ohne Uranoschisis. Da das
Kind wegen der noch zurückbleibenden gespaltenen Zunge schlecht saugen konnte,
wurden beide Zungenhälften in einer zweiten Sitzung vereinigt, so daß sowohl das
Sauggeschäft jetzt gut vonstatten ging, als lautes Schreien möglich war. Leider
starb das Kind im Alter von 43/, Monaten an Keuchhusten.
Verf. fand keine ähnliche Beobachtung in der Literatur. Kongenitale Zähne
sind z. B. bei Ludwig XIV und Mirabeau beobachtet, ebenso doppelte Zunge oder
auch solche mit mittlerem (dritten) Lappen, aber niemals zwei Gaumen und zwei
Zäpfchen. Goebel (Breslau).
22) M. Donati (Turin). Macrochilia da adenomi delle ghiandole mucose
del labbro superiore.
(Gazz. med. italiana 1905. Nr. 8.)
In dem Falle des Verf. handelt es sich um einen 20jährigen Mann, der seit
9 bis 10 Jahren an einer allmählich zunehmenden Verdickung der Oberlippe leidet.
Sie betrifft hauptsächlich den freien Schleimhautsaum, ist schmerzlos; die Kon-
sistenz der Lippe ist annähernd normal. Bei der Exstirpation zeigen sich unter
der Schleimhaut stecknadel- bis erbsengroße gestielte und ungestielte runde
Knötchen, die der Oberfläche ein sammetartiges Aussehen verleihen und allein die
Verdickung der Lippe bedingen.
Mikroskopisch zeigen diese kleinen Geschwülste cinen drüsigen, adenomatösen
Charakter und bilden nach der Oberfläche zu kleinere und relativ größere Cysten.
Es ist also dieser Fall von dem Lymphangiom und von der gewöhnlichen Makro-
chilie wohl zu unterscheiden. Verf. fand nur zwei Analoga in der Literatur.
A. Most (Breslau).
23) B. Mayrhofer. Wangenfistel mit Erhaltung des schuldigen Zahnes
durch Wurzelresektion von aufen und Jodoformknochenplombe.
(Osterr.-ungar. Vierteljahrsschrift fiir Zahnheilkunde 1906. Juli.)
Die Therapie der Zahnfistel durch Wurzelresektion mit Erhaltung des er-
krankten Zahnes, wie sie durch Partsch begründet ist, bürgert sich immer mehr
ein. Während aber bisher immer nur vom Mund aus operiert wurde, schlägt M.
bei bestehender Wangen- oder Kinnfistel dentalen Ursprunges die Operation von
außen her vor und berichtet über einen in 5 Tagen mit Hilfe der Mosetig’schen
Jodoformknochenplombe zur Heilung gebrachten Fall von chronischer Wangen-
fistel. Die Fistel war veranlaßt durch einen äußerlich gesunden unteren Prämo-
laren, bei dem aber die Untersuchung mit dem faradischen Strome das Vorhan-
densein einer toten Pulpa erwies. Nach antiseptischer Behandlung des Pulpa-
kanales und Wurzelfüllung wurde unter Novokain-Paranephrinanästhesie die Fistel
umschnitten, der derbe Fistelstrang exzidiert, der Kieferknochen freigelegt und die
in der Knochenfistel zutage tretende Wurzelspitze reseziert. Hierauf Ausräumung
der kirschgroßen, mit schlaffen Granulationen gefüllten Knochenhöhle. Nach Glät-
tung des Wurzelstumpfes und Blutstillung rasche Einführung der Jodoformknochen-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 1153
plombe in den Knochendefekt und Vereinigung der Hautwunde durch eine exakte
Naht. Darüber ein Hoeftpflasterverband.. Reaktionsloser Verlauf. Heilung per
primam. Entfernung der Nähte am 5. Tage; lineare, nicht eingezogene Narbe. M.
hat in zahlreichen anderen Fällen von Wurzelresektion, die er vom Mund aus
operierte, mit der Jodoformknochenplombe in wenigen Tagen eine Ausheilung per
primam erzielt und empfiehlt das Verfahren als einen wesentlichen Fortschritt
gegenüber der alten Methode mit Tamponade, die bei Wangen- und Kinnfisteln
stets zu einer verunstaltenden, tief eingezogenen, am Knochen adhärenten Narbe
führt. Boennecken (Prag).
24) Nélaton. Fracture du rachis. |
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXTI. p. 329.)
Eine 63jährige Frau war rücklings die Treppe hinabgestürzt und dabei mit
dem Hinterhaupt auf eine Stufe aufgeschlagen. Pat. war nicht bewußtlos, konnte
sich vielmehr unter Führung zu Fuß in ihr Zimmer begeben. Außer Druckschmerz
und Schwellung im Nacken fand sich bei der Untersuchung nur eine gewisse
Nackensteifigkeit, und die Kranke hielt den Kopf, den sie, wenn auch unter
Schmerzen, etwas bewegen konnte, nach vorn gestreckt; es bestanden keine
Schluckbeschwerden und keine Lähmungserscheinungen. Zur Überraschung der
behandelnden Arzte zeigte eine seitliche Röntgenaufnahme eine Zertrümmerung
des 2. Halswirbels, dessen Körper nach vorn und dessen Wirbelbogen nach hinten
hin aus der Reihe der übrigen Wirbel herausgedrängt erschien. Nach Heilung
der Pat., die ohne besondere Maßnahmen nach 1/; Jahr erfolgt war, blieb außer
einer Vorwärtsneigung des Kopfes und einer ziemlich erheblichen Behinderung der
seitlichen Bewegungen desselben keine weitere Störung zurück.
Thümer (Chemnitz).
25) O. Lüders. Sechs Fälle von Syringomyelie.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXTII. p. 195.)
Die im Posener Diakonissenhause (Dr. Borchard) beobachteten und hier in
Krankengeschichte nebst Abbildungen mitgeteilten Fälle sind instruktive Para-
digmen der Syringomyelie. Besonders bemerkenswert an ihnen sind die Gelenk-
erkrankungen, dreimal das Ellbogen-, zweimal das Handgelenk, einmal das Sterno-
claviculargelenk betreffend. Hierauf beziehen sich auch die Photo- und Röntgeno-
gramme, die beigefügt sind. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
26) Oppenheim. Zur Symptomatologie und Therapie der sich im
Umkreise des Rückenmarkes entwickelnden Neubildungen. |
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XV. Hft. 5.)
O. teilt aus seiner reichen Erfahrung fünf neue Fälle von operativ behandelten
Geschwülsten in der Nähe des Rückenmarkes mit, die wegen der Fülle ausführlich
besprochener diagnostischer Gesichtspunkte besonders wertvoll sind.
1) Sarkom des Kreuzbeines im Bereiche der 2., 3. und 4. Wurzel der Cauda
equina. Teilweise Entfernung der weichen Geschwulstmassen. Danach sehr wesent-
liche Besserung für einige Monate, Tod im Anschluß an eine erneute Operation.
2) Sarkom der 7. Rippe, das nach Befund des Wirbelkörpers in den Wirbel-
kanal eingedrungen ist. Auch hier nach teilweiser Entfernung der weichen Massen
sehr erhebliche Besserung für die nächste Zeit. Tod nach 5 Monaten.
3) Sarkom an einer Radialiswurzel, in den Wirbelkanal eindringend. Volle
Heilung noch nach 8 Jahren konstatiert.
4) Kirschgroße Geschwulst an der Innenseite der Dura im Bereiche des unteren
Cervicalmarkes. Tod in der Nacht nach der Operation.
5) Geschwulst am Dorsalmark. Entfernung des 5. bis 9. Wirbelbogens. Tod
an eitriger Meningitis.
Ein Gesamtiiberblick iiber die Erfahrungen O.’s zeigt zunächst als sehr erfreu-
liches Resultat die große Sicherheit der Diagnose. Interessant ist ferner der Um-
1154 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43.
stand, daß Form, Gestalt und Umfang der intraduralen Geschwulst in all diesen
Beobachtungen fast der gleiche ist, eine Tatsache, die in der vorchirurgischen
Epoche nicht bekannt war. — Im ganzen gab 7mal eine Geschwulst der Wirbel-
säule Anlaß zum chirurgischen Eingreifen; davon ist ein Fall geheilt, in zwei an-
deren wurde durch den Eingriff eine mehrmonstliche Remission erzielt, während der
Ausgang, wie in den übrigen vier, ein tödlicher war. Extramedulläre Rücken-
markshautgeschwülste führten 6mal zur Radikaloperation; zwei Pat. wurden geheilt,
vier starben innerhalb der nächsten Tage nach der Operation. O. schließt sich
denjenigen an, welche die Aussichten der operativen Behandlung der Rückenmarks-
geschwulst für weit bessere halten, als die der Hirngeschwülste.
Von ganz besonderem Interesse ist noch der kurze Hinweis O.'s auf drei Fälle
von lokaler Ansammlung des Liquor cerebrospinalis in einem bestimmten Höhen-
abschnitt des Rückenmarkes, eine bisher noch nicht beobachtete Anomalie.
Haeckel (Stettin).
27) Telford. A case of sudden death possibly due to vagus inhi-
bition.
(Brit. med. journ. 1906. August 18.)
Während der schwierigen Ausräumung tuberkulöser Halsdrüsen bei einem
11jahrigen Madchen mit Freilegung der Gefäße zeigte Pat. zweimal hohe Pulszahl
mit Blässe. Die hohe Pulszahl blieb bestehen, während der übrige Verlauf keine
Besonderheiten bot. Plötzlicher Tod am 3. Tage. Die Sektion ergab normalen
Befund in der Wunde, keine Anzeichen von Sepsis, keins hinausgeschobener Chloro-
formwirkung, normale Brust- und Bauchorgane, normalen Hirnbefund. Der Vagus
der operierten Seite verlor sich auf der Höhe des ersten Brustwirbels in einer
Masse von vergrößerten und tuberkulösen Drüsen. Kurz vor seinem Eintritt in
diese Masse deutlich geschwollen, war der Nerv unmittelbar am Eintritt selbst so
scharf, wie von einer Unterbindung, umschnürt. Im Innern der käsigen Drüsen-
masse waren die Nervenbündel aufgefasert, um nach ihrem Austritt wieder normale
Gestalt anzunehmen. — Brouardel berichtet über einen sehr ähnlichen Fall. —
Aus Mangel an annehmbarer Todesursache ist Verf. geneigt, dieser Schädigung des
Nerven den Herztod zuzuschreiben. Weber (Dresden).
28) K. Schultze. Zur Chirurgie des Morbus Basedow.
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XVI. Hft. 2.)
S. bespricht die Resultate von 50 Operationen wegen Basedow aus Riedel's
Klinik. Heilung wurde erzielt in 72%, Besserung in 12% der Fälle; Mißerfolge
2%; Todesfälle 12%. Stets wurde Resektion des Kropfes vorgenommen. Allge-
meinnarkose ist entschieden zu widerraten. Die Todesfälle sind zum größten Teil
auf Herzinsuffizienz und allgemeine Schwäche zurückzuführen; die Annahme einer
Überschwemmung mit Basedowtoxinen durch die Operation ist nicht notwendig.
Es werden die einzelnen Symptome der Krankheit besprochen und ihre Beein-
flussung durch die Operation. In sieben Fällen war ein Rezidiv des Kropfes und
dem entsprechend ein Rezidiv des Basedow zu konstatieren; diese Rezidive haben
aber das Operationsresultat nur vorübergehend beeinflußt, da sie sich teils spontan,
teils auf therapeutische Maßnahmen zurückbildeten, und gleichzeitig die wieder
aufgeflackerten Krankheitssymptome erloschen. Zum Schluß wird die moderne
Serumtherapie mit Antithyreoidin Möbius und Rodagen besprochen, die Kranken-
geschichten werden ausführlich mitgeteilt, ein sorgfältiges Literaturverzeichnis ist
beigefügt. Haeckel (Stettin).
29) H. Wiget. Über Strumen mit Kautschukkolloid und Tumoren
mit kautschukähnlichen Massen.
(Virchow’s Archiv Bd. CLXXXV. p. 416.)
Als Kautschukkolloid werden seit einer Reihe von Jahren im pathologischen
Institut zu Bern kolloide Massen bezeichnet, die ein grauweißes bis graugelbes
Zentralblatt für Chirurgie Nr. 43. 1155
Aussehen und die Derbheit und Elastizität des Kautschuks besitzen. Sie finden
sich vorzugsweise in hämorrhagischen Kröpfen. Die Entstehung der Massen aus
roten Blutkörperchen konnte Verf. durch seine an einer Anzahl derartiger Kröpfe
ausgeführten mikroskopischen Untersuchungen nachweisen.
Doering (Göttingen).
‘
30) Paterson. The direct examination of oesophagus and upper air
passages.
(Brit. med. journ. 1906. August 18.)
Die englische Literatur enthält fast gar keine Angaben über Ösophagoskopie
und Bronchoskopie, obwohl der Engländer Bevan 1868 als einer der ersten ein
Ösophagoskop beschrieben hat und Mackenzie 1880 als erster ein Stückchen
Knochen mit seinem eigenen Instrument entfernte.
Nach kurzer Beschreibung der Einführung Rosenheim’scher Röhren in
sitzender Stellung, wie er sie für kürzere Sitzungen vorzieht, berichtet P. über fünf
eigene Fälle von erfolgreicher Entfernung von Fremdkörpern aus der Speiseröhre
mit dem Osophagoskop: Angelhaken, Gebißplatte, Knopf, Münzen, Fleischbissen
wurden mit schnellem, günstigem Erfolg entfernt. — Seine Erfahrung berechtigt
ihn zu der Behauptung, daß das Osophagoskop das geeignetste Mittel ist zur Dia-
gnose von Fremdkörpern und zu ihrer Entfernung, und daß die Osophagotomie
beschränkt werden muß auf sehr große und unregelmäßig geformte Körper, auf
Fälle von langdauernder Einkeilung und Entzündungserscheinungen.
Zur Entfernung von Fremdkörpern aus den Luftwegen benutzte Verf. in vier
Fällen mit Erfolg die direkte Laryngo-Tracheobronchoskopie nach Kirstein und
Killian und beseitigte eine Sicherheitsnadel aus dem Kehlkopfinnern bei einem
Kinde von 9 Monaten, einen Kragenknopf bei einem 1jährigen Kind, eine Korsett-
öse bei Sjährigem Kinde. Weber (Dresden).
31) H. Ribbert. Noch einmal das Traktionsdivertikel des Ösophagus.
(Virchow's Archiv Bd. CLXXXIV. p. 403.)
R. bringt im Anschluß an seine früheren Mitteilungen über dieses Thema
(Bd. CLXVII und CLXXVII dieses Archivs) neues Material bei, um seine Behaup-
tung, daß die Traktionsdivertikel der Speiseröhre mindestens zum allergrößten
Teil auf Grund einer kongenitalen Anlage entstehen, nochmals zu beweisen.
Doering (Göttingen).
32) Naumann. Beiträge zur Oesophagotomia cervicalis externa zur
Entfernung von Fremdkörpern in der Speiseröhre.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXIII. p. 472.)
N. veröffentlicht zehn Fälle von Fremdkörperösophagotomie, die im Zwickauer
Krankenhause von Hentschel, Karg und Braun, und zwei, die im Dresdener
Diakonissenspital von Rupprecht operiert wurden.
Die Fälle betreffen fünf Kinder, die eine »Vogelpfeife« oder eine Blechkapsel
verschluckt hatten. Bei den sieben Erwachsenen bestand der Fremdkörper einmal
in einem Taler, viermal in künstlichen Gebissen, einmal in einem Kalbsknochen,
einmal in einer Kastanie (bei einem Geisteskranken.. Während sonst Heilung er-
folgte, starben zwei von den Kranken, die Gebisse verschluckt hatten, und zwar
der eine am Abend des Operationstages plötzlich im Kollaps bei vorher bestehen-
dem Asthma, der zweite 11 Tage nach der Operation an septischer Nachblutung
aus der Art. thyreoidea sup. bei Phlegmone colli. Operationstechnisch ist der Fall
des Geisteskranken mit der verschluckten Kastanie bemerkenswert, da hier die
Operation von der rechten Halsseite her vorgenommen ist, um gleichzeitig die
strumöse rechte Hälfte der Schilddrüse exstirpieren zu können.
N. fügt den eigenen Fällen zur Vervollständigung der Statistik (von Bala-
cescu und Kohn sind bis 1903 326 Fälle der Fremdkörperösophagotomie ge-
1156 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43.
sammelt) noch 28 von ihm gesammelte Fälle neueren Datums hinzu, die er zu-
sammen mit den eigenen allgemein bespricht. 15mal wurde der Fremdkörper
mittels Röntgen nachgewiesen, zweimal versagte diese Methode, und wurde die
Diagnose erst durch Osophagoskopie gesichert, die übrigens im ganzen nur fünfmal
zur Anwendung kam. Das zu diesem Verfahren erforderliche Instrumentarium
scheint noch nicht in dep Krankenhausinventaren genügend eingebürgert, und da
auch die Fremdkörperextraktion im Ösophagoskop technisch schwierig, unter Um-
ständen auch kontraindiziert ist, wird die Ösophagotomie wohl dauernd ihre prak-
tische Wichtigkeit behalten. Die Naht der Speiseröhre ist in den 40 neueren
Fällen 14mal versucht, ohne daß Fistelbildung verhütet wurde. Trotzdem erscheint
sie nicht nutzlos und verdient Empfehlung. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
33) Burmeister. Mi segundo caso de esofagotomfa externa.
(Crónica med. de Concepción [Chile] 1906. Juni.)
47jähriger Kranker, der ein künstliches Gebiß verschluckt hatte. Einklemmung
im Anfangsteile der Speiseröhre. Operation ın üblicher Weise am 16. Tage. Das
Gebiß wurde von der Wunde aus um eine durch die Fläche senkrecht gedachte
Achse gedreht und dadurch beweglich. Um die Wunde nicht unnötig zu ver-
größern, wird das Gebiß dann vom Mund aus extrahiert. — In den ersten Tagen
bestand profuse Eiterung der Wunde, jedoch konnte durch viermaligen Verband-
wechsel pro Tag die Temperatursteigerung verhältnismäßig beschränkt werden; das
Fieber überschritt nicht 38°. Ernährung durch die Schlundsonde 11 Tage ‘ang.
— Heilung am 58. Tage nach der Operation beendet. — B. empfiehlt, möglichst
kleine (1—1,5 cm lange) Inzisionen des Ösophagus zu machen, den Fremdkörper
mit dem eingeführten Finger zu lockern und durch den Mund zu extrahieren.
Stein (Wiesbaden).
34) Castaiieda. Actinomycose primitive du cou avec propagation rapide
trachéo-bronchique.
(Revue nebdom. de laryngol., d’otol. et de rhinol. 1906. Nr. 20.)
b9jähr'ger Mann, dessen Beruf keine Erklärung für die Entstehung der Aktino-
mykose bietet, kam wegen Atembeschwerden. Die Lokalisation war nicht die
übliche. Es fanden sich drei Geschwülste: 1) halborangengroß an der rechten
Halsseite zwischen Trapezius, Kopfnicker und Schlüsselbein, 2) eigroß unterhalb
des Zungenbeines, 3) eine kleinere, an der linken Halsseite gelegen; alle drei Ge-
schwülste sehr hart, mit der im übrigen nicht veränderten Haut verwachsen, auf
Berühren nicht empfindlich, keine Drüsenschwellungen. Kehlkopfschleimhaut leicht
entzündlich geschwollen, stellenweise sogar ödematös, Luftröhre, wohl wegen Ver-
drängung, nicht ganz zu übersehen. Atembeschwerden machten schließlich die
Entfernung der zweiten Geschwulst notwendig; hierbei fand man ein leicht bräun-
lich verfärbtes Gewebe, das sich diffus in die Umgebung verbreitete und im Innern
krümelige Massen und blutige Flüssigkeit enthielt. Mikroskopisch wurde die Dia-
gnose gestellt. Später wurde noch die Tracheotomie notwendig; doch das Fort-
schreiten des Prozesses zwischen die Bronchialverzweigungen ließ sich nicht auf-
halten, F. Alexander (Frankfurt a. M.).
35) A. Groeber. Über Verlagerung der Trachea bei intrathoracischen
Erkrankungen. (Aus der med. Univ.-Poliklinik zu Leipzig.)
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 31.)
G. bringt einige weitere Fälle von Verlagerung der Luftröhre und des Kehl-
kopfes (einem Symptom, auf das schon vor 10 Jahren F. A. Hoffmann [Leipzig]
aufmerksam gemacht hatte) bei intrathoracischem Aneurysma.
Kramer (Glogau).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 1157
36) L. Picqué. Corps étranger arrêté à la bifurcation de la trachée.
Extraction à laide de la bronchoscopie supérieure.
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXII. p. 218.)
P. berichtet über einen Pat., der einen Monat, nachdem er ein 50-Centimes-
stück aspiriert hatte, dem Hospitale zuging wegen zunehmender Schmerzen bei
Seitenlage. Unter schrittweiser Anästhesierung von Rachen, Kehlkopf und Luft-
röhre mittels Kokain gelang es, ein Bronchoskop von 12 mm Durchmesser bis zur
Bifurkation und weiterhin nach dem rechten Bronchus, in dem das Röntgenbild den
Fremdkörper gezeigt hatte, einzuführen; mittels einer Zange konnte die Münze, die
in dem etwas erweiterten Bronchialaste deutlich erkennbar war, gepackt und zu-
gleich mit dem Tubus entfernt werden; die ganze Operation nahm nur wenige
Minuten in Anspruch; störend war bei dem Eingriffe nur das Vorhandensein
einiger dem Pat. sehr schmerzhafter Zahnstifte. Guizez, der die Methode schon
mehrfach angewendet hatte, hält die Tracheotomie nur in Ausnahmefällen für
nötig und die Handhabung eines längeren Tubus bei genügender Beleuchtung und
Weite nicht für schwieriger. Thümer (Chemnitz).
37) @. Conforti. Über einen tödlichen Fall von Stenosierung des
rechten Hauptbronchus durch eine verkäste Bronchialdrüse.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXX. Hft. 3.)
Die vorliegende Mitteilung betrifft den selten beobachteten Fall von Verenge-
rung der Bronchien durch eine verkäste Drüse, ohne daß ein Durchbruch statt-
gefunden hat. Verf. konnte in der Literatur nur ganz wenig analoge Fälle finden,
trotz der großen Häufigkeit verkäster Bronchialdrüsen.
E. Siegel (Frankfurt a. M.).
38) Maffre. Plaie pénétrante de poitrine par coup de carabine & blanc.
Mort par tétanos.
(Arch. de méd. et de pharm. militaires 1906. Mai.)
Gelegentlich einer Felddienstiibung entlud sich bei einem Kavalleristen der
mit einer Platzpatrone geladene Karabiner. Das Geschoß drang dicht unter der
rechten Achselhöhle ein, ein Ausschuß war nicht vorhanden. Die Wunde war
faustgroß, aus ihr ergoß sich bei jeder Atmung schaumig hellrotes Blut. Nach
Tamponade der Wunde wurde der Verletzte 9 km weit ins Lazarett transportiert.
Schon während — oder wohl infolge — des Transportes trat eine starke Hämoptoe
ein, die sich im Lazarett wiederholte. Hier wurde neben Exzitantien auch eine
subkutane Injektion von Gelatine gemacht. Der Verwundete erholte sich langsam,
am 7. Tage nach der Verletzung trat Tetanus ein, dem nach 2 Tagen der Tod
folgte. Verf. glaubt, daß der Tetanus durch die eingedrungenen Teile der Platz-
patrone bedingt gewesen sei, wenn er auch die Möglichkeit der Infektion durch
die Gelatineinjektion nicht ganz in Abrede stellt. Herhold (Altona).
39) Burdach und Mann. Zur Diagnose der Brusthöhlengeschwülste
mit kasuistischen Beiträgen und Röntgendemonstration.
(Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen Bd. X. Hit. 1.)
Nach längeren theoretischen und technischen Ausführungen, wobei Verf. na-
mentlich auf den Wert der schrägen Durchleuchtung hinweisen, teilen sie 19
Krankengeschichten mit, welche sämtlich durch Röntgenbilder illustriert sind. Es
handelt sich hauptsächlich um Aneurysmen, daneben um verschiedene Brusthöhlen-
geschwülste, wie Karzinom, gummöse Infiltration und andere bösartige Neubildungen.
Gaugele (Zwickau).
40) J. Jaquet. Ein Fall von metastasierendem Amyloidtumor (Lympho-
sarkom).
(Virchow’s Archiv Bd. CLXXXV. p. 251.)
J. beschreibt ausführlich ein Lymphosarkom des vorderen Mediastinum, das
in der Schilddrüse, der Leber und den Lungen zahlreiche Metastasen gebildet
1158 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43.
hatte. Die Primärgeschwulst wie sämtliche Metastasen enthielten Amyloid, das
mit dem Geschwulstgewebe in engstem Zusammenhange stand. Der Fall ist durch
seine Seltenheit bemerkenswert; Verf. konnte nur noch eine seiner Beobachtung
analoge Mitteilung von Burk (Über einen Amyloidtumor mit Metastasen, Inaug.-
Diss., Tübingen 1%1) in der Literatur auffinden. Doering (Göttingen),
41) Quönu. Plaie du coeur. Plaie pénétrante du ventricule gauche.
Suture. Guérison.
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXII. p. 316.)
Q. veröffentlicht unter Anlehnung an die jüngsten Arbeiten von Lemaître
und Lindner zwei weitere Fälle von Herznaht nach Stichverletzungen der Ven-
trikel. In beiden Fällen wurde bei der Operation der Fontan’sche, nach außen
gestielte Lappen gebildet. Bei der einen Pat. wurde, nach Zwirnnaht der Herz-
wunde an der Vorderfläche des linken Ventrikels, die Operationswunde wie die
ursprüngliche Verletzung sofort wieder durch Naht geschlossen und die Luft im
linken Pleuraraume durch wiederholte Aspiration mit dem Potain’schen Apparat
entfernt; die Kranke verließ am 13. Tage das Hospital. Die zweite Pat., bei der
eine breite Wunde des rechten Ventrikels durch drei Catgutnähte verschlossen
worden war, ging am 14. Tag an einer eitrigen Perikarditis und linksseitigem Pyo-
pneumothorax zugrunde, nachdem sich am 4. Tage Drainage der linken Pleura-
höhle von der Operationswunde aus nötig gemacht hatte.
Q. sieht bei der operativen Behandlung von Herzverletzungen die Hauptgefahr
des Eingriffes, außer in der Möglichkeit einer bedrohlichen Nachblutung aus dem
Lappen, in der Infektion der Pleurahöhle, für die der Pneumothorax und die
Atelektase der Lunge besonders günstige Verhältnisse schaffe. Deshalb verwirft
er durchaus eine primäre Drainage der Pleura und legt den größten Wert darauf,
nach Verschluß der Wunden möglichst bald die Luft in dem Pleuraraume zur
Resorption und die kollabierte Lunge wieder zur Entfaltung zu bringen. Da er
es für sehr schwierig hält, unter den bei einer Herzverletzung bestehenden Ver-
hältnissen die Eröffnung der Pleura während der Operation gänzlich zu umgehen,
so sieht er zur Vermeidung intrathorakaler Druckschwankungen bei chirurgischen
Eingriffen an Herz und Lungen in der Anwendung der Sauerbruch’schen
Kammer die Methode der Zukunft. Thiimer (Chemnitz).
42) J. de Fourmestraux et C. Lind. Contribution à l'étude de la
suture des plaies du coeur.
(Gaz. des hôpitaux 1906. Nr. 37.)
Verff. hatten Gelegenheit, einen Stich in den linken Ventrikel zu nähen. Die
Lappenbildung geschah wie folgt: ein Haut-Pectoralis major-Lappen mit lateraler
Basis wurde nach außen geklappt. Ein zweiter Lappen enthielt 7 bis 8 cm (vom
Sternalrande) lange Stücke der 3., 4. und 5. Rippe, hatte eine mediale Basis und
wurde um die Sternokostalansätze nach innen luxiert. Die Pleura wurde weit er-
öffnet und samt dem Rippenlappen umgeklappt. Verff. halten die Eröffnung der
Pleura für ein harmloses Ereignis. V. E. Mertens (Breslau).
43) E. Tscherniachowski. Ein Fall von Herznaht wegen Herz-
verletzung.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXIII. p. 288.)
Von T. im Kiewer städtischen Alexander-Krankenhause behandelter Fall.
24jähriger Mann mittleren Körperbaues, der, um sich zu töten, sich mit einem
»finnischen«, sehr spitzen Messer in die Brust gestochen hatte. Bei der Aufnahme
akute Anämie, Puls 120—130, unregelmäßig, schlecht; oberflächliche, beschleunigte
Atmung, Cyanose. 2,5—3 cm lange Wunde im 4. Zwischenrippenraum, einwärts
der Warzenlinie, Dämpfung auf der Brust links unten. In schwacher Chloroform-
narkose Erweiterung der Brustwunde, wobei sich, wie angenommen, die Pleura
eröffnet zeigt; starke Blutung aus der Brusthöhle. Mit dem eingeführten Finger
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 43. 1159
wird eine Herzbeutelwunde gefühlt, weshalb Resektion des 4. Rippenknorpels und
eines Teiles des Brustbeines.. Die Herzbeutelwunde ist ca. 2 cm lang, blutet bei
den Herzkontraktionen. Erweiterung der Herzbeutelwunde auf 6—7 cm in der
Längsrichtung; bei Erweiterung des Herzbeutelschnittes zeigt sich auf dem vor-
deren Seitenrande des linken Ventrikels, 5 cm über der Herzspitze, eine 1,5 cm
große, senkrecht zur Herzlängsachse gestellte Herzwunde mit etwas Vorstülpuns
der Muskulatur, die erheblich blutete. Unter Verzicht auf Sondierung wird die
Wunde mit drei Nähten nach Art der Matratzennaht geschlossen, wonach die
Blutung steht. Naht des Herzbeutels bis auf eine kleine Lücke unten, durch die
ein drainierender Gazestreifen hinter das Herz in die Höhe geschoben wird. Rei-
nigung der Pleurahöhle von Blutgerinnseln, Naht einer Lungenwunde, Einstopfung
eines Tampons in die Pleurahöhle. Verlauf in den ersten Tagen fieberhaft, doch
ohne wesentliche Zwischenfälle günstigen Ausgang nehmend. Eine spätere genaue
klinische Untersuchung des Genesenen ergab die Anzeichen der Herzbeutelver-
wachsung.
Im Anschluß an die eigene Beobachtung gibt T. eine Übersicht der gesammelten
Statistik und Kasuistik der Herzverletzungen und der Resultate ihrer operativen
Behandlung. Die Zahl der bekannten unoperierten Herzverletzungen beträgt 574
mit einem Genesungsprozentsatz von 11—12%. Dagegen hat T. % Fälle von
Herznaht wegen Verletzung gesammelt, deren Krankengeschichten er kurz wieder-
gibt. Von diesen genasen 44,45%. Für die Prognose scheint nach T.'s Zählungen
die Nachbehandlung der Herzbeutelwunde von besonderer Wichtigkeit, je nachdem
sie ganz vernäht oder drainiert wurde. Unter 65 Fällen wurden 42 mit Vernähung
behandelt — Sterblichkeit 59,52%, drainiert 23 — Sterblichkeit 34,78% ; bei Drai-
nage scheinen die Genesungsaussichten mithin fast doppelt so groß. Für die Ver-
schiedenheit in Nachbehandlung der Pleuraverletzungen ergeben sich keine solchen
Verschiedenheiten. T. empfiehlt hier das von ihm gebrauchte Einstopfen eines
Tampons nach Wolkowitsch. Die Lunge legt sich dabei, Verwachsungen bil-
dend, an die Brustwand, bis auf einen mandarinengroßen, dem Tampon entsprechen-
den Hohlraum, der sich leicht ausfüllt. Die Methode der operativen Herzbloß-
legung betreffend, empfiehlt sich unter allen Umständen Rippenresektion, auch mit
Rücksicht auf die Zeit nach der Genesung, da man mit der Herzbeutelverwachsung
zu rechnen hat und bei Vorhandensein solcher die größere Beweglichkeit einer
teilweise entknöcherten Brustwand wertvoll ist. Die Bildung der osteoplastischen
Lappen besitzt gegenüber einfachen Rippenresektionen den Nachteil eines ungleich
schwereren Eingriffes, ist auch nur bei ganz sicherer Diagnose, die doch nur
selten im voraus stellbar ist, zu rechtfertigen. — Zum Schluß Literaturverzeichnis
von 34 Nummern. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
44) E. Mislowitzer. Erfahrungen über die Bier’sche Behandlung
der Mastitis.
(Med. Klinik 1906. p. 887.)
M. berichtet über 57 Fälle aus der v. Bergmann’schen Poliklinik. Erforder-
lich sind eine größere Zahl möglichst hoher Saugglocken sowie eine gut gearbeitete
Luftpumpe. Bei noch fehlender Erweichung lindert die Saugbyperämie die
Schmerzen, beschleunigt die eitrige Einschmelzung und zieht den Eiter nach der
Oberfläche. Ist schon Eiter nachzuweisen, so werden unter Athylchloridbesprühung
ein oder mehrere Schnitte von 0,3—1 cm Länge angelegt. Dann wird 5 Minuten
gesaugt, 3 Minuten pausiert und dieses Verfahren 45 Minuten fortgesetzt. Das
Saugen ist auch dann noch einige Zeit fortzusetzen, wenn alle Entzündungserschei-
nungen geschwunden sind. Sonst sind Rückfälle zu befürchten. Die Behandlung
währte 4 Tage bis 9 Wochen, durchschnittlich nur 20 Tage, obwohl die schweren
Fälle in der Mehrzahl waren.
Das Verfahren ist in jedem Stadium und bei jeder Form der Brustdrüsen-
entzündung anwendbar. Frühzeitig angewandt, verhütet es schwerere Entzündungen
und bringt beginnende Eiterungen zum Rückgange. Die kleinen Schnitte schonen
—
1160 Zentralblatt für Ohirurgie. Nr. 43.
das Drüsengewebe und sind später kaum noch sichtbar. Infolge der schonenden
Behandlungsform werden die Frauen frühzeitiger ärztliche Hilfe in Anspruch
nehmen, wodurch sich die Prognose weiter bessern wird.
Georg Schmidt (Berlin).
45) Barker. Un cas d’embolie au niveau de la bifurcation de l'aorte.
Gangréne d’une jambe. Amputation sous anesthésie lombaire.
(Biologie médicale 1906. Mai.)
Bei einer 41jahrigen, korpulenten Pat. trat plötzlich über Nacht eine Embolie
an der Teilungsstelle der Aorta ein. Infolgedessen kam es zur Gangrän des linken
Beines bis übers Knie, während die anfänglich bestehenden geringeren Zirkulations-
störungen der rechten Seite sich bald zurückbildeten. Daneben bestanden bei der
Aufnahme außer starker Dilatatio cordis und Lungenemphysem ausgesprochene
septische Erscheinungen. Ohne die Demarkierung abzuwarten, wurde bei schlech-
testem Allgemeinbefinden unter Lumbalanästhesie in der Mitte des Oberschenkels
im Bereiche von infiziertem Gewebe die Amputation ausgeführt. Die Pat. genas
nach längerem Krankenlager. Müller (Dresden).
46) M. Klar. Über kongenitale Osteodysplasie der Schlüsselbeine,
der Schädeldeckknochen und des Gebisses. (» Angeborener Schlüssel-
beindefekt.«) Ein kasuistischer Beitrag.
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XV. Hft. 2—4.)
Als Osteodysplasia congenita bezeichnet Verf. eine amniogene Hemmungs-
mißbildung, bei der ziemlich konstant folgende Anomalien zu beobachten sind:
1) mangelhafte Ausbildung der Belegknochen des Schädels, 2) teilweiser oder gänz-
licher Mangel eines oder meist beider Schlüsselbeine, 3) mangelhafte Zahnbildung
mit Erhaltung eines Teiles des Milchgebisses, 4) Gaumenspalte oder hoher Gaumen,
5) auffallend geringe Körperlänge bei großem Schädel, 6) Kyphoskoliose. Verf.
berichtet ausführlich über einen derartigen Fall aus der Klinik von Vulpius in
Heidelberg, ferner über 37 in der Literatur gefundene analoge Fälle und im Nach-
trag über einen Fall, den Verf. im Lorenz’schen Ambulatorium für orthopädische
Chirurgie im allgemeinen Krankenhaus in Wien zu untersuchen Gelegenheit hatte.
Am Schluß der Arbeit findet sich ein erschöpfendes Literaturverzeichnias.
47) 8. McKay. (Gangrene of the fingers following the administration
of liquid ergot.
(Brit. med. journ. 1906. August 18.)
Ein Fall von Fingergangrän nach Ergotindosen, der die landläufige Ansicht,
daß Ergotin niemals Gangrän verursache, widerlegt. Eine kräftige, gesunde Frau
vom Lande, 30 Jahre alt, mit normalem Gefäßsystem und Herz, ohne Zucker, ohne
Eiweiß, obne Trauma, nimmt große Dosen Ergotin, vom Apotheker verabreicht,
um einen Abort hervorzurufen. Noch während sie die Arznei nimmt, beginnen
die Fingerspitzen beider Hände nekrotisch zu werden. Mehrfache Amputationen
im Bereiche der Mittelphalangen führten 1 Jahr später endlich zur Heilung. Über
die Dosis Ergotin, die genommen wurde, ist nichts Genaues in Erfahrung zu bringen
gewesen. Den damit verbundenen Zweck, Abort hervorzurufen, hat die Frau nicht
erreicht. Weber (Dresden).
Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags-
handlung Brestkopf & Härtel, einsenden.
Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig, Nürnbergerstraße 36/38.
Zentralblatt n
C H IR U RGIE
Auen
b von Bergmann, F. König, E. Richter,
in Berlin, in Jena, in Breslau.
Dreiunddreifßigster Jahrgang.
CY
Wöchentlich eine Nummer, Preis des Jahrganges 20 Mark, bei halbjähriger.
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.
— ———— — — — e — — —— — —— — —
Nr. 44. Sonnabend, den 3. November. 1906.
Inhalt: K. Fiedler, Ein ideales Leistenbruchband für Säuglinge. (Original- Mitteilung.)
1) Hochenegg, Jahresbericht. — 2) Zuppinger, Dislokation der Knochenbriiche. —
3) Lambotte, Operative Behandlung von Knochenbriichen. — 4) Vanghetti, Amputations-
verfahren. — 5) Couteaud, 6) Manning, Schlüsselbeinbrüche. — 7) Bach, Schulterverren-
kung. — 8) Schlatter, Mittelhandfrakturen. — 9) Zesas, Tuberkulose des Iliosakralzelenkes.
— 10) Ewald, 11) Wollenberg, Angeborene Hiiftverrenkung. — 12) Frangenheim, Schenkel-
halsbriiche. — 13) Helbing, Coxa vara. — 14) Soliero, Kniescheibenverrenkung. — 15) Pich-
non, Muskelhernien am Unterschenkel. — 16) Narath, Varicen der unteren Extremität. ---
17) Codiviila, Klumpfuß. — 18) Kirchner, Mittelfußfrakturen. — 19) Kirchner, Os Vesalia-
num tarsi.
20) Pluyette, Spontanheilung eines Aneurysma art. ven. — 21) Taddel und Prampolini-
Angeborene Knochen- und GelenkmiBbildungen. — 22) Vulplus, Spinale Kinderlähmung.
— 23) Hofmann, Extensionsverfahren. — 24) Riech, Vereiterung eines geheilten Knochen.
bruches. — 26) Jurci¢, Hyperphalangie der Daumen. — 26) Heide, Kavernöses Angiom der
Unterextremität. — 27) Creite, Verrenkung einer Beckenhälfte. — 28) Minssen und Weyde-
mann, Retroperitoneale Cysten oder Senkungsabszesse. — 29) Blencke, 30) Wette, Angebo-
rene Hiiftverrenkung. — 31) Silberstein, Hiftkontrakturen. — 32) Krüger, Abbruch des
Trochanter major. — 33) Francke, Coxa vara. — 34) Creite, Zur Pathologie der Kniescheibe.
— 36) Bötticher, 36) Ruppauer, Kniescheibenverrenkung. — 37) Sacharow, Gelenkmiuse
im Knie. — 38) Bergmann, Verrenkung der Kniebandscheiben. — 39) Schmidt, Ganglion
am Kniemeniscus, — 40) Gage, ZerreiBung der Sehne des M. quadriceps. — 41) Chevassu,
Bruch der Tuberositas ext. tibiae. — 42) Martina, Myxoflbrosarcoma der Bursa achillea post.
— 43) Becker, Fersenbeinbriiche. — 44) Serafini, Bruch des Os navic. tarsi. — 45) Gaugele,
Subluxation des Os navicul. pedis. — 46) Ewald, Klumpfuß. — 47) Dreuw, Mitteilungen aus
der Praxis.
Ein ideales Leistenbruchband für Säuglinge.
Von
Dr. K. Fiedler in Valparaiso.
Die Behandlung der Leistenbrüche bei Säuglingen und kleinen
Kindern — soweit sie nicht operativ in Angriff genommen werden —
bietet dem Arzte hin und wieder Schwierigkeiten. Die im Handel
befindlichen Bruchbänder versagen häufig, weil sie an dem kleinen
unruhigen Körper der Pat. nicht festliegen; die unvermeidliche fort-
gesetzte Verunreinigung des Apparates führt zu Hautauaschligen.
44
1162 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44.
Beginnen dann die Lymphdrüsen in der Leiste anzuschwellen und
schmerzhaft zu werden, so wird der Druck der Feder überhaupt nicht
mehr vertragen, und das Bruchband muß weggelassen werden.
Mir hat eine überaus einfache Improvisation eines Bruchbandes
in solchen Fällen ausgezeichnete Dienste geleistet; letzthin habe ich
ausschließlich davon Gebrauch gemacht und bin, ebenso wie einige
Kollegen, denen ich mündlich mein Verfahren mitteilte, von der Be-
nutzung der federnden Bruchbänder ganz abgekommen.
Das improvisierte Bruchband, das ich den Fachgenossen aufrichtig
empfehlen kann, besteht aus einer Lage von weißem Wollgarn, die
etwa 20—30 Fäden stark ist. Ich mache daraus eine Schlinge von
35—45 cm Länge — je nach der Größe des kleinen Pat. — und
befestige an dem einen Ende der Schlinge zwei Stückchen weißen
schmalen Leinenbandes. Die in jedem Weißwarengeschäft käufliche
Zephirwolle liegt bereits in Strähnen von ungefähr der angegebenen
Länge.
Fig. 1.
In Fig. 1 sieht man die Schlinge fertig zum Gebrauch. — Vor
ihrer Anwendung wird der Bruch reponiert; dann legt man sie wie
einen Gürtel rings ums Abdomen. Wie in Fig. 2 ersichtlich ist, wird
das mit den Leinwandbändchen verlängerte Ende durch die Schlinge
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 1163
gezogen; auf die Leistengegend kommt ein kleiner fester Ballen von
reiner Verbandwatte, die Kreuzungsstelle a der Schlinge direkt dar-
über und das stramm angezogene Ende als Schenkelriemen ums Bein
herum. Eine kleine Schleife der Leinwandbändchen befestigt denselben
am Gürtel.
Der elastische Druck des über dem Wattebausch gespannten
Wollgarnes genügt vollkommen, um den Wiederaustritt des Bruches
zu verhiiten. Läßt man die Mutter des Kindes ein halbes- Dutzend
solcher Wollschlingen anfertigen, so kann bei jedem Windelwechsel
ein reines, neugewaschenes Band umgelegt werden. In den ersten Tagen
kann das Kind ruhig mit demselben gebadet werden. |
Bei doppelseitigem Bruch müssen natürlich zwei Schlingen be-
nutzt werden.
Die Sache ist reinlich, einfach, billig, und, wie ich versichern
kann, absolut leistungsfähig. Sie entspricht damit allen Anforderungen,
die man an ein ideales Leistenbruchband für Säuglinge stellen kann.
1) Hochenegg. Jahresbericht und Arbeiten der II. chirur-
gischen Klinik zu Wien vom 1. April 1904 bis 31. Dezember
1905. 5728. 129 Abbildungen.
Wien, Urban & Schwarzenberg, 1906.
Der vorliegende Jahresbericht erstreckt sich über die Zeit vom
1. April 1904, dem Tage der Ubernahme der Klinik durch H., den
Nachfolger Gussenbauer’s, bis zum 31. Dezember 1905. Das Buch
bringt mehr als einen einfachen Jahresbericht; es enthält zugleich eine
große Reihe betriebstechnischer Einzelheiten, die für den Leiter einer
chirurgischen Klinik stets wertvoll sind, und legt zugleich Zeugnis
von dem großen organisatorischen Talente H.’s ab, der es mit ver-
hältnismäßig einfachen Mitteln verstanden hat, die klassische Stätte,
an der einst Billroth wirkte, zu verbessern und den modernen
chirurgischen Forderungen anzupassen. So findet sich eine eingehende
Schilderung der baulichen Umänderungen und der Organisation des
ärztlichen Dienstes; die Vorschriften für Arzte und Personal sind
ausführlich im Wortlaut wiedergegeben. Einen hervorragenden Raum
— über 300 8. — nehmen in dem Berichte die in dem genannten
Zeitraume veröffentlichten wissenschaftlichen Arbeiten, Vorträge und
wichtigeren Diskussionsbemerkungen H.’s und seiner Schüler ein, auf
die hier nicht weiter eingegangen werden soll, da sie bereits an anderer
Stelle veröffentlicht und zum größten Teile schon im Zentralblatte
referiert worden sind. Der letzte Abschnitt des Buches bringt auf
ca. 250 S. den Bericht über das behandelte Material, der besonders
reich ist an Geschwülsten und Bauchchirurgie, während die Extremitäten-
. chirurgie spärlicher vertreten ist. Die wichtigeren Kranken- und
Operationsgeschichten sind ausführlicher und zum Teil unter Wieder-
gabe guter Illustrationen mitgeteilt.
44*
1164 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44.
Das Buch erweckt eine klare Vorstellung von der Tätigkeit der
H.’schen Klinik, und der Umstand, daß die Stellungnahme zu mov-
dernen chirurgischen Tagesfragen scharf präzisiert ist, verleiht ihm
einen Wert, der über den Rahmen einer Statistik hinausgeht. Der
Bericht kann als eine vorzügliche Informationsquelle bezeichnet werden,
aus der jeder Chirurg, besonders aber der in leitender Stellung be-
findliche, mit Vorteil schöpfen wird. Deutschländer (Hamburg).
2) H. Zuppinger. Die Dislokation der Knochenbrüche. -
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLIX. p. 26.)
Die Arbeit gibt die reiche Erfahrung eines Röntgenologen wieder,
welche auf die Kontrolle zahlreicher konsolidierter Knochenbrüche
begründet ist.
Die Röntgenographie ist die exakteste und mitunter einzige Me-
thode zur Feststellung von Dislokationen und gestattet in den meisten
Fällen eine mathematische Berechnung des Dislokationswinkels, die
Verf. als einfach empfiehlt.
Die interessanten Darlegungen über den Entstehungsmechanismus
der Frakturen und Dislokationen, sowie über die durch dauernde
Dislokationen bedingten Veränderungen der Mechanik von Muskeln
und Gelenken verlangen das Stadium des Originals.
Für die Frakturbehandlung ergaben sich folgende Schlüsse:
1) Die Dislocatio ad longitudinem bedarf zu ihrer Korrektur stets
eines Zuges, gleichgültig, ob es sich um Verkürzung oder Distraktion
oder Kombination mit seitlicher Verschiebung handelt.
2) Auch die Dislocatio ad peripheriam erfordert Zugbehandlung,
mögen die Fragmente sich nicht berühren oder reiten.
3) Ebenso sind bei der Dislocatio ad axin erst die Muskeln zu
erschlaffen und dann durch Zug zu dehnen, worauf die Korrektur von
selbst erfolgt.
Den gegen die Extensionsbehandlung erhobenen Einwurf, daß sie
durch Bänderdehnung Schlottergelenke erzeuge, widerlegt Verf. mit
dem Hinweis darauf, daß zur Erzeugung von Spannung zwei ent-
gegengesetzt wirkende Zugkräfte notwendig sind, und daß speziell am
Oberschenkel der durch Reibung und Adduktorenspannung zustande
kommende Gegenzug, der zur Distention des Kniegelenkes führen
kann, durch richtige Anwendung des Zuges, d.h. bei Beugung in
Knie und Hüfte, unter Vermeidung der Abduktion sich leicht ver-
meiden läßt.
Da Knochenbrüche, die am 3. Tage noch nicht reponiert sind,
sich entweder nur mit Mühe oder gar nicht mehr reponieren lassen,
und Repositionsversuche in der 2. und 3. Woche die Stellung eher
verschlechtern und die Konsolidation verzögern, so ist an der alten
Regel möglichst frühzeitiger Reposition streng festzuhalten.
Zu auffallenden Resultaten kommt Verf. bezüglich der typischen
Radiusbriiche. Die Fixation der Hand in Volar- und Ulnarflexion
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 1165
führt zu keiner vollständigen Korrektur der Deformität, beschränkt
das Bewegungsfeld des Handgelenkes und verlegt es ulnarwirts. Das
Capitulum ulnae wirkt nicht als Hypomochlion für eine Extension
der Hand. Da zugleich ein kraftvoller Faustschluß stets mit Dorsal-
flexion sich kombiniert, so empfiehlt Verf. die Extension bei leichter
Dorsalflexion der Hand und Bewegung der Finger.
Ebenso neu ist die Zugbehandlung der Fraktur der Humerus-
diaphyse in Spitzwinkelstellung im Ellbogengelenk und der Tibia-
diaphysenfraktur bei flektiertem Knie und leichter Plantarflexion im
Fußgelenke. Reich (Tübingen).
3). A. Lambotte. L'intervention opératoire dans les fractures.
220 S. 254 Abbild.
Brüssel, Lamertin, 1907.
In dem vorliegenden, reich illustrierten Werke legt Verf. die Er-
fahrungen nieder, die er in 187 Fällen mit der operativen Behandlung
der Knochenbrüche gemacht hat. Hierbei hat Verf. zwei Todesfälle
zu verzeichnen, wovon jedoch nur der eine als Folge der Operation
zu betrachten ist. Ein Hauptkontingent zu den operativ behandelten
Fällen stellten die Diaphysenbrüche des Unterschenkels (87 Fälle). In
der Hauptsache beschäftigt sich L. mit der operativen Behandlung
der frischen Frakturen. Die sekundären Eingriffe an veralteten,
schlecht geheilten Briichen, Pseudarthrosen, Callusgeschwiilsten sind
zwar auch in den Rahmen des Buches einbezogen, finden aber im
allgemeinen eine kiirzere Besprechung, weil sie keine wesentlichen
neuen Gesichtspunkte bieten. Zu bemerken ist hierbei nur, daß L.
bei schief geheilten Brüchen die unblutige Osteoklase verwirft und
auch hier stets die Freilegung der Bruchstelle in offener Wunde be-
fürwortet.
Bei frischen Frakturen steckt L. die Indikationsgrenze zum
chirurgischen Eingriffe sehr weit. »Jede Fraktur, die nach richtig
durchgeführter Reposition nicht vollkommen korrigiert ist, erheischt
den chirurgischen Eingriff.« L. legt den Schwerpunkt auf die »mathe-
matisch genaue« Wiederherstellung der Knochenform. Er hat zu
diesem Zweck ein Verfahren ausgebildet, das er als Osteosynthese
bezeichnet, und das ihm, obwohl es noch manche Lücken aufweist,
berufen zu sein scheint, eine wichtige Rolle in der operativen Fraktur-
therapie zu spielen. Die technischen Einzelheiten, sowie das Instru-
mentarium, welches L. sich nach vielen Versuchen hierfür ausgebildet
hat, sind eingehend in dem ersten Teile des Werkes beschrieben. Die
Technik der Osteosynthese umfaßt drei Zeiten: 1) die Freilegung der
Fraktur, 2) die Reposition und vorübergehende Fixation derselben
und 3) die dauernde Fixation und der Wundrerschluß. Großen Wert
legt L. auf die Erhaltung der Reposition während des Aktes der
Dauerfixation. Er hat zu diesem Zweck eine Reihe teils gerader,
teils geschweifter Zangen und Instrumente konstruiert, vermöge deren
1166 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44.
selbst dann eine exakte Reposition aufrecht erhalten werden soll,
wenn der Knochen in viele kleine Bruchstücke zersplittert ist. Für
die dauernde Vereinigung der Bruchstücke verwirft L. im allgemeinen
die übliche Knochennaht mit Metalldrähten als unzulänglich. Als
wirksamstes mechanisches Hilfsmittel, um dauernd die Knochen in
ihren normalen Beziehungen zu erhalten, hat sich ihm die Schraube
bewährt. L. wendet entweder die einfache Verschraubung der Bruch-
stücke an, wobei die besonders konstruierten Schrauben versenkt liegen
bleiben und nur dann entfernt werden, wenn sie Störungen verursachen,
oder er benutzt in schwierigen Fällen versenkte Metallprothesen aus
Aluminium, die in die Corticalis festgeschraubt werden. Für Dia-
physenbrüche hat L. einen komplizierten, im wesentlichen aus einem
ganzen System von Schrauben und Schraubenmuttern bestehenden
Apparat konstruiert, den er als »Fixateur« bezeichnet, und der den
Vorteil hat, daß er nach erfolgter Konsolidation wieder entfernt werden
kann. Außer den Schrauben verwendet L. häufig U-förmig gebogene
Klammern und Haken zur Festlegung der Bruchstücke. "Bei Schräg-
brüchen, Kniescheibenbrüchen usw. macht L. vielfach von der Um-
schnürung (Cerclage) Gebrauch, und zwar entweder für sich allein oder
auch in Verbindung mit der Verschraubung. Mittels dieser Methoden
hat L. in der Tat, wie die beigefügten Röntgenbilder zeigen, in einer
Reihe von Fällen ideale Formverheilungen erzielt.
Die Osteosynthese soll stets erst eine geraume Zeit nach der Ver-
letzung, im Durchschnitt etwa 8—14 Tage später, vorgenommen
werden; bei komplizierten Brüchen muß erst der vollkommen fieber-
freie Wundverlauf abgewartet werden. Strengste Asepsis, bezüglich
deren genaue Vorschriften gegeben werden, ist unerläßliche Vorbe-
dingung für die Osteosynthese. In der Nachbehandlung spielen früh-
zeitige Bewegungsübungen, die schon am 4. Tage nach der Operation
beginnen, eine wesentliche Rolle.
Im Anschluß an die Beschreibung der Technik folgt sodann die
Mitteilung einer großen Zahl von Krankengeschichten, die Frakturen
der verschiedensten Art betreffen und die durch zahlreiche Röntgen-
skizzen erläutert sind. Bei Frakturen, in denen Verf. persönliche Er-
fahrungen fehlen, teilt er die einzuschlagende Operationstechnik mit.
Die Erfahrungen des Verf. besitzen zweifellos einen großen Wert
für die operative Frakturtherapie, und gerade aus diesem Grunde
wäre es wünschenswert gewesen, wenn die Beobachtungen nicht so
summarisch wiedergegeben, und wenn wenigstens die wichtigsten
Krankengeschichten so ausführlich mitgeteilt worden wären, daß sich
der Leser ein eigenes Urteil über den Wert der verschiedenen Me-
thoden bilden könnte. Die Ausstattung des Buches ist sorgfältig;
die Abbildungen weisen eine große Zahl — etwa 70 — gut ausge-
führter Tafeln auf. Deutschländer (Hamburg).
Zentralblatt für Chirurgie Nr. 44. 1167
4) Vanghetti. Plastica e protesi cinematiche. Nuova teoria
sulle amputazioni e sulla protesi. 250 S. Mit Figuren und
6 Tafeln.
Empoli, E. Traversari, 1906.
Verf. beschreibt im vorliegenden Buche sein bereits früher bekannt
gegebenes und in d. Bl. (1900 Nr. 23 p. 598) schon einmal besprochenes
Verfahren. Dasselbe besteht kurz gesagt darin, daß bei Amputationen
Muskeln und Sehnen, besonders solche, die eine bedeutendere Funktion
haben, tunlichst erhalten werden sollen. Sie werden alsdann, von Haut
umkleidet, zu Schlingen zusammengenäht oder geknotet, Hautdupli-
katuren werden eventuell durchbrochen, um eine Schlingenform zu bilden.
Der Retraktion dieser Sehnen und Muskeln wird durch Aufspannen
auf besonders konstruierte Schienen entgegengearbeitet. Solche Muskel-
und Sehnenschlingen sollen durch ihre Kontraktion imstande sein, an-
gehängte Gegenstände zu halten und vor allem entsprechend kon-
struierte gelenkige Prothesen zu bewegen. Im zweiten Abschnitte des
Buches werden diese beweglichen künstlichen Glieder eingehend be-
handelt.
Den Tierversuehen, die die praktische Ausführbarkeit der besagten
Ideen dartun, fügt Verf. noch zwei Krankengeschichten von Pat. hinzu,
die Prof. Ceci in Pisa operiert hat. Beide Male waren die einander
gegenüber gestellten Muskelstümpfe am Arme fähig, angehängte Ge-
wichte zu tragen und durch ihre Kontraktion die Hand einer ent-
sprechend konstruierten gelenkigen Prothese so fest zusammen zu
schließen, daß schwerere Gegenstände mit ihr gefaßt und gehalten
werden konnten. — Mögen auch dem Verfahren noch vielerlei prak-
tische Schwierigkeiten entgegenstehen, so erscheint die Idee des Verf.
immerhin interessant und beachtenswert und ein weiterer Ausbau des
Verfahrens vielleicht nutzbringend. A. Most (Breslau'.
5) Couteaud. ‘Traitement esthétique des fractures de la
clavicule.
(Gaz. des. hôpitaux 1906. Nr. 100.)
Einer zwar nicht neuen, aber von ihm aufgenommenen und aus-
gebildeten Methode sucht C. das Bürgerrecht zu erwerben. Sie be-
steht darin, daß Pat. dicht an den Bettrand gelegt wird und den Arm
der kranken Seite senkrecht zur Erde hängen läßt, wodurch ein so starker
Zug am gebrochenen Schlüsselbein ausgeübt wird, daß Reposition und
Fixation der Fragmente in befriedigendster Weise stattfinden. Der
Arm kann im Ellbogen gebeugt werden und der Unterarm auf einer
20 cm tiefer befindlichen Schwebe aufruhen. Die Pat. empfanden diese
Lage nur in den ersten 2 Tagen unangenehm. C. glaubt, daß der Er-
folg nicht beeinträchtigt wird, wenn dieses Verfahren erst 3 Tage nach
der Verletzung zur Anwendung kommt. Sollten irgendwelche Wider-
stände den Ausgleich der Dislokation stören, so könne man am Ober-
1168 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44.
arm eine Gewichtsextension anbringen. Die durchschnittliche Dauer
der Hängelage betrug bei seinen Fällen 18 Tage. Das stets auf-
tretende Odem des Armes wich wenigen Massagen.
In einem Falle, wo die Verknöcherung zégerte, gab C. sehr reich-
lich Zucker zu essen. Er glaubt dadurch eine besonders schnelle
Konsolidierung erreicht zu häben. Mertens (Breslau).
6) Manning. An improved method of putting up fractured
| clavicles.
(Practitioner 1906. September.)
Modifikation des Sayre’schen Heftpflasterverbandes zur Behand-
lung der Schliisselbeinbriiche. Statt der Heftpflasterstreifen fiir Schulter
und Ellbogen nimmt Verf. zwei weiche Gurten, die genau wie beim
Sayre’schen Verbande den Arm stiitzen, aber von einer die gesunde
Schulterpartie umhüllenden weichen Kappe — die einer halben Weste
vergleichbar ist — abgehen und auf der anderen Seite mittels Naht
an derselben befestigt werden. Jenckel Göttingen’.
7) T. Bach. Die Repositionshindernisse bei der präglenoi-
dalen Schultergelenkluxation mit spezieller Berücksichtigung
der Luxatio subcoracoidea.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXIII. p. 27.)
Die Arbeit ist auf Anregung Kocher’s geschrieben und ver-
tritt ausschließlich die Theorien dieses Chirurgen in Sachen der
Schulterverrenkung. Hiernach bestehen die Hindernisse für die Re-
position dieser Verrenkung in keinerlei Muskelwiderständen oder Kon-
traktionen, sondern lediglich in Spannung der Gelenkbänder, nament-
lich des Lig. coraco-humerale, und die allseitig als vorzüglich anerkannte
Kocher’sche Repositionsmethode verdankt ihre Wirksamkeit eben
der durch sie sicher herbeizuführenden Entspannung dieser Bänder.
Bei seiner Beweisführung berücksichtigt B. eingehend die Anatomie
des normalen und verrenkten Gelenkes und setzt sich mit den den
Kocher’schen Standpunkt nicht teilenden Autoren kritisch-polemi-
sierend auseinander. Das wichtigste Beweismoment bilden drei eigene
Verrenkungsversuche an Leichen, deren anatomischer Befund, die
Kocher’sche Theorie stützend, genau beschrieben wird. Wenn Dol-
linger in sieben Fällen veralteter Verrenkung allerdings nachwies,
daß der retrahierte und sklerosierte Subskapularmuskel ein bedeuten-
des Repositionshindernis bildet, ist hiermit noch nicht bewiesen, daß
dieser Muskel bei der frischen Verrenkung die Reposition hemmt.
Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
8) O. Schlatter. Über die Frakturen der Mittelhandknochen.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLIX. p. 280.) '
Von den immer noch häufig mißkannten und in ihrem Eutste-
hungsmechanismus mißdeuteten Mittelhandbrüchen hat Verf. 23 rönt-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 1169
genoskopisch kontrollierte Fälle der Züricher Klinik gesammelt, dabei
aber isolierte Absprengungen an den Gelenkenden und nicht durch
Röntgenogramme belegte Fälle ausgeschieden.
Zur Diagnose genügt die gewöhnliche dorsovolare Durchleuchtung
nicht immer, vielmehr ist eine solche in anderer Richtung mitunter
vonnöten. Aus naheliegenden Gründen finden sich diese Brüche
hauptsächlich beim männlichen Geschlecht (22:1).
Der Bruchform nach wurden 11 Quer- und 10 Torsionsbrüche
beobachtet. Die Querbrüche entstanden ausnahmslos durch eine
direkte, die Längsachse der Knochen senkrecht meist vom Rücken
her treffende Gewalt und betrafen mit Vorzug den II. und III. Meta-
carpus. Schrägbrüche, welche durch Stoßwirkung in der Knochen-
achse entstehen sollen, hat Verf. nicht gesehen und bezweifelt auf
Grund seiner Erfahrungen und theoretischen Bedenken die’Richtigkeit
der öfter auf Querfraktur gestellten Diagnosen.
Überraschend ist die Häufigkeit der Torsionsbriiche (10: 23),
deren Gebiet im Gegensatze zu den Querbrüchen die äußere Hälfte
der Metakarpalreihe, insbesondere des V. Metacarpus (5mal unter
10 Fällen) darstellt. Als häufigster Entstehungsmechanismus ergab
sich Torsion der gebeugten Finger bei gleichzeitigem Stoß in der
Längsachse der Knochen, wie er meist zustande kam durch Fall auf
die Hand bei gebeugten Fingern oder durch Streifen der äußeren
Handseite an einem festen Gegenstand. Die Mehrzahl der Schrauben-
linien verläuft von ulnar-distalwärts in radial-proximaler Richtung,
selten entgegengesetzt.
Für die Reposition der Spiralbrüche läßt sich das gefährliche
Rotationsverfahren durch Zug mit seitlichem Druck ersetzen. Zur
Fixation in korrigierter Stellung eignet sich ein Verband nach Beck,
der Gummidrains in die benachbarten Zwischenknochenräume legt,
diese durch Heftpflaster fixiert und eine Handschiene anlegt. Bei
zweckmäßiger Behandlung hat die Prognose der Mittelbandbrüche nur
ausnahmsweise mit bleibenden Störungen zu rechnen.
Nur in einem der beobachteten Fälle rechtfertigte die durch
Callusmassen bedingte Streckbehinderung eine Unfallrente von 10%.
Beich (Tübingen).
——— — —
9) D. G. Zesas, Über die Tuberkulose des Iliosakralgelen-
kes. (Die tuberkulöse Sakrokoxalgie.)
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XV. Hft. 2-4.)
Der Verlauf der Krankheit ist stets ein schwerer. Verf. be-
spricht ausführlich Atiologie, pathologische Anatomie, Symptomatologie
und Diagnostik, schließlich die Therapie. Er konnte in der Literatur
94 operativ behandelte Fälle zusammenstellen. Die am meisten Er-
folg versprechende Operation ist die Resektion des Gelenkes nach
Bardenheuer, die näher beschrieben wird unter kurzer Mitteilung
444%
1170 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44.
von acht von Bardenheuer in den letzten Jahren operierten Fällen.
Von diesen acht Fällen wurden sechs geheilt.
Der Arbeit ist ein ausführliches Literaturverzeichnis beigegeben.
J. Riedinger (Würzburg).
10) P. Ewald. Keimfehler oder abnorme Druckwirkung?
(Zugleich Erwiderung auf Wollenberg’s Abhandlung: »Uber
die Kombination der angeborenen Hüftgelenksverrenkung
mit anderen angeborenen Deformitäten«.
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XV. Hft. 2—4.)
11) G. A. Wollenberg. Keimfehler oder abnorme Druck-
wirkung? Bemerkung zu Ewald’s gleichnamigem Aufsatz.
(Ibid.)
Nach E. bringt uns die Annahme eines Vitium primae formatio-
nis keinen Schritt weiter in der Erkenntnis der angeborenen Hüft-
verrenkung, wenn wir auch für einige wenige Fälle eine andere Er-
klärung noch nicht haben. Für die meisten Fälle reicht die mecha-
nische Theorie allein aus.
Nach W. sprechen gegen die mechanische Theorie hauptsächlich
die Erblichkeitsverhältnisse und die häufigen Veränderungen am oberen
Pfannendach der gesunden Seite. Die Keimfehlertheorie verdient für
die Hüftverrenkung den Vorzug. J. Riedinger (Würzburg).
12) P. Frangenheim. Studien über Schenkelhalsfrakturen
und die Vorgänge bei ihrer Heilung.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXIII. p. 401.)
Die Arbeit beruht auf gründlichen Untersuchungen an Schenkelhals-
bruchpräparaten aus der Sammlung des Altonaer Krankenhauses, von
denen lehrreiche Stücke genau, auch röntgenographisch und histologisch
beschrieben werden. Diese Beschreibungen zeugen von dem großen
Fleiße des Verfassers, dürften aber bei ihrer großen Länge schwerlich
viel ausdauernde Leser finden, zumal es an ausreichender Erläuterung
durch Abbildungen fehlt. Insbesondere sind gar keine Röntgenogramme
beigegeben, vielmehr diese in den »Fortschritten auf dem Gebiete der
Röntgenstrahlen« veröffentlicht, worauf F. verweist — trotzdem wird
vom Röntgenbefund weitläufig gehandelt. Die Illustrierung beschränkt
sich auf fünf skizzierte Figuren, verschiedene Typen der extrakapsu-
lären Bruchform darstellend, eine als sehr schön und genau hervor-
zuhebende Abbildung, einen Schnitt durch einen fibrös geheilten intra-
kapsulären Bruch betreffend, und zwei farbige histologische Abbil-
dungen, bei kleiner Vergrößerung Schnitte durch die fibröse Vernarbung
je eines extra- und intrakapsulären Bruches darstellende. Um den sehr
umfangreichen histologischen Schilderungen zu folgen aber ist der
Leser ganz auf seine Phantasie angewiesen.
Zentralblatt für Ohirurgie. Nr. 44. 1171
Von den Allgemeinergebnissen der Untersuchungen scheint dem
Ref. folgendes hervorhebenswert. Heilung der Schenkelhalsbrüche,
selbst der intrakapsulären, ist möglich, nur dauert sie sicher lange
Zeit, länger als gewöhnlich vorausgesetzt wird, und auch anscheinend
fest konsolidierte Brüche erweisen sich, wie F. bei einer extrakapsu-
lären noch nach 81/, Monaten erfuhr, als nur fibrös verheilt. Man
findet dann zwischen den Bruchstücken eine sehr feste bindegewebige
Narbe. Beim extrakapsulären, auch basalen oder lateralen genannten
Halsbruch sind die Heilungsverhältnisse wegen der hier stattfindenden
Einkeilungen des Halsstumpfes in die Trochantergegend des Schaftes
günstiger. Wo die Spongiosa des Halses und der Trochanterpartie
sich berühren, bildet sich eine feste Narbe aus, die dem keilférmigen
Halsstumpf einen sichern Halt gibt. Zu beiden Seiten dieser Narbe
findet Knochenneubildung statt, bis sich — oft erst nach langen Mo-
naten — die jungen Knochenbälkchen von hier und dort zusammen-
finden. Erst unter dem Gebrauche des Beines setzen die Vorgänge
der Knochentransformation ein, die die Architektur der Spongiosa
der Statik gemäß umformen. Die bindegewebige Narbenvereinigung
der Bruchstücke bei deren ungünstiger Stellung wird eingeleitet durch
einen Abschluß der Markhöhle an den beiden Bruchflächen, indem
sich zunächst der gesetzte Bluterguß, dessen zellige Bestandteile in
einem Fibrinnetz liegen, organisiert. Der sich später hier bildende
Knochen entspringt ausschließlich dem Mark, ohne Beteiligung des
Periosts. Nebenher geht aber regelmäßig Callusbildung am Schenkel-
schaftende, die dieses in der Trochantergegend mit einer dicken Schale
umgibt. Dieser Callus wird oft in geradezu verschwenderischer Weise
gebildet, und um so reichlicher, je ungiinstiger die Bruchstiicke zu-
einander stehen und je weniger fest die Knochenverkeilung ist. An
der Knochenneubildung beteiligen sich hier außer dem Periost und
der Gelenkkapsel sehr wahrscheinlich die Muskeln, deren Verknöche-
rung sehr häufig zu sein scheint, so daß sie, wie F. ausführt, an die
Myositis ossificans gemahnt.
Bei intrakapsulären bzw. »medialen« oder »subkapitalen « Schenkel-
halsbrüchen hat F. in den ihm zur Verfügung stehenden Präparaten
eine knöcherne Heilung nicht finden können. Findet sich der Heilungs-
vorgang überhaupt eingeleitet, so sind die feineren Befunde ähnlich
wie bei dem extrakapsulären Bruch: Abschluß der beiderseitigen Mark-
höhlen, Zwischenwachsen von Bindegewebe, Verknöcherung des letz-
teren. Dabei findet (wie auch beim extrakapsulären Bruch) eine »un-
geheuer reichliche Gefäßneubildung« statt, der die normalerweise
auch im hohen Alter gute Vaskularisation der Schenkelepiphysengegend
und auch des Lig. teres zustatten kommt. Zu periostaler Callusbildung
ist keine Gelegenheit, so daß der ganze Heilungsprozeß allein von
der Spongiosa ausgehen muß. Bei dem so häufigen völligen Heilungs-
ausbleib bei diesen Brüchen ist Interposition von Teilen der zerrissenen
Gelenkkapsel zwischen die Bruchstücke von großer Wichtigkeit. Auch
ist die oft in erstaunlich kurzer Zeit vor sich gehende Resorption des
1172 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44.
Schenkelhalses und die Pseudo- bzw. Nearthrosenbildung zwischen
Hals- und Kopffragment hier hervorzuheben. Auch fiir diese Vor-
gänge gibt F. ausführliche histologische Detailbefundaufnahmen.
Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
13) C. Helbing. Die Coxa vara unter Zugrundelegung des
Materials aus der Privatklinik des Herrn Geheimrat Hoffa
und der kgl. Universitätsklinik für orthopädische Chirurgie
zu Berlin.
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XV. Hft. 2-4)
In der vorliegenden, 130 Seiten mit 81 sehr instruktiven Abbil-
dungen enthaltenden Arbeit ist nach dem heutigen Stande der Wissen-
schaft eine erschöpfende Darstellung des Krankheitsbildes gegeben.
Verf. hat das Wissenswerteste aus 202 Arbeiten der Literatur zu-
sammengetragen. Er verfügt außerdem allein über 77 klinisch be-
obachtete Fälle. Von Bedeutung ist besonders die Schilderung der
operativen Therapie aus eigener Erfahrung.
Bei der Gruppierung der Krankheitsbilder im ersten Teile der
Arbeit folgt Verf. dem von Alsberg gegebenen Schema. Der zweite
Teil behandelt das Wesen, den Begriff, die Anatomie, das klinische
Bild und die Therapie der Coxa vara. Einige durch Operationen
gewonnene Präparate wurden zu histologischen Untersuchungen ver-
wendet. J. Riedinger (Würzburg).
14) Soliero. Lussazione della rotula.
Siena 1906.
Die sorgfältige Monographie stützt sich auf die Bearbeitung von
294 im Auszug zusammengestellten Fällen der Literatur. Nach einer
Erörterung der Anatomie und Physiologie der Kniescheibe, speziell
ihres Bandapparates, weist L. darauf hin, daß der Name Luxation
zwar an sich nicht richtig sei, da es sich vielmehr um Verschiebungen
der Quadricepssehne handle, daß man aber den Namen, weil üblich,
beibehalten möge. Er macht folgende Einteilung (s. p. 1173):
Von jeder einzelnen Form wird der Mechanismus besprochen.
Für das Zustandekommen der traumatischen Verrenkungen spielt
die Kontraktion des Quadriceps die größte Rolle, dann das Trauma
und endlich disponierende Zustände am Band- und Knochenapparat.
Der Grad der Zerreißung der Bänder ist bei den einzelnen Graden
verschieden. Bei den veralteten ist der Zustand der Bander entschei-
dend. Es handelt sich meist um Luxationen auf der Außenseite des
Condylus externus. Unter den Komplikationen, die sich im Laufe
der Zeit anschließen, ist das Genu valgum die wichtigste.
Den pathologischen Verrenkungen schließen sich Gelenkentzün-
dungen, Arthritis deformans, osteomyelitische Prozesse usw. an.
1173
Nr. 44.
irurgie.
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‘snjApuog Wop Jsqn [EJUOZLIOU 74078 80d — T “PURIST
Als kongenitale Verrenkungen sind nur solche zu bezeichnen,
welche bei der Geburt schon bestanden, nicht aber solche, welche auf
Grund pathologischer angeborener Disposition des Knochen- oder
Bandapparates sich später entwickelten. Es handelt sich stets um
1174 ‚Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44.
Verrenkungen nach außen. Der Condylus externus ist abnorm niedrig
oder kann fehlen, das Femurende verdickt, event. Genu valgum. Auch
hier bilden sich sekundäre Veränderungen, andererseits kann nach
erfolgreicher Herstellung normaler Lage die Kniescheibe allmählich
wachsen und normal werden. Als Atiologie wird ein primärer Ent-
wicklungsfehler angenommen. Die operative Behandlung ist, wenn
irgend möglich, stets vorzuziehen. E. Pagenstecher (Wiesbaden).
15) Pichnon. Ruptures aponeurotiques et hernies musculaires
de la region jambiere anterieure observées ches des chasseurs
alpins.
(Arch. de méd. et de pharm. militaires 1906. Juni.)
Die Rupturen der Unterschenkelfascie mit Hindurchtreten von
Muskelmasse durch den Spalt nennt P. wahre Muskelhernien im Gegen-
satz zu den Pseudohernien dieser Gegend, bei denen es sich um das
Vorbuchten der unverletzten Fascie durch den partiell zerrissenen
Muskel handelt. Auf Rupturen der Aponeurose untersuchte er 217
Alpenjiiger; er fand 39 = 18%. Die meisten Leute wußten nichts
von dem Vorhandensein des Spaltes, alle taten ihren Dienst, die
größere Anzahl stand im zweiten Dienstjahre. Atiologisch kommt
nur ein Trauma in Betracht, und zwar entweder Fall auf einen
spitzen Gegenstand oder eine heftige Muskelkontraktion. Der in Be-
tracht kommende Muskel — der große Zehenstrecker — ist eng in
der Aponeurose eingeschlossen; da diese nach hinten zu (Lig. interos-
seum) stärker ist als vorn, so reißt sie an letzterer Stelle ein; und
zwar sind es die schwächeren transversalen Fasern, die nachgeben.
Eine angeborene Schwäche der Gewebe kommt hierbei nicht in Be-
tracht, wohl aber kann eine schlecht sitzende Ledergamasche das
Eintreten des Bruches begünstigen. Manövrieren in bergigem Gelände
wird nicht selten als Gelegenheitsursache gefunden werden. Der Spalt
sitzt meistens über dem großen Zehenstrecker dort, wo sich der Muskel
zur Sehne umwandelt, und drei Fingerbreiten nach außen von der
Schienbeinkante. Seine Länge beträgt gewöhnlich 6—10 mm.
Die Symptome sind gering, leichtes Ermüdungsgefühl im Unter-
schenkel wird zuweilen angegeben.
Es ist zu unterscheiden zwischen intermittierenden und perma-
nenten Hernien. Bei der intermittierenden Form ist der Fascienspalt
klein, und es tritt nicht immer der Muskel durch denselben, sondern
nur bei kräftiger Bewegung, während er bei der permanenten Form
größer ist, so daß der Muskelbruch bei jeder Bewegung hindurchtritt.
Herhold (Altona).
16) A. Narath. Über die subkutane Exstirpation ektatischer
Venen der unteren. Extremität.
(Deutsche” Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXIII. p. 104.)
_ Um die ektatischen Beinvenen (Saphena) in ganzer Länge zu ex-
stirpieren ohne übermäßig lange Hautschnitte anzulegen, macht N.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 1175
entlang dem Venenverlauf oben an der höchsten Stelle beginnend in
Abständen von 10—20 cm kleine Inzisionen, von denen aus der Ge-
fäßstamm aus seinem Bette herausgeholt, frei gemacht und gelockert
wird, was bei Anziehen der Vene mittels eines angelegten Schiebers
sehr gut geht. Wo sich größere Seitenäste zeigen, sind die Schnitte
so zu legen, daß der Ast unterbunden und getrennt werden kann.
Zu Anfang der Operation wird der Hauptstamm gleich unterbunden
und getrennt, um Embolien vorzubeugen. Zum Schluß kann man die
Vene entweder unversehrt oder stückweise aus den Knopflöchern
herausziehen. Dann Hautnaht usw., Aufstehen des Pat. mit ge-
wickeltem Bein nach 14 Tagen. Die Resultate waren bei einer
»größeren Zahl von Pat.« sehr günstig, ein »nicht geringer Teil« der
Operierten wurde militärdienstfähig.
Das Verfahren ist zwar, wie N., Gurlt’s Geschichte der Chirur-
gie anziehend, nachweist, schon 1!/, Jahrtausend alt und von Ori-
basius, Paulus von Aegina, Abulkasim beschrieben, aber der
Neuzeit nicht geläufig, Es verdient wieder in Übung zu kommen.
Bei Gegenwart geschwulstartiger Venenkonvolute ist es allerdings nicht
brauchbar. Doch kann es mit der Exstirpation solcher kombiniert
werden. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
17) Codivilla. Sulla cura de piede equino-varo congenito.
(Arch. di ortopedia 1906. Nr. 3.)
C. erklirt das unblutige, modellierende Redressement fiir das
beste und normale Verfahren in der KlumpfuBbehandlung. Es ist
dazu jedoch Geduld und Zeit erforderlich. Für solche Fälle, bei wel-
chen aus äußeren Gründen ein rascheres Resultat angestrebt werden
muß, hat er folgende blutige Operation ausgearbeitet und bisher an
17 Kindern von 2—4 Jahren mit 27 Klumpfüßen 2. und 3. Grades
mit gutem Erfolge bezüglich Form und Funktion angewendet: Großer
Längsschnitt innen von der Basis des I. Metacarpus bis zum unteren
Unterschenkeldrittel. Tenotomie der Fascia plantaris und des Ad-
ductor hallucis. Z-förmige Durchschneidung der Sehnen des Tibialis
anticus, Flexor hallucis, Tibialis posticus, Flexor digitorum communis.
Die Gelenkverbindungen zwischen Metatarsus und Keilbeinen, Keil-
und Kahnbein, das Ohopart’sche Gelenk werden auf der Innenseite
durchtrennt; das Lig. calcaneo-scaphoideum externum, ferner die in-
neren und hinteren Bandverbindungen zwischen Talus und Calcaneus
werden durchschnitten. Es folgt nun noch subkutane Verlangerung
der Achillessehne, Naht der durchtrennten Sehnen. Durch diese aus-
gedehnte Operation, welche, wie das unblutige Verfahren, sich aus-
schlieBlich gegen die Weichteile richtet, läßt sich eine völlige Korrek-
tion der Deformität erzielen. Heilung erfolgt in 6—8 Wochen im
Gipsverbande. Nur in wenigen Fällen ist es notwendig, etwas vom
Malleolus internus wegzunehmen, um eine Korrektur im Sprunggelenke
zu erreichen. E. Pagenstecher (Wiesbaden).
1176 Zentralblatt für Ohirurgie. Nr. 44.
18) A. Kirchner. Die Frakturen des Metatarsus.
(Schmidt’s Jahrbücher Bd. CCXCLI p. 18.)
Verf., der bereits mehrfach dieses Gebiet selbst bearbeitet hat,
bietet in der vorliegenden Abhandlung eine außerordentlich sorgsame,
bis ins einzelne gehende und kritisch gesichtete Zusammenstellung der
zu dieser Frage erschienen Arbeiten {78 Literaturnummern). K. be-
spricht zuerst die Metatarsalbrüche durch direkte und dann die durch
indirekte Gewalt und erörtert im Anschluß hieran eingehend Ursache,
Wirkung und Art der Frakturen, Entstehungsmechanismus, die Sym-
ptome, Diagnose und BehandInng. Für eine weitere Bearbeitung der
Frage dürfte das vorliegende Referat ein wesentliches Hilfsmittel sein.
Deutschländer (Hamburg).
19) A. Kirchner. Die Epiphyse am proximalen Ende des
Os metatarsi V. und das sog. Os Vesalianum tarsi.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXX. Hft. 3.)
K. hält die Epiphyse am proximalen Ende des Metatarsale V für
noch häufiger, als sie Gruber gefunden, der eine Häufigkeit von
14% angibt. M. fand sie bei 6 Metatarsalien 5mal. Wie oft sie
vorkommt, das zu entscheiden bedarf es einer noch größeren Anzahl
von Beobachtungen, die zu machen besonders die Chirurgen bei Fuß-
durchleuchtungen Gelegenheit haben. Sie sitzt immer genau an der
Stelle, mit der beim Aufsetzen der Fußsohle beim Gehen die Tubero-
sitas met. V. auf den Fußboden auftritt. Ihre Entwicklung erfolgt
also wahrscheinlich unter dem Einfluß der Belastung beim Gehen,
und ihre Ausbildung ist vielleicht abhängig vom Grade der Belastung
beim Gehen und vom Bau des Fußes.
Bezüglich des Os Vesalianum konstatiert Verf., daß dasselbe nicht
von Vesal als Einzelbefund erwähnt werde, wie Pfitzner behauptet,
sondern daß er es häufig beobachtet und für konstant gehalten habe.
Indessen ist die Deutung des Ossiculum u bei Vesal nicht ganz genau
zu bestimmen. E. Siegel (Frankfurt a. M.).
Kleinere Mitteilungen.
20) Pluyette (Marseille). Guérison spontanée d’un anévrisme artério-
veineux.
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXII. p. 279.)
Bei dem von P. beobachteten Falle war ein Aneurysma der rechten Subclavia
durch einen Revolverschu8 entstanden. Nach der Verletzung fand.sich unter dem
rechten Schlüsselbein eine Geschwulst, an der deutliches Schwirren fühl- und hör-
bar war. Als Pat. nach 1 Monat wegen heftiger Schmerzen im Vorderarme wieder
ins Hospital kam, zeigte sich, daß die Geschwulst verschwunden, das Schwirren
nicht mehr vorhanden war. Die Arterien der Extremität, an denen keine Pulsa-
tion mehr bestand, erschienen derb und druckempfindlich. P. erklärt sich den
Heilungsvorgang als eine Thrombose der Subclavia infolge einer traumatischen
Arteriitis (?). Thümer (Chemnitz).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 1177
21) Taddet e Prampolini. Di alcuni casi poco comuni di nn
congenite degli artı.
(Arch. di ortopedia 1906. Nr. 3.)
1} Angeborene rudimentäre Entwicklung des linken Oberschenkels mit gleich-
zeitiger Luxatio iliaca. 42 Tage alter Knabe. Photographie und Röntgenbild.
2) Fehlen des linken Wadenbeines, des distalen Drittels der linken Tibia.
Totaler Defekt des Fußes, des 4. und 5. Fingers und Metacarpus der rechten
Hand. Syndaktylie des Zeige- und Mittelfingers derselben Hand. Mädchen von
28 Monaten. Photographie.
3) Mangelhafte Entwicklung des rechten Humerus. Knöcherne Ankylose der
Ellbogen, Hyperplasie des Radius. Längsteilung der rechten Ulna. Fehlen der
Phalangen und Metacarpen des 4. und 6. Fingers. Mangelhafte Entwicklung des
Daumens rechts. Syndaktylie zwischen 4. und 5. Finger links, die zugehörigen
Metakarpen sind in einen Knochen verschmolzen. 3jähriger Knabe. Die MiBßbil-
dung ähnelt sehr dem vom Ref. in der Deutschen Zeitschrift für Chirurgie Bd. L
beschriebenen Fall, welcher von dem Verf. nicht zitiert wird. Mehrere Röntgen-
bilder.
4) Angeborene doppelseitige subglenoidale Verrenkung des Humerus, mangel-.
hafte Entwicklung der Humerus und der Ulna. Fehlen des Radius beiderseits. Ver-
schmelzung des 2. und 3. Metacarpus rechts, Fehlen des rechten Zeigefingers. Syn-
daktylie zwischen 1. und 3. Finger rechts. Fehlen von Daumen und Zeigefinger
nebst Metacarpen links. Photographie des 4monatigen Knaben.
5) Hallux varus dexter; kongenital, in rechtwinkliger Stellung mit einer über-
zähligen kleinen Zehe, welche am inneren Rande der GroBzehe aufsitzt. Ampu-
tation derselben. Osteotomie des ersten Metatarsus.
E. Pagenstecher (Wiesbaden).
22) O. Vulpius (Heidelberg). Erfahrungen in der Behandlung der
spinalen Kinderlähmung.
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 30.)
Nach den an einigen Hunderten von Fällen gesammelten Erfahrungen V.'s
machen die Resultate operativer Behandlungsmethoden die portativen orthopädi-
schen Apparate, denen bei einigen Vorteilen doch große Nachteile anhängen,
völlig entbehrlich. Die bei Fällen totaler Lähmung angezeigte Arthrodese mittels
Abschabens der Gelenkflächen und fixierenden Verbandes (Knochennaht nur am
Schultergelenke), event. mit Hinzufügung von Muskelverkürzung oder Tenotomie
hat fast immer günstige Erfolge gehabt. Bei den häufigeren partiellen Lähmungen
vermochte V. mit der die Wiederherstellung der Funktion erstrebenden Sehnen-
überpflanzung ganz besonders schöne Resultate zu erzielen; wenn auch völlige Hei-
lung der Lähmung nur in ausnahmsweise günstigen Fällen zu erhalten war, so
hatte die Operation doch wesentliche und dauernde Besserung der Funktion zur
Folge, wo früher jede Hilfe ausgeschlossen schien. Notwendig ist freilich richtige
Auswahl der Fälle, gute Technik und exakte Nachbehandlung.
Kramer (Glogau!.
23) A. Hofmann. Vereinfachtes Extensionsverfahren. Zweite Mit-
teilung. (Aus der chirurgischen Abteilung des städt. Krankenhauses
zu Karlsruhe [Prof. v. Beck].)
(Miinchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 29.)
Das in der ersten Mitteilung beschriebene Verfahren, durch das der Längszug
in einen queren Zug nach beiden Seiten hin umgesctzt wird, hat noclı einige Ver-
besserungen erhalten, über die H. jetzt erneut berichtet. Der der Extremität an-
liegende Heftpflasterstreifen wird um die Peripherie des Spreizschlittens, der eine
halbkreisförmige Scheibe darstellt, gelegt; die Ringschrauben für die querlaufende
Schnur werden zu beiden Seiten am Kreisbogen angebracht. Die auf jeder Seite
angehängten Gewichte sollen jederseits dem sonst unten angehängten entsprechen
1178 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44.
doch darf die querlaufende Schnur nicht die Richtung gegen die Extremität ein-
nehmen. Kramer (Glogau).
24) G. Riech. Über einen Fall von mehrmals wiederholter spontaner
Vereiterung einer bereits geheilten einfachen Fraktur.
Inaug.-Diss., Leipzig, 1906.
Verf. teilt einen Fall von subkutanem Oberarmbruch mit, der mit Dislokation
geheilt war (cf. Röntgenbilder. Nach 10 Monaten stellte sich ohne nachweisbare
Ursache an der Bruchstelle unter typischen Erscheinungen eine osteomyelitische
Eiterung ein, die durch Inzision geheilt wurde. Genau dieselben Erscheinungen
wiederholten sich nach abermals 121/, Monaten, abermalige Inzision und Entfernung
von Sequestern. Verf. schuldigt eine Angina als Infektionsursache an, gibt aber
auch zu, daß ein Trauma vorgelegen haben könnte. (Letzteres ist wohl die rich-
tige Lösung, da häufiger Sequesterbildung an der deform geheilten Frakturstelle
auf diese Weise entsteht. Ref.) Grosse (Kassel).
25) F. Jurcic. Ein Fall von Hyperphalangie beider Daumen.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXX. Hft. 2.)
J. beschreibt den Befund einer Hyperphalangie des Daumens bei einer 42jäh-
rigen Person unter Hinzufügung der Röntgenbilder, die an beiden Daumen drei
Phalangen ergaben. In dem Streit, ob der Metacarpus des Daumens wirklich ein
Metacarpalknochen oder eine Phalanx sei, schließt sich Verf. denjenigen an. welche
den Knochen für einen echten Metacarpus halten.
E. Siegel {Frankfurt a. M..
26) H. Heide. Ein Fall von linksseitigem kavernösem Angiom der
Unterextremität, Regg. glutaea, perinealis et pudendalis.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXX. Hft. 3.)
H. beschreibt die Krankengeschichte eines 12jährigen Knaben. Als er 3/4 Jahr
alt war, kamen in der Fußsohle drei kleine schwarze Flecken zum Vorschein. Von
diesem unbedeutenden Umfange verbreitete sich das Leiden allmählich aufwärts
über die Unterextremität. Ergriffen war der linke Fuß, besonders der vordere
Teil, die fibulare Seite und die Fußsohle. Am Unterschenkel fühlt man bei auf-
rechter Stellung strotzend gefüllte, stark gespannte Hohlräume. Ferner präsentiert
sich das Leiden sehr deutlich auf der Rückseite und Außenfläche des Oberschenkels
sowie auf der ganzen linken Hinterbacke, von wo es bis auf den Damm, den Hoden-
sack und Penis übergreift.
Die mikroskopische Untersuchung einiger herausgenommener Stücke des An-
gioms ergab in größeren Strecken vollständiges Fehlen von Endothelien in den
Hohlräumen. Außer diesen Hohlräumen und stark erweiterten Kapillaren erwies
die Untersuchung nur sehr feine Blutgefäße in geringer Menge. Makroskopisch
waren Muskelstücke nicht zu sehen, jedoch zeigten sich bei der mikroskopischen
Untersuchung spärliche atrophische Muskelfasern, von Fett- und Bindegewebe
ersetzt und durchwachsen. Zur Behandlung wurde die bipolare Elektrolyse ver-
wendet. Es wurde seit dieser Zeit kein Wachstum der Geschwulst beobachtet,
dagegen läßt sich Schrumpfung und Obliteration der Hohlräume in großem Um-
fange nachweisen. E. Siegel (Frankfurt a. M.).
27) Creite. Totale Luxation einer Beckenhälfte.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXIII. p. 391.)
C. vermehrt die spärliche Kasuistik der totalen Hüftbeinverrenkung (7 Fälle)
um folgende Beobachtung aus der Göttinger Klinik. 38jähriger Zimmermann fällt,
wahrscheinlich betrunken, von einem holzbeladenen Wagen vorn herunter und
kommt rücklings auf die Wagendeichsel, wo er sich einen dort befindlichen Eisen-
haken tief in die Dammgegend einbohrt. Er wird dann noch kurze Zeit mit-
geschleift, bis er mit dem Körper nach links herüber ganz herabfällt. Die große,
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 1179
arg verschmutzte Becken-Dammweichteilwunde wird tamponiert, es tritt Delirium,
septische Infektion und am 6. Tage nach der Verletzung der Tod ein. Die Sektion
zeigt, daß das rechte Hüftbein ganz aus seinen Synchondrosen am Scham- und
Kreuzbein herausgesprengt ist; offenbar hat der Eisenhaken unter Wirkung des
nach links sinkenden Körpergewichtes den Knochen herausgehebelt. Am Lebenden
konnte wohl die Diastase der Schambeinsynchondrose, nicht aber die der Arti-
culatio sacro-iliaca festgestellt werden — wegen der ausgedehnten Blutergüsse und
Schwellungen. Außerdem ist vom Sektionsbefund noch eine örtliche Nekrose an
der Vorderwand der Blasenschleimhaut zu erwähnen, die auch durch Druck von
dem Eisenhaken zu erklären sein wird. Meinhard Schmidt (Cuxhaven!.
28) H. Minssen und Weydemann. Retroperitoneale Cysten oder
Senkungsabszesse.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXIII. p. 577.)
Eine kasuistische Mitteilung, die mit Beobachtungen von Narath und Strehl
‘cf. d. Bl. 1899 p. 1032) große Ahnlichkeit hat. 25jährige Schneiderin, bei der
sich innerhalb 2 Jahren eine Gteschwulst der Oberschenkel ohne Störung des guten
Allgemeinbefindens gebildet hatte. Die linksseitige Geschwulst ist vorn oben
innen am Schenkel gelegen, mehr als kindskopfgroß, die der rechten Seite noch
sehr erheblich viel größer; beide waren prall elastisch ohne deutliche Fluktuation.
Diagnose Myxolipom? Bei der Operation der linksseitigen Geschwulst mußte diese
aus festen Verwachsungen in der Adduktoren- und Extensorenmuskulatur heraus-
geschnitten werden und zeigte eine Fortsetzung in den Schenkelkanal, wo die
Cruralvene abgelöst werden mußte. Die Geschwulst platzte, viel graugrünliche
Flüssigkeit mit Flocken entleerend. Die Cystenhéhle kommunizierte durch den
Schenkelkanal in die Bauchhöhle. Resektion derselben am Schenkelkanal, Drainage
in abdominale Cystenfortsetzung. Auf der rechten Seite beschränkte man sich
auf eine Punktion, die gegen 1'/,1 blutig-seröser, flockiger Flüssigkeit entleerte,
und der später wegen Retentionserscheinungen mit Fieber eine freie Inzision mit
Drainage folgen mußte. Auch hier zeigte sich Fortsetzung der Höhle durch den
Schenkelkanal in einen abdominalen Cystenraum. Nach anfänglich nicht ganz
glattem Verlauf besserte sich bei zunächst reichlicher, dann abnehmender Sekretion
durch die fistulös gewordenen Wunden der Zustand und ist jetzt befriedigend.
Die histologische Untersuchung der Cystenwand zeigte bindegewebigen Bau und
viele Riesenzellen tuberkulösen Charakters. Obwohl Bazillen nicht nachgewiesen
sind, ist daher die Erkrankung als tuberkulöse Senkungsabszesse zu deuten.
Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
29) Blencke. Meine bei der angeborenen Luxation des Hüftgelenkes
gemachten Erfahrungen.
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XV. Hft 2-4.)
Verf. berichtet über seine in den letzten Jahren gemachten Erfahrungen.
Durch Verbesserung der Verbandmethoden sind auch die Resultate besser geworden.
Verf. gipst das Knie der operierten Seite und die Hälfte der nicht operierten Seite
mit ein. Auf starke Extension verzichtet er. Von 97 unblutig eingerenkten Hüften,
bei denen die Behandlung abgeschlossen ist, wurden 34 Transpositionen erzielt,
58 Repositionen und 5 Reluxationen (59,8% anatomische Heilungen).
J. Riediuger (Würzburg).
30) F. Wette. Über Hüftgelenksverrenkungen nach Koxitis im Säug-
lingsalter.
= (Zeitschrift orthopäd. Chirurgie Bd. XV. Hft. 2—4.)
Verf. berichtet über 3 Fälle aus der Hoffa’schen Klinik. Es handelt sich in
der Regel um Distensionsluxationen trotz Eiterung. Die Atiologie ist noch nicht
aufgeklärt. Auf dem Röntgenbild erscheint zum Unterschied von den angeborenen
Verrenkungen eine wohl ausgebildete, nur etwas flache Pfanne.
J. Riedinger (Würzburg).
1180 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44.
31) S. Silberstein. Zur mechanischen Behandlung der Hüftgelenks-
kontrakturen.
{Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XV. Hft. 2—4.!
Verf. beschreibt die technische Verbesserung einer von ihm schon beschriebenen
Verbandmethode bei Koxitis und Hüftgelenkskontrakturen. Sie. gestattet eine
gute Fixation des Stumpfes in Gipsverband und einen schonenden, allmählich zu
verstärkenden Zug in der Richtung des Beines mit verhältnismäßig einfachen
Vorrichtungen. J. Riedinger (Würzburg).
32) Krüger. Zur Kenntnis der isolierten Fraktur des Trochanter
major.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXIII. p. 464.)
Beobachtung der Jenenser Klinik. Pat., ein Maurer, von nicht angegebenem
Alter, war 5 Monate vor seiner Aufnahme 6 m hoch auf die rechte Hüfte gefallen.
Bei freier Beweglichkeit im Hüftgelenk zeigten sich starke Schmerzen der
Trochantergegend, später mächtige Schwellung der Hüfte und des ganzen Ober-
schenkels, nach deren Schwinden unter Einreibungen und hydropatischen Umschlagen
hinter dem Trochanter eine tastbare und Röntgenschatten gebende feste Masse
zurückbleibt. In der Klinik bestätigte sich die vom vorbehandelnden Arzt auf
Trochanterbruch gestellte Diagnose. Pat. zeigte starke Innenrotation des Ober-
schenkels (Folge des Trochanterabrisses, da hiermit die Auswärtsrotatoren wirkungslos
werden); die Hüfttrochantergegend ist stark abgeflacht, statt dessen bei Betrachtung
von hinten die der Trochantergegend angrenzende Partie etwas verdickt und hier
die dem abgerissenen Trochanterstück entsprechende fast walnußgroße, harte,
wenig bewegliche, in schwieliges Gewebe eingebette Knochenmasse fühlbar. Hüft-
bewegungen etwas eingeschränkt, namentlich hinsichts Beugung, die, nur bis zum
rechten Winkel möglich, dem Pat. ein knirschendes Gefühl verursacht. Röntgen
zeigte sehr klar das völlig abgetrennte und nach oben und einwärts verlagerte
Trochanterstück, außerdem ein linsengroßes und ein noch kleineres Bruchstück.
Pat. lehnte die ihm vorgeschlagene Exzision ab und erhielt eine Unfallsrente.
Kurze Hinweise auf sonstige Beschreibungen der sehr seltenen Verletzung,
deren Heilungsverlauf stets sehr langdauernd und deren Endresultat unsicher ist.
Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
33) Francke (Altenburg). Zur Kasuistik der angeborenen Coxa vara.
‚Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XV. Hft. 2—4.)
Verf. hat bei drei Geschwistern im Alter von 13/, bis 61/, Jahren die zuerst
von Hoffa als angeboren bezeichnete Form der Coxa vara beobachtet. Die haupt-
sächlichsten Veränderungen ergeben sich aus dem noch nicht aufgeklärten Ver-
halten der Epiphysenfugen. J. Riedinger (Würzburg).
34) Creite. Beitrag zur Pathologie der Kniescheibe.
(Deutsche Zeitschrift fiir Chirurgie Bd. LXX XIII. p. 179.)
Mitteilung über zwei seltene Kniescheibenerkrankungen, die in der Braun-
schen Klinik zu Göttingen beobachtet sind. Fall 1: Osteomyelitis patellae.
18jähriger Landwirtssohn, 2 Monate vor seiner Aufnahme an Influenza erkrankt,
nach deren Beginn 8 Tage später eine Knieschwellung eintrat. Man findet bei
dem fiebernden Kranken eine Knieschwellung mit Erguß und Beugestellung, dazu
Infiltration der unteren Oberschenkelhälfte, aber ohne Abszeß, so daß Osteomyelitis
femoris annehmbar schien. Erheblicha Besserung in den nächsten Wochen, so daß
Pat. zunächst entlassen wird. 12 Wochen später wieder aufgenommen, zeigt der-
selbe am Oberschenkel unten innen einen Abszeß, der, wie bei seiner Eröffnung
nachweisbar, auf eine rauhe Stelle an der mit dem Oberschenkel knöchern ver-
wachsenen Kniescheibe führt. Querschnitt ins Gelenk, Losmachung der Knie-
scheibe, die in der ausgedehnt rauhen Gelenkfläche einen gelösten, von Granula-
tionen umgebenen flachen, kortikalen Sequester trägt. Kniegelenk durch binde-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 1181
gewebige Verwachsungen verödet. Exstirpation der Kniescheibe, Vernäbung der
Tricepssehne mit dem Lig. patellae, glatte Heilung mit steifem Knie. Es handelte
sich also um eine subakute Kniescheibenosteomyelitis, wahrscheinlich veranlaßt
durch Influenzabazillen. Fall2: Sarkom der Patella. Das seit 2 Monaten chronisch
erkrankte, spindelförmig aufgetriebene Knie des 42jährigen, kräftigen Pat. machte
zunächst den Eindruck einer Gelenktuberkulose und wurde nach einer Karbol-
auswaschung eingegipst. 5 Wochen später zeigte sich die Schwellung gewachsen
und eine faustgroße fluktuierende Stelle in der Kniescheibengegend vorhanden,
deren Punktion leicht getrübte rötliche Flüssigkeit ergibt. Da diese sich binnen
8 Tagen wieder ansammelt, Inzision, die in eine apfelgroße, bluthaltige und mit
graurotem, weichem, leicht blutendem Gewebe austapezierte Höhle führt. Aus
letzterer ausgeschabte Massen zeigen mikroskopisch Spindelzellensarkom, weshalb
wenige Tage später die Geschwulstexstirpation vorgenommen wird. Die Knie-
scheibe ist in der Geschwulst völlig aufgegangen, im übrigen von dieser die Quadri-
cepssehne weithin ergriffen, ebenso der vordere Teil der Gelenkkapsel. Resektion
des Kniegelenkes, wobei sich die Knochensägeflächen als gesund erwiesen. Heilung
mit nach 5 Monaten konstatierter Rezidivfreiheit. Im ÖOperationspräparate fanden
sich außer großen spindeligen Sarkomzellen osteoblastenähnliche Riesenzellen, so
daß der Ausgang der mn. von der Kniescheibe wahrscheinlich war.
Meinhard Schmidt (Cuxhaven!.
35) Bötticher. Doppelseitige Kniescheibenverrenkung.
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 28.)
Das Leiden wurde in zwei aufeinander folgenden Sitzungen durch Tendoplastik
geheilt. (Genaueres ist nicht angegeben.) Borchard (Posen.
36) E. Ruppauer. Zur Kenntnis der irreponiblen Kniegelenksluxa-
tionen.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXIII p. 564.)
Beobachtung aus dem Kantonspital zu Glarus (Dr. Fritzsche). Öö6jähriger
Alkoholiker, steigt mit einer Last Holz auf dem Rücken einen steilen und holpe-
rigen Bergweg hinab, wobei er zum Sturz kommt. Er blieb mit dem rechten
Fuß in einer Baumwurzel hängen, schnellte dann, um mit seiner Last nicht nach
vorn zu fallen, rasch mit dem Körper zurück und fiel auf den Rücken. Nach Auf-
wachen aus einer Ohnmacht Unfähigkeit zu gehen, Schmerzen im Knie, so daß
Pat. ins Tal getragen werden mußte, wo der Arzt die eingetretene Verrenkung
nicht reponieren kormte und den Pat. dem Spital überwies. Das rechte Knie stand
leicht gebeugt, der Unterschenkel leicht abduziert und nach außen rotiert. Die
Kniescheibe ist nach außen auf den Condylus femoris ext. luxiert und fest verhakt.
Lateral und unterhalb des letzteren springt ein Stück der Schienbeingelenkfläche
vor, während auf der inneren Seite des Knies fast der ganze Umfang des dicht
unter der Haut gelegenen inneren Femurcondylus abzutasten ist. Großes Hämatom
auf der Innenseite des Oberschenkels, in dessen unterem Drittel. Da unblutige
Reposition mißlang, Operation mittels 20 cm langen Schnittes an der Knieinnen-
seite über den vorspringenden Femurcondylus, unten etwas nach außen um-
biegend. Entleerung des Hämatoms; das Lig. laterale int. ist zerrissen, über dem
Condylus die Gelenkkapsel abgerissen. Eine 3 cm breite Partie des M. vastus int.
ist abgetrennt und liegt straffgespannt in der Fossa intercondyloidea. Sie zieht
die Gelenkkapsel in den Spalt zwischen Condylus und Tibia mit hinein. Nach-
dem diese Muskelpartie getrennt, gleitet die Kniescheibe leicht an ihren normalen
Platz, auch ist das Gelenk jetzt einsehbar und zeigt Zerreißung und Auffaserung
der Ligg. cruciata. Reposition des Schienbeines, Resektion des abgelösten Muskel-
stranges des Vastus int., Naht. Die Heilung erfolgte unter mehrfachen Ab-
szedierungen, so daß die Kniebeugung nur gering wär. Indes wurde Pat. wieder
arbeitefahig; über seinen späteren Zustand ist nichts bekannt.
R. stellt dem eigenen Falle noch 12 andere irreponibler Knieverrenkungen
im Krankengeschichtsauszug an die Seite. Von ihnen wurden 8 blutig reponiert,
1182 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44,
2 blieben unreponiert, 2 wurden amputiert. Die Ansicht Pagenstecher’s, daß
die Irreponibilität häufig durch Verhakung eines Schenkelcondylus in dem Gelenk-
kapselriß, also durch eine Art Knopflochmechanismus bedingt sei, scheint, wie
durch R.'s Beobachtung, auch durch mehrere andere Fälle bestätigt.
Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
37) J. M. Sacharow. Extraktion von 61 Gelenkmäusen aus einem
Kniegelenk.
(Russ. Archiv fiir Chirurgie 1905. [Russisch.))
Der Kranke fiel vor 24 Jahren auf das Knie. Bald darauf bemerkte er das
Auftreten erbsengroßer Körperchen im Gelenk.
In drei Sitzungen mit Intervallen von ca. 3 Wochen wurden durch Arthrotomie
61 Gelenkkörper entfernt, die ein Gesamtgewicht von 70,3 g hatten. Bei der ersten
Operation wurde eine Synovialfalte exzidiert — in einem oberen Recessus des Ge-
lenkes —, die dicht mit dünnen Zotten besetzt war, die z. T. nur die Dicke von
Borsten hatten, aber fast alle am Ende knopfartige Verdickung trugen. Die Ver-
dickungen waren hirsekorngroß und größer und von derber Konsistenz. Mikro-
skopisch bestanden die Zotten aus gefäßarmem Bindegewebe, die Verdickungen
enthielten Knorpel. V. E. Mertens (Breslau).
38) Bergmann. Meniscusluxationen im Kniegelenk.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXIII. p. 526.)
B. veröffentlicht aus dem Krankenhause Huyssens-Stiftung in Essen-Ruhr
(Chefarzt Dr. Morian) drei neue einschlägige Beobachtungen. In den beiden
ersten, derselben war die Bandscheibenverletzung akut durch Trauma entstanden,
und zwar durch einen Fall, bei dem das gebeugte Kniegelenk eine starke Drehung
zwischen Ober- und Unterschenkel erlitt. Im dritten Falle dagegen, der sich als
sog. spontane Verrenkung nach v. Brune darstellt, hatte Pat. plötzlich beim Gehen
den ersten heftigen Schmerz im Kniegelenke gespürt, dem späterhin die gewöhn-
lichen einklemmungsartigen Funktionsstörungen und Beschwerden folgten. In allen
Fällen war bei gewissen Kniebewegungen die verschobene bzw. zerissene Band-
scheibe in abnormer Weise als gelenkmausartiger, vorschlüpfender Körper tastbar
und wurde überall nach Inzision des Gelenkspaltes exstirpiert. Die Pat. wurden
von den früher bestehenden schweren Gelenkstörungen zwar befreit, doch nur der
dritte, bei dem es sich um die Spontanverletzung handelte, gänzlich hergestellt.
Von den beiden anderen konnte einer erst nach etwa einem Jahre die Arbeit
wieder aufnehmen, erlitt aber dann noch wiederholt einklemmungsartige Be-
schwerden, die auf abnorme nachweisbare Lockerung im Knie zu beziehen und
durch eine 25%ige Rente nach Ansicht des Pat., eines Bergmannes, noch nicht
genügend entschädigt sind. Auch der zweite Pat. hat noch über subjektive Be-
schwerden zu klagen, weist meßbare Oberschenkelmuskelschwäche auf und bezieht
15% Rente.
In dem gründlich durchgearbeiteten allgemeinen Teil der Abhandlung erörtert
B. die normale Bewegungsmechanik des Kniegelenkes nach den Angaben Zup-
pinger’s und erläutert, diese Verhältnisse zugrunde legend, den Entstehungs-
mechanismus der Bandscheibenverschiebungen und Zerreißungen insbesondere bei
der Torsion im Kniegelenke. Die Symptomatologie wird eingehend besprochen
und hinsichts der Therapie neben der operativen auch die allerdings seltener brauch-
bare konservative Behandlung des Ubels gewürdigt. Bei der Operation wird
hervorgehoben, daß häufig unter Umständen eine Partialexstirpation der Band-
scheibe angängig ist. Um diese dem Messer zugänglich zu machen, tut bei flek-
tiertem Knie die Eindrängung einer geballten Faust in die Kniekehle gute Dienste
und macht ohne das erforderliche größere Inzisionen entbehrlich. Der Erfolg der
Operation ist, wie auch die eigenen Fälle B.'s zeigen, keineswegs immer ein ganz
tadelloser, was bei der feinen und durch die Bandscheibenentfernung stets grob
lädierten Mechanik des Kniegelegkes nicht auffallend ist.
Meinhard Schmidt (Cuxhaven.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44. 1183
39) E. Schmidt. Ein Fall von Ganglion am Kniegelenksmeniscus.
(Aus Dr. Fr. Haenel’s Privatklinik in Dresden.)
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 29.)
Das nach einem Fall entstandene Ganglion kommunizierte nicht mit der Knie-
gelenkshöhle und wurde, nachdem die Exstirpation zweimal erfolglos gewesen, erst
nach Entfernung des makroskopisch allerdings unveränderten Meniscus definitiv
geheilt. Mikroskopisch zeigte sich Fehlen einer Endothelschicht in den mit gal-
lertiger Flüssigkeit gefüllten Hohlräumen., Kramer (Glogau).
40) H. Gage. Rupture of the quadriceps extensor tendon.
(St. Paul med. journ. 1906. Juli.)
Verf. hatte Gelegenheit, innerhalb eines Jahres fünf Fälle von Ruptur der
Quadricepssehne an vier Pat. zu beobachten (Fall 4 doppelseitig). Von diesen fünf
Fällen wurden vier genäht, einer mit Schiene behandelt. Zwei Pat. heilten primär,
Fall 4 (doppelseitig) konnte aus nicht näher angegebenen Gründen nicht im Bette
gehalten werden; die Folge davon war, daß die Nähte nicht hielten und eine
Diastase von 4 resp. 6 cm zurückblieb. Exakte Messungen haben ergeben, daß in
den beiden ersten operierten Fällen die Streckung zur Norm zurückkehrte, in dem
unblutig behandelten Falle, der übrigens nach 3 Monaten durch Unvorsichtigkeit
wieder riß, 155°, und in dem doppelseitigen Falle 120° resp. 160° betrug. Verf.
tritt angesichts der günstigen Resultate für baldige Naht ein.
Levy (Wiesbaden).
41) Chevassu. Fracture de la tuberosite externe du tibia.
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXII. p. 270.)
C. gibt die Krankengeschichte eines Artilleristen, der bei einem Sturze von
einem umschlagenden Geschütze durch direkte Gewalt einen Bruch des lateralen
Teiles der oberen Gelenkfläche der Tibia sich zuzog. Das funktionelle Resultat
nach Heilung der ziemlich seltenen Fraktur war ein relativ gutes. Es war außer
leichtem Hinken auf dem kranken Bein nur eine mäßige Behinderung der extremen
Beugung und geringes Schlottern des Kniegelenkes zurückgeblieben.
Thümer (Chemnitz).
42) A. Martina. Myxofibrosarkom der Bursa achillea post.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXII. p. 317.)
Die in der Grazer Klinik gemachte Beobachtung betrifft einen 29jährigen
Offizier, der vor 6 Jahren einen linksseitigen Knöchelbruch erlitten hatte und
nun seit 4 Wochen an derselben Körperseite Schwellung an der Achillessehne,
Schmerzen und behinderte Beweglichkeit im Fußgelenke (namentlich hinsichts
Dorsalflexion) bemerkt hatte. Befund: erhebliche höckerige harte Geschwulst zu
beiden Seiten der Achillessehne und vor derselben, deren verdünnte, nicht ver-
wachsene Hautdecke merkbare Venenzeichnung aufweist. Die Exstirpation der
Geschwulst mittels Schnitt zu beiden Seiten der Achillessehne gelang dank guter
Einkapselung derselben unschwer. Heilung wegen Hautnekrose erst in 6 Wochen
aber mit Herstellung guter Beweglichkeit und Rezidivfreiheit bislang, d. h. 6 Monate
post oper. Histologie: Myxofibrosarkom.
Der Krankengeschichtsmitteilung folgt Epikrise mit Literaturberücksichtigung,
wobei bemerkt wird, daß Verf. einen Parallelfall nicht finden konnte. (Ref. kann
auf einen solchen von Wiesinger hinweisen. Cf. Deutsche Zeitschrift für Chirurgie
Bd. XLIII p. 607.) Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
43) E. Becker. Zur Behandlung der Fersenbeinbrüche.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXIII. p. 570.)
Es handelte sich um einen Kompressionsbruch des Fersenbeines, den ein
28jähriger Arbeiter durch Fall 8—9 m tief in einen offenstehenden Fahrstuhl er-
litten hatte. Wie Röntgen zeigt, war der hintere sowie der vordere an das Würfel-
1184 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 44.
bein stoßende Fortsatz abgesprengt; an der Unterfläche ragte ein spitzer Knochen-
sporn hervor, und auch der Proc. inframalleolaris war horizontal abgebrochen.
Nach 10tägigem Alwarten unter Ruhigstellung und Fisblase Operation. Durch
zwei kleine Hautknopflochschnitte außen und innen an der Hackengegend wird
ein Elevatorium quer unterhalb des Fersenbeines durchgestoßen und dann durch
energischen Zug nach oben an Griff und Spitze des Elevatoriums — also durch
eine dem Fall auf die Füße entgegengesetzte Kraftentwicklung — die Reposition
der Bruchstücke bewerkstelligt. Um sie in richtiger Lage zu fixieren, wird ein
Drillbohrer von hinten nach vorn durch Haut und Knochen in der Mittelebene
des Fersenbeines vorgeschoben, nachdem vorher mittels Röntgen festgestellt war,
wie weit der Bohrer vorgehen konnte, ohne in das Fersenbein-Würfelbeingelenk
zu geraten. Um nacher nicht etwa den richtigen Verlauf des Bohrkanals mit
Nagel und Schraube zu verfehlen, läßt man den Bohrer einfach liegen. Guter
Verlauf. 6 Wochen später wird noch der Knochensporn auf der Sohlenseite ab-
gemeißelt und der wacklig gewordene Bohrer entfernt. Medikomechanische Nach-
behandlung, vorzügliches Endresultat. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
44) Serafini. Frattura da causa indiretta dell’ osso navicolare del
tarso.
(Arch. di ortopedia 1906. Nr. 3.)
S. sah eine Fraktur des Os naviculare durch übermäßige Plantarflexion und
gleichzeitige Supination des Fußes. E. Pagenstecher (Wiesbaden).
45) K. Gaugele. Uber einen Fall veralteter Subluxation des Os navi-
culare am Fuß.
‘Zeitschrift fiir orthopäd. Chirurgie Bd. XV. Hft. 2—4.)
Die sehr seltene Verletzung wurde bei einem 57 Jahre alten Manne durch
Röntgenstrahlen festgestellt. Es handelte sich um eine Subluxation nach innen
durch direkte Gewalt (Fall eines schweren Gegenstandes auf den FußBrücken) vor
17 Jahren. Das am meisten hervortretende Symptom war die stark ausgeprägte
Plattfußstellung. Die Funktionsstörungen waren verhältnismäßig gering. Pat.
bezieht eine 20%ige Unfallrente. J. Riedinger Würzburg).
46) Ewald. Die amniogene Entstehung des angeborenen Klumpfußes.
‘ (Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XV. Hft. 2—4.)
Verf. bringt einen kasuistischen Beitrag aus der Vulpius’schen Klinik zu
Heidelberg. Ein 8 Monate alter Knabe zeigte links einen Klumpfuß und mehrere
sich kreuzende Umschnürungsnarben, von amniotischen Strängen herrührend, am
Unterschenkel. Am rechten Fuß fand sich Syndaktylie und Polydaktylie. Auf
den Mechanismus der Entstehung der Mißbildung geht Verf. näher ein. In der
Literatur hat er nur einige analoge Fälle gefunden.
J. Riedinger (Würzburg).
47) Dreuw. Mitteilungen aus der Praxis.
(Monatshefte fiir prakt. Dermatologie Bd. XLII. Nr. 4.)
I. Ein Prostatamassageinstrument, mit dem man zugleich faradisieren
kann, besteht in einem dünnen Metallplättchen, das auf dem Finger oder auf einem
Gummifinger mit Paragummi befestigt wird, und durch einen dünnen Metallfaden
an die eine Elektrode eines faradischen Apparates befestigt wird.
DI. Ein Mastdarmobturator, welcher wesentlich in einem Gummiballon
besteht, kann leicht in erschlafftem Zustand in den Mastdarm eingeführt und von
dem Pat. durch einen zweiten Gummiballon aufgeblasen werden.
Jadassohn (Bern).
Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man
an Prof. B. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags;
handlung Breitkopf & Härtel, einsenden.
Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel i in Leipzig, Nürubargerattane 36/38.
Zentralblatt
CHIRURGIE
herausgegeben
E. vo Bergman, Fh, iite,
Dreiunddreißigster Jahrgang.
EEE EEE EEE EEE E E e e EE S E D
Wöchentlich eins Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei halbjähriger
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.
Nr. 45. Sonnabend, den 10. November. 1906.
Inhalt: v. Hacker, Zur Pharyngotomia suprahyoidea. (Original-Mitteilung.)
1) Bonnette, Geschoßdeformationen. — 2) Löwenstein, Trauma und Sarkom. — 3) v. Ver-
chély, Myelom. — 4) Strauss, Rankenneurom. — 5) Wittstein, Das Wetter und die chirurgi-
schen Hautaffektionen. — 6) Noeske, Hautverpflanzung. — 7) Steiner, Behandiung Haut-
kranker. — 8) Calot, 9) Willard, Gelenktuberkulose. — 10) Hohmann, Gelenkkontrakturen.
— 11) Pochhammer, Spinalanalgesie. — 12) Röhricht, Glykosurie nach Athernarkosen. —
13) Beck, Deckung von Schädellücken. — 14) Výmola und Kutvirt, Sauerstofftherapie bei
Ohrkrankheiten. — 15) Corner, Rückenmarkserschütterung. — 16) Perrone, Skoliose. —
17) Micholski, Basedow’sche Krankheit. — 18) v. Navratil, Deckung von Speiseröhrennähten
mit Schilddrüse.
I. E. Cordua, Zu der dorsalen Fixation des Armes bei Schlüsselbeinbruch. — II. Bur-
meister, Jodcatgutpräparation. (Original-Mitteilungen.)
19) Follenfant, Kriegsbericht. — 20) Wyss, Entstehung des Krebses. — 21) Rubesch,
253 v. Brunn, Elephantiasis. — 23) Cheatie, Nävus. — 24) Kraus, Erythema induratum. —
25) Gregor, 26) Steinthal, 27) Milk6, 28) Schnurpfeil, 29) Borszéky, 30) Pantovié, 31) Mo-
lek, Narkotisterung und Anasthesierung. — 32) Widal, Roy, Froin, Akromegalie. — 33) Mas-
land, Zur Trepanationstechnik. — 34) Köhl, Zur Chirurgie der Augenhöhle. — 35) Monnier,
Medianspalte des Gesichts. — 36) Lévy und Baudoin, Faciallskrampf. — 37) Wittek, Wirbel-
bruch. — 38) Chlumsky, Scoliosis traumatica und Diabetes nach Blitzschlag und Trauma. —
39) Kopits, Stützkorsett bei Skoliose.
Zur Pharyngotomia suprahyoidea.
Von
Prof. v. Hacker in Graz.
Ich habe auf Grund eines von mir im Mai 1904 operierten Falles
in der Sitzung des Vereins der Arzte Steiermarks in Graz vom 25. Mai
1906 einen kurzen Vortrag: Ȇber die Pharyngotomia supra-
hyoidea« gehalten. Damals war über einen derartigen am Lebenden
unternommenen Eingriff noch nichts bekannt geworden. Im nach-
folgenden teile ich einen Auszug des Autoreferates desselben mit. —
Bei den Fachgenossen dürfte das Interesse für diese Operation neuer-
dings wachgerufen worden sein durch die Mitteilungen des Herrn Prof.
45
1186 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45.
J. K. Spisharny und des Herrn Dr. L. Grünwald, von denen der
erstere in Nr. 29 d. Zentralbl. über einen später, der letztere in Nr. 36
über einen bereits früher operierten solchen Fall berichtete. —
»Hinsichtlich der Technik der Pharyngotomie mittels eines Quer-
schnittes, die man auch als transversale Pharyngotomie bezeich-
nen kann, sind die Selbstmörder die Lehrmeister der Chirurgen ge-
worden. Beim Selbstmordversuch wird der Schnitt meist unterhalb
des Zungenbeins geführt. Die Beobachtung solcher Fälle, in denen
die Membrana thyreohyoidea durchtrennt worden war, wobei der Kehl-
kopfeingang und Pharynx sichtbar wurde, und die Heilung solcher
Fälle dürfte zur Einführung der Pharyngotomia subhyoidea ge-
führt haben; der Vorschlag zur Pharyngotomia suprahyoidea er-
folgte direkt auf Grund der Beobachtung einer Pharynxeröffnung durch
einen über dem Zungenbein eingedrungenen Selbstmordschnitt. — —
In neuester Zeit hat Kocher wieder sehr die Pharyngotomia sub-
hyoidea empfohlen. Die Tracheotomie vermeidet er, wenn möglich;
nur wenn ein Nervus laryngeus verletzt wurde, sei sie sekundär aus-
zuführen, sonst sei sie durch entsprechende Schräglagerung zu ersetzen;
die Allgemeinnarkose wird durch Lokalanästhesie und Kokainpinselung
der Schleimhaut ersetzt.
Wo dies möglich ist, hält v. Hacker diesen Vorgang für sehr
empfehlenswert; er konnte dies zweimal bei Larynxoperationen erproben,
die geradezu ideal, ohne die geringsten störenden Nacherscheinungen,
verliefen.
In Innsbruck führte er bei einem sehr energischen, einige 60 Jahre alten
Mann unter Lokalanästhesie und Schleimhautbepinselung zuerst eine Laryngofission
aus. Aus der beabsichtigten partiellen wurde eine totale Larynxexstirpation (wegen
Karzinom) mit Gluck’scher Herausnéhung der Trachea. Hier in Graz handelte
es sich in einem von der Klinik des Prof. Habermann transferierten Fall um
die Exzision eines beginnenden Stimmbandkarzinoms mittels der Laryngofission.
Im Jahre 1895 wurde von Jeremitsch m Moskau auf Grund
der Beobachtung des Verlaufes eines mit primärer Naht behandelten
Selbstmordschnittes oberhalb des Zungenbeines, sowie auf Grund des
außerordentlich freien Zuganges, den diese klaffende Wunde zum
Larynxeingang und zu den hinteren und oberen Pharynxpartien gab,
die Pharyngotomia suprahyoidea als Operationsmethode statt der
Pharyngotomia subhyoidea empfohlen. Es wurden verschiedene Vor-
teile dieses neuen Verfahrens gegentiber dem bisher tiblichen geltend
gemacht, insbesondere daß sie viel mehr Raum und freien Zugang
verschaffe, namentlich wenn man an der Zungenwurzel operiere oder
die Totalexstirpation derselben u. dgl. ausführen wolle und vor allem,
daß dabei die Nervi laryngei sowie die Epiglottis nicht im mindesten
gefährdet werden.
Versuche am Kadaver, die v. Hacker auf diese Mitteilung hin
noch in Innsbruck ausführte, bestätigten diese Angaben und veranlaßten
ihn in einem geeigneten Falle, nach dem Verfahren am Lebenden zu
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 1187
operieren; er hatte dazu Gelegenheit bei einem auch sonst interessanten
Fall, in dem es sich um ein Rundzellensarkom des Zungen-
grundes handelte. Der 63jährige, stark abgemagerte und herab-
gekommene Mann konnte schon durch viele Wochen schwer schlucken,
zuletzt fast nur Flüssiges. Die Fixierung der Zunge beeinträchtigte
auch wesentlich seine Sprache. Es war Speichelfluß und eine leichte
Bronchitis vorhanden. Uber den Grund der Zunge wölbte sich eine
von vorn als über taubeneigroß erscheinende, hart anzufühlende Ge-
schwulst vor; beim Betasten erkannte man, daß dieselbe aber viel
ausgedehnter sei. Am Halse rechts vor dem Rande des Sternocleido-
mastoideus teils bohnen-, teils nußgroße harte Lymphdrüsen zu tasten.
Pat. verlangte eine Narkose, die von einer oberen Tracheotomie-
wunde aus bei Schräglage des Körpers und abhängiger Kopflage unter-
halten wurde (19. Mai 1904). Der Schnitt wurde jederseits bis zum
Rande des Kopfnickers geführt. Es konnten leicht die Drüsen damit
ausgeräumt und jederseits außer den Zungenbeinhörnern die Lingualis
unterbunden werden. Nach Durchtrennung der Muskulatur (Mylo-hyoid.
Geniohyoid., Biventerinsertion und Fasern der Hyogloss.) war der Zu-
gang zum Zungengrund und event. zu den hinteren und oberen
Pharynxpartien tatsächlich ein sehr freier. Der ziemlich große
Tumor konnte ebenso wie ein Teil der Epiglottis, in die der Tumor
übergriff, bequem mit dem Thermokauter abgetragen werden. Zurück-
nähung des restierenden Zungenteiles in voller Ausdehnung, Vereini-
gung der quer durchtrennten Halsmuskeln, Drainage der seitlichen
Wundwinkel, Entfernung der Kanüle. Der Wundverlauf war völlig
normal. Es traten jedoch Erscheinungen von Herzschwäche auf, und
am 10. Tage starb der Kranke, der durch einen durch die Nase ein-
geführten Schlauch ernährt worden war. Die Sektion ergab Degene-
ratio cordis, Pneumonia hypostat., Marasmus. Wunde per primam
geheilt.
Soweit dem Vortr. die Literatur bisher bekannt geworden ist —
genauer hat er dieselbe daraufhin noch nicht durchforscht —, scheint
dies der erste Fall zu sein, in dem Jeremitsch’ Vorschlag der
Pharyngotomia suprahyoidea am Lebenden ausgeführt wurde;
er hatte darüber bisher noch nicht berichtet, da er weitere eigene
Erfahrungen über diese Operation abwarten wollte Vor allem hätte
es ihn interessiert, die technisch leicht erscheinende und
günstige Wundverhältnisse bietende Operation vorher unter
Ausschaltung der Komplikationen der Narkose und der
Tracheotomie unter Lokalanästhesie bei entsprechender
Körperlagerung zu unternehmen, da er hoffe, daß unter diesen
Verhältnissen das ungünstige Moment, das sie mit der Pharyngotomia
subhyoidea gemeinsam hat, nämlich das der queren Durchtrennung
von beim Schlingakt wichtigen Muskeln, weniger in die Wagschale
fallen dürfte. Da sein Assistent Dr. M. Hofmann, der der Opera-
tion beiwohnte, das Verfahren wegen des durch dasselbe geschaffenen
Zuganges zu den hinteren, oberen Pharynxpartien als Voroperation
45*
1188 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45.
für die Operation der Nasen-Rachentumoren vorschlug, wurde
er veranlaßt, schon jetzt darüber zu berichten. Ein Auseinander-
weichen der Wundränder dürfte durch eine exakte Etagennaht wegen
der breiteren Schicht durchtrennter Muskeln hier leichter zu ver-
meiden sein, wie bei der Pharyngotomia subhyoidea. Im übrigen
dürften beide Operationen sich ziemlich gleich verhalten.— — — —
Weitere Erfahrungen werden also erst zeigen, inwiefern wir den
bisherigen Gefahren der transversalen Pharyngotomien, zum Teil durch
die bereits angeführten Maßnahmen, wirksam begegnen können. Dies
vorausgesetzt, glaubt der Vortr., daß gerade die Pharyngotomia
suprahyoidea wegen der Vorteile, die sie bietet, sich als ein sehr
leistungsfähiges Verfahren erweisen kann.«
1) Bonnette. Deformations et fragmentations des balles de
guerre dans les tirs de combat collectifs. Influence du terrain
sur ces deformations.
(Arch. de med. et de pharm. militaires 1906. Mai.)
Verf. hat während 4 Jahren auf dem Felde bei Bourg-en-Bresse,
wo das scharfe Gefechtsschießen stattfindet, die verschossenen Pro-
jektile des Lebelgewehres gesammelt, um deren Deformationen zu
studieren. Wie die Medizinalabteilung des Preußischen Kriegsmini-
steriums bereits 1894 durch Versuche feststellte, fand auch er die
mannigfaltigsten Formveränderungen des Geschosses und hat dieselben
durch Abbildungen in der Arbeit wiedergegeben. Es kann das
Geschoß sowohl an der Spitze (Pilzform), wie an der Basis, als auch
endlich an den Seitenfliichen deformiert werden. Es wurden Verbie-
gungen des Geschosses im Winkel, ferner Abreißungen kleiner Stücke
und Zerreißungen des ganzen Geschosses, Einreißen und Abstreifen
des Mantels angetroffen. Im Gegensatz zu diesem Lebelgeschoß ver-
änderte das neue mantellose aus Kupfer mit Zinkgehalt bestehende
D-Geschoß sein Gestalt weniger. Jedoch kamen auch hier Abplat-
tungen an der Spitze oder Basis, Biegungen und seitliche Abflachungen
vor. Infolge der auch auf größere Entfernungen dem D-Geschoß
innewohnende Durchschlagskraft und seiner vermehrten Größe werden
derartig veränderte Geschosse recht gefährliche Verletzungen hervor-
rufen. Ref. kann dem Verf. daher nicht zustimmen, wenn er das
D-Geschoß humaner als das Lebelgeschoß nennt.
Die Natur des Geländes wird auf die Deformierungen einen Ein-
fluß haben, insofern eine Gegend mit Granitfelsen stärkere Deforma-
tionen als Kalkfelsen oder Kieselsteine hervorbringt. Auf rein sandi-
gem Terrain werden die Deformationen natürlich selten sein.
Herhold (Altona!.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 1189
2) 8. Löwenstein. Der ätiologische Zusammenhang zwischen
akutem, einmaligem Trauma und Sarkom. Ein Beitrag zur
Ätiologie der malignen Tumoren.
(Beiträge zur klin. Chir. Bd. XLVIII. Hft. 3.)
Nach einer Literaturübersicht über die diametral verschiedene
Rolle, die von den einzelnen Pathologen dem akuten Trauma in der
Ätiologie der bösartigen Geschwülste zugewiesen wird, sucht Verf. für
die Beurteilung der praktisch ungemein wichtigen Frage, speziell in
bezug auf das Sarkom, neue Gesichtspunkte zu gewinnen und stellt
zu diesem Zwecke 111 Fälle aus der Literatur zusammen, in denen
ein solcher Zusammenhang sicher oder mit Wahrscheinlichkeit und
mit genügender Angabe der Gründe angenommen wurde, bringt auch
einen eigenen und 19 neue Fälle aus der Heidelberger Klinik als
kasuistischen Beitrag.
Die Sarkomdiagnose gründete sich stets auf mikroskopische Unter-
suchung. Unter 489 Sarkomen der Czerny’schen Klinik ergab sich
eine traumatische Atiologie in 4% der Fälle, während besonders ältere
Statistiken bis zu 20% berechneten. Das Trauma betraf allermeist
sonst gesunde Personen und war teils schwerer (Blutunterlaufung,
Schwellung, äußere Verwundung), teils leichte Art (obne stärkere
Schmerzen und Funktionsbehinderung).
Die Schmerzen verblassen meist mit Rückbildung des Blutergusses
und der reaktiven Hyperämie und setzen mit Beginn der Wieder-
anschwellung (Geschwulstentwicklung) aufs neue ein. Zwischen Schmerz
und sekundärer (Geschwulst-) Schwellung bestehen keine regelmäßigen
Beziehungen. Die nach vollständigem oder teilweisem Rückgang der
primären Schwellung auftretende Geschwulstschwellung beginnt meist
schon wenige Wochen oder Monate nach dem Trauma.
Die Verschiedenheit des Zellcharakters, der Wachstumsenergie,
der Lokalisation und der klinischen Erscheinungen erklären, weshalb
die Sarkomdiagnose oft schon früh, oft erst nach Jahren oder bei
der Sektion gestellt wird. Den Ausgangspunkt bildet überwiegend
das Knochensystem.
Für die Sarkomerkrankung überhaupt ergibt sich ein Verhältnis
von 3:1 für das männliche und weibliche Geschlecht, während für
die traumatischen Fälle das für Weiber wesentlich ungünstigere Ver-
hältnis von 2:1 berechnet wird. Einen recht beachtenswerten Unter-
schied für die Beteiligung der Geschlechter findet Verf., wenn er die
Zeit der beginnenden sexuellen Betätigung (2:1) und des Klimak-
teriums (1:1) in Berechnung zieht, wobei natürlich die größere Ver-
letzungshäufigkeit der Männer berücksichtigt werden muß.
Nach der Theorie des Verf.s bildet eine individuelle zeitliche
Prädisposition (beim Weibe Schwangerschaft und Klimakterium) die
Ursache, um event. posttraumatisch an bösartigen Geschwülsten zu
erkranken.
Für die Anerkennung eines ursächlichen Zusammenhanges zwi-
1190 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46.
schen Unfall- und Sarkomerkrankung in der Unfallbegutachtung ver-
langt Verf.: |
1) Daß die Primärgeschwulst vom Orte der Gewalteinwirkung
oder einer durch Fortleitung der Gewalt nachweisbar geschädigten
Stelle ausgeht. |
2) Das Vorhandensein einer kontinuierlichen Brücke zwischen
Trauma und Geschwulstentwicklung erleichtert die Anerkennung eines
Zusammenhanges, ihr Fehlen darf aber für eine Verneinung nicht
maßgebend sein.
3) Die Latenzzeit ist nicht schematisch, sondern aus den konkreten
Verhältnissen, dem ganzen Symptomenkomplex und dem histologischen
Charakter der Geschwulst zu beurteilen. Reich (Tübingen).
3) v. Verchöly. Über das Myelom.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVIII. p. 614.)
Beschreibung eines Falles von Myelom des Brustbeines mit Meta-
stasen in den Wirbeln, Rippen und dem verknöcherten Ringknorpel,
der im Anschluß an eine endolaryngeale Probeexzision zum Tode und
zur Autopsie führte.
. Auf Grund sorgfältiger histologischer Untersuchung und Literatur-
studiums gelangt Verf. zu dem Schluß, daß dem Myelom eine selb-
ständige onkologische Stellung zukommt, die den Geschwülsten anderer
Gewebsgattungen (dem Myom, Gliom, Neurom, der Epithelgeschwulst)
gleichwertig und vom Sarkom zu trennen ist.
Die primären myelogenen Geschwülste (Myelome) können vom
Bindegewebsgerüste, den Endothelzellen und dem Lymphgewebe aus-
gehen und umfassen als zwei Grenzwerte die myelogene Pseudoleukämie
und das sog. Lymphosarkom der Knochen, welche Benennungen über-
flüssig und unrichtig sein sollen. Aus der polymorphen Struktur des
Knochenmarks und dem Mangel oder Vorhandensein von Heterotopie
ergibt sich die Einteilung der verschiedenen Formen des Myeloms.
Die klinischen Symptome desselben bestehen in erster Linie in
Geschwulstbildung, Deformation und Rarefikation des Knochens,
lokalem Schmerz und Albuminurie. Das ganze Krankheitsbild ist
klinisch noch wenig erforscht. Reich (Tübingen).
4) M. Strauss. Das Rankenneurom, mit besonderer Be-
rücksichtigung seiner Pathogenese.
(Deutsche Zeitschrift fiir Chirurgie Bd. LX XXIII. p. 111.)
Ein eigener, in der Greifswalder Klinik (Prof. Friedrich: be-
obachteter Fall gab S. Anlaß zu einer gründlichen Spezialstudie über
das Rankenneurom, von dem er gegen 110 Beobachtungen aus der
Literatur zusammenstellt und referiert, die er dann einer Allgemein-
besprechung zugrunde legt. Aus letzterer ist hervorzuheben, daß S.
eine Klassifizierung dieser Geschwülste in zwei Hauptgruppen, die
bislang noch nicht unterschieden wurden, vorschlägt.‘, Er unterscheidet
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 1191
nämlich eigentliche Ranken- und eigentliche plexiforme Neurome.
Die ersten zeichnen sich dadurch aus, daß sie sich in ein Gliemenge
von mehr oder weniger dicken Strängen auflösen lassen. Sie sitzen
auf nur einem Stiel, der keinem bekannten Nerven entspricht und
der sich dann flächenhaft in die Breite ausdehnt. Dieser Stiel geht
in die Tiefe und ist in seinem Sitz an ganz bestimmte Stellen an
Kopf und Rumpf gebunden, nämlich an die Augenhöhle und Um-
gebung (43 Fälle von insgesamt 79), die Ohrgegend (12 Fälle), den
Nacken (10 Fälle) und den Übergang der Lenden- in die Kreuzbein-
wirbelsäule (9 Fälle.) Das sind aber gerade die Stellen, an denen
mit Vorliebe jene Geschwülste sitzen, die dem Zentralnervensystem
oder dessen Hüllen ihren Ursprung verdanken und bei mangelndem
Schluß der Knochenhüllen bruchartig zum Vorschein kommen. Hier-
mit stimmt gut, daß bei den eigentlichen rankenförmigen Neuromen
ebenfalls des öftern Knochenspaltbildungen (Spina bifida occulta usw.)
beobachtet sind. Hingegen bilden plexiforme Neurome im eigent-
lichen Sinne ein Knäuel von neben- oder aufeinander gereihten ranken-
artigen oder knotigen Gebilden, das sich an den Verlauf eines be-
stimmten, meist pathologisch veränderten Nerven hält und wie ein
wirkliches Nervengeflecht deutlich Anfang und Ende erkennen läßt,
indem sich das Gebilde von einem Strang auflöst und sich wieder
zu einem Strange zusammen findet. Auch ist charakteristisch, daß
diese Geschwülste faßt ausschließlich die Extremitäten befallen. Weitere
weniger wesentliche Betrachtungen über Symptomatologie, klinisches
und anatomisch-histologisches Verhalten der Geschwülste mögen im |
Original eingesehen werden. |
Der eigene Fall S.’s betrifft ein eigentliches Rankenneurom und
besitzt die erwähnten Eigentümlichkeiten gerade dieser Geschwulst-
kategorie, auf die sich das Hauptinteresse der Abteilung konzentriert.
Es handelt sich um einen 12jährigen, etwas schwächlichen, doch sonst gesunden
Jungen, geboren mit einer kleinen Geschwulst auf dem Rücken, die im Alter von
2 Jahren haselnußgroß gewesen, dann langsam gewachsen war und seit 3 Jahren
Rückenschmerzen verursacht hatte. Sie stellt jetzt eine handtellergroße halb-
kugelige Verwölbung dar, deren Hautdecke hellbraun gefärbt ist, ebenso wie die an-
stoßende Flankenhaut beiderseits. Auch ist der Unterteil der pigmentierten Fläche
dicht mit weißen, einen Wirbel bildenden Haaren besetzt. Sehr harte und höcke-
rige Beschaffenheit der mit der Haut fest verwachsenen Geschwulst, die recht
druckempfindlich ist. Diese Verwachsungen müssen bei der Operation scharf ge-
trennt werden, auch ist die Geschwulst mit der Fascia lumbodorsalis fest verwachsen,
die teilweise mit weggenommen werden muß. Mit zwei derben Stielen haftet sie
in der Tiefe, und zwar gehen diese Stiele durch den gespaltenen 3. und 4. Lenden-
wirbelfortsstz. Die Heilung erfolgte glatt.
Von der anatomischen Untersuchung sei kurz angeführt, daß sich
strangartig und knäuelförmig angeordnetes Fasergewebe, teilweise myxom-
artig verändert, vorfand, und daß sich Nervenfasern, markhaltig und
marklos, in verschiedener Gestalt nachweisen ließen. Die Geschwulst
zeigte also in interessanter Weise die von S. den Rankenneuromen
zugeschriebenen Charakteristika. Makro- und mikroskopische Abbil-
1192 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46.
dungen zu dem Falle, ebenso ein 141 Nummern zählendes Literatur-
verzeichnis sind der Arbeit beigegeben.
Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
5) Wittstein. Das Wetter und die chirurgischen Haut-
infektionen.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLIX. p. 354.)
Zu obigem, von chirurgischer Seite wenig bearbeitetem Thema
liefert Verf. eine interessante Studie. Es wurden die Häufigkeits-
schwankungen der Staphylomykosen, also Furunkel und Karbunkel, in
Beziehung gesetzt zum Wetter, resp. den einzelnen metereologischen
Faktoren: Luftdruck, Lufttemperatur, relative Feuchtigkeit, Bewöl-
kung, Windrichtung und Windstärke, Niederschläge, Sonnenschein-
dauer. Dabei bewegte sich die Untersuchung nach zwei Richtungen,
einmal den Einfluß metereologischer Verhältnisse auf die ektogene
Bakterienflora, sodann auf die Disposition der menschlichen Haut zu
eruieren. Die Beziehungen der Witterungsmomente zur Hautinfektion
sind in zahlreichen Tabellen graphisch dargestellt.
Unter vorsichtiger Verwertung der gewonnenen Resultate lassen
sich folgende Schlüsse ziehen:
Furunkel und Karbunkel kommen entsprechend der ubiquitären
Natur ihres Erregers zu jeder Zeit und zu jeder Witterung vor.
Zu Winteranfang und -Ende jedoch, ferner im Hochsommer
treten sie besonders gehäuft auf. Unter den metereologischen Ein-
flüssen kommen hierfür in erster Linie Lufttemperatur, Sättigungs-
defizit und Windstärke in Betracht. Die Temperatur ist in der kalten
Jahreszeit durch ihre Schwankungen, in der warmen durch ihre
absoluten Werte, besonders wenn sie hoch sind, bedeutungsvoll. Für
die Feuchtigkeit spielen die Schwankungen die Hauptrolle, doch so,
daß im Winter eher zu hohe, im Sommer zu niedere absolute Zahlen
infektionsbegünstigend wirken.
Kräftige Winde sind in kalten Monaten eher von förderndem,
in den warmen von hemmendem Einfluß auf die Häufigkeit der Haut-
infektionen. Bei Betrachtung größerer Zeiträume scheint die Sonnen-
scheindauer die Erkrankungsziffer zu vermindern. Niederschläge zu
einer bestimmten Zeit wirken eher infektionshindernd. Bei andauern-
dem Nebel steigt die Furunkelzahl.
Alle diese metereologischen Faktoren werden in ihren Einflüssen
nur nach längerer Wirkungsdauer erkenntlich. Man kann daher nicht
anstehen, dem Wetter in der Atiologie aller chirurgischen Kokken-
infektionen, die von der Hautoberfläche ausgehen, eine nicht ganz
unwesentliche Rolle zuzuerkennen. Reich (Tübingen).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 1193
6) K. Noeske. Klinische und histologische Studien über
Hautverpflanzung, besonders über Epithelaussaat.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXIIL p. 213.)
N. hat als langjähriger Assitent v. Mangoldt’s eine reiche und
gründliche Erfahrung über die von diesem Chirurgen angegebene
Epithelaussaat gewonnen, auf Grund deren in vorliegender Arbeit
hierüber gesprochen wird. Er beginnt mit dem für die Praxis
wichtigsten Punkte, der Technik. Die Vorbereitung der zu be-
pflanzenden Granulationsfläche ist dieselbe wie bei dem Transplanta-
tionsverfahren von Thiersch; ebenso wird die Granulationsfläche
stets angefrischt, und zwar nicht mittels scharfen Löffels, sondern
mittels flachen Messerschnittes, wozu sich ein dünngeschliffenes (altes)
geknöpftes Messer besonders gut eignet. Die Epithelentnahme geschieht
mit einem scharfen aseptischen Rasiermesser, dessen Schneide man
senkrecht auf die mit der linken Hand gegengespannte Haut aufsetzt,
um die oberste Hautschicht in rasch wiederholten, einige Zentimeter
lang geführten Zügen abzuschaben, wobei Aufträufelung von etwas
Salzwasser die Sache erleichtert. Zunächst gewinnt man ein trockenes
Mehl von den obersten verhornten Epidermiszellen, das unbrauchbar
und zu beseitigen ist. Erst wenn das Messer die Zellen des Stratum
mucosum erfaßt, wird das Abschabsel verwendlich. Da dann auch
die Spitzen der Papillen geschädigt werden, gewinnt man einen ziegel-
roten, keimfähige Epithelzellen führenden Brei, der auf die Wunde zu
bringen ist. Dies geschieht mittels Myrtenblattsonde, die den Brei
überallhin verteilt. Deckung der Wunde mit Protektiv und Gaze, die
nicht angefeuchtet zu werden braucht; Verbandwechsel durchschnittlich
alle 2—3 Tage. In den ersten 2—3 Tagen verwandelt sich der auf-
getragene Epithelbrei in einen graugelben Brei, der nicht weggewischt
werden darf, höchstens vorsichtig durch Absaugen mit Tupfern ab-
zutrocknen ist. Nach 4—5 Tagen gewahrt man die ersten auf-
keimenden Epithelinselchen in Gestalt von mattglänzenden, bläulich-
weißen Flecken von 1—3 mm Durchmesser, die sich nun ganz ähnlich
wie Bakterienkolonien auf Gelatineplatten vergrößern und sich ent-
gegenwachsen, um miteinander und mit der die Wunde umrandenden
Epidermis zusammenzufließen. Dabei scheint die letztere durch die
Epithelisierung der zentralen Wundteile auch zu besonders lebhafter
Wucherung angeregt zu werden. Hinsichts der histologischen Befunde,
für welche Prosektor Geipel das Material von Probeexzisionen prä-
parierte, interessiert besonders der anscheinend gelungene Nachweis,
daß die rein epithelialen Zellelemente ohne Anhaftung von den Papillen-
spitzen mit entnommenem Bindegewebe zur Zellwucherung fähig sind.
N. färbte nämlich seine Präparate unter anderen auch nach Weigert,
wonach die elastischen Fasern durch Schwarzfärbung erkenntlich
werden. Da sich nun wuchernde Epithelinseln ohne zwischen ihnen
und der Unterlage eingeschobenen elastische Fasernetze finden, ist
anzunehmen, daß man Epithelabschabsel ohne sonstige Teile der
45**
1194 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45.
Papillenspitzen vor sich hat. Im übrigen sieht man die Wundfläche
zunächst von einer Schicht Zellen überzogen, die den zylindrischen
Basalzellen der Schleimschicht entspricht, wenn auch an Gestalt mehr
rundzellig ist. Die Zellen dieser Schicht sind mit feinen Ausläufern
in der Unterlage eingefügt, schicken auch in diese in die Tiefe
wuchernde Zapfen, wodurch eine Art Papillenbildung entsteht. Prä-
parate von Transplantation nach Thiersch zeigen ferner außer der
den Läppchen zugehörigen Epithelisierung hier und da ganz isolierte
kleine Epithelinselchen, von denen N. annimmt, daß sie zufällig mit-
ausgesäten Einzelzellelementen entstammen.
Praktisch ist die Epithelaussaat für dieselben Aufgaben verwertbar
wie die Thiersch’sche Transplantation. Die Heilung dauert länger
als diese, dagegen ist die Entnahme des Hautmateriales weniger
schmerzhaft als bei Thiersch und darum besser ohne Narkose tunlich.
Auf unebene Wundflächen aber, wie auf die Knochenhöhlen nach
Warzenfortsatz- oder Mittelohraufmeißelung, und nach Nekrotomien
an den langen Röhrenknochen ist die Epithelaussaat viel besser
praktikabel. In passend gezogenen Grenzen vermag sie völlig be-
friedigendes zu leisten. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
ee
7) M. Steiner. Zur externen Behandlung Hautkranker.
‘Berliner klin. Wochenschrift 1906. Nr. 11.
Verf. kann auf Grund seiner guten Erfahrungen, für welche er
einige Belege durch Krankengeschichten gibt, das von der Firma
Chemische Werke Fritz Friedländer (Berlin) in den Handel ge-
brachte Präparat — Teerdermasan — den Kollegen als wirklich vor-
züglich empfehlen. Das Medikament hat in hervorragendem Maße
juckstillende, schälende und austrocknende Eigenschaften und ruft
weder lokale Reizungen noch allgemeine Intoxikationen hervor. Er-
probt wurde das Teerdermasan bei Ekzemen jeder Art und jeden
Stadiums, bei Pityriasis, bei Pemphigus und bei Krätze.
nn Langemak (Erfurt).
8) F. Calot. Diagnostic de larthrite tuberculeuse au début.
(Arch. prov. de chir. 1906. Nr. 6.)
C. weist auf die große Schwierigkeit der Diagnose tuberkulöser
Erkrankungen des Gelenkapparates im Beginne der Erkrankung hin
und gibt eine Anzahl von wohl zum größten Teil allgemein bekannten
Anhaltspunkten an, die eine exakte Diagnose auch im ersten Beginn
ermöglichen. Zunächst rät er, stets den ganzen Körper zu unter-
suchen und die homologen Gelenke zu vergleichen. Druckempfindlich-
keit der Gelenklinie, bzw. der Kapselansatzstellen, Empfindlichkeit
und Beschränkung der Beweglichkeit sind allgemeine Zeichen jeder
Gelenkentzündung. Für Tuberkulose sprechen Veränderungen der
Kapsel — in der Dicke und Konsistenz —, Atrophie der dem be-
treffenden Gelenke benachbarten Muskeln, oft verdeckt durch eine
Zentrelblatt für Chirurgie. Nr. 45. 1195
Verdickung der Haut — Emporheben einer Hautfalte —, der ver-
schlimmernde Einfluß von Massage und Bewegungen des Gelenkes.
Zur Prüfung geringer Veränderungen der Synovialis besonders beim
Kniegelenk, empfiehlt C., mit der Hand vom Ober- bezüglich Unter-
schenkel her gegen das Gelenk hin zu streichen; man wird dann leicht
auch kleine Unterschiede, die sich durch einen Wulst u. dgl. anzeigen,
bemerken. Die Röntgenographie leistet für die Diagnose im Anfangs-
stadium der Gelenktuberkulose fast nichts. C. lenkt ferner die Auf-
merksamkeit bei der Beurteiluug zweifelhafter Fälle auf die leichten
abendlichen Temperatursteigerungen — wenige Zehntel Grad — und
die fortdauernd erhöhte Pulsfrequenz. Ref. kann dieser Beobachtung
aus eigener Erfahrung zustimmen und möchte die kleine interessante
Arbeit, die ein kurzer Auszug einer größeren im Erscheinen be-
griffenen Abhandlung C.’s »Technik der Behandlung der Gelenktuber-
kulose« ist, angelegentlichst empfehlen. Müller (Dresden).
9) F. Willard. Joint diseases, especially those of children.
(New York and Philadelphia. med. journ. 1906. Juni 23.)
W. gehört zu den zahlreichen Amerikanern, die für chirurgische
Tuberkulosen auf das wärmste dauernden Aufenthalt in der freien
Luft, Tag und Nacht, empfehlen (vgl. Halsted, ds. Zentralblatt 1906,
p- 880). Die Befürchtung, daß dadurch Erkältungskrankheiten her-
vorgerufen würden, weist er mit folgenden Worten zurück: »Er-
kältungen, Bronchitis und Pneumonie sind unbekannt. Der einzige
Einwand, den der Verwalter erheben könnte, ist der, daß doppelte
Portionen konsumiert werden — eine gute Empfehlung; denn viel mehr
wird an Medizin und Begräbniskosten gespart.«
Lengemann (Bremen!.
10) G. Hohmann. Wie kann der praktische Arzt die gym-
nastische Behandlung der Gelenkkontrakturen durchführen ?
(Aus dem orthopädischen Ambulatorium der kgl. Universität
München. Prof. Dr. Fr. Lange.)
"(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 31.)
H. zeigt, daß man zur Beseitigung gewisser Arten von Gelenk-
kontrakturen billige, einfache, leicht überall anzubringende Vorrich-
tungen, wie sie sich in jedem Haushalt finden, verwenden kann. So
wird an der Hand schematischer Abbildungen die passive Überstreckung
des Hüftgelenkes mit passiver Abduktion, die passive Beugung und
Streckung des Knie- und Fußgelenkes, die Mobilisierung des Schulter-
und ' Ellbogengelenkes erläutert und in den wirklich zweckmäßigen
und einfachen Anwendungsformen, die sich je nach dem Falle modi-
fizieren lassen, dem praktischen Arzte ein wertvoller Ersatz für die
teuren orthopädischen Apparate geboten. Kramer (Glogau).
1196 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45.
11) Pochhammer. Zur Technik und Indikationsstellung der
Spinalanalgesie.
(Deutsche med. Wochenschrift 1906. Nr. 24.\
Die in der Friedrich’schen Klinik geübte Technik der Spinal-
analgesie, mit der sehr günstige Erfahrungen erzielt wurden, deckt
sich im großen und ganzen mit den Angaben Bier’s und Finkeln-
burg’s. Die Resultate waren sehr günstige. Um die Analgesie höher
hinauf zu erzielen, wurde neben starker Beckenhochlagerung so vor-
gegangen, daß mittels einer Doppelspritze 'cf. Abbildung) zuerst ca.
4 ccm Liquor aspiriert wurden. Dann wurde die entsprechende Menge
Stovain aus der kleinen Spritze injiziert, und nachher der in der grö-
Reren Spritze enthaltene Liquor, der die Stovainmenge weiter in den
Kanal hineintreibt und verteilt. Die Doppelspritze gestattet ohne
Entfernung beide Injektionen. Ein Zurückdrängen des Stempels der
kleineren Spritze bei starkem Druck des Liquor ist durch entsprechende
Arretierung verhindert. (Die Spritze ist bei J. Stoepler in Greifs-
wald zu erhalten.) Bezüglich der genau beschriebenen Einzelheiten
der Technik ist das Original nachzusehen. Borchard (Posen).
I2) R. Röhricht. Klinische Beobachtungen über Glykosurie
nach Äthernarkosen.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVIII. p. 535.)
Verf. untersuchte den Urin von 100 in Athernarkose operierten
Pat. auf das Auftreten von Glykosurie, und zwar zwölfmal mit posi-
tivem Befund. Er gelangt zu dem Resultate, daß weder das operative
Trauma noch die Menge des verabreichten Athers und die Dauer der
Narkose in direkten Kausalzusammenhang mit der beobachteten
Glykosurie zu setzen sind, sondern daß diese eine Folge der durch
den eingeatmeten Ather hervorgerufenen Schädigung des Organismus
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 1197
sein muß. Worin diese näherhin besteht, bleibt offen; denn weder in
der Fettinfiltration der Leber, noch in der chemischen und mechani-
schen Wirkung des Athers auf das Blut, noch in der Beeinflussung
der nervösen Organe findet Verf. eine ausreichende Erklärung, glaubt
vielmehr, daß mannigfache, zum Teil noch ganz unbekannte Wirkungen
des Athers zusammentreffen, um die Glykosurie zu erzeugen und
meint, ohne individuelle Disposition lasse sich die Glykosurie aus-
lösende Kraft des Athers überhaupt nicht vorstellen.
Reich (Tübingen).
13) Beck. On the use of the temporal fascia to cover in
cranial defects.
(Annals of surgery 1906. August.)
Schädelknochenlücken, die nicht durch die Müller-König’sche
osteoplastische Methode gedeckt werden können, überbrückt Verf.
durch einen aus Tem-
poralfascie, Schläfen-
muskel und Knochen-
haut des Schläfenbeines
bestehenden Hautlappen
(LZ). Der Lappen wird
auf die Lücke so her-
über geklappt, daß die
Fascie auf dem Gehirn
liegt und das Periost
nach außen kommt. Die
Haut wird über dem
Periost genäht. Die
Vorteile der Methode
bestehen nicht allein
darin, daß sich infolge
der glatten Vereinigung
von Gehirn und Fascie
kein später etwa stö-
rendes Narbengewebe
auf der Gehirnoberfläche bildet, sondern auch darin, daß vom Periost
aus eine dünne knochenartige Schicht gebildet wird.
Herhold (Altona).
14) K. Vymola und O. Kutvirt. Die Sauerstofftherapie bei
Erkrankungen des Ohres.
(Časopis lékařů českých 1906. Nr. 9—11.)
Verff. erzielten gute, allerdings nicht immer dauernde Resultate
mit Sauerstoffeinblasung durch die Tuben bei folgenden Affektionen:
1) bei akuten Mittelohrentzündungen; 2) bei allen mit subjektiven Ge-
räuschen und Schwerhörigkeit einhergehenden trockenen Katarrhen
der Paukenhöhle; 3) bei chronischen Mittelohreiterungen, wenn der
1198 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45.
Knochen nicht ergriffen war. — Ist die Tube stenosiert, oder bei
großen Perforationsöffnungen kann man auch durch den äußeren Ge-
hörgang einblasen. — Die Sauerstofftherapie ist vollständig ungefähr-
lich und vor jeder operativen Therapie (Tenotomie, Knöchelchen-
extraktion) bei subjektiven Geräuschen zu versuchen.
6. Mühlstein Prag).
15) E. M. Corner. Concussion of the spine, with some
remarks on concussion in general.
(Lancet 1906. September 22.)
Unter Commotio medullae spinalis ist eine mehr oder weniger
vollkommene Außerfunktionssetzung der Rückenmarkstätigkeit zu ver-
stehen, die unmittelbar auf einen Unfall folgt, in der Dauer begrenzt
ist und ohne nachweisbare pathologisch-anatomische Veränderungen
verläuft. — Wenn man allgemeine und lokalisierte Rückenmarks-
erschütterung unterscheidet, so liegt dieser Unterschied nur in der
Verteilung und Ausdehnung der Verletzung, nicht in dem pathologi-
schen Charakter. Was den letzteren angeht, so sind drei Haupt-
theorien vertreten: 1) Die der molekulären Störung und Verschiebung;;
2) die vielfacher kleiner Blutungen; 3) die der Verlagerung der Zerebro-
spinalflüssigkeit (Duret). Letztere hält Verf. beim Rückenmarke für
unwahrscheinlich; er ist indessen Anhänger der ersten Theorie und
hält die zweite nur für eine Exazerbation der ersten. — In längerer
ausführlicher Abhandlung betrachtet Verf. die Unterschiede der Ge-
hirn- und Rückenmarkserschütterung; er betont insbesondere die enorm
sichere Verankerung des Rückenmarkes durch die austretenden Nerven-
stämme gegenüber der nur an der Basis bestehenden Verankerung
des Gehirns: eine Erschütterung durch den sog. Contrecoup ist so
beim Rückenmark ausgeschlossen. Verf. berichtet über sechs Fälle
teils lokaler, teils allgemeiner Rückenmarkserschütterung: eine einfache
Erschütterung geht in einigen Stunden vorüber; dauern Lähmung und
Anästhesie länger, so handelt es sich um Blutung; dauern sie länger
als 3 Tage, so liegt traumatische Myelitis vor. Verf. vertritt die
Theorie, daß das Mark der Nervenfasern zu dem Zwecke von der Natur
gebildet ist, die leichten Erschütterungen, die im täglichen Leben
sonst gleich die Achsenzylinder treffen würden, auszugleichen.
E O L Ebbinghaus (Dortmund).
16) A. Perrone (Neapel). Über kongenitale Skoliose.
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XV. Hft. 2—4.)
Verf. bringt die genaue anatomische Beschreibung von drei Prä-
paraten aus dem pathologischen Institute der Berliner Universität.
Die Skoliose war in diesen Fällen hervorgerufen durch Verschmelzung
je eines Querfortsatzes des fünften Lendenwirbels mit dem entsprechen-
den oberen Abschnitte des Kreuzbeines. Verf. stellt ferner die bis-
herigen Beobachtungen aus der Literatur zusammen und unterscheidet
drei Gruppen. Die erste Gruppe umfaßt die Fälle von reiner Skoliose,
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 1199
die nicht mit anderen Mißbildungen vergesellschaftet sind, sondern ab-
hängen von Veränderungen an den Wirbeln (Vermehrung, Fehlen,
Verschmelzung) oder als Belastungsdeformitäten zu deuten sind. Zur
zweiten Gruppe gehören diejenigen Fälle, bei denen noch andere MiB-
bildungen vorhanden sind, und zur dritten diejenigen, für die ein be-
stimmter Grund nicht namhaft gemacht werden kann.
J. Riedinger (Würzburg).
17) Micholski. Die Therapie des Morbus Basedowi.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLIX. p. 169.)
Ohne Neues zu bringen, gibt die Arbeit eine kurze Übersicht
über die bisherigen therapeutischen Versuche beim Morbus Basedowi
und vertritt folgenden Standpunkt: Die Therapie soll beginnen mit
Luftveränderung und Einleitung der Serotherapie, welche in geeigneten
Fällen durch Hydrotherapie, Elektrizität, psychische Beeinflussung und
interne, symptomatisch wirkende Mittel nach individuellem Ermessen
zu unterstützen sind. Führt diese Behandlung in 3—4 Wochen nicht
zu einer Besserung, so tritt die Operation, speziell die partielle Ex-
stirpation des Kropfes, in ihr Recht. Reich (Tübingen).
18) D. v. Navratil. Über die narbenbildende Wirkung von
Schilddrüsenschnitten bei der Ösophagusnaht.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXIII. p. 487.)
In einer früheren Arbeit berichtete v. N. über Deckung von
Speiseröhrennähten mit Stückchen oder Zipfelchen der Schilddrüse,
die mit ihrem St&mmorgane noch im Zusammenhange standen. Jetzt
hat er Tierexperimente an Hunden gemacht, wo die Speiseröhrennaht
mit völlig frei aus der Drüse herausgeschnittenen Scheiben Schild-
drüsensubstanz bedeckt waren. Und zwar war die Speiseröhre zwei-
etagig durch Mucosa und dann durch die Muscularis genäht. Auf
die Muscularisnaht wurden die Schilddrüsenscheibchen gelegt und be-
festigt, darüber die äußere Wunde geschlossen. Der Erfolg war mit
einer Ausnahme befriedigend, gleichviel ob eine einfache Längswunde
(drei Fälle), eine einfache Quertrennung (zwei Fälle) oder eine ring-
förmige Speiseröhrenresektion (drei Fälle) dieser Naht unterzogen
wurde. Nur ein Hund mit genähter Resektion ging ein infolge tech-
nischer Fehler. v. N. schreibt die gute Heilung seiner Speiseröhren-
nähte einzig den aufgelegten Schilddrüsenscheibchen zu, die die
Narbenbildung der Muscularis beschleunigt und verstärkt und die
Naht sichert, auch wo die Schleimhautnaht auseinander weicht. In
einigen Fällen wurden kleine Stückchen der erzielten Narbenbildung
zur histologischen Untersuchung exzidiert. Die letztere (Dr. Bakay)
ergab frisches Granulationsgewebe mit wenig neuen Fasern, hier und
dort Riesenzellen zwischen den Rundzellen, dabei auffallende Hyper-
ämie mit reichlicher Neubildung von Kapillaren. Uber die Schicksale
des aufgepflanzeten Schilddrüsengewebes scheinen aber keine Befund-
aufnahmen möglich gewesen zu sein. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
1200 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45.
I.
Kleinere Mitteilungen.
Zu der dorsalen Fixation des Armes bei Schlüsselbeinbruch.
Von
Dr. Ernst Cordua,
Spezialarzt für Chirurgie in Harburg a. E.
Herr Prof. Bayer in Prag empfiehlt in der Nr. 37 ds. Bl. seine Methode,
deren Wesen die Überschrift besagt, zur Nachprüfung. Zur Nachprüfung kann ich
über sie zwar nichts melden, trotzdem kann ich sie, da ich diese Methode schon
seit 4 Jahren als Regel bei jedem Schliisselbeinbruch angewandt habe, warm emp-
fehlen. Es dürfte deshalb vielleicht im Interesse der Sache liegen, wenn ich die
Vorzüge der neuen Verbandmethode bestätige, welche Herrn Prof. Bayer mit
Recht veranlaßt haben, sie kurz bekannt zu geben.
Daß es unmöglich ist, mit einem auch noch so exakt angelegten Verbande, der
den Arm vorn auf der Brust fixiert, die Schulter ruhig zu stellen, wird jeder wissen.
In einem jeden solchen Verband ist es dem Pat. und namentlich den beweglichen
kleinen Kindern ein Leichtes, die Schulter nach vorn frei zu bewegen. Die Fixation
der Schulter ist aber bei dem Cavicularbruche von großer Bedeutung.
Ich hatte nun in meiner Poliklinik im Jahre 1902 am 2. Juni einen Knaben,
namens Fritz Teichfuß, 4 Jahre alt, mit einer rechtsseitigen Schlüsselbeinfraktur im
äußeren Drittel. Es wollte mir nicht gelingen, mit dem üblichen Verbande nach
vorn eine gute Stellung der Bruchenden zu fixieren. Immer stellte sich, da die
Fraktur schon zweimal 24 Stunden alt war, die alte Dislokation wieder ein. Es
fehlte mir eine Handhabe, an den Frakturenden einen Zug auszuüben und sie dann
hinterher in guter Stellung zu halten. Schließlich stellten sich die Frakturenden
gut, wenn ich die Schulter stark nach hinten drängte, aber {mmer, wenn ich sie
auch nur etwas frei licß, war die Dislokation wieder da, bis ich fand, daß durch
ein Fixieren des ganzen Armes auf dem Rücken allein ein Festhalten der ganzen
Schulter in der gewünschten Stellung möglich war. Ich hielt die Schulter dann
mit breitem Heftpflasterstreifen (Leukoplast), ähnlich wie Herr Bayer es schildert,
hauptsächlich durch eine Tour, die an der Vorderseite des Gelenkkopfes beginnt
und an der gesunden Seite am Thorax endet, die Stellung der Schulter nach hinten
fest und fixierte mit anderen Touren den übrigen Teil des Armes hinten auf dem
Rücken so, daß die Fingerspitzen, wie in meinem Protokoll des poliklinischen
Journals steht, an die Spitze der Scapula der gesunden Seite heranstoßen. Mit
darüber gelegten Flanellbindentouren wird der Verband bedeckt.
Auch das habe ich beobachtet, daß einige Pat. darüber klagen, weder auf dem
Rücken noch auf der verletzten Seite schlafen zu können. Besonders aufmerksam
möchte ich aber noch darauf machen, daß im Sommer bei dieser Verbandmethode,
wie mir scheinen will, das Ekzem der sich berührenden Hautpartien schlimmer
und leichter auftritt. Deshalb bepudere ich diese Flächen vorher sorgfältig mit
Xeroform. Lange behalte ich diese Stellung überhaupt nicht bei, da meist wenige
Tage genügen, die gute Stellung der Bruchenden zu erhalten; dann wähle ich wieder
die immerhin angenehmere andere Fixation. Bei den Pat. aber, die nicht über
Unangenehmes des Verbandes klagen, lasse ich ihn 8-10 Tage liegen, um ihn dann
mit einem einfacheren Verband event. einer Mitella zu vertauschen.
Der Vorteil dieses Verbandes liegt in dem starken andauernden Zuge, den
man durch ihn in der Längsrichtung auf den Bruch ausübt, nicht allein, sondern
meines Erachtens hauptsächlich darin, und das ist für Kinder gerade von Be-
deutung, daß er überhaupt die einzige Manier ist, den Schlüsselbeinbruch zu fixieren.
Bei jedem Verbande, der den Arm vorn auf der Brust festhält, ist eine absolute
Ruhigstellung des Bruches unmöglich. —
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 1201
Schließlich möchte ich noch betonen, daß ich alles andere, nur keinen Priori-
tätsstreit mit diesen Zeilen beginnen möchte. Herrn Prof. Bayer bleibt das Ver-
dienst, zum Nutzen der Allgemeinheit zuerst auf diese Verbandmethode des
Schlüsselbeinbruches aufmerksam gemacht zu haben. —
LI.
Jodcatgutpräparation
von
Dr. Burmeister in Concepcion.
Seit Claudius seine Methode der Jodcatgutpräparation veröffentlichte, habe
ich dieselbe fast ausschließlich für die Vorbereitung meines Unterbindungsmaterials
verwendet: Im Anfange nach der Originalvorschrift, später unter Benutzung der
alkoholischen Jodlösung. Seit einiger Zeit habe ich indessen eine andere Modi-
fikation des Claudius’schen Verfahrens praktisch erprobt, welche mir in mancher
Beziehung mehr zusagte als die bisher geübten Methoden. Ich ersetzte nämlich
die gebräuchlichen Jodlösungen durch die von Dr. Allyre Chassevant an-
gegebene und empfohlene Chloroform-Jodtinktur:
Rp. Jod. metallic. 1g,
Chloroform 15 ccm (22,5 g).
Dieselbe bildet eine, auf kaltem Wege herzustellende, bei 0° unveränderliche,
dunkelviolett gefärbte Lösung, von welcher der Autor sagt, daß sie alle antisep-
tischen und revulsiven, aber nicht die kaustischen Eigenschaften der alkoholischen
Jodtinktur besitzt.
Die Präparation wird in genau derselben Weise wie früher vorgenommen: Je
ein Faden Rohcatgut wird fest, in einfacher Lage, und eine Wickeltour dicht
neben der anderen auf ein Wickel aus dickem Spiegelglas (6 >< 3,5 >< 0,8 cm) ge-
geben. Eine beliebige Anzahl mit Rohcatgut beschickter Wickel wird in einen
weiten Glaszylinder getan und nun Jod-Chloroformlösung eingegossen, bis die Cat-
gutwickel reichlich bedeckt sind. Nach Ablauf einer Woche wird mit dem Ver-
brauche begonnen. Vor jeder Operation wird dem Behälter die voraussichtlich
nötige Anzahl Wickel entnommen und auf sterile Serviette gelagert. Nach Be-
endigung der Operation werden nicht benutzte Wickel in die Flüssigkeit zurück-
gegeben, angebrochene Rollen von weiterem Gebrauche ausgeschlossen.
Das mit Chloroform-Jodtinktur präparierte Catgut zeigt eine tiefschwarze Farbe.
Außerordentlich schnell — in kaum 1 Minute — nach seiner Entnahme aus der
Lösung trocknet es durch Verdunstung des Chloroforms ab, so daß es wie ein
trockener, drahtartiger Faden in der Hand liegt, ohne indessen das Gefühl der
Sprödigkeit hervorzurufen. Im Gegenteil besitzt es einen sehr hohen Grad von
Geschmeidigkeit, welche beim Nähen und Knotenschlagen äußerst angenehm ist.
Für den Gebrauch ist es gleichgültig, ob man das Catgut während der Operation
trocken oder in irgendeiner aseptischen Flüssigkeit aufbewahrt: Elastizität und
Geschmeidigkeit bleiben dieselben, de es nicht quillt. Im lebenden Gewebe wirkt
es nicht reizend, wovon ich mich bei zahlreichen tiefen und oberflächlichen Nähten
überzeugen konnte. Bei letzteren glaubte ich zu beobachten, daß der im Stich-
kanal liegende Fadenteil auch bei sehr langem Liegen so gut wie gar nicht quillt.
Versuchsweise habe ich auf die angegebene Weise vorbereitetes Catgut aus der
Lösung entnommen und trocken aufbewahrt, um es dann nach verschieden langer
Zeit zu verbrauchen. Dabei zeigte sich dann, daß das Chloroform-Jodcatgut auch
so seine Elastizität und Festigkeit relativ lange beibehielt. Aus Gründen der Ein-
fachheit und der absoluten Sicherheit vor Verunreinigungen bin ich aber bei der
feuchten Aufbewahrung geblieben.
Bezüglich der antiseptischen Eigenschaften des Chloroform-Jodcatgut ist wohl
& priori anzunehmen, daß es den übrigen mittels Jodimprägnation hergestellten
1202 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45.
Catgutsorten gleichwertig sein dürfte, wie dies die klinische Erfahrung auch be-
stätigte. Bezüglich seiner sonstigen Figenschaften glaube ich behaupten zu dürfen,
1) daß es gegenüber dem in wäßriger Lösung präparierten und aufbewahrten
Catgut niemals brüchig wird;
2) daß es im Vergleich zu dem in alkoholischer Lösung präparierten Jod-
catgut bei der Überführung in wäßrige Lösungen und im lebenden Gewebe
nicht quillt;
3) daß es — einmal imprägniert — ohne weiteres nach Belieben trocken oder
feucht aufbewahrt werden kann;
4) daß es, auch ohne vorher abgespült zu werden, niemals reizend wirkt;
5) daß seine Präparation die denkbar einfachste ist, insofern zur Herstellung
der Jod-Chloroformlösung nicht einmal Abwiegen oder Messen nötig ist, weil die
Lösung einer auf kaltem Wege hergestellten konzentrierten Lösung von Jod
in Chloroform entspricht;
6) daß seine Zugfestigkeit mindestens ebenso hoch, wenn nicht höher ist als
bei den übrigen Jodcatgutarten.
Da das beschriebene Material für mich persönlich bei der praktischen Arbeit
von allen bisher versuchten das weitaus angenehmste gewesen ist, so gestatte ich
mir, den Kollegen einen Versuch damit zu empfehlen.
19) Follenfant. Guerre russo-japonaise. Impressions chirurgicales.
(Arch. de méd. et de pharm. militaires 1906. Juli.)
Verf. schildert seine Erlebnisse aus dem russisch-japanischen Kriege, den er
auf Seiten der Russen mitmachte. Von den Verbandpäckchen wurde auf den
Truppenverbandplätzen reichlich Gebrauch gemacht, Antiseptika wurden bei der
Wundbehandlung nicht angewandt, nur der Verbindende bestrich sich die Finger-
kuppen mit Jodtinktur. Die Zahl der Operationen auf den Hauptverbandplätzen
und in den Feldlazaretten war sehr gering; so wurden bei 598 Verwundeten eines
Feldlazaretts nur 5 Amputationen, 1 Trepanation und 11 Unterbindungen nötig.
In den rückwärts gelegenen großen Kriegslazaretten war die Einrichtung der Ope-
rationssäle mustergültig. In Charbin gingen im ganzen 19031 Verwundete zu;
hiervon wurden 128 amputiert, 97 exartikuliert, 114 trepaniert und 100 reseziert,
außerdem 63 Ligaturen angelegt. Auffällig war, daß 5% aller Verwundeten mul-
tiple Verwundungen hatten. Das kleine Geschoß der Japaner ist nach Ansicht des
Verf. bezüglich der Brust-, Bauch-, Hals- und Gelenkwunden als humaner wie das
frühere Bleigeschoß zu bezeichnen, nicht humaner ist es bezüglich der Schädel-
und Wirbelsäulenschüsse.. Durch das kleine Geschoß wurden öfter, als man früher
annahm, Kleiderfetzen in die Wunde gerissen; im Sommer waren etwa 10%, im
Winter 90% aller Gewehrschußwunden infiziert. Die hohe Eiterung im Winter
war durch das Eindringen von Pelzbekleidungsstücken bedingt. Tetanus kam in-
folge des staubigen Bodens nicht selten vor. Die Verletzungen durch Schrapnells
waren konstant infiziert.
Explosivschiisse am Schädel wurden selten beobachtet; meist war die Schuß-
öffnung klein, doch gingen zahlreiche lange Fissuren von ihr aus. Die zahlreichen
Trepanationen hatten nicht immer den erwünschten Erfolg. Die Halsschüsse er-
wiesen sich als gutartig, Kehlkopf- und Speiseröhrenschüsse heilten anstandslos.
Die Brustschüsse heilten schnell, Operationen wegen Hämatothorax oder Empyem
waren fast unnötig. Von der Ausführung der Laparotomien bei Bauchschußwunden
wurde bald Abstand genommen, da sie keine Erfolge aufwiesen. Als äußerste
Grenze, bis zu welcher die Laparotomie noch gestattet werden kann, wird die Zeit
von 3 Stunden angegeben. Außere Blutungen waren sehr gering, zahlreich aber
die nachher sich bildenden Aneurysmen. Auch an den Diaphysen wurden Explosiv-
schüsse mit nußsackartiger Zermalmung der Knochen selten angetroffen, es han-
delte sich vielmehr meistens um une festsitzende Splitter und lange Fissuren.
Herhold (Altona).
Zentralblatt für Ohirurgie. Nr. 45. 1203
20) O. Wyss. Zur Entstehung des Röntgenkarzinoms der Haut und
zur Entstehung des Karzinoms im allgemeinen.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLIX. p. 185.)
Bei einer Frau mit Lupus erythematosus des Gesichtes entstanden unmittelbar
nach mehrmaliger Röntgenbestrahlung im Zeitraum von 11/a Jahren nacheinander
drei primäre Hautkarzinome und ein viertes gleichzeitig mit dem dritten in dem
Bestrahlungsgebiet. Alle wurden kurz nach ihrer Feststellung exstirpiert und einer
genauen histologischen Untersuchung unterwerfen. Als allen Geschwülsten gemein-
schaftlicher Befund wurde erhoben, daß die Epithelzellen und deren Kerne an der
erkrankten Stelle sich vergrößern, daß eine Reihe nebeneinander liegender, inter-
papillärer Epithelsäulen erheblich in die Breite und Tiefe wachsen. Dazu kam eine
auffallende Gefäßarmut in den tieferen Schichten der Cutis unter dem Karzinom,
die Kleinheit der noch vorhandenen Gefäße und die sehr ausgesprochene Ver-
engerung der größeren Gefäße durch mächtige Hyperplasie der Intima. In der
nächsten Nachbarschaft werden die Gefäßveränderungen zwar nicht vermißt, sind
aber doch nur geringfügig. Diese Gefäßveränderungen sind zweifellos Folgen der
Röntgenisierung und ihrerseits in Zusammenhang mit der Karzinomentwicklung zu
bringen.
W. kommt so zu folgender neuen Krebstheorie.
Die Krebszelle ist eine aus dem Zusammenhange des Körpers frei gewordene
Epithelzelle, frei geworden durch den ganz allmählichen Nahrungsentzug infolge
sukzessiver Gefäßobliterationen. Indem sie diesen Ernährungsausfall allmählich
ersetzen lernt durch Aufnahme von Plasma aus benachbarten Bindegewebszellen
oder anderem Gewebe, bleibt sie lebensfähig, wird dadurch zum Parasiten und
schließlich zum Sieger über alle anderen Gewebe.
Im weiteren sucht Verf. seine Theorie in Einklang zu bringen mit den ver-
schiedenen bisherigen Krebstheorien und den Nachweis zu führen, daß seine Er-
klärung nicht nur auf die Röntgenkarzinome, sondern auch alle übrigen Krebse
anwendbar sei, da für die Entstehung solcher die die Ernährung schädigenden Mo-
mente allgemein als Ursache angenommen werden.
Im übrigen lehrt der mitgeteilte Fall aufs neue große Vorsicht und die Not-
wendigkeit der Nachkontrolle bei der Röntgenbehandlung lupöser Gewebe.
Reich (Tübingen).
21) Rubesch. Zwei Fälle von fibromatöser Elephanthiasis.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVIII. p. 843.)
Beschreibung zweier Fälle von fibromatöser Bindegewebsvermehrung der Haut
ohne Beteiligung der bindegewebigen Bestandteile der Nerven, Gefäße und Drüsen.
Die Geschwulstbildung war das eine Mal am Halse, das andere Mal in der Scheitel-
gegend lokalisiert.
Während im ersten Falle die erheblich verdickte, faltige Haut von derb elasti-
scher Konsistenz und mit zahlreichen Höckern versehen und die Geschwulst um-
schrieben war, ließ der zweite Fall mit diffusem Ubergange der Geschwulst in die
normale Haut die höckrige Beschaffenheit vermissen und bot die Konsistenzver-
hältnisse eines Lymphangioms.
Der Grund dieser klinischen Verschiedenheit lag darin, daß dort die oberfläch-
lichen, bier die tieferen Schichten des kutanen Bindegewebes in Wucherung ge-
treten waren. Reich (Tübingen).
22) M. v. Brunn. Beitrag zur Elephanthiasis neuromatosa.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVIII. p. 852.)
Bei einem seit 10 Jahren in Beobachtung der v. Bruns’schen Klinik stehenden,
früher bereits operierten Pat. fand sich eine weit auf die Brust herabhängende,
lappig-wulstige Hautgeschwulst der rechten Halsseite, die sich als eine Lappen-
elephanthiasis ohne Beteiligung der Nerven, Gefäße und Drüsen erwies, während
1204 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45.
gleichzeitig an der rechten Gesichtsseite ein typisches Rankenneurom und, über
Rumpf und Extremitäten zerstreut, 147 terminale Neurome neben behaarten Pig-
mentstellen sich fanden.
In dem zweiten Falle waren neben der Lappenelephanthiasis terminale Neurome
und Naevi, im dritten Falle zahlreiche Pigmentflecke und abnorme Behaarung s0-
wie Hypersekretion der Talgdrüsen zu bemerken. Reich (Tübingen).
23) L. Cheatle. The relation between a cutaneous naevus and a
segmental nerve area.
(Brit. med. journ. 1906. August 18.)
Verf. berichtet über einen Fall von Hautnävus, der genau in seiner Ausdeh-
nung dem dritten Cervicalnerven entspricht. Es ist der erste (? Red.) Fall von
Nävus, der sich mit dem Gebiet eines Rückenmarkssegmentes deckt, während solche,
die den Asten des Trigeminus folgen, verschiedentlich erwähnt sind.
Weber (Dresden).
24) Kraus. Beiträge zur Kenntnis des Erythema induratum (Bazin).
(Prager med. Wochenschrift 1905. Nr. 40 u. 41.)
Verf. beobachtete vier Fälle. Die histologische Untersuchung ergab nichts für
Tuberkulose Charakteristisches; auch das Tierexperiment und der Ausfall der
Tuberkulinreaktion sprachen dagegen. Trotzdem will K. nicht in Zweifel ziehen,
daß das Erythema induratum auch einmal wirklich tuberkulöser Natur sein kann;
nach seiner Auffassung ist das Leiden ein weder klinisch noch histologisch scharf
begrenztes Krankheitsbild, sondern mehr ein Sammelbegriff für verschiedenartige
Veränderungen. Syphilis war in K.’s Fällen auszuschließen.
Gutzeit (Neidenburg).
25) J. Gregor. Über Sauerstoff-Chloroformnarkose.
(Casopis lékařů ceskych 1906. p. 693.)
Die Narkose kam vorwiegend bei alten und geschwächten Personen und bei
langdauernden und blutigen Operationen zur Anwendung. Der Bericht erstreckt
sich auf 81 Fälle (66 Laparotomien) und konstatiert folgende Vorteile der Narkose:
1) Eine Exzitation stellte sich selten ein und erreichte nie einen solchen Grad wie
bei reiner Chloroformnarkose. 2) Niemals beobachtete man eine Alteration des
Pulses; vielmehr wurde derselbe etwas voller. Diese Narkose eignet sich daher
auch für kompensierte Herzfehler. 3) Niemals traten Reizungen der Atmungswege
auf. 4) Der Chloroformverbrauch ist ein geringer, daher die Narkose für lang-
dauernde Operationen geeignet.
Verf. begann die Narkose mit 5 Tropfen, stieg jede halbe Minute um 5 Tropfen,
bis eine tiefe Narkose eintrat, wozu gewöhnlich 25—30 Tropfen genügten. Bei
Operationen, die 2 Stunden dauerten, betrug der Chloroformverbrauch 3 g.
G. Mühlstein (Prag).
26) Steinthal. Über Wandlungen in der Narkosenfrage.
(Med. Korrespondenzbl. d. württemb. ärztl. Landesvereins 1906. August 25.)
8. bebandelt in diesem auf der 24. Jahresversammlung des ärztlichen Landes-
vereins gehaltenen Vortrage hauptsächlich die Rückenmarksanästhesie, die er in
86 Fällen ausführte, 69 mit Novokain, 19 mit Stovain. Unter den Operationen
werden eine Anzahl von Laparotomien: Nabelbrüche, Appendicitis, Kolostomie,
Gastroenterostomie, Ovariotomie usw. verzeichnet. Neunmal wurde bei der Novo-
kainnarkose nicht der gewünschte Ertolg erzielt, und zwar bei Operationen ober-
halb des Nabels. Bei der Stovainnarkose war kein Versager, jedoch wurden mit
Stovain nur Fälle unterhalb des Nabels operiert. Ein 63jähriger, sehr elender
Pat. mit Prostatahypertrophie wurde wegen der Schmerzen beim Katheterisieren
mehrfach mit Novokain, beim dritten Male mit Stovain 0,07, also der gebräuch-
lichen Dosis, injiziert; einige Minuten später Kollaps und Tod. 8. läßt es dahin-
gestellt bleiben, ob dieser Todesfall dem Stovain direkt zur Last fällt, und schreibt
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 1205
der kumulativen Wirkung und den allgemeinen konstitutionellen Verhältnissen des
Kranken einen gewichtigen Einfluß zu.
S. zieht das Novokain wegen der sichereren Wirkung und der geringeren
Nachwirkungen vor. Er hält die Anwendung der Rückenmarksanästhesie in jenen
Fällen für geradezu geboten, wo schlechte Atmungs- und Kreislaufsverhältnisse die
Inhalationsnarkose gefährlich erscheinen lassen.
In der Diskussion berichtet Zeller über 36 Fälle und empfiehlt Alypin; die
Nebenwirkungen nach diesem Mittel sind gering.
Wörner hat bei 27 Fällen (Stovain-Adrenalin) im allgemeinen gute Erfah-
rungen gemacht; einige Male mußte, sobald in der Bauchhöhle manipuliert wurde,
Allgemeinnarkose gemacht werden. Trotzdem hat Wörner das Verfahren auf
genau ausgewählte Fälle beschränkt, da er in drei Fällen üble Komplikationen sah:
tagelang andauerndes heftiges Kopfweh und Erbrechen, bedrohlicher Kollaps, Gan-
grän der Wundumgebung. Mohr (Bielefeld).
27) Milké. Uber Lumbalanalgesie mit Stovain.
(Budapesti Orvosi újság 1906. Sebészet 2. [Ungarisch.])
Nach kurzem historischen Überblicke der Frage berichtet Verf. über 100 Fälle
von Rachistovainisation. Die Injektionen wurden in sitzender Stellung der Pat.
in der Mittellinie zwischen 2. und 3. Lendenwirbel gemacht. Verwandt wurde
ausschließlich Billon’sches Stovain. Die injizierte Menge schwankte zwischen
3 und 7cg. Vollständige Analgesie trat auf in 91 Fällen, fünfmal versagte die
Methode gänzlich, einmal wurde halbseitige, einmal unvollständige Analgesie er-
reicht. Die Analgesie trat 4—12 Minuten nach erfolgter Injektion auf und war
stets mit motorischer Lähmung der unteren Extremitäten verbunden. Dauer der
Anästhesie ca. 1 Stunde. Unangenehme Nebenwirkungen — wie Kopfschmerz, Ubel-
keit, Erbrechen, leichte Temperatursteigerungen — wurden in zehn Fällen beob-
achtet, welche durchweg leichter Natur waren. Die toxischen Symptome traten
besonders in Beckenhochlage und auch dann auf, wenn über 5g injiziert wurde.
Verf. hält deshalb die Überschreitung von 5cg nur ausnahmsweise erlaubt. Er
hält die Rachistovainisation für eine gute und entwicklungsfähige Methode, deren
Anwendung hauptsächlich dort am Platz ist, wo die allgemeine Narkose kontra-
indiziert erscheint. Besondere Berechtigung hat sie auch bei Mastdarmoperationen.
Kontraindiziert ist sie bei septikopyämischen und Rückenmarkskrankheiten, bei
Kindern unter 12 Jahren und schwerer Hysteroneurasthenie.
P. Steiner (Budapest).
28) K. Schnurpfeil. Medullare Anästhesie nach Bier in Kombination
mit Adrenalin und Suprarenin.
(Casopis lékařů českých 1906. Nr. 13 u. 14.)
Bis Ende Juni 1905 wurden im Krankenhause zu Böhmisch-Brod 643 Fälle
unter Bier’scher Anästhesie operiert. Dieselben verteilen sich in folgender Weise:
Eukain « 79 Fälle (8 Kollapse), Eukain # 12 Fälle (3 Kollapse), Tropakokain
359 Fälle (11 Kollapse); in den letzten 193 Fällen wurde zuerst 1/3 ccm einer Supra-
reninlésung 1: 1000 und 5 Minuten später 2 ccm einer 1,5%igen Eukainlosung in-
jiziert. Bei letzterer Methode wurden viel weniger unangenehme N ebenerschei-
nungen beobachtet, die Anästhesie war eine vollkommenere; 3 Kollapse gingen
ohne Folgen vorbei; 1 Fall endete tédlich, wohl infolge des hochgradigen Maras-
mus des Pat. In 11 Fallen war die Narkose eine unvollständige, doch genügten
kleine Mengen von Chloroform oder Ather, um eine tiefe Narkose zu erzeugen.
6. Mühlstein (Prag).
29) C. Borsz&ky. Klinische Erfahrungen über neuere Anästhetika.
(Orvosi hetilap 1906. Nr. 24 u. 25. [Ungarisch.))
Verf. hat in der L. chirurgischen Klinik in Budapest mit Stovain, Alypin und
Novokain Versuche angestellt, welche er als Lokalanästhetikum in 1%iger Lösung
ohne Hinzusatz von Nebennierenpräparaten verwandte.
1206 Zentralblatt ftir Chirurgie. Nr. 45.
Stovain in der Menge von 3—12 cg gebrauchte er bei 85 Operationen (20 Her-
niotomien, 6 Hydrokelen usw.). Intoxikationserscheinungen stellten sich in 2 Fallen
ein nach Anwendung von 6—8 cg. Die Anästhesie war in 66 Fällen genügend, in
den übrigen Fällen nicht genügend.
Alypin wurde bei 72 Operationen (31 Herniotomien) angewendet, die injizierte
Menge betrug 3—7 cg. In 51 Fällen war die Anästhesie ausreichend, in 18 Fällen
war sie unvollkommen, in 2 Fällen war Alypin ganz wirkungslos.
Novokain gebrauchte Verf. in 145 Fällen (42 Leistenbrüche, 4 Nabelbrüche,
7 Strumektomien usw.) in der Menge von 4—13 cg. Die Anästhesie war in
106 Fällen ausreichend; ganz wirkungslos war Novokain in 6 Fällen.
Bei der Basssini'schen Operation wird die Anästhesie durch perineurale
Injektion des N. spermaticus vollkommener.
Verf. spricht sich zugunsten von Novokain aus. P. Steiner (Budapest).
30) S. Pantovió. Das Novokain in der lumbalen Anästhesie.
(Časopis lékařů českých 1906. p. 1007.)
Im Bezirkskrankenhause zu Deutschbrod (Zahradnicky) wurde das Novokain
in Dosen von 0,12—0,15—0,17 g in Kombination mit Suprarenin (l/; ccm einer
1%/wigen Lösung) in 100 Fällen zur lumbalen Anästhesie verwendet. 86mal war
die Anästhesie eine vollständige, 3mal eine unvollständige, aber hinreichende; 8mal
mußte eine Allgemeinnarkose zugefügt werden, und in 3 Fällen trat überhaupt
keine Anästhesie auf. Das Novokain hat dieselbe anästhesierende Wirkung wie
das Stovain, besitzt aber nicht dessen unangenehme Nebenwirkungen im anästhe-
tischen und postanästhetischen Stadium (Erbrechen, Ohnmacht, Kollaps, Kopf-
schmerzen usw... Es eignet sich besonders auch bei der Herniotomie.
G. Mühlstein (Prag).
31) A. Molek. Beitrag zur lumbalen Analgesie.
(Casopis lékařů českých 1906. p. 948.)
Bericht über 322 Fälle aus der Abteilung Mosetig’s. In 3 Fällen mißlang
die Injektion überhaupt, in 4 Fällen wurde keine Analgesie, sondern eine Hyper-
ästhesie erzielt, in 10 Fällen war die Analgesie von zu kurzer Dauer und mußte
durch die Allgemeinnarkose ergänzt werden, wobei aber nur 5—15 g Chloroform
verbraucht wurden. Von den verwendeten Mitteln: Eukain (17), Eukain $ (183),
Tropakokain (5) und Stovain (114) erwies sich das Tropakokain als am wenigsten
geeignet. — Der jüngste Pat. war 11, der älteste 74 Jahre alt. Bei Kindern unter
10 Jahren ist die Methode überhaupt nicht, bei Pat. im Alter von 11—16 Jahren
nur ausnahmsweise anzuwenden. Die Analgesie trat nach 5 Minuten am Damm
ein und dauerte 25 Minuten bis 13/, Stunden. Toxische Erscheinungen wurden
nach Eukain § und Tropakokain in 20%, nach Stovain in 5% der Fälle beobachtet.
Kollaps trat 5mal ein, und zwar 4mal bei horizontaler, 1ma] bei mehr sitzender
Position des Kranken. G. Mithlstein (Prag).
32) Widal, Roy, Froin. Un cas d’acromégalie sans hypertrophie du
corps pituitaire avec formation kystique dans la glande.
(Revue de méd. 1906. April.)
Verff. erhoben in einem typischen Falle von Akromegalie mit ausgeprägten
Veränderungen an den Extremitäten folgenden Befund an der Hypophysis: Makro-
skopisch keine Hypertrophie des Organes, im Innern mehrere kleine Cysten; mikro-
skopisch beträchliche Atrophie und Sklerose der Drüsensubstanz.
Demnach ist das Vorhandensein einer eigentlichen Geschwulst der Hypophyse
bei Akromegalie nicht konstant, die Hypophyse zeigt in einzelnen Fällen nur histo-
logische Veränderungen. Mohr (Bielefeld).
33) Masland. On the use of the Masland saw for opening the
cranial vault.
(Annals of surgery 1906. August.)
Es handelt sich um eine elektrische Kreissäge, bei welcher der Tutor (7) und
die Säge (S) auf jede feinste Millimeterbreite, je der Dicke des Knochens ent-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45. 1207
sprechend, eingestellt werden kann. Beim Gebrauch wird der Schädel durch Drill-
bohrer an zwei gegenüberliegenden Stellen angebohrt, der Tutor in das zunächst
liegende Loch (X) eingeführt und dann die Säge in Bewegung gesetzt. Nach des
Verf.s Ansicht arbeitet die Säge besser als die bisher bekannten Fräsen und Sägen.
Herhold (Altona).
34) Köhl. Beitrag zur retrobulbären Chirurgie der Orbita.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLIX. p. 90.)
In dem einen Falle handelt es sich um ein retrobulbäres, abgekapseltes Fibro-
sarkom, das sich nach der Krönlein’schen Methode der temporären, subperi-
ostalen Resektion der äußeren Orbitalwand bequem und vollkommen entfernen
ließ und zu kosmetisch wie funktionell vorzüglicher Heilung gelangte.
Im zweiten Falle wurden irrtümlicherweise ein in die Augenhöhle ein-
gewuchertes Sarkom der Highmorshöhle mit multiplen Hautmetastasen der Wange
diagnostiziert und demgemäß die Operation als Oberkieferresektion begonnen, die
Vorderwand der Highmorshöhle, sowie die untere Orbitalwand entfernt und nun-
mehr die retroorbitale Geschwulst und in zweiter Sitzung die Wangengeschwulst
exstirpiert. Die Geschwulst erwies sich jedoch als ein kavernöses Angiom mit
Hyperplasie der Iymphatischen Elemente. Die Operation ergab ein kosmetisch wie
funktionell wesentlich schlechteres Resultat, während die Geschwulst bequem nach
der Krönlein’schen Methode sich hätte operieren lassen.
Beich (Tübingen).
35) Monnier. Über einen Fall von sogenannter Medianspalte.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLIX. p. 295.)
Die Arbeit bringt, unter Würdigung der einschlägigen Literatur, die genaue
Beschreibung eines seltenen Falles von medianer Lippen-Gaumenspalte mit ihren
charakteristischen Einzelheiten: Fehlen des Philtrum und des Zwischenkiefers, De-
fekt des Vomer, Anomalien im Bereiche der Siebbeinplatte, Defekt des Tractus
und der Nervi olfactorii, Verwachsung der Stirnlappen neben anderen Gehirn-
veränderungen.
Die Einzelheiten haben lediglich anatomisch-entwicklungsgeschichtliches Inter-
esse. Reich (Tübingen).
36) Lévy et Baudoin. Hémispasme de la face, guéri par des injec-
tions d’alcool.
(Soc. de neurologie 1906. Mai 3.)
Die Verff. heilten einen Fall von einseitigem Spasmus des Facialis, seit
21/, Jahren bestehend, durch zweimalige Alkoholinjektion in die Austrittsstelle des
1208 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 45.
Nerven nach Schloesser. Nach jeder Einspritzung trat eine periphere Facialis-
paralyse auf, welche das erste Mal 10 Minuten, das zweite Mal einige Stunden
anhielt. Heilung seit einem Monat. Mohr (Bielefeld).
37) Wittek. Eine seltene Wirbelverletzung.
(Archiv für Orthopädie, Mechanotherapie und Unfallchirurgie Bd. IV. Hit. 4.)
Ein 22jähriger Bergmann wurde bei der Arbeit in einer Kohlengrube von
herabfallenden Gesteinmassen verschüttet, die ihn in kniender Stellung namentlich
am Rücken, Nacken und Hinterkopf trafen. Die Durchleuchtung mit Röntgen-
strahlen ergab, daß der Atlas, abgesehen von einer geringen Verschiebung, die er
gegen den Schädel erlitten hat, und einer Einpressung der linken Massa lateralis
in die seitliche Partie des zweiten Halswirbels gegen den Epistropheus aus seiner
normalen Stellung verdrängt ist. Er hat somit eine Beugung nach der linken Seite
hin ausgeführt, die unter Erhaltung des Lig. transversum den Zahnfortsatz an
seinem Halse abgebrochen und in die Verrenkungsstellung seitwärts mitgenommen
hat. Gleichzeitig ist eine Verschiebung des Atlas im Sinne der Beugung nach
vorn wiederum zugleich mit dem Zahnfortsatz eingetreten.
Der glückliche Ausgang der Verletzung ist in diesem Falle einerseits dem
Verhalten des ungemein starken Lig. transversum zuzuschreiben, das nicht reißt,
sondern im Gegenteil sich stärker erweist als der knöcherne Zahnfortsatz und da-
durch ein Eindringen des Zahnfortsatzes in das Rückenmark verhütet, andererseits
durch die Einkeilung der linken Massa lateralis in die linke Hälfte des Epistropheus,
wodurch der sonst bewegliche Atlas Stütze und Halt in einer bestimmten Stellung
erfahren und das Rückenmark vor schwerer Schädigung bewahrt hat.
Es ist dies der erste Kranke, an dem im Leben die beschriebene Verletzung
durch das Röntgenbild sichergestellt ist. Hartmann (Kassel).
38) V. Chlumsky (Krakau). Ein Fall von Scoliosis traumatica und
Diabetes nach Blitzschlag und Trauma.
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XV. Hft. 2—4.)
Der Fall ereignete sich bei einem 11 Jahre alten Mädchen, das vom Blitz be-
täubt und später von herabfallenden Baumästen getroffen wurde. Es bestanden
mehrfache Verletzungen, darunter ein Bruch des rechten Unterschenkels, ein Bruch
des Beckens und schwere Kontusionen am Rücken. In den ersten Tagen nach der
Verletzung war Zucker im Urin nachzuweisen. Die Beine waren in den ersten
3—56 Wochen gelähmt. Als Pat. in der 6. Woche aufstand, zeigte sie eine hoch-
gradige Skoliose, ähnlich wie bei Ischias.. Nach 6 Monaten war die Skoliose nicht
mehr nachzuweisen. J: Riedinger (Würzburg).
39) EB. Kopits (Budapest). Ein neues Stiitzkorsett zur Maskierung
der Deformität bei Skoliotikern mit großem Rippenbuckel.
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XV. Hft. 2—4.)
Verf. betrachtet das orthopädische Korsett neben der Gymnastik usw. als ein
unentbehrliches Hilfsmittel in der Behandlung der Skoliose. Er benutzt ein Korsett
mit hartem Hinter- und weichem Vorderteile nach Dollinger, das er an einem
Gipsmodell in Streckstellung anfertigen läßt. Der Höhe der Konvexität muß das
Korsett gut anliegen, um ein Hinabsinken des Rippenbuckels zu verhindern. Hierzu
dient eine doppelte Lederplatte. Die Vertiefungen der Konkavität werden über-
brückt, teils aus sanitären, teils aus kosmetischen Gründen. Die Art und Weise
der Anfertigung wird genauer beschrieben. J. Riedinger (Würzburg).
Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man
an Prof. BE. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags-
handlung Breitkopf & Härtel, einsenden.
Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig, Nürnbergerstraße 36/38.
Zentralblatt
CHIRURGIE
herausgegeben
5. von Bergmann, F. König, E. Richter,
Dreiunddreißigster Jahrgang.
Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei halbjähriger
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.
Nr. 46. Sonnabend, den 17. November. 1906.
Inhalt: I. C. Stich, Zur Catgutsterilisation. — II. $. $. Girgolaff, Peritonealplastik mit
isolierten Netzstücken. (Original-Mitteilungen.)
1) Glimm, Bauchfellresorption und Peritonitis. — 2) Wette, 3) Wieherink, 4) Kukula,
5) Broca, 6) Harrison, 7) Hotchkiss, 8) Jaffé, 9) Reichel, Appendicitis. — 10) v. Verchély,
Bruchoperation und Wurmfortsatz. — 11) Amberger, Postoperative Bauchbriiche. — 12) Zah-
radnicky, Traumatische Hernien. — 13) Bühlmann, Leistenbrüche der Kinder.
I. Heyde, Uber Jodoformgazesterilisation. — II. C. Stich, Ein neuer Apparat zur asepti-
schen Seifenentnahme. (Original-Mitteilungen.)
14) Naturforscherversammlung: a. Garrd, Transplantationen in der Chirurgie. — b. Gluck,
Plastische Chirurgie. — c. Thiem, d. Baisch, e. Gaupp, Der Einfluß der deutschen Uufall-
gesetzgebung auf Verlauf, Heilbarkeit und Unheilbarkeit der chirırgischen, gynäkologischen,
Nerven- und Geisteskrankheiten. — f. Rosenfeld, Über Krüppelfürsorge.
15) Wintsch, 16) Chill, 17) Stevenson, Bauchspalten. — 18) Pieri. 19) Borszéky, 20) Cor-
ner, Banchwunden. — 21) Oppenheimer, Peritonitis. — 22) Miikó, 23) Renton, 24) Evans,
Perforierende Magen- nnd Duodenalgeschwüre. — 25) Oul, 26) Karrenstein, 27) Ellot,
28) Casteliani, 29) Moore, Appendicitis. — 30) Zaaijer, Krebs des Wurmfortsatzes. —
31) Bärlocher, 32) Hilgenreiner, 33) Zimmer, 34) Chiumsky, 35) Streit, 36) Schmid, Hernio-
logisches.
I.
Zur Catgutsterilisation.
Von
Dr. Conrad Stich in Leipzig.
Die kürzlich mitgeteilte Darstellungsweise von Kautschukseide!
veranlaßt mich, die Sterilisation von Catgut mitzuteilen, wie ich sie
mittels Silbernitrats im Jahre 1903 für die chirurgische Klinik der
Universität Leipzig vornahm. Zu dieser Zeit wurden die organischen
Silbersalze für die Sterilisation bevorzugt (Aktol, Itrol), während das
alte Nitrat erst in letzter Zeit wieder zur Geltung kam, vielleicht in
Hinblick auf die Arbeiten, die seine Dissoziation und den hohen bak-
teriziden Wert auch theoretisch klarlegten.
1 Witzel und Wederhake, Zentralbl. f. Chir. 1906. Nr. 35.
46
1210 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46.
Bei vorliegender Methode wurde eine 1%ige alkoholisch ammonia-
kalische Lösung des Silbernitrats? benutzt, da durch Versuche fest-
gestellt war, daß sie besser durch Catgutstreifen diffundiert als die
Lösung des reinen Silbernitrats oder des Sulfats. Ubrigens war die
Handhabung ähnlich gewählt, wie sie bereits im Zentralbl. fiir Chir.
im Jahre 1903 Nr. 9 von L. Grünfeld mitgeteilt wurde. Das Catgut
wird in einzelne Fäden zusammengerollt oder auf Glasplatten mit
Stegen, wie sie von der Fabrik Haertel-Breslau im Handel sind, in
einen Zylinder, der mit einer 1%igen alkoholisch ammoniakalischen
Silberlösung gefüllt ist, 1/,—!/s Stunde bei Lichtabschnitt aufbewahrt,
alsdann mit Spiritus abgewaschen und in einem zweiten sterilen Zy-
linder dem Sonnenlicht ausgesetzt, wobei eine Zersetzung des Silber-
nitrats stattfindet.
Darauf wird das Catgut in ein Gefäß mit absolutem Alkohol und
10% Gilyzerin eingetragen, und ist so für chirurgische Zwecke direkt
verwendbar. Wesentlich dünner wird der Faden bei trockener Auf-
bewahrung.
Bei neuen Präparationen ist das Nitrat nach Titration der Lösung
wieder auf 1% zu ergänzen.
Zur Beurteilung dieser Methode wurde:
1) die Diffusionsgeschwindigkeit der Silberlösung durch die Cat-
gutfäden gemessen;
2) die Zug- und Knotenfestigkeit bestimmt;
3) die Keimfreiheit geprüft.
Die Diffusionsgeschwindigkeit wurde in der Weise nachgewiesen, daß
nebeneinander alkoholische Lösungen von ammoniakalischem Silber,
reinem Silbernitrat und -sulfat für die Imprägnation des Oatgut benutzt
wurden. Dabei hat sich ergeben, daß die ammoniakalisch-alkoholische
Silberlösung bereits in 12 Minuten Catgut Nr. 2 von 426 u Dicke durch-
drungen hatte. Das ist leicht zu erkennen, wenn man von dem redu-
zierten Oatgut kleine Stückchen in Hollundermark oder Zelluloid einsteckt
und Querschnitte herstellt. Diese sind mit Kollodium auf einem Objekt-
träger zu befestigen. Der Träger wird mit Heftpflasterstreifen direkt
an die Fensterscheibe geklebt, so daB die‘ Silberreduktion im Innern
bald eintritt. Unter dem Mikroskop ließ sich dann leicht die schwarze
Silberablagerung erkennen. |
Die beifolgenden Bilder zeigen einmal einen Querschnitt des nicht
praparierten Catgut und einen Querschnitt des mit Silber präparierten
Catgut.
Die Zugfestigkeit ist nach einem von mir in dieser Zeitschrift?
früher beschriebenen Festigkeitsprüfer erprobt worden, wobei sich fol-
gende Werte ergaben:
2 Der Lösung wird tropfenweise NH3 zugesetzt, bis der Niederschlag wieder
gelöst ist.
3 Zentralbl. f. Chir. 1898. Nr. 22. — Stich, Festschrift, der med. Klinik der
Universität Leipzig zur Säkularfeier gewidmet, p. 41: Festigkeitsbestimmung von
chirurgischem Nähmaterial; ferner Derselbe, Zur Prüfung von chirurg. Näh-
material. Pharm. Zeitung 1903. Nr. 22.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 1211
Zugfestigkeit in Kilo: a. roh 2,96,
b. sterilisiert 4,20,
Knotenfestigkeit (mit zwischengebundenem
Filzstreifen) . . . . . . . . 3,92.
Fig. 1b. Mit Silbernitrat.
Die Keimfreiheit habe ich damals gemeinsam mit Herrn Dr. Rit-
hus (früher Assistenzarzt an der chirurgischen Klinik zu Leipzig) fest-
gestellt, und zwar benutzten wir vorerst zur Infektion 8 Tage alte
virulente Milzbrandbouillon. Die Imprägnation dauerte bei den ersten
46*
1212 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46.
Versuchen 48 Stunden. Bei den letzten wurde 48 Stunden infiziert
und danach das Catgut 21 Tage aufbewahrt, um die Möglichkeit der
Sporenbildung zu berücksichtigen. Als Versuchstiere wurden Meer-
schweinchen benutzt. Die Art der Implantation war entweder intra-
peritoneal oder subkutan. Diese Versuche haben ergeben, daß eine
allgemeine Milzbrandinfektion nicht stattfindet, die Tiere blieben sämt-
lich am Leben.
Es hat sich somit die soeben beschriebene Methode nach ver-
schiedenen Seiten hin als brauchbar erwiesen. Wirtschaftlich ist Silber- .
nitrat das billigste Silberpräparat, und der benutzte Alkohol kann ge-
legentlich wieder verwendet oder abdestilliert werden.
Ferner ist sowohl Zugfestigkeit wie Knotenfestigkeit eine sehr
hohe, und gegen die Keimfreiheit nichts einzuwenden.
Bei der Handhabung sterilisier-
ten Catguts ist wiederholt beob-
achtet worden, daf Catgut sich zu
starr erweist und so in die Hände
des Operateurs einschneidet. Ge-
rade in dieser Beziehung scheint das
vorliegende Präparat den meisten
überlegen. Es ist elastisch und ver-
ursacht in den Händen das Ge-
fühl dünner Riemen. In bezug auf
die Aufbewahrung wurde schon ge-
sagt, daß sich die Fäden auf den
Haertel’schen Glasplatten gut an-
bringen lassen, oder es kann auch
aufbewahrt werden in dem hier ab-
gebildeten Behälter (s. Fig. 2). Er
besteht aus zwei zusammengeschlif-
fenen Zylindern, von denen der eine
sich oberhalb verjüngt und eine ein-
geschliffene Glaskappe trägt, aus der
das Catgut herausgezogen werden
kann. Um das Gefäß. leicht hand-
haben zu können, kann es vorteilhaft mit dem unteren Teile in eine
Gipsplatte eingelassen werden.
II.
(Aus dem Laboratorium der propädeutisch-chirurgischen Klinik des
Prof. Ssubotin in St. Petersburg.)
Peritonealplastik mit isolierten Netzstiicken.
Von
Dr. S. S. Girgolaff.
Die Möglichkeit, vollständig isolierte Netzstücke zu plastischen
7wecken in der Bauchhöhle zu benutzen, verspricht wesentliche Vor-
4 32 ai)
Zentralblatt fiir Chirurgie. Nr. 46. 1213
teile fiir die Bauchchirurgie. Auf diese Weise kénnte man Netzplastik
ausüben, ohne damit lästige Stränge und Verwachsungen in der Bauch-
höhle zu schaffen und ohne die normalen Lageverhältnisse des Netzes
zu beeinträchtigen.
Allein während Netzplastik mit stehenbleibendem Netz experimen-
tell und klinisch bereits fest begründet erscheint, ermangelt noch die
Methode der isolierten Netzplastik einer solchen Begründung. Einige
wenige klinische Erfahrungen liegen darüber seitens französischer
Chirurgen vor, Experimente wurden nur recht mangelhaft angestellt.
Diejenigen von Senn! verfolgten ein ganz anderes Ziel und erlauben
keinen Abschluß über die wichtigste Frage, nämlich hinsichtlich der
Vitalität und des Anheilungsvermögens der abgetrennten Netzteile.
Loewy’s Versuche, in sehr lückenhaften Protokollen beschrieben,
und in der deutschen Literatur scheinbar unbekannt geblieben?, wur-
den an ungeeigneten Tierarten angestellt, nämlich an Kaninchen und
Meerschweinchen, deren Netz, weil zu wenig entwickelt, keine Rück-
schlüsse für die Verhältnisse beim Menschen gestattet. Deshalb halte
ich es für angebracht, über eine neue Versuchsreihe zu berichten, welche
von mir im Laboratorium der propädeutisch-chirurgischen Klinik der
militärmedizinischen Akademie zu St. Petersburg ausgeführt wurde.
Als Versuchstiere benutzte ich Hunde und Katzen, die bekanntlich
ein gut entwickeltes, fettreiches, dem menschlichen gleichwertiges Netz
besitzen.
In Athernarkose wurden die Tiere laparotomiert, Magen-, Dünn-
oder Dickdarm aufgesucht und entweder eröffnet oder ihres Peritoneal-
und Muskelüberzuges in einer gewissen Ausdehnung (ca. 2,3 qcm) be-
raubt; Schnittwunden der Därme wurden mit einer oder zwei Knopf-
nähten mangelhaft verschlossen; nicht eröffnete Eingeweide ohne wei-
teres mit abgetrennten Netzstücken, ca. 4,6 qcm groß, bedeckt und
letztere auf unverletzter Serosa mit Knopfnähten fixiert.
Der Netzstumpf wurde stets, um Verwachsungen zu vermeiden,
ins Netzgewebe mittels eines einfachen Verfahrens versenkt.
Am wichtigsten erschien mir, bei diesen Netztransplantationen
die Frage zu lösen, wie schnell die verpflanzten Stücke anheilen, in
welchem Zeitraume sich in ihnen die Blutzirkulation wieder herstellt.
Zu diesem Zweck unternahm ich Gefäßinjektionen durch die Brust-
aorta mit einer Gelatine-Berlinerblaumischung 18, 24, 48 Stunden,
3, 5, 7 und mehr Tage nach der Operation. Bei sämtlichen hier in
Betracht kommenden Versuchstieren bestanden gar keine Verwachsun-
gen in der Bauchhöhle. Die transplantierten Netzstücke standen also
ausschließlich mit dem von ihnen bedeckten Magen resp. Darm in
Verbindung, und nur von hier aus konnten sie ihre Bluternährung
bekommen. Die Ergebnisse dieser Versuchsreihe lauten dahin, daß
bereits nach 24 Stunden einige Kapillaren mit Injektionsmasse ge-
1 Senn, Zentralblatt für Chirurgie 1889.
2 Auch mir wurden sie erst nach Ausführung vieler meiner Versuche bekannt.
1214 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46.
füllt werden; nach 48 Stunden und später bekommt man ein sehr
hübsches Injektionsbild zu Gesicht; es entsteht also während des
2. Tages eine genügend breite Verbindung zwischen den Gefäßen des
Bodens und denjenigen des aufgepflanzten Netzstückes. Von einer
Nekrose des übertragenen Stückes konnte niemals die Rede sein;
stets sah es feucht und glänzend wie eine gesunde Serosa aus. Selbst
bei Eiterung wurde das verpflanzte Stück niemals abgelöst oder ne-
krotisch. In keinem der Fälle, wo eine aseptische Heilung erzielt
wurde, entstanden Verwachsungen in der Bauchhöhle; das waren
Netzpfropfungen auf Magen, Dickdarm und Harnblase. Mit Ver-
pflanzung auf Dünndarm war ich bis jetzt weniger glücklich — indem
die betreffenden Tiere Reaktionserscheinungen darboten und das Netz
mit der Bauchwand und mit den transplantierten Stücken Verwach-
sungen bildete.
Es ist also die Möglichkeit erwiesen, Eingeweideverletzungen zu
schaffen und sie mit Netz zu bedecken, ohne daß es zu irgendwelchen
Verwachsungen kommt.
Nachdem mir die hohe Vitalität der abgetrennten Netzstücke klar
geworden, versuchte ich dieselben bei Verletzungen der großen Bauch-
drüsen zu verwenden. Bei Leberresektionen und Leberschnitten wur-
den die Nähte durch abgetrenntes Netzgewebe geführt oder die Wun-
den mit solchem Netzgewebe gepfropft (bourres épiploiques von Loewy?)
und durch Netzgewebe genäht. In allen Fällen (Katzenversuche) er-
wiesen sich die verpflanzten Netzstücke, welche ich »lebende Tampons«
nennen möchte, als durchaus geeignet, um Durchschneiden der Nähte
und Nachblutungen zu vermeiden.
Eine ausführliche Mitteilung über meine zurzeit noch nicht ab-
geschlossenen Versuche hoffe ich an anderem Ort veröffentlichen zu
können. |
1) P. Glimm. Über Bauchfellresorption und ihre Beein-
flussung bei Peritonitis.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXIII. p. 254.)
G. hat zur Sache Tierexperimente im Greifswalder hygienischen
Institut (Prof. Loeffler) angestellt. Zur Prüfung der peritonealen
Resorptionsvorgänge wurde Milchzuckerlösung dem Versuchstier intra-
peritoneal injiziert, dann die Ausscheidung des Zuckers mittels Urin-
untersuchung durch den Polarisationsapparat verfolgt. Zur Erzeugung
von Peritonitis diente intraperitoneale Injektion alter Bouillonkultur
von Kolibazillen. Der Vergleich der Zuckerausscheidung bei gesunden
Tieren mit derjenigen bei peritonitisch infizierten Tieren ergab nun
unzweideutig, daß nach bakterieller Infektion der Bauchhöhle die
Resorption in letzter beschleunigt (nicht verlangsamt) ist. G. sucht
nun weiter festzustellen, ob diese Resorptionsbeschleunigung als nütz-
3 Loewy, Thèse de Paris 1901.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 1215
liche Abwehrbewegung des Organismus anzusehen ist. Zu dem Zwecke
sucht er nach Herstellung der Peritonitis die Resorptionsbeschleunigung
im Bauchfell wieder künstlich herabzusetzen, um zu sehen, wie unter
diesen Bedingungen der Verlauf der Peritonitis sich gestaltet. Er
fand zur Herbeiführung der Resorptionsverlangsamung in der intra-
peritonealen Injektion von Olivenöl und anderen Ölen ein geeignetes
Mittel, das vom Bauchfell gut vertragen wird und das auch bei Koli-
peritonitis in hohem Maße die Bakterienresorption in die Blutbahn
hemmt. Dem entspricht ein günstiger Einfluß auf den Verlauf der
Peritonitis; mit Ol behandelte Tiere können die Krankheit überstehen,
der andere nicht so behandelte Tiere unter gleichen Verhältnissen
erliegen. »Die Hemmung und Verlangsamung der Bakterienresorption
wirkt also günstig auf den Verlauf der Peritonitis, und die Entstehung
einer Peritonitis wird nicht durch die Hemmung, sondern durch die
Beschleunigung der Resorption unterstützt. «<
Hiermit seien der wesentlichste Gedankengang und die wichtigsten
Ergebnisse dieser Arbeit, betreffs deren Details auf das Original zu
verweisen ist, gekennzeichnet. Von der Nützlichkeit der Olinjektionen
ist G. so überzeugt, daß er, wie er erklärt, bei ganz aussichtslosen
Fällen von Peritonitis es wagen würde, durch Olinjektionen zu ver-
suchen, den tödlichen Verlauf aufzuhalten. Er würde dann ca. 130 ccm
1%iges Kampferöl injizieren. Auch Ölinjektionen in abgekapselte
Abszesse, die stete Bakterienresorption verursachen, schlägt er vor.
Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
2) Wette. Über Appendicitis.
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XVI. Hft. 3.)
Schilderung der Krankheit unter Mitteilung von zahlreichen
eigenen Fällen. Die Arbeit ist für praktische Arzte berechnet. W.
ist entschieden Anhänger der Frühoperation. 81 Kranke wurden
innerhalb der ersten 2mal 24 Stunden operiert; zwei davon starben.
Haeckel (Stettin).
3) J. W. Wieherink. De Medicus-fractieusen de Appen-
dicitis acuta.
Haarlem, de Erven T. Bohn, 1906. z
Die Arbeit W.’s ist eine umfangreiche Abhandlung über Atio-
logie, Pathogenese, Symptomatologie und Diagnostik der Appendicitis.
Ausführlich werden die Ansichten der namhaftesten Autoren über die
Indikationen der Frühoperation der Appendicitis behandelt. Die Ab-
sicht des Verf., diese Monographie zu einem Ratgeber für den Arzt
bei der Behandlung der Appendicitis zu machen, ist ihm ausgezeichnet
gelungen. E. H. van Lier (Amsterdam).
1216 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46.
4) O. Kukula. Ätiologie und Pathogenie der Entzündung
des Blinddarmes und des Wurmfortsatzes.
(Sbornik klinicky Bd. VII. p. 351.)
Die Arbeit stützt sich auf die histologische Untersuchung des
Wurmfortsatzes und Blinddarmes von 141 Fallen (119 Kadaver,
22 Operationspräparate) und auf zahlreiche Experimente an Tieren.
Der Autor gelangt zu folgenden Resultaten:
Die Appendicitis ist eine Erkrankung, entstanden auf Basis
chronischer Entzündungen, die sich allmählich und fast bei einem
jeden Menschen infolge der langdauernden und wechselnden toxischen
Wirkung des im Wurm stagnierenden Inhaltes entwickeln. Diese
chronisch entzündlichen Veränderungen verlaufen in der größten
Mehrzahl der Fälle während des ganzen Lebens latent und haben
eine verschiedene Intensität. In manchen Fällen beschränken sie
sich nur auf die Schleimhaut und die Follikel, in anderen befallen
sie auch die Submucosa und die anderen Schichten des Wurmes und
führen auf diese Weise allmählich zu atrophischen oder hypertrophi-
schen Sklerosen, deren Resultat oft die Verödung des Organes ist,
wenn das Epithel und die Drüsen zerstört werden, da die gegenüber-
liegenden granulierenden Flächen miteinander verwachsen. In allen
Fällen konnten am Ubergange der verddeten Partie in die durch-
gängige, manchmal auch in dem verödeten Teile deutliche Produkte
der chronischen Entzündungen gefunden werden. Die Verödung er-
folgt entweder symptomlos oder unter nur geringfügigen Symptomen,
ganz allmählich, und ist umso vorgeschrittener, je älter das Individuum
ist, daher bei Kindern und jungen Personen selten zu finden und bei
diesen nur aus dem Grunde, weil für die Entstehung der Verödung
nicht nur die Dauer der chronischen Entzündung, sondern auch deren
Intensität in die Wagschale fällt; die Intensität wiederum hängt von
der verschiedenen Wirkung der toxischen Bakterienprodukte in den
verschiedenen Lebensaltern ab. Dieselbe Bedeutung haben auch
akute Exazerbationen der chronisch-entzündlichen Veränderungen des
Wurmes.
Diese verschieden intensiven chronischen Entzündungen sind die
primäre Ursache für die Entstehung der typischen akuten Entzündungen
oder Anfälle, die in jedem Stadium der chronischen Entzündung auf-
treten können. Den Anstoß zum akuten Anfall können sekundäre
Mono- oder Polyinfektionen geben, wobei die Wirkung der Bakterien-
invasion durch Kotsteine und Sekretstauung erleichtert und gesteigert
wird. Bei den Appendikularkoliken und den leichten Formen der
chronischen Entzündungen in der Ileocoecalgegend kommt dagegen
vorwiegend der mechanische Einfluß der Kotsteine und der Stagnation
zur Geltung, während die Bakterienwirkung zurücktritt, die vielleicht
nur eine geringfügige Exazerbation der chronischen Prozesse zur Folge
hat, die nach der Beseitigung des mechanischen Einflusses wieder
verschwindet.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 1217
Analoge Verhältnisse herrschen im Blinddarm. Auch hier finden
sich bei Erwachsenen chronische Entzündungen der Schleimhaut oder
der Follikel oder beider, charakterisiert durch eine Erweiterung der
interglandulären Räume infolge Infiltration der Schleimhaut mit zahl-
reichen Kernen, durch eine chronisch-diffuse Hypertrophie der Follikel
und durch Proliferationsprozesse in der Submucosa, manchmal auch
der Muscularis und der Serosa. Die chronische Entzündung führt
zur Atrophie des Blinddarmes und in seltenen Fällen zu einer leichten
Sterkoraltyphlitis. Die schweren, akuten primären Typhlitiden ent-
stehen wohl stets auf Basis vorangegangener leichter, chronischer Ent-
zündungen des Blinddarmes. Die Pathogenie dieser chronisch-entzünd-
lichen Prozesse ist eine verschiedene; bald handelt es sich um wirklich
primäre Typhlitiden, bald sind sie auf der Basis vorangegangener
Typhloenteritiden entstanden, bald durch den Einfluß des stagnierenden
Darminhaltes oder durch Fortschreiten chronischer Prozesse des
Wurmes auf den Blinddarm.
Den Ausdruck Typhlitis stercoralis hilt K. aufrecht, da es sichere
primäre Typhlitiden gibt, die auf der Basis chronischer Entzündungen
des Blinddarmes entstanden sind, die wiederum die Folge der Kopro-
stase sind; nur wirkt die letztere nicht mechanisch, sondern toxisch
durch den flüssigen oder halbflüssigen stagnierenden Blinddarminhalt.
6. Mühlstein (Prag).
5) A. Broca (Paris). Appendicites consecutives aux enterites
de l’enfance.
(Revue prat. d’obstétr. et de paediatrie 1906. Juli-August.)
Verf. ist der Ansicht, daB bei Kindern eine Enterokolitis zu
Appendicitis führen kann. Fast immer handelt es sich um Infektionen
der Darmschleimhaut, sei es, daß dieselbe mitten im Gesundheits-
zustand einsetzt oder sich auf Grundlage einer chronischen schleimig-
membranösen Enteritis entwickelt.
Oft ist es schwierig, den Augenblick festzustellen, wann eine
Enteritis sich mit Appendicitis kompliziert; doch gibt es einige Sym-
ptome, wie die schmerzhafte Verhärtung der Ileo-Coecalgegend, die
reflektorische Resistenz der Bauchmuskeln, das Erbrechen grüner Massen,
welche die Aufmerksamkeit auf den Wurmfortsatz hinlenken müssen.
In chronischen Fällen sind es wiederholte, namentlich rechts
lokalisierte Koliken, febrile gastrische Erscheinungen mit Erbrechen,
eine schmerzhafte Schwellung von Mac Burney’s Punkt, die auf den
wahren Sachverhalt hindeuten.
Unter den 33 Fällen, die B. operiert hat, und bei welchen sich
eine Verbindung mit einer Enterocolitis muco-membranacea feststellen
ließ, gibt es solche, wo die Appendicitis sich auf eine alte Enteritis,
ohne Abscheidung von schleimig-fetzigen Massen entwickelt hatte;
solche, bei welchen derartige Evakuationen in einer näheren oder ent-
fernteren Vergangenheit festgestellt werden konnten und solche, bei
welchen letztere auch nach der Operation fortbestanden. Doch auch
46**
1218 Zentralblatt fiir Chirurgie. Nr. 46.
in diesen Fällen wurde durch den chirurgischen Eingriff eine erheb-
liche Besserung des Zustandes erzielt, so daß derartige Fälle keinen
Beweis für einen diagnostischen Fehler abgeben, um so mehr, als in
allen denselben anatomische Veränderungen des Wurmfortsatzes ge-
funden wurden. E. Toff (Braila).
6) R. Harrison. A note on boric acid relative to appen-
dicitis.
(Lancet 1906. September 23.)
Verf. macht auf die Gefährlichkeit der Nahrungsmittelpräservierung
mittels Borsäure aufmerksam, da er zahlreiche Beobachtungen darüber
aufzuweisen hat, daß gerade die Borsäure zu Verdauungsstörungen und
Flatulenz in besonderem Maße führt. Fraglos bilden derartige Darm-
zustände in der Appendicitisätiologie eine hochbedeutende Rolle. Nach
Richard Jones ist die Appendicitisrate vom Jahre 1885—1904 von
133 auf 305 pro Million der Bevölkerung gestiegen, was nach Verf.
nur auf besonderen Verhältnissen der Ernährungsweise und nur in
gegen früher andersartigen, von außen in dem Darmkanal eingeführten
Stoffen seinen Grund haben kann.
Man kann füglich, wie Verf. am Schluß satirisch bemerkt, mit
der Nahrung nicht versichtig genug sein, heute, wo Parlamentsakte und
überredende Zeitungsannoncen regulieren, was wir dem Magen zu-
muten sollen, und was nicht! H. Ebbinghaus (Dortmund).
7) Hotchkiss. The treatment of diffuse suppurative peri-
tonitis, following appendicitis.
(Annals of surgery 1906. August.)
Nach Muscatello besitzt nicht das ganze Bauchfell, sondern nur
der Teil, welcher das Zwerchfell bedeckt, Lymphspalten; hier geht
dann allerdings die Resorption so schnell von statten, daß Karmin-
teilchen, die in die Peritonealhöhle eingespritzt wurden, bereits nach
7 Minuten im Ductus thoracicus erschienen.
Verf. bespricht dann die Behandlung der diffusen, keine Neigung
zur Verklebung zeigenden Peritonitis, die nach Perforation des Wurm-
fortsatzes entsteht und stellt bezüglich dieser Behandlung folgende
Thesen auf. Kleiner Muskelschnitt nach McBurney, zur Narkose
wenig Ather, Exstirpation des Wurmes, Auswaschen der Bauchhöhle
mit reichlichen Mengen Kochsalzlösung, Naht des Bauchfells, Drai-
nage der äußeren Wunde. Eine Drainage der Bauchhöhle durch
Drains oder Gazestreifen hält Verf. nicht nur für zwecklos, sondern
sogar für schädlich. Nur wenn nekrotisches Gewebe bei der Exstirpa-
tion des Wurmes zurückbleibt, ist sie nötig. Von 28 auf diese Weise
behandelten Pat. starben nur 5. Herhold (Altona).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 1219
8) M. Jaffé. Über das Auftreten isolierter Abszesse in den
Spätstadien der Perityphlitis.
(Berliner klin. Wochenschrift 1906. Nr. 18.)
Die freie Peritonitis kann unter Umständen eine partielle sein,
sie muß, falls nicht das Allgemeinbefinden des Kranken den Eingriff
kontraindiziert, unter allen Umständen operativ angegriffen werden,
weil nur nach Entfernung der Infektionsquelle Aussicht vorhanden ist,
das weitere Fortschreiten zu verhindern. In diesen Fällen, in welchen
die primäre Operation den Wert einer Präventivoperation hat, darf
nicht die Länge des seit der Erkrankung verflossenen Zeitraumes für
das Handeln des Chirurgen maßgebend sein. Die glänzenden Erfolge
der heutigen Frühoperation bei Appendicitis sind im wesentlichen als
die Erfolge einer Präventivoperation zu erklären. Die Frühoperation
ist in allen schweren Fällen von Appendicitis bis zum 45. Jahre un-
bedingt anzuraten. Spätlaparotomien soll man ohne weiteres nur bei
diagnostizierten allgemeinen Bauchempyemen und in denjenigen Fällen
machen, in welchen sich immer noch die Hauptereignisse in der rechten
Fossa iliaca abspielen. Bei den übrigen Formen soll man vor dem
Wagen wägen, welche Aussicht das’ Abwarten bietet.
Wiederholte Untersuchung und sorgfältigste Beobachtung sind
notwendig, um Douglasabszesse, linksseitige Eiterungen und sub-
phrenische Abszesse diagnostizieren zu können, deren rechtzeitige Er-
öffnung oft für eine günstige Wendung im Krankheitsverlauf aus-
schlaggebend ist. Langemak (Erfurt).
9) P. Reichel. Appendicitis und Ikterus.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXIII. p. 1.)
R. hat die Beobachtung gemacht, daß Ikterus bei Appendicitis
eine recht bedenkliche Komplikation von übler Prognose ist. Von
165 während der letzten 3 Jahre im Chemnitzer Stadtkrankenhause
beobachteten Appendicitiden mit 22 Todesfällen zeigten 18 Ikterus,
und von diesen starben 10, also 55,55%. Der Ikterus ist in diesen
Fällen nicht als katarrhalisch anzusehen, sondern als Zeichen einer
septischen Allgemeininfektion, und das klinische Krankheitsbild dieser
Fälle, welche unter psychischer Unruhe, Schlaflosigkeit, Aufregung,
später Koma verlaufen, erinnert an die akute Jodoformvergiftung.
Die septische Allgemeininfektion, um die es sich hier handelt, kann
ohne Peritonitis verlaufen; selbst einer Frühoperation unterzogene
Pat. können der Krankheit erliegen, ohne daß es bei ihnen zu einer
peritonitischen Entzündung kommt. R. publiziert vier besonders unter-
richtende Beobachtungen sämtlich mit frühzeitiger Radikaloperation
behandelter und verstorbener Kranker. Bis auf einen Fall, wo die
Sektion verweigert ist, ist dabei auch der genaue Obduktionsbefund,
zum Teil auch die bakteriologische Leichenuntersuchung mitgeteilt.
Außer den gewöhnlichen Befunden der allgemeinen Sepsis (Milz-
schwellung, parenchymatösen Veränderungen in Nieren und Leber)
*
1220 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46.
fanden sich auch Ekchymosen bzw: stärkere Blutungen in Magen und
Darm, was an die von v. Eiselsberg nach Laparotomien beschriebenen
Magenblutungen erinnert. Wie letztere auf Thrombosen und Embolien
bezogen werden, wird man in den R.’schen Fällen auf massenhafte
Verschleppung von Bakterien ebenfalls auf dem Zirkulationswege, sei
es mit, sei es ohne gleichzeitige Embolie feiner Thromben zu denken
haben.
Der Umstand, dal die bösartige Erkrankung sich bisweilen un-
mittelbar an die Operation der Appendicitis anschloß, läßt den Ver-
dacht zu, daß der operative Eingriff zur Allgemeininfektion den letzten
Anlaß hätte geben können. Mit Rücksicht hierauf rät R., bei nach
dem 2. Tage vorzunehmenden Appendicitisoperationen sich auf AbszeB-
eröffnungen zu beschränken, die Wurmfortsatzexzision aber zu ver-
schieben. Meinhard Schmidt (Cuxhaven’.
10) v. Verchöly. Über die Komplikation der Bruchoperation
durch den Wurmfortsatz.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVIII. Hft. 3. p. 596.)
An der Hand eigener Beobachtungen werden die durch den
Wurmfortsatz geschaffenen Komplikationen der Hernien besprochen.
Kommt es bei extraperitonealer Lage des Wurmes in der Bruch-
sackwand, wofür Verf. die Bezeichnung Appendix in pariete herniae
vorschlägt, zu einer akuten, eiterigen Appendicitis, so entsteht meist
eine periherniöse Phlegmone, die häufig ohne peritonitische Verände-
rungen verläuft und oft eine Skrotalfistel hinterläßt. Bei nicht chro-
nischem Verlaufe kann durch entzündliche Bindegewebswucherung eine
Verödung des Bruchsackes und geschwulstähnliche Verdickung des
Samenstranges entstehen.
Eine Appendix libera in Hernia fand Verf. unter 1000 Bruch-
operationen achtmal, teils isoliert, teils mit dem Blinddarm oder Dünn-
darmschlingen zusammen, nicht nur bei Leistenbrüchen, sondern auch
bei einem Nabelbruche.
Bei Einklemmung des Processus mitsamt anderen Darmpartien
spielt der Wurmfortsatz eine untergeordnete Rolle. Die Diagnose
der isolierten Wurmeinklemmung gegenüber der Appendicitis im Bruch-
sacke gründet sich vor allem auf die Art der Entstehung, die In-
tensität der Entwicklung der Symptome und den Zustand der Appen-
dix bei der Operation (Schnürring, Stauung ohne Eiter und fibrinöse
Verklebungen). Sie wird relativ am häufigsten bei Schenkelbrüchen
beobachtet. Eine interessante Unterart bildet der » Wurmfortsatz-
schlingenbruch« (retrograde Einklemmung). Die isolierten Wurm-
fortsatzeinklemmungen verlaufen in leichten Fällen unter dem Bilde
einer lokalen Bruchentzündung, in schweren Fällen treten Übelkeit,
Erbrechen, aber ohne Störung der Darmwegsamkeit hinzu, in den
schwersten Fällen endlich kommt es zu ausgesprochenen Ileussymptomen
mit schwersten Allgemeinerscheinungen. Die Störung der Darmweg-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 41221
samkeit hält Verf. in solchen Fällen für reflektorisch, durch Druck-
affektion der peritonealen Nerven bedingt.
Die Einlagerung des Wurmfortsatzes in einen Bruch bringt eine
besondere Disposition zur Appendicitis mit sich. In anatomischer Be-
ziehung bietet eine Appendicitis in Hernia keine Besonderheiten, wohl
aber symptomatologisch. |
Bei chronischem Verlaufe kann es nur zu wiederholten, rasch
vorübergehenden, schmerzhaften Anschwellungen kommen, die den
Bruchinhalt mitunter plötzlich irreponibel machen. In schweren Fällen
dagegen entwickelt sich eine akut-periherniöse Phlegmone mit heftigen
Einklemmungserscheinungen; doch ist in der Regel die peritoneale
Reaktion geringer, der Darmverschluß nicht so vollkommen wie bei
anderen Einklemmungen oder abdomineller Appendicitis. Da meist
rasch ein Verschluß der Bruchpforte erfolgt, ist eine diffuse Peritonitis
dabei sehr selten, und es kann Spontanheilung unter Bildung einer
skrotalen Kotfistel eintreten.
In praktischer Hinsicht kommt Verf. zu dem Schluß, den ge-
sunden Wurmfortsatz bei Bruchoperationen zu reponieren, dagegen
bei Anwesenheit entzündlicher Erscheinungen oder von Fremdkörpern,
sowie bei extrasakkulärer Lage auch des normalen Organes dasselbe
prinzipiell zu entfernen. Bei extrasakkulären Entzündungen operiert
Verf. zweizeitig. Reich (Tübingen).
11) Amberger. Über postoperative Bauchbrüche.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVIII. Hft. 3. p. 643.)
Bei 180 Laparotomiewunden von 160 Pat. finden sich im ganzen
23 = 12% echte Brüche und etwa ebenso oft umschriebene Vor-
wölbungen im Operationsbereiche. Männer sind fast doppelt so häufig
betroffen als Frauen, weil sie meist schwerere Arbeit zu verrichten
haben. Die Körperbeschaffenheit ist ohne nennenswerten Einfluß auf
die Bruchentstehung.
Der Lennander’sche Schnitt ist dem alten Schrägschnitt parallel
dem Poupart’schen Bande nicht wesentlich überlegen, ist im Gegen-
teil weniger erweiterungsfähig und übersichtlich. Vorzüglich bewährt
er sich jedoch in Fällen, wo man sicher ist, mit kleinen Schnitten
auszukommen und keine oder nur kurzdauernde Drainage nötig hat.
Die Durchtrennung der Muskulatur als solcher, wenn sie nur wieder
exakt genäht wird, ist wenig gefährlich, wie die guten Resultate der
Parallelschnitte zum Rippenbogen beweisen, wobei allerdings die
Spaltung der Fascie in ihrer Faserrichtung und der geringere ab-
dominelle Druck im oberen Bauchabschnitte hinzukommt. Ganz mit
Unrecht ist der Schnitt in der Linea alba in Mißkredit geraten: er
liefert bei exakter Fasciennaht, selbst bei drainierten Fällen, vorzüg-
liche, bruchfreie Narben. Die Länge des Schnittes macht sich nur
bei Schnitten über 15 cm Länge als für Brüche disponierendes Mo-
ment geltend, und dann auch nur bei drainierten und nicht ungestört
geheilten Fällen. Großer Wert ist auf die Technik der Bauchdecken-
1222 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46.
naht zu legen: der Verschluß in drei oder vier Etagen ist der zwei-
reihigen Etagennaht an Sicherheit weit überlegen.
Das Tragen von Bandagen nach der Wundheilung erweist sich
als ein höchst problematischer Einfluß auf die Verhinderung der
Bruchbildung.
Von beherrschender Wichtigkeit ist dagegen die Anwendung und
Dauer von Tamponade und Drainage. Verf. zeigt, daß die Häufigkeit
der Narbenbrüche genau parallel geht zur Dauer der Drainage resp.
Tamponade sowie zur Größe und Schwere der Schädigung der Bauch-
decken durch Fadeneiterungen, Fasciennekrosen, Kotfisteln usw. Exakte
Schichtennaht und glatte Primärheilung sind der sicherste Narben-
schutz und machen alle Bandagen überflüssig.
Bei den nicht primär geheilten Fällen — bei Primärheilung ist
die Schnittrichtung ziemlich gleichgültig — haben sich besonders der
Schnitt am Rippenbogen und der Lennander’sche Schnitt in bezug
auf Narbengüte bewährt. Die Vorzüge des letzteren lassen sich mit
denen des alten Schrägschnittes über dem Leistenbande vereinigen,
wenn man den Schnitt bis unter den Rectus verlängert und daselbst
drainiert, so daß auch hier bei Entfernung der Drainage der median
dislozierte Rectus sich verlagern kann.
Die von den Narbenbrüchen zu trennende Nachgiebigkeit der
Narbe oder deren Umgebung macht häufig keinerlei Beschwerden und
bedingt keine Einklemmungsgefahr. Sie hat ihren Grund meist in
einer Schädigung von Muskulatur und Nerven, findet sich bei Frauen
und Männern gleich oft, unverhältnismäßig häufig aber bei Kindern,
weil bei diesen die Schnitte und damit die Nervenverletzungen viel
ausgedehnter sind.
Bei allen länger drainierten Bauchwunden lohnt sich die Aus-
führung der Sekundärnaht zur Verhinderung postoperativer Hernien.
Von einer Kräftigung der Bauchmuskulatur durch methodische Übungen
sah Verf. vorzügliche Resultate, selbst Spontanheilung von Narben-
brüchen. Reich (Tübingen).
12) F. Zahradnicky (Deutschbrod). Über traumatische Her-
nien.
(Wiener klin. Rundschau 1906. Nr. 5—9.)
Das wichtige und interessante Gebiet der traumatischen Entstehung
der Brüche wird von dem Verf. in einer sehr ausführlichen, lesens-
werten Weise besprochen; zunächst gibt er eine historische Entwick-
lung dieser Frage und stellt den Standpunkt der bisherigen Autoren
fest. In neuer Zeit ist die Frage durch das Unfallversicherungsgesetz
brennend geworden, aber ihre Beantwortung erschwert durch das In-
teresse der Kranken an der Anerkennung der traumatischen Entste-
hung; der Standpunkt des Verf., den er auf Grund kritischen Litera-
turstudiums und eigener umfassender Erfahrung einnimmt, legt er
folgendermaßen fest: »Die traumatischen Hernien entstehen in der
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 1223
Regel an den obligaten Bruchpforten durch direkte oder indirekte
Gewalt, und zwar am häufigsten auf Basis einer angeborenen Dispo-
sition in Form des offenen Processus vaginalis oder der Pointe de
hernie Kocher’s, wenn auch in seltenen Fällen. traumatische Hernien
ohne bestandene Disposition nicht bestritten werden können.
Traumatische Hernien können sich auch an atypischen Stellen
der Bauchwand entwickeln, doch kommt dies selten vor. Es handelt
sich dabei stets um eine direkte Gewalt.
Früher wurde die Existenz traumatischer Hernien allgemein ge-
leugnet, und doch ist sie heute erwiesen 1) durch in vivo et mortuo
sowohl an den obligaten als auch an den nicht obligaten Stellen der
Bauchwand sicher konstatierte Fälle; 2) durch Experimente. Diese
haben bis jetzt nur an den obligaten Bruchpforten positive Resultate
ergeben; aber es ist zu erwarten, daß sich die traumatischen Hernien
bei richtiger Versuchsanordnung auch an den nicht obligaten Stellen
der Bauchwand werden experimentell hervorrufen lassen.
Die Diagnose der traumatischen Hernie ist ungemein schwer.
Man muß vor allem sicherstellen, daß der Kranke vor dem Unfall
keine Hernie besessen hat. Diese Aufgabe ist manchmal für den Arzt
eine sehr schwierige, und oft gelingt es dem Untersuchungsrichter
leichter, die Wahrheit zu eruieren, als dem Arzt. Ferner muß fest-
gestellt werden, daß die Hernie mit einer übermäßigen Anspannung
der Kräfte zusammenhängt.
Dem Arzt erübrigt nur die Konstatierung des Befundes. Die
Schmerzempfindung ist zu subjektiv; eher können die objektiven Sym-
ptome Anhaltspunkte gewähren, aber auch sie sind nicht absolut ver-
läßlich (Größe der Hernie, Irreponibilität, palpatorischer Befund).
Auch der autoptische Befund ist nicht immer absolut verlaBlich. Der
Arzt konstatiert die Hernie, der Richter soll die Frage nach der trau-
matischen Entstehung konstatieren.
Der rein akademische Standpunkt müßte unter dem Drucke der
praktischen Verhältnisse verlassen werden; man müßte der Justiz diese
Konzession machen, nicht etwa, weil sich die wissenschaftliche An-
sicht über die Entstehung der Hernien geändert hätte, sondern weil
der Begriff des Traumas vertieft wurde.
Ob unter dem Einflusse des Traumas der Bruchinhalt plötzlich
in einen leeren Bruchsack eingedrungen ist oder ob der Bruchsack
und sein Inhalt bereits vorher existierten und sich infolge des Traumas
nur vergrößerten, oder ob es sich um eine plötzlich entstandene echte
traumatische Hernie handelt, ist vom praktischen und rechtlichen
Standpunkte gleichgültig; in allen diesen Fällen handelt es sich um
eine traumatische Hernie. Vom wissenschaftlichen Standpunkt aus
kann nur jene letzterwähnte Hernie als echte traumatische Hernie
angesehen werden.« Schmieden (Bonn).
1224 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46.
13) Bühlmann. Über die operative Behandlung von In-
guinalhernien bei Kindern.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXIII. p. 324.)
B. berichtet aus dem Jenner’schen Kinderspital in Bern über
die Grundsätze und Resultate des Chirurgen dieser Anstalt, Prof.
Tavel, hinsichts der Behandlung kindlicher Leistenbrüche.
Bei einem sehr reichen einschlägigen Materiale huldigt Tavel
ausschließlich der operativen Radikalbehandlung, die nach ihm an-
gezeigt ist, sobald eine Hernie beim Kinde beobachtet wird, welchen
Alters dieses auch sei. Je früher die Operation ausgeführt wird, desto
leichter ist sie technisch durch das Fehlen von Verwachsungen. Die
einseitige Operation wird durchschnittlich in 10—15 Minuten, die
doppelseitige in 20—30 Minuten ausgeführt, wobei eine dem Verfahren
von Broca und Stiles ähnliche Methode zur Anwendung gelangt,
wie folgt. Stets Narkose, in der Regel mit Ather. Schnittführung
parallel dem Lig. Poupart. über dem Bruchsackhals, aber ohne Spal-
tung des Leistenkanals. Inzision der Tunica vaginalis communis in
der Längsrichtung. Ablösung der Elemente des Samenstranges, die
gewöhnlich auseinander getrieben worden sind, vom Bruchsack. Dieser
Operationsakt wird als nicht allzu schwer geschildert. Die kindlichen
Bruchsäcke sind äußerst fein und durchsichtig und werden mit dem
Finger von den Elementen des Samenstranges getrennt, in den meisten
Fällen ohne alle Hilfe. Der Bruchsack bleibt uneröffnet, in ihm vor-
handene Eingeweide werden reponiert, wozu die nunmehr vorzunehmende
Torsion des Bruchsackes unter Umständen genügt. Es wird nämlich
das distale Ende des Bruchsackes mit einem Schieber gefaßt, aufgerollt,
gedreht und kräftig nach außen gezogen. Dabei wird das Lig. vesico-
umbiliacale laterale, das oft mit vorgezogen wird, geschont und seit-
wärts gelagert. Unterbindung und Abtragung des Sackes (Seide Nr 3),
dessen Stumpf in die Bauchhöhle zurückschlüpft. Die Pfeiler des
äußeren Bauchringes wie das Lig. Poupart. werden etwas freipräpariert,
und der Ring durch drei Seidenknopfnähte vor dem Samenstrange
genügend zusammengezogen. Hautnaht, Kollodialverband.
Das Tavel’sche Berichtsmaterial von 1902 bis 1905 betrifft
144 Brüche bei 117 Kindern (10 Mädchen, 107 Knaben). Doppel-
briiche 28, rechtsseitige 65, linksseitige 51. Das jüngste operierte
Kind war 8 Tage alt (!), das älteste 14 Jahre. Todesfälle 8, wovon
nur einer der Operation zur Last legbar — es handelt sich um ein
elendes Kind, auf dessen Operation die Eltern gegen ärztlichen Rat
bestanden hatten. Rezidiv ist einmal beobachtet — eine zweite Opera-
tion führte zur Heilung. Nur in 5 Fällen kam es zu Wundinfektion,
die aber die rezidivfreie Heilung nicht beeinträchtigte. Statistisch
zeigte sich Heredität häufig, auch ist eine ziemlich große Zahl Früh-
geborener bemerkenswert, die also besonders zu Brüchen disponiert
erscheinen.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 1225
Der klinischen Berichterstattung sind etwas weitläufige historische
Angaben über Bruchoperation vorausgeschickt, auch eine Besprechung
der verschiedenen Leistenbruchvarietäten, entsprechend den Tiefen-
ausdehnungen des Bruchsackes und den Komplikationen mit den ver-
schiedenen Hydrokelen, erläutert durch schematische Figuren, wobei
nichts Neues geboten wird. Interessanter sind einige Daten zur Topo-
graphie des kindlichen Leistenkanales nach eigenen anatomischen
Untersuchungen B.’s. B. hebt hervor, daR beim Neugeborenen der
Leistenkanal fast sagittal die Bauchwand durchsetzt, im Gegensatze
zum Leistenkanal des Erwachsenen, der mehr schräg bzw. transversal
verläuft. Ferner verhalten sich die Bauchfellfalten der vorderen
unteren Bauchwand beim Kinde und Erwachsenen verschieden. Beim
Kinde sind sie mehr zusammengerückt, einander genähert“und weniger
divergierend als beim Erwachsenen. Besonders kräftig entwickelt ist
beim Kinde das Lig. vesico-umbiliacale laterale nebst der dazu gehörigen
Bauchfellfalte. Hierdurch erscheint die Fossa inguinalis medialis gut
geschützt und gedeckt. Aus diesen Verhältnissen erklärt sich, daß
beim Kinde fast nur äußere Leistenbrüche vorkommen, diese aber der
geraden Kanalrichtung entsprechend den inneren Brüchen des Er-
wachsenen ziemlich ähnlich sind.
Auszüge sämtlicher Operationsgeschichten sowie Literaturverzeichnis
von 75 Nummern sind der Arbeit beigefügt.
Meinhard Schmidt Cuxhaven).
Kleinere Mitteilungen.
I.
(Aus der chirurg. Universitätsklinik zu Greifswald.)
Über Jodoformgazesterilisation.
Von
Dr. Heyde, Volontärassistent.
Wohl ausnahmslos wird man bestrebt sein, dem Bedürfnis Rechnung zu tragen,
die in Klinik oder Krankenhaus selbst hergestellte Jodoformgaze vor dem Ge-
brauch einer sorgfältigen Dampfsterilisation zu unterziehen. Eine Begründung der
Notwendigkeit solchen Vorgehens wird hier unterbleiben können.
Meinem Chef, Prof. Friedrich, hat sich seit einer Reihe von Jahren ein
Sterilisationsverfahren der Jodoformgaze sehr bewährt, von dem er annahm, daß
es in anderen Kliniken und Krankenhäusern in ähnlicher Weise gehandhabt würde,
um so mehr, als vor einigen Jahren in der Deutschen Zeitschrift für Chirurgie
Heidenhain! ein auf gleicher Vorstellung beruhendes Verfahren mitgeteilt hat.
Die Firma Lautenschläger, welcher Prof. Friedrich die Anfertigung einer,
diesem Prinzip Rechnung tragenden Sterilisationstrommel vor einiger Zeit vorge-
schlagen hatte, hat mit Rücksicht auf mehrfache an sie ergangene Anfragen die
Bitte ausgesprochen, eine Beschreibung der kleinen Vorrichtung zu geben; ich
will im Auftrage meines Chefs diesem Anliegen im folgenden entsprechen und die
ı L. Heidenhain, Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. XLVIL p. 270.
1226 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46.
Technik der Handhabung genau so schildern, wie sie seit Jahren von Prof. Fried-
rich geübt wird.
Das Prinzip, das Jodoform ungeschädigt
durch Dampfsterilisation zu erhalten und da-
bei doch die gewöhnliche Sterilisationszeit
des strömenden Dampfes einwirken zu lassen,
beruht darauf, daß man die Jodoformgaze ge-
wissermaßen in ein Filtermaterial einbettet.
Wir verwenden hierzu die Mull-Wattekom-
pressen (zwei Schichten Mull, dazwischen eine
2 cm dicke Schicht Watte).
Um aber möglichst mit dem Kompres-
senmaterial sparen zu können, ist ein Behälter
wie die Schimmelbusch'sche Trommel der
bequemste, so zwar, daß man auf den Boden
der Trommel ein solches rund eingepaßtes
Kompressenstück legt, den Mantel des Metall-
zylinders inwendig in ganzer Höhe mit einem
Kompressenmantel auskleidet und dann nach
Einbringen der Jodoformgaze vor dem Deckel-
schluß noch ein genau passendes Kompressen-
stück oben auflegt, also gewissermaßen die
Jodoformgaze ringsum abdichtet. Wir haben
die Erfahrung gemacht, daß die Kompres-
senlage im Kessel ganz gleichmäßig
undlückenlos abschließen muß, sonach an keiner Stelle die Jodoformgaze frei
mit der Metallwand der Trommel oder dem Dampfe in Berührung kommen darf.
Anderenfalls wird Jod frei und die Jodoformgaze entwertet. Bei sorgfältiger Ab-
dichtung bleibt bei einer Dampfsterilisation von 100° und einstündiger Dauer
die Jodoformgaze ganz ungeschädigt und wird doch zuverlässig sterilisiert.
Zur Bequemlichkeit fürs Personal hat nun Prof. Friedrich Herrn Lauten-
schläger um Herstellung einer Sterilisationstrommel ersucht, deren einzelne Teile
auf der Abbildung ersichtlich sind. Ein Drahtkorb gleicher Form, aber kleinerer
Dimensionen, wird in die Trommel eingesetzt, nachdem am Boden die gut ein-
gepaßte Watte-Mullkompresse eingelegt ist, dann zwischen die Wand des Einsatz-
korbes und die Metallwand der Trommel eine weitere Kompresse eingelegt, die
Jodoformgaze in den Korbeinsatz gebracht, obenauf eine gut abschließende Mull-
Wattekompresse wieder aufgelegt, die Trommel geschlossen und der Sterilisation
ausgesetzt. Von Wichtigkeit ist, daß die Jodoformgazesterilisiertrommel in einen
Dampfsterilisator gebracht wird, in welchem der Dampf nicht über 100° erhitzt
wird, an welchem also Atmosphärenüberdruck vermieden ist. Dieselbe
Kompresseneinlage braucht nach einmaligem Gebrauche nicht entfernt zu werden,
sondern bleibt für die nächsten Sterilisationen wieder in dem Behälter. Natürlich
kann man sich diesen Behälter für klinischen Betrieb oder für auswärtige Tätigkeit
in verschiedenen Größen anfertigen lassen; man wird dank dieses Steri-
lisationsverfahrens immer eine tadellose und zuverlässig steri-
sisierte Jodoformgaze zur Verfügung haben können. Bakteriologische
Kontrolluntersuchungen ergaben, daß die so sterilisierte Jodoformgaze der nicht
sterilisierten an Bakterien hemmender Kraft nicht nachsteht.
Dabei will ich nicht unterlassen, der Herstellungsweise der Jodoformgaze wenige
Worte zu widmen, so, wie sie an unserer Klinik geübt wird. Die Technik ist die
folgende: Ungefähr 40—50 Stück gut ausgezupfte, breite, 10 m lange, sterile Mull-
binden werden in einer sterilen Glyzerinlösung, welche zu gleichen Teilen mit Aqua
destillata gemischt ist, getränkt, danach mit Wringmaschine ganz trocken ausgepreßt.
Dann wird in dieselben reines Jodoformpulver oder, was wir bevorzugen, Jodo-
form -Borsäurepulver (Jodoform und Borsäure zu gleichen Teilen) gleichmäßig
eingerieben, nunmehr werden die Binden einfach schichtweise zusammengelegt und
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Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 1227
aseptisch aufbewahrt bis zum Sterilisationsakt in der Trommel. Die ganze Her-
stellung hat sich durchaus aseptisch zu vollziehen; die die Gaze herstellende
Schwester benutzt hierbei jedoch nicht den Handschuh — wegen des Klebens mit
dem Glyzerin —, sondern schickt nur eine peinliche Handsterilisation voraus.
Auch reine Jodoformgaze behält den vollen Jodoformgebalt; nur verschwindende
Mengen gehen verloren; sie ändert sich nicht in Farbe und Geruch.
Il.
Ein neuer Apparat zur aseptischen Seifenentnahme.
Von
Dr. Conrad Stich in Leipzig.
Die Benutzung der Seife in der Hand des Chirurgen und Gynäkologen ist
vom Standpunkt einer peinlichst durchgeführten Asepsis mit Schwierigkeiten ver-
bunden.
Es ist z. B. heute noch die Forderung
zu erfüllen, die Seife in die Hände zu er-
halten, ohne daß diese ein Seifenstück oder
einen Seifenbehälter zu berühren nötig ha-
ben, oder daß bei der Seifenentnahme eine
zweite Person unterstützend eingreifen muß.
Nach vielfachen Konstruktionen und
Versuchen, die bisher bei der Seifenentnahme
bestehenden Übelstände zu beseitigen, bin
ich zu einer einfachen Konstruktion eines
Seifenbehälters gelangt, der allen Ansprüchen
in dieser Richtung genügen dürfte.
Die von einer Metallgabel gehaltene,
pendelnde dickwandige Flasche mit eingerie-
benem Stopfen und gebogenem Ausflußrohre
von Glas wird vermittels eines Hebels be-
wegt und durch dessen Senken der Inhalt
zum Ausfluß gebracht. Dieser Hebel ist leicht
mit dem Arme des Operateurs zu dirigieren,
während die Hand desselben Armes gleich-
zeitig die ausfließende Seife oder den Sei-
fenspiritus aufnehmen kann.
Die Figur erläutert die Notiz.
14) Von der 78. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte zu
| Stuttgart.
(Den Diskussionsreferaten liegen Selbstberichte der Redner zugrunde.)
a. Garrè (Breslau): Über Transplantationen in der Chirurgie.
Nach kurzer Ubersicht über die Leistungen der modernen Chirurgie auf dem
Gebiete der Transplantation berichtet G. über neue Experimente von Gefäß- und
Organverpflanzung, die in seiner Klinik gemacht worden sind. Schon vor
10 Jahren hat G. auf der Hamburger Naturforscherversammlung über wohlgelungene
Arteriennähte am Menschen berichtet, die mit durchgreifenden Seidensuturen ge-
macht wurden. Mit dieser Methode gelingt nunmehr die zirkuläre Vereinigung
von Arterien und Venen, ohne daß sich eine Thrombose ausbildet. Weiter ist es
geglückt, ähnlich wie der Amerikaner Carrell es zuerst gezeigt hat, Arterien mit
Venen gleichen Kalibers zu vereinigen; die dünnere Venenwand weitete sich aus,
ein Aneurysma entstand nicht.
1228 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46.
Arterienstücke bis zu 6 cm Länge wurden von einem Tiere aufs andere ver-
pflanzt, in die Kontinuität der Carotis oder Femoralis eingeschaltet. Nicht nur
lebenswarme Gefäßstücke von einer anderen Tierspezies sind eingeheilt, sondern
auch solche, die erst nach 1—1?/a Stunden dem toten Tier entnommen waren. Auch
diese blieben für das Blut durchgängig. Es wurde vom Kaninchen, dem Schaf
und der Katze auf den Hund transplantiert; nur die letzte Verpflanzung ist hier-
von als völlig gelungen zu bezeichnen. Die kleinsten Gefäße, die mit zirkulärer
Naht vereinigt wurden, hatten einen Quermesser von ca. 11’ mm.
Nach diesen Vorarbeiten wurde die Niere als ganzes beim Hund autoplastisch
und heteroplastisch verpflanzt. Als Einpflanzungsstätte wurde der Hals und die
Leistengegend gewählt. Die Carotis resp. Art. iliaca wurde durchschnitten und
durch zirkuläre Naht mit der Nierenarterie, die durchschnittene Jugularis resp.
V. ıliaca mit der Nierenvene durch Seidennaht vereinigt. Am Halse ließ man den
Ureter frei ausmünden; bei der intraperitonealen Verlagerung konnte der Harn-
leiter in die Blase eingepflanzt werden. Die recht schwierigen Nähte an den
kleinen Gefäßen sind in der Mehrzahl gelungen.
Die verpflanzten Nieren sezernierten meist sofort nach vollendeter Operation.
Das Sekret war ein Urin, der alle wichtigen Bestandteile eines Urins enthielt, so
daß wohl mit Recht angenommen werden darf, daß eine nach dieser Art verpflanzte
Niere imstande sein wird, den Körper zu entgiften. G. demonstriert ein Präparat
von einer Niere, die 3 Wochen lang, von der Art. iliaca gespeist, ihren Urin durch
den in die Blase implantierten Harnleiter entleerte. Die Niere sah im Einschnitte
normal aus — Arterie und Vene waren frei durchgängig. Die Nahtstellen sind
kaum sichtbar.
Die Experimente sollen noch weiter ausgebaut und auf die Milz und die
Schilddrüse ausgedehnt werden. Eine ausführliche Mitteilung über die Versuche
wird von den Herren Assistenzärzten Dr. Stich, Dr. Makkas und Dr. Dowman
vorbereitet. (Selbstbericht.)
b. Gluck (Berlin): Probleme und Ziele der plastischen Chirurgie.
G. gibt ein zusammenfassendes Referat seiner im Jahre 1876 begonnenen ex-
perimentell chirurgischen und klinischen Studien auf diesem Gebiete. Das wissen-
schaftliche Programm, welches G. seinerzeit fiir seine Untersuchungen entworfen,
ist in weitem Umfange heute als gelést und der praktischen Verwertung erschlossen
zu betrachten.
Wir konnen heute, wie bekannt, bei Kontinuitatstrennungen von Geweben, auch
sog. höheren Geweben ‚Nerven — Muskeln — Sehnen — Knochen und Blutgefäßen),
die direkte Naht anlegen, um die Kontinuität wieder herzustellen, die Regeneration
anzubahnen und die Funktion zu retablieren; bei eingetretenen Defekten der ge-
nannten Gewebe können wir die peripheren Stümpfe auf die intakten benachbarten,
z. B. Nerven, Sehnen oder Muskeln, pfropfen und so die Regeneration und den
Wiedereintritt der Funktionen anbahnen;. wir können aber auch durch echte Trans-
plantationen lebenden Gewebes in die Defekte mit Hilfe doppelter Naht dieselben
ausfüllen. Da diese lebenden Gewebsmassen nach der Transplantation in der Mehr-
zahl der Fälle der aseptischen Nekrose anheimfallen und ihre Vitalität einbüßen,
so hat G. die Implantations- oder Fremdkörpertherapie ersonnen, mit Hilfe deren
in der vollkommensten Weise Defekte höherer Gewebe rekonstruiert werden können.
Diese heterologen aseptischen Materien dienen z. B. den Nervendefcktstümpfen als
Spalier, als Leitband, als Substitutionsmaterial bei der Regeneration ihres spezi-
fischen Gewebes; und es kann somit jede defekte periphere Nervenbahn der zen-
tralen Innervation wieder zugeführt werden, an die Zentrale wieder funktionell
angeschlossen werden, wie im Original genauer ausgeführt ist, mit Hilfe dieser
plastischen Methoden. — Damit war ein weites Gebiet operativer Bestrebungen
eröffnet.
Auch Muskel- und Sehnendefekte können durch künstliche, z. B. seidene,
Sehnen rekonstruiert werden; die Seide unterliegt einer spezifischen Substitution
unter Bildung neuer Sehnen in der Bahn des gewählten Ersatzmateriales. Knochen
können durch tote sterile Skelettknochen oder durch Elfenbeinstäbe in verschieden
~
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 1229
modifizierter Technik ersetzt werden. (Die Fremdkörper dienen entweder der tem-
porären Fixation als Irritamente zur Osteogenese, und bestimmen wir dadurch
a priori die Länge und Richtung der definitiven Narben; oder sie dienen dem
definitiven Ersatz und heilen dauernd ein, indem sie mit der von G. so genannten
Substitutionssynostose mit den Knochendefektstümpfen und dem neu gebildeten
Callus verschmelzen; auch Metallprothesen und Knochenplomben [Gold, Platin,
Aluminiumbronze usw.) können unter Umständen einheilen.)
G.’s Arthroplastik mit Hilfe einheilbarer Gelenkkörper ist jedoch als geschei-
tert zu betrachten, ebenso wie seine älteren Versuche, mit aseptischen Materien
Resektionsflächen zu überziehen, um die Bildung einer Ankylose zu verhüten.
Dagegen sind seine neuen Vorschläge, nicht neue Gelenkkörper zu implan-
tieren, sondern eine Arthroplastik zu leisten durch Bekleiden der Resektions-
flächen mit gestielten Hautlappen der Nachbarschaft, gelungen. Die Haut, welche
bei der Laryngoplastik eine funktionell muköse Metaplasie erfährt, erfährt in dem
neugebildeten Gelenkraum eine funktionell synoviale Umwandlung.
G.’s Arbeiten »Über Transplantation und lebendige Tamponade«, »Über resor-
bierbare und nicht resorbare Tamponade« führten zu den ausgedehnten Empfeh-
lungen und Anwendungen dieser subkutanen Prothesen in der Chirurgie durch
Gersuny und seine Mitarbeiter (Gersuny’s Paraffinprothesen).
Außerdem empfahl G. in mehreren Arbeiten »Über Anpassung am Menschen«
die orthopädische Inanspruchnahme bei kongenitalen und erworbenen Defekten
und die wissenschaftliche Ausbildung vikariierender Funktionen zur Kompensation
des Fehlenden oder Verlorengegangenen.
Das Überleben der Teile und einzelner Gewebskomplexe nach dem Tode des
Gesamtorganismus (wie es u. a. Grawitz und seiner Schule zu eingehenden Stu-
dien gedient hatte) führte G. dazu, Leichenhaut, frischen, nicht infektiösen, z. B.
Kinderleichen entnommen, zu Transplantationen zu empfehlen. Er berichtet über
den Modus der Einheilung und die event. damit zu erzielenden plastischen Effekte,
sowie über die Art der Entnahme und Desinfektion und Aufbewahrung des ge-
wonnenen Ersatzmateriales.
Schließlich wird noch der Organotherapie gedacht, deren idealste Methode die
direkte Organüberpflanzung darstellt. Ovarien, die Schilddrüse usw. sind von
verschiedenen Autoren überpflanzt worden, zuletzt mit besonderem Erfolge die
Transplantation von Schilddrüse in eine Blutdrüse, nämlich durch Payr (Graz) in
die Milz.
Mit ungleich größerer Sicherheit würde eine Organotherapie inauguriert werden
können, wenn auf dem Boden der von G. zuerst empfohlenen zirkulären Naht der
Blutgefäße und Implantation von Venen- und Arterienstücken in Gefäßdefekte
mit Erhaltung der Zirkulation die Experimente in diesem Sinn auf breiterer Basis
unternommen werden. Hierzu liegt jetzt eine vollbegründete Aussicht vor. Nach-
dem schon 1902 Experimente über Transplantation der Nieren mit Hilfe der Ge-
fäßnaht publiziert worden sind, hat Garr& in seinem Stuttgarter Vortrag auf der
Naturforscherversammlung über zahlreiche gelungene Versuche in dieser Richtung
berichtet. Wenn auch manches auf diesem Gebiete, wie die auch von G. schon
vor vielen Jahren versuchten Experimente über Transplantation von Extremitäten,
zu den unlösbaren Problemen gehören mag, so dürfte doch vieles für die Organ-
überpflanzung von der zirkulären Naht und den plastischen Versuchen am Gefäß-
system zu erwarten sein.
Die Zukunft wird lehren, welchen Vorteil die Klinik aus solchen Versuchs-
reihen zu schöpfen vermöchte. Vor vielen Jahren schrieb Geh.-Rat v. Barde-
leben in einer Kritik über die zahlreichen und mühsamen, zum Teil wenig be-
kannten und anerkannten experimentellen und klinischen Arbeiten G.’s und fährt
dann fort: »Das dem letzten Vortrage von G. beigegebene Literaturverzeichnis
macht es jedem klar, wie eifrig er sich mit Trans- und Implantationen an den
verschiedensten Organen mit den verschiedensten Substanzen zu den verschieden-
sten Zwecken beschäftigt hat. In dieser Viel- oder besser Allseitigkeit liegt aber
eine gewisse Schwäche der G.’schen Ausführungen«. G. kann nun seinerseits das
1230 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46.
Epitheton der Allseitigkeit seiner Bestrebungen nur dankend hinnehmen, denn in
der Tat, in dieser Allseitigkeit lag die Anregung, auf allen Gebieten der Plastik
nicht nur neues zu schaffen, sondern auch die schon bekannten Methoden zu modi-
fizieren, zu variieren und dieselben durch die Idee des funktionellen Endeffektes
zu vertiefen. Tafeln und Röntgenbilder (aktenmäßig in viele Jahre langer Beob-
achtung geheilter Fälle aufgenommen) illustrieren G.’s Ausführungen, dessen Me-
thoden jetzt, von vielen Fachgenossen geprüft, modifiziert und mit Erfolg geübt,
Gemeingut der Chirurgie geworden sind. (Selbstbericht.)
Tillmann (Köln) empfiehlt, bei der Nervenpfropfung zur Beseitigung der
Facialislähmung den Hypoglossus zu durchtrennen und ihn End-zu-End mit dem
Facialis zu vereinigen.
c. Thiem (Cottbus): Über den Einfluß der neueren deutschen Unfall-
gesetzgebung auf Heilbarkeitund Unheilbarkeit chirurgischer Krank-
heiten.
Zur Zeit der Einführung der Unfallgesetze war das Hauptinteresse der Chirurgen
auf die bakterielle Forschung und nach der Errungenschaft der aseptischen Wund-
behandlung auf die Operationen gerichtet, welche man bisher ihrer Gefährlichkeit
wegen nur ausnahmsweise gewagt hatte, wodurch die Verletzungschirurgie etwas
in den Hintergrund trat. Durch die Unfallgesetzgebung ist wieder eine lebhaftere
Betätigung aller Chirurgen, auch der aus akademischen Kreisen, auf diesem prak-
tisch wichtigen Gebiet angeregt worden. a
Durch die Unfallstatistiken müssen wir zu der Überzeugung gelangen, daß
unsere früheren Statistiken aus chirurgischen Kliniken als keine abschließenden in
bezug auf Heilungsdauer und endgültigen Erfolg angesehen werden können. Liniger
teilte in einer Unfallstatistik mit, daß von 103 mit Oberschenkelbrüchen Behafteten
nur 15,59 und von 110 Verletzten mit Unterschenkelbrüchen nur 6.3% völlig er-
werbsfähig wurden bei einer Heilungsdauer von durchschnittlich 32 Monaten, und
nach des Vortr. auf dem Chirurgenkongreß von 1905 mitgeteilten Statistik wurden
von den genähten Kniescheibenbrüchen 26%, von den unblutig behandelten nur
9% wieder völlig erwerbsfahig bei einer Heilungsdauer von durchschnittlich
371/2 Monaten.
Die wohlwollende Beurteilung der Unfallverletzten erklärt den großen Unter-
schied zwischen diesen und den aus älteren chirurgischen Statistiken stammenden
Zahlen nur teilweise. Zum Teil haftet letzteren der Fehler an, daß sie sich auf
zu kurze Beobachtungs- und Behandlungszeit stützen mußten, auch bezüglich der
späteren Nachuntersuchungen lückenhaft blieben. Jetzt können die Unfallverletzten
Dank der Fürsorge der Berufsgenossenschaften viel länger behandelt und beobachtet
und bis an ihr Lebensende nachuntersucht werden. Deshalb muß es immer wieder
als notwendig betont werden, daß die berufsgenossenschaftliche Fürsorge für die
Verletzten sofort und nicht erst nach 13 Wochen eintritt. Denn daraus ergibt
sich auch die unglückselige Zweiteilung der Behandlung in Kassen- und Berufs-
genossenschaftsbehandlung, in primäre chirurgische und Nachbehandlung gewöhn-
lich in mediko-mechanischen Instituten. Die erste chirurgische Behandlung ist
aber entscheidend für den Verletzten, auch bezüglich der funktionellen Heilung,
und kann niemals durch die mediko-mechanische Behandlung ersetzt, sondern nur
unterstützt werden, was so früh wie möglich zu geschehen hat, weshalb entweder
alle Unfallkrankenhäuser auch auf die primäre chirurgische Behandlung, oder alle
chirurgischen Krankenhäuser auch auf die Nachbehandlung eingerichtet sein sollten.
Die Nachbehandlung hat aber keineswegs nur in der maschinellen mediko-mecha-
nischen Behandlung zu bestehen, sondern letztere ist nur eines der vielen Unter-
stützungsmittel des Chirurgen bei der Behandlung Unfallverletzter. Außer diesem
sind noch manche andere wertvoll, wie die eigentliche orthopädische Behandlung,
Massage und passive, nur von Arzten vorzunehmende Bewegungen, das deutsche
Freiturnen, die elektrische Behandlung, die Thermalbehandlung und namentlich
die Heißluftbehandlung, die Anwendung der neuen Bier-Klapp’schen Saugappa-
rate und manches Andere.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 1231
Den Chirurgen verdankt die Unfall-Literatur die Kenntnis mancher neuer
Krankheiten und erweiterte Erfahrungen über bekannte Krankheitsbilder, nament-
lich auf den Grenzgebieten ihres Sonderfaches, was Vortr. an einem Überblick
über die Unfall- und Verletzungsliteratur nachweist. Auch hat die Unfallgesetz-
gebung unzweifelhaft die Rücksichtnahme der Chirurgen auf die funktionelle Hei-
lung geschärft und auch in anderer Beziehung fördernd auf unser therapeutisches
Vorgehen gewirkt. Doch läßt sich dies bei den vielen anderweitigen Einwirkungen
neuerer Errungenschaften (Asepsis, Röntgenverfahren usw.) nicht im einzelnen nach-
weisen.
Im großen und ganzen können die Vorteile, welche die deutsche Unfallgesetz-
gebung den Chirurgen und Pat. gebracht hat, dankbar anerkannt werden. Sie
überwiegen doch bei weitem die mancherlei Nachteile. Die Chirurgie soll daher
rastlos weiter mitarbeiten an diesem sozialen Humanitätswerke, ohne ihren wissen-
schaftlich kritischen Standpunkt aufzugeben, wie dies beispielsweise in manchen
Statistiken über Geschwulstentstehung nach Trauma geschehen ist. Die Verletzten
sollen zwar nicht unter unserer Unkenntnis über die Ursache mancher Krankheiten
leiden, aber wir dürfen auch nicht zu ihren Gunsten die Unwahrheit sagen.
Ohne erfahrene Arzte sind die modernen Arbeitergesetze nicht durchführbar;
sie sind nicht nur die Helfer der Verletzten und Kranken in rein ärztlicher Hin-
sicht, sondern auch die eigentlichen idealen Richter über ihr späteres materielles
Wohl und Wehe. (Selbstbericht.)
d. Baisch (Tübingen): Über den Einfluß der neueren deutschen Un-
fallgesetzgebung auf Heilbarkeit und Unheilbarkeit gynäkologi-
scher Erkrankungen.
Bei der geschützten Lage der weiblichen Genitalorgane spielen Unfall-
erkrankungen eine quantitativ geringe Rolle. In 8 Jahren kamen nur fünf
Fälle objektiver Unfallverletzungen zur Begutachtung: Abort, Stieldrehung bei
Kystom, Ruptur einer Extra-uterin-Gravidität, akute Pelveoperitonitis, Becken-
exsudat. Weit häufiger werden subjektive Beschwerden ohne objektive Verände-
rungen oder bei mobiler Retroflexio auf einen Unfall zurückgeführt. Die Prognose
dieser funktionellen Unfallneurosen ist ungünstig; kontraindiziert sind Laparotomien
zur Ventrifixation. Einige anderwärts operierte Fülle blieben völlig ungebessert.
Weit zahlreicher als Unfallrentenansprüche sind Invaliditätsrentengesuche.
Bei Organerkrankungen wird die Aussicht auf Wiederherstellung der Arbeits-
fähigkeit durch die Tatsache der Zugehörigkeit der Pat. zur Invaliditätsversicherung
nicht getrübt. Sehr häufig aber werden bei geringfügigen Genitalveränderungen,
insbesondere Retroflexio oder auch bei völlig normalen Genitalien Rentenansprüche
mit Beschwerden in der Genitalsphäre begründet. Auch hier handelt es sich um
funktionelle Neurose, Hysterie, Neurasthenie und Hypochondrie, und auch hier ist
die Prognose ungünstig. Die Kranken werden durch die Bestimmung des Gesetzes,
daß erst bei Beschränkung der Arbeitsfähigkeit auf !/; die normale Rente ge-
währt wird, zu Übertreibungen und Autosuggestion gedrängt. Zur Ausschaltung
dieser Übelstände ist eine exakte Diagnose nötig (in den Vorgutachten spielen
Perimetritis, Oophoritis, Parametritis posterior usw. eine ungebührlich große Rolle)
ferner die Vermeidung der Krankheitssuggestion durch den Arzt. In zweifelhaften
Fällen Zuziehung eines Neurologen. Eingreifende Operationen sind auch hier
kontraindiziert; bei mobiler Retroflexio ist in geeigneten Fällen die Alexander-
Adams’sche Operation von günstigem Einfluß, wahrscheinlich in der Hauptsache
infolge starker Suggestivwirkung. (Selbstbericht.)
e. Gaupp (Tübingen): Der Einfluß der deutschen Unfallgesetz-
gebung auf den Verlauf der Nerven- und Geisteskrankheiten.
Der Vortr. legt zunächst dar, daß die Unfallgesetzgebung selbst nur auf eine
bestimmte Form von Krankheiten einen unmittelbaren Einfluß ausübe, auf die so-
genannten »traumatischen Neurosen« (Unfallneurosen). Sie sind keine besonderen
Krankheiten von klinischer Selbständigkeit; eigentümlich ist ihnen nur die beson-
dere Entstehung (nach einem Unfall. Es gibt keine »traumatische Neurose«, son-
dern nur traumatische Hysterie, Neurasthenie, Hypochondrie usw. Diese Unfall-
1232 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46.
neurosen kommen nach Unfällen leichter und schwerer Art vor; die Stärke und
Art der Verletzung ist ohne wesentlichen Einfluß auf die Schwere und Dauer der
Neuropsychose. Nach nicht entschädigungspflichtigen Verletzungen sind diese Er-
krankungen selten; vor allem dauern sie alsdann nicht so lange. G. schildert,
welchen Einfluß das Gesetz auf die Psyche des verletzten Arbeiters ausübt. Den
Kern des Leidens machen krankhafte Vorstellungen (Angst, seelische Unruhe, ge-
spannte Erwartung auf den Ausgang des Rentenverfahrens, falsche Vorstellungen
über die Voraussetzungen des Rentenbezuges) aus; den »objektiven Symptomen«,
die bei der körperlichen Untersuchung festgestellt werden, kommt nur geringer
Wert zu. Angstliche und mißmutig-gereizte Stimmung und der Glaube, nicht
mehr arbeiten zu können, sind die wichtigsten Krankheitszüge.
Warum hatte die Unfallgesetzgebung diesen unerwünschten Einfluß? Zur
Zeit, als sie ins Leben trat, war das soziale Leben raschen und bedeutenden
Wandlungen unterworfen. G. kennzeichnet den »nervösen Seelenzustand der mo-
dernen Zeit«, den Einfluß der chronischen Trunksucht auf die Energie der arbei-
tenden Klassen, die veränderten politischen Anschauungen und Stimmungen der
Arbeiter, ihre anfänglich mißtrauische oder selbst feindliche Stellung gegen die
ganze soziale Gesetzgebung, ihre oft irrigen Vorstellungen über ein vermeintliches
Recht auf Rente als ein Schmerzengeld. Als Ubelstande im einzelnen werden ge-
nannt: Die Sorge für den Verletzten liegt anfänglich bei den Krankenkassen, statt
gleich bei den Berufsgenossenschaften. Das Gesetz verlangt leider keine genaue
schriftliche Fixierung des ärztlichen Befundes sofort nach dem Unfalle. Das
Rentenfestsetzungsverfahren dauert zu lange.
Das Gesetz selbst ist für den Arbeiter zu schwer verständlich. Nach erst-
maliger Rentenfestsetzung gelangt der Verletzte nicht zur Ruhe; die häufigen Nach-
untersuchungen schaden; einmalige Abfindung ist leider nur bei niedrigen Renten
und nur auf Antrag des Verletzten möglich. Die Uneinigkeit der Arzte ist um
so verhängnisvoller, als nach dem Wunsche des Gesetzgebers der Verletzte den
wesentlichen Inhalt der über ihn erstatteten Gutachten erfährt. Die Arzte urteilen
im Gefühl der Unsicherheit und der großer Verantwortung oft zu milde, empfehlen
Vollrente und schaden damit dem Arbeiter, machen ihn zum unglücklichen und
untätigen Hypochonder. Die Frage des Arbeitsnachweises für teilweise erwerbs-
fähige Unfallkranke ist im Gesetz nicht erörtert. Eine Kürzung der Rente ist
nur bei Nachweis wesentlicher Besserung zulässig; dieser Nachweis ist bei der
subjektiven Natur der Symptome selten zu führen. Die Prognose des Leidens ist
weniger von dem speziellen Symptomenbild, als von der Eigenart des Verletzten
und von der Gestaltung des Rentenkampfes abhängig; auch wirken chronischer
Alkoholismus, Milieueinflüsse oft schädlich. Sehr oft ist der Verlauf ein ungünstiger.
Bisweilen beobachtet man frühzeitiges Altern, frühe Arteriosklerose.
Zur Beseitigung der geschilderten Übelstände empfiehlt G. richtige
Schulung der Arzte, Vermeidung aller schädlichen Suggestionen von ihrer Seite,
humanes aber bestimmtes Auftreten, sorgfältige neurologische Untersuchung; er
warnt davor, aus falschem »Humanitätsgefühl« den Verletzten auf Kosten anderer
Wohltaten zu erweisen. Krankenhausbehandlung ist meist zwecklos, oft schäd-
lich. Häufige Kontrolluntersuchungen sind zu verwerfen. Die Fürsorge für den
Verletzten soll von Anfang an nur bei den Berufsgenossenschaften liegen. Nament-
lich empfieht G. einmalige Kapitalabfindung. Er macht hier folgenden
Vorschlag: Nach Ablauf von 3 Jahren nach dem Unfall steht der Berufsgenossen-
schaft das Recht zu, nach Anhörung eines ärztlichen Kollegiums von wenigstens
drei Arzten, von denen zwei den Verletzten schon früher untersucht hatten, diesen
mit einmaliger Auszahlung eines bestimmten Kapitals abzufinden, wenn nach dem
einstimmigen Ausspruch der Arzte die Verletzungen selbst völlig geheilt sind und
die übrig gebliebenen Störungen im Verlauf der letzten 12 Monate objektiv
keine Verschlimmerung erfahren hatten. Die einmalige Abfindung soll nur dann
stattfinden, wenn nach dem Ausspruch der Arzte die endgültige Erledigung
der Rentenfrage im gesundheitlichen Interesse des Unfallkranken selbst
liegt. (Selbstbericht.)
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 1233
f. L. Rosenfeld (Nürnberg): Über Krüppelfürsorge.
Zu den Grenzgebieten seiner Wissenschaft, auf welchen für den orthopädischen
Chirurgen noch viel zu leisten ist, gehört die Fürsorge für die körperlich Ver-
kriippelten. — Die Zahl der Krüppel ist sehr groß; auf Grund einiger Teil-
zählungen darf man sie in Deutschland auf mindestens 360000 schätzen. Genauen
Aufschluß wird die große Statistik geben, welche noch im Laufe dieses Jahres in
allen deutschen Staaten von seiten der Regierungen durchgeführt werden wird.
Die Verkrüppelung als solche bedingt große soziale Schäden: 2/, aller Kriippel
leben in kümmerlichen und ganz ärmlichen Verhältnissen, die Mehrzahl der Un-
bemittelten ermangelt der nötigen ärztlichen, d. h. orthopädisch-chirurgischen Hilfe,
etwa der zehnte Teil muß ohne jeglichen Schulunterricht aufwachsen.
Im ganzen ist für die Verkrüppelten bis heute noch relativ recht wenig ge-
schehen. Es gibt allerdings Anstalten, in welchen Krüppelkinder Unterkunft und
Erziehung finden können. Solcher Institute bestehen zurzeit in Deutschland 33;
ein einziges davon (München) ist staatlich; die anderen sind in den Händen privater
Wohltätigkeit und Gründungen geistlicher Körperschaften. Die bestehenden »Krüp-
pelheime« leisten zum Teil ganz vorzügliches, können aber mit ihren insgesamt
2600 Plätzen nicht einmal den 50. Teil des vorhandenen Bedürfnisses decken.
Ahnliche Zustände wie in Deutschland finden sich in den übrigen Ländern; in
einzelnen, so in Österreich, Ungarn, Schweiz, Holland, Rußland, Frankreich ist es
ganz schlecht um die Krüppelfürsorge bestellt; alle diese großen Staaten besitzen
nur je eine kleine Anstalt. Besser ist es in England, das ungefähr auf gleicher
Stufe steht wie Deutschland; ganz hervorragendes auf dem Gebiete der Krüppel-
fürsorge leisten die Nordländer, Schweden, Norwegen, Finnland und namentlich
Dänemark. Ebenso ist auch in den Vereinigten Staaten von Amerika für die
Krüppel sehr gut gesorgt; in einzelnen Staaten, Neuyork und Minesota, ist man
so weit, das staatlich und durch Gesetz jedem bedürftigen Krüppel die weit-
gehendste Fürsorge in ärztlicher, pädagogischer und sozialer Hinsicht garan-
tiert ist.
Der springende Punkt für eine zweckentsprechende Gestaltung der Krüppel-
fürsorge ist die Betonung und Durchführung ausgiebigster orthopädisch-chirurgi-
scher Hilfe durch Errichtung zahlreicher staatlicher Institute. Diese Krüppel-
anstalten der Zukunft müssen der Fürsorge in vier Punkten gerecht werden: 1) Als
Heilanstalt durch Gewährung orthopädisch-chirurgicher Behandlung, 2) als Er-
ziehungsinstitut durch Leistung eines der Normalschule entsprechenden Unter-
richtes; 3) als gewerbliche Fortbildungsschule durch Ausbildung in einem den
Fähigkeiten des einzelnen Krüppels entsprechenden Berufes; 4) als Versorgungs-
heim für Unheilbare und solche, welche nicht zu wirtschaftlicher Selbständigkeit
gebracht werden können.
Als Heilanstalt muß das Institut mit allen Erfordernissen einer modernen
orthopädischen Klinik, speziell aber für ausreichende stationäre Behandlung ein-
gerichtet sein. Da orthopädische Kuren oft jahrelang dauern und die Ausschaltung
vom Schulunterricht für längere Zeit, namentlich für die Armen, eine schwere
Schädigung in materieller Beziehung bedeutet, muß mit der Klinik die Schule
direkt verbunden sein. Eine Berufsausbildung schon während der Schulzeit ist für
den Krüppel notwendig, um ihn in der besseren Vorbildung ein Aquivalent für
die Einbuße an absoluter Arbeitsfähigkeit zu geben.
Praktisch ist es nun in erster Linie notwendig, weitere Kreise für die Krüppel-
fürsorge zu interessieren und so die beteiligten Faktoren, Regierungen, Kommunen,
Arzte und Pädagogen zum Zusammenschluß zu bringen. Der geeignete Boden
hierzu ist die Krüppelfürsorgeabteilung des deutschen Zentralvereins für Jugend-
fürsorge, welchen zu unterstützen, Aufgabe eines jeden sein sollte.
(Selbstbericht.)
Bade (Hannover) macht Angaben über die Entwicklung des hannoverschen
Krüppelheimes, das in seinen Einrichtungen dem von Rosenfeld aufgestellten
Ideal einer Krüppelanstalt sehr nahe kommt.
Eyff (Nimptsch) hält es für durchaus erstrebenswert, daß der Staat die Für-
1234 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46.
sorge für die Krüppel übernimmt, und daß die Krüppel bis zu dem Augenblick
umsonst erhalten, unterrichtet und behandelt werden, bis sie imstande sind, für
sich selbst zu sorgen.
15) Wintsch. Congenital protrusion of heart, stomach and spleen.
(Annals of surgery 1906. August.)
In dem sehr interessanten Falle handelte es sich bei einem Neugeborenen um
Fehlen des ganzen Brustbeines, Verlagerung des Herzens, des Magens und der
Milz. Alle diese drei Eingeweide lagen außerhalb des Körpers, das Pulsieren des
Herzens war deutlich zu beobachten, Magen und Milz waren vom Bauchfell
überzogen. Das Kind lebte 2 Tage und 3 Stunden.
Herhold (Brandenburg).
16) Chill. Fissura abdominalis and double genitalia.
(Brit. med. journ. 1906. August 25.)
Bericht über ein mit 8 Monaten geborenes Kind, das die Geburt einige Stun-
den überlebte und folgende seltene Mißbildung zeigte. Die Bauchwand fehlte völlig
auf der Strecke von zollbreit unter dem Schwertfortsatze bis zollbreit über der
Symphyse mit Ausnahme eines unregelmäßigen Stückchens Haut, an dem die
Nabelschnur ansetzte. Die Eingeweide lagen frei und fielen vor. Das große Netz
fehlte. Die äußeren Geschlechtsteile waren doppelt und durch eine Hautraphe
getrennt. In zwei flachen Buchten fanden sich je zwei große Schamlippen. Die
anale und urogenitalen Öffnungen waren äußerst rudimentär entwickelt.
Weber (Dresden!.
17) Stevenson. Notes on a case of fissura abdominalis; operation at
age of 21/, hours.
(Brit. med. journ. 1906. August 4.)
Verf. operierte einen Fall von ungewöhnlich umfangreichem Nabelschnurbruch
21/, Stunden nach der Geburt des Achtmonatskindes. Durch die geplatzten Bruch-
hüllen waren der gesamte Dickdarm und große Teile des Dünndarmes nebst einem
offenen Meckel’schen Divertikel ausgetreten. Entfernung des Divertikels, Schluß
der Bruchpforte, primäre Heilung, glatter Verlauf, aber Tod am 8. Tag unter
Ikterus und Purpuraflecken. Weber (Dresden).
18) Pieri (Marseille). Plaie pénétrante de l’abdomen par coup de feu.
Quinze perforations de l'intestin. Intervention. Guérison.
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXII. p. 242.)
Ein 18jähriger Mensch, bei dem ein 7 mm-Geschoß an der Kreuzbeinspitze
eingedrungen und in der Mittellinie, 4 Querfinger breit unterhalb des Nabels, wieder
ausgetreten war, kam 5 Stunden nach der Verletzung zur Operation. Obwohl am
Pat. außer einer leichten Spannung der Mm. recti kein Symptom einer Darm-
perforation zu finden war, mußten 13 Perforationsöffnungen durch Naht geschlossen
und ein Stück des Dünndarmes wegen stärkerer Zerstörung der Darmwand reseziert
werden. Trotz des Austrittes von Darminhalt in die Bauchhöhle und des Vor-
handenseins peritonitischer Reizerscheinungen wurde die Wunde ohne Drainage
geschlossen, und der Kranke genas. — In seinen weiteren Ausführungen hebt P.
hervor, daß die Prognose bei Bauchverletzungen in erster Linie abhängig ist von
der bis zur Vornahme des chirurgischen Kingriffes verstrichenen Zeit, betont aber
noch besonders die Wichtigkeit der sorgfältigen Entfernung des Blutergusses aus
der Bauchhöhle sowie der Zuverlässigkeit der Naht und der Schnelligkeit des Ein-
griffes. Die Beobachtung, daß bei traumatischen Darmzerreißungen kaum früher
als 8-12 Stunden nach dem Unfalle peritonitische Erscheinungen auftreten, gegen-
über dem stürmischen Verlaufe bei entzündlichen Perforationen, erklärt P. damit,
daß der Darminhalt weniger toxische und infektiöse Eigenschaften habe als in den
letztgenannten Fällen. Am Schluß gibt der Ref. Picqué einen Bericht über eine
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 1235
Statistik von 13 Fällen, die im Hospital Bichat wegen Bauchverletzungen zur Ope-
ration kamen. Thümer (Chemnitz).
19} Borszéky. Über Verletzungen des Zwerchfells, des Magens und
der Bauchspeicheldrüse.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLIX. p. 567.)
Jede Zwerchfellverletzung erfordert einen chirurgischen Eingriff, weil die Ver-
letzung nie eine isolierte und stets die Möglichkeit eines vielleicht erst nachträg-
lich entstehenden, aber immer lebensgefährlichen Zwerchfellbruches gegeben ist.
In einem der mitgeteilten Fälle war durch zwei Bruststiche eine perforierende
Zwerchfellwunde, durch die Netz in die Brusthöhle eingedrungen war, und eine
zweite nur den Zwerchfellmuskel durchtrennende Wunde entstanden. Auf trans-
pleuralem Wege ließen sich beide Wunden versorgen, und es wurde ohne Empyem
Heilung erzielt.
Verf. empfiehlt bei Stichverletzungen ohne nachweisbare intraabdominelle
Komplikationen ein transpleurales Vorgehen, während man bei gleichzeitig be-
stehenden Verletzungen von Bauchorganen ebenso wie stets bei Schüssen zuerst
nach Laparotomie die Bauchverletzungen versorgen und dann vom Bauch aus die
Zwerchfellnaht versuchen soll.
Bei der am häufigsten beobachteten (zwei Fälle) Mitverletzung des Magens ist
die Perforation von dessen Hinterwand besonders gefährlich, einmal wegen des
massenhafter ausfließenden Mageninhaltes, sodann wegen der technischen Schwierig-
keit der Nahtversorgung. Der Ansicht Frisch’s, daß der Ausschuß an der
Hinterwand meist kleiner, und daher nicht weiter zu suchen sei, wenn er sich
nicht leicht finden lasse, kann Verf. nicht beipflichten, verlangt vielmehr eine ge-
naue Kontrolle und event. Versorgung der Magenhinterwand, wenn nötig nach
Spaltung des Lig. gastrocolicum.
Als Seltenheit wird endlich ein Fall von isolierter Schußverletzung des Pan-
kreas beschrieben, die bei leerem Magen und kleiner Leber von vornher erfolgte.
Naht der Pankreaswunde ohne Tamponade führte zur Heilung unter vorüber-
gehender Fistelbildung; doch würde Verf. in ähnlichen Fällen die Naht durch
Tamponade sichern. Reich (Tübingen).
20) E. Corner. Abdominal operation for traumatism.
(Med. press 1906. August 22.)
Ein 5jähriges Mädchen hatte durch Sturz aus dem Fenster auf einen Zaun
eine schwere Verletzung des Unterleibes mit ausgedehntem Vorfall von Därmen
erlitten, der 3/, Stunden lang bestand, bevor die Operation vorgenommen wurde.
Nach reichlichem Spülen der Eingeweide mit Kochsalzlösung, mehrfacher Darm-
und Gekrösnaht und nach Reposition nähte C. die ausgedehnte und vielfach ver-
letzte Bauchwunde etagenweise. Das Kind erhielt darauf eine prophylaktische In-
jektion von Antikolonserum. Darminhalt war nicht ausgetreten, ein Umstand, den
C. auf die durch die Gewalteinwirkung hervorgerufene Darmlähmung zurückführt.
— Pat. befindet sich auf dem Wege der Heilung.
Erhard Schmidt (Leipzig).
21) R. Oppenheimer. Uber Peritonitis mit schwer erkennbarem Aus-
gangspunkt.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXIII. p. 456.)
Zwei anatomische Beobachtungen aus dem Genfer pathologischen Institut. In
Fall 1 handelt es sich um einen wegen Karzinom nach Billroth II pylorus-
resezierten Pat., der einige Wochen nach seiner Heilung an Peritonitis starb. Als
Ausgangspunkt letzterer findet sich eine auf Streptokokken beruhende Gastritis
sero-fibrinosa diffusa, deren Exsudat, in der Submucosa abgelagert, zu starker
ödematöser Quellung der Magenwände geführt hatte. Die Infektion wird wahr-
scheinlich von Läsion der noch zarten Operationsmagennarbe ausgegangen sein,
1236 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46.
vielleicht im Zusammenhange mit der Nahrungszufuhr. In Fall 2, betreffend ein
5il/gmonatiges Mädchen, war der Peritonitis ein weit verbreitetes Erysipel vorauft-
gegangen. Ausgangspunkt der Peritonitis wurde in der Milz gefunden, die mikro-
skopisch zahlreiche umschriebene Herde von Streptokokkenanhäufungen aufwies,
zum Teil dicht unter der Oberfläche gelegen und mit Gewebsnekrose verbunden.
Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
22) Milko. Uber die Perforation der Magen- und Duodenalgeschwiire
in die freie Bauchhöhle.
(Budapesti Orvosi üjsäg 1906. Nr. 3. [Ungarisch.))
Verf. bespricht an der Hand von vier in der I. chirurgischen Abteilung des
St. Rochus-Spitales in Budapest beobachteten Fällen die Pathologie und Therapie
der perforierenden Magen- und Duodenalgeschwiire. Das Hauptgewicht legt er auf
die Frühdiagnose, die nach seiner Ansicht in den meisten Fällen unschwer zu
stellen ist, wenn die Kardinalsymptome, plötzlich auftretender heftiger Schmerz
und Kollaps, Kontraktion der Bauchmuskulatur und Verkleinerung der Leber-
dämpfung, vorhanden sind. Das Verhalten von Puls und Temperatur, sowie das
Erbrechen haben weit geringere Bedeutung und Konstanz.
Die Verwechslung mit perforativer Appendicitis ist bei Duodenalperforation
möglich, da auch bei letzterer Erkrankung öfters Ileocoecalschmerz auftritt. Die
Perforationsstelle muß womöglich durch die Naht verschlossen und nur bei abso-
luter Unausführbarkeit derselben tamponiert werden.
Auswaschung der Bauchhöhle und Drainage sind bei Peritonitis mittleren
Grades eher zu vermeiden. Von den vier durch Verf. beobachteten Fällen endigten
zwei tödlich. Der eine 12 Stunden nach erfolgter Perforation operierte Kranke
starb an Peritonitis, bei dem anderen absolut spät eingelieferten Falle wurde die
Operation abgelehnt. Zwei 1'/2 resp. 3 Stunden nach erfolgter Perforation ope-
rierte Kranke heilten. Einer derselben mußte wegen hochgradiger Pylorusstenose
gleich gastroenterostomiert, und später mußte noch wegen Circulus vitiosus eine
Enteroenteroanastomose gemacht werden. P. Steiner (Budapest.
23) Renton. Three cases of ruptured gastric ulcer.
(Glasgow med. journ. 1906. September.)
Zwei erwachsene weibliche Personen und*ein Mann traten 30 bzw. 4 Stunden
— vom dritten Falle fehlt die Zeitangabe — in Behandlung des Verf.s.
Im ersten Falle bestand bereits allgemeine Peritonitis, die Bauchhöhle wurde
mit Kochsalzlösung gespült und drainiert; Genesung nach schweren metastatischen
Gelenkaffektionen. — Genesung auch im zweiten Falle nach Überstehen einer
Pneumonie. Auch hier mußte das peritonitische Exsudat ausgespült und die
Bauchhöhle drainiert werden. — Im dritten Falle war der Riß nur klein und
nichts von Mageninhalt ausgetreten. Heilung. W. y. Brunn (Rostock).
24) W. Evans. Perforated duodenal ulcer, suture, recovery.
(Med. press 1906. August 8.)
Ein 45jähriger Mann war am Vormittag mit allmählich heftiger werdenden
Schmerzen in der Oberbauchgegend erkrankt. Bei der etwa 12 Stunden später
stattfindenden Untersuchung waren die Bauchdecken, besonders auf der rechten
Seite, stark gespannt, die Leberdämpfung zeigte sich verkleinert, der Puls war .
klein, weich und sehr frequent. Die Laparotomie wurde in einer Länge von
{ija cm oberhalb des Nabels in der Mittellinie angelegt. Im oberen, dorsalen
Teile des Duodenums fand sich nahe dem Pylorus eine Perforation von etwa 3 mm
Durchmesser mit zahlreichen älteren Verwachsungen in der Umgebung. Die per-
forierte Darmstelle wurde durch einige Lembert’sche Nähte eingestülpt und mit
einem Netzzipfel bedeckt. Nach Durchspülung der Bauchhöhle mit Kochsalzlösung
wurde die Bauchwunde geschlossen. Auf diese Spülungen, die mindestens 40,5° C
betragen sollen, legt E. großen Wert, weil so einmal Toxine verdünnt und gelöst,
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 1237
ferner Bildungen von Verklebungen verhindert würden, und weil drittens durch
Resorption der Kochsalzlösung seitens der Lymphgefäße der Blutdruck eine gün-
stige Beeinflussung erführe.. Kine Drainage der Bauchhöhle wendet E. nur bei
größeren Extravasaten an; in allen übrigen Fällen verzichtet er darauf, weil da-
durch leicht neue Mikroorganismen in die Bauchhöhle eindringen könnten. Pat.
genas. Erhard Schmidt (Leipzig).
25) Oui (Lille). Appendicite parasitaire. Avortement. Appendicecto-
| mie à froid. Guerison.
‘Revue pratique d’obstétr. et de pædiatrie 1906. Juli— August.)
Der Fall, den Verf. anführt, bietet insofern ein besonderes Interesse dar, als
er einerseits die Rolle zeigt, welche Darmwürmer in der Entwicklung von Ent-
zündungen des Wurmfortsatzes spielen können, andererseits als er ein Beispiel ist,
daß im Puerperium fieberhafte Entzündungen in der Nähe der Gebärmutter auf-
treten können, die gar nichts mit einer Puerperalinfektion zu schaffen haben.
Es handelte sich um eine 22jährige Ilpara, die seit der ersten, vor 2 Jahren
erfolgten Geburt oft an heftigen Schmerzen in der rechten hinteren Bauchseite
gelitten hatte, weswegen sie auch einige Zeit im Krankenhause mit der Diagnose
Salpingitis in Behandlung gestanden hatte. Diesmal hatte sie wieder heftige Leib-
schmerzen gefühlt und nach einigen Tagen einen 31/3, Monate alten Fötus geboren.
Die bis dahin normale Temperatur stieg an und erreichte 38°, die Schmerzen im
Bauche waren ziemlich heftig; es bestand Verstopfung, und bei der Tastung konnte
eine bedeutende Verhärtung der Dleocoecalgegend mit Renitenz der betreffenden
Muskeln festgestellt werden. Unter Ruhe, Eisblase und Diät verschwanden diese
Erscheinungen, und konnte 3 Wochen später »à froide die Exzision des Wurm-
fortsatzes vorgenommen werden, wobei nebenbei auch der vollkommene Gesund-
heitszustand der betreffenden uterinen Adnexe festgestellt werden konnte. Der
entfernte Wurmfortsatz enthielt zwei Exemplare von Trichocephalus dispar, die
sich mit ihrem dünnen Ende tief in die Schleimhaut eingebohrt hatten; es bestand
eine follikuläre Appendicitis, Ulzerationen der Schleimhaut und Infiltrationen des
submukösen Zellgewebes.
Daß der Wurmfortsatz der Grund der erwähnten Schmerzen und fieberhaften
Symptome war, konnte auch daraus geschlossen werden, daß nach der Operation
keine dieser Erscheinungen wieder aufgetreten war, und die Frau sich immer bester
Gesundheit erfreute. E. Toff (Braila).
26) Karrenstein. Zur Frage der Rezidive nach Blinddarmentziindung.
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XVI. Hft. 3.)
Die Häufigkeit der Rezidive nach Appendicitis, ihre Schwere, ihre Beziehungen
zum ersten Anfall u.a. m. untersucht K. an dem Schicksale von 500 Appendicitisfällen,
welche 1880—1904 im Bereiche des IX. deutschen Armeekorps vorgekommen sind.
Er bekam auf Fragezettel über 233 Personen Auskunft. 50,2% bekamen Rezi-
dive, doch das ist eine Mindestzahl, da die Möglichkeit besteht, daß von den bis-
her Rezidivfreien eine Anzahl immer noch ein Rezidiv bekommt. Unter den
rezidivierenden Fällen war das Rezidiv ein einmaliges in 37,6%, ein zweimaliges
ın 10,9%, ein dreimaliges in 6,9%, ein viermaliges in 2%; fünf und mehr Rezidive
hatten 35,6%. Die Behandlungsart ließ keinen Einfluß auf Rezidivierung erkennen.
Erkrankungen mit sehr hohem Fieber rezidivierten am seltensten; das Rezidiv
verlief in 58% leichter, in 28% schwerer, in 14% ebenso wie der erste Anfall.
In 60% setzte das Rezidiv innerhalb 1 Jahres, in 20% innerhalb des zweiten und in
20% noch später nach der ersten Erkrankung ein. Danach ist man berechtigt,
schon nach dem ersten Anfall zur Intervalloperation zu raten; nach jedem weiteren
Rückfall ist der Rat dringender zu machen. Haeckel (Stettin).
27) E. Eliot. Atypical clinical features of appendicitis.
(New York and Philadelphia med. journ. 1906. Juni 23 u. 30.)
Aus einem Materiale von 400—5600 Fällen hat E. 38 zusammengestellt, die
wieder aufs neue zeigen, wie oft selbst ein erfahrener Operateur auBerstande ist,
1238 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46.
auch unter Zuhilfenahme aller anamnestischen und diagnostischen Hilfsmittel den
Zustand des Wurmfortsatzes und seiner Umgebung vor der Operation genauer zu
erkennen. Wie sebr die Anamnese trügen kann, beleuchten 16 Fälle mit hoch-
gradigen chronischen und akuten Veränderungen mit und obne Eiter, bei denen
nur ein oder mehrere ganz leichte Anfälle, oft nur von Schmerzen, vorangegangen
waren, nach denen man höchstens eine katarrhalische Appendicitis diagnostiziert
hätte. Lehrreich sind ferner acht Fälle mit bedrohlich schweren anatomischen
Veränderungen ohne entsprechend gesteigerte Pulsfrequenz, meist um 70 oder 80;
ferner eine Reihe von leichten, rasch abklingenden Fällen, ganz vom Charakter
der katarrhalischen Appendicitis, bei denen dann die trotzdem ausgeführte Spät-
operation so schwere Veränderungen zeigte, daß eine Rückkehr zur Norm aus-
geschlossen, das Auftreten von Störungen oder Gefahren wahrscheinlich gewesen
wäre. Von kasuistischem Interesse ist ein Fall von Papilloma des Wurmfortsatzes.
Obgleich dieser Bericht E.’s außer dieser letzten Beobachtung kaum etwas
bringt, was nicht jedem beschäftigten Chirurgen begegnete, so gibt seine Zu-
sammenstellung doch wertvolles Material und eine Stütze für diejenigen, die nicht
glauben, ihrem Handeln stets eine exakte anatomische Diagnose zugrunde legen
zu können. Lengemann (Bremen).
28) Castellani. Ascaris lumbricoides as cause of appendicitis.
(Brit. med, journ. 1906. August 4.)
Ein 14jähriges Eingeborenenmädchen auf Ceylon erkrankte unmittelber nach
Einnahme von Santonin, das wegen Askariden gegeben worden war, plötzlich unter
Erscheinungen einer Appendicitis und starb 2 Tage später. Die Sektion ergab
Abwesenheit jeglicher Peritonitis, leichte fibrinöse Entzündung am Wurmfortsatz,
und in dessen Innern einen toten Spulwurm, zur Hälfte fest eingekeilt, zur Hälfte
frei im Blinddarme. Der Wurmfortsatz zeigte diffuse Leukocyteninfiltration, ge-
schwollene Schleimhaut, kleine Blutungen und Bakt. coli im eitrigen Schleime.
Verf. schließt aus dem Befunde, daß unter gewissen Umständen Ascaris lum-
bricoides eine Ursache für Appendicitis sein kann. Weber (Dresden).
29) F. Moore. Trichocephalus and appendicitis.
(Brit. med. journ. 1906. August 18.)
Kurzer Bericht über den Befund eines Trichocephalus dispar im Wurmfort-
satze bei einer Appendicitis. Weber (Dresden).
30) J. H. Zaaijer. Primair Carcinoom van de Appendix vermiformis.
(Nederl. Tijdschr. voor Geneesk. 1906. Nr. 1.)
Verf. sammelte aus der Literatur 42 genau untersuchte Fälle von primärem
Karzinom des Wurmfortsatzes und vermehrt sie um zwei neue Fälle aus der Lanz-
schen Klinik. Das eine war ein alveoläres, das andere ein kolloides Karzinom.
Im Beginne findet man das Karzinom als ein Carcinoma alveolare simplex
diffus in der Darmwand; von da dringt es in die Subserosa und das Mesenteriolum
ein. Im Bau weicht es bedeutend ab von dem Epithel, aus dem es entsteht. Prä-
dilektionsstelle ist die Kuppe des Wurmes oder einc derbe Striktur, woraus sich
schließen läßt, daß es wahrscheinlich aus einer chronischen Entzündung hervor-
geht, was für die Richtigkeit der Theorie Ribbert’s über die Genese der Karzi-
nome spricht.
Da 27 Fälle im 3. oder 4. Dezennium gefunden wurden, erlaubt das vielleicht
den Schluß, daß die Darmkarzinome schon im jugendlichen Alter entstehen.
E. H. van Lier (Amsterdam).
31) H. Bärlocher. Zur Behandlung gangränöser Leisten- und
Schenkelbrüche.
‘Deutsche Zeitschrift ftir Chirurgie Bd. LX XXIII. p. 373.)
Eine Berichterstattung aus dem Kantonspitale in St. Gallen (Chefarzt Dr.
Feurer) aus dem Jahre 1881—1905. In dem Gesamtbruchmateriale von 1564
freien und 280 eingeklemmten Brüchen finden sich 43 Fälle, die wegen zweifellosen
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46. 1239
Darmbrandes operativ behandelt werden mußten. Der Kunstafter wurde nur als
Notbehelf ausgeführt in Fällen schlechtester Prognose (?mal und mit tödlichem
Ausgange). Als Normaloperation diente die Darmresektion, die, 36mal ausgeführt,
18mal (50%) zur Genesung führte. Die Operationstechnik betreffend verdient
Hervorhebung, daß man bei der Resektion zunächst den Darm durchschnitt und
dann, denselben Schnitt fortsetzend, das Mesenterium, wobei von jeder präventiven
Unterbindung abgesehen wurde. Man hat dabei den Vorteil, aus der eintretenden
oder fehlenden arteriellen Blutung die Zirkulationsverhältnisse genau beurteilen zu
können und sicher zu sein, daß man in gut blutversorgtem Bezirk operiert,
übrigens nicht mehr Darm wegzunehmen imstande ist, als unbedingt nötig. So
findet sich unter den geheilten Fällen keiner, wo die Resektionsstelle weiter als
6cm von der Gangrän entfernt war. Reseziert wurden Darmstücke von 5 bis
78cm Länge, durchschnittlich 21/. bis 6 cm von den Schnürfurchen weg. Nur
imal handelte es sich um eine Blinddarm-, sonst stets um eine Dünndarmresektion.
Von kasuistischem Interesse ist ein Fall, wo außer einem kleinen Stück Dünndarm
ein Meckel’sches Divertikel, das unweit der eingeklemmten Dünndarmstelle ent-
sprang, eingeklemmt war. Resektion der brandigen Partie nebst dem das brandige
Divertikel tragenden Nachbardarmstück — aber Tod an Nahtgangrän. Ahnlich
ist ein zweiter Fall, wo außer Dünndarmschlingen der Wurmfortsatz im Bruch
vorlag. Nur letzterer erschien brandig und wurde reseziert, der Dünndarm reponiert.
Tod an Brand des reponierten Darmes. Meinhard Schmidt Cuxhaven’.
32) Hilgenreiner. Beitrag zur Kenntnis der Hernia inguinalis uteri.
A (Berliner klin. Wochenschrift 1906. Nr. 11.)
Uber einen in der Wölfler’schen Klinik operierten Fall wird ausführlich
berichtet und dadurch, sowie durch Ergänzung der Brunner-Birnbaum ’schen
Statistik, die Zahl der bisher beschriebenen Fälle auf 39 erhöht. Der Uterus wurde
zum Verschluß der sehr weiten Bruchpforte benutzt nach partieller Reposition.
Eine vorher bestehende Melancholie verschwand nach der Operation, die Hernie
rezidivierte nicht. Die Krankengeschichten der in oben genannter Statistik nicht
berücksichtigten Fälle sind der Arbeit eingefügt. Es ergeben sich folgende all-
gemeine Schlüsse:
Der Leistenbruch des Uterus kommt bei Personen verschiedensten Lebensalters,
neugeborenen Kindern und Greisinnen, zumeist aber bei Frauen im mittleren
Lebensalter, die wiederholt geboren haben, zur Beobachtung. In fast der Hälfte
der Fälle handelte es sich um angeborene Brüche. In mehr als der Hälfte ist über
Defekt- oder Mißbildungen im Bereiche des Genitalkanals berichtet. Störungen
und vollständiges Ausbleiben der Menstruation finden sich häufig erwähnt. Die
linke Seite scheint bevorzugt. Die Therapie ist meist eine operative. Die Pro-
gnose ist eine gute. Langemak (Erfurt).
33) J. Zimmer. Blasenhernien.
(Casopis lékařů českých 1906. p. 937.)
1; Cystocele inguinalis externa extraperitonealis incarcerata. öljährige Frau;
anfangs bestanden nur die Symptome eines freien Leistenbruches; nach 14jähriger
Dauer desselben vergrößerte sich dieser ohne Zunahme des intraabdominellen
Druckes; dann traten Harnbeschwerden auf: häufiger, schmerzhafter, auch nach der
Miktion bestehender Harndrang, bald leichtes, bald erschwertes Urinieren, bald
Harnverhaltung. Diese Symptome wurden anfangs auf den gleichzeitig bestehenden
Vorfall von Gebärmutter und der Scheide bezogen, bis die Einklemmung auf die
Blase als Bruchinhalt hindeuteten: totale Ischurie mit heftigem Tenesmus,
Schmerzen nur im Hypogastrium, spontane Schmerzhaftigkeit und erhöhte Emp-
findlichkeit des Bruches. Operation: Die Geschwulst ist von normalem Fett be-
deckt; in der Tiefe der Fettschicht, neben der Geschwulst, eine walnußgroße
Cyste {wohl aus einem obliterierten Bruchsack entstanden). Die Geschwulst ver-
liert sich im Leistenkanal, ist mit Serosa bedeckt, nach deren Abpräparierung man
die Muskulatur der Blasenwand erblickt. Reposition gelingt leicht nach Spaltung
des Kanals. Art. epigastrica nach innen vom Bruch. Heilung.
1240 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 46.
2) Enterocystocele inguinalis externa paraperitonealis incarcerata. 54jähriger
Mann, zeigt nur die Symptome eines Darmbruches, keine Symptome seitens der
Blase. Nach der Reposition der eingeklemmten Darmschlinge entdeckte man eine
Peritonealfalte, die die Bruchpforte in zwei Teile teilte und durch einen Binde-
gewebsstrang bedingt war, und nach Spaltung derselben einen zweiten Bruchsack,
dessen Inhalt eine Duplikatur der Blasenwand bildete. Heilung.
G. Mühlstein (Prag).
34) V.. Chlumsky (Krakau)... Ein neues Nabelbruchband fiir Kinder.
(Zeitschrift für orthopäd. Chirurgie Bd. XV. Hft. 2—4.)
Verf. verbindet ein Leistenbruchband mit einer schräg nach oben verlaufenden
Feder, an deren Ende eine flache Pelotte angebratht ist, um dadurch einen festeren
Sitz des Bruchbandes zu erzielen. J. Riedinger (Würzburg).
35) V. Streit. Sekundärstenose des Darmes nach eingeklemmten
: Hernien.
(Casopis lekarü ceskych 1906. Nr. 28 u. 29.)
Der Autor teilt vier Fälle mit. Im ersten Falle waren die Einklemmungs-
furchen sehr tief, die Darmschlingen erholten sich erst nach längerer Zeit. Die
Sekundärstenose entstand auf folgende Weise: es bestand eine Schädigung der
Schleimhaut, die keiner Restitution mehr fähig war, sondern sich bis zur Serosa
fortpflanzte; die adhäsive Peritonitis einerseits und die Narbe in der Schleimhaut
andererseits führten zur Stenose. — Auch im zweiten Falle, wo trotz scheinbar
normaler Serosa die Einklemmungsfurchen durch sero-seröse Nähte gesichert worden
waren, schritt der entzündliche Prozeß von der Schleimhaut zur Serosa vor und
führte zu adhäsiver Peritonitis und Verklebung der Darmschlingen zu einem Kon-
volut. — Im dritten Falle erholten sich die Inkarzerationsfurchen rasch, die Serosa
war nicht geschädigt, und trotzdem trat dasselbe Ereignis ein wie im zweiten Falle;
in der Schleimhaut der Einklemmungsstelle hatte sich überdies ein Karzinom ent-
wickelt. — Im vierten Falle lag eine doppelte Stenose vor, erstens infolge Ver-
klebung der Darmschlingen zu einem Konvolut an Stelle der früheren Einklem-
mungsfurchen, und zweitens infolge Knickung des Darmes durch Verklebung des-
selben mit dem resezierten Netzstumpf.
Verf. schließt aus diesen Fällen, man solle bei Einklemmung von längerer
Dauer, wo überdies Repositionsversuche gemacht wurden, und wenn die Herstel-
lung des Blutkreislaufes nur langsam erfolgt, zur Vermeidung der Sekundärstenose
die primäre Resektion vornehmen. Bei gesunkenen Kräften des Pat. und kompli-
zierten anatomischen Verhältnissen empfiehlt sich die Enteroanastomose.
G. Mühlstein (Prag).
36) Schmid (Nizza). Une observation de torsion du grand épiploon
hernie.
- (Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXII. p. 283.)
S. operierte einen 2öjährigen Pat., bei dem ein seit einigen Monaten bestehen-
der Netzbruch sich eingeklemmt hatte; von der im Bruchsacke liegenden Netzmasse
verlief ein gedrehter Strang in den Bauch zurück und war tief im kleinen Becken
verwachsen, so daß zu seiner Entfernung ein medianer Bauchschnitt an die Hernio-
tomie angeschlossen werden mußte. S. warnt davor, bei der »Hernia recurrens«
etwa nur den vorliegenden Teil des Netzes zu resezieren, da der zurückgeschlagene
untere Zipfel, seiner Ernährung beraubt, sicher der Nekrose verfallen sei, und
empfiehlt, zur Klarlegung der Verhältnisse sofort eine Laparotomie vorzunehmen.
Thtimer (Chemnitz).
Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags-
handlung Breitkopf & Härtel, einsenden.
Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig, Nürnbergerstraße 36/38.
Zentralblatt
CHIRURGIE
herausgegeben
Ema Bam, Fn, ee
Dreiunddreißigster Jahrgang.
Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei halbjähriger
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.
Nr. 47. Sonnabend, den 24. November. 1906.
Inhalt: H. Hans, Fadendrainage. (Original-Mitteilung.)
4) Trendelenburg, Blasenspalte. — 63 Keydel, 3) Leschnew, Blasengeschwiilste. —
4) Kelly, Harnleiter- und Nierensteine. — 5) Hottinger, Nierentuberkulose. — 6) Joly, Hydro-
kele. — 7) Pasquimangall, Operationen am Hoden und Samenstrang. — 8) Sitzenfrey, Die
Lymphdrüsen im Becken bei Gebärmutterkrebs und bei entzündlichen Adnexerkrankungen.
— 9) Burckhard, Folgen der Entfernung der Gebärmutter.
0) Naturforscherversammlung: a. Ritter, Neubildung von Lymphdrüsen im Fettgewebe
beim Karzinom und Sarkom. — b. Wichmann, Röntgenstrahlen gegen inoperable Geschwülste.
— ec. Defranceschi, Lumbalanästhesie. — d. Krause, e. Oppenheim, f. Saenger, Operationen
bei Hirn- und Rückenmarksgeschwülsten.
14) Novotny, Mißbildung des Penis. — 12) Hock, Urologische Operationen. — 13) Stier-
iein, 14) König, Prostatahypertrophie. — 15) De Keersmaecker, Harnrdhrensteine. — 16) Gut-
brod, Cystoskopie beim Weibe. — 17) Lüning, Zur Nieren- und Harnleiterchirurgie. —
18) Brun, Nierenzerreißung. — 19) Richelot, 20) Henschen, Nierengeschwülste. — 21) Schön-
holzer, 22) Basso, Kryptorchismus. — 23) Oerl, Epithelmetaplasie an der Gebärmutter. —
24) Doca, 25) Brunet, Gebärmuttergeschwülste. — 26) Tuffier, 27) Falkner, Eterstocks-
gesch wülste.
Fadendrainage,
Von
Dr. Hans Hans,
Hospitalarzt zu Limburg a. d. L.
Die glänzenden Erfolge vollkommener Asepsis sind bewunderns-
wert, und doch, — wer kann es wagen, im Einzelfalle für dieselbe
zu garantieren? Größte persönliche Sorgfalt kann durch das kleinste
Versehen von Seiten der Hülfe schon in den Vorbereitungen (Ver-
bandstoffe usw.) oder während der Operation paralysiert werden. Dem
Glücke mißtrauen, ist ein Gebot der Klugheit auch bei Operationen,
und günstiger Verlauf kann unsere äußerste Vorsicht auch bei den
Fällen belohnen die als Mißerfolge — selten der Öffentlichkeit an-
vertraut —, auch den besten Operateuren in geringen Prozentsätzen
noch heute unterlaufen.
47
1242 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47.
Unter Verzicht auf Rekord im Frühaufstehenlassen, Entfernen
der Fäden usw. hat sich ein Verfahren, das die Vorteile des voll-
ständigen Wundverschlusses mit der vorsorglichen Drainage verbindet,
mir seit langen Jahren bewährt, der ich oft, besonders auswärts, unter
nicht aus der Schule der Asepsis hervorgegangener Hilfe Operationen
machen muß, bei denen Fernbleiben des pus bonum et laudabile con-
ditio sine qua non ist.
Bei keiner Art von Operationen rächt sich nun der kleinste
Fehler gegen die Asepsis härter, als bei der Bauchchirurgie. Die
größere Sicherheit ließe also eine vorsorgliche Drainage (wie üblich
mit Jodoformgaze, besonders im Mikulicz’schen Beutel oder Gummi-
resp. Glasröhren) angezeigt erscheinen; aber im allgemeinen muß die
dadurch fast unvermeidliche Hernie nach einer Bauchoperation als
Kunstfehler erscheinen.
Die neueren Vorschläge, die auf der Erfahrung fußen, daß gerade
die Unterbindungsstümpfe nach Laparotomien bei Frauen gern zu
Keimstätten von Bakterien werden, die ausgangs der Operation hinein-
geraten, empfehlen gründliche Nachdesinfektion der Hände, Instru-
mente und Verbandstoffe vor Knüpfung der Unterbindungsfäden, resp.
sorgfältige Peritonisierung der Stümpfe.
Bei aller Anerkennung dieser Vorschläge, die übrigens neben
meinen durchgeführt werden’ können, habe ich, veranlaßt durch analoge
Erfahrungen, die Verwirklichung des Ideals der Asepsis — gefahr-
loser Wundverschluß — auf anderem Wege gesucht.
Wenn ein lege artis desinfizierter Finger, mit sterilen Kompressen
bedeckt, nach Stägiger Blutabschnürung in fauliger Gangrän befunden
würde, so dürfte man sich nicht wundern. Wenn ein mehr oder
minder langer Unterbindungsstumpf im Peritoneum auch bei sorg-
fältiger Nachdesinfektion fortschreitende Entzündung verursacht, so
ist mir das selbst bei Überkleidung mit Peritoneum wohl erklärlich.
Eine Öffnung der Bauchnaht und nachherige Drainage hilft meistens
zur Vermeidung der diffusen Peritonitis und zur Entstehung eines
Bauchbruches. Deshalb rechnet man sicherer in jedem Falle mit dem
Vorhandensein von Bakterien, besonders solange noch die Asepsis des
angelegten Nähmaterials als wunder Punkt der Chirurgie bezeichnet
werden kann.
Meine Fadendrainage ermöglicht exakten Schluß der Bauchwunde
usw., ohne die Sicherheit, die die sonst übliche breitere Drainage bot,
völlig aufzugeben. Die weiteren Nachteile der letzteren, wie Hängen-
bleiben einzelner Jodoformgazefäden oder flächenhaftes Verwachsen
derselben, zu deren Lösung ein japanischer Arzt Dr. Mori neuerdings
eine besondere Curette erfunden, oder schwieriges Wiedereinführen
der Drainage zum tiefsten Punkte sind ebenfalls bei dieser Methode
zu vermeiden.
1 Theilhaber, Ein Verfahren zur Verminderung der Infektionsmöglichkeit
bei Operationen in der Bauchhöhle. Münch. med. Wochenschr. 1906. Nr 23 u. 27.
— v. Stubenrauch, Kritik und Gegenvorschlag. Ibidem Nr. 25.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 1243
Im Gedenken an »principüs obsta« lasse ich den (Jod-) Oatgut-
unterbindungsfaden, der nicht weit von der Schnittfläche entfernt um-
stochen worden, lang und leite ihn zu einer Ecke der vorderen exakt
vernähten Bauchwunde heraus. Sein freies Ende sichere ich während
der Operation mittels leichter Klemme, nach ihr durch seitlich gelegten
Heftpflasterstreifen.
Die kleinen Öffnungen für diese Fäden werden ebensowenig Ver-
anlassung zu einem Bauchnarbenbruch, wie diejenigen der durch-
greifenden Bauchdeckennähte.
Sollten nun einige Bakterien auf dem der ischämischen Nekrose
geweihten Stumpfe Nährboden gewinnen und ihre Stoffwechselgifte
produzieren, so finden letztere an dem lang gelassenen Faden eine
den ersten Anfängen meist vollständig genügende Ableitung nach
dem Locus minoris resistentiae, d. h. nach auBen, die Resorptions-
gefahr der geschlossenen Höhlenwunde ist vermieden, die Kapillar-
drainage wirkt von der ersten Stunde an am gefährdetsten Punkte.
Daß trotz exakten Wundverschlusses eine solche Fadendrainage
kapilläre Wirkung entfaltet, zu dieser Überzeugung brachte mich zu-
erst die von den Augenärzten geübte Behandlung der Tränenkanal-
stenose, indem dieselben schon bei liegender solider Dauersonde einen
hinreichenden Tränenabfluß zur Nase erzielen.
Bestätigt wurde meine Auffassung, abgesehen von guten Er-
fahrungen, durch die deutlich sichtbare Lymphsekretion entlang den
Drainagefäden bei Extremitätenoperationen, die ich unter Bier’scher
Stauung nachbehandelte.
Eine ausgiebigere Drainage, aber ebenfalls nur mit Fäden, kann
man auch dadurch erzielen, daß man sämtliche Nähte der Tiefe zu
einem Docht zusammendreht und im ganzen an einer Stelle nach
außen leitet. Mit diesem Verfahren nähert man sich allerdings den
Gefahren der Jodoformgaze in bezug auf Bruchneigung, wobei der
Vorzug der exakteren Lage am gefährdeten Ort für die Fadendrainage
in die Wagschale fällt. Die Saugkraft speziell der trockenen Jodo-
formgaze muß schon in den ersten Stunden als unwesentlich bezeichnet
werden; durch ihre Quellung wirkt sie meist nach kurzer Zeit geradezu
verstopfend.
Man könnte nun die alte üble Erfahrung der Nahteiterung gegen
die kapilläre Wirksamkeit der lang gelassenen Fäden anführen. Aber
abgesehen davon, daß letztere besonders in schlecht desinfizierbarer
Haut (Skrotum usw.) beobachtet werden muß, auch als gutartige
Eiterung meistens schnell nach der äußeren Öffnung durchbricht, so
ist doch zwischen einem unter Spannung angelegten Faden, der zu
teilweiser Ischämie des eingeschnürten Hautbezirkes und Begünstigung
des festen Abschlusses kleinster Buchten in der Umgebung führt, und
einem lose eingelegten Faden in bezug auf kapilläre Tiefenwirkung
ein wesentlicher Unterschied zu machen.
Als ich noch an die Möglichkeit glaubte, daß von außen entlang
den Catgutfäden Entzündungserreger bis in die Tiefe der Wunde
47*
1244 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47.
wuchern könnten, habe ich die kurz abgeschnittenen Catgutfadenenden
mit dünnem, frischgekochten Zelluloidzwirn, der gleich Silberdraht
nicht imbibierbar ist, am Knoten unterbunden und den Zwirn nach
außen geleitet. Nach 10—20 Tagen konnte ich, je nach der Dicke
des angewandten Catguts, seine Reste mit Hilfe des Zwirns dann nach
außen ziehen.
Aber weder entlang dem Catgut, noch der Seide, Zwirn oder
Silberdraht wandern vor 4 Tagen, entgegen dem kapillaren Sekretions-
strome, Bakterien nach der Tiefe der Unterbindungsstelle. Ob nachher
(trotz Schutzverband!), mag den Bakteriologen, weniger den Chirurgen
interessieren, der dank der mangelnden Resorption der aufschießenden
Wundgranulationen keine üble Wirkung mehr davon sieht. Dickeren
Catgut wie Nr. 2 verwende ich nicht. Statt der dickeren Nummern,
nehme ich lieber dünnere Seide, schneide sie kurz und leite nur die
Peritonealüberstülpungsnaht, die ich dann mit dünnem Catgut ausführe,
zur Wunde hinaus. Sehnen habe ich mit Fadendrainage auch in ver-
schmutzten Wunden primär zu nähen gewagt, und zwar mit je einem
versenkten dünnsten Seidenfaden und einem weitergreifenden, die
Sehnenscheide mitfassenden Catgutfaden, den ich nach außen leite.
Sollte bei Schluß der Operation oder auch noch nach einigen Tagen
ausgiebigere Drainage mit Preisgabe eines exakten Wundverschlusses
(z. B. nach Gallensteinoperationen) notwendig erscheinen, so er-
leichtert der langgelassene (Ariadne-) Faden die Orientierung zur
größten Tiefe.
Bei sich als, infiziert erweisenden Extremitätenoperationen be-
fördert die Bier’sche Stauung die Lymphsekretion entlang den
herausgeleiteten Fäden in deutlich sichtbarer Weise. Ob die Klapp-
schen Sauger über den Drainagefäden resp. dem Docht, z. B. bei
Laparotomiewunden, bis zur nötigen Tiefe — vielleicht indirekt durch
Anregung der Verdunstung im äußeren Teile — wirken können,
mögen weitere Untersuchungen entscheiden.
1) Trendelenburg. The treatment of ectopia vesicae.
(Annals of surgery 1906. August.)
In einem vor der American surgical Association gehaltenen Vor-
trage demonstrierte T. die von ihm angegebene Methode der Operation
der Ectopia vesicae, bei welcher die Articulatio sacro-iliaca behufs
Annäherung und Vereinigung der klaffenden Schambeine getrennt
wird. Zum Schluß führte er aus, daß nach seiner Ansicht diese
Durchtrennung bei jugendlichen Individuen durch eine methodische
Umschnürung des Becken mittels eines Gummigurtes ersetzt werden
könne. Diese Umschnürung, die im Hause der Mutter überlassen
werden kann, modelt die jugendlichen Knochen derartig um, daß nach
und nach eine Annäherung des Schambeinspaltes und eine nachfolgende
Vereinigung durch Silberdraht erreicht werden kann. Nachdem der
Zentralblatt für Chirurgie. :Nr. 47. 1245
vordere Beckenspalt beseitigt ist, werden die Blasenränder angefrischt
und unter Bildung eines Harnröhrenwulstes vereinigt.
Herhold (Brandenburg).
2) Keydel. Statistische Beurteilung der chirurgischen Be-
handlung der Blasengeschwülste.
(Zentralblatt für die Krankheiten der Harn- und Sexualorgane Bd. XVL. Hft. 6.)
Sehr umfangreiche statistische Arbeit über obiges Thema, die zu
dem Resultate kommt, »daß chirurgische Eingriffe behufs radikaler
Entfernung von Blasenneubildungen keineswegs hervorragende Erfolge
aufweisen«. Wenn dadurch Verf. zu einem die Operation bei Blasen-
neubildungen eher ablehnenden als befürwortenden Standpunkt gelangt,
so geht er meines Erachtens trotz der angeführten ungünstigen Sta-
tistiken und der eigenen schlechten Erfahrungen zu weit. Die Blasen-
neubildungen machen sehr spät Erscheinungen, und sie kommen, wie
aus der vorliegenden Arbeit auch hervorgeht, noch sehr viel später
in chirurgische Behandlung. Dieser Umstand ist wohl kaum außer
Acht zu lassen, bevor man sich zu der pessimistischen Anschauung des
Verf. bekennt. Vervollkommnung der Diagnosenstellung ist anzustreben.
Bis zur Erreichung dieses Zieles wird eine genauere Unterscheidung,
ob eine Blasengeschwulst operabel ist oder nicht, die chirurgische
Statistik aufbessern müssen. Als Regel aber die Blasenneubildungen
der chirurgischen Behandlung entziehen wollen, dürfte nichts anderes
heißen, als die Waffen strecken vor Neubildungen, die, solange sie
gutartig sind, 1) eine äußerst lästige Krankheit und 2) eine sehr
große Gefahr zu bösartiger Entartung bedeuten und die, wenn sie
bösartig sind, doch unter allen Umständen wenigstens auf ihre Opera-
bilität hin untersucht werden müssen. Grunert (Dresden).
3) Leschnew. Über die Behandlung der Blasentumoren.
(Zentralblatt für die Krankheiten der Harn- und Sexualorgane Bd. XVIL Hit. 7.)
Kasuistische Beiträge zu obigem Thema aus der chirurgischen
Hospitalklinik des Prof. Fedoroff an der militärmedizinischen Aka-
demie zu St. Petersburg.
Der chirurgische Eingriff bot bei gutartigen Geschwülsten 100%
Heilungen, bei bösartigen leistete er in den Fällen gutes, welche als
operable bezeichnet werden konnten. Über die Operabilität führt L.
einen Ausspruch Fedoroff’s auf dem V. Kongreß der russischen
Chirurgen zu Moskau an:
»Bei großen Infiltraten operiere ich nicht; überhaupt muß ich
sagen, daß ich, nachdem ich bereits 13 radikale Resektionen von Blasen-
geschwülsten ausgeführt habe, immer mehr und mehr konservativ werde
und nunmehr bei diffusen Geschwülsten nicht mehr operieren werde,
da man das Leben des Pat. dadurch nicht verlängern kann; und was
den Allgemeinzustand betrifft, so kann man ihn auch durch andere
Maßnahmen bessern. « Grunert (Dresden).
1246 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47.
4) H. A. Kelly. My experience with the renal catheter
as a means of detecting renal and ureteral calculi.
(Amer. journ. of urology 1904. Oktober.)
In diesem Vortrage spricht K. zunächst über seine Methode der
Diagnostik der Nieren- und Harnleitersteine. Diese besteht darin,
daß er zuerst einen Harnleiterkatheter an der Spitze mit einer Mischung
von Olivenöl und geschmolzenem Wachs (zwei Teile Wachs, ein Teil
Ol) tiberzieht und an der Luft trocknen läßt. Er erhält somit einen
für jegliche Rauhigkeit äußerst empfindlichen Überzug. Nach Ein-
führen des Blasenspekulums sucht K. die Harnleitermündung auf und
führt den Katheter in den Harnleiter ein. Findet sich in diesem
oder dem Nierenbecken ein Stein, so entsteht an der gewachsten
Spitze eine Kratzmarke. Irrtümer können entstehen, wenn die Spitze
mit dem vesikalen Ende des Spekulums oder wenn beim Herausziehen
des Katheters die Spitze mit den Schamhaaren in Berührung kommt;
außerdem wenn beim Erhärten das Wachs sich unregelmäßig zusam-
menzieht. In all’ diesen Fällen können kleine Kratzer entstehen,
welche als von Konkrementen herrührend angesehen werden. Zur
Vermeidung solcher Irrtümer soll man den Katheter nicht eher ein-
führen, als bis man die Harnleiteröffnung gut eingestellt hat; des
weiteren soll man, um die Haare fernzuhalten, beim Herausziehen des
Katheters die Vulva gut auseinanderziehen; endlich soll man vor Be-
ginn der Untersuchung die Spitze des Katheters auf ev. schon vor-
handene Schrunden untersuchen.
Die Schwierigkeiten der exakten Lokalisation sucht K. dadurch
zu überwinden, daß er in Abständen kleine Wachsperlen am Katheter
anbringt oder indem er den ganzen Katheter wachst. Sitzt ein Stein
tief im Harnleiter, so entsteht an jeder Perle eine Kratzmarke oder,
wenn der Katheter ganz gewachst wird, eine kontinuierliche Marke.
Durch Messung des Kratzers resp. der Anzahl der gezeichneten Wachs-
perlen läßt sich die Entfernung des 'Steines vom oberen Pol des
Nierenbeckens bestimmen.
K. hat bis 1900 in 30 Fällen den Katheter zu diagnostischen
Zwecken eingeführt. 24mal fanden sich Kratzmarken am Katheter,
und die Diagnose wurde durch die Operation bestätigt. Von den
sechs übrigen Fällen, in denen die Untersuchung negativ ausfiel, han-
delte es sich dreimal um dieselbe Pat. Im vierten Falle lag der Stein
in einer Abszeßhöhle, in der ihn der Katheter nicht erreichen konnte.
In diesen Fällen konnte die Diagnose durch Röntgenstrahlen gestellt
werden. In Fall 5, der nach der positiven Röntgenuntersuchung mit-
tels Katheter untersucht wurde, handelte es sich um einen Phlebo-
lithen. Bei Fall 6 operierte K., obgleich sowohl Röntgen- als auch
Katheteruntersuchung negativ war, ohne etwas zu finden, obwohl die
Symptome scheinbar beweisend waren.
Die Röntgenuntersuchung allein hält K. im allgemeinen für zu
schwierig und unsicher. Levy (Wiesbaden).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 1247
5) Hottinger. Zur Diagnose der Nierentuberkulose.
(Zentralblatt für die Krankheiten der Harn- und Sexualorgane Bd. XVII. Hft. 8.)
Die Leitgedanken, die den Ausführungen zugrunde liegen, gibt
Verf. selbst zum Schluß seiner Arbeit wie folgt an:
»Die Niere ist der Ausgangspunkt der Tuberkulose des Harn-
traktus, die (Uro-) Genitaltuberkulose des Mannes ist ein Gebiet für
sich, wenn auch nicht selten mit Nierentuberkulose primär kombiniert.
Um die Diagnose anf Nierentuberkulose stellen zu können, müssen
selbstverständlich Anhaltspunkte dafür vorhanden sein.
Es ist daran zu denken, daß die Erscheinungen derselben mit
Vehemenz plötzlich einsetzen können in Form von Blutungen oder
Schmerzanfillen. Gewöhnlich aber sind es chronische Zustände, die
durch ihr refraktäres Verhalten den Gedanken an eine Tuberkulose
nahe legen: so ist jede nicht vorübergehende Pyurie verdächtig; Blu-
tungen sind sehr häufig. Von Beschwerden herrscht das Bild der
chronischen Cystitis vor, wenn schon oft und lange nur ein Reizzustand
der Blase von der kranken Niere ausgeht, eine Cystitis vortéuschend.
Palpable Nierenveränderungen sind gar nicht immer festzustellen;
nicht selten führen diese wie auch die Schmerzangaben irre. Wo also
nicht exquisite Befunde vorliegen, ist nur das Cystoskop in der Regel
imstande, iiber den Sitz des Herdes sichere Auskunft zu geben, wie
über den Charakter der Erkrankung der Nachweis des Tuberkelbazillus.
Aber auch schon gewisse cystoskopische Befunde, wie Tuberkelknöt-
chen und die von mir beschriebenen Granulombildungen sind geeignet,
den gewünschten Anhaltspunkt zu liefern.«
Die Granulombildungen sind Granulationen an Harnleiter und
Blase, die Verf. dann als pathognomonisch für Nierentuberkulose an-
spricht, wenn sie, meist als größere Gebilde granulöser Natur, als
Granulome, die in ihrem Auftreten an kleine Papillome mahnen, teils
am Harnleiter selbst, seine Öffnung in sich aufnehmend, sitzen, teils,
von ihm ausgehend, sich nach der Seite ausbreiten.
Grunert (Dresden).
6) Joly. Traitement de l’hydrocele par le plissement des
tuniques fibreuse et vaginale.
(Arch. de med. et de pharm. militaires 1906. Juni.)
Verf. ist der Meinung, daß durch die üblichen Behandlungs-
methoden der Hydrokele, z. B. der Resektion und der Jodeinspritzung,
das Parenchym des Hodens leiden könne, und hat eine neue Operations-
methode für das Leiden ausgebildet. Nach ihm liegt der Grund für
eine verlangsamte Resorption der Flüssigkeit bei der Hydrokele in
einer Erschlaffung der Hodensackshiille. Diese besteht aus der äußeren
Wand mit glatter Muskulatur (Dartos) und der inneren Schicht, welche
letztere sich wieder aus der Tunica vaginalis parietalis und aus einer
äußeren fibro-muskulären Schicht zusammensetzt. Die Muskeln der
fibrösen Schicht werden durch den M. cremaster gebildet, der von
1248 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47.
den Bauchwandmuskeln herkommt. Beide Schichten vereinigen sich
im Ligamentum scrotale am Boden des Hodensackes. Um nun die Er-
schlaffung der Hodensackwand zu beseitigen, durchtrennt Verf. tiber
der Hydrokele bis zum unteren Pole die Dartos, das Zellgewebe und
die fibro-muskuläre Schicht bis auf die Tunica vaginalis parietalis und
Dartos
N Fibromuskuläre Schicht
Ligamentum scrotale
präpariert seitlich die durchschnittenen Teile, bis er zwei Lappen von
6—7 cm Breite hat. Dann entfernt man die Flüssigkeit durch Punk-
tion und legt drei oder vier Nähte durch die freiliegende fibro-musku-
läre Schicht, worauf die Dartos vereinigt wird. Drei mit Erfolg ope-
rierte Fälle werden angeführt. Herhold (Brandenburg).
7) E. Pasquimangali. Le vie d'accesso nella chirurgia del
testicolo e delle vie spermatiche.
(Gazz. degli ospedali e delle clin. 1906. Nr. 111.)
Verf. empfiehlt bei Operationen am Hoden und Samenstrang den
Weg vom Leistenkanal aus, in erster Linie bei Tuberkulose der Ge-
schlechtsdrüse, zumal da unter Freibleiben des Ductus deferens auf
dem Lymphwege die höheren Teile des Samenstranges befallen sein
können. Aber auch für die Radikaloperation der Varikokele, für
Hydrokelenoperationen, namentlich bei Beteiligung des Funiculus sper-
maticus, bei Neubildungen und Ectopia testis wird dieser Weg bevor-
zugt. Nur bei schweren Verwachsungen des Hodens und Fisteln am
Hodensack, wenn Exstirpation von Teilen des letzteren notwendig
wird, darf der Hodensack eröffnet werden, und selbst hier nur sekun-
där, um Infektionen aus dem Wege zu gehen. Der 6—7 cm lange
Schnitt beginnt am äußeren Leistenringe, legt die Aponeurose des
M. obliquus ext. frei und durchtrennt sie bis etwa oberhalb des inneren
Leistenringes. Der am Samenstrang in die Höhe gezogene Hoden
zieht das Lig. Hunteri und die eingestülpte Haut des Hodensackes
hinter sich her. Das Ligament wird nur im Bedarfsfalle nach vor-
ausgehender Unterbindung durchschnitten. Die Herstellung des
Leistenkanals nach Bassini beschließt den Eingriff.
Dreyer (Köln a. Rh.).
— — —
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 1249
8) A. Sitzenfrey (Prag). Uber epitheliale Bildungen der
Lymphgefäße und Lymphraume in Beckenlymphknoten bei
Uteruskarzinom und bei karzinomfreien, entzündlichen Adnex-
erkrankungen. |
(Zeitschrift für Geburtshilfe u. Gynäkologie Bd. LVII. Hft. 3.)
S. bringt in klarer, knapper Fassung unsere Erfahrungen über
den Befund gutartiger Epithelschläuche in Beckenlymphdrüsen bei
Karzinom des Uterus und bei entzündlichen Beckenprozessen. Vier
Karzinomfälle und zwei entzündliche Belege werden der bisher
bekannten Kasuistik beigefügt und vorzüglich illustriert. Ref. sieht
das Wertvolle der Arbeit darin, daß auf die Möglichkeit gutartiger
Metaplasievorgänge in diesen sog. Epithelialschläuchen durch Wort
und Bild hingewiesen wird. Die Auskleidung der Hohlräume wird
vom umgewandelten Lymphgefäßendothel gebildet. Die Hohlräume
sind umgewandelte Lymphräume wie R. Meyer dies zuerst nach-
gewiesen hat. S. zeigt uns nun, daß die gewucherten Endothelien
entsprechend ihrer Zwitterstellung alle Formen von Deckepithelien
(Flimmerzellbelag!), mehrschichtige Lagen, schließlich adenokarzinom-
verdächtige Herde bilden können. Nur die Serienuntersuchung er-
möglicht die rechte Diagnosestellung. Da in dem die Metaplasie der
Endothelialbildungen liefernden Falle von allgemeiner Beckenentzün-
dung die Obduktion das Fehlen irgendeines Karzinomherdes im Körper
feststellte, muß die Beweisführung von S. als zwingend anerkannt
werden. Kroemer (Gießen).
9) G. Burckhard (Würzburg). Experimentelle Unter-
suchungen über das Verhalten der Ovarien und Tuben,
sowie des Uterusrestes nach vollständiger resp. teilweiser
Entfernung des Uterus bei Kaninchen.
(Zeitschrift für Geburtshilfe u. Gynäkologie Bd. LVIII. Hft. 1.)
Die wichtige experimentelle Versuchsreihe B.’s soll einen Beitrag
zur Entscheidung der klinischen Frage liefern: »Soll man bei Ent-
fernung des Uterus die Ovarien entfernen oder zurücklassen?« Nach
Keitler’s Versuchen könnte man annehmen, daß die Ovarien voll-
ständig unabhängig vom Uterus sind und normal funktionieren auch
nach der Uterusexstirpation. Mandl und Bürger wiesen indessen
nach, daß nach der Entfernung des Uterus eine gewisse rasche Alte-
rung der Eierstöcke eintritt. Die Reifung der Follikel verläuft offenbar
zwecklos und unter gleichzeitiger Vernichtung vieler Parenchymbestand-
teile, so daß eine rasche Schrumpfung der Keimdrüsen und insbesondere
der Parenchymschicht nach wenigen Jahren eintritt. Die Versuche
B.’s bestätigen die Angaben der beiden vorgenannten Untersucher.
B. glaubt, daß vor allem Störungen der Blutzirkulation, insbesondere
erschwerter Rückfluß die Ursache dieser Störung sind. Beim Menschen
werden diese rückbildenden Prozesse noch rascher eintreten, da nach
47**
1250 | Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47.
der Art der Arterienversorgung der eine Arterienzweig der Ovarien
(Ramus tubo-ovaricus der Art. uterina) durch die Exstirpation des
Uterus unterbunden werden muß. Die Atrophie des Eierstockes trat
bei den Tierversuchen prompt ein, und zwar bei Wegnahme eines
Uterushornes nur auf der korrespondierenden Seite. Nur mußte die
Beobachtungszeit ausreichend sein (bis zu 5 Jahren!). Interessanter-
weise bildeten sich in den teilweise oder ganz unterbundenen Tuben
bzw. Uterushörnern cystische Dilatationen mit Kompressionserschei-
nungen des Epithels. Es spricht dies für eine Sekretion des Uterus-
epithels und einen gewissen Sekretionsdruck. Diese cystische Dila-
tation eines Uterushornes entstand auch bei einseitigem Verschluß der
Portio, während weder makroskopisch noch mikroskopisch ein Ver-
schluß des Tubenmundes zu konstatieren war. Ein besonders glück-
liches Experiment führte zur Entstehung einer Tubarschwangerschaft
(beim Kaninchen). Kroemer (Gießen).
Kleinere Mitteilungen.
10) Von der 78. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte zu
Stuttgart.
a. Ritter (Greifswald): Die Neubildung von Lymphdrüsen im Fett-
gewebe beim Karzinom und Sarkom.
Im Anschluß an frühere Mitteilungen über eigentümliche Lymphdrüsenbildungen
in der Achselhöhle beim Mammakarzinom berichtet Vortr. über ähnliche Bildungen
beim Platten- und Schleimhaut-(Gallert-)karzinom, ferner bei drei Fällen von Sar-
komen im zugehörigen Fettgewebe. Demonstration dieser zweiten Serie an zahl-
reichen Tafeln und makroskopischen (Sudomfärbung nach Formalinhärtung) sowie
mikroskopischen Präparaten. R. geht dabei auf die mikroskopischen Details nicht
näher ein. Was die Entstehung dieser Neubildung des Lymphdrüsengewebes beim
Karzinom und Sarkom betrifft, so kann, wie R. anderen Anschauungen gegenüber
eingehend begründet, als Ursache nur ein Reiz in Betracht kommen. Es liegt am
nächsten, diesen Reiz, da es sich meist um geschlossene Geschwülste handelt, im
Karzinom selbst zu suchen, mag man sich darunter Karzinomzellen, die dann
allerdings massenhaft, ohne eine Spur hinterlassen zu haben, zugrunde gegangen
sein müßten, oder, wie es Vortr. wahrscheinlicher ist, ein Karzinom virus vor-
stellen.
Jedenfalls zeigt dieser Vorgang der Lymphdrüsenneubildung im Fettgewebe,
daß die Injektionspräparate an Leichen, die man bisher ganz allgemein als Para-
digma für die Verbreitung des Karzinoms (bzw. Sarkoms) auf dem Lymphweg an-
gesehen hat, keineswegs ein richtiges Bild für diese Verhältnisse geben, und daß
die Verschleppung der bösartigen Tumoren durchaus nicht so rein mechanisch auf-
zufassen ist, wie man bisher getan hat. (Selbstbericht.)
b. P. Wichmann (Hamburg): Beitrag zur Behandlung inoperabler
Geschwilste mittels Rontgenstrahlen.
Die Wirkung der Roéntgenstrahlen auf inoperable Geschwiilste kann, falls es
sich um oberflachliche Geschwulstformen handelt, im allgemeinen als eine konstant
giinstige bezeichnet werden, tiefer gelegene Neubildungen diirften nur in vereinzelten
Fällen wesentliche Rückbildung erfahren. Die Erklärung für diese Wirkungsweise
liegt im Absorptionsverhältnis der Strahlung zum Gewebe begründet: Die bio-
logisch wirksame Strahlung gelangt bereits in einer Tiefe von höchstens einigen
Zentimetern fast gänzlich zur Absorption.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 1251
W. hat nun versucht, die Strahlung auch für tiefer gelegene Organe biologisch
wirksam zu machen, und es ist ihm dies mittels Eosinsensibilisation gelungen.
Ein Kaninchen wurde innerhalb 6 Wochen mit sehr leichten Dosen von
Röntgenstrahlung vom Rücken aus bestrahlt, es erhielt innerhalb dieser Zeit per
Schlundsonde 2%ige Eosinlösung.
Außer einem leichten, spärlichen Haarausfall zeigte die äußere Haut keine
Reaktion, die inneren Organe erwiesen sich bis auf den Magen, in welchem das
Eosin in größeren Mengen am längsten sich aufhielt, intakt. Die Magenschleim-
haut erwies sich brüchig und angeätzt (Demonstration).
Daß nicht das Eosin als solches, sondern nur in Kombination mit der Strah-
lung diese Wirkung veranlaßte, zeigt der Magen des Kontrolltieres, welches inner-
halb 6 Wochen reichlich doppelt so viel Eosin wie das erste Tier erhielt. Die
Magenschleimhaut ist hier intakt (Demonstration).
Es ist also möglich, mittels Eosinsensibilisation und genügend vorsichtig
dosierter Röntgenbestrahlung elektiv auf innere Organe, die an und für sich nicht
besonders empfindlich gegen die Strahlung sind, einzuwirken.
W. hat nun, gestützt auf dieses experimentelle Ergebnis, diese Methode bei
zwei Fällen von inoperablem Osophaguskarzinom, bei inoperablem Uteruskarzinom
und inoperablem Karzinom des Rachens in Anwendung gebracht und konnte an-
scheinend eine deutliche elektive Wirkung erzielen. Inwieweit der Methode prak-
tischer Wert beizumessen ist, muß die Erfahrung lehren. (Selbstbericht.)
c. Defranceschi (Rudolfswert) berichtet über weitere 200 Fälle von Lumbal-
anästhesie mit Tropakokain. Er verwendete auch im verflossenen Jahre seine
hohen Dosen, mindestens 15 cg, bei Kindern 7—10 cg, glaubt aber, daß die Steri-
lisation in trockener Hitze (Bratröhre) das Präparat abschwäche. Unangenehme
Nachwirkungen waren sehr selten, man soll jedoch nicht mehr Liquor ablassen als
10 g. Unter insgesamt 420 Fällen war ein totaler Versager, trotzdem die Technik
einwandsfrei war. Die Kinder vertragen die Rückenmarksanästhesie ausgezeichnet.
Die Wirkung ist ideal. D. empfiehlt gerade das Tropakokain i wärmstens.
(Selbstbericht.)
Diskussion.
Hirsch (Wien): Auf der v. Mosetig’schen Abteilung übersteigt die ver-
wendete Tropakokaindosis nie 0,06. Daß das Mittel durch die Sterilisierung
leide, ist unwahrscheinlich, da es durch die Hitze chemisch nicht umgeändert wird.
Zur Vermeidung übler Nachwirkungen ist es vorteilhaft, möglichst wenig Zerebro-
spinalflüssigkeit abzulassen.
Brenner (Linz) hat gegen 550 Pat. mit Lumbalanästhesie behandelt; mit der
Verbesserung der persönlichen Technik hat sich die Zahl der Versager mehr und
mehr vermindert. Er verwendet größere Dosen des Tropakokains (bis 0,12), das
vor der Anwendung 5 Minuten gekocht wird, wobei offenbar etwa die Hälfte der
wirksamen Substanz verloren geht; die Wirkung kann durch 10 Minuten dauerndes
Kochen noch weiter herabgesetzt werden. B. macht alle Operationen unter der
Nabelhöhe in Rückenmarksanästhesie, in letzter Zeit auch Magenresektionen und
Cholecystektomien; dabei operiert er Hernien in geringer, macht Eingriffe oberhalb
des Nabels in steilerer Beckenhochlage; bei letzterer tritt leicht Übelkeit und
Erbrechen ein. Kopf- und Rückenschmerzen, wie geringe Temperatursteigerungen
kommen in den ersten 3 Tagen vor; sonst hat B. nur am 10. Tage nach der Ope-
ration eine vorübergehende Abducenslähmung bei einer Hysterischen beobachtet.
Steinthal (Stuttgart) hatte bei 100 Beckenoperationen gute Erfolge mit
Novakokain-Adrenalinanästhesie; für Magen- und Nierenoperationen war Becken-
1 Seit meiner Rückkehr aus Stuttgart verwende ich ausschließlich das mir von
der Firma E. Merck (Darmstadt) zur Verfügung gestellte, sterilisierte Tropa-
kokain in Tabletten. Der Erfolg war bisher ein idealer, und kam ich mit 0,05 g
vollkommen aus. Hiermit ist der Beweis erbracht, daß das Tropakokain durch
Sterilisierung in trockener Hitze in seiner Wirkung abgeschwächt wird.
1252 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47.
hochlagerung nötig. Einmal erlebte er starke Nachblutung, bei Kombination mit
Morphium bisweilen heftiges Erbrechen. — Unter 16 Fällen von Stovainanästhesie
erlebte er einen Todesfall bei einem kachektischen Prostatiker.
Leichtenstern (Wien): Von Zuckerkandl wird die Lumbalanästhesie etwa
seit 1 Jahre mit bestem Erfolge, namentlich bei Blasen- und Prostataoperationen,
angewandt; es werden 0,06 Tropakokain in 10 ccm Zerebrospinalflüssigkeit einge-
spritzt. Die Anästhesie ist eine tadellose, üble Nachwirkungen wurden nicht be-
obachtet, sehr oft aber Temperatursteigerungen bis 39° auf 3—4 Tage; übrigens
stets bei normaler Pulsfrequenz.
Katholicky narkotisiert mit zwei Teilen Chloroform und einem Teil Äther,
gibt starken Personen vorher 0,01 Morphium und ist damit so zufrieden, daß er
keine Veranlassung genommen hat, die Rückenmarksanästhesie zu versuchen.
d. F. Krause (Berlin): Über die operative Behandlung der Hirn- und
Rückenmarkstumoren.
Um das sehr umfangreiche Gebiet in möglichster Kürze vollständig zu be-
handeln, beschränkt sich K. in seiner Darstellung nur auf eigene Erfahrungen und
führt Beispiele aller in Betracht kommenden Operationen in Projektionsbildern
vor. An der Hand dieser bespricht er zunähst die Geschwülste der sensomoto-
rischen Region, des klassischen Ortes für die Chirurgie der Hirntumoren. Nach
Aufzeichnung der Rolando’schen und Sylvi’schen Furche auf dem rasierten
Schädel werden mit Hilfe der osteoplastischen Lappenbildung große Trepanations-
öffnungen mit der Dahlgreen’schen Zange angelegt. Die Blutung aus den Weich-
teilen wird durch die Heidenhain’sche Umstechungsnaht wesentlich gemindert
oder aufgehoben. Kortikal sitzende Geschwülste sind nach lappenförmiger Dural-
eröffnung meist leicht zu erkennen, bei subkortikalen leistet die faradische ein-
polige Reizung mit sehr schwachem Strom ausgezeignete Dienste, wie überhaupt
diese Methode auch im Operationssaale für den Chirurgen unentbehrlich ist. Ebenso,
wie Tumoren, müssen Gummata, Solitätuberkel und Cystenbildungen behandelt
werden. Von letzteren gibt K. ein Beispiel an einer großen Cysticercusblase der
vorderen Zentralwindung. Zunächst gelang die operative Heilung. später ging der
Kranke an multiplen Cysticerken der Hirnbasis zugrunde.
Doch die Chirurgie der Zentralwindungen stellt heute nur ein kleines Gebiet
der Hirnchirurgie dar. Als Beispiel für einen Tumor der Parietalregion zeigt K.
die Operationsbilder eines von H. Oppenheim diagnostizierten pflaumengroßen,
an zwei Stellen eiterig geschmolzenen Solitärtuberkels, der in toto exstirpiert wurde.
Wegen der Eiterung mußte die Wunde 12 Tage tamponiert und offen gehalten
werden; der eintretende große Hirmprolaps ließ sich durch Zurückklappen des
Dural- und Hautknochenlappens, sowie durch exakte Vernähung der weithin ab-
gelösten umgebenden Haut beseitigen, so daß Heilung eintrat. Der Kranke ging
später an Lungenphthise zugrunde; die Autopsie zeigte im Gehirn vollkommene
Heilung und hier auch an keiner anderen Stelle einen Tuberkelherd.
Weiter wird eine gleichfalls von Oppenheim diagnostizierte Geschwulst des
Occipitallappens bei einem 35jährigen Mann als Beispiel vorgeführt. Die Ex-
stirpation erfolgte in zwei Zeiten und führte zu vollständiger Heilung, so daß selbst
die Hemianopsie verschwunden ist.
Dann ging K. auf die Operationen am Stirnlappen und in der vorderen Schädel-
grube über, und im Anschluß daran besprach er die Freilegung der Hypophyse
von vorn her nach Bildung eines Stirnlappens. Dieser Operation wesentlichen Teil
hat er mit vollständigem Erfolge vor 6 Jahren ausgeführt, um eine schwere Sym-
ptome verursachende Revolverkugel aus der Gegend des Ohiasma zu entfernen.
Der Operierte ist vollkommen gesund geblieben.
Die Geschwülste der mittleren Schädelgrube werden in analoger Weise ent-
fernt, wie K. bei der Exstirpation des Ganglion Gasseri vorgeht. Die letztere
Operation hat er 5lmal mit sieben Todesfällen ausgeführt und niemals innerhalb
eines Zeitraumes von 14 Jahren ein Rezidiv der Trigeminusneuralgie beobachtet.
Diese radikale Methode wendet er aber nur in den schwersten Fällen an, wenn
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 1253
die ungefährlichen Resektionen der peripheren Trigeminusäste erfolglos geblieben
sind; dann aber ist die Exstirpation des Ganglion Gasseri durchaus zu empfehlen.
Bei den Eingriffen in der hinteren Schädelgrube und am Kleinhirn bildet es
einen Unterschied in der Technik, ob beide Seiten oder nur eine freigelegt werden
sollen. Letzteres Verfahren kommt vor allem bei den sog. Acusticustumoren, den
Geschwülsten des Kleinhirnbrückenwinkels in Betracht. Durch Freilegen und vor-
sichtiges Verschieben der betreffenden Kleinhirnhemisphäre medianwärts oder nach
innen und oben kann man die hintere Felsenbeinfläche und den hinteren Abschnitt
der Schädelbasis, sowie die hier liegenden Hirnnerven (Acusticus, Facialis, Glosso-
pharyngeus, Vagus, Accessorius) zu Gesicht bringen und die in dieser Tiefe liegen-
den Tumoren, zumals sie meist abgekapselt und ausschälbar sind, entfernen. Eine
derartige, operativ geheilte Kranke ist in der neurologischen Gesellschaft zu Berlin
vorgestellt worden. Im ganzen hat K. zehn solche Operationeu ausgeführt, einen
genauen Bericht über neun Fälle hat er auf dem diesjährigen Chirurgenkongreß
geliefert.
Im Anschluß an die Technik für die Freilegung beider Kleinhirnhemisphären
bespricht K. die Punktion des 4. Ventrikels als einen unter Umständen unmittelbar
lebensrettenden Eingriff. Weiter erörtert er die Prognose aller erwähnten Hirn-
operationen. Die wirkliche Heilung einer Hirngeschwulst durch den Chirurgen
gehört immer noch zu den Seltenheiten. Bedenkt man aber, daß jeder Kranke
sonst verloren ist, und zumeist unter den allergrößten Qualen, so findet die Ope-
ration doch ihre Berechtigung. Gelingt die radikale Entfernung nicht, so bedeutet
die Trepanation mit Duraleröffnung als druckentlastende Operation eine große
Erleichterung für den Kranken und häufig eine Verlängerung seines Lebens. Einen
solchen palliativen Eingriff darf man mit demselben Recht vornehmen, wie z.B.
die Gastrostomie beim Speiseröhrenkrebs u. dgl. mehr. Die Hauptgefahren der
Operation sind Blutung und Chok, während die Infektion mit einem hohen Grade
von Weahrscheinlichkeit auszuschalten ist. Wenigstens hat K. unter allen Ope-
rationen wegen Hirngeschwulst und Epilepsie, sowie bei den 51 Exstirpationen des
Ganglion Gasseri keinen Kranken an Meningitis verloren. Man muß immer auf
die einzeitige Vollendung der Operation gefaßt sein, da die Verhältnisse dazu
zwingen können. Wenn aber die Wahl offen bleibt, so ist das zweizeitige Ver-
fahren am Gehirn vorzuziehen. Man verteilt damit die Gefahr und vermindert
sie für jeden der beiden Eingriffe.
Ganz anders bei der Entfernung der Tumoren der Rückenmarkshäute;
hier ist das einzeitige Verfahren das richtige, außerdem sollen die Wirbelbögen
nicht erhalten, sondern geopfert werden. Die Wundverhältnisse werden dadurch
vereinfacht, zudem haben die Bögen für die Stützfähigkeit der Wirbelsäule keine
Bedeutung. K. hat 19 derartige Operationen mit 5 Todesfällen ausgeführt. Die
älteste Pat. ist vor 6 Jahren operiert und lebt — 72 Jahre alt — noch jetzt; es
handelte sich um ein Psammon in der Höhe des 7. Brustwirbels, das von Dr. Böt-
tiger diagnostiziert worden war. Am gefährlichsten sind die Eingriffe am oberen
Halsmark; von drei derartig Operierten sind zwei im Kollaps gestorben; bei einem
dritten mußte der Bogen des Epistropheus, des 3. und 4. Halswirbels entfernt und
nach Spaltung der Dura der untere Teil der Medulla oblongata freigelegt werden;
die Kranke ist geheilt und hat sich 2 Jahre nach der Operation in guter Gesund-
heit vorgestellt.
Von besonderen Schwierigkeiten, die sich bei Rückenmarksoperationen her-
ausstellen, sind zu erwähnen: inoperable Geschwülste; dann Verwachsungen im
Arachnoidealraume, die Tumorsymptome vortäuschen oder, oberhalb der wirklich
vorhandenen Geschwulst weit hinaufreichend, zu einer falschen Segmentdiagnose
Veranlassung geben; endlich die sog. Meningitis serosa ex Arachnitide chronica,
die bereits von Oppenheim betont, von K. in mehreren Fällen bei der Operatiom
gefunden wurde, Für alle diese Vorkommnisse werden operative Erfahrungen an
Diapositiven vorgeführt. Selbst bei Rückenmarksgeschwülsten können also noch
diagnostische Schwierigkeiten mancherlei Art erwachsen, und doch ist hier die
Diagnostik dank der Segmentierung des Organes so viel leichter und so viel weiter
1254 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47.
ausgebildet als beim Gehirn. Schon aus diesem Grunde sind die operativen Er-
folge bei Rückenmarkstumoren viel besser als bei Hirngeschwülsten; dazu kommt
noch die geringere Gefahr des Eingriffes. Wenn es aber dermaleinst gelingen
sollte, die von vornherein inoperablen Hirntumoren als solche zu erkennen
und dann höchstens der druckentlastenden Trepanation zu unterziehen, so werden
die operativen Ergebnisse auch auf diesem Gebiete bessere werden. Die großen
Fortschritte der neurologischen Diagnostik in den letzten Jahren, namentlich auf
dem Gebiete der Tumoren der hinteren Schädelgrube, berechtigen zu gegründeten
Hoffnungen auch für die Chirurgie des Großhirns. Die Fortschritte der Neurologen
sind es, welche auch die Chirurgen vorwärts bringen; denn diese sind ihre aus-
führende Hand. (Selbstbericht.)
e. Oppenheim (Berlin): Über die operative Behandlung der Hirn-
und Rückenmarkstumoren. (Ergänzungsreferat mit besonderer Berücksich-
tigung der gemeinschaftlich mit F. Krause angestellten Beobachtungen.)
Der Vortr. beschränkt sich auf die Mitteilung persönlicher Erfahrungen, die
dank seiner Beziehungen zu der v. Bergmann’schen Klinik und einer Reihe
anderer Chirurgen auf diesem Gebiete unverhältnismäßig große sind. Zunächst
ergänzt er die Krause’sche Kasuistik, soweit sie sich mit der seinigen deckt,
durch die Schilderung der klinischen Verhältnisse und die Motivierung der Dia-
gnose in einzelnen besonders interessanten Fällen von Tumor cerebri. Dahin ge-
hört einer, in dem es gelungen ist, durch die Entfernung einer Geschwalst aus
dem linken Lobus occipitalis vollkommene Heilung, ein geradezu ideales Resultat
zu erzielen.
Ein zweiter gibt Anlaß, die Diagnose der Tumoren der hinteren Zentral-
windungen und des Scheitellappens auf Grund von fünf eigenen Operationsfällen
dieser Art mit jedesmal zutreffender Diagnose zu besprechen. Von einem erfolg-
reich Operierten (Prof. Borchardt) dieser Kategorie zeigt O. das stereoskopische
Bild des Operatiosbefundes und den herausgenommenen Tumor. Dann bespricht
er eingehender die Geschwiilste der hinteren Schidelgrube und des Kleinhirn-
briickenwinkels unter Demonstration der Präparate von mehreren, teils mit
Krause, teils mit Borchardt behandelten Fällen. Er hat in den letzten Jahren
acht dieser Pat. den Chirurgen überwiesen. Davon ist nur einer geheilt, ein zweiter
vorübergehend gebessert worden, während bei sechs die Operation mittelbar oder
unmittelbar den Exitus veranlaßt hat. Aber es handelte sich immer um Gewächse
von enormem Umfange.
Der Vortr. gibt dann eine Bilanz seiner seit Anfang 1%3 operierten Fälle
von Tumor cerebri. Es sind 27. Davon sind 3 (11%) geheilt, 6 vorübergehend
gebessert (22,2%), 15 gestorben (55,536), wobei allerdings zu berücksichtigen, daß
es sich zwölfmal um Gewächse der hinteren Schädelgrube handelte. Drei Palliativ-
operationen mit zum Teil unsicherem Ergebnis. In 23 von den 27 Fällen war
sowohl die allgemeine wie die lokale Diagnose eine zutreffende Einmal wurde
statt des erwarteten Kleinhirntumors ein Hydrocephalus gefunden; bei einem
anderen, bei welchem Hydrocephalus für wahrscheinlich gehalten wurde, fand sich
außer diesem ein Tumor des Lobus temporalis. Einmal schwankte die Diagnose
zwischen Tumor lobi frontalis und corporis striati; im Bereiche des ersteren wurde
er bei der Operation nicht gefunden; der Kranke ging in andere Behandlung über.
In dem vierten Fall, in welchem O. eine Neubildung im Bereiche der motorischen
Region diagnostizierte, war der dort bei der Operation erhobene pathologische
Befund nicht sicher als Tumor zu deuten. Diesen Pat. hat O. aus den Augen
verloren. Im ganzen hat nach seiner Erfahrung von zehn oder neun für chirur-
gische Behandlung sorgfältig ausgesuchten und fast durchweg richtig diagmosti-
zierten Fällen nur einer Aussicht auf volles Heilresultat. Die chirurgische Be-
handlung der Hirntumoren bildet also trotz einzelner blendender Erfolge immer
noch eine der schwierigsten und undankbarsten Aufgaben ärztlicher Tätigkeit.
Wenn es sich auch meist um ein ohne diese Therapie tödliches Leiden handelt,
verlangen doch die Erfahrungen mit der Meningitis serosa, der akuten Hirn-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 1255
schwellung und dem sog. Pseudotumor cerebri volle Berücksichtigung. Die Lehre
v. Bergmann’s, daß die Hirnchirurgie eine Ohirurgie der Zentralwindungen sei,
hat nach den neueren Erfahrungen ihre Gültigkeit verloren. Von O.’s Geheilten
gehört kein einziger diesem Gebiete (in v. Bergmann’schem Sinn) an.
Weit günstiger sind die Ergebnisse der chirurgischen Therapie der Rücken-
markshautgeschwülste. Der Vortr. gibt hier zunächst eine Statistik der
eigenen Beobachtungen, wobei er die Wirbelgeschwülste ausschaltet. In acht von
elf seiner Fälle war sowohl die allgemeine wie die lokale Diagnose eine zutreffende,
so daß der Tumor an der erwarteten Stelle gefunden wurde. In zweien lag eine
lokalisierte Meningitis bzw. Meningitis serosa spinalis vor, in dem letzten die
Kombination eines intramedullären Prozesses mit lokalisierter Meningitis am Orte
des Eingriffes. Was die therapeutischen Resultate anlangt, so ist die Operation in
fünf von den elf Fällen eine glückliche, erfolgreiche gewesen. In sechs hat sie
mittelbar oder unmittelbar den tödlichen Ausgang herbeigeführt. Dazu kommen
noch vier weitere Fälle, in denen die Operation von vornherein als explorative
ausgeführt war, und gerade diese Frage, die Berechtigung der explorativen
Laminektomie, bedarf der eingehendsten Erörterung. Nur in einem dieser
Fälle ist der Tod der Operation zur Last zu legen, in einem zweiten hat sie
Nutzen gebracht, in den beiden anderen ist sie für den Verlauf irrelevant gewesen.
O. gibt eine Schilderung der klinischen und diagnostischen Verhältnisse, wie
sie in diesen vier Beobachtungen vorlagen, und faßt seine Anschauungen über die
chirurgische Behandlung der Rückenmarkshautgeschwülste zu folgenden Thesen
zusammen: 1) Es unterliegt keinem Zweifel mehr, daß bei den Krankheitszuständen,
die die typische Symptomatologie des Rückenmarkshauttumors bieten, die chirur-
gische Behandlung dringend indiziert ist. Beschränkt man sich auf diese Fälle, so
ist schon nach den jetzigen Erfahrungen in ca. 50% auf einen Heilerfolg zu rech-
nen, der um so vollkommener sein’ wird, je früher der Eingriff vorgenommen wird.
2) Auch bei typischer Symptomatologie sind diagnostische Fehler möglich, indem
das Bild des extramedullären Tumors einmal durch Wirbelgeschwülste vorgespiegelt,
als auch ausnahmsweise durch einen lokalisierten meningitischen Prozeß oder durch
die intramedulläre Neubildung vorgetäuscht werden kann. Daß die Differential-
diagnose zwischen dem extramedullären Tumor einerseits, dem intramedullären und
den Wirbelgewächsen andererseits noch keine ganz sichere ist, wird besonders
durch die Kasuistik Nonne’s (Stertz) bewiesen. 3) Unter den Formen der
lokalisierten Meningitis, die das Krankheitsbild des extramedullären Tumors täu-
schend nachahmen können, verdient die von O. und Krause beschriebene Menin-
gitis serosa spinalis ein besonderes Interesse. Es muß aber hervorgehoben werden,
daß es sich um einen noch nicht genügend fundierten Begriff handelt, daß es noch
an abgeschlossenen Beobachtungen fehlt, die die Existenz und Pathogenese dieses
Leidens dartun und seine Beziehungen zur Symptomatologie in durchsichtiger Weise
erläutern. 4) Die Symptomatologie der extramedullären Rückenmarksgeschwülste
ist sehr häufig eine atypische. Eine große Anzahl der chirurgisch heilbaren
Neubildnngen würde also dieser Behandlung entzogen werden, wenn die Grenzen
der Indikationen nicht weiter gesteckt würden. Es muß somit die Berechtigung
der explorativen Laminektomie unbedingt anerkannt werden. Gewiß soll die nur
ausnahmsweise auf Grund sorgfältigster Erwägungen bei deutlicher Progredienz
des Leidens, in differentialdiagnostisch schwierigen Fällen, und zwar dann vorge-
nommen werden, wenn unter den verschiedenen Möglichkeiten die Annahme einer
extramedullären Geschwulst ein gewisses Maß von Wahrscheinlichkeit besitzt. Es
muß aber dann verlangt werden, daß bei unsicherer Allgemeindiagnose die Niveau-
diagnose eine möglichst bestimmte ist, damit der probatorische Eingriff ein mög-
lichst beschränkter bleibt und kein wesentliches Periculum vitae mit sich bringt.
5) Die explorative Laminektomie soll nicht an der Dura mater Halt machen.
6) Die Annahme eines sog. Pseudotumor des Rückenmarkes schwebt noch in der
Luft, desgleichen die der spontanen Rückbildung. 7) Es ist sehr wünschenswert,
daß von dieser Versammlung die Anregung zu einer Sammelforschung auf dem
Gebiete der Hirn- und Rückenmarkschirurgie ausgeht.
1256 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47.
f. A. Sa en ger (Hamburg): ÜberPalliativtrepanation beiinoperablen
Hirntumoren.
Trotz der großen Fortschritte in der Chirurgie und Neurologie ist doch noch
immer der weitaus größere Teil aller diagnostizierten Hirngeschwülste operativ
unzugänglich. Andererseits gibt es auch eine recht große Zahl von Hirntumoren,
die nach unseren gegenwärtigen Kenntnissen nicht lokalisiert werden können.
Wie sollen wir uns nun solchen Tumorkranken gegenüber verhalten?
Schon 1902 hat Vortr. diese Frage auf dem Chirurgenkongreß zu Berlin be-
handelt. Da ersterer gegenwärtig über eine größere Erfahrung verfügt, und da
die Ansichten über die Behandlung der inoperablen Tumorkranken noch nicht
übereinstimmen, so kommt S. auf diesen wichtigen Gegenstand zurück.
Vortr. teilte nun im einzelnen seine klinischen Erfahrungen mit, die andern-
orts veröffentlicht werden sollen.
Vortr. verfügt jetzt im ganzen über 19 Fälle, bei denen die Palliativtrepanation
des Schädels ausgeführt worden ist.
In zwei Fällen trat erst ein Erfolg ein, als die Trepanationsöffnung erweitert
worden war und mehr Liquor cerebrospinalis abfließen konnte.
In zwei anderen Fällen hatte die Trepanation keinen Erfolg. .
In einem dritten Falle (Basistumor) trat unmittelbar nach der Trepanation
Sopor ein, in dem der Exitus erfolgte.
In allen anderen Fällen war die wohltätige Wirkung der Trepanation evident:
Kopfschmerz, Erbrechen, Krämpfe und andere Symptome, die durch den erhöhten
Hirndruck hervorgerufen worden waren, wie die Stauungspapille, ließen nach und
verschwanden völlig in einem Teile der Fälle.
Harvey Cushing empfiehlt neuerdings, den Schädeldefekt in der Temporal-
und Occipitalgegend mittels Muskulatur zu decken. Diese Methode wurde von
Herrn Dr. Wiesinger bei der Trepanation über dem Kleinhirn seit vielen Jahren
im allgemeinen Krankenhause St. Georg mit Erfolg angewendet.
Als Zeitpunkt des operativen Eingreifens ist der Beginn der Herabsetzung des
Sehvermögens zu empfehlen. Trepaniert man später, so bleibt sehr leicht eine
Opticusatrophie zurück.
Was den Ort der Trepanation betrifft, so ist in erster Linie diejenige Stelle
der Hirnschale ins Auge zu fassen, unter welcher man den Tumor vermutet. Ist
eine Lokaldiagnose gar nicht zu stellen, so dürfte sich empfehlen, über dem rechten
Parietallappen zu trepanieren, da von dieser Gegend am wenigsten Ausfallssymptome
zu befürchten sind.
Die Trepanation über den Kleinhirnhemisphären ist nach den Erfahrungen des
Vortr. nicht so gefährlich, wie man früher angenommen hat. Man muß nur selır
vorsichtig zu Werke gehen und nach Freilegung der Dura erst eine Zeitlang warten ;
bevor man dieselbe eröffnet.
Die Lumbalpunktion und die Punktion der Seitenventrikel können sich in
bezug auf Wirksamkeit nicht mit der Trepanation des Schädels messen.
Vortr. resümiert auf Grund seiner erweiterten Erfahrungen seine Ansicht
dahin:
Die Palliativtrepanation des Schädels ist bei dem heutigen Stande der Chirurgie
in den Händen eines geübten Operateurs eine nahezu ungefährliche und ungemein
segensreiche Operation, die bei jedem inoperablen Hirntumor zu empfehlen ist, um
die Qualen des Pat. zu erleichtern, und um denselben vor der drohenden Erblin-
dung zu bewahren. (Selbstbericht.)
Diskussion.
Herr Saenger teilt mit, daß im Hamburger ärztlichen Verein ein Fall von
Hirntumor demonstriert worden ist, bei welchem mit Hilfe des Röntgenverfahrens
der Sitz des Tumors durch die Usur des darüber liegenden Schädelknochens fest-
gestellt worden war.
Was den von Herrn Oppenheim diagnostizierten und von Herrn Krause
operierten Tumor des Falles H. betrifft, welcher unmittelbar nach der Operation
starb, so hat S. diesen Fall vorher gesehen und in derselben Weise lokalisiert.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 1257
8. hatte aber nur Palliativtrepanation geraten; wahrscheinlich hätte dann der Knabe
länger gelebt, und seine in der Ferne weilende Mutter hätte ihn wiedergesehen.
Bei der Operation von Hirntumoren müssen alle Verhältnisse und Chancen ins
Auge gefaßt werden. Was die Tumoren der hinteren Zentralwindungen betrifft,
so stimmt S. den Ausführungen Oppenheim’s auf Grund seiner eigenen Erfah-
rungen durchaus bei. S. möchte auch warm für die explorative Laminektomie ein-
treten. In einem Falle traten die Symptome eines Rückenmarkstumors unter heftigen
Reizerscheinungen auf. Es wurde die explorative Laminektomie gemacht ohne
Eröffnung der Dura; es fand sich bei der Operation nichts Besonderes, nach der-
selben hörten die qualvollen Reizerscheinungen auf. Bei der nach einigen Jahren
erfolgten Autopsie ergab sich eine Meningitis post. syphilitica. Die früher ein-
geleitete energische antiluetische Behandlung hatte keinen Erfolg gehabt. In einem
zweiten Falle wurde bei der explorativen Laminektomie in der Höhe des ersten
und zweiten Lendenwirbels durch Sondierung nach unten ein Tumor der Cauda
equina gefunden und exstirpiert. Sehr interessant war dem Vortr. die Angabe
‚des Herrn Oppenheim über eine Meningitis serosa circumscripta, da er einen
analogen Fall beobachtet hatte, den er bisher nicht zu deuten vermochte.
Zum Schluß weist S. auf die gar nicht so seltenen Fälle von Hirntumoren hin,
die ohne Stauungspapille und ohne andere Hirndruckssymptome verlaufen und
regt an, über dieses Faktum eine Sammelforschung zu veranstalten, nachdem er noch
darauf hingewiesen hatte, das möglicherweise anatomische Veränderungen am
Foramen opticum die Ursache des Ausbleibens der Stauungspapille darstellen
könnten.
Steinthal (Stuttgart) stellt einen Pat. vor, den er am 16. Mai 1906 unter
-der Diagnose Hirngeschwulst trepaniert hat. Derselbe hatte Anfälle Jackson-
scher Epilepsie, im linken Arm beginnend und auf das linke Bein übergreifend,
mit linksseitiger Hemiplegie endend. Außer ganz geringem Kopfschmerz fehlten
zunächst Allgemeinsymptome, Stauungspapille, Erbrechen, Pulsverlangsamung; erst
am 19. Mai sank der Puls auf 48 und begann Somnolenz bei noch fehlender
‚Stauungspapille. Bei der Operation wurde ein großer Hautknochenlappen über der
rechten motorischen Region umschnitten und heruntergeklappt; in die Öffnung
legte sich die nicht pulsierende gespannte Dura, die mit Kreuzschnitt eröffnet wurde.
Es fand sich aber keine Geschwulst, auch keine subkortikale, nach der durch
Einschnitt in das Gehirn geforscht wurde. Sekundäre Exstirpation des Knochen-
lappens, Tamponade der Gehirninzision, Herüberlegen der Dura, Schluß der Haut-
wunde. Pat. ist soweit geheilt, als noch eine leichte linksseitige Facialisparalyse,
eine linksseitige zerebrale spastische Hemiplegie des linken Armes und eine leichte
Steigerung der Reflexe im linken Beine vorhanden sind; Sensibilitätsstörungen
fehlen. Das Gehirn liegt deutlich pulsierend im normalen Niveau in der Knochen-
lücke.
11) J. Novotny. Ein seltener Fall von Mißbildung des Penis.
(Časopis lékařů českých 1906. p. 603.)
In der oberen Hälfte der sonst normalen Glans saß ein geschwulstähnliches
Gebilde, das ein Viertel der Eicheloberfliche einnahm, mit ihr fest verwachsen
und unbeweglich war. Über die Höhe des Gebildes verlief eine mediane Furche,
‘die sich bis zu 7 mm vertiefte, mit blaßrötlicher Schleimhaut ausgekleidet und einer
Harnröhrenmündung ähnlich war. Das makroskopische Aussehen und die Kon-
sistenz entsprachen einer wirklichen Eichel (Glans penis duplex). Die Vorhaut.
‘war beiden Eicheln gemeinschaftlich. Zwischen dem Orificium cutaneum urethrae
verae und dem Frenulum befand sich eine 1/, cm betragende Vertiefung, die eben-
falls einer Harnröhrenmündung nicht unähnlich war (Atresia urethralis hypospad.).
Beim Beischlafe hatte der Mann nicht die geringsten Beschwerden. (Zwei Pheto-
graphien.) 6 Mühlstein (Prag).
1258 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47.
12) Hock. Bericht über einige bemerkenswerte urologische Opera-
tionen.
(Prager med. Wochenschrift 1905. Nr. 47 u. 48.)
Die Arbeit enthält u. a. einen interessanten Fall weiblicher Epispadie. Das
Leiden bestand bei dem 9jährigen Mädchen seit der Geburt und machte wegen
andauernden unwillkürlichen Harnabflusses den Schulbesuch unmöglich. Auf der
Mitte des Schambeines verlief eine muldenförmige Furche vom Mons veneris gegen
die Spitze der Schamspalte herab, trennte die vorderen Enden der Labien und
halbierte die Klitoris. Die vordere Wand der Harnröhre fehlte bis auf ein 1/2 cm
langes Stück; die Symphyse war normal. Es wurde zunächst die Haut in Form
eines gleichseitigen Dreiecks angefrischt, dessen Spitze in der Mitte der mulden-
förmigen Furche lag, und dessen beide Seiten zur Innenfläche der Klitorishälften
verliefen. Von hier ging die Anfrischungslinie nach dem hinteren seitlichen Rande
der Harnröhrenöffnung. Die Haut dieses Dreiecks wurde abpräpariert und in fol-
gender Weise genäht: Behufs Bildung einer verlängerten Harnröhre wurde seitlich
von der Harnröhrenöffnung von unten her in den Wundrand eingestochen und
nahe demselben in der Anfrischungsfläche wieder ausgestochen. Darauf wurde
dieselbe Nadel auf der anderen Seite der Harnröhre von der Anfrischungsfläche
her in der Nähe des Wundrandes eingeführt, um hinter demselben wieder aus-
gestochen zu werden. Vier derartig nacheinander gelegte Nähte bildeten ein un-
gefähr 11/2 cm langes Stück Harnröhre zu dem bereits vorhandenen. Während
dieser Naht lag in der Harnröhre ein Metallkatheter. In einer zweiten Sitzung
wurden die beiden Klitorishälften miteinander vereinigt, und der Rest der mulden-
förmigen Furche durch Anfrischung und Naht zum Verschwinden gebracht. Nach
der Operation benäßte sich das Kind zwar noch manches Mal, konnte aber die
Schule besuchen. Gutzeit (Neidenburg).
13) R. Stierlin. Erfahrungen mit der Bottini’schen Operation bei
Prostatahypertrophie.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLIX. p. 136.)
Verf. hat nach den Vorschriften Freudenberg’s in 12 Fällen von Prostata.
hypertrophie die Bottini’sche Operation ausgeführt mit dem Immediatresultate,
daß neun Pat. nach der Operation spontan urinierten und keinen Katheter mehr
brauchten, bei zwei Pat. wegen Mißerfolges einmal die Bottini’sche Operation
erfolgreich wiederholt und einmal die Freyer’sche Enukleation nachgeschickt
werden mußte und ein Pat. an Nephritis und Pyelitis starb.
Die entfernteren, 1!/g Monate bis 3 Jahre nach der Operation gewonnenen
Untersuchungsresultate sind folgende:
Sechs Pat. haben nie mehr den Katheter gebraucht, keine Miktionsbeschwerden
und Residualharn unter 300 ccm. — Ein Pat. hat ohne Katheter volles Wohl-
befinden, aber ein relativ großes Harnresiduum. — Fünf Pat. hatten mitunter Mik-
tionsbeschwerden und müssen, besonders bei Nacht, zum Katheter greifen, empfin-
den aber immerhin subjektive Besserung.
Von Komplikationen wurde einmal Verbiegung des Inzisors, dreimal Epidy-
dimitis, nie aber schwerere Blutungen und septische Erscheinungen beobachtet.
Diese Resultate halten den Vergleich mit denen der Pröstatektomie wohl aus;
die Operation ist einfacher und weniger eingreifend, vermeidet Inkontinenz und
erfordert keine Narkose. Eine Gegenindikation bilden Pyelitis und Pyelonephritis.
Die Bottini’sche Operation wird daher ihren Platz neben der Prostatektomie
besonders alter Leute wohl behaupten können, um so mehr, als ein Mißerfolg
unter Umständen durch Wiederholung in einen Erfolg verwandelt werden kann.
Reich (Tübingen).
14) König II (Wildungen). Zur Behandlung der Prostatahypertrophie.
(Münchener med. Wochenschrift 1906. Nr. 23.)
R. befürwortet erneut die Bottini’sche Operation bei vorgeschrittenen Stadien
der Prostatahypertrophie. Unter 203 Fällen, in denen er dieselbe ausgeführt hat,
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 1259
hatte er nur einen Mißerfolg und einen Todesfall. Die Resultate waren: 1) Bei
51 Fällen chronischer absoluter Harnverhaltung: 47mal Heilung, Imal Besserung,
Imal kein Erfolg, Iimal Mißerfolg, 1 Todesfall. 2) Bei 132 Fällen chronischer re-
lativer Harnverhaltung (akute und intermittierende Harnverhaltung, Tenesmus,
schwieriger Katheterismus): 83mal Heilung (dauernde Befreiung vom Katheter und
allen lästigen Symptomen), 46mal Besserung, 3mal kein Erfolg. 3) Bei 20 Fällen
geringgradiger Prostatahypertrophie: keine Heilung, 9mal Besserung, 1lmal kein
Erfolg. — Rezidive hat K. niemals erlebt. Er operiert am aufrecht stehenden
Pat., füllt die gereinigte Blase mit Luft, führt den Apparat ein, hakt ihn an, läßt,
unter Fixation des Diszisors vom After her, die Luft wieder ab, diszidiert bis der
darauf aufmerksam gemachte Pat. Urinbedürfnis angibt, schiebt das Platinmesser
dann bei 50 Ampere in den weiblichen Schnabel zurück, spritzt wieder Luft ein,
diszidiert usw., spült dann die Blase aus, instilliert 10 ccm einer 1%igen Argent.
nitr.-Lösung und läßt den Pat. ruhen; bei starker Kongestion wird ein Verweil-
katheter eingelegt. Üble Zufälle hat K. nie beobachtet; Narkose oder Anästhesie
wendet er nicht an; er benutzt stets den Original-Bottinibrenner.
Kramer (Glogau).
15) De Keersmaecker. Deux cas de calcul de l’ur&thre prostatique.
(Ann. et bull. de la soc. de méd. d’Anvers 1906. Mai.)
Fall I. Ein 69 Jahre alter Mann litt seit 15—20 Jahren zeitweise an Urin-
beschwerden; er war schon viel katheterisiert worden und bekam eine Phlegmone
der Genitalgegend, so daß K. zur abdominalen Eröffnung der Blase schritt. In
die Blase ragte eine Geschwulst hinein, auf der sich die innere Harnröhrenöffnung
befand. K. ging dort mit dem Finger ein und kam in einen Haufen teils zer-
fallener Steine, deren er eine Menge im Gesamtgewichte von 19 g herausholte.
Kin Steinfragment hatte sich in die Harnröhrenwand eingekeilt und die Phlegmone
gemacht. Heilung.
Fall II. Bei einem Manne von 27 Jahren, dem man schon Jahre vorher den
inneren Harnröhrenschnitt gemacht hatte, ohne wesentlich gebessert zu werden,
diagnostizierte man 1905 mittels des Metallkatheters Steine, konnte jedoch keinen
Steinsucher bis in die Blase vorschieben. Somit schritt man zur abdominalen Er-
öffnung der Blase und entfernte Steinfragmente. Da der Urin nicht seinen Weg
durch die Harnröhre nahm, ging K. in deren innere Öffnung ein und entfernte
drei Steine, wonach Besserung und, nach einem leichten Anfall von Urämie, Hei-
lung eintrat. E. Fischer (Straßburg i. E.).
16) Gutbrod. Die Cystoskopie beim Weibe.
(Med. Korrespondenzbl. d. württemb. ärztl. Landesvereins 1906. September 1.)
G. zeigt, daß bei der Cystoskopie des Weibes außer exakten Diagnosen auch
therapeutische Erfolge sich erzielen lassen, und führt drei prägnante Fälle an:
1) Parametritisches Exsudat nach infiziertem Abort, einige Tage später schmerz-
hafte Geschwulst der rechten Nierengegend. Durch Harnleiterkatheterismus wurde
die Hydronephrose der Niere beseitigt, die durch Verschluß des Harnleiters in-
folge Druckes des Exsudates hervorgerufen war. 2) Entleerung einer Hydro-
nephrose bei Wanderniere (entstanden durch Knickung des Harnleiters), Katheteris-
mus. 3) Ausspülung des Nierenbeckens bei einer Pyelonephritis.
Mohr (Bielefeld).
17) A. Lüning. Beitrag zur Nieren- und Ureterchirurgie.
(Beiträge zur klin Chirurgie Bd. XLIX. p. 95.)
Die Krankengeschichte des in der Literatur wohl einzigartigen Falles ist fol-
ende:
- Bei einer zuvor gesunden Frau entstanden durch eine gewaltsame Zangen-
extraktion bei Stirnlage ein Dammriß III. Grades, mehrere Blasen-Scheidenfisteln
und eine hohe Durchreißung des rechten Harnleiters, woran sich eine puerperale
Sepsis, parametrane Urininfiltration und Gangrän der äußeren Geschlechtsteile an-
1260 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47.
schloß. Nachdem eine Dammnaht erfolglos versucht und die vaginale Harnleiter-
fistel bereits geschlossen war, kam Pat. mit einer großen Blasenfistel ins Kranken-
haus. Diese operativ zu schließen mißlang zunächst. Nachdem sich eine rechts-
seitige Pyelonephritis mit urämischen Symptomen eingestellt hatte, wurde durch
Nephrotomie der Eiter und ein Steinausguß im Nierenbecken entfernt. Nach An-
legung einer Nephrostomie erwies die Bougierung das Bestehen eines Harnleiter-
verschlusses infolge Narbe nach Ruptur. Eine linksseitig auftretende Pyelonephritis
ohne Konkremente machte auch dort die Nephrostomie notwendig. Da die rechte
Niere mit undurchgängigem Harnleiter die bessere Funktion aufwies als die linke,
konnte an Nephrektomie nicht gedacht werden. Vielmehr wurde die Uretero-
Vesico-Neostomie vorgenommen von einem medianen Laparotomieschnitt aus.
Von den Einzelheiten der Technik sei nur erwähnt, daß das renale isolierte
Harnleiterende von der Blase aus mit einer Zange gefaßt und unter ziemlicher
Spannung in diese hineingezogen wurde. Es folgte Fixation des Harnleiterendes
durch Schlingennaht an der stark geschrumpften und fixierten Blasenwand und
Bildung einer trichterförmigen Scheide aus der Blasenwand um den Harnleiter.
Die Neostomie funktioniert gut.
In der Folge wird die Blasen-Scheidenfistel plastisch geschlossen und der kom-
plette Dammriß erfolgreich genäht. Nach wiederholtem Aufbruch schlossen sich
die Nierenfisteln definitiv. Pat. konnte nach 14monatiger Krankenhausbehandlung
mit Kontinenz von Blase und Mastdarm und allerdings noch nicht ganz ausgeheilter
Pyelitis entlassen werden und erholte sich rasch zu voller Arbeitsfähigkeit.
Reich (Tübingen).
18) H. Brun. Beitrag zur Chirurgie der subkutanen Nierenzerrei-
Bungen.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLIX. p. 266.)
Ein junger Mann fiel auf dem Gange zum Pissoir 1 m hoch eine Treppe her-
unter, wobei er mit der Lendengegend gegen ein vorstehendes Balkenende schlug,
aber auf die Füße zu stehen kam. Bei auffallend geringer Verletzungsempfindung
entleerte Pat. sofort blutigen Urin und konnte kurze Zeit weiterarbeiten, um dann
zu Hause nach 7 Stunden zu kollabieren. Die Untersuchung stellte ein großes,
von der Nierengegend bis zur Blase reichendes Hämatom fest und rechtfertigte
den Verdacht auf eine gleichzeitig bestehende Blasenverletzung. Bemerkenswert
war, daß die Nierengegend selbst nicht druckempfindlich und ohne Suggillation
und Schwellung war.
Infolge des bedrohlichen Zustandes wurde 12 Stunden nach der Verletzung
unter dem Verdacht eines Blasenrisses laparotomiert, wobei sich außer einem großen
retroperitonealen Hämatom nur wenig freies Blut in der Bauchhöhle ohne sicht-
baren Serosariß, aber keine Blasenverletzung fand. Nach Schluß der Bauchhöhle
wurde von einem ausgiebigen Flankenschnitt aus das Hämatom ausgeräumt und
der quere, halbierende Nierenriß nach Ligatur einiger Gefäße durch Catgutnähte
vollkommen vereinigt. Mikulicztamponade. Am 3. Tage setzte eine kräftige Urin-
sekretion ein; nach 6 Wochen stieß sich ein Nierensequester aus, und 2 Monate
nach der Verletzung war die kurze Zeit vorhandene Nierenfistel geschlossen und
der Urin zur Norm zurückgekehrt.
Durch Einknickung der 12. Rippe entstehen Querrisse der Nieren von typischer
Form, die stets dem Faserverlauf der Nierensubstanz folgen.
Ist ein Nierenteil nicht offensichtlich von jeder Zirkulation ausgeschaltet, so
rät Verf., die spritzenden Gefäße zu unterbinden, den Riß der Niere und auch des
Nierenbeckens zu nähen und ruhig eine Nekrose zu riskieren. Dem peritonealen
Vorgehen ist der lumbale, retroperitoneale Weg entschieden vorzuziehen.
l Reich (Tübingen).
19) Richelot. Cancer du rein.
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXII. p. 255.)
R. fand bei einer 68jährigen Frau eine doppeltfaustgroße, sehr schmerzhafte
Geschwulst der Lendengegend, die gut abgrenzhar, von glatter Oberfläche und gut
4
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 1261
beweglich war. Trotz des sehr guten Allgemeinzustandes der Pat. stellte R. wegen
mehrfach beobachteter Hämaturie die Diagnose auf eine bösartige Geschwulst der
Niere und nahm ihre Exstirpation vor, die technisch keinerlei Schwierigkeiten bot.
Anschließend wird eine genaue anatomische und histologische Beschreibung
der Geschwulst gegeben, die ein Epitheliom des Nierenbeckens darstellte und sich
in das Becken hinein bis zum Harnleiter hin entwickelt, allerdings auch das Nieren-
gewebe in großer Ausdehnung verdrängt und zum Schwiinde gebracht hatte; auf
Grund genauer histologischer Untersuchung wird der Beweis geführt, daß die Ent-
stehung der vorliegenden Geschwulst nicht auf einen versprengten Nebennieren-
keim zurückzuführen ist. Thümer (Chemnitz).
20) Henschen. Über Struma suprarenalis cystica haemorrhagica.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLIX. p. 217.)
Bei einer 4ljährigen Frau wurde zufällig eine über mannskopfgroße, prall
fluktuierende Geschwulst im linken Hypogastrium gefunden. Dieselbe hatte sich
langsam im Verlaufe von ca. 20 Jahren entwickelt, verursachte leichtes Magen-
drücken, wiederholte schmerzhafte Krisen und, seitdem sie zu einer hochgradigen
Lungenkompression und Herzverdrängung geführt hatte, leichte Atem- und Her»
beschwerden. Die Diagnose wurde daher auf eine cystische, subdiaphragmatisch
sich entwickelnde Geschwulst unsicherer Organherkunft gestellt.
Die Operation zeigte, daß die Cyste mit schokoladeartiger Flüssigkeit hinter
dem Magen retroperitoneal gelegen war und, das Pankreas nach vorn und unten ver-
drängend, der linken Nebenniere angehörte. Die Auslösung war infolge Blutung
aus der V. mesaraica inf. und breiter Verwachsungen mit dem Zwerchfell sehr
schwierig, gelang aber vollkommen. Fixation des hinteren Peritonealblattes in der
Bauchwunde, Mikulicztampon, Bauchdeckennaht. 5 Tage später Tod unter zuneh-
mender Atemnot und Herzlähmung. Die Sektion erwies außerdem hochgradige
Herz- und Gefäßerkrankung und einen linksseitigen Pneumothorax. Die ausführ-
lich beschriebene histologische Untersuchung des Präparates bestätigte die Diagnose
einer suprarenalen Blutcyste.
Hieran schließt Verf. eine gut orientierende, kritische Besprechung der sehr
spärlichen publizierten Fälle von cystischen oder cystoiden Nebennierengeschwülsten,
welche sich in folgendes Schema einreihen lassen:
1) Fremdkörpercysten.
2) Echte Cysten, endotheliale und epitheliale.
3) Falsche Cysten: tuberkulöse Pseudocysten, Erweichungscysten und Blut-
cysten, von welch letzteren im ganzen nur sieben bekannt sind.
Für die schwierige Diagnose der Nebennierencysten fällt die Bronzefärbung
der Haut weg, weil sie fast regelmäßig fehlt, sei es infolge kompensatorischer
Hypertrophie der anderen Nebenniere, sei es, weil die außerhalb der Nebenniere
gelegenen Teile des chromaffinen Zellsystems nicht alteriert sind. Die meist in
die Tiefe des Hypogastriums verlegten Schmerzkrisen sind nicht pathognomonisch.
Wichtigere Anhaltspunkte ergeben sich aus dem Sitze der Cysten, insofern die
Nebennierencysten infolge ihrer festen Insertion an der hinteren Bauchwand
souverän alle in Betracht kommenden Organe verdrängen, sich nahezu typisch
nach dem Zwerchfell zu entwickeln und stets unbeweglich sind im Gegensatz zu
den meisten Pankresscysten. Ihre Insertion ist gegenüber den Nieren- und Milz-
cysten mehr medial gelegen. Nierengeschwülste lassen sich meist durch Urinunter-
suchung und Harnleiterkatheterismus ausschließen. Die Vorliebe des weiblichen
Geschlechtes erklärt sich vielleicht aus den periodischen Hyperämien der Genital-
organe.
Bei der Seltenheit der cystischen Nebennierengeschwülste sind bisher nur wenig
operierte Fälle bekannt. Solitäre Nebennierentuberkulosen wurden bisher viermal
mit Erfolg operiert und große hämorrhagische Kystome oder Kystoide nur vier-
mal in Angriff genommen, dreimal mit tödlichem Ausgange.
In operativ-technischer Hinsicht wird sich der Lendenschnitt nur für sicher
1262 | Zentralblatt fir Chirurgie. Nr. 47.
diagnostizierte Fälle eignen, im übrigen irgendeine Modifikation des Laparotomie-
schnittes anzuwenden sein.
Die bloße Punktion der Cysten hat nur noch historische Bedeutung. Ob die
weniger eingreifende Einnihung der Cysten oder die radikale Exstirpation anzu-
wenden ist, muß erst eine größere Statistik entscheiden.
Es ist kaum zu zweifeln, daß die Nebennierenchirurgie eine Raritätenchirurgie
bleibt und einen gewissen Heroismus von Pat. und Arzt erfordert. Doch glaubt
Verf., daß mit fortschreitender Diagnostik die Aussichten sich bessern und bei der
sonst üblen Prognose des Leidens ein Eingriff in geeigneten Fällen sich würde
rechtfertigen lassen. Reich (Tübingen).
21) Schénholzer. Uber Kryptorchismus.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLIX. p. 321.)
In der Krönlein’schen Klinik wurde im Verlaufe von 20 Jahren 17mal rechts-
seitig, 20mal linksseitig, d4mal doppelseitig Kryptorchismus beobachtet.
Während einerseits bei manchen Fällen die doppelseitige Retention sich noch
spät in eine einseitige verwandelte, wurde auch ein Fall von traumatischem Krypt-
orchismus gesehen, insofern ein herabgestiegener Hode bei offenem Proc. vagi-
nalis durch Fall auf die Symphysengegend dauernd in die Bauchhöhle verlagert
wurde. Von den 42 Pat. wiesen 39 zugleich angeborene Leistenbrüche auf, von
denen 5 im Zustande der Einklemmung zur Beobachtung kamen, einer eine Hydro-
cele bilocularis. Unter den 39 Hernien sind 4 inguino-properitoneale, je 1 inguino-
interparietale und inguino-interstitiale besonders beachtenswert als Komplikationen
des Krytorchismus. 38/, der retinierten Hoden zeigten eine beträchtliche, weiche
Atrophie; dabei war auffallend, daß die 3 Bauchhoden sich nahezu normal ent-
wickelt hatten.
Der Nebenhoden war durchweg unverhältnismäßig groß, vom Haupthoden ab-
— und durch ein ausgesprochenes Mesorchium locker mit ihm verbunden.
fters wurde eine schwache Entwicklung des Ductus deferens und der Blutgefäße
festgestellt und eine hochgradige, bandförmige Auffaserung und abnorm breite In-
sertion des Samenstranges verzeichnet.
Samenstrangtorsionen, deren Zustandekommen durch das Bestehen eines
Mesorchiums, den freien Raum im offenen Scheidenfortsatze, die breite Insertion
des Samenstranges und die häufig vorhandene Inversion des Hodens ermöglicht
wird, wurden in zwei Fällen beobachtet. Bei dem einen konnte der Hoden nach
Verlagerung in die Bauchhöhle erhalten werden, während sich bei dem zweiten,
bereits abgelaufenen Fall als Folgen der früheren Torsion eine Periorchitis haemor-
rhagica und ein sich später sequestrierender Infarkt des Hodens vorfand.
Verf. ist der Ansicht, daß viele der als Inkarzeration ektopischer Hoden be-
schriebenen Fälle auf nicht erkannter Torsion beruhen. Nur frühzeitigste Opera-
tion kann bei Samenstrangtorsion den Hoden sicher vor Nekrose, weniger sicher vor
Atrophie bewahren.
In der Frage der Therapie des Kryptorchismus steht Verf. der Orchidopexie
sehr skeptisch gegenüber, da sie selbst günstigen Falles doch die Atrophie und
funktionelle Minderwertigkeit der Drüse nicht hindert, sehr häufig aber zu Total-
nekrose des Organes und anderen schweren Komplikationen führt. Die dauernden
Neuerungen scheinen die schlechten Resultate der bisherigen Methode hinreichend
zu beweisen. Drei Orchidopexien der Züricher Klinik schlugen alle fehl: 2mal
mußte nachträglich wegen schwerer Neuralgie kastriert werden, der dritte Fall
rezidivierte.
Läßt sich der Samenstrang nicht leicht mobilisieren und der Hoden sich in
den Hodensack bringen, so verzichtet Krönlein prinzipiell auf die Orchidopexie,
verlagert den Hoden in das properitoneale Bindegewebe und verschließt den Leisten-
kanal. Damit werden die Nachteile der Kastration und auch eine Schädigung im
Sinne der Atrophie vermieden. Von 17 derart operierten Fällen ließ sich bei 13
durch Nachuntersuchung feststellen, daß sämtliche Pat. auch bei schwerster Arbeit
vollkommen frei von Beschwerden und ohne Ausfallserscheinungen waren.
Reich (Tübingen).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47. 1263
22) U. Basso. Contributo alla istologia del testicolo nei casi di discesa
incompleta del medesimo.
(Gazz. degli ospedali e delle clin. 1906. Nr. 102.)
Verf. untersuchte sechs im Leistenkanale zuriickgebliebene Hoden bei erwach-
senen, gesunden Menschen. In sämtlichen Fällen bestanden gleichzeitig Hernien.
Die Hoden waren stets verkleinert, und wegen der Kürze des Samenstranges war
es nicht möglich, die Orchidopexie auszuführen. In den Samenkanälchen fanden
sich nur einmal Spermatozoen. Die samenbildenden Epithelien fehlten in vier
unter den sechs Fällen; dort persistierten die Sertoli’schen Zellen. In den zwei
übrigen Fällen verhielten sich die Samenkanälchen völlig normal. Im Bindegewebe
fanden sich keine wesentlichen Veränderungen. Dreyer (Köln).
23) R. Oeri (Basel. Über Epithelmetaplasie am Uterus, besonders
an Polypen.
(Zeitschrift für Geburtshilfe u. Gynäkologie Bd. LVIL Hft. 3.)
Die vorzüglich illustrierte Arbeit O.’s gibt einen sehr instruktiven Einblick in
die Schwierigkeit der Karzinomdiagnose bei der Untersuchung ausgeschabten
Schleimhautmateriales und uteriner Polypen. Die Entscheidung, ob metaplasie-
ähnliche, durch Kompression verursachte Verschiebungen und Formveränderungen
der Epithelien (einfache Druckwirkung) oder echte Metaplasie, d. i. Umdifferen-
zierung der Zellart, oder Alloplasie, d. i. Entdifferenzierung der Zellen zu ein-
facheren Gebilden, vorliegt, ist oft schwer genug. In der Körperschleimhaut des
Uterus und in den Polypen des Organes findet sich sowohl an der Oberfläche wie
in den tiefen Drüsengebilden häufig echte Metaplasie (aber doch nur in patho-
logischen Fällen. Auch bei evidenten Karzinomen gibt es einfache Plattenepithel-
karzinome und Adenokarzinome mit Metaplasie, wobei Plattenepithelformationen
mit und ohne Verhornung sich finden. Die vom Müller'schen Faden gebildeten
Epithelien sind eben leicht geneigt, variable Epithelformen zu bilden, sich gewisser-
maßen zum ebryonalen Oharakter zu entdifferenzieren.
Als Beleg wird ein Fall illustriert, in dem ein Rezidivknoten nach Carcinoma
uteri drüsige Formationen in inniger Vermengung mit Plattenepithelinseln geliefert
hatte. — Sodann folgt die genaue Beschreibung eines Cervixpolypen, der an meh-
reren getrennten Stellen zweifellos verdächtige Metaplasievorgänge an dem Ober-
flächenepithel und an den Drüsen aufweist. Interessant ist vor allem die Meta-
plasie der subepithelialen Schicht. Tuberkulose ist als ätiologischer Faktor auszu-
schließen. O. und sein Chef Kaufmann glauben an die Gutartigkeit des
beobachteten Prozesses, weil 1) atypisches Wachstum, 2) Einbruch in Gefäße und
Drüsen, 3) atypische Mitosen, 4) endlich kleinzellige Randinfiltration fehlen. —
Verf. bespricht sodann die in der Literatur niedergelegten ähnlichen Fälle, dar-
unter zwei vom Ref. beschriebene. Nach Ansicht des Ref. wird der Kliniker doch
in zweifelhaften Fällen den Uterus exstirpieren müssen, nachdem Hofmeier be-
richtet hat, daß ein Fall mit Plattenepithelbefund an der Korpusschleimhautoberfläche
ohne Zeichen von Bösartigkeit nach Jahresfrist mit inoperablem Karzinom wieder-
kehrte. Jedenfalls sind alle solche Befunde doch pathologisch!
Kroemer (Gießen).
24) V. Doca (Berlin). Ein Fall von diffusem Myom mit beginnendem
Karzinom in der byperplastischen Uterusschleimhaut.
(Zeitschrift für Geburtshilfe u. Gynäkologie Bd. LVOLL Hft. 1.)
D. berichtet in vorliegendem Aufsatz über einen Fall von diffuser Myom-
bildung in einem Uterus, welcher unter der Diagnose »Myom« bei einer 45jahrigen
Multipara supravaginal amputiert worden war. Statt der erwarteten Myome fand
sich eine konzentrische Hypertrophie der ganzen Wand, die auf dem Durchschnitt
ein eigentümlich marmoriertes Aussehen zeigte. Das Mikroskop bewies, daß es
sich um eine diffuse Myombildung des Myometriums handelte. Die Myombestand-
teile, die keinerlei Beziehung zu den Gefäßen aufwiesen, müssen aus den Muskel-
1264 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 47.
elementen der Uteruswand entstanden sein. Das Endometrium war stark gewuchert,.
an einigen Stellen bis zu 2cm dick und befand sich im Zustande der diffusen ex-
sudativen Endometritis. Nur an einer Stelle im Innern einer polypös gewucherten
Partie fand sich ein als Adenokarzinomderivat gedeuteter, mikroskopisch kleiner
Herd. — Die Zellwucherungen bildeten unter Durchbrechung der Propria solide
Karzinomsäulen und -Nester. — Der Fall beweist wiederum die Notwendigkeit,
schon während der Operation jeden Myomuterus auf die Möglichkeit einer Kar-
zinom- bzw. Sarkomkombination untersuchen zu lassen. Kroemer (Gießen).
25) Brunet. Ergebnisse der abdominalen Radikaloperation des Gebär-
mutterkrebses.
(Archiv für Gynäkologie Bd. LXX VII. Hit. 3.)
B. stellt die Resultate der pathologisch-anatomischen Untersuchungen zusammen,
die an dem durch abdominale Radikaloperation von Wertheim, Krönig, v. Rost-
horn, Mackenrodt gewonnenen Krebsmaterial der Gebärmutter angestellt wor-
den sind. — Von den insgesamt 253 (nicht 251!) Fällen von vier Autoren sind
180 genau auf Drüsenbeteiligung untersucht und 174 auf sekundäres Befallensein
der Parametrien. Dabei ergaben sich 61mal isolierte Metastasen im Parametrium.
174: 61 = 35%. Von 180 Fällen mit Drüsenausräumung erwiesen sich 8imal die-
Driisen karzinomatés = 180 : 81 = 45%. Verf. zeigt, wie mit dem Fortschreiten
des Primärherdes auch die Prozentzahl der sekundären Metastasen wächst; ebenso
das Übergreifen des Karzinoms auf die Blase, den Mastdarm, den Harnleiter (selten!
nur Imal!) und die Scheide. — Die altbekannte retrograde KarzinomstraBe im sub-
vaginalen Gewebe hat er neu entdeckt. — Die Durchschnittsmortalität aller Fälle
beträgt 19%. Die Mortalität Mackenrodt's betrug im Jahre 101 12:3 = 25%,
im Jahre 1902 23:4 = 17,4%; die Rezidivfreiheit der Überlebenden nach 3 Jahren
50%. — B. glaubt, daß die Ausräumung karzinomatöser Drüsen Erfolg verspreche.
Kroemer (Gießen).
26) Tuffer. Kyste de l’ovaire contenant 94 litres de liquide.
(Bull. et mém. de la soc. de chir. de Paris T. XXXII. p. 324.)
Kasuistische Mitteilung eines monströsen Eierstockskystoms bei einer 70jährigen
Frau, das mehrere Tage nach vorsichtiger Punktion und Entleerung der Flüssig-
keit, als der Allgemeinzustand sich etwas gebessert hatte, trotz ausgedehnter und.
fester Verwachsungen radikal entfernt werden konnte. Thümer (Chemnitz).
27) A. Falkner (Wien). Seltenere Formen der Ovarialdermoide.
(Zeitschrift für Geburtshilfe u. Gynäkologie Bd. LVII. Hit. 2.)
F. berichtet über zwei seltene Formen der Eierstocksdermoide.
Die eine Geschwulst bestand aus einer doppeltmannskopfgroßen Cyste, derer
Innenwand zum größten Teile mit einer diffusen, ganglienzellenhaltigen Schicht
ausgekleidet war. Die Ektodermanlage saß auf einer 1 cm breiten, zirkulär ver-
laufenden Leiste in Gestalt einer großen Anzahl (über 30) knotiger Bildungen,
deren Umfang zwischen Stecknadelkopf- und Walnußgröße wechselte. Einige
wiesen Haarbesatz auf, nur wenige besaßen kompliziertere Strukturverhältnisse.
Der zweite Fall betrifft einen an den bekannten Emanuel’schen Befund
erinnernden zentralen Dermoidherd; in einem kleincystisch degenerierten Eier-
stocke fand sich eine etwas über erbsengroße, mit Haaren und Brei gefüllte Der-
moidceyste. Die Serienuntersuchung konnte außer den Ektodermderivaten nichts
von Mesoderm- oder Entodermbestandteilen nachweisen. Es handelt sich somit
um ein einblätteriges Dermoid. Kroemer (Gießen).
EA S E
Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags-
handlung Breitkopf & Härtel, einsenden.
Druck und Verlag von Breitkopf & Hartel in Leipsig Nürnbergerstraße 36/38.
Zentralblatt
CHIRURGIE
RE leben
E. von Bergmann, i Kinig, F. ‚Richter,
in Berlin,
Dreiunddreißigster Jahrgang.
ee eee ee ee ce a aa ae a E
Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei balbjähriger
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.
TR ee TEE SEE BEE ZI I EEE ERS BEE Eu ES EEE
Nr. 48. Sonnabend, den 1. Dezember. 1906.
Inhalt: 8. Kofmann, Zor Technik der Sebnenplastik beim schlaff paralytischen Spitz-
fuß. (Original-Mitteilung.)
1) Da Costa, Larrey. — 2) Kikuzl, Traumatische Aneurysmen bei Schußverletzungen.
— 3) Hedinger, Aneurysma spurium. — 4) Latkowski, Blutinfusionen. — 5) Dorrance, Ar-
teriennaht. — 6) Morton, Zur Entdeckung der Anästhesie in der Chirurgie. — 7) Hammes,
Lehrbuch der Narkose. — 8) Martinez, Chloroformierung Herzkranker. — 9) Müller, Rücken-
marksanästhesie. — 10) Hofla und Rauenbusch, Röntgenatlas. — 11) Arnsperger, Ikterus. —
12) Elsberg, Leberabsze8. — 13) Mongeur, Gallenstein. — 14) Rogers, Zur Chirurgie der
Gallenblase und -Wege. — 15) Payr und Martina, 16) Pölya, Fettgewebsnekrose.
E. Schuitze, Eine neue Beckenstütze. (Original-Mitteilung.)
17) Naturforscherversammlung: a. v. Hovorka, Ausfüllung hohler Räume. — b. Gluck,
Obirurgie der Halsorgane. — c. Pochhammer, Enteroanastomose und Darmresektion. —
d. Haasler, Cholecystektomie und Hepatopexie. — e. Lichtenstern, Funktionsstörungen der
nach Nephrektomie restierenden Niere. — f. Samter, Serratuslihmung. — g. Hirsch, Frak-
turen von Handwurzelknochen. — b. Bade, Angeborene Hüftverrenkung. — i. Lorenz, Malum
coxae senile. — k. Guradze, Genu valgum. — ]. v. Aberie, Klumpfuß.
18) Lynch, Kriegabericht. — 19) Libman, Bakterien in infiziertem Blut. — 20) Lancereaux,
Aneurysmen. — 21) Teufel, Nierenerkrankung nach Injektion von Jodoformemulsion. —
22) Teufei, Nephritis nach Chloroformnarkosen. — 23) Cobb, Netzsarkom. — 24) Kirch-
mayr, Milzabszeß.
Ladenburger, Berichtigung.
(Aus der Poliklinik für orthopädische Chirurgie in Odessa.)
Zur Technik der Sehnenplastik beim schlaff paralytischen
Spitzfuls,
Von
Dr. S. Kofmann.
Der Ausspruch, daB heutzutage jede Paralyse heilbar ist, recht-
fertigt sich, wenigstens in bezug auf die statische Funktion, am FuB
48
1266 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48.
im fast vollen Sinne. Der Weg, den wir dazu einzuschlagen gewöhnt
sind, ist ziemlich geebnet; wenn wir von der im allgemeinen sehr
unliebsamen und dem wirklich orthopädisch denkenden Arzte wenig
zusprechenden Fußgelenkarthrodese absehen, so ist es nur die Sehnen-
plastik, die uns aus der Not zu helfen imstande ist. Lange und
Vulpius haben uns, wenn auch verschiedene, so doch gleich gut zum
Ziele führende Operationsweisen angegeben. Hat man aber genug
Erfahrung, und ist man im glücklichen Stande, auch nach einem
Zeitverlaufe die Früchte der Arbeit wieder zu sehen, so überkommt
einen manchmal doch ein gewisses Unzufriedenheitsgefühl: die Resul-
tate sind in einzelnen Fällen später nicht so gut, wie bald nach der
Operation. Also gerade umgekehrt, wie es sein soll. Hauptsächlich
ist das der Fall bei den nicht kontrakten Spitzfüßen. — Untersucht
man diese auf aktive Mobilität, so ergibt sich oft eine vollständige
Abwesenheit derselben in allen Richtungen; hebt man mit der Hand
den Fuß ein wenig oder noch besser bis zum rechten Winkel, so sieht
man oft die Zehenbeugung gut und die Streckung, wenn auch im
kleinen Maße, vonstatten gehen. Man schließt daraus, es mit einer
Totalparese des Fußes zu tun zu haben: die Extensoren sind schwach
resp. nicht stark genug, um die Schwere des Fußes überwinden zu
können, ihre Kraft reicht bloß für die Streckung der Zehen bei ge-
schehener Hebung des Fußes aus, die Flexoren sind durch die Fuß-
stellung sekundär erschlafft und erst durch die Stellungskorrektion
in Stand gesetzt worden, ihre Kraft zu entfalten.
Aus dem Krankheitswesen erhellt auch die Behandlung: es heißt
nach Hoffa, den paretischen Extensoren ihren Tonus wieder zu geben,
d. h. sie zu verkürzen und auf diese Weise dem Fuße seine ihm phy-
siologisch zukommende Mittelstellung zu verleihen. Auf dem Ope-
rationstische läßt der Ausgang dieser Operation wenig zu wünschen
übrig. Nach der Verbandabnahme aber und noch mehr nach einigen
Monaten hat man bei den Pat., wenn auch nicht den früher schlot-
ternden, so doch den etwas schleppenden Gang. Bloß durch die
Sehnenverkürzung kann man also nicht alles erreichen, man muß zu
anderen Mitteln greifen. Man verfährt da nach Vulpius. Mit der
Dreiteilung der Achillessehne schafft man sich Rat. — Nun möchte
ich einiges über die Technik dieser Operation zufügen. Die Achilles-
sehne wird möglichst peripherwärts präpariert und der Länge nach in
drei Teile gespalten; die zwei seitlichen werden von der Insertionsstelle
am Tuber calcanei abgetrennt, das Mittelstück wird in situ gelassen.
Die gelösten Teile werden in den vorher verkürzten Tib. antic. resp.
Ext. digit. comm. eingepflanzt. Die Implantation in den Tib. antic.
führe ich meistens nach Codivilla aus, d. h. mittels Schlingenbildung;
für den Ext. digit. comm. ist diese sowie die anderen gebräuchlichen
Operationsarten nicht gut anwendbar, und ich möchte dafür meinen
Modus operandi in Vorschlag bringen und auseinandersetzen.
Bekanntlich ist der M. ext. digit. comm. gemäß seinem anatomi-
schen Bau ein Strecker der vier letzten Zehen, durch seine Fixation
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1267
aber mittels des Kreuzbandes am Fußrücken wird er zum Heber des
Fußes. Nun muß man zugeben, daß dieser letzte Umstand, i. e. die
Wichtigkeit des Fixiertbleibens am Fußrücken, oft nicht genügend
berücksichtigt worden ist und der Bequemlichkeit der Operations-
ausführung zu Liebe preisgegeben wurde. Diesem Rechnung tragend
verfahre ich folgendermaßen: ich verkürze nach Schanz den Ext.
digit. comm. oberhalb des Fußgelenkes (Fig. 1), eröffne die Fascie dors.
pedis knapp unterhalb des Kreuzbandes, um alle Streckersehnen noch
Fig. 1. Fig. 2.
nicht stark divergierend zu Gesicht zu bekommen, fasse sie in ein
Bündel zusammen, lüfte dasselbe und umgreife es mit dem am Ende
gabelig gespaltenen äußeren Achillessehnendrittel. Die beiden Gabel-
zipfel werden durch einige Knopfnähte vereinigt und bilden einen Ring
um die Sehne (Fig. 2). Um der neuen Sehne einen geradlinigen Verlauf
zu sichern, hefte ich sie mittels ein oder zwei Nähten an den Ext.
digit. comm. oberhalb des Kreuzbandes. Auf diese Weise gelingt es,
alle Teile des Ext. digit. comm. gleichmäßig zu spannen; bei den
anderen Methoden der Sehnenimplantation geschieht es oft, daB eine
Zehe mehr, die andere weniger in Konnex zu der kraftspendenden
Sehne kommt; auBerdem ist die Technik bei der Zartheit der einzelnen
Sehnenteile sehr schwierig.
Zum Schluß füge ich eine Verlängerung des stehengebliebenen
Mittelstückes der Achillessehne nach der subkutanen Methode von
Bayer, wodurch sich die Sehne nur im nötigen Maße verlängert; sie
springt dann auch nicht als gespannte Saite vor und geht ihrer
Aufgabe als Fersenhöckerabzieher nicht verlustig.
48%
1268 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48.
Mittels dieser Kraftverteilung der Achillessehne gelingt es, eine
vollkommen befriedigende Korrektion des Spitzfußes zu erlangen.
Ich möchte mein Implantationsverfahren auch für andere Muskeln
empfehlen, falls die Länge des Kraftgebers nicht ausreicht, um auf
andere Weise, wie z. B. nach Codivilla, implantiert zu werden. Es
geht bei diesem Verfahren kein Millimeter des kostbaren Muskel-
gewebes verloren.
Oktober 1906.
1) Da Costa. Baron Larrey: a sketch.
(Bull. of the Johns Hopkins hospital 1906. Juli.)
Ausführliche Schilderung des Lebens und Wirkens des großen
Kriegschirurgen. Die Abhandlung basiert in der Hauptsache auf den
Memoiren Larrey’s selbst, aber auch auf anderen näher bezeichneten
Quellen. Am Schluß sind die Verdienste Larrey’s um die Chirurgie
in 24 Sätzen zusammengefaßt. Ein Porträt Larrey’s, sowie die Ab-
bildungen mehrerer Krankentransportgefährte, wie er sie angegeben
hatte, und einer Kamelkrankentrage zum Transport Verwundeter sind
eingefügt.
Der sehr lebendig und fesselnd geschriebene Aufsatz dürfte für
die Geschichte der Chirurgie nicht ohne Wert sein.
W. v. Brunn (Rostock).
2) 2. Kikuzi. Über traumatische Aneurysmen bei Schuß-
verletzungen.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. L. Hft. 1.)
Verf., ein v. Bruns’scher Schüler, hatte als Generalarzt der
ersten japanischen Armee in der Mandschurei Gelegenheit, 85 durch
Gesäßschußwunden erzeugte Aneurysmen zu behandeln. Davon fielen
die Mehrzahl (30,6%) auf die Art. cruralis; es folgen der Reihe nach
die Art. poplitea mit 18,8%, brachialis mit 11,8%, subclavia 8,2%,
axillaris mit 7,1%, die verschiedensten übrigen Arterien mit kleineren
Zahlen.
Während in der Zeit der großkalibrigen Bleigeschosse mit ihrem
weiten, klaffenden Schußkanal Aneurysmen selten waren, teils weil die
Verletzten sofort verbluteten, teils weil die Gefäße bei der geringeren
Anfangsgeschwindigkeit der Geschosse besser ausweichen konnten, sind
sie seit Einführung der kleinkalibrigen Geschosse mit hoher Anfangs-
geschwindigkeit sehr häufig geworden, da der kleine Ein- und Aus-
schuß, ebenso wie der enge, glatte Schußkanal sich rasch zusammen-
legen und die Resanz der Geschosse ein Ausweichen der Gefäße
verhindert.
Die Anwendung der Antyllus’schen Methode der Aneurysmen-
operation zeigt den Nachteil, daß die zentrale und periphere Unter-
bindung der Sicherheit wegen um so weiter von der Gefäßschuß-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1269
verletzung entfernt ausgeführt werden muß, je größer der Aneurysmen-
sack ist. Je entfernter aber die Unterbindungen sind, desto größer
ist der Ausfall von Seitenästen für die Ernährung des Gefäßbezirkes;
und die Blutung aus dem Aneurysmensack ist um so größer, je mehr
Seitenäste zwischen den Unterbindungsstellen abgehen.
Zur Vermeidung dieser Nachteile hat K. eine Methode angewandt,
die er »intrakapsuläre Unterbindung des verletzten Gefäßes an Ort
und Stelle« nennt. Das Vorgehen ist folgendes: Es wird der besseren
Orientierung wegen zunächst ohne Anlegung eines Gummischlauches
die zuführende Arterie aufgesucht und zusammen mit der begleitenden
Vene möglichst dicht am Aneurysma nach doppelter Unterbindung
durchtrennt. Jetzt wird der Schlauch angelegt und der Aneurysmen-
sack eröffnet und ausgeräumt; Blutung ist dabei ausgeschlossen. Die
Ligatur des peripheren Stumpfes der zuführenden Arterie wird wieder
gelöst, und durch Einführung einer Sonde in die Lichtung die Auf-
findung des Loches in der Gefäßwand erleichtert. Unter Leitung der
Sonde wird nun durch den Aneurysmensack hindurch der periphere
Teil der Arterie dicht unterhalb der Gefäßwände ebenso wie die Vene
doppelt unterbunden und durchtrennt. Es folgt nun wie gewöhnlich
die Exstirpation des ganzen Sackes zusammen mit dem Gefäßpräparat
und die übliche Wundversorgung durch Naht und Tamponade
Diese Methode hat den Vorzug, daß die Operation leichter und
kürzer ist, event. unter Lokalanästhesie vorgenommen werden kann,
der exstirpierte Gefäßabschnitt sehr klein ist und damit wenig Seiten-
äste für die Versorgung des Gebietes wegfallen. Besondere Vorteile
bietet die Methode z. B. bei Aneurysmen im untersten Teile der Art.
femoralis, insofern die schwierige Aufsuchung der zahlreichen größeren
Aste am peripheren Ende in der Kniekehle überflüssig wird.
In der beschriebenen Art kann die Operation nur an den Extre-
mitäten ausgeführt werden, wo sich ein Schlauch anlegen läßt. An
der Carotis hat Verf. das Vorgehen derart modifiziert, daß er zentral
unterband, den Sack eröffnete, sofort das Gefäßloch digital kompri-
mieren ließ und dann die Operation in typischer Weise fortsetzte.
Diese Variation läßt sich auch bei Aneurysmen der Art. subclavia
und der Art. cruralis in ihrem obersten Abschnitt anwenden.
Bezüglich des Zeitpunktes der Operation wartet K. ab, bis das
Aneurysma eine gewisse Größe erreicht hat, weil dann durch die
allmählich eintretende Gefäßkompression ein ausreichender Kollateral-
kreislauf sich auszubilden pflegt, so daß die Gangrängefahr sehr ver-
ringert ist; außerdem ist dann die Technik wesentlich leichter.
Mit der isolierten Venenunterbindung bei traumatischem Aneu-
rysma venosum hat Verf. schlechte Erfahrungen gemacht, während bei
Unterbindung von Vene und Arterie (selbst von V. und Art. iliaca)
keine Zirkulationsstörungen auftraten. Daher wird die isolierte Venen-
unterbindung verworfen und gleichzeitige Unterbindung der zugehörigen
Arterie empfohlen.
1270 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48.
Zur Nachbehandlung wird nicht Hoch- sondern Horizontallagerung
gewählt, und die Extremität täglich vorsichtig massiert.
Reich (Tübingen).
3) E. Hedinger. Zur Lehre des Aneurysma spurium.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXX. Hft.3.) _
H. beschreibt das Präparat eines Aneurysma spurium, dessen
Untersuchung eine neue Bestätigung der Lehre gibt, daß das falsche
Aneurysma durch Ausweitung eines Plättchen- und Fibrinthrombus
entsteht. Er erklärt den Vorgang bei der Entstehung solcher Aneu-
rysmen folgendermaßen: Bei der Verletzung einer Arterie wird der
Riß sogleich von einem Plättchen- und Fibrinthrombus verlegt. Dieser
Thrombus wird unter dem Blutthrombus sackförmig ausgeweitet. So
wird von vornherein die Wand des Aneurysma nicht von dem ver-
drängten angrenzenden Bindegewebe gebildet, sondern von diesem
ausgeweiteten Thrombus. Dieser fibrinöse Sack wird später organisiert.
Doch kann diese Organisation sehr spät eintreten, so daß während
sehr langer Zeit der Sack nur von Fibrin gebildet wird.
E. Siegel (Frankfurt a. M.).
4) Latkowski. Über die Bedeutung des Kalkes bei In-
fusionen nach Blutungen.
(Przeglad lekarski 1906. Nr. 43.)
Die Bedeutung des Kalkes für das Herz kaltblütiger Tiere hat
schon Ringer hervorgehoben, und Rusch hat die Ringer’sche Lö-
sung auch bei Warmblütern mit positivem Resultat angewendet. L.
hat nun bei verbluteten Hunden Infusion teils mit physiologischer
Kochsalzlösung, teils mit Ringer’scher Lösung vorgenommen und gibt
in einer vorläufigen Mitteilung das Ergebnis seiner Versuche bekannt.
Den Versuchstieren wurde solange Blut entnommen, bis die Atmung
und der Puls ganz aufhörte.
Bei fünf Hunden betrug der Blutverlust höchstens 5,16% des
Körpergewichtes. Darauf wurde eine Infusion mit physiologischer
Kochsalzlösung (0,9%) vorgenommen. Von diesen fünf Hunden ver-
endeten drei.
Sieben Hunden wurde bis 6% des Körpergewichtes Blut ent-
nommen und darauf eine Infusion mit physiologischer Kochsalzlösung
(0,9%) + Chlorkalk (Calcium chloratum) (0,02%) gemacht. Von diesen
Tieren verendete nur eins, bei welchem der Blutverlust 6% des Körper-
gewichtes betrug. Die übrigen Hunde verblieben am Leben, obwohl
zweien 5,76% resp. 5,84% des Körpergewichtes Blut entnommen
wurde.
Der Unterschied ist auffällig. Es muß aber noch betont werden,
daß auch das Verhalten der Hunde nach der Infusion physiologischer
Kochsalslösung + Calcium chloratum, ein auffallend besseres war.
Gewöhnlich waren die Hunde sofort munter, bewegten sich frei und
nahmen die vorgesetzte Nahrung ein. Wenn nur physiologische Koch-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1271
salzlösung angewendet wurde, waren die Hunde somnolent, wollten in
der Regel durch 24 Stunden nicht fressen, oft verfielen sie in Koma,
während dessen sie einige Stunden nach der Infusion verendeten.
Zur Kontrolle wurden an einigen Hunden zum zweiten Male nach
der Blutentziehung Infusionen gemacht; und zwar bei Hunden, die vor-
dem eine physiologische Kochsalzinfusion bekamen, wurde nun eine
Infusion mit Kochsalz + Calcium chloratum vorgenommen und um-
gekehrt. Von den Hunden, die bei der ersten Infusion physiologische
Kochsalzlösung bekamen und bei der zweiten Kochsalz -+ Calcium
chloratum, ging keiner zugrunde. Zugrunde ging aber ein Hund, der
nach Infusion von Kochsalz und Kalk vollkommen hergestellt war,
obwohl die Blutentziehung 5,76% des Körpergewichtes betrug, als
ihm 31/, Wochen später nach einer Blutentziehung von nur 5,1% reine
physiologische Kochsalzlösung infundiert wurde.
Die Experimente beweisen zur Genüge, welche große Bedeutung
das Kalzium in der Infusion hat. L. macht noch weitere Versuche;
die bisherigen Resultate berechtigen uns aber, die Infusionslösung auch
beim Menschen anzuwenden, um so mehr, da vom 0,02 vigen Calcium
chloratum kein Nachteil bemerkt wurde. Bogdanik (Krakau).
5) Dorrance. An experimental study of suture of arteries
with a description of a new suture.
(Annals of surgery 1906. September.)
Für die Naht der Arterien empfiehlt D. die durch alle Schichten
durchgreifende Naht; und zwar wendet er eine Matratzennaht an, bei
welcher ein Stich um den anderen rückläufig gelegt wird (1r). Nach
dem letzten Stiche wird mit derselben Nadel und Faden eine einfache
überwendliche Naht über die Matratzennaht gelegt (2). Diese Naht-
methode soll gegen jede Nachblutung schützen und, da sie innen nicht
vorspringt, Gerinnselbildung in der Lichtung vermeiden. Vor der
Naht werden zu beiden Seiten des Gefäßspaltes mit Gummirohr über-
zogene, den Darmklammern ähnlich konstruierte Klemmen angelegt,
die jede Quetschung des Gefäßrohres vermeiden. Genau wie der in
der Zeichnung wiedergegebene Spalt werden auch resezierte Gefäße
durch dieselbe Naht von End zu End vereinigt. Größere Gefäße
1272 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48.
wurden an 14 Tieren in der geschilderten Weise durchschnitten resp.
angeschnitten und genäht. In sieben Fällen bildete sich ein wand-
ständiger Thrombus, in einem trat eine Nachblutung ein. Die Throm-
Fig 2.
bose war fast immer eine Folge der Infektion der Wunde. Verf.
glaubt, daß diese Thrombenbildungen bei aseptischem Heilverlauf aus-
bleiben. Herhold (Brandenburg).
6) W. J. Morton. Geschichtliche Beiträge zur Entdeckung
der Anästhesie in der Chirurgie und über die Beziehungen
Dr. William T. G. Morton’s zu derselben. Übersetzt
von Dr. E. Eckstein (Teplitz).
(Wiener med. Presse 1906. Nr. 37—39.)
In der vorliegenden Mitteilung, die von groBem kulturgeschicht-
lichem Interesse ist, hebt der Sohn des beriihmten Entdeckers der
Anästhesie in der Chirurgie, Morton, nochmals hervor, daß seinem
Vater allein der Ruhm an dieser wunderbaren Entdeckung bleibt.
Ȇber diese Tatsache kann bestimmt nicht gestritten werden. Bis zu
dem Augenblicke der öffentlichen Demonstration am 16. Oktober 1846
war die Welt jeder Hilfe bar, den Schmerz in der Chirurgie zu be-
seitigen. In gleicher Weise war auch kein Bericht vorhanden, daß
es möglich sein könnte, solche Hilfe zu schaffen. Von allen, die in
der Folge auftauchten, um Anteil an dieser Entdeckung zu nehmen,
hat keiner jemals darüber geschrieben oder publiziert und konnte
auch keiner auf eine Publikation über diesbezügliche ähnliche Ver-
suche in medizinischen oder Tageszeitungen hinweisen. «
Paul Wagner (Leipzig).
7) Th. Hammes. .Leerboek der Narkose.
Nach kurzer historischer Einleitung beschäftigt sich H. zuerst mit
der Chemie und den Theorien über die Narkose. Er beschreibt kurz
und deutlich die Technik und Indikationen der verschiedenen Narkosen.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1273
Sorgfältig und kritisch sichtend, bespricht Verf. in dem Kapitel
über Chloroformsynkope ausführlich die Theorie und Therapie. Wenn
man im allgemeinen im Verlaufe der Narkose nach Nussbaum drei
Stadien unterscheidet: 1) das der Willkür, 2) das der Exzitation oder
Exaltation, 3) das der Toleranz, so lasse sich doch bei guter Technik
die Exaltation in weitaus den meisten Fällen vermeiden; stets gebe
es ein Stadium, in dem das Bewußtsein weder intakt noch ganz ver-
loren sei. Deshalb möchte er bei der Narkose unterscheiden: 1) ein
Stadium von Willkür, 2) von partiellem und dissoziiertem Bewußtsein,
3) von Toleranz. Das Werk gibt einen vollständigen Überblick über
den heutigen Stand der Narkose und dem Praktiker mancherlei Winke
und Anweisungen, eine gute Narkose zu erreichen.
Der Arbeit ist ein ausführliches Literaturverzeichnis von 437
Nummern beigegeben. E. H. van Lier (Amsterdam).
8) Martinez. La anestesia cloroformica y las cardiopatias.
(Revista de med. y cir. pract. de Madrid 1906. Nr. 944.)
Die Frage der Kontraindikation der Chloroformnarkose bei Indi-
viduen, deren Zirkulationsapparat nicht gesund ist, findet in dieser
Arbeit ausführlichste Besprechung. M. sieht vor allen Dingen den
Hauptgrund des Chloroformtodes durch den Umstand erklärt, daß
gerade diejenigen Erkrankungen, die dabei das größte Kontingent
stellen — die Krankheiten des Herzmuskels —, am schwierigsten zu
diagnostizieren sind. Er teilt die Pat., hinsichtlich der Gefährlichkeit
der Narkose mit Chloroform, in drei Gruppen, nämlich in solche mit
Krankheiten des Perikards, des Myokards oder des Endokards. Die
ersteren sind für jedermann leicht zu diagnostizieren, so daß wohl
kaum ein Pat. mit florider Erkrankung des Herzbeutels der Gefahr
einer Ohloroformnarkose ausgesetzt wird. Das gleiche gilt für die
Erkrankungen des Endokards, die Klappenfehler. Solange dieselben
nicht kompensiert sind, sind ihre Symptome so klar, daß sie nicht
übersehen werden können; der Kranke mit kompensiertem Herzklappen-
fehler hingegen ist fast stets imstande, die Narkose zu ertragen. Es
bleiben also die Erkrankungen des Herzmuskels selber. — Stellen
diese das Weiterschreiten eines vom Peri- oder Endokard ausgehenden
Prozesses dar, so werden auch sie immer erkannt werden. Hingegen
erlebt man die meisten unangenehmen Überraschungen in den Fällen,
bei denen infolge einer Intoxikation oder Autointoxikation des Körpers
eine Erkrankung des Myokards vorhanden ist, die bisher keine spe-
ziellen Symptome gemacht hat. Hierher gehört vor allen Dingen der
Alkoholismus, die Nikotinvergiftung, die Bleivergiftung und die Sy-
philis. Alle diese Zustände führen zu primärer Arteriosklerose, und
diese wiederum führt in der Sklerose der Coronararterien zu sekun-
därer Erkrankung des Herzmuskels.
In seltenen Fällen kann bei den genannten Intoxikationen auch
eine direkte Schädigung des Myokards eintreten; in weitaus der
Mehrzahl aber pflegt die Herzmuskelerkrankung hinter anderen gleich-
48**
1274 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48.
zeitig vorhandenen Veränderungen anderer Organe (Leber usw.) in den
Hintergrund zu treten. Man unterscheidet nun am besten drei Perioden
der chronischen Myokarditis. Die Symptome der ersten Periode be-
stehen in der Hauptsache in hochgradig gespanntem Puls, Vermehrung
der Urinmenge, Schleimhauthämorrhagien, Kopfschmerz, Schwin-
del usw.; bei der Auskultation des Herzens findet sich bei sehr genauer
Untersuchung der erste Ton an der Spitze verstärkt mit Neigung zur
Verdoppelung, der zweite akzentuiert; der SpitzenstoB ist ebenfalls
verstärkt. In dieser Periode schon ist die Chloroformnarkose streng
kontraindiziert, da der Herzmuskel den schroffen Wechseln des Blut-
druckes nicht mehr Stand zu halten vermag. Gerade bei derartigen
Kranken ist der Chloroformherztod am häufigsten. Prophylaktisch
die Synkope, etwa durch Verwendung kleinster Mengen Chloroform,
zu bekämpfen, ist nach M. ganz unsicher, da auch diese Methode vor
dem nachträglichen Herztod keinen Schutz zu bieten vermag. — In
der zweiten Krankheitsperiode ist der Spitzenstoß noch mehr verstärkt
wie in der ersten und steht in auffälligem Gegensatz zu dem nunmehr
schwachen und kleinen Puls; dieser selber ist unregelmäßig, inter-
mittierend, und hat zuweilen den Charakter des Pulsus bigeminus oder
auch trigeminus, die Herzfigur ist allseitig verbreitert. In dieser
Periode ist die Narkose natürlich noch um vieles gefährlicher wie in
der ersten. In der letzten Periode, in der die Klappen mitergriffen
sind, pflegt das ganze Krankheitsbild bereits ein so schweres zu sein,
daß die Frage einer COhloroformnarkose niemals ernstlich erwogen
werden dürfte. Stein (Wlesbaden).
9) B. Müller (Hamburg). Über Rückenmarksanästhesie und
deren Bedeutung für den Arzt.
(Wiener klin. Rundschau 1906. Nr. 18, 19, 21.)
In einer historischen Einleitung würdigt Verf. zunächst die Vor-
arbeiten zur Rückenmarksanästhesie (Corning, Quincke) und be-
zeichnet Bier als den Begründer der Medullaranästhesie, die er ohne
Kenntnis der amerikanischen Versuche zur brauchbaren Methode aus-
gebaut hat. Weitere Abschnitte der Arbeit beschäftigen sich mit der
Entwicklung des Verfahrens, mit seinen Nebenwirkungen usw.; ferner
mit der sich stets vervollkommnenden Methode, die die Nebenwirkungen
gelindert und Mißerfolge vermeiden gelernt hat. Auf Grund eingehen-
der Kenntnis der Literatur, sowie eigener Erfahrungen prophezeit
M. der Bier’schen Methode eine große Zukunft, mit der er schon
heute keine wesentliche Gefahr mehr verbunden findet, die bei richtiger
Technik eine sichere Anästhesie bringt und die berufen ist, einen
großen Teil der gefährlichen Inhalationsnarkosen zu ersetzen. Ganz
besonders viel erwartet Verf. von der Rückenmarksanästhesie für die
Geburtshilfe. Schmieden Bonn).
— ee
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1275
10) Hoffa und Rauenbusch. Atlas der orthopädischen
Chirurgie in Röntgenbildern. Lieferung 7—10.
Stuttgart, F. Enke, 1905.
Neben dem Bemühen, recht gute und typische Bilder der wich-
tigsten Erkrankungen zu geben, ist auch bei den nun vörliegenden
vier letzten Lieferungen wieder das Bestreben erkennbar, durch
Gegenüberstellung die Differentialdiagnose zu erleichtern, z. B. bei den
verschiedenen Formen der Arthritis. Auch auf einige Bilder, die
besonders früher zu diagnostischen Irrtümern oft Anlaß gaben, sei
hingewiesen, wie das Sesambein im Gastrocnemiuskopfe, den Epiphysen-
fleck Ludloff’s.
Beckenbriiche und Verrenkungen, sowie frische Osteomyelitis
sind nur soweit zur Darstellung gekommen, als sie ein ganz spezielles
orthopädisches Interesse bieten. Ebenso sind die angeborenen MiB-
bildungen nur soweit abgebildet, als sie von nicht nur wissenschaft-
lichem Interesse sind.
Jedenfalls wird der Atlas seine Aufgabe, Bilder der praktisch
wichtigeren orthopädischen Erkrankungen zu geben, wohl erfüllen; in
schwierigeren Fällen wird eine Vergleichung seiner Bilder mit denen
eines Atlas typischer Röntgenbilder vom normalen Menschen ganz
besonderen Nutzen für die Differentialdiagnose bringen.
Einige bei der Drucklegung früherer Hefte vorgekommene Fehler
sind durch Beigabe neuer Textblätter in dankenswerter Weise aus-
gemerzt worden. Renner (Breslau).
11) Arnsperger. Die chirurgische Bedeutung des Ikterus.
Zugleich ein Beitrag zur Pathologie und Chirurgie der tiefen
Gallenwege.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVIH. Hft. 3.)
Die umfangreiche Arbeit bringt eine Zusammenfassung über den
neuesten Stand der Pathologie des Ikterus und erläutert an zahlreichen
Fällen aus der Üzerny’schen Klinik die diagnostische und progno-
stische Bedeutung des Ikterus, speziell in der Chirurgie. Daran reiht
sich eine epikritische Mitteilung von 96 Fällen der Heidelberger Klinik
aus den Jahren 1901—1904, bei welchen entweder Ikterus bestand
oder auch ohne solchen ein Eingriff am Oholedochus vorgenommen
wurde.
Die interessanten Einzelheiten, die sich in kurzem Referat nicht
wiedergeben lassen, empfehlen sich für jeden Chirurgen zur Lektüre
im Original.
Die Ergebnisse der Arbeit lassen sich dahin zusammenfassen:
1) Es gibt Fälle von Ikterus ohne mechanische Behinderung des
Gallenabflusses, welche wir auf eine Funktionsstérung der Leberzellen
beziehen müssen; dieser Ikterus kann sowohl primär sein als zu jedem
mechanischen Ikterus hinzutreten. Die Prognose eines operativen
Eingriffes in diesen Fällen ist höchst ungünstig.
*
1276 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48.
2) Eine sichere, zahlenmäßige Methode, das Bestehen dieses Ikterus
gravis zu erkennen, gibt es zurzeit nicht; indessen kann man aus
Untersuchungen des Blutes und Urins zusammen mit dem klinischen
Befund in manchen Fällen das Bestehen eines solchen Ikterus er-
kennen.
3) Die Schwere eines Ikterus geht der Dauer seines Bestehens
und seiner Intensität nicht parallel; sie ist vielmehr abhängig von der
Widerstandskraft des Körpers gegen die resorbierten toxischen Gallen-
bestandteile.
4) Die Normalmethode bei der Gallensteinerkrankung der tiefen
Gallenwege ist die Choledochotomie mit nachfolgender Drainage des
Hepaticus, wobei die Gallenblase je nach der Schwere der Erkran-
kung exstirpiert oder suspendiert und drainiert werden kann.
5) Die radikale Entfernung aller Steine ist bei länger bestehen-
den Choledochussteinen sehr schwierig; es empfiehlt sich daher, bei
chronischem Choledochusverschluß durch Steine sobald als möglich
zu operieren.
6) Choledochussteine ohne Ikterus sind häufiger als bisher ange-
nommen wurde. = Reich (Tübingen).
12) Elsberg. Solitary abscess of the liver.
(Annals of surgery 1906. August.)
E. unterscheidet ätiologisch vier Gruppen solitärer Abszesse der
Leber, und zwar 1) den tropischen Abszeß nach Dysenterie, 2) den
traumatischen, 3) den pyämischen bei allgemeiner Sepsis, 4) den
sekundär bei verschiedenen Krankheiten der Unterleibsorgane ent-
stehenden Abszeß (Appendicitis, chronische Kolitis, Hämorrhoiden usw.).
Die Infektion erfolgt durch direkte Ausbreitung von den Gallengängen
oder von in der Nähe liegenden Eiterungen, 2) auf dem Lymphwege,
3) durch die Arterien (bei Pyämie), 4) durch die Vena portae. Der
rechte Leberlappen wird wegen des kürzeren und direkteren Zweiges
der Vena portae häufiger befallen. Die Symptome bei akut ent-
standener Eiterung sind: Schüttelfröste, Schmerzen in der rechten
oder linken Brustseite, Prostration, Fieber. In den chronischen Fällen
treten zunächst Schmerzen in einer der beiden Brustseiten ein, später
kommt es zu atypischen Fieberbewegungen. Die Diagnose ist be-
züglich der Frage, ob es sich um nur-einen oder multiple Abszesse
handelt, nicht zu stellen. Ob die Eiterung oberhalb oder unterhalb
des Zwerchfells ihren Sitz hat, läßt sich aus einzelnen Anzeichen er-
kennen; so ist die Oberfläche der Flüssigkeit oberhalb des Zwerchfells
konkav, und sie bewegt sich deutlich bei Lageveränderungen; unterhalb
des Zwerchfells bildet sie eine gerade oder konvexe Linie und bewegt
sich nur undeutlich bei Bewegungen. Bei Flüssigkeitsansammlung
unterhalb des Zwerchfells ist der Stimmfremitus nicht abgeschwächt;
eine Verdrängung des Herzens findet niemals statt. Kommt bei der
Behandlung die transpleurale Operation in Anwendung, so läßt sich
das Entstehen des Pneumothorax beim Annähen des Zwerchfells an
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1277
die Pleura costae durch Empordrängen der Leber vom Hypochon-
drium aus vermeiden. Herhold (Brandenburg).
13) Mongeur. De l'intervention chirurgicale dans la lithiase
biliaire.
(Province méd. 1906. Nr. 34.)
M. ist ein entschiedener Gegner des operativen Eingriffes in
jedem Falle von Cholelithiasis. Er erkennt drei Indikationen für den
chirurgischen Eingriff an. Bei den Fällen der ersten Kategorie er-
reichen die Koliken einen solchen Grad, daß nur eine Operation
einen schlimmen Ausgang verhindern kann; die zweite Indikation
gibt die Infektion der Gallenwege; die dritte der Verschluß des
Choledochus ab.
Was die Infektion der Blase anlangt, so läßt sich Verf. durch
die Temperaturen allein noch nicht bestimmen, einzugreifen, bei Em-
pyem jedoch duldet er keinen Aufschub. Bei allgemeiner Infektion
der Gallenwege, sowie beim Choledochusverschluß macht M. den Ein-
griff von einem Symptom abhängig, auf das er als erster aufmerksam
gemacht zu haben angibt: nämlich auf die Größe der Leberdämpfung.
Vergrößert sich in diesen Fällen die Leber, so wartet Verf. ab, weil
er hierin ein Zeichen erblickt, daß die Leber sich zu kompensieren
vermag. Andert sich aber das Volumen nicht oder ist in ein paar
Tagen sogar ein Rückgang desselben zu bemerken, dann rät M. zu
schleunigem Eingriff. A. Hofmann (Karlsruhe).
14) Rogers. Surgical treatment of the gall-bladder and bile
passages.
(St. Paul med. journ. 1906. August.)
Verf. tritt sehr lebhaft für die operative Behandlung der Gallen-
blasenerkrankungen ein und operiert jeden Fall von Cholecystitis und
Cholelithiasis, schon in Anbetracht der Möglichkeit einer späteren
Karzinomentwicklung, da nach Schroeder sich in 14% aller Gallen-
steinfälle später Karzinom entwickelt. An eine medikamentöse Hei-
lung, speziell aber an den dauernden Erfolg einer Karlsbader Kur
glaubt R. nicht. Verf. wendet den vertikalen Schnitt am äußeren
Rande des Rectus an, nachdem er einen Sandsack unter den Rücken
geschoben hat. Man gewinnt auf diese Weise einen völlig genügen-
den Überblick.
Was die Indikationsstellung der Oholecystektomie anbelangt, so
läßt sie sich nach R. nicht ganz genau präzisieren. In Übereinstim-
mung mit den auf diesem Gebiet erfahrendsten amerikanischen resp.
englischen Chirurgen exstirpiert er im allgemeinen 1) bei bösartigen
Geschwülsten, 2) bei durch chronische Entzündung geschrumpften
Blasen, 3) bei phlegmonöser Cholecystitis und Gangrän der Gallen-
blase, 4) bei absoluten Stenosen im Ductus cysticus.
1278 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48.
Bei Steinen im Ductus communis sieht Verf. nach deren Entfer-
nung grundsätzlich von jeder Naht ab, drainiert vielmehr ausgiebig.
Levy (Wiesbaden).
15) E. Payr und A, Martina. Experimentelle Untersuchungen
über die Ätiologie der Fettgewebsnekrose und Leberverände-
rungen bei Schädigung des Pankreasgewebes. (Vorläufige
Mitteilung.)
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXIII. p. 189.)
Anläßlich ihrer Versuche über die Lebernaht mit Magnesium-
platten beobachteten die Verff. bei Kaninchen eigentümliche Lungen-
veränderungen, die sie auf Embolien von Leberzellen infolge zu starker
Quetschung des Lebergewebes zurückführten. In der Absicht, das
technische Verfahren auf andere parenchymatöse Organe zu über-
tragen, um Parenchymzellembolien zu erzeugen, fanden die Verff., daß
bei Katzen Quetschung des Pankreas zwischen zwei Platten regelmäßig
Fettnekrosen im ausgedehntesten Maße erzeugte. Ebenso fanden sich
danach eigentümliche herdförmige Veränderungen an der Leber.
Durch sorgfältige histologische Untersuchungen gelang dann der
Nachweis embolisch verschleppter Pankreaszellen an den Erkrankungs-
herden, und glauben die Verff., daß auch beim Menschen die Fett-
nekrose zum Teil auf solchen Embolien beruhen könnte. Die
wichtigste Rolle spielt hierbei aber auch nach ihrer Ansicht aller-
dings die Wirkung des Pankreasfermentes.
Meinhard Schmidt (Cuxhaven!.
16) E. A. Pölya. Experimentelle Beiträge zur Pathogenese
der mit Fettgewebsnekrose einhergehenden Pankreaserkran-
kungen.
(Orvosi hetilap 1906. Nr. 31. [Ungarisch.])
Obwohl es bisher öfters gelungen ist, durch verschiedene Injek-
tionen ins Pankreasparenchym, Ausführungsgang und Gefäße akute
Pankreaserkrankungen (Blutung, Nekrose) mit sekundärer Fettgewebs-
nekrose hervorzurufen, glaubt P., daß von den bisherigen Experimenten
nur diejenigen Opie’s, der durch Injektion von Galle in den Pan-
kreasausführungsgang das genannte Krankheitsbild herbeiführen konnte,
eine solche ist, welche den pathologischen Vorgang im lebenden Men-
schen nachahmt. Doch lassen sich durch diese Annahme (Eindringen
von Galle in den Pankreasausführungsgang) nur solche Fälle von
Fettgewebsnekrose erklären, die nach Choledochusverschluß entstanden
sind, also wohl nur die entschiedene Minorität.
P. ging bei seinen Versuchen von der physiologischen Tatsache
aus, daß das normale Pankreassekret innerhalb des Pankreasausfüh-
rungsganges kein eiweißverdauendes Ferment enthält und somit auch
nicht die Eigenschaft besitzen kann, die aus Eiweiß bestehenden Zell-
leiber und Bindesubstanz des Pankreasgewebes zu verdauen; die Selbst-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1279
verdauung des Pankreas, die im Sinne von Chiari, Truhart usw.
als das Wesentliche dieser Erkrankungsformen des Pankreas angesehen
wird, könnte somit nur dann stattfinden, wenn das für Eiweiß unwirk-
same normale Pankreassekret schon innerhalb des Pankreasausführungs-
ganges sich eine eiweißverdauende Eigenschaft aneignen würde. Da
das unwirksame Trypsinogen des Pankreassaftes durch die Enterollinase
der Darmschleimhaut in das wirksame eiweißverdauende Ferment, das
Trypsin, umgewandelt wird, trachtete Verf., die Wirkung des intra-
pankreatisch vorhandenen Trypsins an Hunden zuerst mit Darm-
extrakten, dann mit Duodenalinhalt, dem Duodenum während der
Verdauung entnommen, und endlich mit käuflichen Trypsinpräparaten
experimentell festzustellen.
Die bisherigen Versuche haben die Frage noch nicht vollständig
gelöst, doch kam P. schon in seinem vorläufigen Berichte zu folgen-
den Resultaten:
1) Nach Einspritzung von Duodenalinhalt in den Pankreasausfüh-
rungsgang entsteht ausnahmslos (7 Fälle), auch wenn die Menge der
Injektionsflüssigkeit sehr gering (1 ccm) ist, ein Krankheitszustand, der
rasch (binnen 20—30 Stunden) tödlich endet und sowohl klinisch wie
pathologisch-anatomisch den schwersten Formen der menschlichen
Fettgewebsnekrose entspricht.
2) Darmschleimhautextrakte riefen nur in einem Teile — wenn
auch im größeren — der Fälle diese Wirkung hervor.
3) Einspritzung von Trypsin in den Pankreasausführungsgang
führt zu schweren Degenerationen, Nekrosen, Blutungen ins Pankreas-
parenchym, welches zuweilen schon binnen einigen Stunden, meist in
1—10 Tagen infolge einer ausgebreiteten Fettgewebsnekrose zum Tode
führt; einmal konnte auch eine schwere chronische Form (hochgradige
Schrumpfung des Pankreäs, Ikterus, Abmagerung usw.) der Pankrea-
titis hervorgerufen werden.
In einigen dieser Fälle von Fettgewebsnekrose, die experimentell
durch Eingriffe am Pankreas hervorgebracht wurden, also doch zwei-
felsohne pankreatischen Ursprunges waren, wurden neben hochgradigen
Veränderungen des Fettgewebes am Pankreas selbst nur geringe ma-
kroskopische Veränderungen gefunden. P. Steiner (Budapest).
Kleinere Mitteilungen.
(Aus der kgl. chirurg. Universitätsklinik Sr. Exzellenz des wirkl. Geh.-Rats Prof.
v. Bergmann zu Berlin.)
Eine neue Beckenstütze.
Von
Dr. Ernst Schultze,
Assistent der Klinik.
Beckenstützen mit breiter Liegefläche waren bisher stets nur mit Schwierig-
keiten aus dem Verbande zu entfernen. Man hatte deshalb in letzter Zeit sich an
1280. Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48.
schmälere Bänkchen gewöhnt zugunsten des anzulegenden Verbandes — auf Kosten
aber bequemer und vor allem sicherer Lagerung des Pat. Auf dem nach meinen
Intentionen von L. Dähne, Berlin, Friedrichstraße 131d, angefertigten Bänkchen
ruht der Pat. auf einer 14 cm breiten, leicht geschweiften und dadurch den
Körperformen gut angepaßten Fläche bequem und sicher, und zugleich gestattet
ein automatisch wirkender, durch Zug an einem Handgriff auszulösender Mecha-
nismus durch Übereinandergleiten der beiden Hälften der Liegefläche eine Ver-
schmälerung bis zu 7,6 cm, und damit ein leichtes Herausnehmen aus dem Ver-
bande.
Die Beckenstütze (Fig. 1) hat ihre äußeren Formen von der von Prof. Bor-
chardt im Zentralblatt für Chirurgie seinerzeit bekannt gegebenen entlehnt. Auf
einem Stativ (a) ruht die aus den beiden Hälften (b, und ds) bestehende, in der
Mitte mit einem Ausschnitt versehene Liegefläche. Diese ist im ganzen nach
Gipsabdrücken genau den Körperformen entsprechend ausgebogen. Am Stativ
findet sich der Handgriff (c, an dem ein Zug genügt, um den Mechanismus aus-
zulösen, der die Hälfte b, der Liegefläche über bə gleiten läßt (Fig. 2'.
Fig. 1. Fig’ 2.
A
Die Handhabung ergibt sich von selbst. Beim Hochheben des Pat. zur Ent-
fernung der Beckenstütze greift die rechte Hand nach dem Handgriff und zieht,
nachdem sich die Flächen zusammengelegt haben, die Stütze heraus.
Das Bänkchen, das sich namentlich für große Gipsverbände empfiehlt, hat sich
in der kgl. chirurg. Universitätsklinik gut bewährt.
Ein Einklemmen von Verbandstoffen ist nicht möglich. Die Standfestigkeit
und Haltbarkeit entspricht den höchsten Anforderungen.
17) Von der 78. Versammlung deutscher Naturforscher und Ärzte zu
Stuttgart.
(Schluß.)
a. O. v. Hovorka (Wien) spricht über die Wichtigkeit der Ausfüllung hohler
Räume, besonders von Knochenhöhlen, in der Chirurgie und weist darauf hin,
daß sich hierzu am besten die Mosetig’sche Jodoformplombe eigne. Allerdings
muß man streng nach der Vorschrift vorgehen, und zwar sowohl mit Rücksicht
auf die Operationstechnik, als auch auf die Zusammensetzung der Plombenmasse.
Mosetig selbst hatte in seinen 1500 Fällen bisher keinen einzigen Mißerfolg und
ebensowenig eine Jodoformintoxikation. Die Plombenmasse wird, wie Silber-
mark durch zahlreiche Tierversuche nachwies, infolge von Vorgängen von aus-
schließlich proliferativer Natur nach und nach durch echtes, junges Knochengewebe
ersetzt. (Selbstbericht.)
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1281
Hirsch (Wien) empfiehlt die Plombierung auch als Ersatz für Gelenkresek-
tionen, wo sie gestatte, etwa vorhandene kariöse Herde an der Sägefläche auszu-
füllen, ohne daß dickere Knochenscheiben entfernt werden müssen. Man vermeidet
damit stärkere Verkürzungen und darf auch bei Kindern operativ eingreifen, da
man die Epiphysenlinie schonen kann.
b. Gluck (Berlin) spricht an der Hand zahlreicher Tafeln, Präparate, Moulagen
und Patienten über Methoden und Aufgaben der Chirurgie der Hals-
organe.
Es werden die verschiedenen Verfahren zur Vermeidung der Schluckpneumonie
bei chirurgischen Eingriffen am Oberkiefer, Gaumen und Nasen-Rachenraum er-
örtert, besonders aber diejenigen Operationen, welche die Luftwege selbst betreffen. _
Für alle radikalen Operationen, welche den Larynx total entfernen, also 1) für die
Laryngectomia simplex, 2) für die mit Pharynxresektion, 3) für die mit Pharynx-
exstirpation und event. OÖsophagusresektion komplizierten Laryngektomien ist G.’s Ein-
nähen des resezierten Trachealstumpfes in ein Hautknopfloch des Jugulum ein prophy-
laktisches Verfahren, welches mit absoluter Sicherheit die Aspirationspneumonie
sowohl während der Operation als auch während der Nachbehandlung verhütet. Es
werden die verschiedenen Modifikationen der Bildung des von G. so genannten
sorganischen Diaphragmas«e über dem Trachealstumpfe geschildert und ebenso die
genaue Technik der einzelnen Operationsakte erörtert; ebenso wird dargestellt, wie
durch Hautlappenplastik nach Resektion der Struma oder der Halsgefäße resp.
Denudation derselben diese Gebilde vor Infektion oder Arrosionsblutungen ge-
schützt werden, wie die Ernährung durch den Dauerschlauch (von der Nase oder
vom Ösophagusstumpf aus) stattfindet, wie endlich direkte Suturen (Etagennähte
mit Catgut und Seide), kombiniert mit Tamponade mit Jodoformgaze und Tampon-
nähten, die Leistung einer rationellen Nachbehandlung ermöglichen, nachdem auf
diese Weise die Wunde so weit als angängig verkleinert und teils temporär, teils
definitiv bei aseptischem Verlaufe geschlossen blieb.
Bei konservativen Operationen, z. B. Laryngofissuren, genügt Operation am
hängenden Kopf und Anwendung einer Kokain-Adrenalinlösung, um jede Gefahr
zu verhüten; G. bält es für vorsichtiger, den Larynxraum für 1—2 Tage zu tam-
ponieren, den Tampon über der Trachealkanüle herauszuleiten, die Kanüle etwa
am 3.—5. Tag erst zu entfernen; nur in besonderen Fällen, z. B. bei einfachen
Stimmbandexzisionen, entschließt er sich, nicht zu tamponieren, und legt dann
auch keine Kanüle für die erste Nachbehandlungsperiode ein.
Nach Exenterationen des Larynx mit Exstirpation der Epiglottis fiibrt G. eine
partielle oder totale Laryngoplastik mit gestielten, haarlosen Hautlappen der Nach-
barschaft aus, ein Eingriff, der bei persistierendem Laryngoschisma artificiale tadel-
lose Heilungen und überraschende funktionelle Endresultate ermöglicht; analoge
Verfahren schildert G. für die Tracheoplastik in geeigneten Fällen, während für
Stenosen und quere obliterierende Narbendiaphragmen des Larynx und der Trachea
die quere Resektion des Narbengebietes bis auf den Osophagus, bis zwei Lumina
von genügender Weite vorliegen, zur Ausführung gelangt, mit konsekutiver zirku-
lärer Naht dieser Lumina.
Bei der Hemilaryngektomie bildet G. ebenfalls einen Hautlappen mit der Basis
auf der Seite der Erkrankung und leistet mit demselben eine Laryngoplastik
und einen organischen Abschluß, welcher ihm die geschilderte Trachealresektion
bei der Laryngectomia totalis ersetzt.
Bei der totalen Zungenexstirpation mit dem Zungengrunde wird nach G. erst
die tiefe Tracheotomie ausgeführt und darauf in eingehend geschilderter Technik
der Kehlkopfeingang entweder mit Suturen oder Tamponnähten oder mit einem
gestielten Hautlappen nach Anfrischen der Schleimhaut der Sinus pyriformes plastisch
verschlossen und somit absolut sicher die Schluckpneumonie verhütet.
Weder bei Zungenoperationen (auch bei den ausgedehntesten nicht), noch bei
Karzinomen der Tonsillen, welche auf Gaumenbögen und Pharynx übergreifen, hat
G. jemals sich einer Hilfsoperation, bestehend in Spaltung der Wange oder tem-
1282 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48.
porärer Resektion der Mandibula (nach v. Langenbeck, Billroth-Sédillot
oder Mikulicz-Kocher) bedient. Diese Hilfsoperationen bilden neue Gefahren
für den Pat. und sind absolut überflüssig, wie G. an seinen ohne dieselben er-
zielten Erfolgen bewiesen hat. Die genauere Technik ist in der Originalarbeit
beschrieben.
G. hat wiederholt geheilte Fälle mit totaler Zungenexstirpation mit dem Zungen-
grund und der Epiglottis demonstriert, welche eine Ventilkanüle trugen und eine
tadellose Sprache hatten. Herr Kollege Gutzmann hat sich zu dieser Adaptation
des Sprachvermögens ohne Zunge eingehend geäußert.
G. hat ferner geheilte Fälle demonstriert, denen wegen Karzinom die ganze
Zunge mit Zungengrund und Epiglottis und der ganze Larynx, im einzelnen Falle mit
Resektion des Pharynx und Ösophagus, entfernt waren. Die Pat. schluckten wie
Gesunde, atmeten durch den zirkulär im Jugulum eingeheilten Trachealstumpf
und verfügten über eine deutliche, verständliche Sprache (natürlich Flüstersprache),
eine in der Tat wunderbare Adaptation des Organismus, ohne jedes periphere
Sprachorgan, mit Hilfe des rekonstruierten Mundbodens und der regurgitierten
Luft aus dem Ösophagus sich deutlich verständlich zu machen.
In Stuttgart demonstrierte G. einen Pat., dem wegen Tuberkulose entfernt
waren: a. Larynx und Pharynx total mit beiden Tonsillen und der Epiglottis,
b. der Halsteil des Osophagus reseziert, c. die Struma rechts und der Isthmus
strumae exstirpiert, d. rechts die V. jugularis und A. carotis communis mitsamt
enormen Driisentumoren, dem Kopfnicker und den Scalenis entfernt worden waren;
schließlich mußte noch die Zunge mit dem Zungengrunde total exstirpiert werden ;
außerdem waren mehrere Trachealringe entfernt. Alles ist glatt vernarbt, eine
tiefe Osophagus-Trachealfistel mit Brückenhautlappen der Sternalgegend plastisch
geschlossen. Mit Hilfe einer von G. angegebenen Prothese in besonders modifi-
zierter Form nach Abformen des Defektes ernährt sich Pat. per vias naturales.
Er ist wohl und mit seinem Schicksale völlig zufrieden. Herr Kollege Gutzmann
hat den vorderhand noch stummen Pat. in Behandlung genommen; vielleicht ge-
lingt es, auch ihm eine verständliche Sprache zu verschaffen.
G. demonstriert seine Kanülen, ferner Prothesen für Pharynx- und Ösophagus-
defekt bei nicht ausführbarer Plastik, ebenso seine Prothesen zum totalen Ersatze
der Speiseröhre nach Ausschaltung des Ösophagus durch Ösophagotomie und
Gastrostomie, und endlich erörtert er seinen schon oft ventilierten Vorschlag zum
Anlegen einer Lungenfistel zum Zweck einer Ausschaltung der oberen Luftwege
bei bestehender Vitalindikation.
Die Sicherheit seiner Technik und die Häufigkeit seiner Erfolge und seiner
Endresultate hat ermutigt, die Indikationen zu erweitern, so zwar, daß er bisher
für inoperabel gehaltene Fälle in stetig größerer Anzahl operiert, und daß er
zweitens nicht nur bei malignen Geschwülsten, sondern auch bei Lues und beson-
ders auch bei Tuberkulose einesteils konservative Resektion, dann aber auch radi-
kale Organexstirpationen ausführt.
In einem besonderen Abschnitte der Arbeit wird der Frühdiagnose der ma-
lignen Geschwülste, der Schwierigkeiten der differentiellen pathologisch-anatomi-
schen Diagnostik bei Probeexzisionen, der Berechtigung der von G. empfohlenen
probatorischen oder explorativen Laryngofissur in zweifelhaften Fällen eingehend
gedacht und der radikale chirurgische Standpunkt gegenüber konservativen, nur
für gewisse Lokalisationen des Krankheitsherdes berechtigten Bestrebungen von
laryngologischer Seite hervorgehoben. Halbe Maßregeln sind zu verwerfen; bei
feststehender Diagnose hat nicht Rücksicht auf Person und Beruf, nicht Kosmetik
usw. Berücksichtigung zu finden, sondern es muß im allgemeinen diejenige Methode
empfohlen werden, welche funditus das Leiden mit Drüsen und Muskulatur weit
im Gesunden mitsamt Ausschaltung des primären Geschwulstherdes zu beseitigen
vermag. Plastik und Prothese sowie Ersatzoperationen sind erst Curae posteriores,
denen sich G. mit vollem Eifer und Erfolge zugewandt hat, so daß er auch bei
radikalstem Vorgehen den postoperativen Zustand seiner Pat. zu einem durchaus
erträglichen und menschenwürdigen gestaltet hat. (Selbstbericht.)
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1283
v. Czerny (Heidelberg) bevorzugt die totale Exstirpation des Kehlkopfs und
empfiehlt die Kuhn’sche Tamponade der Luftröhre.
c. Pochhammer (Greifswald, jetzt Gumbinnen): Experimentelle Studien
über Enteroanastomose und Darmresektion.
Die Versuche, welche P. an Hunden angestellt hat, zielen darauf ab, die Ge-
fahr der Kot- und Schleimhautinfektion, welche bei allen intestinalen Eingriffen
durch die Eröffnung des Magen- resp. Darmlumens entsteht, nach Möglichkeit
auszuschalten. Zu diesem Zwecke hat er vier verschiedene Methoden der Darm-
resektion bzw. Darmanastomose angegeben und ausgeprobt.
I. Vereinigung der Darmabschnitte Seit-an-Seit.
a. Mittels elastischer Gummiligatur.
Die elastische Ligatur war bisher fast ausschließlich bei der Gastroentero-
stomie erprobt worden und besonders von Amerikanern mit Erfolg angewendet.
P. verwandte statt der besonders präparierten Fäden aus bloßem Gummi eine ein-
fache seidenumsponnene Gummischnur (mit einer vierfachen Lage elastischer
Gummifäden im Innern), welche sich leicht in kochendem Wasser sterilisieren läßt
Fig. 1.
Fortlaufende Naht.
Knotenlegung.
Gummischnur.
Teil der Gummischnur, der im Innern des Darmes verläuft.
Nadel.
und vor allem die Sicherheit des Knotens wesentlich erhöht. Bei der Knoten-
Jegung schlang er den Knoten nochmals um das Zwischenstück zwischen den beiden
Ligaturfäden herum. Die abzuschnürende Strecke der Darmwand jederseits muß
etwa 3—4 cm lang sein. Unterhalb und oberhalb der Ligatur wird eine fort-
1284 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48.
laufende Seidennaht angelegt, so daß eine vollkommene Umnähung der in statu
nascendi befindlichen Anastomose stattfindet.
In sechs Fällen wandte P. die elastische Gummischnur an, und zwar einmal
bei einer einfachen Enteroanastomose, einmal bei einer Gastroenterostomia ant.,
viermal bei der Darmresektion. Die Schnürung versagte in keinem Falle. Stuhl-
gang wurde zuerst am 5. Tage beobachtet, wobei zu berücksichtigen ist, daß die
Tiere in den ersten beiden Tagen nach der Operation nur Wasser erhielten und
dann Milch und Suppe bis zur ersten Defäkation bekamen.
Die später zum Teil herausgeschnittenen Darmstücke mit der neugebildeten
Anastomose wurden zum Beweise herumgegeben.
b. Mittels glühender Drahtschlinge.
Die Drahtschlinge (aus Platindraht oder Nickelin) wurde in derselben Weise
wie die Gummischnur durch die Darmwand der zu anastomosierenden Darm-
abschnitte hindurchgeführt, und zwar tunlichst an der Konvexität des Darmes,
damit nachber durch die Einwirkung der Glühhitze die Ernährung der übrigen
Darmwand möglichst wenig geschädigt wird. Die Drahtschlinge wird ebenfalls
ringsum umnäht, so daß die beiden Enden des Drahtes nur noch aus einer Lücke
der Nahtreihe hervorragen. Die Drahtenden werden mit einem besonderen Ap-
parat in Verbindung gesetzt, der ähnlich dem für die Entfernung von Polypen
Fig. 3.
Fortlaufende Umnähungsnaht. Drahtschlinge.
gebräuchlichen Handgriffe konstruiert ist. Durch Vermittlung dieses Apparates
wird die Drahtschlinge durch einen möglichst schwachen elektrischen Strom ins
Glühen gebracht. Unter fortwährender Unterbrechung des Stromes, indem die
Drahtschlinge bald als kalte, bald als heiße Schlinge wirkt, wird die zusammen-
geschnürte Darmwandbrücke innerhalb der Umnähung allmählich durchtrennt und
eine sofort durchgängige seitliche Anastomose zwischen den beiden Darmabschnitten
hergestellt.
Auf diese Weise wurde bei zwei Hunden mit Erfolg die Darmresektion aus-
geführt. Eine Berührung mit Schleimhaut wird dabei vollständig vermieden. Die
Glühhitze muß stets nur kurz einwirken und gering sein, damit keine Nekrose der
Darmwand eintritt.
I. Vereinigung der Darmabschnitte End-an-End.
a. Mittels Murphyknopf.
Bei der Resektion des Darmes wird an jedem Ende des zu resezierenden Teiles
eine besonders breit konstruierte Darmquetsche angelegt, im Bereiche der gequetsch-
ten Partie der Darm jederseits zwischen zwei Ligaturen mittels Paquelin durch-
trennt. Jedes der leiden Darmenden ist durch einen Ligaturfaden verschlossen,
dessen Enden lang bleiben. Durch die verschließende Ligatur erhält das gequetschte
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1285
Darmende eine konische Form, hängt gewissermaßen wie ein Zipfel an dem ge-
sunden Darmabschnitte.
Nunmehr werden die Enden der Ligaturfäden durch das Lumen je einer
Knopfhälfte hindurchgezogen, bis der Darmzipfel selbst sich in die Knopflichtung
hineinschiebt. Dann wird jede Knopfhälfte nebst dem zugehörigen Darmzipfel in
das Lumen des gesunden Darmes hineingestülpt, invaginiert, eine Manipulation,
die sich bei der runden Form des Knopfes leicht ausführen läßt. Durch eine
schnell angelegte Schnürnaht wird jede Knopfhälfte in dieser Lage erhalten. Der
Knopf ist von einer doppelten Schicht der Darmwand umgeben, die innere Schicht
Fig. 4.
Fig. 5.
Gequetschte Darmpartie.
Knopfhälfte nach der
Rinst ülpung.
Knopfhälfte wandert über den Faden gegen den
Darmzipfel hin.
Beide Knopfhälften vereinigt.
ist jedoch durch die vorausgegangene Quetschung stark verdünnt, überall liegt
dem Knopfe Serosa an. Erst jetzt erfolgt, kurz vor der Vereinigung der in ihrer
Lage fixierten Knopfhälften, die Eröffnung des Darmlumens jederseits, indem man
mit einer feinen, leicht gebogenen Schere den in die Öffnung des Knopfes hinein-
1286 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48.
ragenden Darmzipfel unterhalb der Ligatur innerhalb der Knopflichte abschneidet.
Durch Einführung einer kleinen Kornzange oder dergleichen kann man sich von
der Eröffnung und Durchgängigkeit des Darmes vor dem Zusammenschieben der
Knopfhälften nochmals überzeugen.
Bei zwei Hunden wurde die Darmresektion in dieser Weise mit gutem Erfolg
ausgeführt. Bei einem der Hunde war bei einer später vorgenommenen zweiten
Darmresektion keine Spur einer Narbe mehr zu entdecken, welche auf die erste
Darmresektion hätte hindeuten können. Übernähungsnähte waren nicht gemacht
worden.
b. Mittels zirkulärer Naht (Zipfelmethode).
Es wird zunächst ebenso verfahren wie bei der vorigen Methode, die Resek-
tion unter Zipfelbildung und völligem Verschluß des Darmlumens ausgeführt. Dann
werden die beiden Zipfel mit den lang gebliebenen Ligaturfäden in den gesunden
Darm jederseits eingestülpt und nun die beiden Darmrohre, vom Mesenterial-
ansatze beginnend, durch einfache Lembertnähte zirkulär vereinigt. Bevor jedoch
die ringförmige Nahtreihe ganz vollendet ist, wird durch eine genügend große
Lücke derselben der eingestülpte Zipfel des abführenden Darmteiles an dem heraus-
hängenden Ligaturfaden wieder hervorgezogen, mit einer anatomischen Pinzette
gefaßt und dicht unterhalb der Ligatur abgeschnitten; der Rest des nunmehr er-
öffneten Zipfels wird in das Lumen des abführenden Darmrohres zurückgestülpt,
Schere und Pinzette werden beiseite gelegt.
Fig. 7. Fig. 8.
Einstülpung der Zipfel während
der zirkulären Naht.
Zipfelbildung.
In gleicher Weise wird der Zipfel des zuführenden Darmteiles hervorgezogen,
dicht oberhalb der Ligatur eine Fadenschlinge nach Art einer Schnürnaht hindurch-
gelegt. Die Fadenschlinge dient dazu, das Darmlumen auch nach Abschneiden der Li-
gatur noch geschlossen zu erhalten und mittels der daran befestigten Nadel, welche in
das Lumen des abführenden Darmrohres eingeführt und weiter unterhalb an belie-
biger Stelle der Darmwand wieder ausgestochen wird, auch den Zipfel des zuführen-
den Darmteiles in das Lumen des abführenden Darmrohres hineinzuziehen. Die zir-
kuläre Darmnaht wird danach vollendet und jetzt erst das Lumen des zuführenden
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1287
Darmteiles innerhalb des allseitig geschlossenen Darmrohres eröffnet, indem man die
Fadenschlingen an beliebiger Stelle durchschneidet und herauszieht. Die Ausstich-
öffnung wird mit einer Lembertnaht übernäht. Durch die doppelte Einstülpung
der beiden Darmzipfel in das abführende Darmrohr ist die vereinigende zirkuläre
Serosanaht vor jeder Berührung mit Darminhalt sicher geschützt. Die beiden ein-
gestülpten Darmzipfel verkleben schnell mit ihren einander zugekehrten Serosa-
flächen und wirken wie ein Ventil, das sich nur dem Zufluß von oben her öffnet.
Fig. 9.
zuführend abführend
Endgültige Lage der eröffneten Zipfel nach Vollendung der zirkulären
Serosanaht.
Nach dieser Methode wurde ebenfalls an zwei Hunden die Darmresektion er-
folgreich ausgeführt. Schon am 3.—4. Tage trat Defäkation. ein. Die Zipfel ver-
fallen der Nekrose und werden schließlich abgestoßen.
Genauere Beschreibungen der einzelnen Methoden müssen in der Original-
arbeit nachgesehen werden, die demnächst zur Veröffentlichung gelangen wird.
P. hält es für berechtigt, die elastische Ligatur in geeigneten Fällen bei der
Gastroenterostomie und Enteroanastomose auch am Menschen anzuwenden, ebenso
die angegebene Methode mit dem Murphyknopfe zu versuchen. Weitere Experi-
mente scheinen jedoch in mancher Beziehung noch wünschenswert.
(Selbstbericht.)
d. Haasler (Halle): Cholecystektomie und Hepatopexie.
H. beschreibt ein Operationsverfahren, das dazu dienen soll, die häufige Kom-
plikation des Gallensteinleidens, die partielle Hepatoptose, gleichzeitig mit dem
Steinleiden zur Heilung zu bringen.
So selten die totale Hepatoptose ist, so häufig ist die partielle, in ihren ge-
wohnlichsten Formen als Schniirleber, Riedel’scher Lappen, flottierender Lappen
bekannt. Auch ohne Vorhandensein von Gallensteinen können diese Ptosen Anlaß
zu Koliken mit Ikterus und Fieber geben. In anderen Fällen sind sie mit dem
Steinleiden selbst kombiniert. Da nun dem Gallensteinleiden gegenüber die Cyst-
ektomie mehr und mehr das operative Normalverfahren wird, so war H. bestrebt,
die Ektomie mit der Hepatopexie zu kombinieren, das Material zur Leber-
befestigung von der Gallenblase zu entnehmen. Dies geht in den Fällen, in denen
ein Mesenterium der Gallenblase vorbanden ist; wenn man in solchen Fällen noch
Serosalappen von der Gallenblase bildet, so erhält man bereits brauchbares Mate-
rial, noch besseres, wenn man die totale subseröse Auslösung der Gallenblase
(Witzel) ausführt.
Die bisherigen Methoden der Hepatopexie wählen zum Teil falsche Richtung
der Fixation, vielfach auch ungeeignetes Gewebe zur Befestigung. Die Richtung
muß nach der Stelle der festesten Fixation, nach der rechten Zwerchfellkuppe sein.
Nach diesen Gesichtspunkten schlug H. bei Gallensteinen und Hepatoptose
folgendes Verfahren ein: Subseröse Cystektomie, Lösung des Serosaschlauches an
der Kuppe, sorgfältige Gefäßschonung. Verwendung dieser Serosahülle als Liga-
ment: Stumpfes Durchgehen durch das Leberparenchym an einer Stelle, die nach
Ausdehnung und Form des beweglichen Lappens gewählt wird; Hindurchziehen
des Neoligamentes durch das Leberparenchym, Fixierung des Bandes bei seinem
1288 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48.
Austritt aus der Leberkapsel mit zwei starken Nähten am Rippenbogen (achter
Rippenknorpel), Ausbreiten des freien Endes des Bandes zwischen Leberkuppe und
Zwerchfell nach Anfrischen der Kapsel.
Das Band besitzt eine überraschende Festigkeit und Zugkraft, Schnürlappen,
die tief in der Fossa iliaca standen, konnten bequem in der Höhe des Rippen-
randes befestigt werden.
H. hat diese Operation bisher in fünf Fällen mit gutem Erfolg ausgeführt.
Die Indikation gibt die genannte Komplikation von Steinen der Gallenblase mit
partieller Hepatoptose, sowie auch Behinderung der Hepaticus- oder Choledochus-
drainage durch einen abnorm beweglichen rechten Leberlappen.
(Selbstbericht.)
e. Lichtenstern (Wien): Uber Funktionsstérungen der nach Nephr-
ektomie restierenden Niere.
L. (Abteilung Prim. Zuckerkandl) bespricht die Methoden der funktionellen
Nierendiagnostik und kommt zu dem Schluß, daß keine der Methoden ein abso-
luter Gradmesser für Nierenarbeit ist. Die Phloridzinmethode, in der Modifikation
von Kapsammer, versprach sehr viel, aber die klinischen Erfahrungen haben ge-
lehrt, daß ihr große Fehlerquellen anhaften. L. konnte am letzten Kongreß
in Meran durch klinische Beobachtungen wie durch Tierexperimente erweisen, daß
das rechtzeitige Auftreten von Zucker nach Phloridzininjektion kein Beweis für
Nierengesundheit sei; denn schwerkranke Nieren könnten die Reaktion rechtzeitig
zeigen. Haberer und Clairmont befassen sich in zwei jüngst erschienenen Ar-
beiten mit dieser Frage und sprechen der Methode Verläßlichkeit zu. Durch
diese Arbeiten veranlaßt, wurde eine größere Anzahl von nephrektomierten Pat.,
deren Operation Jahre zurückliegt, die sich dauernd vollkommener Gesundheit er-
freuen, deren Harnbefund vollständig normal ist, dieser Untersuchung unterzogen.
Es ließ sich der Beweis erbringen, daß bei diesen Pat., bei denen die eine Niere
in einwandsfreier Weise die Funktion für den ganzen Organismus übernommen hatte,
ebenfalls Atypien der Zuckerausscheidung vorkommen, daß Verzögerungen ein-
treten, daß die bei demselben Pat. zu verschiedenen Zeiten ausgeführten Versuche
verschiedene Resultate geben.
Diese Untersuchungen bestätigen noch einmal die früheren Befunde und zeigen,
daß die zeitliche Zuckerbestimmung nach Phloridzininjektion kein Reagens für
Nierenarbeit ist und deshalb eine für die Klinik unverläßliche Methode darstellt.
(Selbstbericht.)
f. Samter (Königsberg i. Pr.): Über traumatische Entstehung und
operative Heilung der Serratuslähmung.
Die traumatische Entstehung der Serratuslähmung (soweit sie nicht mit mehr
oder weniger ausgedehnten Plexuslähmungen kompliziert ist), ist bisher nicht ge-
nügend erklärt. S. hat an Leichen und bei Gelegenheit von Operationen (Mamma-
amputationen mit Achselhöhlenausräumung) Feststellungen gemacht, welche er-
gaben, daß der N. thoracalis longus durch den Proc. coracoideus gegen die
gegenüberliegende Rippe gequetscht wird, wenn das Schulterblatt nach
unten vorn und innen gegen den Thorax bewegt wird. Der qu. Nerv
kreuzt sich senkrecht mit dem Proc. coracoideus. Von Einfluß auf das Zustande-
kommen der Lähmung ist ersichtlich die Entwicklung des Fettpolsters hier und
der Muskelmasse des Serratus. Es erklärt sich so das Vorkommen bei schwäch-
lichen Personen. Da die obersten Zweige des Nerven nicht getroffen werden, so
wird die Angabe Steinhausen’s verständlich, daß die partiellen Lähmungen
häufiger als die totalen sind. Die Bedingungen für den geschilderten Mechanis-
mus sind gelegentlich auch intra partum gegeben (Herunterschlagen des Armes bei
Beckenendlagen:..
S. hat ein 12jähriges Mädchen operiert, bei welchem nach Ilmonatigem
Bestande vollständiger Funktionsausfall vorhanden war. Der Arm konnte knapp
bis zur Horizontalen erhoben werden; Flügelstellung besonders beim Vorwärts-
strecken des Armes; Schulterblatthochstand.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1289
Der Nerv wurde zunächst an der seitlichen Brustwand, sodann auch am Halse
freigelegt. Die faradische Reizung mit feinster Elektrode (nach Krause) ergab an
beiden Stellen, daß nur die obersten Zacken des Muskels reagierten. Die sterno-
kostale Portion des M. pectoralis major wurde an ihrer sehnigen Endigung vom
Oberarm abgelöst und, während der Arm eleviert wurde, am unteren Schulterblatt-
winkel angenäht, nach vorangegangener Anlegung von zwei Bohrlöchern an dieser
Knochenstelle. Nachbehandlung in elevierter Stellung (gegen Narbenretraktion).
12 Tage nach der Operation war völlige Wiederherstellung der
Funktion eingetreten, die bis jetzt andauert. Der Arm kann vertikal er-
hoben werden, der bedeutende Schulterblatthochstand ist verschwunden.
Der Ausfall der sternokostalen Portion des Pectoralis major am Arm ist ohne
Folgen für den letzteren geblieben.
Die Operation verspricht nicht bloß bei traumatischen und spontanen Läh-
mungen Erfolg, sondern auch beim angeborenen Defekte des Serratus, wofern der
Pectoralis major vorhanden ist, sowie bei manchen Fällen von angeborenem
Schulterblatthochstande.
Bei unblutiger Behandlung dürfte die Anwendung der Elevation des Armes
der Dehnung des gelähmten Muskels entgegenwirken.
Demonstration von Photographien vor und nach der Operation.
(Selbstbericht.)
g. Hirsch (Wien): Über isolierte, subkutane Frakturen einzelner
Handwurzelknochen.
Vortr. erörtert an der Hand von elf in der v. Mosetig’schen Abteilung
in Wien selbst beobachteten Fällen die Pathologie und Therapie dieser vor
der Röntgenära nicht gekannten Verletzung. Am häufigsten bricht das Os navi-
culare, nach Quervain fast ebenso oft als der Radius. Nach dem Verlaufe der
Bruchspalte unterscheidet Vortr. zwei Formen: 1) die Fraktur des Kahnbein-
körpers, die stets intrakapsulär verläuft, und 2) die bisher nicht beschriebene
Fraktur der Tuberositas ossis navicularis, dieextrakapsulär liegt. Die
extrakapsuläre Form heilt stets knöchern, bei der intrakapsulären kommt es zu-
meist zur Pseudarthrosenbildung mit schwerer Funktionsstörung. Die Gewalt-
einwirkung ist stets eine indirekte und findet auf die radial- oder ulnarflek-
tierte Hand statt. Nach dem Entstehungsmechanismus unterscheidet Vortr.
drei Formen: 1) den Kompressionsbruch, 2) den Biegungsbruch und
3) die Rißfraktur. ;
Die Symptome sind so charakteristisch, daB es bei einiger Ubung stets ge-
lingt, die Diagnose mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit zu
stellen; véllige GewiGheit bringt erst das Röntgenogramm. Das wichtigste Symptom
ist der auf die Tabatiére lokalisierte Bruchschmerz.
Die Therapie der extrakapsulären Frakturen besteht in Immobilisation der
Hand mit folgender Massagebehandlung; bei der intrakapsulären Form verzichtet
Vortr. auf knöcherne Heilung und sucht durch frühzeitige Bäder- und Massage-
behandlung eine gute Funktion zu erzielen. Bei schwerer Funktionsstörung oder
starker Dislokation der Fragmente kommt die operative Entfernung des fraktu-
rierten Knochens oder seines proximalen Fragmentes in Betracht.
Was die Fraktur des Os lunatum anlangt, konnte der Vortr. den wenigen
in der Literatur beschriebenen Fällen drei eigene hinzufügen; Frakturen der
übrigen Karpalknochen hat er nicht beobachtet. (Selbstbericht.)
Brigel (Stuttgart): Auf der chirurgischen Abteilung des Katbarinenhospitals
sind 8 isolierte Brüche des Os naviculare, 4 des lunatum, 2 des capitatum beob-
achtet, am Lunatum und Capitatum öfters nur Absprengungen festgestellt worden,
die — namentlich bei stärkeren Anstrengungen — erhebliche Beschwerden verur-
sachten. Es empfiehlt sich, solche röntgenographisch nachgewiesene Absprengungen
operativ zu entfernen.
Grashey (München) berichtet über verschiedene Frakturen von Handwurzel-
knochen, zum Teil kombiniert mit solchen der unteren Enden der Vorderarm-
1290 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48.
knochen aus der Münchener chirurgischen Klinik, die demnächst genau veröffent-
licht werden sollen. Die oft gute Heilung derselben mit Gebrauchsfähigkeit der
Hand spricht dafür, daß bei dauernden nachteiligen Folgen solcher Verletzungen
einer begleitenden Weichteilschädigung (Gelenkkapsel, Bänder) die wesentliche
Bedeutung zukommt. Auch isolierte Brüche der Fußwurzeilknochen, namentlich
des Os naviculare, scheinen häufiger zu sein, als man bisher annahm.
h. Bade (Hannover): Zur Lehre von der angeborenen Hüftverren-
kung.
B. berichtet erstens über drei Fälle von angeborener Hüftverrenkung, bei
denen die Ossifikationsvorgänge im Kopf derartige Anomalien darboten, daß B.
glaubt, in solchen seltenen Fällen die Ursache der angegebenen Hüftverrenkung in
einer schleichenden Erkrankung des Femurkopfes erblicken zu müssen.
Im ersten Falle fehlte der knöcherne Kopf, zu einer Zeit, wo er sonst schon
vollkommen gut ausgebildet ist. Im Laufe der Behandlung, nach 6 Monaten,
zeigten sich die ersten Spuren eines scheibenförmigen Kopfes auf dem Röntgen-
bilde. Im zweiten Falle schwand der vor der Behandlung deutlich sichtbare Kopf
bis auf einen ganz kleinen Rest. 1 Jahr nach der Behandlung war ein geringes
Größenwachstum des Kopfes wieder eingetreten, und zwar anscheinend von zwei
verschiedenen Ossifikationspunkten aus. In beiden Fallen war die Reposition ge-
lungen und blieb bestehen. — Im dritten Falle bestanden klinisch alle Zeichen
einer angeborenen doppelseitigen Hüftverrenkung ; röntgenographisch jedoch zeigte
sich nicht nur der knöcherne Kopf, sondern auch der größte Teil des Halses ge-
schwunden. Im letzten Falle war jeder Repositionsversuch umsonst.
Zweitens stellt B. 5 Kinder vor, die er anatomisch und funktionell geheilt
hat, und bespricht an der Hand dieser Fälle, die alle nicht ganz gleichartig be-
handelt waren, seine Behandlungsweise der angeborenen Hüftluxation:
1) Bei einseitigen Fällen kurze Verbandperiode von 3—5 Monaten, wenn die
primäre Stabilität eine gute ist, wenn sich das obere Pfannendach röntgenographisch
gut entwickelt zeigt, wenn keine abnormen Ossifikationsvorginge im Kopf und
Schenkelhals sich abspielen.
2) Länger dauernde Verbandperiode (5—7 Monate), wenn die Bedingungen
unter ]) nicht alle zutreffen. Ausgiebige Benutzung der Röntgenuntersuchung, um
die Stellung des Kopfes im Verband klarzulegen. Kniekappenzug, wenn der Kopf
weit vom Pfannengrund absteht und trotz Vermehrung der Flexionsstellung sich
nicht dem Pfannengrunde nähert. Der erste Verband umschließt das krankseitige
Knie. In den folgenden Verbänden wird das Knie gestrekt, die Abduktion all-
mählich verringert und Innenrotation eingestellt. Im ersten Verbande geht das
Kind nicht; ist das Knie gestreckt und innenrotiert, so geht das Kind im Ver-
bande mit einer entsprechenden Sohlenerhöhung auf der gesunden Seite.
3) Doppelseitige Luxationen behandelt B. zweizeitig, wenn die Kinder jung
sind und die Stabilität ungleichmäßig ist. Die Seite mit der besten primären
Stabilität wird zuerst behandelt, weil die Gefahr der Reluxation nachher, wenn
diese Seite die hohe Sohle tragen muß, die geringere ist.
Einzeitig behandelt er die doppelseitige Luxation, wenn die primäre Stabilität
eine gleichmäßige ist, und immer bei älteren Fällen. B. stellt ebenfalls eine ge-
heilte Destruktionsluxation vor, die er nach den aufgestellten Grundsätzen be-
handelt hat. (Selbstbericht.)
i. Lorenz (Wien): Behandlung des Malum senile coxae.
Die chronische deformierende Entzündung des Hüftgelenkes ist nach L. nicht
ein die ganze Dicke des Gelenkskörpers betrefiender Erweichungsprozeß, auf Grund
dessen die Formveränderungen entstehen. sondern vielmehr ein durch primäre Er-
krankung des Knorpels bedingter Oberflächenprozeß, der auf dem Wege zur De-
formierung führt, daß der degenerierte Knorpel den Knochen nicht mehr schützt,
dieser einerseits abgeschliffen wird, andererseits mit vitaler Reaktion (Sklerosierung)
antwortet, während andere, außer Funktion gesetzte Teile der Atrophie verfallen.
Der funktionelle Reibungsdruck verursacht Schmerz; die Rigidität des Gelenkes
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1291
und dessen schon frühzeitig nachweisbare Einstellung in Flexion und Adduktion
ist die Hauptursache des Hinkens. Die deformierende Gelenksentzündung bean-
sprucht deshalb erhöhtes Interesse, weil die Erfahrung zeigt, daß schon das mittlere
Lebensalter, ja sogar die Jugend einen nicht geringen Teil der Fälle liefert. Die
Behandlung wird zunächst je nach dem Alter der Pat. verschieden sein müssen,
sie wird energischer bei jugendlichen, konservativer bei älteren Pat. sein. L. be-
kennt sich als Gegner der schablonenhaften Anwendung der extendierenden
Schienenhülsenapparate, durch welche das Bein von jedweder Funktionsleistung
ausgeschaltet wird und unvermeidlich der Inaktivitätsatrophie verfällt, so daß der
Pat. schließlich wie ein Amputierter der Sklave seiner Krücke wird. Bei noch
verhältnismäßig jugendlichen Pat. ist eine so eingreifende Therapie durch das
Leiden kaum gerechtfertigt. Nach L. braucht das erkrankte Bein der Funktion
des Lasttragens gar nicht notwendig entzogen zu werden, es genügt vielmehr zur
Schmerzstillung die bloße Aufhebung der Reibung der Gelenkskörper gegen-
einander, was durch eine andauernde Fixierung des Gelenkes erreicht wird. Damit
wäre aber den Indikationen nur zur Hälfte entsprochen. In der Flexions-, Adduk-
tionsstellung hat das Gelenk die geringste innere Festigkeit, da alle Verstärkungs-
bänder der Kapsel in dieser Stellung erschlafft sind und die atrophische, pelvi-
trochantere Muskulatur nicht einmal imstande ist, das Becken auf dem krankseitigen
Standbeine horizontal zu balanzieren, geschweige die Gelenkskörper zu stützen.
Das Gelenk muß daher in jene Stellung überführt werden, bei welcher es die
größte innere Festigkeit Belastungswirkungen gegenüber aufbringt. Diese Stellung
ist nach L. in erster Linie eine ziemlich starke Überstreckung, durch welche die
mächtigsten Verstärkungsbänder des Hüftgelenkes, sowie die Flexionsmuskulatur
zur Anspannung gelangen und dadurch das Gelenk festigen; in zweiter Linie steht
die Überführung der Adduktionskontraktur (nach L. das perpetuierte Trendelen-
burg’sche Phänomen) in leichte Abduktion bis etwa zum beiläufigen Ausgleiche
der eventuellen Verkürzung. Der kurze, bis zum Knie reichende Verband erlaubt
aktive Abduktionsübungen durch nach abwärts Stoßen und in die Höhe ziehen des
gesundseitigen Beines. Nach mehrmonatiger Fixation folgt gymnastische und
Massagebehandlung mittels aktiver und passiver Abduktion und Uberstreckung.
Der Fixierung dient nunmehr eine abnehmbare Hüfthülse, welche, mit L.'scher
kontralateraler Tuberstütze versehen, die Beckensenkung beim Auftreten auf das
krankseitige Bein (Rezidive der Adduktion) verhindert. Schließlich gehen die Pat.
unter Fortsetzung ihrer Übungen allmählich auch ohne Apparat. Der Vorteil dieser
Behandlung ist Einfachheit, Wegfall der schädlichen totalen Funktionsausschaltung
ıles Beines, wodurch dem Pat. das deprimierende Gefühl der Krüppelhaftigkeit er-
spart bleibt. Bei funktioneller Ankylose der Kontrakturstellung ist die subtrochan-
tere Osteotomie das am schonendsten zum Ziele führende Korrektionsmittel. Die
Gelenksresektion verwirft L. unter allen Umständen, da ihr einziges Resultat
‘Stellungskorrektur) auf weit einfacherem Wege (Osteotomie) ohne die langwierige
Nachbehandlung erreichbar ist. Bei alten Leuten wird sich die Therapie auf Fixie-
rung des Gelenkes in pathologischer Stellung, wenn nötig auf die Anwendung der
Entlastangsapparate zu beschränken haben. Doch kann die Osteotomie selbst in
solchen Fällen manchmal noch gerechtfertigte Anwendung finden.
(Selbstbericht.)
Bade (Hannover): Auf Grund von Röntgenbildern hat man zu unterscheiden
hypertrophische und atrophische Formen von Arthritis deformans coxae. Beide
lassen sich wieder einteilen in homozentrisch und exzentrisch hypertrophische und
atrophische Formen, je nachdem Ausbildung oder Schwund von Knochensubstanz
die Form des koxalen Oberschenkelendes vermindert oder unbeeinflußt läßt. Die
Verschiedenartigkeit und Gegensätzlichkeit dieser Formen läßt auf eine verschie-
dene Atiologie schließen.
Bei der Arthritis deformans des Hüftgelenkes wendet B. sogenannte entlastende
Schienenhülsenapparate schon seit 6 Jahren nicht mehr an, weil sie den Pat. zum
Sklaven des Apparates machen, nicht nützen, nur schaden durch Muskel- und
1292 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48.
Knochenatrophie. Er wendet systematische Gymnastik, Massage, Heißluft an und
empfiehlt das Radfahren.
Tilmann (Köln) empfiehlt bei alten Leuten Heißluftbehandlung.
k. Guradze spricht über Behandlung des Genu valgum.
Unter Betonung, daß es sich um eine Deformität des ganzen Beines handle,
demonstriert Vortr. an Knochenpräparaten und Röntgenbildern die Veränderungen
in Diaphysen und Epiphysen, sowie die von J. Wolff studierten Knochenstruktur-
verhältnisse. Am Knochenpräparate ließ sich die Torsion von Oberschenkel und
Tibia, sowie der kompensatorische Pes varus gut veranschaulichen. Sodann folgte
an der Hand von Photographien eine große Anzahl behandelter Fälle, welche mit
Schienen oder Schienenhülsenapparaten bzw. redressierenden Verbänden oder
lineärer Oberschenkelosteotomie behandelt waren. — Besondere Besprechung erfuhr
der Fall eines 10jährigen Mädchens, welches bei einer Größe von 112,5 cm einen
Fersenabstand von 32 cm (ungefähr 1/3 ihrer Größe) aufwies. Hierbei traten der-
artig starke Veränderungen in den Hüften und den Oberschenkeln im Sinne der
Torsion zutage, daß die Pat. mit leichter Mühe die Beine so nach außen herum-
drehen konnte, daß der Fuß nicht nur senkrecht nach hinten, sondern von da aus
nach innen in die Frontalebene gedreht werden konnte. — Behandlung: Doppel-
seitige lineare Oberschenkelosteotomie. Das Resultat nach 2 Monaten: Knie und
Knöchelschluß; dabei war das Kind in der entsprechenden Stellung um 91/3, cm
größer geworden und konnte die Beine nunmehr nur noch in ganz normalen
Grenzen nach außen rotieren. (Selbstbericht.)
Schultze übt seit Jahren die lineäre Osteotomie von außen, verbindet aber
zunächst — nach Deutschländer — in der alten X-Beinstellung und korrigiert
diese erst nach 10 Tagen unter Anlegung eines Gipsverbandes. Ob im ersten De-
zennium redressiert oder die blutige Operation ausgeführt werden soll, richtet sich
nach der Festigkeit des Knochens.
Lorenz (Wien): Für die Voranwendung des Condylus int. ist nicht nur die
Torsion der Knochen, sondern mehr noch die Außenrollung der Hüfte verantwortlich
zu machen, durch die der Deformitätswinkel aus der frontalen in eine mehr sagit-
tale Stellung gebracht und die Deformität, wenn sie beidseitig auftritt, einer beid-
seitigen Kniekontraktur ähnlich wird. Die Außenrollung des Hüftgelenkes ist auch
die Ursache des scheinbaren Schwindens des Genu valgum beim Sitzen des Pat.
L. empfiehlt im allgemeinen die lineare, subkutane, suprakondyläre Ostetomoklasie,
eine Verbindung der inkompletten Osteotomie mit unmittelbar darauf folgender
Osteoklase. Sie wird oberhalb des Condylus ext. gemacht, damit das Periost am
Condylus int. erhalten und dadurch sekundären Verschiebungen der Knochen-
trennungsflächen vorgebeugt wird.
Bade (Hannover): Mit der lineären Osteotomie kommt man selbst beim hoch-
gradigsten X-Bein aus. B. erwähnt einen doppelseitigen Fall, bei dem der Abstand
der Malleoli interni 90 cm betrug. Der Winkel, den beide Unterschenkel bildeten,
maß 125°. Die Pat. war 10 Jahre nicht mehr gegangen. Einfache Osteotomie
— keine Keilosteotomie — brachte vollständige Korrektur.
B. glaubt, daß die in Deutschland so selten geübte Osteoklasie dann häufiger
geübt werden würde, wenn uns bessere Osteoklasten zur Verfügung ständen.
l. v. Aberle (Wien): Über das modellierende Redressement des
Klumpfußes Erwachsener.
v. A. führt das unblutige, modellierende Redressement selbst bei den hoch-
gradigsten Klumpfüßen Erwachsener (22—40 Jahre) aus und demonstriert die er-
reichten Resultate sowohl an einem Pat., als auch an der Hand von Gipsmodellen,
die vor und nach der Operation abgenommen wurden. Nur muß die Operation
unter bestimmten Kautelen ausgeführt werden. v. A. spricht sich entschieden
gegen die Anwendung der namentlich beim inveterierten Klumpfuß empfohlenen
blutigen Operationsverfahren (Talusexstirpation, Keilosteotomie) als verstümmelnde
Operation aus, während durch das unblutige Verfahren eine fast normale Länge
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1293
des Fußes erzielt wird. Das Redressement ist erst dann als vollendet zu betrach-
ten, wenn der Fuß zu einem ausgesprochenen Plattfuß geworden ist. Für gewöhn-
lich wird das Redressement in zwei Sitzungen ausgeführt. Auf unblutige Art läßt
sich in jedem, auch noch so schweren Fall ein sowohl kosmetisch als funktionell
gleich gutes Resultat erzielen. (Selbstbericht.)
Müller (Stuttgart) empfiehlt für den Erwachsenen bei Klumpfuß Keilexzision
aus dem Tarsus. Die Behandlung dauert nur 6—8 Wochen — statt 4 Monaten —
und erfordert nur eine Narkose. Wenn der Fuß durch sie auch verkürzt wird, so
erhält er doch eine schöne Form, zeigt keine seitliche Abweichung, gestattet Auf-
treten mit der vollen Sohle und Abwickelung. Der Pat. Aberle’s tritt in Calca-
neusstellung auf.
Schultze ist gegen blutige Behandlung. Das Redressement wird stets mit
Lorenz’ Östeoklast eingeleitet und die Equinusstellung mit dem Osteoklasten
Schultze abgeschlossen, womit die Korrektur eine vollständige wird. Grundsatz
muß sein: wachsweich mobilisieren, den Sinus Tarsi ausmodellieren, in Über-
korrektur fixieren.
18) Lynch. A few wounds observed during the japanese russian war.
(Post-graduate 1906. August.)
Verf., amerikanischer Militärarzt, hat eine Anzahl der in Japan selber befind- -
lichen großen Lazarette besucht und macht hier von den Eindrücken Mitteilung,
welche er dort erhalten hat.
Auffallend war die große Zahl der durch Schrapnellgeschosse Verletzten: 12 bis
18% aller Verwundeten, die in Behandlung gekommen sind, gehörten dieser Kate-
gorie an. Derartige Wunden vereiterten fast immer, oft fanden sich in den Wunden
Fremdkörper, die das Geschoß mitgerissen hatte.
82 bis 85% aller Verwundungen waren durch Infanteriegeschosse erzeugt. Das
japanische Geschoß ist nach des Verf.s Ansicht etwas zu human, das russische da-
gegen mit seinem größeren Kaliber und seinem weniger festen Mantel wird leicht
deformiert, oft schon vom Knochen des getroffenen Gliedes, und macht viel ernstere
Wunden.
Unter den ersten 1000 Operationen im Lazarett zu Hiroshima waren allein 102
wegen Gefäßverletzung, fast durchweg mit Aneurysmenbildung.
An der Hand einer Reihe von guten photographischen Aufnahmen demon-
striert Verf. einige bemerkenswerte Verletzungen, zunächst ein Aneurysma der Art.
subclavia, dann einen Pat. mit drei Gewehrschüssen; der erste hatte als tiefer
Schädelstreifschuß zur Eiterung Veranlassung gegeben, der zweite vom Nabel bis
zur Wirbelsäule den Leib durchdrungen und eine Lähmung des linken Beines her-
vorgerufen, der dritte vom rechten Schlüsselbein bis zum Schulterblatt die
Lungenspitze durchbohrt; alle diese Verletzungen hat der Getroffene überstanden.
Hieb- und Stichwunden machten kaum 1% der Gesamtzahl aus.
Weitere Abbildungen gibt Verf. von einem in den Schädel eingedrungenen,
aber noch zum Teil aus ihm hervorragenden Infanteriegeschoß, von schwerster
explosionsartiger Zerstörung der unteren Gesichtspartie durch Nahschuß mit In-
fanteriegeschoß, endlich von zwei Fällen von Hirnbrüchen.
Diese seine Erfahrungen veranlassen den Verf., vor allzu eifrigem Operieren
bei Hirnschüssen nachdrücklich zu warnen. Es waren eine ganze Reihe von Ver-
letzten vorhanden, die von russischen Arzten wegen dieser Indikation alsbald tre-
paniert ‚worden waren; dadurch aber war zu vielen Hirnvorfällen Veranlassung ge-
geben worden.
Zwei Fälle von schwerster Zerschmetterung vom Bein bzw. Fuß durch Hand-
granate bzw. Infanterienahschuß verfielen der Amputation.
Dasselbe war bei einer ganzen Reihe von Erfrierungen der Gliedmaßen nötig,
die besonders an verwundeten Gliedern oft zur Beobachtung kam.
Im Januar 1905 sind Amputationen wegen Erfrierung bei 1200 bis 1600 japa-
1294 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48.
nischen Soldaten ausgeführt worden. Mehrere Abbildungen zeigen Beispiele
dieser Art. W. v. Brunn (Rostock).
19) Libman. On some experiences with blood-cultures in the study
of bacterial infections.
(John Hopkins hospital bulletin 1906. Juli.)
Verf. hat das Blut von über 700 Personen, die entweder an bakteriellen In-
fektionskrankheiten litten oder einer solchen verdächtig waren, auf die Anwesen-
heit von Bakterien hin untersucht. Er berichtet hier nicht über das gesamte Ma-
terial, sondern nur über einige der Beachtung werte Untersuchungsresultate.
Im allgemeinen wurden jedesmal 25 ccm Blut entnommen.
Zur Züchtung der Bakterien bediente sich Verf. verschiedener näher beschrie-
bener Modifikationen eines Peptonbouillonagars, sowie eines Serumagars und eines
Glukoseserumnährbodens.
68mal fand er Streptokokken, besonders in Fällen, wo die Infektion von den
Mandeln, den Ohren, vom Harn-Geschlechtsapparat ihren Ausgang genommen
hatte; auch in Fällen von Wundeiterung traumatischen Ursprunges, oft bei Endo-
karditis, in einem Falle von Erythema nodosum, sowie bei mehreren Fällen von
Mischinfektion waren Streptokokken im Blute nachweisbar.
Mikrokokkus aureus fand sich 28mal, besonders oft bei Osteomyelitis, dann
bei Furunkeln und Phlegmonen, 2mal auch — eine seltene Beobachtung — bei
. Puerperalfieber.
Die Befunde von Staphylokokkus albus im Blute sind dem Verf. selbst inso-
fern etwas zweifelhaft, als es ihm mehrfach begegnete, daß er bei der einen Unter-
suchung Staphylokokkus albus, aber vielleicht schon am folgenden Tage Staphylo-
kokkus aureus aus dem Blute desselben Kranken züchten konnte.
4mal fand sich der Pneumokokkus in Fällen, die mit Pneumonie selbst nichts
zu tun hatten, 2mal bei Endocarditis acuta, 1mal bei einer Zeheneiterung, 1mal
bei einer Eiterung der Nasennebenhöhlen mit Hirnabszeß.
Mikrokokkus citreus konnte in einem Falle sowohl im Blut als auch im
Knochenmark eines Pat. mit Osteomyelitis nachgewiesen werden. — Bacillus pyo-
cyaneus fand sich einmal zugleich mit Mikrokokkus aureus in einem tödlich endi-
genden Falle. — Bei einem Falle von Cholecystitis beherbergte das Blut einen
Parakolonbazillus. — Bacillus proteus fand sich zugleich mit Streptokokken in
einem Falle von Urämie. — Bakterium coli war im Blut eines Kranken nach
Urethrotomia int. vorhanden. — Einigemal wurden in geeigneten Fällen Anaeroben-
kulturen angelegt, aber ohne Erfolg. — Alle Fälle mit mehreren Bakterienarten
im Blut endigten tödlich.
In 25 Fällen von Peritonitis aus verschiedenen Ursachen war das Blut steril.
In sieben sicheren und drei wahrscheinlichen Fällen von Pylephlebitis war das
Blut ebenfalls stets frei von Keimen. Dagegen waren bei Fällen von Infektion
im Bereiche des weiblichen Geschlechtsapparates die Befunde meist positiv; um-
gekehrt kamen aber auch einzelne Fälle schwerster Erkrankung mit zahlreichen
Metastasen vor, wo niemals Bakterien im Blute gefunden wurden. Ebenso war es
mit den Eiterungen otitischen Ursprunges.
Eine Reihe von Kranken mit Pseudoleukämie, mit multipler obliterierender
Endopblebitis, Landry’scher Paralyse, febriler Neuromyositis, akuter Leukämie
hatten keine Bakterien im Blute. — Groß ist das Material bezüglich der Endo-
karditis; hier war der Befund sehr oft positiv: Streptokokken, Pneumokokken,
Mikrokokkus aureus, zweimal auch Gonokokken.
Verf. geht noch sehr ausführlich auf eine kritische Besprechung darüber ein,
welche Ursachen in den einzelnen Fällen dazu beigetragen haben können, den Be-
fund positiv bzw. negativ zu gestalten, und schließt mit einer Zusammenstellung
der aus seinem Materiale zu entnehmenden, aber nur mit äußerster Vorsicht zu
verwertenden diagnostischen Anhaltspunkte, welche eine bzw. eine mehrfach wieder-
holte Blutuntersuchung zu geben vermag.
Literaturverzeichnis von 53 Nummern. W. v. Brunn (Rostock).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48. 1295
20) Lancereaux. Les andvrismes des gros vaisseaux, étiologie et
pathogénie, leur traitement par le sérum gelatine.
(Gaz. des hopitaux 1906. Nr. 73.)
L. halt die Gelatineinjektionen nach wie vor fiir die beste Behandlung der
inoperablen Aneurysmen. Bei ca. 1200 Injektionen hatte er nie Übelstände ge-
sehen. Eine keimfreie Lösung könne bei richtiger Technik stets erzielt werden.
(Einzelheiten dieser Technik werden nicht angeführt.) Die Zahl der für den Einzel-
fall notwendigen Injektionen von 200 g 2,5—3,dxiger Gelatinelösung betrug bis
30 in 5—6tägigen und längeren Intervallen. V. E. Mertens (Breslau).
21) S. Teufel (Sarajevo). Ein Fall von Hämoglobinurie und Nephritis
nach Injektion mit Jodoformemulsion.
(Liecnicki viestnik 1906. Nr. 2. [Krostisch.))
Bei einem 6jährigen Madchen wurde am 27. Marz 1905 in Preindlsberger’s
Abteilung ein perikoxitischer kalter Abszeß punktiert und 40 ccm 10xiger Jodo-
formemulsion injiziert. Nachmittags blutiger roter Harn (akute Hämoglobinurie).
Um 5 Uhr Inzision und Entleerung der noch vorhandenen Emulsion. Am 30. März
verschwanden aus dem Urin die Blutbestandteile, das Eiweiß jedoch erst am
13. April.
Da keine Anzeichen von Jodoformintoxikation vorhanden waren, so nimmt
Verf. als das Wahrscheinlichste an, daß es sich um eine Glyzerinvergiftung gehan-
delt hat und empfiehlt, Olivenöl statt Glyzerin zur Bereitung der Jodoformemulsion
zu benützen. v. Cackovit (Zagreb-Agram).
22) 8. Teufel (Sarajevo). Nephritis mit letalem Ausgang infolge
wiederholter Chloroformnarkosen.
(Liecnicki viestnik 1906. Nr. 2. [Kroatisch.))
Der 21jahrige Pat. wurde in seinem Arbeiterspital am 26. und 27. März nar-
kotisiert, um eine Hiiftverrenkung zu reponieren. Als dies nicht gelang, wurde
er ins Landesspital nach Sarajevo transportiert, und dort am 29. März von
Preindlsberger in Narkose mit Schleich’schem Siedegemisch die Verrenkung
reponiert. Am 30. März im auffallend blutigroten Urin zahlreiche rote und weiße
Blutkörperchen, hyaline und gekörnte Zylinder, deutlich Eiweiß, das immer mehr
zunimmt (8—129/9 Essbach). Der Zustand verschlimmert sich zusehends, am
22. April urämische Krämpfe, am 23. April Tod. — Bei der Sektion wurde eine
schwere beidseitige parenchymatöse und interstitielle subakute Nephritis vorge-
funden.
Verf. nimmt als Ursache der Nephritis die drei schnell aufeinander folgenden
Narkosen an. Die Möglichkeit, daß schon früher eine Nephritis bestanden hätte,
ist ihm nicht wahrscheinlich, da ein Pat. mit dieser Krankheit nicht imstande ist,
schwere Waldarbeit \Holzfällen usw.) zu verrichten. Hat aber dennoch eine solche
Krankheit bestanden, so ist die schnelle Verschlimmerung und der Tod den wieder-
holten Narkosen zuzuschreiben. Verf. warnt daher vor wiederholten Narkosen in
kurzen Zwischenräumen. v. Cackovié (Zagreb-Agram).
23) Cobb. Primary sarcoma of the omentum.
(Annals of surgery 1906. Juli.)
Verf. beschreibt einen Fall von primärem Sarkom des Netzes. Es handelte sich
um eine Frau, welche unter Leibschmerzen und den Anzeichen chronischer Ver-
stopfung erkrankt war. Bei der Laparotomie erwies sich die Geschwulst als nicht
operabel; es wurde ein Stück exzidiert und mikroskopisch die Diagnose auf Rund-
zellensarkom gestellt. Die in der Literatur veröffentlichten Fälle werden be-
sprochen; C. kommt zu dem Schluß, daß es primäre Karzinome des Netzes nicht
gebe, sondern daß diese primären Geschwülste stets Sarkome seien. Karzinome
kämen nur sekundär, und zwar meistens im Anschluß an Ovarienkarzinome vor.
Herhold (Brandenburg).
1296 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 48.
24) L. Kirchmayr. Zur Pathologie und Therapie des Milzabszesses.
Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXIII. p. 13.)
K. berichtet aus der Büdinger’schen Krankenhausabteilung in Wien über
einen glücklich operierten Fall von Milzabszeß, der nach Ablauf eines leichten
Typhus entstanden war und in seinem Eiter Typhusbazillen enthielt. Die Diagnose
war relativ frühzeitig möglich und stützte sich auf plötzliche, hohe Temperatur-
steigerungen, sowie eine eigenartige kuppenförmige Dämpfung an der unteren
linken Pleuragrenze. Dabei bestand aber freie Beweglichkeit der Lungengrenze
ohne pleuritisches Reiben und Exsudat, auch ohne wesentliche Schmerzen. Nach-
dem auch eine Probepunktion mit positivem Resultate vorgenommen, fand die
Operation zweizeitig auf transthorakalem Wege statt. Resektion der 10. und
11. Rippe, Eröffnung der ganz normalen Pleurahöhle, durch die man auf dem
Zwerchfell eine fluktuierende Vorwölbung gewahrt. Vernähung der Rippenpleura
mit der Zwerchfellpleura jenseits dieser Vorwölbung, Wundtamponade 4 Tage
später nach eingetretener pleuritischer Verklebung Inzision der Vorwölbung und
Entleerung des Abszesses nebst einem Milzsequester aus einer über hühnereigroßen
Milzhéhle. Gazedrainage, allméhliche Ausheilung durch Granulation in 12/3; Mo-
nsten. Bezüglich der klinischen Details, speziell betreffs der Leukocytenzählung,
die übrigens nichts Besonderes ergab, sowie der genauen bakteriologischen Eiter-
untersuchung wird auf das Original verwiesen. Letzteres geht in der Allgemein-
besprechung auch gründlich auf die die Milzabszesse und posttyphösen Eiterungen
betreffende Literatur ein, die in einem 54 Nummern zählenden Verzeichnis zusam-
mengestellt ist. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
Berichtigung.
In dem Referat von Grosse (Kassel): »H. Ladenburger, Operationen an Säug-
lingen« findet sich der Satz: Weiter betont Verf. die Schwierigkeit des Sauberhalltens
des Verbandes, besonders wegen der Spannungsverhältnisse der zu vereinigenden
Werchtetle.
In der Arbeit heißt es: Bei der Unmöglichkeit, den Verband vor Beschmuizung
zu schützen, müssen wir bei Versorgung der Wunde anders vorgehen als bei Er-
wachsenen. Schon bei der Wahl der Operationsmethode und bei der Operation selbst
muß darauf Rücksicht genommen werden, möglichst rasch verklebende Wunden xu
setzen. Wir werden alle komplizierten Methoden vermeiden, die Gewebe möglichst
schonen. .....und uns hüten, Nähte unter starker Spannung anzulegen.
Der Schlußsatz im Referat lautet: Zum Schluß teilt Verf. zwei Operationen
an Säuglingen (Exstirpation eines 31/, Pfund schweren embryonalen Ntierensarkoms
bei einem jährigen Kinde und Radikaloperation eines Nabelschnurbruches 5 Stunden
nach der Geburt) mi, die beide tödlich verlaufen sind.
Vom Tode des Kindes mit der Bruchoperation steht in der Arbeit überhaupt
nichts. Das Kind mit dem Nierensarkom ist 1/4 Jahr nach der Operation an Me-
tastasen gestorben.
Die Arbeit sollte zeigen, daß auch außerhalb von Krankenanstalten unter
schwierigen Verhältnissen eingreifende Operationen an Säuglingen gemacht werden
können. Ich lege deshalb Wert darauf mitzuteilen, daß beide Operationen gut rer-
laufen sind.
Mannheim, Oktober 1906.
Dr. H. Ladenburger.
Berichtigung. In Nr. 41 p. 1094 Z. 20 v. u. lies Dauwe statt Darewe.
a
Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdruoke wolle man
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser WilhelmstraGe 115), oder an die Verlags-
handlung Breitkopf & Härtel, einsenden.
Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig, Nürnbergerstraße 36/38.
Zentralblatt
CHIRURGIE
herausgegeben
f, vol 8 X i König, E. Richter,
Dreiunddreißigster Jahrgang.
Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei halbjähriger
Vorauszahlung, Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.
Nr. 49. Sonnabend, den 8. Dezember. 1906.
Inhalt: C. Springer, Zur Peritonealplastik mit isolierten Netzstücken. (Orig.-Mitteilg.)
1) Homberger, Venöse Hyperämie. — 2) Pease, Tetanus. — 3) König, Knochen- und
Gelenktuberkulose. — 4) Bade, Angeborene Mißbildungen. — 5) Deutschländer, 6) Ranzl,
Knochenbrüche. — 7) Poulsen, Radiusbruch.
W. v. Brunn, Zwei seltene Luxationen. (Original-Mitteilang.)
8) Talma, Leukocytosepyämie. — 9) Pfeiffer, Maligne Lymphome. — 10) Biake, Tetanus.
— 11) Kettner, Kleinkaliberschußverletzungen. — 12) M. v. Brunn, Knochenbrüche im
Röntgenbilde. — 13) M. v. Brunn, Ostitis fibrosa. — 14) Zumsteeg, Diaphysentuberkulose.
— 15) Kocher, Knochensarkome. — 16) Müller, Knochencysten. — 17) Dubulaboux, Schar-
nier-Gipsschienen. — 18) Pagliano, 19) Marie u. Léri, Spondylosis rhizomelica. — 20) Hart-
mann, Oberarmhalsbruch. — 21) Eichel, Naht der A. brachialis. — 22) Wiesmann, Doppel-
seitiger Bicepsriß. — 23) Schnurpfell, Verreukung eines Interphalangealgelenkes des Klein-
fingers. — 24) Timofejew, Ödem an Hand und Fuß künstlichen Ursprunges. — 26) Saxl,
Abduktionskontraktur der Hüfte; der Gang bei Quadricepslähmung. — 26) Mc Gregor, Throm-
bose der V. iliaca ext. — 27) Miller, Varicen des Beines. — 28) Poper, Lymphcyste des
Oberschenkels. — 29) Grohe, Absprengung eines Stückchens Oberschenkelkopf. — 30) Müller,
Biegungsbrüche. — 31) Sonntag, Schienbeinbrüche. — 32) Macartney, Zerreißung der
Achillessehne. — 33) Schambacher, Geschwulst des N. peroneus. — 34) Reich, Gebrauchs-
fähigkeit der Amputationsstümpfe des Unterschenkels.
Zur Peritonealplastik mit isolierten Netzsticken.
Bemerkungen zu dem gleichnamigen Aufsatze von Dr. Girgol aff
in Nr. 46 dieses Blattes.
Von
Dr. Carl Springer,
Privatdozent für Chirurgie in Prag.
Auf Grund ganz analoger Versuche, gleichfalls an Hunden vor-
genommen, erlaube ich mir, dem Aufsatze Girgolaff’s einige Aus-
führungen hinsichtlich der praktischen Anwendung ungestielter Netz-
lappen anzuschließen. Ich halte die praktische Brauchbarkeit
derselben für nur in sehr engen Grenzen gegeben und den
49
1298 Zentralblatt fiir Chirurgie. Nr. 49.
Satz Girgolaff’s, daß wir die Möglichkeit haben, Einge-
weideverletzungen mit Netz zu bedecken, ohne daB es zu
irgendwelchen Verwachsungen kommt, nach meinen Experi-
menten an etwa 15 Hunden zu weitgehend. Diese Experimente
stellte ich bereits vor 2!/, Jahren an. Ich hoffe nicht in den Ver-
dacht einer Prioritätsanfechtung gegenüber Girgolaff zu kommen,
wenn ich dies hier als Grundlage meiner Ausführungen hervorhebe;
eine solche liegt mir um so Sicherer fern, als die Idee der ungestielten
Netztransplantation schon vor längerer Zeit von Senn in die Tat
umgesetzt wurde.
Ich kann die Versuchsergebnisse Girgolaff’s, soweit sie sich
auf die ausgedehnte Überpflanzungsfähigkeit losgeschnittener Netzteile
beim Hunde beziehen, ohne weiteres bestätigen.
Ich habe normalen und gequetschten Darm, eine Gastroentero-
stomie nach Wölfler, Darm- und Leberresektionstellen mit Netz-
lappen bedeckt und diese exakt anheilen sehen, ich habe das ganze
Netz abgetrennt, frei in die Bauchhöhle versenkt und es in toto an
der vorderen Bauchwand angewachsen gefunden, ich habe mich gleich-
falls durch Farbstoffinjektion von der reichlichen Vaskularisation der
überpflanzten Lappen überzeugen können. Ich möchte aber schon
diese Tatsache nicht ohne weiteres als ausnahmslos gültig auf das nur
zu oft reichlichen Fetteinsatz bergende menschliche Netz übertragen
und würde mich hüten, ohne weiteres das zentimeterdicke Netz eines
fetten Menschen ungestielt überpflanzen zu wollen, nur darum, weil
mir das papierdünne Netz des Hundes glatt anheilte. Fettgewebe
wird leicht nekrotisch; Hautlappen befreien wir auch von ihm, ehe
wir sie überpflanzen.
Aber auch schon bei dem Experiment an Hunden sind die Folgen
der Überpflanzungen nichts weniger als einladend zur Übertragung in
die praktische Chirurgie. Die Nachteile sind:
a. es bilden sich ausgedehnte peritoneale Verwachsungen;
b. sie geben keinen absoluten Schutz gegen Perforation des Dar-
mes, falls man damit unsichere Nähte decken will, und das wäre ja
der größte Wert solcher Überpflanzungen.
Ada.: Girgolaff selbst bemerkt, daß er mit den Verpflanzungen
auf den Dünndarm weniger glücklich war. Ich überpflanzte haupt-
sächlich auf den Dünndarm, da er das wichtigste Gebiet für diese
Plastik wäre, und sah bei dem glattesten Verlaufe ausgedehnte Ad-
häsionsbildungen. Beigesetzte Abbildung zeigt das Sektionspräparat
eines 17 Tage post operationem nach reaktionslosem Verlaufe getöteten
Hundes, bei dem ich eine intakte Dünndarmschlinge mit einem un-
gestielten Netzlappen eingehüllt hatte. Man sieht bei a die überdeckte
Dünndarmschlinge mit der fest angeheilten Netzauflage, bei 5 aber
die ausgedehnten bandförmigen Adhäsionen, die sie mit der Nachbar-
schaft verbinden. (Die Adhäsionen bei c fallen nicht ihr, sondern
dem zentralen Netzstumpfe zur Last.) Solche Adhäsionen bieten
natürlich auf die Dauer für die ungehinderte Passage im Darm eine
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 1299
arge Gefahr. Ich sah sie nicht nur am Dünndarm entstehen, auch
nach der Überpflanzung auf Magen und Leber; am Dünndarm ent-
stehen sie fast immer, und gerade am Dünndarme wäre ihre Anwen-
dungsmöglichkeit ein großer Gewinn. Welche Beruhigung gewährte
es doch, nach Resektionen wegen Inkarzeration der Nahtstelle noch
ein sicherndes Futteral mitgeben zu können.
Ad b.: Aber dieses Futteral ist nur dann verläßlich, wenn dar-
unter keine Nekrose oder Dehiszenz des Darmes eintritt, und es leistet
stärkerem Druck in den ersten Stunden keinen verläßlichen Wider-
stand. |
Solange ich mit gebräuchlicher exakter Technik bei Darmresektion
die Zweietagennaht anwandte und darauf Netz pflanzte, verlor ich
keinen Hund, außer durch die Narkose (ich mußte aus äußeren Grün-
den mit Chloroform narkotisieren). Ich versuchte dann einmal eine
absichtlich nicht sehr exakte, einfache, zirkuläre Naht bei Resektion
und deckte sie mit ungestieltem Netz; der Hund ging an Perforation
der Naht zugrunde, der Netzlappen war abgehoben.
An einem anderen Hunde machte ich eine side-to-side-Anastomose
des Dünndarmes, letztere durch einfache, zirkuläre, durchgreifende,
gut abschließende Naht; die Darmstümpfe durchquetschte ich mit dem
Enterotrib, band die papierdünne Serosa-muscularis-Manschette ein-
fach mit Seide ab, ohne diese Ligatur einzustülpen, und deckte dies
mit einem genau fortlaufend angenähten Netzlappen. Der Hund ging
am 3. Tag ein, der Lappen war an den Stümpfen zwar angelötet, über
der Anastomose aber abgehoben; darunter zeigte sich eine kleine
Nahtdehiszenz durch Nekrose der Ränder. Gerade dort, wo sie etwas
49*
1300 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49.
leisten sollte, hat sich mir am Dünndarme die Netzmanschette als in-
suffizient erwiesen, und sie ist daher für diesen Abschnitt des Darmes
sicher nicht zu gebrauchen.
Damit engt sich aber ihr Anwendungsgebiet sehr ein. Im oberen
‘Bauchraume, vom Nabel an etwa, braucht man das Netz nicht un-
gestielt zu verpflanzen, da man es im Zusammenhange verlagern kann;
und davon wird ja immer mehr Gebrauch gemacht. Unterhalb des
Nabels blieben also nur Dickdarm, Blase, event. Ureter, und gynäko-
logische Indikationen übrig. Auf letztere machte schon Senn selbst
aufmerksam, bezüglich ersterer möchte ich auf Tietze’s! und Ender-
ler’s? Publikationen hinweisen. In diesem Rahmen wird hier und da
die Plastik ungestielter Netzlappen ihren Platz finden, ohne sich aber
ein weiteres Gebiet erobern zu können; dem steht wohl die ausgedehnte
Adhäsionsbildung entgegen und zum Teil auch die Gefahr ihrer In-
suffizienz, wenn bei Anwendung auf nekroseverdächtiges Gebiet nicht
durch Drainage oder offene Behandlung für ein Sicherheitsventil ge-
sorgt werden kann.
Kann ich mich daher auch Girgolaff nicht anschließen in bezug
auf die Hoffnung weitgehender Anwendungsmöglichkeit bei Eingeweide-
verletzungen, so bestätige ich gern, daß ich gleich ihm bei einer Leber-
resektion, die ich mit einem ungestielten Netzlappen deckte, überrascht
war, wie gut danach die parenchymatöse Blutung zum Stehen kam.
In dieser Hinsicht liegt vielleicht ein Feld für die Netzüberpflanzung
vor, nur wird man in dieser Höhe die Lappen nicht ungestielt zu
nehmen brauchen.
Ebenso zog ich aus der Tatsache, daß der zentrale Netzstumpf
nach einfacher Ligatur starke Adhäsionen macht (vide Abbildung bei ce),
die Lehre, Netzstümpfe nur nach Einstülpung durch Nähte im Lembert-
prinzip zu versenken.
Meine Versuche nahm ich seinerzeit in der Erwartung vor, durch
die Deckung mit Netz die Entstehung postoperativer Adhäsionen im
Bauchraume zu verhüten. Sie fielen, wie gesagt, in dieser Hinsicht
negativ aus. Meines Erachtens liegt der Grund darin, daß, wie
Girgolaff feststellte, am 2. Tage nach der Überpflanzung Anasto-
mosen im überpflanzten Läppchen nachweisbar werden. Bis dahin ist
jedenfalls die Ernährung des Läppchens, das bei der Uberpflanzung
ganz blaß ist, keine genügende, und als unterernährtes Gewebe wirkt
es direkt wie ein Fremdkörper und regt bei jedem serosabekleideten
Organe, dem es halbwegs länger anliegt, die Bildung von Ver-
klebungen an.
Eine teleologische Deutung dieses Vorganges als lokalisierende
Schutzvorrichtung des Körpers ist gewiß nicht unberechtigt.
1 Tietze, »Experimentelle Untersuchungen iiber Netzplastik«. Bruns’ Bei-
träge zur klin. Chirurgie 1899. Bd. XXV. p. 411.
_ 2 Enderlen, Über die Transplantation des Netzes auf Blasendefekte« und
Ȇber die Deckung von Magendefekten durch transplantiertes Netze. Deutsche
Zeitschrift für Chirurgie 1900. Bd. LV.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 1301
Eine Bestätigung dieser Ansicht lieferte mir folgender Versuch:
Nach medianer Laparotomie ließ ich bei einem Hunde das Netz mög-
lichst in situ und führte nahe seiner Basis mit langen Peans von
beiden Seiten eine energische Quetschung durch. Sodann Bauchnaht.
Nach 6 Tagen tötete ich den Hund, der keinerlei Störungen zeigte.
Von den Quetschungen sah ich an der Stelle, wo sie stattgefunden,
keine Folgen, dagegen war der freie Netzrand in großer Ausdehnung
mit der vorderen Bauchwand verwachsen, und zwar nicht bloß im
Bereiche der Bauchnaht. Jedenfalls hatte die temporäre Anämisierung
der peripheren Netzteile die Anlötung bewirkt, die auch bestehen
blieb, als sich die Zirkulation wieder geregelt hatte.
Alles in allem dürften wir also von den ungestielten Netzlappen
mit Ausnahme vereinzelter Fälle keine besonderen Vorteile für die
praktische Chirurgie erwarten können; ein Grund, zu ihren Gunsten
von den bisherigen erprobten Lehren hinsichtlich Darmserosaversorgung
abzugehen, liegt gewiß — bisher — nicht vor. Speziell werden sie
uns nichts leisten können in Hinsicht auf die Vermeidung postopera-
tivrer Adhäsionsbildung; diesbezüglich müssen wir uns mit den bis-
herigen Maximen, exakte Technik, Vermeidung von Insulten und Aus-
trocknung des Peritoneums, Sorge für ehestmögliche Darmfunktion,
zufrieden geben.
Prag, den 17. November 1906.
1) E. Homberger. Eine physio-pathologische Studie über
venöse Hyperämie.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXX. Hft. 4.)
Bier unterscheidet zwischen der heißen und kalten Hyperämie.
Die erstere soll dadurch zustande kommen, daß der venöse Abfluß
gehemmt wird. Diese Erklärung hält H. für bedenklich. Bei jedem
Wärmemotor muß nicht nur für Zufuhr von Heizmaterial und Abfluß
der entstandenen Wärme, sondern auch für genügenden Abfluß der
Rauchgase und Schlacken gesorgt sein, andernfalls eine geregelte
Funktion unmöglich ist. Dieses Gesetz ist für alle Fälle verbindlich.
Da nun die Tatsache der Erwärmung eines Gliedes auf die angegebene
Weise durch leichte Stauung möglich ist, so müssen hier andere Ver-
hältnisse mitspielen. Es muß relativ eine größere Blutmasse durch
die Extremität fließen, während zugleich ein vermehrter Stoffwechsel-
umsatz stattfindet. Verf. glaubt, daß sich zwischen die rein arterielle
Hyperämie und die wahre venöse Stase eine Hyperämie einschiebt, bei
der die Venen sehr weit sind, eine stärkere Verbrennung statthat,
wodurch vermehrte Wärme produziert werden kann. Diese Hyperämie
ist vom Standpunkte der Zweckmäßigkeit die günstigste.
Die Verwerfung der Eisblase bei Entzündungen, wie sie Bier
lehrt, hält H. nicht für angebracht, da nach Auflegung der Eisblase
zwar anfänglich eine Kontraktion der Gefäße, bald aber eine Erwei-
1302 Zentralblstt für Chirurgie. Nr. 49.
terung derselben, auch der Venen, eintritt. Diese venöse Hyperämie
soll sich in nichts pathologisch-anatomisch von der durch Stauung er-
zeugten unterscheiden. E Siegel (Frankfurt a. M.).
2) Pease. The serum therapie of tetanus.
(Annals of surgery 1906. September.)
Verf. ist Direktor des Antitoxinlaboratoriums in Neuyork. Nach
seiner Ansicht gedeiht der anaerobe Tetanusbazillus besonders bei
Warme; daher sind in Neuyork die Starrkrampfkrankheiten in den
heißen Monaten häufiger als in den kalten. Außer im Erdboden wird
der Bazillus im Darmkanale von Tieren und im Kote von Menschen
angetroffen. Seine Wirkung beruht auf dem in den Bazillen und
Sporen eingeschlossenen Toxin; gesteigert wird sie, wie nachgewiesen
wurde, durch gleichzeitige Anwesenheit von aeroben Bakterien. Ist
die Infektion erfolgt, so finden sich die Bazillen im Rückenmark, in
der Zerebrospinalflüssigkeit, im Blut und in der Lymphe, in Milz und
Leber. Das Toxin entfaltet erst dann krankhafte Erscheinungen, wenn
es von den motorischen Nervenendigungen durch die Achsenzylinder
ins Rückenmark gelangt ist; in die motorischen Endigungen kann es
direkt oder auf dem Blutwege eintreten. Bezüglich der Behandlung
ergibt die Statistik keine Anhaltspunkte dafür, daß das Antitoxin-
serum einen Heilerfolg hat bei ausgebrochenem Tetanus. Auch ist
es nach P. weder experimentell noch klinisch nachgewiesen, daß das
im Blute zirkulierende Antitoxin irgendeine Wirkung auf das in den
Nerven verankerte Toxin hat. Voller Vertrauen ist er aber zu der
prophylaktischen Impfung; dieselbe soll bei allen mit Erde beschmutz-
ten oder mit Haustieren in Berührung gekommenen Wunden angewandt
werden. Und zwar soll eine zweite Dosis nach 3—5 Tagen, eine dritte
nach 3 Wochen verabreicht werden, da die Impfung ähnlich wie beim
Diphtherieantitoxin nur 3 Wochen vorhält. Die intrazerebrale In-
jektion verwirft P., da sie keinen Nutzen verspricht und gefährlich ist,
von der intraduralen oder der Injektion in Nervenstämme verspricht
er sich keinen größeren Erfolg als von der intramuskulären Injektion.
Die letztere hält er für die beste Methode der Einspritzung. Wenn
in der in Betracht kommenden Wunde die Nervenendigungen frei
liegen, so soll dieselbe lokal mit flüssigem oder trockenem Antitoxin
außer der Injektion behandelt werden. Herhold (Brandenburg).
3) F. König (Berlin. Die Tuberkulose der menschlichen
Gelenke sowie der Brustwand und des Schädels.
Berlin, August Hirschwald, 1906. XII u. 166 S., 90 Fig.
Zur Feier des 70. Geburtstages Sr. Exz. v. Bergmann bringt
K. vorliegendes Buch als Festgabe dar. Er hat es lediglich nach
seinen eigenen Beobachtungen und wissenschaftlichen Untersuchungen
geschrieben und in ihm kurz auf ca. 160 Seiten das Ergebnis seiner
verdienstvollen Forschungen und seiner und seiner Schüler Arbeiten
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 1303
auf dem Gebiete der pathologischen Anatomie und Klinik der Gelenk-
tuberkulose zusammengefaßt, um den praktischen Arzten einen Weg-
weiser zu geben und derjenigen Richtung der orthopädischen Chirurgie
entgegen zu treten, welche »sich um die Behandlung der Tuberkulose
im orthopädisch behandelten Gelenke nur wenig zu kümmern pflegt«.
Wer wäre hierzu berufener gewesen, als K., der mehr wie irgendein
anderer durch jahrzehntelange Arbeit unser Wissen über die Tuber-
kulose der Knochen und Gelenke geklärt und gefördert, uns über die
Bedingungen zu ihrer Heilung belehrt, neue Methoden für ihre opera-
tive Behandlung gegeben und durch die mit ihnen erreichten schönen
Erfolge immer als Führer gegolten hat. So oft schon er über das
Thema gesprochen hat, auch dies neue Werk wird sicherlich wieder
willkommen geheißen, seine sich auf große Zahlen und sehr lange
Beobachtungen stützende Warnung vor Übertreibung der konservativen
Behandlung der Knochengelenktuberkulose hoffentlich gebührend be-
achtet werden.
Das Buch zerfällt in einen allgemeinen und speziellen Teil, in
welch letzterem die Knochengelenktuberkulose des Hüft-, Knie-,
Schulter- und Ellbogengelenkes, der Gelenke des Fußes und der
Hand, die Tuberkulose der Thoraxwand und der Schädelknochen ge-
schildert wird. .
Wenn auch in der Majorität aller synovialostalen Tuberkulosen
mehrfache, und zwar meist metastatische Herde bestehen, so hat doch
K. feststellen können, daß es eine gewisse Anzahl von Knochengelenk-
tuberkulosen gibt, welche einzige Erkrankungsherde im Körper, also
primäre sind — unter 67 Sektionen von mit einer Gelenktuberkulose
behafteten Leichen fanden sich 14mal (21%) keine weiteren Tuber-
kulosen! Bezüglich der Entstehung der tuberkulösen Eiterung aus
Verkäsungsherden ist K. der Meinung, daß sie durch von den Tuberkel-
bazillen gebildete Toxine hervorgerufen werden, nicht anderweite
Mikroben zu beschuldigen sind. An der Hand zahlreicher Abbildungen
von Präparaten seiner Sammlung werden die anatomischen Verhält-
nisse der verschiedenen Formen der Knochen- und Gelenktuberkulose
und ihr klinischer Verlauf außerordentlich klar und verständlich dar-
gestellt und nachgewiesen, daß die ungefähr in der Hälfte aller Fälle
auftretende Eiterung große Gefahren für das Gelenk und das Leben
bietet. So starben z. B. in der Beobachtungszeit von 18 Jahren 46%
der mit Eiterung komplizierten Knietuberkulosen, während von den
trocken verlaufenen nur 25% zugrunde gingen.
Wenn auch K. bei der Besprechung der Therapie den Satz vor-
anstellt, daß nur durch eine radikale Entfernung alles Krankhaften
eine sichere Aussicht auf Heilung geboten wird, so hält er doch in
bestimmten Fällen auch den Versuch milderen Vorgehens — Punktion
oder Inzision mit Jodoform- oder Karboleinspritzung, Ruhigstellung
und Kompression nach Korrektion von Stellungsanomalien — für
durchaus berechtigt, um an dem Mechanismus des Gelenkes zu er-
halten, was erhalten werden kann. Gehverbände im allgemeinen, wie
1304 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49.
die Stauungsbehandlung verwirft er, weil dadurch leicht Abszesse zur
Entwicklung gebracht werden. Mit solch konservativer Behandlung
hat auch K. gute Erfolge, völlige Ausheilung und Scheinheilung er-
reicht, indem z. B. unter 200 Fällen von Knietuberkulose, in denen
sie angezeigt erschien, 55mal Ausheilung mit beweglichem Gelenk ein-
trat. Wenn aber nach lange Zeit fortgesetzter konservativer Behand-
lung eine Besserung ausbleibt, Schmerzen und Schwellung nicht zurück-
gehen oder sich steigern, dann soll, weil schwere Knochenprozesse
resp. ausgedehnte Gelenkzerstörung die Ursache sind, mit der allein
noch eine sichere Heilung in Aussicht stellenden Operation nicht mehr
gezögert werden. In den Fällen, die von vornherein die Möglichkeit
einer Heilung ausschließen, besonders bei Bestehen von Fisteln und
Eiterung, bei kontrakten deformen Gelenken, muß eine solche sofort
Platz greifen. — Es würde zuweit führen, hier auf die genaueren, oft
erst durch die Röntgenuntersuchung feststellbaren Indikationen der
verschiedenen Operationsmethoden näher einzugehen, unter denen die
Arthrektomie K. nicht immer das erfüllt hat, was man sich von ihr
versprochen, und die von ihm an den verschiedenen Gelenken erzielten
Heilungs- und funktionellen Resultate im einzelnen mitzuteilen. Nur
das eine sei erwähnt, daß K. bei der Hüftgelenksresektion von der
Abmeißelung der Trochantercorticalis samt den an ihr inserierenden
Weichteilen zurückgekommen ist, aber regelmäßig ein 1—2 cm hohes
Stück des hinteren Pfannenrandes entfernt hat. Wo operiert wird,
soll nicht so viel als möglich, sondern alles Krankhafte radikal be-
seitigt werden.
Möchte das mit erstaunlicher Frische geschriebene kleine Werk
von Arzten und von denen, die sich von der Operation tuberkulöser
Gelenke mehr und mehr abgewandt haben, fleißig studiert und nach
seinen Lehren künftighin immer gehandelt werden!
Kramer (Glogau).
4) P. Bade. Partielle Hyperplasie als Ursache der ange-
borenen Deformitäten.
(Archiv für Orthopädie, Mechanotherapie und Unfallchirurgie Bd. IV. Hft. 4.)
Im Anschluß an je einen Fall von partieller Hyperplasie des
Malleolus externus mit nachfolgender Klumpfußstellung und des
unteren Endes des Radius mit starker Verschiebung der Hand ulnar-
wärts als mechanische Ursache der angeborenen Mißbildungen führt
Verf. weiter aus, daß auch für eine größere Anzahl der sog. ange-
borenen Hüftverrenkungen nicht nur eine Hypoplasie der Skeletteile
des Beckens, sondern auch eine Hyperplasie bestimmter Beckenteile in
Frage kommen kann.
Durch seine feinen Messungen, die er an vielen Röntgenogrammen von
an Hüftverrenkung Erkrankten vorgenommen hat, ist er zu dem Re-
sultate gekommen, daß meistens sowohl durch Hypoplasie des oberen
wie durch Hyperplasie des unteren Pfannenquadranten das Auftreten
der angeborenen Hüftverrenkung bedingt ist.
Zentralblatt ftir Chirurgie. Nr. 49. 1305
Durch Hyperplasie des unteren Pfannenquadranten in lateraler
Richtung wird der Kopf zunächst verhindert, den unteren Quadranten
der Pfanne auszufüllen, und wird außerdem wegen verminderter
Wachstumsneigung noch viel weniger imstande sein, durch sein eigenes
Wachstum den unteren Quadranten entsprechend zu bilden, wird im
Gegenteil von dem unteren Quadranten abgedrängt werden, so daß er
zunächst etwas seitlich vom Y-förmigen Knorpel zu stehen kommt. Da
nun aber der obere Pfannenquadrant hypoplastisch ist und ebenfalls
wenig Wachstumsenergie in lateraler Richtung zeigt, so kann auch
dieser den Kopf nicht aufnehmen. Die mechanischen Ursachen bei
angeborener Hüftverrenkung sind demnach in erster Linie der Wachs-
tumsdruck des unteren hyperplastischen Pfannenquadranten und die
geringe Wachstumsneigung des Kopfes und des oberen Pfannen-
quadranten. Hartmann (Kassel).
5) C. Deutschländer. Die funktionelle Behandlung der
Knochenbrüche.
(Berliner klin. Wochenschrift 1906. Nr. 20—22.)
Der Übergang von der immobilisierenden zur funktionellen Be-
handlung hat sich ganz allmählich vollzogen; die Vorzüge der letzteren
zu beweisen ist die Absicht der sehr lesenswerten, auf eine Erfahrung
von ca. 140 Fällen basierenden Arbeit. Massage und Mobilisation
fördern schon im ersten Stadium die aktiven Heilungsvorgänge, be-
fördern die Resorption und die Beseitigung der Geschwulstbestandteile,
die für die Heilung überflüssig und sogar hinderlich sind, und beugen
Muskelatrophien und Gelenkversteifungen vor. Im Stadium der pro-
visorischen Callusbildung kommt der Massage ein formativer Effekt
auf die Gestalt der Oallusbildung zu, weit wichtiger aber ist in diesem
Stadium der günstige Einfluß der Bewegungen. Die regelmäßigen
Volumveränderungen der Muskelbäuche bei der Kontraktion model-
lieren gewissermaßen das weiche plastische Callusgewebe und erhalten
die Kapseln der benachbarten Gelenke in ihrer Elastizität.
Durch Beibringung einzelner Krankengeschichten und Röntgen-
bilder werden die Abkürzung der Heilungsdauer und die guten funk-
tionellen Resultate illustriert.
Zwei Arten der funktionellen Behandlung lassen sich unter-
scheiden: Typus A, bei dem die physiologischen Wirkungen von Be-
wegungen und Massage allein zur Geltung kommen und höchstens
eine einfache Lagerungsvorrichtung in Gestalt einer Mitella oder
Volkmann’schen Schiene angewandt wird, und Typus B, wo außer
diesen Faktoren noch direkt die Knochenform beeinflussende und die
Fragmente direkt korrigierende Hilfsmittel benutzt werden.
Bei dieser Behandlung ist ausschließlich der Arzt zur Ausübung
der Massage berechtigt, weil nur er die allgemeinen anatomischen und
physiologischen Voraussetzungen und die in Frage kommenden patho-
logischen Verhältnisse kennen kann.
49**
1306 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49.
' t Mit Recht hebt Verf. mehrfach hervor, daß die Bewegungs-
behandlung, so einfach sie auf den ersten Blick erscheint, ein recht
gründliches Individualisieren erfordert. Nicht jede Bewegung wirkt im
funktionellen Sinne begünstigend auf den Heilungsverlauf, sondern
nur eine solche, die mit Methode und mit richtigem Verständnis den
pathologischen Verhältnissen und dem Mechanismus der Gelenke ange-
paßt ist. Langemak (Erfurt).
6) E. Ranzi. Beiträge zur operativen Behandlung von
Frakturen.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXX. Hft. 3 und 4.)
Bei Kniescheibenbrüchen hält R. die Naht nur für angezeigt,
wenn eine gute aktive Streckung des Knies nicht ausgeführt werden
kann, wenn es sich also um eine Strecklähmung handelt. Zur Naht
verwendet er Silberdraht. In 11 von 12 Fällen war eine völlige
knöcherne Konsolidation eingetreten. Besonderes Gewicht ist auf die
exakte Naht des ligamentösen Streckapparates zu legen. Die Blut-
gerinnsel sollen bei der Operation mit Kochsalzlösung herausgespült
werden. Von 21 genähten Kniescheibenbrüchen, frischen und ver-
alteten, lagen Dauerresultate vor. Davon zeigten 18 eine normale
oder fast normale Funktion.
Olekranonbrüche wurden 5mal beobachtet, alle durch direkte Ge-
walt entstanden. Zur Freilegung wurde mit Vorliebe ein stimmgabel-
förmiger Schnitt benutzt. Auch hier wurde zur Naht Silberdraht
verwandt. 8—10 Tage lang wurde der Arm in Streckstellung ver-
bunden, dann ward mit vorsichtigen Bewegungen begonnen.
Bei veralteten und schlecht geheilten Brüchen gab eine treppen-
förmige Anfrischung der Knochenenden und Naht die besten Aussichten
für richtige anatomische Stellung der Bruchstücke. Die schlechteste
Prognose für die Knochennaht gibt der Oberschenkelbruch wegen des
starken Muskelzuges, so daß man sich bei ihm noch einer Prothese
bedienen muß, um eine gute Stellung zu erzielen. Jedoch ist weder
die Benutzung von Elfenbeinstiften noch der Gebrauch von dekal-
zinierten Knochen oder Magnesiumstiften als ideale Methode anzu-
sehen. Ungenügende Einheilung, Ausstoßung der betreffenden Pro-
these sind sehr häufig, so daß Verf. im Durchschnitt der Drahtnaht
den Vorzug gibt. Bei der Behandlung von Pseudarthrosen ist die
Dumreicher’sche Stauungsbehandlung zuerst zu versuchen, wenn die
Fragmentenden in einem gewissen Zusammenhange stehen. Bei Fällen
mit größerer Dislokation oder Weichteilinterposition kann von der-
selben jedoch nichts erwartet werden. Hier käme zuerst ein Versuch
mit Blutinjektion nach Bier in Betracht. Von operativen Maßnahmen
ist am meisten die Anfrischung und Naht zu empfehlen. Bei größeren
Knochenlücken ist eine Müller-König’sche Plastik oder freie Trans-
plantation eines Knochenstückes am zweckmäßigsten.
Was den Wundverlauf anlangt, so wurde bei 50 Operationen
wegen Frakturen 4mal eine schwere Wundinfektion hervorgerufen.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 1307
Besonders gefährlich ist die Operation bei Oberschenkelbrüchen. Jeden-
falls ist die Gefahr einer Wundinfektion bei der Indikationsstellung
zu operativem Vorgehen bei Frakturen ernstlich in Betracht zu ziehen.
Mangelhafte Konsolidierung nach Knochennaht wurde auch einige
Male, aber nicht konstant beobachtet.
R. teilt nicht den Standpunkt derer, die jeden Knochenbruch zur
Erzielung einer guten anatomischen Stellung blutig reponieren wollen.
Auch nicht in anatomischem Sinn ideal verheilte Brüche können aus-
gezeichnete funktionelle Resultate geben. Aber es gibt Frakturen,
welche jeder unblutigen Behandlung widerstehen. Solche sollen mög-
lichst früh in Angriff genommen werden, da im Spätstadium die
Technik des Eingriffes schwieriger ist, oft Knochenresektionen vor-
genommen werden müssen und auch die Infektionsgefahr größer ist
wie bald nach erlittener Verletzung. Hauptsächlich empfiehlt sich die
Frühoperation bei Gelenkbrüchen. So ist beim Schultergelenke die
Kombination von Bruch und Verrenkung unbedingte Indikation zu
primärem, blutigem Eingriff. Eben dasselbe gilt von Frakturen des
Epicondylus medialis humeri und von dem Bruche des medialen und
lateralen Condylus sowie von dem Bruche des Processus coronoideus
ulnae. Diese Knochenstücke können nicht durch irgendwelche un-
blutige Maßnahmen aus ihrer gedrehten Stellung herausgebracht
werden. Bei frühzeitigem Eingriffe tritt völlige Restitutio ad integrum
ein, während es sich später meist nur um Entfernung der betreffenden
Bruchstücke handelt. E. Siegel (Frankfurt a. M.).
7) K. Poulsen. Studien über die sog. typische Fraktur des
Radius.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXX. Hft. 4.)
_ In dem ersten Teile seiner Arbeit gibt Verf. einen historischen
Überblick von den Anschauungen über Bruchmechanismus und Ver-
schiebung der Bruchstücke beim Radiusbruch von der ältesten Zeit
bis zur jüngsten. Indessen ist das ganze klinische Material bis zur
Entdeckung der Röntgenstrahlen nur in mangelhafter Weise für die
Kenntnis dieses typischen Bruches verwertbar gewesen, da auch ein-
schlägige Sektionspräparate nur selten zur Verfügung standen. Verf.
hat deswegen sein neuzeitliches umfangreiches Material zu einer ein-
gehenden Studie der einzelnen uns interessierenden Fragen benutzt.
Er fand, daß das untere Bruchstück nach hinten getrieben ist, wesent-
lich in der Form einer Rotation um eine Querachse, daß der Processus
styloideus radii teils hierdurch, teils durch eine Zusammenpressung
der Bruchstücke an der Radialseite in die Höhe gehoben wird. Es
handelt sich also um eine Deviatio ad axin, ad latus und ad longi-
tudinem. Die Handwurzelknochen folgen dem unteren Bruchstücke,
werden gegen die Dorsalseite hinauf und nach radialwärts verschoben;
die erste Reihe folgt der Drehung der Gelenkfläche, stellt sich in
Dorsal- und Radialflexion, während sich die zweite Reihe und damit
1308 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49.
die übrige Hand wegen der Schwere mehr gerade stellen, in der Mitte
zwischen Dorsal- und Volarflexion und zwischen Radial- und Ulnar-
flexion. In 55% der Fälle fand P. eine gleichzeitige Abreißung des
Proc. styloideus ulnae. Selten gelang es, dieselbe zu diagnostizieren,
wahrscheinlich weil der Processus meist gegen die Radialseite ver-
schoben wird. Diese Fraktur hängt wahrscheinlich von der Radial-
deviation ab, insofern durch dieselbe eine Spannung des vom Os tri-
quetrum zum Proc. styloid. ulnae gehenden Lig. laterale hervorgerufen
wird. Frakturen und Fissuren am Capitulum ulnae sind nach Ansicht
des Verf.s selten. Eine Abreißung im Sinne Lecomte’s findet beim
typischen Radiusbruche wohl nicht statt, wahrscheinlicher ist eine
Wirkung im Sinne von Coup und Üontrecoup, wie schon Dupuytren
annahm. Das Lig. laterale externum fixiert dabei, wie man annehmen
muß, die Handwurzelknochen, so daß sie während des Druckes nicht
nach der Volarseite hin wirken, sondern sich mit voller Kraft gegen
die Gelenkfläche des Radius, besonders gegen seinen vorragenden dor-
salen und radialen Rand geltend machen. Je nach der Druckrichtung
wird der Bruch partiell oder komplett; die Kraft des Druckes bestimmt
den Grad der Einkeilung. Der Druck der Handwurzelknochen, der
den Bruch bewirkt, treibt auch das untere Bruchstück in die typische
Richtung, verschiebt es nach oben, während es gleichzeitig um die
Querachse rotiert und der Proc. styloid. radii in die Höhe gehoben
wird. Die Extensorenmuskulatur erhält die Deformität und kann sie
nach der Korrektion wieder hervorrufen.
Die Einrichtung beim typischen Radiusbruch nimmt P. so vor,
daß zuerst unter fortwährendem Zug dorsal-, dann volar- und zuletzt
ulnarflektiert wird. Auf den Röntgenbildern zeigt sich, daß die dor-
sale Verschiebung dadurch wenn auch nicht ausgeglichen, so doch
verringert wird. Die radiale Verschiebung ist fast nie ganz aus-
zugleichen, ja sie nimmt während der Behandlung oft noch zu; doch
hat sie für die Funktion keine große Bedeutung. Auch den ein-
gekeilten Bruch soll man redressieren, da durch die Einkeilung öfters
Stellungen hervorgerufen werden, die die Bewegung der Hand sehr
einschränken. Als Verband benutzt P. appretierte Binden, die durch
einen Spahn an der Volar- und Dorsalseite gestärkt werden. Die
Bandage soll von der Mitte des Vorderarmes bis zur Basis der Finger
reichen, die Pat. möglichst gebrauchen soll. Nach 14 Tagen werden
Hand und Arm zeitweise aus dem Verbande herausgenommen, bewegt,
event. massiert und wieder eingebunden. Nach 3 Wochen bleibt der
Verband ganz fort. Mit den Resultaten dieser Behandlung war Verf.
sehr zufrieden. E. Siegel (Frankfurt a. M.).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 1309
Kleinere Mitteilungen.
Zwei seltene Luxationen.
Von
Dr. W. v. Brunn,
Spezialarzt für Chirurgie in Rostock.
Innerhalb weniger Wochen hatte ich Gelegenheit, zwei recht seltene Fälle von
Luxationen zu beobachten und zu behandeln, die ich der Mitteilung für wert halte.
Der erste Fall betrifft eine totale dorsale Luxation im Radiokarpal-
gelenke, der zweite eine totale dorsale Luxation im Lisfranc’schen
Gelenke.
Am 18. August 1906 glitt eine Dame von 52 Jahren, als sie im Zimmer nach
einer Motte schlagen wollte, aus und fiel rücklings zu Boden; sie hatte versucht,
sich mit ihrer linken Hand zu stützen, und fiel mit dem Dorsum ihrer volarwärts
gebeugten Hand auf die Erde. Sofort spürte sie heftige Schmerzen in der linken
Hand und bemerkte, daß die Gestalt dieser Hand sich ganz verändert hatte. Der
hinzugezogene Hausarzt konsultierte mich sofort mit dem Bemerken, daß es sich
um eine Verrenkung im Handgelenk handle. Zunächst hatte ich, bevor ich die
Verletzte sah, erhebliche Zweifel an der Richtigkeit dieser Diagnose, was mir wohl
niemand übelnehmen kann, und dachte an typische Radiusfraktur. Der Befund
aber belehrte mich eines anderen.
Die sehr zarte, magere, sehr empfindliche Dame bot alle Zeichen der Luxation
in so charakteristischer Weise, daß an der Diagnose, besonders da keine Spur von
Schwellung oder Bluterguß zu erkennen war, kein Zweifel bestehen konnte.
Man konnte die gegeneinander verschobenen Knochen beinahe so deutlich
erkennen, als ob sie von Weichteilen unbedeckt vor Augen lägen.
Die Karpalknochen lagen mit ihrer halbmondförmigen Begrenzung proximal
weit auf die distalen Enden der Vorderarmknochen verschoben; über diesen Buckel
zogen straff die Extensorensebnen; an der Beugeseite sprangen die Gelenkenden
der Vorderarmknochen weit vor und zeichneten sich unter der sie straff über-
spannenden Haut scharf ab, die konkave Gelenkfläche ließ sich bequem abtasten,
beide Processus styloidei waren ganz intakt von unten und den Seiten her zu pal-
pieren. Die Hand zeigte eine ganz geringe Abweichung der Längsachse nach der
radialen Seite zu, die Finger waren leicht gebeugt und aktiv in geringem Umfange
zu bewegen.
In leichtem Chloroformrausche gelang es spielend leicht, durch Vermehrung
der Luxationsstellung und Zug die Verrenkung zu beseitigen; sofort nach dem
Erwachen konnte die Pat. mit Vorsicht aktive Bewegungen im Gelenk ausführen.
9 Tage lang wurde das Gelenk durch Pappschienenverband mit leichter Dorsal-
flexion fixiert, zuerst auch in Suspension gehalten, zwischendurch aber alle paar
Tage unter Lüftung des Verbandes vorsichtig bewegt. Danach wurde Pat. an-
gehalten, mit ihrer Hand, welche nebst dem Vorderarme mit einer »Idealbinde«
gewickelt war, nach Möglichkeit leichte Arbeiten auszuführen, insbesondere etwas
Klavier zu spielen; dabei wurden täglich zweimal heiße Pottasche-Handbäder mit
Massage und aktiven sowie passiven Bewegungen angewandt.
Es kam nur zu ganz geringen Üdemen an Hand und Fingern. Am 2. Oktober
schrieb mir meine Pat. einen ausführlichen Brief, in dem sie berichtete, daß die
Hand das normale Aussehen hätte, von Schwellung meist gar nichts mehr vor-
handen sei, zeitweise wohl die Gegend des Handgelenkes bei besonderer Anstrengung
etwas dicker sei als auf der gesunden Seite, aber auch dann nie Schmerzen be-
ständen; nur hätte sie zeitweise etwas taubes Gefühl in den Fingerspitzen. Sie
besorgt alle Arbeiten in ihrem Hauswesen wie früher und pflegt auch ihr Klavier-
spiel wie zuvor.
1310 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49.
So darf ich das Resultat als ein gutes bezeichnen, um so mehr, als die An-
gehörigen mir bei der außerordentlichen Empfindlichkeit der Verletzten keine gute
Prognose glaubten stellen zu können.
Durch Röntgenuntersuchung konnte festgestellt werden, daß auch nicht die
geringste Absprengung am Knochen stattgefunden hatte. Da bisher erst einige
30 Fälle von reiner Handgelenksluxation bekannt geworden sind, von denen einige
noch durch Absprengungen kompliziert sind, dürfte die Publikation dieses Falles
berechtigt erscheinen.
Am 14. September 1906 wurde ich zu einem Herrn von 43 Jahren gerufen,
der sich beim Herabfallen von einer Trittleiter eine Verletzung des linken Fußes
zugezogen hatte. Der Pat. hatte auf der zweiten Stufe der Trittleiter, von oben
gerechnet, gestanden, als diese ins Wanken kam und umzufallen drohte; Pat. hatte
versucht, abzuspringen, war aber nur mit dem rechten Fuße freigekommen, der
linke konnte nicht schnell genug zwischen der obersten und der zweiten Stufe
herausgezogen werden, Pat. fiel rücklings herab, so daß auf diese Weise eine
Hyperflexion plantarwärts zustande kam, ähnlich der Manipulation, die man anzu-
wenden pflegt, um bei der Exartikulation im Lisfranc’schen Gelenke mit dem
Messer leichter in die kleinen Gelenke zu kommen. Im letzten Momente des
Falles wurde auch der linke Fuß frei, der Pat. fiel zur Erde.
Der linke Fuß schmerzte sofort sehr heftig; im übrigen hatte sich der Pat.
keinen Schaden getan.
Die Frau des Pat. versuchte zunächst, den in verkrümmter Stellung stehenden
Fuß gerade zu richten, schickte aber, als ihr dies nicht gelang, zu mir.
Ich fand den kräftigen, sonst ganz gesunden Mann in heftigen Schmerzen.
Schwellung und Bluterguß waren am Fuße noch nicht vorhanden. Der Fuß war
verkürzt, von auffallend plumper Form gegenüber dem wohlgebildeten gesunden
Fuße; die Art der Verrenkung war auch hier auf den ersten Blick zu erkennen;
ein breiter und hoher, treppenförmiger Absatz auf dem Fußrücken entsprach der
Basis der fünf auf den Tarsus luxierten Metatarsalknochen; diese selbst standen
gegenüber dem Tarsus in Flexionsstellung; die über den treppenförmigen Absatz
hinweg gespannten Strecksehnen zogen straff zu den dorsal flektierten Zehen;
federnde Fixation in der luxierten Stellung.
Pat. wurde nun in genügend tiefe Morphium-Chloroformnarkose versetzt; ich
umwickelte den Vorfuß mit einem Tuche, fixierte mit der linken Hand den Tarsus,
hyperflektierte den Vorfuß mit der rechten Hand noch weiter und konnte nun
unter allmählich stärker werdendem Zuge mit Hilfe gleichzeitigen Druckes meines
linken Daumens auf die Basis der luxierten Knochen mit einiger Mühe unter
deutlichem Rucke die Luxation beseitigen.
Bei den jetzt ausgeführten passiven Bewegungen hatte ich bisweilen ein
undeutliches Gefühl leiser Krepitation, bisweilen konnte ich aber nichts davon
spüren.
Steigbiigel-Pappschienenverband, Hochlagerung des Beines. Schon am 6. Tage
nach der Verletzung traf ich den Pat. bei einem Besuche, wie er mit Hilfe einer
improvisierten Krücke im Hofe spazieren ging; am 9. Tage fiel die Schiene ganz
fort, der Fuß wurde im Klumpfußstellung mit Cambricbinden gewickelt und vom
Pat. direkt zum Auftreten benutzt. Pat. nimmt regelmäßig heiße Pottaschebäder
und wickelt den Fuß in Bindentouren, die einer Plattfußstellung entgegenarbeiten.
Nach 31/5 Wochen ließ ich den Fuß nur noch mit einer Idealbinde wickeln und
den Pat. mit Stiefeln gehen, wie sie nach meiner Angabe für Plattfußpatienten
angefertigt werden. Das ging vom 1. Tag an sehr gut, schon am nächsten Tage
machte Pat., wenn auch mit Hilfe eines Stockes, einen 1/sstündigen Spaziergang,
und jetzt kann nur der Eingeweihte dem Pat. auf der Straße eine geringe Ver-
änderung seines Ganges anmerken.
Pat. hat wohl nach größeren Wegen noch etwas Schmerz, besonders am late-
ralen und medialen Fußrand in der Gegend des Gelenkspaltes, doch konnte von
Massage und sonstigen Manipulationen ganz abgesehen werden, weil der Pat. von
vornherein durch fleißiges Gehen und Treppensteigen seinem Fuße die beste Form
Zentralblatt für Chirürgie. Nr. 49. 1311
der Therapie zugute kommen ließ. Trotzdem hat sich nicht die geringste Neigung
zu Plattfußbildung eingestellt Dank der Wicklung und der für diesen Zweck an-
gefertigten Schnürstiefel.
Die Untersuchung mit Röntgenstrahlen ergab, daß außer der Absprengung
eines höchstens kleinerbsengroßen Splitterchens am medialen Rande der Basis des
2. Metatarsalknochens keine Knochenveränderung zu sehen war. Somit dürfte
man mit Recht den Fall der spärlichen Zahl von bisher publizierten Fällen dieser
Art einreihen; den bis jetzt bekannten 14 Beobachtungen dieser Luxation schließt
sich mein Fall als 15. an.
8) S. Talma. Pyurie durch Leukocytose; Leukocytosepyimie.
(Berliner klin. Wochenschrift 1906. Nr. 22.)
Durch die mitgeteilten beiden Fälle will T. beweisen, daß der Eiter selbst
auch im Blute vorkommen kann, so daß die Ausscheidung der verschiedenen im
Blute vorhandenen Bestandteile des Eiters in die Organe, ohne weitere Verände-
rungen an denselben, stattfindet. Die beiden Kranken schieden Eiter im Harn
aus, ohne daß ein Eiterherd im Körper vorhanden war, woraus hervorgeht, daß
auch bei eigentlicher Pyämie ein lokaler Eiterherd fehlen kann, ebenso wie Strepto-
kokken ohne Eiterung eine Septhämie hervorrufen können.
Langemak (Erfurt).
9) C. Pfeiffer. Die Röntgenbehandlung der malignen Lymphome
und ihre Erfolge.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. L. Hit. 1.)
Im Anschluß an die genaue Beobachtung eines in der v. Bruns’schen Klinik
durch Bestrahlung zunächst auffallend gebesserten, dann aber trotz mehrfacher
Wiederholung der Röntgenisation seinem Schicksal erlegenen Falles untersuchte
Verf. den Wert der Röntgenbehandlung der malignen Lymphome auf Grund der
bis dahin vorliegenden und kritisch gesichteten Literatur.
Von 33 bestrahlten Fällen starben während der Behandlung 7 (= 21,2%).
Ohne Erfolg blieb die Bestrahlung 5mal (= 15%). Bei 28 Fällen zeigte sich ein
gewisser Erfolg teils als subjektive Besserung, teils als Abnahme der bestrahlten
Drüsenpakete. Davon rezidivierten bei einer Beobachtungsdauer bis zu 9 Monaten
von 14 Fallen 7, von 9 langer beobachteten Fillen noch weitere 6. Die beste
Heilung beläuft sich auf 18 Monate, doch wurden Rezidive selbst noch nach
14 Monaten beobachtet. Bei einer Frist von kaum 11/3 Jahren berechnen sich die
Rezidive auf 70%. Da somit einwandsfreie Dauerheilungen überhaupt noch nicht
existieren, hat die Röntgenbehandlung der malignen Lymphome keine Vorzüge vor
anderen Methoden, wohl aber die Gefahr von schädlichen Nebenwirkungen.
Reich (Tübingen).
10) Blake. The treatment of tetanus by magnesium sulfate.
(Annals of surgery 1906. September.)
Das von Meltzer gegen Tetanus lumbal injizierte Magnesiumsulfat wandte B.
in einem Falle von Tetanus und in einem anderen von miliarer Tuberkulose an.
In beiden Fallen hérten die konvulsivischen Erscheinungen auf, der Tetanusfall
ging sogar in Heilung iiber. Zur Anwendung fiir die subdurale Injektion kommt
1 cem einer 25%igen Lösung auf 25 Pfund Körpergewicht. Eine zweite Injektion
darf erst nach 3 Tagen gemacht werden, da das Präparat kumulativ wirkt. Verf.
glaubt, daß die Droge bei Tetanus insofern günstig wirkt, als durch Aufhebung
der spastischen Krämpfe zunächst die augenblickliche Todesgefahr infolge Asphyxie
oder aufgehobener Ernährung (Trismus) beseitigt werden kann. Zugleich mit dem
esium kann Tetanusantitoxin eingespritzt werden, welches beim Nachlassen
des tetanischen Zustandes besser resorbiert wird und besser wirken kann. Durch
das Magnesium wird auch eine bemerkenswerte Anästhesie des Körpers hervor-
gerufen, so daß z. B. intraneurale Injektionen schmerzlos ausgeführt werden können.
Herhold (Brandenburg).
1312 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49.
11) Kettner. Über Kleinkaliberschußverletzungen.
(Berliner klin. Wochenschrift 1906. Nr. 28.)
Bericht über die mit dem modernen kleinkalibrigen Geschoß im russisch-japa-
nischen Kriege gemachten Erfahrungen. Auffällig war das UÜberwiegen einfacher
Weichteilschüsse über die mit Knochen-, Gelenk- oder Gefäßverletzung einher-
gehenden Schußwunden; der enge Schußkanal blutete wenig, schnelle Vernarbung
des Ein- und Ausschusses. Die penetrierenden Gewehrschußverletzungen der Lunge
verliefen meist günstig. Pneumothorax trat selten, Hämathorax relativ oft ein.
In den verschleppten Fällen gelangte das Auftreten eines Empyems vielfach zur
Beobachtung. — Herzschüsse heilten wiederholt spontan. — Bei den mit Splitte-
rung einhergehenden Loch- und Tangentialschüssen des Schädels war ein früh-
zeitiges operatives Eingreifen meist von bestem Erfolge begleitet. Bei den Bauch-
schüssen wurde ein mehr abwartender Standpunkt eingenommen. Die Erfabrungen
über die durch das Mantelgeschoß erzeugten Blutungen bestätigten die Tatsache,
daß die Mehrzahl der durch Hals- oder Extremitätengefäßschüsse Verwundeten sich
nicht verbluten, daß es vielmehr zur Bildung von Aneurysmen kommt, nachdem
meist intramuskulär gelegene Hämatome die Blutung durch ihre Spannung zum
Stehen gebracht haben. Auch das arteriell-venöse Aneurysma wurde häufig beob-
achte. Kommt es während der Vernarbung von Wunde und Schußkanal nicht
zur spontanen Rückbildung des Aneurysmas, wächst es vielmehr, so ist operativ
einzugreifen; sonst empfiehlt sich eine abwartende Behandlung.
Von den Gelenken war das Kniegelenk am meisten betroffen. Einfache
Durchlochungen und Rinnungen der Gelenkflächen und Epiphysen bildeten die
Regel; Splitterungen gehörten zu den Ausnahmen. Steckenbleiben von Voll-
mantelgeschossen hinderte mehrfach die Gelenksfunktion oder führte zur Eiterung,
so daß die Extraktion vorgenommen werden mußte. Die Diaphysenschüsse zeigten
starke Splitterung, doch nahmen sie häufig wider Erwarten einen günstigen Ver-
lauf. Bei infizierten Knochen- und vor allem Gelenkschüssen wurde so lange wie
eben angängig konservativ verfahren, so daß nur 0,5% Amputationen bei allen
Verwundeten der russischen Armee zur Ausführung kamen. Die günstigen Heil-
resultate wurden erzielt: durch einen guten aseptischen oder aseptisch-antiseptischen
Okklusivverband, durch zweckmäßige Immobilisation bei Extremitätenschüssen und
einen schonenden Transport. Die Verbandpäckchen, die jeder Soldat bei sich trug,
haben sich gut bewährt.
Auch in diesem Kriege hat die konservative Chirurgie dominiert und die er-
freulichsten Erfolge gezeitigt. Es kommt nach Verf.s Ansicht alles darauf an, die
Verwundeten transportfahig zu machen und sie so schonend als möglich nach
rückwärts zu evakuieren. Langemak (Erfurt).
12) M. v. Brunn. Beitrag zur Beurteilung von Frakturen im Röntgen-
bilde.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. L. Hft. 1.)
Vier Krankengeschichten und Doppelbilder von Unterschenkelbrüchen aus der
v. Bruns’schen Klinik illustrieren sehr überzeugend die Forderung, daß zu einer
genauen Frakturdiagnose Röntgenaufnahmen in zwei Ebenen unerläßlich sind. Die
Erfüllung dieser Forderung wird häufig die irrtümliche Diagnose einer subperi-
ostalen Fraktur verhindern. Reich (Tübingen).
13) M. v. Brunn. Spontanfraktur als Frühsymptom der Ostitis fibrosa.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. L. Hit. 1.)
Der in der v. Bruns’schen Klinik beobachtete Fall betraf einen sonst ge-
sunden Jungen, welcher kurz nacheinander zweimal einen Oberarmbruch erlitt,
von denen einer durch das Werfen eines Steines entstanden war. Das Röntgenbild
zeigte eine spindelige Auftreibung des Knochens mit Verdünnung der Rinde und
Aufhellung des Markes. Da die Besichtigung der Geschwulst bei der Operation
Zweifel an der Diagnose eines myelogenen Sarkoms rechtfertigte, beschränkte sich
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 1313
der Eingriff auf die Ausschabung der Geschwulst, deren histologische Untersuchung
denn auch zur Diagnose einer Ostitis fibrosa führte. Eine Nachuntersuchung nach
11/2 Jahren erwies die rezidivfreie Heilung und gab Gelegenheit zur röntgenolo-
gischen Feststellung, daß die übrigen Skeletteile normal waren.
Zu dem noch wenig gekannten Krankheitsbilde der Ostitis fibrosa scheint
demnach die Spontanfraktur ein verwertbares Frühsymptom darzustellen, wie das
aus den drei bis jetzt vorliegenden Veröffentlichungen hervorgeht. Die Diagnostik
der Erkrankung hat sich vor allem vor der Verwechslung mit myelogenem Sarkom
zu hüten. Reich (Tübingen).
14} Zumsteeg. Über die primäre Diaphysentuberkulose langer Röhren-
knochen.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. L. Hft. 1.)
In der v. Bruns’schen Klinik wurden unter Einrechnung der primär von
der Metaphyse ausgehenden Prozesse neun Fälle primärer Diaphysentuberkulose
bei langen Röhrenknochen beobachtet. Auf das gleichzeitige Gesamtmaterial an
klinisch behandelten Knochen- und Gelenktuberkulosen derselben Klinik (987 Fälle)
bezogen, berechnet sich für die in Frage stehende Lokalisation eine Häufigkeit von
0,8%. Mit nur einer Ausnahme handelt es sich um jugendliche Pat. unter 16 Jahren.
Hereditäre Disposition ließ sich nur in zwei Fällen feststellen.
Das Leiden nahm meist einen ausgesprochen chronischen Verlauf, nur zwei
subakut verlaufende Fälle machten die Abgrenzung gegenüber osteomyelitischer
Nekrose schwerer. In anatomischer Hinsicht fanden sich meist umschriebene
Diaphysenherde mit oder ohne Sequesterbildung, einmal eine progressive infiltrie-
rende Form der Knochentuberkulose und einmal kortikaler Ursprung des Pro-
zesses. Die Behandlung bestand in breiter Freilegung des Knochenherdes, Aus-
schabung und Tamponade; einmal wurde Amputation notwendig.
Reich (Tübingen).
15) O. Kocher. Uber die Sarkome der langen Röhrenknochen.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. L. Hit. 1.)
Die Erfahrungen der v. Bruns’schen Klinik, die in der Arbeit mitgeteilt
werden, beziehen sich auf 65 verwertbare Fälle. Unter diesen waren 33 Sarkome
myelogenen, 32 periostalen Ursprunges. In der Lokalisation überwog die untere
Extremität (speziell Tibia und Femur) die obere im Verhältnis von 3,3: 1, und
ebenso ist beachtenswert, daß ?/; aller Sarkome sich an Stelle der rascher wach-
senden Epipbyse entwickelten. Das männliche Geschlecht war doppelt so oft als
das weibliche und von den Lebensaltern das 2. und 3. Jahrzehnt am häufigsten
betroffen.
Für die Frage des ursächlichen Zusammenhanges zwischen Trauma und
Knochensarkom ist zu bemerken, daß Sarkomentwicklung am Ort einmaliger
stumpfer Verletzung in elf Fällen, Sarkomentwicklung entfernt von der Stelle eines
einmaligen indirekten Traumas in drei Fällen, wiederholte Traumen in sechs Fällen
zu verzeichnen sind. Einer strengeren Kritik können jedoch kaum zwölf soge-
nannte traumatische Sarkome standhalten, und Verf. ist daher der Ansicht, daß
dem Trauma häufiger eine diagnostische als ätiologische Bedeutung zukommt.
In der Diagnose waren vor der Röntgenära Verwechslungen mit Osteomyelitis
und Tuberkulose nicht immer zu umgehen, während jetzt die Röntgenuntersuchung
eine fast sichere und, was besonders prognostisch wichtig ist, frühzeitige Diagnose
estattet.
. Die histologisch verwertbaren Fälle führten bezüglich des Verhältnisses von
histologischem Bau und Ausgangspunkt der Sarkome zu der Feststellung, daß 3/4
der Spindelzellsarkome periostalen Ursprunges waren, sonst aber keine auffallenden
Unterschiede zwischen Zellform und Ausgangspunkt bestanden etwa in dem Sinne,
daß die myelogenen Sarkome hauptsächlich Riesenzellsarkome wären.
Was die Heilungsresultate betrifft, bei mindestens 3jähriger Beobachtungszeit,
so blieben von 24 Pat. mit operierten und nachuntersuchten myelogenen Sarkomen
1314 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49.
5 rezidivfrei, und zwar nach Amputation (von 12 Pat.) 2, nach Exartikulation
(von 7) 0, nach Resektion (von 4) 2, nach Evidement (1 Pat.) 1.
Von den 29 Pat. mit periostalen Sarkomen blieben 4 rezidivfrei, und zwar
nach Amputation (von 23) 4, nach Exartikulation (von 2) 0, nach Resektion und
Evidement (von 2) 0.
Die Gesamtheilungsziffer berechnet sich demnach fiir die Sarkome der langen
Röhrenknochen auf 17%. Dabei ist beachtenswert, daß die längst geheilten Fälle
(bis zu 27 Jahre) sämtlich myelogene Sarkome betrafen.
Auf Grund dieser relativen Gutartigkeit myelogener Sarkome ist man daher
bei ihnen zu einem Versuche mit konservativen Operationen berechtigt, während
bei periostalen Sarkomen mit ihrer schlechten Prognose nur Amputation und Ex-
artikulation einige Aussicht auf Erfolg versprechen. Reich (Tübingen).
16) Müller. Bone cysts.
(Univ. of Pennsylvania med. bulletin 1906. September.)
M. berichtet über folgenden, von Frazier operierten Fall von Knochencyste
im 4. Metatarsalknochen bei einem 19jährigen Manne. Ohne ersichtliche Ursache
trat über der betreffenden Fußgegend allmählich eine entzündliche, druckschmerz-
hafte Schwellung auf, die nach einigen Monaten nachließ, worauf eine spindel-
förmige Anschwellung des 4. Metatarsalknochens mit glatter Oberfläche und ohne
entzündliche Erscheinungen zurückblieb. Das Röntgenbild zeigte eine cystische
Geschwulst im Zentrum des Knochens mit Auftreibung der distalen Hälfte des
Metatarsus. Exartikulation des 4. Metatarsus, glatte Heilung, Pat. nach 3 Jahren
gesund. Auf dem Durchschnitte des entfernten Knochens zeigte sich eine taubenei-
große Cyste mit braunrötlicher seröser Flüssigkeit, begrenzt von der verdünnten
Corticalis. Die Innenwand war von einem rötlichen weichen Gewebe ausgekleidet
mit einzelnen Erhöhungen und balkenförmigen Ausläufern quer durch die Cyste;
mikroskopisch handelte es sich um junges Granulationsgewebe mit reichlichen
Fibroblasten und einzelnen Riesenzellen (Osteoklasten).
M. vermutet als Ursache in diesem und in ähnlichen Fällen entzündliche oder
Ernährungsstörungen des Knochens; vermutlich existieren Beziehungen und Über-
gänge zwischen der Osteomyelitis fibrosa v. Recklinghausen’s und den ein-
fachen Knochencysten. Mohr (Bielefeld).
17) Dubulaboux. Appareils platres a charnière.
(Arch. de méd. et de pharm. militaires 1906. Oktober.)
D. beschreibt scharnierartig verbundene Gipsschienen, welche abnehmbar sind
und ungezählte Male um das betreffende Glied
A wieder umgelegt werden können. Zur Her-
J stellung legt man sich vier ungestärkte Gaze-
SV Uy} lagen auf den Tisch und dariiber eine Schicht
i von sechs Lagen; beide werden in der Mitte
N durch eine oder zwei Nähte AB vereinigt.
\ Die inneren sechs Lagen werden nach innen
zur Naht hin zusammengerollt, die Gipsschie-
nen jetzt aus Gipsbinden hergestellt und auf
die äußeren vier Lagen so hinaufgelegt, daß
sie sich nicht berühren (G, G). Nunmehr wer-
N den die inneren sechs Lagen wieder nach
N außen gerollt und fest auf die Gipsschienen
N gedrückt. Darauf wird das Ganze vom Tisch
nommen und so um das betreffende Glied
NN legt und modelliert, daß die Naht als Schar-
B nier genau in der Mitte der hinteren Fläche
zu liegen kommt. Bei der Herstellung ist
darauf zu achten, daß die Gipsschienen allseitig von der Gaze überragt werden.
Rasieren des Gliedes oder Einfetten mit Vaselin ist nicht nötig.
Herhold (Brandenburg).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 1315
18) Pagtiano. Deux cas de spondylose rhizomélique.
(Marseille méd. 1906. April 1.)
19) Marie et Léri. La spondylose rhizomélique.
(Nouvelle iconographie de la Salpêtrière 1906. Januar—Februar.)
P. berichtet über zwei typische Fälle der »Spondylose rhizomelique« Marie’s,
welche genau entsprechend einem chronischen Gelenkrheumatismus verliefen. Bei
dem einen Kranken wurde zunächst die große Zehe ergriffen, später erkrankten
die Knie und erst nach mehreren Jahren entwickelte sich das typische Bild an
der Wirbelsäule, während der Prozeß an den anderen Körperteilen zum Stillstande
kam. Bei dem zweiten Pat. entstand gleichzeitig mit Veränderungen an ver-
schiedenen Gelenken der Marie’sche Symptomenkomplex, auch im weiteren Ver-
laufe traten subakute Entzündungen in den verschiedensten Gelenken auf. P. hält
demnach die Spondylose rhizomelique nur für eine, allerdings eigenartig verlau-
fende Form des chronischen deformierenden Gelenkrheumatismus, welche durch die
verschiedensten toxischen und infektiösen Einflüsse entstehen kann.
Dagegen fanden M. und L. nach dem Autopsiebefunde eines neuen Falles (des
zweiten zur Sektion gekommenen) ihre frühere Ansicht bestätigt, daß die Spon-
dylose rhizom6lique eine eigenartige Krankheit ist, anatomisch und pathogenetisch
vollständig verschieden von anderen Ankylosen der Wirbelsäule und vom chroni-
schen ankylosierenden Gelenkrheumatismus. Die Erkrankung ist primär eine in-
fektiöse oder toxisch-infektiöse Knochenerkrankung mit Neigung zur Rarefizierung
der Knochensubstanz; sekundär treten Verknöcherungen an den Bändern auf, und
zwar zu dem Zwecke, die Knochenerkrankung zu kompensieren und die Affektion
zur Ausheilung zu bringen. Mohr (Bielefeld).
20) Hartmann (Kassel. Bruch des anatomischen Halses des Ober-
armkopfes.
(Archiv für Orthopädie, Mechanotherapie und Unfallchirurgie Bd. IV. Hft. 4.)
Ein 48jähriger Mann, auf einer Kommode stehend, verlor das Gleichgewicht
und schlug mit der Achsel auf die scharfe Kante einer Stuhllehne auf. Die nach
einem Jahre vorgenommene Röntgenuntersuchung ergab die Verheilung einer
totalen Absprengung des anatomischen Kopfes, der keilförmig mit geringer Ver-
schiebung medianwärts in die spongiöse Epiphyse des Schaftes zwischen die beiden
Tubercula hineingetrieben war. Das harte. spitze Fragment hatte sich in das
weiche, spongiöse hineingespießt und eine Längsfraktur bewirkt, die sich in den
Schaft des Humerus eine Strecke weit fortgesetzt hatte.
Im zweiten Teile der Arbeit sucht Verf. nach einer Erklärung für das Zu-
standekommen der Frakturen im Gebiete des so versteckt liegenden anatomischen
Halses des Humeruskopfes. Er ist der Ansicht, daß in gewissen Stellungen und
bei gewissen äußeren Gewalteinwirkungen der Knochen gerade hier am wenigsten
widerstandsfähig ist. An dieser Stelle ist der Kopf frei von dem ihn schlauch-
förmig umgebenden und zugleich verstärkenden Bandapparat und von umschließen-
den Knochen der entsprechend ausgehöhlten Pfanne des Schulterblattes; auch geht
hier die Rindenschicht, die vom Schafte herkommt, der Auflösung entgegen, und
ist die Knorpelsubstanz des Kopfes auf ein Minimum reduziert.
Die später einsetzende Bewegungseinschränkung usw. ist ein Symptom der
Arthritis deformans. Man muß deshalb bei der Begutachtung derartiger Frakturen
sich äußerste Reserve auferlegen. Pat. werden bei Brüchen, die das Gelenk selbst
oder in der Nähe des Gelenkes gelegene Partien betroffen haben, nur unter der
Bedingung wieder vollkommen erwerbsfähig sein, wenn sich zu den verheilten
Brüchen keine Arthritis deformans gesellt. (Selbstbericht.)
21) Eichel. Stichverletzung der Arteria brachialis. Arteriennaht.
(Deutsche militärärztl. Zeitschrift 1906. Hft. 9.)
Stichverletzung mit einem Messer in den linken Arm, 21/, cm lange Wunde
an der Beugeseite des linken Oberarmes, dicht oberhalb der Ellbogenbeuge,
1316 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49.
starker Blutverlust. Bei temporärer Blutstillung durch Fingerdruck oberhalb der
Wunde wurde diese erweitert und als Quelle der Blutung ein etwa 1 cm langer,
etwas schräg gestellter Längsschnitt der Arteria brachialis festgestellt. Die Ge-
fäßwunde wurde durch sechs Knopfnähte, die möglichst nur die Adventitia und
‚Media faßten, geschlossen, darüber Scheidennaht, Hautnaht. Heilung per primam,
Puls an der Radialis deutlich fühlbar. Der Mann wurde dienstfähig.
Herhold (Brandenburg).
22) Wiesmann. Uber einen Fall doppelseitiger Bicepsruptur.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLIX. p. 161.)
Ein 43jähriger muskulöser Mann zog sich durch Heben einer Last und 7 Jahre
später durch direktes Aufschlagen des Muskelbauches des Biceps gegen eine vor-
stehende Schraube bei einem Fall beiderseits eine Zerreißung der Bicepssehne dicht
oberhalb des Ansatzes am Radius zu.
Der alte Bicepsriß, der konservativ behandelt worden war, hatte zu erheblicher
Schwäche, besonders der Beugung geführt. Der neue wurde operativ in Angriff
genommen, die pinselförmig aufgefaserte Bicepssehne angefrischt und in der Nähe
des Radiusköpfchens an dem Perimysium des Musc. pronator teres und Supinator
longus angeniht. Nach primärer Heilung erlangte der Arm seine volle Kraft
wieder.
Ist die Zerreißung der Bicepssehne an sich schon selten, so ist die Doppel-
seitigkeit derselben erst recht eine Rarität. In jedem derartigen Falle dürfte sich
die Naht der Sehne empfehlen, weil sie eine bessere Funktion garantiert als die
konservative Behandlung. Reich (Tübingen).
23) K. Schnurpfeil. Habituelle Verrenkung eines Interphalangeal-
gelenkes der Hand.
(Časopis lékařů českých 1906. p. 724.)
Ein 16jähriger Jüngling zog sich durch ein Trauma eine volare Verrenkung
des Gelenkes zwischen der ersten und zweiten Phalange des Kleinfingers zu. Diese
Verrenkung ist außer durch ihre Seltenheit besonders dadurch interessant, daß sie
habituell war und nur passiv reponiert werden konnte; nach der Reposition ent- |
stand sie durch die geringste Bewegung des Fingers wieder. Nach Anlegung eines
Schienenverbandes in Extensionsstellung trat innerhalb 5 Wochen Heilung ein.
24) 8. L. Timofejew. Traumatisches Ödem an Hand und Fuß künst-
lichen Ursprunges (diffuse Thrombose der dorsalen Venen).
(Russki Wratsch 1906. Nr. 31.)
Im Anfange des russisch -japanischen Krieges wurden im Kijewer Militär-
lazarett 60—70 Soldaten mit oben genannter Krankheit behandelt. Es stellte sich
heraus, daß die Leute sich dem Feldzug entziehen wollten und dazu folgendes
Verfahren anwandten. Die betreffende Extremität wird mit heißem Tabakinfus
eingerieben, mit einem Handtuch eingeschnürt und nachher, wenn sie angeschwollen
ist und schmerzlos wird, mit einem stumpfen Gegenstand (in Tücher eingewickelter
Stock, oder Faust, oder Ferse) lange Zeit geklopft. Das so entstandene Leiden
ist durch Massage, heiße Bäder und Kompressen nicht zu beseitigen — das Ödem
wird noch schlimmer. Doch bringt vertikale Suspension der Extremität in 2 bis
4 Tagen das Ödem zum Schwinden. Ein Pat. erkrankte im Verlaufe des Ödems
an linksseitiger Hemiplegie, wohl infolge einer Embolie aus der Handvene in die
Art. fossae Sylvii dextra. E. @tickel (Wel. Bubny, Poltawa).
25) A. Saxl (Wien). I. Zur Pathologie der paralytischen Abduktions-
kontraktur der Hüfte. II. Zur Mechanik des Ganges bei Quadriceps-
paralyse.
(Wiener klin. Rundschau 1906. Nr. 30 u. 31.)
Es wird ein Fall beschrieben, bei welchem durch Poliomyelitis anterior eine
komplizierte Lähmung, besonders auch der Hüftmuskulatur, erzeugt war. Es re-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 1317
t
sultierte eine Abduktionskontraktur, die das Bild einer paralytischen Verrenkung
vortäuschte. Es wird genau erörtert, durch welche mechanischen Momente hier
die drohende Verrenkung verhütet ist.
Die 14jährige Pat. wurde durch mehrfache subkutane Tenotomien und sorg-
fältiges Redressement sehr wesentlich gebessert; Abbildungen zeigen dies.
Den Schluß bilden Betrachtungen über die Mechanik des Ganges bei Quadri-
cepsparalyse. Schmieden (Bonn).
26) McGregor. Case of anastomosis between the femoral veins sub-
sequent to thrombosis of the left external iliac vein during typhoid
fever.
‘Glasgow med. journ. 1906. Oktober.)
Ein 26 Jahre alter Bremser hatte 1896 Typhus iiberstanden; damals war es
zu einer sehr schmerzhaften Schwellung des linken Beines gekommen, die allmäh-
lich bis auf eine mäßige Verdickung der Extremität zurückgegangen war. 1900
machte Pat. von neuem Typhus durch und '/, Jahr danach Malaria. Damals kam
es zur Ausbildung von großen Varicen in der Unterbauchgegend, deren Wachstum
aber allmählich langsamer wurde; der Zustand wurde zuletzt stationär, auch Hä-
morrhoidalbeschwerden, die sich eingestellt hatten, gingen zurück.
Es erhob sich nun die schwerwiegende Frage, ob es gestattet sei, die sehr
großen Varicen — Verf. bildete sie auf einer photographischen Aufnahme ab —
zu beseitigen, weil Pat. in seinem Berufe durch sie sehr behindert war und ein
Platzen der Knoten zu befürchten war.
Auf Maylard’s Rat machte Verf. den Versuch, die Zirkulation in den Va-
ricen durch eine Bandage zu unterbrechen, um zu erfahren, ob sich vielleicht in
der Zwischenzeit genügende Anastomosen in der Tiefe gebildet hätten.
Da nun dieser Versuch die Vermutung bestätigte, konnte man wagen, den
Pat. von seinen Varicen zu befreien. Der Versuch gelang, und Pat. ist seitdem
— mehr als 2 Jahre sind seither vergangen — in seinem Berufe tätig und ohne
Beschwerden. W. v. Brunn (Rostock).
27) Miller. The results of operative treatment of varicose veins of
the leg by the methods of Trendelenburg and Schede.
(Johns Hopkins hospital bulletin 1906. September.)
M. berichtet über das Material der Halsted’schen Klinik und demonstriert
einige bemerkenswerte Fälle durch gute photographische Aufnahmen.
Varicenbildung an den Beinen ist nicht eine Krankheit des Alters, 1/3 aller
Fälle entstehen vor dem 30., 2/3; vom 30.—40. Lebensjahre. Das Material umfaßt
128 Pat.
Es gibt eine Krampfaderbildung auf Grund einer entziindlichen Erkrankung
(Schwangerschaft, Rekonvaleszenz nach Operationen oder Infektionskrankheiten,
ganz besonders oft Typhus) und auf nicht entziindlicher Grundlage, deren Ursachen
bisher nicht bekannt sind.
Das rechte und das linke Bein ist ungefähr in gleichem Maße betroffen; über
die Hälfte der Erkrankungen betraf beide Beine zugleich.
Durch das Vorgehen nach Trendelenburg wurden bei 41 Fällen 78%
Heilung beobachtet. In den ersten 4 Jahren nach der Operation betrug die Ziffer
89% Heilung, bis zum 8. Jahre traten aber doch soviele Rezidive auf, daß von
diesen Kranken nur 63% dauernd geheilt blieben.
Die Schede’sche Operation hatte bei neun Fällen nur in 33% Erfolg. Zwei
vor 2 Jahren operierte Kranke sind bisher noch gesund, von sieben Kranken, die
vor mehr als 2 Jahren operiert wurden, blieb nur einer ohne Rezidiv.
Drei Wege gibt es, auf denen es zur Rezidivbildung kommen kann: 1) können
die venösen Anastomosen zwischen den zwei Unterbindungsstellen der V. saphena
selbst varikös werden, 2) können in der Narbe selbst neue Varicen sich bilden,
3) kann die V. saphena zwischen den Unterbindungsstellen selbst wieder wegsam
1318 Zentralblatt far Chirurgie. Nr. 49.
\
werden und Varicen bilden. Im allgemeinen hat die funktionelle Wiederherstellung
der Saphena auch eine Wiederkehr der Symptome zur Folge.
Im allgemeinen empfiehlt es sich, von einem Querschnitt aus 8cm oder mehr
aus der V. saphena zu resezieren. Lungenembolie nach der Operation ist selten,
wurde aber mehrmals vom 4. bis zum 13. Tage p. op. beobachtet.
W. v. Brunn (Rostock).
28) P. G. Poper. Zur Kasuistik der Lymphcysten des Oberschenkels.
(Russki Wratsch 1906. Nr. 365.)
Pat. trägt die Geschwulst seit 2 Jahren. Sie ist kindskopfgroß und sitzt vorn
am rechten Oberschenkel, dessen mittleres Drittel einnehmend. Von dem medialen
unteren Teile geht ein Fortsatz zum Condylus medialis des Oberschenkels, 2 cm
breit, 7” cm lang. Die Cyste selbst mißt 26><33 cm. Ursache unbekannt. Nach
Entleerung von 2 Litern klarer, strohgelber Flüssigkeit leichte Exstirpation des
Sackes, der vollständig abgegrenzt zwischen Fascie und Muskel saß. Nach der
Operation hartnäckige Lymphorrhöe, so daß erst 5 Wochen nach’der Exstirpation
Heilung eintrat. In der Literatur fand P. nur noch einen ähnlichen Fall — den
von Nordmann (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie 1901).
E. Gückel (Wel. Bubny, Poltawa).
29) Grohe. Absprengung eines kleinen Stückes vom rechten Femur-
kopf bei einem 4!/,jährigen Knaben.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVIII. p. 837.)
Verf. beschreibt einen seltenen Fall von segmentärer Absprengung am Ober-
schenkelkopfe, dessen Diagnose sich auf das Röntgenbild stützt. Der Mechanismus
war der, daß das Kind bei eingeklemmtem Fuß im Momente der Entstehung einer
Luxatio iliaca auf den Trochanter fiel, wobei der Pfannenrand das obere Segment
des Kopfes absprengte.
Extensionsbehandlung führte zu Heilung mit voller Funktion.
Reich (Tübingen).
30) P. Müller. Über Biegungsbrüche an den langen Röhrenknochen
der unteren Extremität.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. L. Hft. 1.)
Aus dem reichen Frakturenmateriale der v. Bruns’schen Klinik hat Verf.
113 Fälle von Brüchen der langen Röhrenknochen der unteren Extremität aus-
gewählt, bei denen wohlgelungene Röntgenogramme in Übereinstimmung mit
Anamnese und klinischem Befunde die Merkmale von Biegungsbrüchen deutlich
erkennen ließen. Auf die in Betracht kommende Gesamtzahl von 422 Brüchen
von Femur, Tibia und Fibula bezogen, ergibt sich eine Häufigkeit der Biegungs-
brüche von 27%; doch stellt sich deren Frequenz tatsächlich noch beträchtlich
höher. Ober- und Unterschenkel sind in einem Verhältnis von 6 : 14 vertreten.
Unter den Oberschenkelbriichen (129 Rontgenbilder) sind 34 = 26,4% durch
Biegungsmechanismus entstanden, wobei 17mal eine direkte, 10mal eine indirekte
Gewalteinwirkung sich nachweisen ließ, und worunter 8 komplizierte Fälle sich be-
finden. Die Bruchstelle hatte in der Überzahl ihren Sitz im mittleren Drittel des
Oberschenkels.
Fiir den Unterschenkel ergab sich bei 293 Fallen fiir die Biegungsbrüche eine
Frequenz von 79 = 27,3%. Das Trauma war gleichfalls häufiger ein direktes (35)
als ein indirektes (26), und führte in 27 Fällen (= 34%) zu komplizierten Frak-
turen.
Auf interesante Einzelbeobachtungen einzugehen, ist hier nicht Raum. Im
ganzen führt die Arbeit zu dem Schluß, daß auch die röntgenographische Unter-
suchung die zuerst durch v. Bruns vertretene Ansicht bestätigt, wonach die re-
lative Mehrzahl der Diaphysenbrüche langer Röhrenknochen durch Biegung. und
dann unter typischem Verhalten der Bruchlinien, entsteht. Für das scheinbare Über-
wiegen der reinen Schrägbrüche ist die Unzulänglichkeit der Bilder verantwortlich
zu machen. Reich (Tübingen!.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49. 1319
31) Sonntag. Uber die Frakturen am oberen Ende der Tibia.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. L. Hft. 1.)
Zu diesem Thema hat Verf. alle einschlägigen Fälle aus der Literatur ge-
sammelt und aus dem reichen Frakturenmaterisale der v. Bruns’schen Klinik aus
den letzten 10 Jahren zahlreiche neue Fälle beigebracht, die in kurzem Auszug und
unter Anfügung von Röntgenbildern beschrieben sind.
Fremde v. Bruns’sche
Fälle. Klinik.
A. Brüche des oberen Drittels
der Tibia unterhalb der Tuberositas tibiae 84 9
B. Briiche des oberen Gelenkendes der Tibia:
1) Traumatische Epiphysenlésungen 7 1
2) Frakturen der Tuberositas tibiae 38 1
3) Isolierte Fraktur eines Tibiakondylus 28 1
4) Kompressionsfrakturen am oberen Tibiaende 52 2
Einzelheiten sind in dem Originale nachzusehen. Reich (Tübingen).
32) Macartney. Unusual case of ruptured tendo Achillis.
(Glasgow med. journ. 1906. September.)
Das Eigenartige an diesem Falle war zunächst, daß der 19 Jahre alte Pat.,
der im übrigen keine Abnormitäten an sich gehabt zu haben scheint, nicht an-
geben konnte, wann und wodurch die Zerreißung seiner rechten Achillessehne zu-
stande gekommen war. Nur soviel war zu erfahren, daß Pat. seit etwa 3 Monaten
hinkte. In der Gegend der Wade fand sich eine runde, geschwulstartige Masse.
Bei der Operation ergab sich, daß diese Geschwulst aus retrahierter Muskulatur
und Sehnengewebe bestand; am Fersenbeine war nicht der geringste Rest von der
Sehne stehen geblieben.
Verf. führte eine Plastik in der Weise aus, daß er den Muskelbauch in der
Mitte quer einschnitt bis zur Hälfte der Dicke, und von hier aus frontal, nach
dem Fuße zu gerichtet, die hintere Hälfte der Muskulatur von der vorderen soweit
ablöste, bis der so entstehende Lappen, wenn man ihn herabklappte, das Fersen-
bein erreichte. Hier vernähte er ihn am Periost mit Catgut.
Obwohl sich einige nekrotisch gewordene Muskelpartien im Laufe der Zeit
abstießen, kam es zur Heiluug, und 9 Monate nach der Operation geht Pat. flott,
ohne jedes Hinken. W. v. Brunn (Rostock).
33) Schambacher. Über die gangliomähnliche Geschwulst des Nervus
peronaeus.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVII p. 825.)
Beschreibung von zwei als falsches Neuroma cysticum angesprochenen Ganglien
des Nervus peronaeus, die, nicht hinter dem Fibulaköpfchen gelegen, spontan ent-
standen und Ursache neuralgischer Schmerzen im Peroneusgebiete waren. Sie er-
wiesen sich als mehrkammerige Cysten von klarem, gallertigem Inhalte, die von
den ausgebreiteten Nervenfasern überzogen waren.
Die eine Geschwulst wurde exstirpiert mit Resektion des Nerven; bei der an-
deren führte die Auslöffelung zur Ausheilung unter Erhaltung der Nervenfunktion.
Reich (Tiibingen).
34) A. Reich. Nachuntersuchungen über die Gebrauchsfähigkeit der
Amputationsstümpfe des Unterschenkels.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. L. Hft. 1.)
Um Aufklärung zu bringen über die anatomische und funktionelle Beschaffen-
heit von Unterschenkelstümpfen, hat Verf. an der v. Bruns’schen Klinik 61 Unter-
schenkelamputierte einer persönlichen Nachuntersuchung unterworfen.
Was zunächst 45 subperiostal nach der v. Bruns’schen Methode operierte und
nicht für Tragfähigkeit bestimmte Unterschenkelstümpfe betrifft, so wiesen 21 eine
1320 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 49.
sehr gute, 10 eine mäßige und 14 eine unbefriedigende praktische Brauchbarkeit
zu körperlichen Arbeiten mit Hilfe von Prothesen auf. Dabei bezog sich die Unter-
suchung auf Pat. jeden Alters bis zu 84 Jahren; eine Abnahme der relativen
Leistungsfähigkeit im Alter ließ sich nicht bemerken. Die Beobachtungsdauer
betrug nie unter 1 Jahr, dagegen bis zu 24 Jahren. -
Durch die Zugehörigkeit zu einem sitzenden Berufe, resp. den Übergang zu
einem solchen nach der Amputation wird die Gewöhnung an den Gebrauch der
Prothese und damit die Funktion beeinträchtigt. Die wegen Fußtuberkulose Am-
putierten wiesen eine bessere Brauchbarkeit des Stumpfes auf als die wegen akuter
Eiterungen, komplizierter Traumen, Gangrän und Deformität des Fußes Ampu-
tierten, hauptsächlich wegen der bei Tuberkulosen häufigeren Primärheilung.
Hinsichtlich der Funktion blieb das mittlere Drittel bis zu seiner oberen Grenze
die günstigste Höhe für die Absetzung des Unterschenkels: längere Stümpfe sind
in besonderem Grade zu Zirkulationsstörungen, Reizung der Tibiakante und pro-
thetischen Schwierigkeiten disponiert; kürzere Stümpfe erschweren die Befestigung
des künstlichen Apparates und komplizieren ihn.
An Stelle des einzeitigen Zirkelschnittes mit erst nachträglich hinter die
Knochenenden wandernder Narbe empfiehlt sich zur Vermeidung der Narben-
verwachsung die Bildung eines größeren vorderen und kleineren hinteren Lappens,
was vor allem für tragfähig zu machende Stümpfe wertvoll erscheint.
Die Absicht, Tibia und Fibula in gleicher Höhe zu durchsägen, zieht so oft
einen Mißerfolg resp. Hervorragung der Fibula (in 1/; der Fälle) nach sich, daß
höhere Absetzung der Fibula durchaus geboten erscheint.
Die Weichteile aller nicht direkt tragenden Stümpfe fallen einer unvermeid-
lichen Atrophie (sekundärer Konizität) anheim, die höchstens durch chronisches
Ödem verdeckt wird. Eine für direkte Belastung ausweichende Schmerzlosigkeit
der Stumpfbedeckung zählt zu den Ausnahmen.
Produktive Knochenveränderungen werden ausnahmsweise vermißt. Sie gehen
so gut wie auschließlich vom Periost, enorm selten vom Mark aus. Die gefähr-
lichste Form der unregelmäßigen prominenten Exostosen ist bei 4493 der sub-
periostalen Stümpfe zu beobachten. Weder das Alter, noch die Amputations-
indikation, noch der Heilungsverlauf, noch mechanische Reize spielen eine merklich
bevorzugte Rolle in deren Atiologie. Aus der Häufigkeit der Exostosen ergab sich
ein aperiostales Amputationsverfahren mit Wegnahme eines Periostsaumes und
Markauslöffelung.
Röntgenographisch läßt sich eine chronische exzentrische Knochenatrophie bei
der Mehrzahl der indirekt tragenden Unterschenkelstümpfe nachweisen, jedoch
nicht ausnahmslos. In der Regel stellt diese einen aus der Zeit vor der Ampu-
tation übernommenen und infolge des Funktionsausfalles verstärkten oder nicht
zurückgebildeten Zustand dar. Konzentrische Knochenatrophie war nur sehr selten
und auch bei ältesten Stümpfen nur andeutungsweise vorhanden.
Die exzessive Konizität jugendlicher Stümpfe (vier Fälle) beruht auf einem
Mißverhältnie zwischen Knochen- und Weichteilwachstum einerseits, einer im
Wachstumsalter besonders starken, zu griffelförmiger Zuspitzung führenden Knochen-
atrophie andererseits.
Die Nachuntersuchung von 16 teils mit, teils ohne Periosterhaltung amputierten
und tragfähig gemachten Unterschenkelstümpfen ergab, daß subperiostale Stümpfe
sich sehr gut tragfähig machen lassen, diese Eigenschaft aber später häufig infolge
Exostosenbildung wieder verlieren, selbst nach 2 und mehr Jahren. Aber auch
aperiostale, direkt tragende Knochenstümpfe sind nicht sicher und dauernd vor
störenden Exostosen geschützt.
Es können exostotische Stümpfe tragfähig werden und bleiben und anatomisch
ideale Fälle ohne ersichtlichen Grund die Tragfähigkeit verlieren.
(Selbstbericht.)
Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man
an Prof. E. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags-
handlung Breitkopf & Härtel, einsenden.
Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig, Nürnbergerstraße 36/38.
Zentralblatt
CHIRURGIE
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DreiunddreiBigster Jahrgang.
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RR aS GP SEIT NII IE IE TEETER
Nr. 50. Sonnabend, den 15. Dezember. 1906,
Inhalt: Z. Stawinski, Uber partielle Resektion{des Samenstranges bei radikaler Opera-
tion des Leistenbruches. (Original-Mitteilung.)
1) Spiller und Frazier, Palliativoperation bei Hirngeschwülsten. — 2) Keppler, Stauungs-
hyperämie bei eitrigen Ohrerkrankungen. — 3) Grossmann, 4) Syme, Mastoidoperationen. —
5) Alexander, Jugularis-Hautfistel bei otogener Pyämie, — 6) Lebram, Arrosion der Carotis
bei peritonsillären Abszessen. — 7) Holländer, Tuberkulose der Mund- und Nasenschleimhaut.
— 8) Fawcett, Gaumenspalte. — 9) Davis, Angina Ludovici.
F. Franke, Der seitliche Halsschnitt (Trachelotomia externa) zur Entfernung von Fremd-
körpern aus der Speiseröhre ohne deren Eröffnung. (Original-Mitteilung.)
10) Oppenheim, Hirngeschwulst. — 11) Hinsberg, 12) Held, Eitrige Meningitis. —
13) Boenninghaus, Doppelseitige zerebrale Hörstörung mit Aphasie. — 14) Voss, Otitische
Sinusthrombose. — 15) Maler, Geschmacksstörungen bei Mittelohrerkrankungen. — 16) Ren-
ton, Exstirpation des Ganglion Gasseri. — 17) Erdheim, Schädelcholesteatome. — 18) Bezold,
Mißbildung des Ohres. — 19) Lebram, Störungen des Gehörorgans nach Carotisunterbindung.
— 20) Lebram, Arrosion des Sinus transversus. — 21) Voss, 22) Grunert, 23) Voss, Frei-
legung des Bulbus v. jugul. — 24) Hölscher, Paraffinausfüllung von Operationshöhlen im
Felsenbein. — 25) Hagen-Torn, Augenhöhlengeschwäülste. — 28) Bohosiewicz u. Herman,
Totale Oberkieferresektion. — 27) Pfeiffer, Symmetrische Tränen-Speicheldrüsenerkrankung.
— 28) Nicoli und Teacher, Zungenteratom. — 29) Gabourd, Fibrolipom des weichen Gau-
mens. — 30) Amblard, Perlamygdalitis phlegmonoss. — 81) Dervaux, Spina bifida. —
32) Renton, Laminektomie bei Spondylitis tuberculosa. — 33) Oppenheim und Borchardt,
Riickenmarkegeschwilste. — 34) Coltelloni, Branchialcysten. — 35) Da Costa, Geschwulst
des Carotidenkérpers. — 36) Enochin,Unterbindung der Schilddrüsenarterien. — 37) Blauel,
Exothyreopexie. — 38) Whipple, Tuberkelbazillen im Ductus thoracicus. — 39) Pfeiffer, All-
gemeines interstitielles Emphysem. — 40) Spengler, Pneumothorax. — 41) Horn, Eitrige
Brustfellentzündung. — 42) Pfeiffer, Brouchiektasen im Röntgenbild. — 43) Travers, Herz-
naht. — 44) Braendle, Brustdrüsentuberkulose. — 45) Delagéniére, 46) Donth, 47) Niederle,
48) Bunting, 49) Well, Zur Pankreaschirurgie. — 50) Sick, Milzbrand.
Über partielle Resektion des Samenstranges bei
radikaler Operation des Leistenbruches.
Von
Dr. med. Z. Stawinski in Warschau.
Der bis jetzt üblichen Ansicht zufolge sollte eine Läsion der
A. spermatica int. stets zu Gangrän oder zur fortschreitenden Atrophie
des Hodens führen. Indessen ist die Richtigkeit dieses Satzes durch
50
1322 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50.
neuere Forschungen (gewisse Methoden der Varikokele- und Kryptor-
chismusoperationen) ins Schwanken geraten, wie auch meine Beobach-
tungen über Hernien weitere einschlägige Beweise gegen denselben
liefern.
In Nr. 9 des Zentralblatt für Chirurgie 1905 veröffentlichte
Pólya eine Modifikation der Bassini’schen Methode, welche auf
einer Volumverminderung, Verlagerung und Umschlagen des Samen-
.stranges um den Rand eines aus der Aponeurose des M. obliquus
externus exzidierten Lappens beruht. Um das erste zu erreichen, ent-
fernt Pólya den M. cremaster sowie diejenigen Hodenvenen, welche
nicht mit dem Funiculus zum inneren Leistenringe verlaufen, sondern,
sich von ihm beim äußeren Leistenringe trennend, mehr medial gegen
die Fascia transversa hinziehen, um sich in die Epigastrica zu ent-
leeren, und auch die den Processus vaginalis der Fascia transversa
entsprechende, bei Hernien zumeist stark verdickte Bindegewebsschicht.
Pólya fügt noch hinzu, daß zu demselben Zwecke Halsted nur das
Vas deferens mit 1—2 Venen erhält; in der mir zugänglichen Literatur
vermochte ich die Beschreibung des Halsted’schen Verfahrens nicht
aufzufinden.
In der oben beschriebenen Methode fiel mir ein Detail auf,
nämlich die Verkleinerung des Samenstrangumfanges; was die übrigen
von Pólya vorgeschlagenen Modifikationen betrifft, so will ich sie
an dieser Stelle keiner Kritik unterwerfen. Die Volumsverkleinerung
des Samenstranges bedeutet dagegen in vielen Fällen zweifellos einen
technischen Fortschritt. So wird man z.B. bei sehr großen Brüchen
zuweilen kastrieren müssen, will man mit dem enormen Bruchsack
und dem Samenstrang fertig werden; auch bei angeborenen Hernien
ist das Auffinden und Zusammenlegen des zerstreuten Samenstranges
außerordentlich schwierig.
Aus diesem Grunde wagte ich mit der Verkleinerung des Samen-
strangvolumens noch weiter als Pölya zu gehen: auf einer bestimmten
Strecke ließ ich nämlich nur den Samenleiter bestehen. Es wird ja
dieser Eingriff, allerdings in kleinerem Maßstabe, bei Operationen der
Variokele und des Kryptorchismus von verschiedenen Chirurgen geübt;
wie dann die Ernährung des Hodens stattfindet, erhellt aus den
anatomischen Verhältnissen.
Der Samenstrang führt drei Arterien, nämlich die Spermatica
interna aus der Aorta, die Spermatica externa oder Funicularis aus
der Epigastrica inferior und die Arteria deferentialis aus der Vesicalis
inferior oder media, also aus der Art. hypogastrica. Abgesehen von
den Anastomosen dieser Gefäße mit den Nachbararterien (z. B. der
Art. funicularis mit den Artt. scrotales posteriores aus der Pudenda
int.) bestehen konstante Anastomosen dieser Samenstrangarterien unter-
einander. Von größter Bedeutung in dieser Beziehung ist das Ver-
hältnis der Art. deferentialis und spermatica interna‘. Am hinteren
ı L. Testut et O. Jacob, Traité d'anatomie topographique. Bd. II. p. 571.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 1323
Pole des Testikels teilt sich die Art. spermatica int. in zwei Astchen,
welche den Hoden ernähren. Ferner gibt dieselbe etwas oberhalb des
Nebenhodens zwei Astchen für denselben ab, der eine (Art. epididym.
post.) anastomosiert gewöhnlich »& plein canal« mit der Art. deferen-
tialis. Letztere anastomosiert im Niveau des Nebenhodens in Gestalt
eines Bogens mit der Art. epididym. post.; die für den Nebenhoden
und den hinteren Hodenpol bestimmten Zweige entspringen erst diesem
Bogen. »Wird der Samenleiter nicht zu viel («de trop prés«) entbléBt,
so kann man sicher sein, die Art. deferentialis nicht verletzt zu haben,
und die Erhaltung dieser Arterie allein sichert die Ernährung des
Hodens.«
Auf Grund dieser anatomischen Tatsachen allein habe ich eine
partielle Resektion des Samenstranges folgendermaßen ausgeführt.
Nach Isolierung des Bruchsackhalses, Reposition des Bruchinhaltes
und Vernähung oder Unterbindung des Bruchsackhalses wurde der
-Samenleiter aufgesucht und auf der Strecke vom inneren bis zum
äußeren Leistenring isoliert; dann wurden die übrigen Gewebe (der
Bruchsack nebst akzessorischen Bruchhüllen, der Samenstrang) dicht am
Bruchring abgetragen. Die weitere typische Wiederherstellung des
Leistenkanals nach Bassini geschieht wie gewöhnlich, mit Verlage-
rung des Samenleiters; die Aponeurose läßt sich dann ohne jegliche
Spannung vernähen. Als Vorzug dieses Verfahrens wäre eine be-
deutende Abkürzung und Vereinfachung des ganzen Eingriffes zu
nennen, da man ja neben dem Samenstrang alle übrigen Bruchhüllen
exzidieren kann.
Persönlich hatte ich die Gelegenheit, den oben beschriebenen
Eingriff in sieben Fällen von Hernien (darunter zwei beiderseitige)
auszuführen. Nach der Operation ist der Hoden zuweilen einige
Tage lang geschwollen, indes gleicht sich diese geringe Schwellung
rasch aus. Von den operierten — sämtlich ohne Komplikationen
geheilten — Fällen vermochte ich nur zwei nachzuprüfen. Der erste Pat.,
ein 40jähriger, im September 1905 doppelseitig operierter Mann, weist
keinerlei sichtbare oder tastbare Volumveränderungen am Hoden auf;
auch ein Nachlassen der sexuellen Tätigkeit wurde nicht bemerkt. Der
zweite Fall ist um so interessanter, als ein großer rechtsseitiger Bruch
im Oktober 1905 mit Resektion des Samenstranges operiert, links
dagegen wegen kleinerer Hernie im September desselben Jahres ein
typischer Bassini ausgeführt wurde. Gegenwärtig (Oktober 1906)
vermag man keinen Unterschied beider Hoden zu bemerken. Diese
Fälle sind ein Beweis dafür, daß durch die von mir vorgeschlagene
Exzision aller Bestandteile des Samenstranges mit Belassung des
Vas deferens ‘weder die Ernährung noch die Funktion des Hodens
gefährdet, hingegen die Dauer der Operation abgekürzt und die
Technik derselben vereinfacht wird.
Neben den anatomischen Tatsachen besitzen wir eine Reihe
klinischer Beobachtungen anderer Leiden, welche als wichtiger Beleg
für die Unschädlichkeit des von mir vorgeschlagenen Eingriffes
50*
1324 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50.
dienen können. Ähnlich wird von manchen Chirurgen bei der opera-
tiven Behandlung der Varikokele und des Kryptorchismus verfahren.
Bennet? rät, die erweiterten Venen bei Varikokele zu exstirpieren
und behauptet, daß selbst bei einer Verletzung der Art. spermatica
eine Nekrose oder Atrophie des Hodens nicht eintritt, was nach den
Tierexperimenten von Mifflet, Volkmann u.a. befürchtet wurde.
Nach Testut und Jakob (l.c.) wäre die Art. spermatica int. des
Samenstranges von einer (vorderen) Venengruppe umgeben, welche
dieselbe derart maskiert, daß sie schwer auffindbar und ihr Puls nicht
abzutasten ist. Aus diesem Grund ist man bei der Resektion des
Plexus pampiniformis niemals sicher, die Arterie nicht. verletzt zu
haben, will man nicht nur Abschnitte der sorgfältig präparierten
einzelnen Venen exzidieren. Eine Läsion der Arterie ist für die Er-
nährung des Hodens ziemlich belanglos, vorausgesetzt natürlich, daß
die Art. deferentialis intakt bleibt. — Als ich in einem Falle von
Varikokele die Art. spermatica int. im Venengeflecht nicht aufzu-
finden vermochte, war ich genötigt, auf einer bestimmten Strecke den
ganzen Samenstrang, mit Ausnahme des Ductus deferens, zu resezieren;
nach Verlauf von 1!/, Jahren konnte ich feststellen, daß der auf der
operierten Seite — früher bedeutend kleinere — Hode nun dem der
entgegengesetzten Seite völlig gleich kam, und die vor der Operation
bedeutend herabgesetzte geschlechtliche Funktion zugenommen hat. .
Einen interessanten Beitrag zu der einschlägigen Frage bildet
auch eine Methode der Kryptorchismusoperation. Einigen Autoren
zufolge beruht die Hauptschwierigkeit beim Herunterziehen des
Testikels in den Hodensack — nach Beseitigung anderweitiger Hinder-
nisse — auf abnormer Kürze der Samenstranggefäße Der Verlauf
der Gefäße ist ein gerader, während der Samenleiter zwischen innerem
Leistenring und Blasengrund bogenförmig verläuft; auch die Art.
deferentialis bildet einen Bogen. Aus diesen Gründen, gestützt auf
die Tatsache, daß nur der Samenleiter der wichtigste Bestandteil des
Samenstranges ist, opfert Bevan? die Samenstranggefäße, so oft sie
ein Hindernis für genügendes Herabsteigen des Hodens abgeben.
Auf Grund von über 100 Operationen wegen Varikokele, nach welchen
— trotz Entfernung sämtlicher Bestandteile des Samenstranges mit
Ausnahme des Ductus deferens und seiner Gefäße — keinerlei Er-
nährungsstörungen des Hodens beobachtet wurden, gelangt Bevan zu
der Überzeugung, daß in Fällen, wo dies für das Herabsteigen un-
umgänglich erscheint, die Samenstranggefäße ohne Bedenken geopfert
werden können. Mignon stellte im Jahre 1902 in der Pariser
chirurgischen Gesellschaft drei Fälle von Varikokele vor, wo alle
2 Bramann, Handbuch der praktischen Chirurgie. 2. Aufl. Bd. IIL p. 1242.
3 Arthur Dean Bevan (Chicago), Ein weiterer Beitrag zur chirurgischen
Behandlung des nicht herabgestiegenen Hodens. Archiv für klinische Chirurgie
Bd. LXXII. 1904.
t Souligoux, Ectopie testiculaire et ses complications. Informations et
documents divers du 19. congrès des chirurgiens français,
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 1325
Gebilde des Samenstranges, mit Ausnahme des Samenleiters und der
Art. deferentialis, reseziert wurden. Souligoux bemerkt, daß die
gegen dieses Verfahren gerichteten scharfen Vorwürfe unbegründet
seien, sobald nicht nachgewiesen wurde, daß die Art. deferentialis eine
sog. Eindarterie sei.
Alle diese Tatsachen berechtigen uns, meines Erachtens, zu par-
tieller Resektion des Samenstranges bei Radikaloperation nach Bas-
sini. Möglicherweise wird eine längere und ausführlichere klinische
Beobachtung auch Schattenseiten dieser Methode entdecken; indessen
möchte ich bereits auf Grund meiner seit Jahresfrist dauernden Er-
fahrung dieselbe zur Nachprüfung und Beurteilung empfehlen; in
manchen Fällen wird sie zweifellos die Kastration bei Radikalopera-
tion des Leistenbruches ersetzen. Ich muß nochmals bemerken, daß
das beschriebene Verfahren nicht als für alle Fälle typisch bezeichnet
werden soll; doch bin ich überzeugt, daß es die Operation großer
Hernien mit sehr dickem Samenstrang einfacher und kürzer gestaltet;
dasselbe gilt für angeborene Brüche mit zerstreutem, schwer zu
findendem Samenstrange.
Oktober 1906.
1) Spiller and Frazier. Cerebral decompression. Palliative
operations in the treatment of tumors of the brain.
(Univ. of Pennsylvania med. bull. 1906. September.)
S. stellt zunächst die Literatur über Palliativoperationen bei Hirn-
geschwülsten zwecks Druckverminderung zusammen und fügt die
Krankengeschichten von zwei von Keen operierten und gebesserten
Fällen hinzu. Er berichtet sodann über 14 eigene Beobachtungen
(meist von F. operiert), deren Krankengeschichten ausführlich mit-
geteilt werden. Schlüsse: Neuritis optica, Kopfschmerzen, Schwindel-
gefühl, Ubelkeit, Erbrechen und bis zu einem gewissen Grad auch
Krämpfe werden günstig beeinflußt, oft für die ganze weitere Lebens-
dauer. Krämpfen vom Jackson’schen Typus gegenüber ist der Er-
folg zweifelhaft. Palliativoperationen sollten frühzeitig vorgenommen
werden, sobald die Erscheinungen einer Hirngeschwulst deutlich sind,
ehe die Allgemeinerscheinungen und besonders die Neuritis optica zu
weit vorgeschritten sind, zumal wenn Lues unwahrscheinlich ist oder
eine antiluetische Behandlung ohne Erfolg war. Die Palliativoperation
darf niemals an die Stelle der Radikaloperation treten, wenn letztere
ohne allzu große Gefahr für den Kranken ausgeführt werden kann.
Die teilweise Entfernung einer Hirngeschwulst, zumal eines Glioms,
ist von zweifelhaftem Werte. Die Palliativoperation führt unter ge-
wöhnlichen Umständen keine Atrophie der Hirngeschwulst herbei, hält
auch ihr Wachstum nicht auf, während andererseits das Wachstum
wahrscheinlich auch nicht beschleunigt wird. In einzelnen Fällen ver-
schwinden die Erscheinungen der Hirngeschwulst längere Zeit oder
1326 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50.
dauernd fast vollständig nach bloßer Trepanation zwecks Druckent-
lastung; dieser Erfolg wird entweder durch Beseitigung der Druck-
steigerung im Hirn erzielt oder durch Entfernung irgendeiner anderen
Erkrankung (z. B. Meningitis serosa), welche die Erscheinungen einer
Hirngeschwulst hervorrief.
F. hält eine den Hirndruck herabsetzende Operation für angezeigt,
1) wenn die Geschwulst vermutlich nicht vollständig entfernt werden
kann, 2) wenn sie nicht lokalisiert werden kann, und doch die drohende
Erblindung, die heftigen Kopfschmerzen und das anhaltende Erbrechen
einen Eingriff notwendig machen. Bei Kleinhirngeschwülsten empfiehlt
F. für die Palliativoperation folgendes Vorgehen: senkrechter Ein-
schnitt von 8—10 cm Länge, etwas oberhalb der Linea semicircularis
superior beginnend; von diesem Weichteilschnitt aus läßt sich eine
einseitige Trepanation bedeutend weniger verletzend ausführen, als bei
der üblichen großen osteoplastischen Lappenbildung. F. kam stets
mit der einseitigen Freilegung aus; wurde die Kleinhirngeschwulst nicht
gefunden, so wurde 1/,—1/; der Knochenfläche über der Kleinhirn-
hälfte mit gutem Erfolg entfernt.
Kann der Sitz der Geschwulst nicht bestimmt werden, so emp-
fiehlt sich, falls nicht sonstige Gründe dagegen sprechen, in der rechten
Schläfengegend zu trepanieren: von einem Längsschnitt aus sollen 6
bis 8qem Knochenfläche entfernt werden. Fast immer genügt eine
Offnung, nur in einem von 14 Fällen mußte F. später wegen Rück-
kehr der Erscheinungen eine zweite auf der entgegengesetzten Seite
hinzufügen. Ist der Sitz der Geschwulst dagegen vor der Operation
genau zu bestimmen, so kommt die Palliativoperation nur dann in
Betracht, wenn trotzdem die Geschwulst bei der Operation nicht ge-
funden wird oder sich als inoperabel erweist. Was die Frage anlangt,
ob zur Druckentlastung die Dura eingeschnitten, entfernt oder ganz
intakt gelassen werden soll, so sah F. keinen Unterschied im Erfolg,
ob die Dura offen blieb oder nicht. Selbst wenn sie geschlossen
bleibt, dehnt sie sich in der Knochenlücke genügend, um den Hirn-
druck herabzusetzen. F. zeigt dieses an zwei Fällen, in welchen die
Zunahme der Vorwölbung der wieder geschlossenen Dura längere Zeit
nach der Operation durch genaue Messungen verfolgt wurde. Wird
die Dura völlig entfernt, so ist die Gefahr einer Wundinfektion, eines
Hirnvorfalles und die Lebensgefahr zweifellos größer, als wenn man
sie zurückläßt. Unter F.’s 14 eigenen Fällen saß die Geschwulst
9mal in der Kleinhirngegend. Sämtliche Pat. überstanden die Ope-
ration. Nur bei einem Pat. trat keine Verminderung der Beschwerden
ein; 8 Pat. leben und sind frei von Beschwerden. Diese Besserung
hält in mehreren Fällen 2—3 Jahre seit der Operation an. Die Neu-
ritis optica ging ausnahmslos zurück, doch blieben 3 Pat. völlig er-
blindet, da die Erkrankung bereits zu lange bestanden hatte. Auch
die Kopfschmerzen wurden ausnahmslos günstig beeinflußt; bei einigen
Pat. schwanden sie nicht völlig, traten aber nur noch anfallsweise
und weniger heftig auf. In allen diesen Fällen von Besserung war
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 1327
die Dura entweder überhaupt nicht eröffnet oder nach der probatori-
schen Inzision sofort geschlossen worden.
Im ganzen genommen sind demnach die Erfolge einer druck-
entlastenden Operation am Schädel gleichmäßig gute.
Mohr (Bielefeld).
2) Keppler. Die Behandlung eiteriger Ohrerkrankungen
mit Stauungshyperämie.
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. L. p. 223.)
K. berichtet in der vorliegenden Arbeit ausführlich über die von
Bier schon an anderer Stelle erwähnten Resultate der Stauungs-
hyperämie bei der Behandlung von Mittelohr- und vor allem auch
von Warzenfortsatzeiterungen.
Zunächst wird die Technik der Kopfstauung genau besprochen:
Statt der breiten Gummibinde, die an den Extremitäten verwandt wird,
genügt ein 3 (bei Kindern 2) cm breites Baumwoll-Gummiband, das
am einen Ende mit einem Häkchen, am anderen mit mehreren "Ösen
versehen ist. Die Haut muß durch Unterpolsterung mit einer Mull-
binde vor Druck usw. geschützt werden. Die Binde soll in der Regel
. 22 Stunden pro Tag getragen werden. Unter der Stauung schwinden
die subjektiven Beschwerden: Schmerzen, Schlaflosigkeit usw. sehr
schnell; Zunahme der Schmerzen beweist, daß die Stauung zu stark
ist und erfordert sofortige Lockerung der Binde. Etwa vorhandene
Abszesse werden durch eine kleine Inzision entleert, nicht tamponiert.
Bei Retention in der Paukenhöhle ist die Parazenthese vorzunehmen.
In der Bier’schen Klinik wurden 11 Fälle von akuter Otitis mit
Warzenfortsatzbeteiligung und 10 von chronischer Mittelohreiterung
mit Stauung behandelt. Erstere heilten sämtlich ohne größeren ope-
rativen Eingriff aus, zum Teil nach Inzision vorhandener Abszesse.
Da eine solche Inzision über dem Warzenfortsatz (Wilde’scher
Schnitt) früher lange Zeit die einzige Therapie der akuten Mastoiditis
bildete, bespricht K. eingehend die Frage, wieviel von dem günstigen
Resultate etwa dieser Inzision allein, abgesehen von der Stauung, zu-
zuschreiben sei. Er kommt unter Berücksichtigung der otologischen
Literatur zu dem Resultate, daß der Wilde’sche Schnitt allein kaum
einen nennenswerten Heilwert besitze.
Ref. kann sich dem nicht anschließen. Er hat zu näherer Prüfung
dieser Frage bei 3 Fällen von akuter Mastoiditis mit Abszeßbildung
nur eine Inzision, ohne Stauung, angewandt, mit dem Resultate, daß
der AbszeB sowohl wie die Otitis media ausheilten. Es scheint dem-
nach die einfache Abszeßentleerung in manchen Fällen schon zur
Heilung zu genügen. Die Frage soll aus dem Materiale des Ref. in
geeigneten Fällen weiter verfolgt werden.
Bei den chronischen Fällen waren die Resultate nicht glänzend,
so daß K. die Stauung bei ihnen noch nicht zur Nachprüfung empfiehlt.
Hinsberg (Breslau).
1328 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50.
3) Grossmann. Über psychische Störungen nach Warzen-
fortsatzoperationen.
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. XLIX. p. 209.)
Während man auf Grund der früheren Mitteilungen in der Lite-
ratur hätte glauben können, daB psychische Störungen nach Warzen-
fortsatzoperationen seltener auftreten als nach anderen chirurgischen
Eingriffen, zeigt G. in der vorliegenden Arbeit, daß sie auch nach
Ohroperationen relativ häufig sind: auf 500 Aufmeißelungen kommt
eine Psychose.
Als prädisponierende Momente kommen in Betracht:
1) Erschöpfung des Gesamtorganismus durch die Eiterung.
2) Autointoxikation.
3) Die Meißelerschütterung.
4) Die Nachbehandlung.
G. stellt das bisher bekannte Material nebst einer Reihe von
eigenen Beobachtungen übersichtlich zusammen. Die sehr eingehende
Arbeit enthält viele interessante Details. Hinsberg (Breslau).
4) Syme. The early discontinuance of pocking in the after-
treatment of the radical mastoid operation.
(Glasgow med. journ. 1906. Oktober.)
S. operiert in der Regel nach Panse. Er näht die Operations-
wunde meistens primär und leitet den Tampon zum Gehörgang heraus.
Nach einer Woche werden Tampon und Nähte entfernt. Von da an
wird dreimal täglich absoluter Alkohol mit 2% Karbolsäurezusatz
eingeträufelt, bei zu üppiger Granulation wird mit reiner Karbolsäure
geäzt. Nur wenn der Eingriff besonders schwer war, vom Knochen
besonders viel entfernt, Dura und Sinus freigelegt werden mußten,
wird die Naht der Operationswunde um 8 Tage verschoben.
W. v. Brunn (Rostock).
5) Alexander. Über die Anlegung einer Jugularis-Haut-
fistel in Fällen otogener Pyämie.
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. XLVI. p. 167.)
Um eine Verschleppung infektiösen Materiales nach Möglichkeit
zu verhüten, wird bekanntlich bei otitischer Sinusphlebitis unter ge-
wissen Bedingungen die V. jugularis nach Freilegung am Halse doppelt
unterbunden und durchtrennt. Bei diesem Vorgehen besteht die Ge-
fahr, daß im peripheren Teile der Vene, der ja mit dem infizierten
Sinus unmittelbar in Verbindung steht, sich ebenfalls infektiöse
Thromben bilden, die dann zu weiteren Komplikationen führen können.
Deshalb soll man möglichst den peripheren Venenstumpf nicht
unterbinden, sondern drainieren, so daß eine Retention vermieden wird.
Um das bequem und sicher zu erreichen, näht A. den Venenstumpf
im oberen Wundwinkel an die Haut. Er berichtet über 13 nach
dieser Weise behandelte Fälle. Hinsberg (Breslau).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 1329
6) Lebram. Über Arrosion der Carotis bei peritonsillären
Abszessen.
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. LI. p. 1.)
Unter Umständen kann eine schwere, meist tödliche Blutung da-
durch ausgelöst werden, daß die Carotis von einem peritonsillären
Abszeß aus arrodiert wird. Dieses Ereignis ist nicht so selten, wie
man nach der deutschen Literatur annehmen könnte. L. konnte, unter
Verwertung von zwei Fällen aus der Breslauer Ohrenklinik, 26 der-
artige Fälle zusammenstellen. Mit Hilfe dieses Materials versuchte
er, ein möglichst genaues Krankheitsbild zu konstruieren. Einige der
wichtigsten Punkte seien hier kurz hervorgehoben:
Erfolgt die durch die Arrosion bedingte Blutung in einen noch
nicht eröffneten Peritonsillarabszeß, so kann es zunächst zur Bildung
eines Aneurysma spurium kommen. Platzt dieses oder wird es in-
zidiert, so erfolgt meist eine tödliche Blutung; ebenso dann, wenn der
Abszeß schon vor der Carotisarrosion eröffnet war.
Die Arrosion bzw. das Bestehen eines Aneurysmas ist meist schwer
zu erkennen. Bei fast allen von L. zusammengestellten Fällen war
eine hochgradige Schwellung der Lymphdrüsen am Kieferwinkel vor-
handen — ein Moment, das also für die Diagnose von Bedeutung ist,
da es bei einfachen Abszessen selten so ausgeprägt ist.
Therapeutisch kommt nur die Unterbindung der Carotis am Halse
in Frage, doch können auch nach ihrer Vornahme noch tödliche Nach-
blutungen erfolgen. Häufig ist die durch Arrosion des Gefäßes be-
dingte Blutung so foudroyant, daß der Tod eintritt, ehe man an eine
Unterbindung denken kann. Auch in den Fällen, wo sie gelingt, ist
die Prognose noch sehr schlecht. Hinsberg (Breslau).
7) Holländer. Zur Behandlung der Schleimhauttuberkulose.
(Berliner klin. Wochenschrift 1906. Nr. 23.)
Die aszendierende Tuberkulose der Schleimhaut des Mundes und
der Nase kommt viel häufiger vor, sowohl in Verbindung mit Lupus
als auch ohne diesen, wie man bisher dachte. Im Gegensatze zu der
deszendierenden Form, bei welcher der Zustand der erkrankten Lunge
das Krankheitsbild beherrscht, ist die Lebensprognose auch bei der
vollentwickelten Form nicht ungünstig.. Die aszendierende Form zeigt
nach Entfernung des primären Herdes entschiedene Neigung zur Aus-
heilung. Auch die entstandenen Lungenkomplikationen zeigen gut-
artigen Verlauf. Die thermische Therapie in Gestalt der bekanntlich
vom Verf. eingeführten Heißluftkauterisation ist imstande, definitive
Heilungen zu leisten.
Für manche Formen erwies sich als wirksam die gleichzeitige
innerliche Anwendung von Jodkali und 5—10 Minuten später erfolgende
lokale Anwendung von Kalomel. Verf. empfiehlt diese Therapie bei
Behandlung von Blasenschleimhauttuberkulose und Kehlkopf- und
Munderkrankung einer Beachtung und Nachpriifung.
n Langemak (Erfurt).
50**
1330 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50.
8) Fawcett. ‘The explanation of alveolar cleft palate.
(Bristol. med.-chir. journ. 1906. September.)
F. wendet sich gegen die bisherigen Erklärungstheorien des al-
veolären gespaltenen Gaumens, indem er zeigt, daß die Gaumenfissuren
beim Menschen nicht homolog sind mit den prämaxillaren Fissuren
bei niederen Tieren, und daß die Schneidezähne normalerweise nicht im
Prämaxillarkörper enthalten sind. Tatsächlich ist der eigentliche Prä-
maxillarkörper als solcher der Beobachtung bisher vollständig ent-
gangen, und folglich sind die bisherigen Theorien über die sog. prä-
maxillaren Fissuren unrichtig. Der Prämaxillarkörper des Menschen
entspricht dem Teile des Os praemaxillare bei Tieren, der als Pro-
cessus palatinus beschrieben worden ist. Im Laufe der Entwicklung
verlor dieser beim Menschen seinen alveolaren Teil und wurde von
den beiden Maxillarkörpern umwachsen; der Prämaxillarkörper beim
Menschen erscheint nun in seinem ursprünglichen Zustande, in dem
sein alveolarer Teil sich entwickelt, und seine Schneidezähne auftreten,
beim alveolaren Gaumenspalt wieder. Mohr (Bielefeld).
9) Davis. Acute septic infection of the throat and neck;
Ludwig's angina.
(Annals of surgery 1906. August.)
D. beschäftigt sich zunächst mit der Frage, durch welche Krank-
heitskeime das bekannte Bild der Angina Ludovici hervorgerufen wird.
An der Hand von zwölf untersuchten Fällen kommt er zu dem Schluß,
daß sowohl Staphylokokken, wie’ Streptokokken und Pneumokokken —
u. zw. jede Gattung für sich — die Krankheit erzeugen können, daß
aber auch eine Mischinfektion, bestehend aus einer dieser genannten
Kokkenarten und irgendeiner anderen Bakterienart einschließlich dem
Gasbazillus, vorkommen kann.
Der Ausgang des Leidens ist in den Zähnen, Mandeln, Speichel-
drüsen oder in Wunden des Mundbodens zu suchen. Die Entzündung
schreitet im Bindegewebe und nicht auf dem Wege der Lymphbahnen
weiter, umgibt Kehlkopf, Rachen, Speiseröhre, und sie kann sich bis
ins Mediastinum erstrecken. Der Grad der Entzündung ist sehr ver-
schieden, die schweren septisch-gangränösen Formen endigen tödlich,
obwohl das Leiden beim Beginne stets einen lokalen Charakter trägt.
Der Tod kann auch bei Glottisödem durch Ersticken erfolgen. Klinisch
macht sich die Krankheit im Anfange durch eine brettharte, zwischen
Zungenbein und Kiefer sitzende Anschwellung bemerkbar, Mundboden
und Zunge sind geschwollen, am Molarzahn kann Eiter hervorquellen,
es besteht Fieber oder auch Schüttelfrost. Die Kranken sind ebenso
wie z. B. Erysipelkranke zu isolieren. Die Behandlung besteht in
frühzeitiger Inzision; dieselbe soll durch alle Gewebe des Halses zwischen
Kieferrand und Zungenbein hindurchgeführt werden, so daß der in
den Mund eingeführte Finger das Messer fühlt. Man darf nicht so
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 1331
lange mit der Inzision warten, bis sich Eiter gebildet hat. Bei
Glottisödem ist die Tracheotomie sofort auszuführen.
Herhold (Brandenburg).
Kleinere Mitteilungen.
Der seitliche Halsschnitt (Trachelotomia externa)
zur Entfernung von Fremdkörpern aus der Speiseröhre
ohne deren Eröffnung.
Von
Prof. Felix Franke,
Chefarzt des Diakonissenhauses Mariastift zu Braunschweig.
Am Morgen des 3. Juni d. J. suchte mich der Bäckermeister Karl St. aus
Vordorf auf mit der Bitte, ihm sein künstliches Gebiß, das er, von der Pfingst-
arbeit müde, beim Einschlafen im Munde behalten und im Schlafe verschluckt
hatte, zu entfernen, nachdem schon zwei Arzte vergeblich den Versuch gemacht
hatten, das zu tun. Er war etwas aufgeregt, hatte jedoch keine Atemnot oder
‚ Übelkeit, aber das Gefühl, daß das Gebiß in der Speiseröhre etwa in der Gegend
des Kehlkopfes sitze. Ich konnte mich weder durch den Kehlkopfspiegel, noch durch
Betastung von seinem Sitz in der Speiseröhre überzeugen und schickte deshalb den -
Kranken nach dem Krankenhause, wo ich bald darauf den Hals mit dem Röntgen-
apparate durchleuchtete; wir sahen einen Schatten’ unterhalb des Kehlkopfes. Ein
Versuch, nach Kokainisierung des Rachens das Gebi8 mit einer Kehlkopfzange zu
entfernen, mißlang; ein Osophagoskop hatte ich nicht zur Verfiigung. So beschloB
ich denn, den Versuch zu machen, das Gebiß nach Freilegung der Speiseröhre
vom Hals aus, ohne sie zu eröffnen, nach oben zu schieben und vom Mund aus
zu entfernen. Er gelang sehr gut. Nach Freilegung der Speiseröhre von einem
seitlichen Halsschnitt aus, die in der Chloroformnarkose ohne wesentliche Blutung
leicht und rasch in der üblichen Weise gelang, und wobei ich nach Feststellung
des Sitzes des Gebisses durch den Finger die Speiseröhre nicht nur seitlich, son-
dern auch nach vorn und hinten herum etwas bloßlegte, so daß ich sie einiger-
maßen bequem zwischen zwei Finger fassen konnte, vermochte ich das Gebiß von
unten her zu fassen und durch schonende passende Bewegungen ziemlich schnell
nach oben in den Rachen zu schieben, von wo aus ich es mit der Zange heraus-
zog. Die Halswunde wurde vernäht, mit etwas Airolgaze bedeckt, diese mit
Kautschukheftpflaster befestigt und der Kranke auf seinen Wunsch, da die Pfingst-
tage seine Anwesenheit zu Hause benötigten, sein Zustand aber befriedigend war,
schon am 5. Juni in die Behandlung seines Arztes entlassen. Es erfolgte glatte
Heilung.
Das entfernte Gebiß enthielt vier Zähne und hatte eine Länge von 3,5 cm
und eine Breite von 4 cm.
Als ich neulich die Abhandlung Naumann'’s: »Beiträge zur Oesophagotomia
cervicalis externa zur Entfernung von Fremdkörpern in der Speiseröhre« im 83. Bande
der Deutschen Zeitschrift für Chirurgie las und daraufhin die Literatur genauer
durchmusterte, war ich erstaunt, zu finden, daß der von mir eingeschlagene Weg
bisher nur in zwei Fällen mit ebenfalls gutem Erfolge von Kramer begangen war
gemäß seiner Mitteilung im Zentralblatt für Chirurgie 1904 Nr. 50, sonst aber von
niemand ernstlich versucht oder gar empfohlen ist, obgleich unter den 366 in der
Literatur niedergelegten Fällen von Ösophagotomie zur Entfernung von Fremd-
körpern eine ganze Reihe vertreten sind, in denen sich jener so einfache und nahe-
liegende Gedanke meiner Überzeugung nach leicht und mit gutem Erfolge hätte
verwirklichen lassen.
1332 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50.
Es besteht ja nach den bisherigen Erfahrungen kein Zweifel, daß es in man-
chem Falle gelingt, mittels des Osophagoskops Fremdkörper aus der Speiseröhre
zu entfernen. Aber nicht jeder Chirurg und nicht jede Anstalt besitzt dieses In-
strument und die zu seinem wohltätigen Gebrauche nötige Ubung. | So blieb bis-
her zur Entfernung der meisten festsitzenden Fremdkörper nur die Ösophagotomie
übrig. Daß aber diese, wenn sie auch nicht mehr die Gefahren besitzt wie früher,
doch nicht gleichgültig für den Kranken ist, lehrt die Statistik. Dann und wann
fällt ihr doch ein Kranker zum Opfer, wie auch wieder die erwähnte Mitteilung
von Naumann lehrt, nach der ein Operierter, bei dem ein Gebiß seit 2 Tagen
in der Speiseröre gesteckt hatte, an einer septischen Nachblutung aus der A. thy-
reoidea superior infolge von Phlegmone colli starb.
Aber auch schon die bei günstigem Ausgange der Operation fast stets folgende
Fistelbildung, die auch nach der sorgfältigsten sofortigen Naht der Speiseröhre
gewöhnlich nicht ausgeblieben ist, bedeutet für den Kranken eine große Unbequem-
lichkeit — erfordert sie doch eine Behandlungsdauer von 3—4 Wochen — und für
den Arzt besonders im Anfang eine Quelle der Sorge.
Man sollte deshalb grundsätzlich — und der Zweck dieser Mitteilung ist es,
darauf noch einmal hinzuweisen — in jedem nur irgendwie geeigneten Falle nach
entsprechender Freilegung der Speiseröhre wie bei meinem Pat. zunächst durch
schonende Versuche eine etwaige Verschieblichkeit des Fremdkörpers nach oben
festzustellen suchen und, wenn sie vorliegt, diesen ohne Eröffnung der Speiseröhre
nach oben befördern. Das kann und darf natürlich nur bei Fremdkörpern ge-
schehen, die noch bequem vom Hals aus zu erreichen sind und die noch nicht zu
lange liegen, so daß eine etwaige Erweichung der gedrückten Speiseröhre und
daher Perforation und Blutung durch die Entfernungsversuche nicht zu befürchten
ist, und muß selbstverständlich unterbleiben, wenn schon Schwellung am Hals oder
gar Blutung aufgetreten ist. .
Das Verfahren ist, wie schon Kramer hervorhob, ungefährlich und bringt
dem Kranken im Falle des Mißlingens keinen Schaden, im Falle des Gelingens
aber großen Nutzen, indem es ihn vor Gefahren bewahrt und die Behandlungs-
dauer ganz wesentlich abkürzt.
10) H. Oppenheim. Über einen bemerkenswerten Fall von Tumor
cerebri.
(Berliner klin. Wochenschrift 1906. Nr. 30.)
Die Krankheitserscheinungen waren: Jackson’sche Krämpfe in der rechten
Körperhälfte von sensiblem und motorischem Charakter, Ausfallserscheinungen in
der rechten Körperhälfte, die sich fast ausschließlich auf den rechten Arm be-
schränken; und zwar handelt es sich in erster Linie um Bewegungsataxie, ferner
um Monoplegie, besonders der Hand und Finger, mit besonderer Beeinträchtigung
der Zweckbewegungen, so daß man auch von einer Apraxie sprechen kann. Ziem-
lich erhebliche Sensibilitätsstörungen, die am meisten Lageempfindung und Stereo-
gnostik betreffen. Im rechten Beine sind diese Erscheinungen nur in geringem
Grade vorhanden. Obwohl Hirndrucksymptome fehlen, wird auf Grund dieser
Symptome ein Neubildungsprozeß diagnostiziert, der seinen Sitz im oberen hinteren
Bereiche der hinteren Zentralwindung links und im anstoßenden Teile des Scheitel-
lappens hat.
Bei der von Borchardt vorgenommenen Operation wurde die etwa hühnerei-
große Geschwulst genau an der bezeichneten Stelle gefunden. Sie saß in der
Rinde und drang ziemlich tief in das subkortikale Marklager vor; sie konnte mit
dem Finger stumpf und, wie es schien, in toto enukleiert werden. Pat. überstand
die Operation gut. Am 5. Tage nach derselben konnte festgestellt werden, daß
die Stereoagnosis der linken Hand im wesentlichen sich zurückgebildet hatte.
Langemak (Erfurt).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 1333
11) Hinsberg. Zur operativen Behandlung der eitrigen Meningitis.
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd.L. p. 261.)
H. stellt zehn Fälle aus der Literatur zusammen, bei denen nach Inzision der
Dura und Drainage des Subduralraumes sicher nachgewiesene Meningitiden zur
Heilung kamen; bei fünf weiteren wurde durch das gleiche Verfahren zunächst
eine erhebliche Besserung erzielt, wenn auch der tödliche Ausgang nicht verhindert
werden konnte.
H. zieht daraus den Schluß, daß wir nicht mehr berechtigt sind, Pat. mit
Meningitis als verloren anzusehen und von einem Eingriff Abstand zu nehmen.
Der zitierte Fall von Kümmel beweist, daß selbst bei scheinbar schon moribunden
Pat. noch eine Heilung möglich ist. Soweit sich das bis jetzt beurteilen läßt,
ist es für den Erfolg ausschlaggebend, daß der Eingriff so früh wie möglich er-
folgt — ein Postulat, das freilich oft schwer zu erfüllen ist, da die ersten Anfänge
der Meningitis oft wenig charakteristische Symptome machen. Ferner ist es wün-
schenswert, daß die Inzision nahe der Infektionsstelle der Meningen erfolgt. Doch
beweist der Küm mel’sche Fall, daß auch eine weit entfernt liegende Inzision
zum Ziele führen kann. Wesentlich scheint ferner eine ausgiebige Drainage ver-
mittels Saugtampons zu sein. (Selbstbericht.)
12) Held. Vincent’s bacillus and spirillum, the causal agent of
chronic suppurative otitis media necessitating radical operation —
meningitis — death.
(Post-graduate 1906. September.)
Ein Kind von 3 Jahren und 2 Monaten erkrankte nach einer akuten Polio-
myelitis und unmittelbar nach Scharlach und Masern an beiderseitiger Otitis media
suppurativa. Mehrere Wochen war nichts Besonderes zu bemerken, bis plötzlich
eine höchst übelriechende Sekretion einsetzte und der Gehörgang sich mit einer
grauen Membran bedeckte.
Die bakteriologische Untersuchung ergab den fusiformen Bazillus und die
Vincent’sche Spirochäte in Reinkultur. Von den Mandeln waren derartige Or-
ganismen nicht zu züchten.
Die Radikaloperation zeigte ausgedehnte Nekrose im Mittelohr; es trat danach
tödliche Meningitis ein. W. v. Brunn (Rostock).
13) Boenninghaus. Ein Fall von doppelseitiger zerebraler Hörstörung
mit Aphasie.
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. XLIX. p. 165.)
Der Pat. B.’s, ein 45jähriger Mann, wurde 1902 plötzlich total taub, gleich-
zeitig verlor er die Sprache, so daß nur ein unvollständiges Lallen möglich war.
Die Sprache besserte sich allmählich so, daß man wieder imstande ist, den Pat.
zu verstehen, doch spricht er noch sehr fehlerhaft. Das Gehör trat in Spuren
nach 2 Monaten wieder auf, bis 1904 besserte es sich erheblich. Trotzdem ver-
steht der Kranke kein Wort. Diagnose: Sprachtaubheit, Paraphasie.
Als anatomische Grundlage dieses eigentümlichen Krankheitsbildes nimmt B.
einen apoplektischen Herd im linken sensorischen Sprachzentrum an, während die
analoge Stelle auf der rechten Seite schon durch einen 5 Jahre früher erlittenen
apoplektischen Insult zerstört war.
Bezüglich der Details und der interessanten Folgerungen, die sich daraus für
den Verlauf der Hörbahn ergeben, muß ich auf das Original verweisen.
Hinsberg (Breslau).
14) Voss (Riga). Über das Sensorium bei der otitischen Sinusthrombose
nebst Bericht über einen Fall von Eintritt der Thrombose unter dem
Bild eines Schlaganfalles.
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd.L. p. 118.)
Das Sensorium bei der otitischen Pyämie ist häufig bis zum Tode ungetrübt,
manchmal jedoch, besonders bei den sehr schnell unter dem Bilde der akuten
1334 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50.
Sepsis verlaufenden Fällen, werden dauernde Trübungen und Delirien beobachtet.
So entsteht ein dem Typhus ähnliches Krankheitsbild, wie ein von V. mitgeteilter
Fall illustriert.
Bei einem anderen Pat. V.’s war von Beginn der Behandlung an tiefe Be-
nommenheit vorhanden, die fast unmittelbar nach der Operation (Ausräumung des
thrombosierten Sinus) schwand.
Bei einem dritten Pat. V.’s trat, anscheinend im Momente der Obliteration
des Sinus, ein apoplektiformer Anfall auf, den V. auf die Zirkulationsstörung zu-
rückführt. Eine Autopsie konnte leider nicht vorgenommen werden.
Hinsberg (Breslau).
15) Maier. Uber Geschmacksstérungen bei Mittelohrerkrankungen.
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. XLVII. p. 178.)
Die Frage, inwieweit die Chorda tympani die Zunge mit Geschmacksfasern
versorgt, ist noch nicht einwandsfrei entschieden. M. suchte sie ihrer Lösung
näher zu bringen, indem er bei Pat. mit Mittelohraffektionen, bei denen eine Er-
krankung oder Zerstörung der Chorda tympani mit großer Wahrscheinlichkeit
anzunehmen war, sorgfältige Geschmacksprüfungen vornahm.
Er erhielt dabei fast stets Ausfallserscheinungen von wechselnder Ausdehnung
und verschiedenem Charakter, die wohl den Schluß erlauben, daß auch die Betei-.
ligung der Chorda individuell sehr verschieden ist. Die Schädigungen waren teils
dauernd, teils vorübergehend.
Auch für die Beantwortung der Frage, ob alle Geschmacksfasern durch die
Chorda geben, und zu welchen Nerven die Chordafasern von der Paukenhöhle aus
ziehen, erhielt er interessante Resultate. Hinsberg (Breslau).
16) Renton. Note on excision of Gasserian ganglion.
(Glasgow med. journ. 1906. September.)
Mitteilung zweier Fälle von Exstirpation des Ganglion Gasseri.
Im ersten Falle handelte es sich um eine Frau von 35 Jahren, die früher
bereits mehrere Operationen wegen ihres Leidens überstanden hatte. Pat. wurde
heilt.
= Der zweite Pat. war ein Mann von 77 Jahren, der nach Neurexairese des
zweiten Astes 21/, Jahre lang beschwerdefrei gewesen war. Dann wurde die Ent-
fernung des Ganglions nötig. — Verf. operiert nach Cushing, Pat. starb nach
6 Wochen an Influenza. W. v. Brunn (Rostock).
17) Erdheim. Uber Schädelcholesteatome.
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. XLIX. p. 281.)
Für die Cholesteatome des Schläfenbeines werden heute zwei verschiedene
Entstehungsmöglichkeiten angenommen: entweder aus versprengten Epidermis-
keimen (echtes Cholesteatom) oder aus Epidermis, die im Verlauf einer Mittelohr-
eiterung durch eine Trommelfellperforation in die Warzenfortsatzräume wanderte.
Fälle, die mit Sicherheit als auf die erste Weise entstanden aufgefaßt werden
müssen, sind bisher sehr selten.
E. stellt sie zusammen und berichtet dann über zwei Präparate aus dem
Museum des Wiener pathologischen Institutes, die ohne allen Zweifel als echte
Cholesteatome aufgefaßt werden müssen. Beide saßen an der Stelle, wo Hinter-
haupt-, Scheitel- und Schläfenbein zusammenstoßen; das eine war durch sein Wachs-
tum sekundär mit den Warzenfortsatzzellen in Verbindung getreten, das andere
war von den Mittelohrräumen völlig getrennt. Hinsberg (Breslau).
18) Bezold. Sektionsbefund eines Falles von einseitiger angeborener
Atresie des Gehörganges und rudimentärer Muschel.
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. XLVIII. p. 175.)
Bei der Autopsie der betreffenden Frau (46 Jahre alt) fand sich, wie in den
bisher bekannten analogen Fällen, vom Gehörgange keine Spur. Tube normal.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 1335
Hammer und Ambos rudimentär entwickelt, Steigbügel normal, anscheinend gut
beweglich. Paukenhöhle nach außen knöchern begrenzt, Trommelfell vollständig
fehlend. Inneres Ohr normal. Hinsberg (Breslau).
19) Lebram. Über Störungen des Gehörorganes nach Unterbindung
der Carotis.
(Zeitschrift fiir Ohrenheilkunde Bd. L. p. 176.)
Während die Gefahren der Carotisunterbindung für das Gehirn und das Auge
ziemlich genau bekannt sind, wurden die Störungen des Gehörorganes im Anschluß
an diesen Eingriff bisher wenig beachtet.
L. konnte nun sechs Fälle von Hörstörung und einen von ÖOtalgie nach
Carotisunterbindung aus der Literatur zusammenstellen. Als Ursache nimmt L.
eine Anämie im Gebiete der Art. auditiva interna an. Hinsberg (Breslau).
20) Lebram. Über Spontanblutungen infolge von Arrosion des Sinus
transversus bei Scharlachotitis.
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. L. p. 77.)
L. berichtet über drei Fälle, bei denen im Anschluß an eine Scharlachmastoi-
ditis durch Arrosion des Sinus transversus eine spontane Blutung entstand. Bei
zwei Pat. war er vorher freigelegt worden, beim dritten nicht. Letzterer ging an
der Blutung zugrunde, während sie bei den beiden ersten zum Stehen gebracht
werden konnte. Pat. I heilte, Pat. II erlag der schweren Scharlachinfektion.
Hinsberg (Breslau).
21) Voss. Zur operativen Freilegung des Bulbus venae jugularis.
(Zeitschrift für Ohrenheilkunde Bd. XLVII. p. 265.)
22) Grunert. Zur Arbeit von Stabsarzt Dr. Voss: »Zur operativen
Freilegung des Bulbus venae jugularis.«
(Ibid. Bd. XLIX. p. 30.)
23) Voss. Bemerkungen zu meiner Methode der Bulbusoperation.
(Ibid. Bd. XLIX. p. 269.)
Unter Umständen kann man durch die Fortdauer pyämischer Symptome trotz
Eröffnung des thrombosierten Sinus sigmoid. und trotz Unterbindung der V. jugu-
laris gezwungen werden, auch den Bulbus der V. jug., der bei den früheren Ope-
rationsmethoden in der Regel unberührt blieb, freizulegen und zu drainieren. Q.
hat vor kurzem die dabei in Betracht kommenden Operationsmethoden, die Indi-
kationen und Resultate der Bulbusfreilegung ausführlich bearbeitet.
In der zuerst angeführten Arbeit berichtet nun V. über eine von der G.’schen
etwas abweichenden Operationsmethode und über vier durch sie erzeilte Heilungen.
Die beiden anderen Arbeiten enthalten eine Polemik zwischen V. und G. dar-
über, ob die V.’sche Methode wirklich etwas prinzipiell Neues bringe.
Hinsberg (Breslau).
24) Hölscher. Über die Ausfüllung großer Operationshöhlen im Felsen-
beine mit Paraffin.
(Zeitschrift führ Ohrenheilkunde Bd. XLVIIL p. 209.)
Politzer hat vorgeschlagen, man solle die durch die Aufmeißelung des
Warzenforteatzes entstehende Knochenhöhle einige Zeit nach der Operation, sobald
die Wunde granuliert und sobald der Zugang zum Antrum mastoid. geschlossen
ist, mit Paraffin ausfüllen und die Wundränder vernähen. Vorteil: Bedeutende
Abkürzung der Heilungsdauer. H. berichtete über drei nach dieser Methode be-
handelte Fille, bei denen das Paraffin ganz oder fast ganz reaktionslos einheilte.
Heilungsdauer 2—3 Wochen. Hinsberg (Breslau).
1336 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50.
25) J. E. Hagen-Torn. Geschwülste der Augenhöhle, die sich infolge
cystoider Dilatation der Stirnhöhlen entwickeln (Sinusitis frontalis
chronica cum dilatatione).
(Russki Wratsch 1906. Nr. 37.)
H. bringt die Krankengeschichten und Photographien zweier Pat., die an dieser
seltenen Krankheit litten. Beide bekamen das Leiden nach einem Hufschlage gegen
die Nasenwurzel, der den Ausführungsgang der Stirnhöhle verlegte. Die erste
Kranke, 20 Jahre alt, wurde 10 Jahre nach dem Unfall operiert. Das linke Auge
ist durch das vierfach vergrößerte obere Lid verdeckt; letzteres kann nicht empor-
gehoben werden. Hinter dem Lid eine Geschwulst von der Größe einer Kinder-
faust. Oberer Rand der Augenhöhle uneben, mit Osteophyten besetzt, dazwischen
fluktuierend. Durch zwei seitliche Schnitte wird das Lid emporgeschlagen, die
Geschwulst eröffnet; sie enthält eine dicke, rahmartige, gelbe Flüssigkeit, etwa
200,0. Die Höhle ist von Schleimhaut ausgekleidet; auf ihrem Boden befinden
sich Knochenscheidewände und Zellen, die Bienenzellen ähneln. Die untere Wand
der Höhle ist die weit nach unten verdrängte obere Orbitalwand; sie wird entfernt.
Die Höhle ist aus der Stirn-, Sieb- und Keilbeinhöhle durch Zusammenfließen
gebildet. Der Augapfel atrophisch, von der Größe einer kleinen Kirsche, wird
entfernt. Die Schleimhaut der Höhle wird mit dem Löffel entfernt, die Wände
geglättet, die Höhle mit Jodoformgaze tamponiert, das obere Lid an seine Stelle
verlagert und die Schnitte vernäht. Nach 6 Wochen mit sehr geschrumpfter
Höhle entlassen. — Die zweite Pat. wurde vom Verf. vor mehreren Jahren bei
Prof. Weljaminow beobachtet. Hier war das Auge erhalten und nur 11/3 Finger
breit nach unten verdrängt; am oberen Orbitalrand ebenfalls Osteophyten. Die
Höhle war aus der ausgeweiteten Stirnbeinhöhle, wahrscheinlich auch aus der
Siebbeinhöhle entstanden. Auch hier war das Trauma vor vielen Jahren — als
Pat. noch Kind war — passiert. E. Gückel (Wel. Bubny, Poltawa).
26) Bohosiewicz und Herman. Uber die totale Oberkieferresektion
bei malignen Neubildungen.
(Lwowski Tygodnik lekarski 1906. Nr. 29—31.)
Auf Grund von acht in der chirurgischen Klinik des Prof. Rydygier in
Lemberg operierten Fällen mit 25% Mortalität verfechten Verff. die nicht verein-
zelt dastehende Ansicht, der ganze Oberkiefer sei in allen Fällen von bösartigen
Geschwülsten rechtzeitig total zu entfernen. Die Operation wird nach der Methode
von Dieffenbach-Fergusson vorgenommen. R. operiert in sitzender Lage
und nicht bei herabhängendem Kopfe, in Chloroformnarkose, ohne vorhergegangene
Tracheotomie oder Unterbindung der Carotis. Bogdanik (Krakau).
27) C. Pfeiffer. Über die Röntgentherapie der symmetrischen Tränen-
Speicheldrüsenerkrankung.
(Beiträge zur klin. Chir. Bd. L. Hft. 1.)
Bei einem 10jährigen Jungen, welcher in der v. Bruns’schen Klinik auf-
genommen war wegen typischer symmetrischer Tränen- und Speicheldrüsenerkran-
kung und totalen Ausfalles der sekretorischen Funktion, führte die lokale Anwen-
dung der Röntgenstrahlen während 240 resp. 360 Minuten in wiederholten Sitzungen
zu einer idealen Rückbildung der Drüsenschwellungen und einer zeitweisen Rück-
kehr der Sekretion. Die Wirksamkeit der Röntgenstrahlen war eine rein lokale
und wurde nicht etwa auf dem Blutweg übermittelt.
Wiederholte Blutuntersuchungen stellten eine Hypereosinophilie fest, welche
vielleicht als Bestrahlungserfolg aufzufassen ist.
Vergleichende Untersuchungen jeweils exzidierter Drüsenstückchen ergaben,
daß unter dem Einfluß der Bestrahlung die Lymphocyteninfiltration verschwand
und zum Schluß durch Granulations- und Bindegewebe ersetzt wurde. Eine die
Wiederkehr der Sekretion erklärende Drüsenneubildung war nicht festzustellen.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 1337
Es scheint demnach die Röntgentherapie den spontanen Heilungsvorgang zu be-
schleunigen.
Bei den guten, unmittelbaren Erfolgen, welche nach den bisherigen Beobach-
tungen der Röntgentherapie der Mikulicz’schen Krankheit zukommen, ist deren
vorsichtige Anwendung gewiß gerechtfertigt, um so mehr, da sie in geschulten
Händen keinen Schaden stiftet und, die Resultate der anderen therapeutischen
Bestrebungen recht spärliche sind. Ob sie zu Dauerheilungen führt, muß die
weitere Beobachtung lehren. Reich (Tübingen).
28) Nicoll and Teacher. Case of teratoma of the tongue.
(Glasgow med. journ. 1906. September.)
N. entfernte bei einem eine Woche alten Kind eine Geschwulst der rechten
Zungenhälfte von der Größe 9:6:5 cm. Der Ansatz an der Zunge hatte einen
Durchmesser von 3cm. Die Geschwulst enthielt knorpelige Massen, ferner Cysten,
die von Magenschleimhaut, und solche, die von Dickdarmschleimhaut ausgekleidet
waren, weiterhin Cysten, deren Wand aus flimmerndem Zylinderepithel gebildet
war, war somit ein Teratom. Umgeben war die Geschwulst fast ganz von Ober-
haut mit Talgdriisen und Haaren. Die Gewebe hatten durchweg den Charakter
von solchen eines ausgetragenen Kindes. W. v. Brunn (Rostock).
29) T. Gabourd. Fibro-lipome médian de la face supérieure du voile
du palais.
(Gaz. des hôpitaux 1906. Nr. 109.)
Seit ca. 3 Jahren hatte die 55 Jahre alte Frau schon Beschwerden. Die Nase
war wie verstopft; Pat. roch nicht mehr, mußte mit offenem Munde atmen. All-
mählich konnte sie nichts Festes mehr schlucken und litt unter schwerer Atemnot.
Als Ursache wurde schließlich eine mit einem dünnen Stiel auf der nasalen Fläche
des weichen Gaumens entspringende Geschwulst entdeckt, die die Choanen fast
ganz verlegte. Sie wurde mit einer Zange ergriffen und der dünne Stiel einfach
durchrissen. Das ganze war 8—9 cm lang und erwies sich mikroskopisch als
Fibrolipom, von derb elastischer Konsistenz und glatter Oberfläche.
V. E. Mertens (Breslaun).
30) Amblard. Mort subite par oedème pulmonaire suraigue au cours
d’une peri-amygdalite phlegmoneuse.
(Gaz. des höpitaux 1906. Nr. 94.)
Ein im übrigen kerngesunder Mann erkrankte an einer phlegmonösen Angina.
Am 5. Krankheitstage wurde inzidiert, worauf eine erhebliche Besserung eintrat.
Pat. betrachtete sich am 6. Tage bereits als fast geheilt, als er abends um 11 Uhr
ganz plötzlich kollabierte und in »weniger als einer Minute« tot war. Die Sektion
ergab Lungenödem, sonst aber makro- und mikroskopisch durchweg normale Be-
funde.
Die Ursache dieses plötzlichen Ödems erblickt A. in einer Parese des Herz-
muskels. Die Parese ihrerseits soll eine Folge der Reizung des Vagus sein, die
in seinem Cervicalteile durch Druck des Abszesses erfolgte.
V. E. Mertens (Breslau).
31) Dervaux. Spina bifida ouvert, opéré le troisième jour après la
rupture, chez une petite fille de dix jours.
(Arch. de méd. des enfants 1906. Oktober.)
Die Operationen von Spina bifida mit gliicklichem Ausgange sind nicht allzu
zahlreich, so daß der Fall des Verf.s einiges Interesse verdient. Es handelte sich
um ein wenige Tage altes Mädchen, das eine etwa apfelgroße Geschwulst der
Lendengegend darbot. Ein 7 cm dicker Stiel verband sie mit dem Körper und
wurde unterhalb ein Substanzverlust des knöchernen Wirbelkanales, in welchen
man die Spitze des Zeigefingers hineinlegen konnte, gefühlt. Die Geschwulst war
1338 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50.
an einer stecknadelkopfgroßen Stelle geplatzt, und es floß durch diese Öffnung in
reichlicher Menge eine kristallklare Flüssigkeit. Die Afteröffnung war inkontinent.
Durch die vorgenommene Operation wurde der nur meningeale Flüssigkeit enthal-
tende Sack ausgeschnitten, die Öffnung vernäht und die Heilung in etwa 15 Tagen
erzielt, wobei ein Punkt, welcher durch Kotmassen verunreinigt worden war, etwas
eiterte. Nachträglich besserte sich auch die Stuhlinkontinenz und war nach
4 Wochen vollkommen verschwunden. E. Toff (Braila).
32) Renton. Laminectomy performed three years ago in a male pa-
tient suffering from Pott’s disease.
(Glasgow med. journ. 1906. September.)
Ein 20jähriger Mann mit vollkommener Paraplegie, Sensibilitätsverlust, Urin-
retention und Reflexsteigerung durch einen Buckel wurde nach vergeblicher
3 Monate fortgesetzter Extensionsbehandlung operiert; drei Processus spinosi mit
den Wirbelbögen wurden entfernt.
In 14 Tagen war die Sensibilität wiedergekehrt, 1 Jahr später konnte Pat.
wieder gehen und hatte keine Blasen- oder Mastdarmstörungen mehr.
W. v. Brunn (Rostock).
33) Oppenheim und Borchardt. Über zwei Fälle von erfolgreich
operierter Rückenmarksgeschwulst.
(Berliner klin. Wochenschrift 1906. Nr. 26.)
1. Fall: 33jährige Pat. Geschwulst in der Höhe des 7. Cervicalsegmentes
links mit Kompression des Markes in dieser Höhe, extramedullär gelegen und
gutartig, wurde angenommen, weil am linken Arm eine atrophische Parese von
segmentärer Beschaffenheit, analoge linksseitige Sensibilitätsstörungen, auch am
linken Beine, bestanden. Die Kopfbewegungen waren etwas schmerzhaft, auch
wurde Druck auf den linken Querfortsatz des 6. und 7. Halswirbels schmerzhaft
empfunden. Die Affektion hatte sich allmählich entwickelt und nach und nach an
Terrain gewonnen. Im Verlaufe von ca. 9 Monaten entwickelte sich eine Kon-
traktur und Lähmung der Beine bis zur Bewegungsunfähigkeit, Incontinentia urinae
et alvi.
Die Geschwulst wurde genau an der angenommenen Stelle intradural gefunden,
stumpf ausgelöst und als ein Fibrom bzw. Fibrosarkom bei der histologischen
Untersuchung erkannt. Allmählicher Rückgang der Lähmungserscheinungen bis
auf Funktionsstörungen am linken Arme. Wundverlauf kompliziert, aber gut
endend.
2. Fall: 49jähriger Pat. Geschwulst in der Höhe des mittleren Dorsalmarkes
mit starker Kompression des Markes von hinten und von den Seiten angenom-
men, weil eine ausgesprochene Parese im rechten Beine, beiderseits Bewegungs-
ataxie und Sensibilitätsstörungen an beiden Beinen bestanden. Nach der Opera-
tion allmählicher Rückgang aller Störungen bis auf die Ataxie, die aber nach
2 Monaten schon so weit gebessert ist, daß vollständige Heilung zu erhoffen ist.
Die Geschwulst hatte gallertige Beschaffenheit und ging von der Arachnoidea aus.
Die Gefahren der spinalen Operationen sind der Blutverlust und die Hirn-
druckerniedrigung durch starken Liquorabfluß. B. tritt für die einzeitige Lamin-
ektomie ein. Bei schnellem Operieren und gut ausgeführter Tamponade kann man
selbst bei fettreichen und muskulösen Individuen den Blutverlust auf ein verhältnis-
mäßig geringes Maß beschränken. B. operierte bei horizontaler Bauchlage mit
etwas erhöhtem Becken; er hält es für möglich, daß durch diese Lagerung der
Liquorabfluß niemals so groß wurde, daß besondere Maßnahmen zu seiner Ver-
hütung oder Verringerung hätten ergriffen werden müssen.
Langemak (Erfurt).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 1339
34) Coltelloni. Sur la présence de tissu lymphoide dans la paroi
de certains kystes branchiaux du cou.
Thèse de Paris, G. Steinheil, 1905.
C. berichtet über zwei durch Exstirpation der Geschwulst geheilte Individuen
mit Kiemengangscyste; im ersten Falle handelte es sich um eine orangengroße
Geschwulst der rechten, im zweiten Fall um eine mandarinengroße der linken
Halsseite. Beide Male war die Geschwulst 2 Jahre vor der Operation zuerst be-
merkt worden. Veränderungen tuberkulöser Art an Lymphdrüsen oder an den
Lungen zeigte weder der erste Fall (Dame von 19 Jahren), noch der zweite Pat.
(21jähriger Herr). Die Cysten waren weder mit der Oberhaut, noch mit der
Schleimhaut der Rachenhöhle in Zusammenhang; sie enthielten eine grünliche,
eiteräbnliche Flüssigkeit.
Die durch Lec&ne ausgeführte histologische Untersuchung ergab, daß die
Wand der Cysten mit einer der Mundschleimhaut gleichenden Epithelschicht aus-
gekleidet war; nirgends war Verhornung zu bemerken; diese Epithellagen ruhten
auf einer mehr oder minder dicken Schicht Iymphoiden;Gewebes, hier und da mit
Follikeln durchsetzt.
Der ganze Aufbau der Cystenwand erinnert derartig an die Bilder, welche
normale Tonsillen darzubieten pflegen, daß C. vorschlägt, diese Cysten als »Kystes
branchiaux amygdaloides« zu bezeichnen. Sie wurden früher von Albarran
»Kystes ganglionnaires« genannt, aber mit Unrecht, da sie mit den Halslymph-
knoten gar nichts zu tun haben. W. v. Brunn (Rostock).
35) Da Costa. Report of a case of tumor of the carotid body.
(Annals of surgery 1906. September.)
Der sogenannte Carotidenkörper sitzt im Teilungswinkel der Art. carotis com-
munis; nach einigen Autoren wächst er bis zur Pubertätszeit, dann verfällt er in
normalen Fällen der Atrophie. Eine Geschwulst entsteht erst dann, wenn diese
Atrophie ausbleibt; jedoch auch in diesem Falle wächst die an und für sich sehr
kleine Geschwulst sehr langsam. Die Symptome, die bei weiterem Wachstum ein-
treten, bestehen in Ohrenschmerzen, Schluckbeschwerden, Pupillenverengerung,
vasomotorischen Störungen im Gesicht. Die Geschwulst wird dann fühlbar an der
Halsseite, über ibr hört man ein systolisches Geräusch. Wenn der Carotidenkörper
nicht pathologisch vergrößert ist, so hat er nur die Größe eines Getreidekornes,
seine Farbe ist braunrot, er entwickelt sich von der Innenhaut der Carotis. Verf.
operierte einen Fall von vergrößertem Carotiskörper. Die Ausschälung war
schwierig, es mußte ein Stück der Carotis communis reseziert werden. Abgesehen
von einer nachfolgenden Hemiplegie machte die Unterbindung der Carotis keine
Störungen. Die Geschwulst erwies sich als ein Endotheliom; sie hatte eine fibröse
Kapsel, von welcher Scheidewände ins Innere drangen und Alveolen bildeten;
einige Alveolen wurden aber direkt von Blutgefäßendothelien umgrenzt. Die
Alveolen enthielten verschieden geformte Zellen mit großem basophilem Kerne.
Nach C. soll die Geschwulst nur entfernt werden bei das Leben bedrohenden Er-
scheinungen. Herhold (Brandenburg).
36) Enochin. Die Unterbindung der Schilddrüsenarterien beim Kropfe.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXX. Hft. 4.)
E. gibt die Krankengeschichte von sechs vaskulösen, umfangreichen Kröpfen,
bei denen die Unterbindung der Schilddrüsenarterien vorgenommen wurde Er
konstatiert, daß bald nach der Operation eine Verkleinerung des Kropfes eintritt,
und daß diese in der Folgezeit noch mehr zunimmt. Als das beste Verfahren wird
die Unterbindung nach Drobnik für die untere, nach v. Langenbeck für die
obere Arterie anzuwenden sein. Das kosmetische Resultat ist nicht immer gut.
E. Siegel (Frankfurt a. M.).
1340 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50.
37) C. Blauel. Zur Exothyreopexie.
(Beitrage zur klin. Chirurgie Bd. L. Hft. 1.)
Daß die unbedingte Verwerfung der Exothyreopexie nicht berechtigt ist, lehren
zwei Beobachtungen aus der v. Bruns’schen Klinik.
Bei einem jungen Manne mit großem doppelseitigen, retrosternalen Kropfe
mußte wegen akuter, lebensbedrohlicher Asphyxie ohne jede Vorbereitung und
Desinfektion operiert werden. Nach Luxation der einen Kropfhälfte wird die
völlig kollabierte Luftröhre erst nach Anhakung und Distraktion für die künstliche
Atmung frei. Halbseitige Exstirpation und Luxation der anderen Hälfte beseitigen
zwar momentan die Trachealkompression, welche aber sofort wiederkehrt, wenn
man den Kropfrest zurücksinken läßt. Da die Größe des Kropfes eine genü-
gende Dislokation nicht gestattet, die Resektion aber nicht nur durch den schweren
Kollaps, sondern auch die Gefahr einer akuten Vereiterung des Restes mit an-
schließenden Ausfallserscheinungen kontraindiziert erscheint, so wird die Exothyreo-
pexie ausgeführt als einzige Operation, die unter Vermeidung der Tracheotomie
definitiv die Trachealstenose beseitigt. Bei der nach 16 Tagen erfolgten Entlas-
sung war die Wunde bis auf eine kleine Granulationsfläche geheilt und der Kropf
auf 1/, seiner Größe geschrumpft.
In einem anderen Falle mit halbseitiger Exstirpation und partieller Resektion
waren es kosmetische Rücksichten, welche die Exothyreopexie an Stelle der sonst
notwendigen Dislokation des Kropfrestes treten lieBen.
Nach diesen Erfahrungen hat die Methode aus der Reihe der Verlegenheits-
operationen auszuscheiden. Wenn auch keine Operation der Wahl, ist die Exo-
thyreopexie eine Methode, welche unter bestimmten Verhältnissen allein unter
Vermeidung der Tracheotomie sowohl der vitalen als kausalen Indikation gleich-
zeitig genügt und selbst kosmetischen Rücksichten dienstbar sein kann.
Beich (Tübingen).
38) Whipple. Disseminated tuberculosis in relation to the thoracic
duct and vascular tubercles.
(Johns Hopkins hospital bulletin 1906. August.)
In 27 Fällen von Tuberkulose hat Verf. den Inhalt des Ductus thoracicus
auf die Gegenwart von Tuberkelbazillen untersucht, und zwar mit dem Färbe-
verfahren.
In zwei Fällen von akuter Miliartuberkulose fand er reichliche Mengen von
Bazillen; die hauptsächliche Lokalisation im Blutgefäßsystem war in dem einen
Fall ein tuberkulöser Thrombus in einer Lungenvene, im anderen Fall ein großer
verkäster Tuberkel der Aorta.
Unter 19 Fällen von subakuter Tuberkulose waren bei 14 die Ergebnisse der
Untersuchung vom Inhalte des Ductus thoracicus positiv. In allen diesen Fällen,
auch in den zwei vorhin genannten, waren die Mesenteriallymphknoten verkäst.
Ein Fall war besonders bemerkenswert: Einen der Fälle dieser zweiten Gruppe,
in welchen sämtlich eine Dissemination des Prozesses über den Körper vorhanden
war, hatte Verf. schon in die dritte Gruppe (Fälle ohne Dissemination) einreihen
wollen, als ihn der Befund von zahlreichen Bazillen im Ductus thoracicus zu einer
mikroskopischen Untersuchung der Organe veranlaßte. Hierbei ergab sich, daß
alle parenchymatösen Urgane von kleinsten Tuberkeln dicht durchsetzt waren.
In den sechs Fällen chronischer Tuberkulose, die eine Dissemination nicht
erkennen ließen, war der Ductus thoracicus frei von Bazillen.
W. v. Brann (Rostock).
39) O. Pfeiffer. Über allgemeines interstitielles Emphysem.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. L. Hft. 1.)
Die Mitteilung aus der v. Bruns’schen Klinik bezieht sich auf einen Pat.
mit einem perforierenden Lungenschu8. Im Verlaufe von wenigen Stunden war
ein hochgradiges Emphysem entwickelt, das sich in kurzem iiber Brust, Hals, Ge-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 1341
sicht, die oberen Extremitäten, Bauch und Hodensack ausdehnte, nur die untere
Extremität frei ließ und durch Fortschreiten auf das Mediastinum schwere Atem-
not erzeugte.
Die Arbeit ist besonders deshalb bemerkenswert, weil es bei dem Pat. durch
vorzügliche Röntgenbilder, welche der Arbeit zum Teil beigegeben sind, gelang,
die Luft nicht nur im Unterhautzellgewebe, sondern auch in dem zwischen ein-
zelnen Muskeln und Sehnen, zwischen Muskeln und Knochen und selbst zwischen
einzelnen Muskelbündeln gelegenen Bindegewebe nachzuweisen.
Wenn bisher infolge ungenügender Erfahrung über die Ausdehnungswege der
in den Körper eingedrungenen Luft von allgemeinem Hautemphysem geredet
wurde, so dürfte sich die genauere Bezeichnung »allgemeines interstitielles
Emphysem«, wie Verf. vorschlägt, empfehlen. Beich (Tübingen).
40) L. Spengler. Zur Chirurgie des Pneumothorax.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLIX. p. 68.)
Verf. verfügt über ein eigenes Material von 33 Fällen von tuberkulösem
Pneumothorax mit 10 = 30% Heilungen, womit in sechs Fällen zugleich Dauer-
heilung der Lungentuberkulose verbunden war.
Acht fiebernde Tuberkulöse wurden durch das Auftreten eines Pneumothorax
und Exsudats vollständig entfiebert, vier dauernd,
Unter dem längeren Bestande des Ergusses heilten drei Lungentuberkulosen
definitiv aus, während die anderen nach Rückbildung des Exsudates Fortschritte
machten.
Auch die offenen tuberkulösen Lungenfistelin kommen unter dem intrafemo-
ralen Druck eines Pneumothorax und viel eher noch eines dazutretenden Ergusses
mit Fibrinausscheidungen zu einem häufig definitiven Verschluß; dies traf bei
sämtlichen geheilten Fällen des Verf.s zu. Um daher bei zu kleinem oder zurück-
gehendem Exsudat ein solches von ausreichender Größe durch Reinfektion zu er-
zeugen, läßt Verf. in therapeutischer Absicht die Kranken aufstehen, sobald deren
Allgemeinzustand es gestattet.
Bei einer frischen Pleuritis ist Bettruhe erforderlich. Bei fehlender oder ge-
ringer Temperatursteigerung, also besonders bei serösem, seropurulentem oder
sterileitrigem Exsudate läßt man dieses in Ruhe, bis die Fistel sich geschlossen
hat und beginnt nach 2 bis 3 Wochen mit Punktionen in Intervallen von 8 bis
14 Tagen mit Aspiration von allmählich steigenden Exsudatmengen. Hiermit wird
ein Rezidiv des Pneumothorax verhindert.
Für die Beurteilung eines tuberkulösen Pneumothorax ist die Temperaturkurve
vor dessen Eintritt wichtig. Häufig macht er an sich kein Fieber, mitunter ver-
läuft er mit 6—14tägigem hohem Fieber, ohne daß ein eitriges oder gar jauchiges
Exsudat resultierte.
Die Anlegung einer weit offenen Thoraxfistel nach Unverricht zur Therapie
des Pneumothorax verwirft Verf. als erfolglos.
Verläuft ein Exsudat längere Zeit mit hohem Fieber bei Ausschluß einer Neu-
infektion der anderen Lunge, also bei kokkenhaltiger und putrider Pleuritis, so
kommt die breite Thorakotomie event. Thorakoplastik und Naht der Lungenfistel
in Betracht. |
Fiir die Falle von Pneumothorax, bei welchen sich nach langerem Bestehen
kein Exsudat bildet und die Temperatur normal ist, halt Verf. die therapeutische
Erzeugung eines Exsudates, z. B. durch Injektion von Höllensteinlösung, für ge-
rechtfertigt. Reich (Tübingen),
41) Horn. Über die Operation der eitrigen pleuritischen Exsudate.
Inaug.-Diss., Leipzig, 1902.
H. berichtet über 50 in der Kinderklinik zu Leipzig mit Rippenresektion be-
handelte Fälle von Pleuraempyem. Bei 41 Kindern fanden sich im Eiter Pneumo-
kokken, bei vier außer Pneumokokken noch Staphylokokken, bei einem Pneumo-
und Streptokokken, dreimal Staphylokokken, einmal Staphylo- und Streptokokken.
1342 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50.
In 34 Fällen genügte die Resektion einer Rippe, in 15 Fällen mußten zwei rese-
ziert werden. 39 Heilungen, 8 Pat. starben. Mohr (Bielefeld).
42) O. Pfeiffer. Zur Diagnose der Bronchiektasen im Böntgenbilde.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. L. Hft. 1.)
Ein Junge, der vor 5 Jahren wegen eines metapneumonischen Empyems zu
Hause eine Rippenresektion durchgemacht hatte, kam wegen einer Thoraxfistel in
der v. Bruns’schen Klinik zur Aufnahme. Röntgenographisch ließen sich zahl-
reiche sackförmige Bronchiektasen in der ganzen linken Lunge und ein Fremd-
körper im Brustkorbe nachweisen. Letzterer erwies sich bei der Operation als ein
zurückgebliebenes Drain, das in eine mit einem Hauptbronchus kommunizierende
Höhle eingeschlossen war. Eine eitrige Pneumokokkenperikarditis führte zum
Tode.
Der Fall ist deswegen besonders interessant, weil er eine Kontrolle des
Röntgenbefundes durch die Sektion bringt.
Die hieraus sich ergebende genaue Darstellbarkeit pulmonaler Veränderungen
eröffnet die Aussicht für die Lungenchirurgie, daß sowohl die topische Diagnose
als die Frage nach der Ausdehnung und Verbreitung von Bronchiektasen, Gan-
gränherden usw. durch die Röntgenuntersuchung der Lungen gelöst und damit die
Vorbedingungen fiir eine operative Inangriffnahme gefördert werden.
Reich (Tübingen).
43) F. T. Travers. Suture of perforating wound of the heart, death
on the eleventh day.
(Lancet 1906. September 15.)
Das Auffallende an diesem Falle von ausgedehnter Herznaht bei einem 19jäh-
rigen Arbeiter war: Die Tamponade der perforierenden Wunde des rechten Ven-
trikels durch einen Knochensplitter des Brustbeines, wodurch die Blutung fast
absolut gestillt wurde. Das Herz zeigte eine sehr bemerkenswerte Toleranz gegen-
über der Verletzung und den Hantierungen bei der Operation. Die Pulsation be-
stand regelmäßig weiter, obwohl drei Finger durch den Riß in den Herzventrikel
eingeführt waren. Die Schwächung des Pat. durch den sehr erheblichen Biutver-
lust war enorm, allein die Anlegung jeder einzelnen Naht wurde als direkter Reiz
auf die Herztätigkeit empfunden.
Nach der Naht wurde der Herzbeutel frei drainiert, so daß eine Stauung der
sehr reichlich abgesonderten Perikardialflüssigkeit nicht eintrat. Der schließliche
tödliche Ausgang am 11. Tage wurde indessen doch noch durch die sogenannte
Herztamponade herbeigeführt, und zwar durch ein Blutgerinnsel, welches sich über
der Nahtstelle gebildet hatte.
Eine photographische Abbildung und zwei schematische Zeichnungen sind in
die interessante Mitteilung eingefügt. H. Ebbinghaus (Dortmund).
44) Braendle. Über die Tuberkulose der Brustdrüse und die Dauer-
resultate ihrer operativen Behandlung.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. L. Hft. 1.)
Zu den früheren Beobachtungen von Habermaas und Mandry aus der
v. Bruns’schen Klinik werden elf weitere Fälle mitgeteilt.
Das Auftreten der Brustdrüsentuberkulose beschränkt sich nicht auf das fort-
pflanzungsfähige Alter, sondern kommt auch nach Eintritt der Menopause vor.
Die elf Pat. hatten alle geboren, sieben von ihnen gestillt. Keine der Pat. hatte
eine nachweisbare Lungenaffektion. Zwei tuberkulöse Lymphome. Die Axillar-
drüsen waren in 85% affiziert. Durchweg handelte es sich um die konfluierende
Form der Brustdrüsentuberkulose.
Abgesehen von einem Falle, der unter Exkochleation und Drainage ausheilte,
wurde bei den übrigen zehn Fällen die Brustamputation mit Drüsenausräumung
vorgenommen und durchweg glatte Wundheilung innerhalb 8—14 Tagen erzielt.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50. 1343
Bei 16 für die Frage der Dauerheilung verwertbaren Fällen ergaben sich
15 Dauerheilungen und ein Rezidiv, welch letzteres vermutlich von einer Rippen-
caries ausging. Die Beobachtungszeit umfaßt 1—19 Jahre. Drei Pat., welche
ohne Rezidiv geblieben waren, starben an Lungenphthise. Eine spätere Erkran-
kung der anderen Drüse ließ sich nie ermitteln.
Nach diesen Erfahrungen muß bei einer Zahl von 93,75% Dauerheilungen die
Prognose der Mammatuberkulose quoad sanationem und auch quoad vitam als
günstig bezeichnet werden. Reich (Tübingen).
45) H. Delagéniére. Contribution à l'étude de la chirurgie du pan-
créas d’après dix observations.
(Arch. prov. de chir. 1906. Nr. 4 u. 5.)
D. berichtet über zehn eigene Fälle aus dem Gebiete der Pankreaschirurgie,
.darunter einen Fall von Pankreascyste, einen Fall von Pankreasstein, zwei Fälle von
Karzinom des Pankreaskopfes, drei Fälle von chronischer Pankreatitis und drei
Fälle, bei denen ein Magenkarzinom auf das Pankreas übergegriffen hatte. Die
Pankreascyste hat er durch Einnähen und Tamponade des Sackes zur Heilung ge-
bracht. Die Pankreassteine, die sich neben Gallensteinen fanden, waren zahlreiche
hirsekorngroße, weichliche Konkremente. Sie wurden nach Inzision des Pankreas-
kopfes mit Finger und scharfem Löffel samt dem sie umgebenden weichen Gewebe
entfernt, die Höhle temponiert und völlige Heilung erzielt. Von den beiden Fällen
von Karzinom des Pankreaskopfes dürfte nur der eine sicher primär von der Drüse
ausgegangen sein. In diesem Falle brachte die Cholecystogastrostomose vorüber-
gehenden Erfolg. In zwei Fällen von auf das Pankreas übergegriffenen Magen-
karzinomen wurden bei der Resektion kleinere Teile der Bauchspeicheldrüse ent-
fernt. Im dritten sehr weit vorgeschrittenen machte D. wegen hochgradigen Ikterus
noch die Cholecystostomie, die dem Kranken vorübergehend große Erleichterung
schaffte. In den Fällen von Pankreatitis chronica führte er einmal bei Kompres-
sion des Choledochus durch den vergrößerten Pankreaskopf die Cholecystoduodeno-
stomie und zweimal die Cholecystostomie in Verbindung mit der Gastroenterostomie
aus, letztere einmal wegen Kompression des Duodenums durch die Pankreas-
geschwulst, das andere Mal wegen Sanduhrmagen. Zum Schluß seiner Arbeit ver-
breitet sich Verf. näher über die Pankreatitis chronica und gibt als bestes opera-
tives Verfahren dieses Leidens an die Einpflanzung des nach Zurückschlagen des
Duodenums freipräparierten und durchschnittenen Ductus choledochus in den Magen
oder in eine vom Pankreas freie Stelle des Duodenums. Das Verfahren wird aus-
führlicher beschrieben. Müller (Dresden).
46) Donth. Beitrag zur Pankreaschirurgie.
(Prager med. Wochenschrift 1905. Nr. 45.)
Bei einem 38jährigen Brauknecht entwickelte sich nach einem Deichselstoß
in die Oberbauchgegend innerhalb 3 Monaten eine mehr als mannskopfgroße Pankreas-
cyste. Verf. laparotomierte, entleerte durch Punktion reichlich 3 Liter einer
braunen, kaffeesatzartigen Flüssigkeit, spaltete dann die Cystenwand und vernähte
die Schnittränder mit denen des Bauchfelles. Die Höhle wurde nach v. Mikulicz
austamponiert; in 11/3, Monaten schloß sich die Fistel, später bildete sich ein kleiner
Bauchwandbruch. Gutzeit (Neidenburg).
47) B. Niederle. Uber chronische interstitielle Pankreatitis.
(Sbornik klinicky Bd. VII. p. 249.)
Bei einem 41 jahrigen Weibe diagnostizierte Verf. aus Schmerzen in der rechten
oberen Bauchhälfte, Erbrechen, Ikterus und einer großen Geschwulst im rechten
Hypochondrium einen den Ductus choledochus verlegenden Gallenstein. Bei der
Operation fand sich eine vom Pankreaskopf ausgehende, höckrige Geschwulst von
derber Konsistenz, die den Pylorus, das Duodenum und die Gallengänge kom-
1344 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 50.
primierte, und die Verf. als bösartig ansprach. Nach der Operation (Gastroentero-
stomie) gingen alle Symptome zurück, und die Frau wurde geheilt entlassen.
8 Monate nach der Operation war die Geschwulst gänzlich verschwunden.
G. Mühlstein (Prag).
48) Bunting. Acute haemorrhagic pancreatitis following obstruction
of the bile papilla.
(Johns Hopkins hospital bulletin 1906. August.)
Ein 51jähriger Weißer, der schon seit längerer Zeit an Verdauungsbeschwerden
gelitten hatte, erkrankte plötzlich mit heftigen Leibschmerzen und DarmverschluB.
Die Leparotomie ergab außer einigen Verwachsungen, die gelöst wurden, nichts
Besonderes. Die bald nach dem kurze Zeit darauf erfolgten Tode vorgenommene
Obduktion zeigte, daß eine vollkommene Verlegung der Papilla Vateri durch einen
Gallenstein vorlag; die Gallenwege waren prall mit Galle gefüllt; es bestand offen-
bar als Folge der Steineinklemmung in der Papille eine akute Pankreatitis mit
Fettnekrose. W. v. Brunn (Rostock).
49) Weil. Primäres Riesenzellensarkom des Pankreas.
(Prager med. Wochenschrift 1905. Nr. 41.)
Die Geschwulst wurde als Nebenbefund bei der Sektion der Leiche einer
62jährigen an Gehirnblutung verstorbenen Frau entdeckt. Sie war kuglig, lag im
Pankreasschweif und stellte eine 4 cm im Durchmesser haltende Cyste dar. Mikro-
skopisch unterschied sie sich in nichts von einer Epulis oder einem Riesenzellen-
sarkom des Knochenmarkes.
In der Literatur ist nur noch ein zweiter Fall von primärem Riesenzellensar-
kom des Pankreas bekannt (Piccoli, Ziegler’s Beiträge Bd. XXII.)
Gutzeit (Neidenburg).
60) C. Sick (Hamburg). Erfahrungen über den äußeren Milzbrand
beim Menschen.
(Vereinsbl. der pfälzischen Arzte 1906. Juli.)
Im Laufe der Jahre hat Verf. 42 Fälle äußeren Milzbrandes behandelt. Die
meisten Kranken hatten sich die Infektion bei der Arbeit mit Fellen zugezogen,
die teils aus Rußland, teils aus Amerika und Afrika stammten. 17mal saß die
Infektion ‚seitlich am Halse; von diesen Pat. starben 12. S. führt diese bösartigere
Form auf die rasche und weite Ausbreitung des Ödems im lockeren Zellgewebe
des Halses zurück. i1imal war die Pustel am Kopf (Auge, Stirn, Wange, Ohr-
gegend), 3mal am Nacken, 5mal am Oberarm und 6mal am Unterarme lokalisiert.
Von diesen Pat. starben nur 3. Der Tod tritt unter den Zeichen der Herzschwäche
und Dyspnoe auf. Die Sektion läßt neben den Milzbrandbazillen meist auch Sta-
phylokokken und Streptokokken in den Organen nachweisen, ebenso auch im Se-
krete des Primäraffektes. Bei tödlich verlaufenden Fällen kann es zu einer Gas-
entwicklung im Gewebe durch den E. Fraenkel'schen Gasbazillus kommen.
Die Therapie war in den ersten Jahren eine aktive: Exzision, Kauterisation,
Karbolinjektionen rings um die Pustel usw. Später führten konservative Verfahren:
Alkoholumschläge und möglichste Ruhestellung, an den Extremitäten auch Suspen-
sion, zu sehr befriedigenden Resultaten.
Die Krankengeschichten sind der kleinen, interessanten Mitteilung in kurzen
Auszügen beigegeben. Goebel (Breslau).
Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man
an Prof. B. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags-
handlung Brestkopf & Härtel, einsenden.
Druck und Verlag von Breitkopf & Härtel in Leipzig, Nürnbergerstraße 36/38.
Zentralblatt
CHIRURGIE
E. vu Beman, F, Kinig, E ee
Dreiunddreißigster Jahrgang.
EE R EE E RENE EEE a E EEE E
Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei halbjähriger
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.
Nr. 51. Sonnabend, den 22. Dezember. 1906.
Inhalt: V. E. Mertens, Technisches zur Fistelbehandlung. (Original-Mittellung.)
1) Karewski, Catgut. — 2) Worden, Saller, Pancoast, Davis, Gastroptosis. — 3) Gelpke,
Nicht krebsige Magenleiden. — 4) Kreuzer, 5) Gaudemet, Magengeschwiir. — 6) Moullin,
Magenkrebs. — 7) Filnt, Magen-Darmanastomosierung. — 8) Jeanbran und. Riche, Innere
Hernie durch das Foramen Winslowii. — 9) Schlatter, Dinndarmresektion. — 10) und
11) Pólya, Vereinigung des durchtrennten Dünndarmes. — 12) Connell, Darmnaht. —
13) Gil, Appendicostomie. — 14) Babes, Blind- und Dickdarmgeschwülste. — 15) Brüning,
Mastdarmkrebs.
Mindes, Benzin-Jodcatgut. (Original-Mitteilung.)
16) Freie Vereinigung der Chirurgen Berlins. — 17) Baudoln, Sterilisation chirurgischen
Materials. — 18) Bartlett, Drahtnetze gegen Bauchbriiche. — 19) Jepson, Perineale Bauch-
hohlendrainage. — 20) Woolsey, 21) Czarnik, Darmperforation bei Typhus. — 22) Ingbert,
Leistenbruch. — 23) Kraus, Omphalektomie. — 24) Vayhinger, Zwerchfellbruch. — 25) Le-
wonewski, Verschluckte Mantelgeschosse. — 26) Kuzmik, Magen-Bauchwandiistel. —
27) Leriche, Perforierendes Magengeschwür. — 28) Renton, 29) Gordon, 30) Mackenzie,
31) v. Haberer, Verengerungen am Pylorus und obersten Darmabschnitten. — 32) Brunner,
Magenoperationen. — 33) Delaloye, Gastroenterostomie. — 34) MacCallum, Kernreiche
Hamangiome des Darmes. — 35) MacCallum, Phlegmonöse Darmentzündung. — 36) Kachler,
Traumatische Darmverengerung. — 37) Jaboulay, Meckel’sches Divertikel. — 38) Weber,
39) Moschcowltz, Volvalus der Flexura sigmoidea. — 40) Estes, Myofibrom des Darmes. —
41) Finsterer, 42) Cushing, Darmkrebs. — 43) Reuterskiöld, Widernatürlicher After. —
44) Rittershaus, Embolie und Thrombose der Gekrösgefäße. — 45) Glinski, Milzmangel. —
46) Hörz, Traumatische Milzzerreißung. — 47) Borszéky, Leberverletzungen. — 48) Boyreau,
Leberabszeß. — 49) Ikonnikow, Lebercysten. — 50) Schmid, 51) Hawkes, Gallensteine. —
62) Mayo, 53) Mc Williams, Operationen an Leber und Gallenwegen. — 54) Ewald, Nervöse
Leberkolik. — Berichtigung.
(Aus der chirurg. Abteilung des Allerheiligen-Hospitals zu Breslau.
Prof. Tietze.)
Technisches zur Fistelbehandlung.
Von
Dr. Vietor E. Mertens,
Sekundärarzt.
Als am diesjährigen Chirurgenkongreß über die Stauungshyperämie
diskutiert wurde, ist von mehreren Rednern auch betont worden, daß
51
1346 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51.
postoperative »alte Fisteln« erfolgreich mit der Saugglocke behandelt
werden können.
Die übliche Behandlung von Fisteln besteht heute in der Aus-
kratzung mit dem scharfen Löffel. Man entfernt die schlaffen, lebens-
unfähigen Granulationen und schafft so frischblutende Flächen, die
wieder die gewünschte Heilungstendenz aufweisen. Die Auskratzungen
haben aber zwei Fehler: sie verlangen die Anwendung der Narkose
in weitaus den meisten Fällen und hinterlassen größere Wunden. Es
lag daher nahe, Versuche mit der hyperämisierenden Saugglocke zu
machen; gelang es, den anämischen Granulationen genug frisches Blut
zuzuführen, so gab es keinen Grund mehr, warum die Fisteln nicht
heilen sollten. Je vollständiger die Anfrischung gelang, um so
schneller mußte die Heilung erfolgen. Um die Schnelligkeit und
Vollkommenheit der Anfrischung auf die Spitze zu treiben, habe ich
bei der Fistelsaugung eine etwas veränderte Technik angewendet. Ich
setze jetzt die Saugglocke am Anfange der Sitzung mit maximal ge-
steigertem Unterdruck auf, so daß die stärkste Saugwirkung erreicht
wird, die der Ballon überhaupt hergibt. Durch die so bewirkte plötz-
liche, gewaltsame Füllung sollen die an die Fistel angrenzenden und
in den Gratulationsresten noch vorhandenen Gefäße zum Bersten ge-
bracht, die torpiden Granulationen zerrissen, soll eine Wundfläche von
der Ausdehnung der Fistelwandung hergestellt werden. In der Tat
ergießt sich aus der Fistelöffnung alsbald ein Blutstrom, der so stark
ist, daß mehrere Kubikzentimeter Blut in der Glocke stehen können.
Dann wird, wie üblich, ®/, Stunden weiter gesaugt. Die Blutung läßt
allmählich nach; zuletzt wird noch etwas Serum aspiriert. Am näch-
sten und übernächsten Tage wird genau in derselben Weise verfahren.
Weitere Saugung erübrigt sich. Es erfolgt schnelle Heilung in etwa
einer Woche.
Zu bemerken ist noch, daß die starke Saugung keine Schmerzen
macht, wohl weil es sich um chronische, nicht akut entzündliche Zu-
stände handelt, sei es, daß man mit einer Fistel zu tun hat, die nach
einer Operation zurückblieb, sei es, daß eine zufällig gesetzte Wunde
nicht heilen will.
Die beiden Fälle, auf die ich mich stützen will, sind folgende:
1) K. W., 37 Jahre alt. Pat. hatte sich vor 3 Tagen durch Quetschung eine
Hautwunde am linken Handrücken zugezogen. Es fand sich (3. Februar 1906) eine
4 mm lange, 1 mm klaffende Wunde, deren Grund graugelb belegt war. Bei Druck
auf die nicht schmerzende Umgebung entleerte sich eitrige Flüssigkeit. Sonden-
untersuchung, die nicht zu Blutung führte, ergab, daß die Haut in etwa 5-Mark-
stückgröße unterminiert war. 4 Tage wurde mit feuchten Verbänden behandelt.
Der Status blieb unverändert. Am 5., 6. und 7. Tage wurde forciert gesaugt,
wobei es stark blutete. Am 12. Tage lag die Haut fest an, und der 4 mm lange
Spalt zeigte gute Granulationen. — Dieser Fall brachte mich auf die Anfrischung
durch forcierte Saugung.
2) O. S., 45 Jahre alt. Er wurde wegen eines paranephritischen Abszesses
operiert. 5 Wochen später bekam ich ihn zur poliklinischen Weiterbehandlung.
Er hatte eine schmale, granulierende Wunde, die 5 cm tief war. Trotz aller Be-
mühungen, sie offen zu halten, schloß die Wunde sich bis auf einen 5 cm tiefen
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 1347
Fistelgang, der hartnäckig allen therapeutischen Angriffen widerstand. Nachdem
es 7 Wochen so gegangen war, griff ich zur Anfrischung durch die Saugglocke.
Am 1., 2. und 3. Tage wurde forciert gesaugt, dann nur indifferent verbunden.
Am 5. Tage war die Fistel noch 8 mm tief, und zwar stieß die Sonde überall auf
festen Widerstand. Am 7. Tage fand sich nur noch eine minimale Delle, die von
der übrigen Narbe kaum zu unterscheiden war.
Selbstverständlich bin ich weit davon entfernt, behaupten zu
wollen, daß diese Fälle nicht auch »von selbst« geheilt wären, wenn
man ihnen genügend Monate Zeit gelassen hätte. Man wird aber
zugeben müssen, daß es ein Erfolg der Therapie ist, wenn eine 7 Wo-
chen bestehende Fistel in 7 Tagen nach Einleitung eben dieser Therapie
sich schließt. Konnte doch von den drei klassischen Forderungen bei
der Fistelbehandlung bisher am wenigsten dem »cito« genügt werden.
Das »cito« kommt aber noch auf andere Weise zu seinem Rechte,
nämlich da, wo die Fistel sich trotz der Anfrischung nicht schließt!
Zeigt eine forciert gesaugte Fistel nicht in wenigen Tagen eine ganz
ausgesprochene Neigung zur Heilung, so verdankt sie einem Fremd-
körper ihr Dasein. In dieser Erkenntnis ist aber die Indikation zu
einem Eingriff enthalten und damit zugleich die Möglichkeit gegeben,
die Dauer der Krankheit abzukürzen.
Auch hier seien zwei Fälle zitiert:
3) J. K., 32 Jahre alt. Er kam in ganz schwerem Zustand auf die Station.
Wir diagnostizierten eine Vorderarmphlegmone. Ich fing an, mit der Binde zu
stauen, kam aber nicht zum Ziel; es mußten ausgiebige Inzisionen gemacht wer-
den, und Pat. konnte erst nach fast 2 Monaten entlassen werden. Wegen zwei
kleiner Fisteln am Handgelenk behielt ich ihn in poliklinischer Behandlung. Ich
fing sehr bald an forciert zu saugen. Das Resultat war gleich Null, es bildeten
sich sogar noch weitere Fisteln. Ich glaubte daraufhin, mein erster, kurz vorher
errungener Erfolg (1. K. W.) sei zufällig gewesen und fuhr nach den gewöhnlichen
Regeln zu saugen fort, aber gleichfalls ohne Erfolg. Schließlich entdeckte ich in
der Tiefe eines Ganges rauhen Knochen. Die weitere Untersuchung ergab, daß
eine Osteomyelitis des Radius vorgelegen hatte. Es wurde nekrotomiert und ein
Sequester entfernt. Heilung.
4) P. G., 41 Jahre alt. Am 25. April wurde ihm wegen Tuberkulose das
linke Handgelenk reseziert, wobei die Strecksehnen verkürzt wurden. Zunächst
erfolgte glatte Heilung. Mitte Juni bildeten sich drei kleine Fisteln. Die am
14. Juli eingeleitete forcierte Saugung führte nicht zur Heilung. Vielmehr begann
kurze Zeit darauf eine Auswanderung von Seidenfäden. Als 25 Fäden ausgestoßen
waren, schlossen sich die Fisteln sehr schnell, Anfang August. Bis jetzt (Ende
November) ist alles heil geblieben.
An sich ist es gewiß eine banale Tatsache, daß Wunden, in
deren Tiefe Fremdkörper sitzen, offen bleiben. Wie aber erkennt
man, ob in einer fistelnden Wunde ein Fremdkörper steckt, oder ob
andere Ursachen für das Ausbleiben der Heilung vorliegen? Ist es
nicht zuweilen unsere völlige Unkenntnis über die Ursachen, die uns
abhält, dem Pat. einen Eingriff vorzuschlagen, und die uns veranlaßt,
in der Hoffnung, daß »es doch noch zuheilt«, den Kranken immer
wieder mit Drainagen, Atzungen usw. hinzuhalten?
51*
1348 Zentralblatt für Chirurgie Nr. 51.
Mir scheint, daß jede Methode zur Beschleunigung der Heilung,
jede Handhabe zur Erkennung der Verzögerungsursachen willkommen
sein muß. Ich möchte daher folgende Thesen zur Prüfung empfehlen:
1) Postoperative und posttraumatische, nicht spezifische Fisteln
heilen nach Anfrischung mittels der Saugglocke, d. h. unter forcierter
Saugung, in sehr kurzer Zeit.
2) Zeigt eine so angefrischte Fistel nach wenigen Tagen noch keine
Neigung zur Heilung, so besteht sie auf Grund eines Fremdkörpers,
und damit ist die Indikation zu einem baldigen operativen Vorgehen
klar gegeben.
1) Karewski. Über gebrauchsfertiges, dauernd steriles asep-
tisches Catgut.
(Berliner klin. Wochenschrift 1906. Nr. 21.)
Die Bemühungen des Verf., ein gebrauchsfertiges Catgut so zuzu-
bereiten, daß es strengste bakteriologische Kontrolle garantiert, keinerlei
die Gewebe schädigende Substanzen enthält, daß es eine starke Zug-
festigkeit und Elastizität besitzt, es so zu bewahren, daß es keiner
späteren Infektion ausgesetzt und unbegrenzt haltbar ist, scheinen
gelungen zu sein. Die Sterilisation geschieht durch Alkoholdampf.
Die im Alkoholgefäß erkalteten Röhren werden unten zugeschmolzen,
im Vakuum mit absolutem Alkohol, dem je nach der Stärke der
Fäden 1—3% Gilyzerin zugesetzt ist, gefüllt, alsdann oben zugeschmol-
zen und nunmehr, um etwaige aus der Luft aspirierte Keime zu zer-
stören, nochmals 1 Stunde lang auf 103° erhitzt. Die Gläser kann
man desinfizieren. Schnell vorübergehendes Kochen in Sodalösung
verändert den Inhalt nicht. Angebrochene Röhren kann man dadurch
keimfrei erhalten, daß man sie mit dem Halse nach unten in 70% igen
Alkohol versenkt.
Das Catgut ist bereits bei zahlreichen Operationen erprobt.
Langemak (Erfurt).
2) Worden, Sailer, Pancoast, Davis. A clinical study of
gastroptosis, with special reference to the value of the bis-
mut skiograph shadow in determining the topographie of
the gastrointestinal tract.
(Univ. of Pennsylvania med. bulletin 1906. August.)
W. hat in 40 Fallen von Gastroptose — auch im Hinblick auf
die Indikationsstellung zur Operation — den Magen in der Weise
durchleuchtet, daß er 6—32 Unzen einer Schleimsuspension von Bismut.
subnitricum (1—4 Unzen) den Pat. einnehmen ließ oder durch die
Magensonde einführte; unmittelbar darauf wurde eine Röntgenaufnahme
im Stehen bei möglichst angehaltenem Atem gemacht und dann so-
fort, um Vergiftungserscheinungen vorzubeugen, die Wismutsuspension
wieder ausgehebert. W. schließt aus seinen Versuchen, daß die
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 1349
Röntgendurchleuchtung des Magens und des Darmes zu diagnostischen
Zwecken bei weitem jede andere Methode übertrifft; das gleiche gilt
für die Therapie, besonders auch für die operative, da man schon vor
der Operation sich sehr genau über die Verhältnisse orientieren kann.
Die Durchleuchtung erwies sich als diagnostisch wertvoll bei Striktur,
Erweiterung und Divertikelbildung der Speiseröhre, bei Erweiterung,
Senkung, Sanduhrform und Krebs des Magens, bei Verengerung, Er-
weiterung und Geschwulstbildung des Darmes, bei Senkung des Kolons
und der Flexur. W. teilt seine Befunde ausführlich mit, wobei
bemerkenswert ist, daß er in 15 von 40 Fällen von Gastroptose eine
erhebliche Knickung der Pylorusgegend feststellte. Auch seine Ver-
suche, den Dickdarm nach rektaler Injektion von 2 Unzen Wismut
in 8 Unzen Milch oder Schleimlösung zu durchleuchten, ergaben hervor-
ragende diagnostische Resultate. Das Wismut stieg in 15 Minuten
bis zur Deocoecalklappe auf; dagegen hielt es in zwei Fällen von
Striktur an der Strikturstelle an. Aufsteigendes Querkolon sowie die
Flexura hepatica in ihrer Lage stets deutlich sichtbar. Fünf Fälle
wurden operiert; 3mal Gastroenterostomie, Imal Fixation des Magens,
imal Fixation des Magens und Kolons (6 Röntgenbilder).
S. stellte durch das genannte Verfahren in einem Falle, in
welchem wegen Pylorusstenose die Gastroenterostomie ausgeführt war,
fest, daß das Wismut an der Anastomosenstelle leicht in den Darm
übertrat, die Offnung also gut funktionierte.
P. bildet in 29 Skizzen die verschiedenen, von ihm erhobenen
Röntgenbefunde ab. Die Knickung des Pylorus, die Wirkung von
Bandagen auf die Lage des Magens, die Einwirkung der Gastroentero-
stomie und der Gastrofixation auf die Lage der Teile, der Einfluß
der Operation auf einen Fall von Senkung des Querkolons, und der
Befund bei Ptose und Geschwulst der Flexur werden abgebildet, die
Technik wird ausführlich erörtert.
C. berichtet über einen Fall von teilweiser Verlegung des Je-
junums; die Laparotomie zwecks Lösung der angenommenen Ver-
wachsungen konnte wegen des schlechten Allgemeinzustandes des Pat.
nicht zu Ende geführt werden, und es wurde eine Enterostomie aus-
geführt. ©. ließ nun Wismutsuspension einnehmen und injizierte gleich-
zeitig solche in die Kotfistel, um vor einer zweiten Operation im
Röntgenbild festzustellen, wo der Sitz der Verengerung sei und wie die
Fistel zur Stelle der Striktur liege. Es wurde mit Sicherheit fest-
gestellt, daB die Verengerung nicht weit entfernt oberhalb der Offnung
lag; die Operation bestätigte diesen Befund. In zwei Fällen von
Fistelbildung am absteigenden Kolon wurden die genaueren Beziehungen
zwischen Fistelgang und Darm durch das Verfahren festgestellt. Bei
mehreren Pat. wurde Ptosis des Querkolons und einer oder beider
anstoßenden Flexuren leicht erkannt, und in einigen Fällen, in denen
Verwachsungen wegen des engen Aneinanderliegens zweier Darm-
schlingen nach dem Röntgenbild angenommen wurde, dieser Befund
durch die Operation bestätigt. Bei einem weiteren Pat. wurde der
1350 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51.
Sitz einer bösartigen Striktur im absteigenden Kolon deutlich gemacht,
ebenso wurde mehrfach bei Erkrankungen der Flexura sigmoidea der
Röntgenbefund bei der Operation bestätigt. Mohr (Bielefeld).
3) Gelpke. Zur Frage der chirurgischen Behandlung nicht
krebsiger Magenleiden.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXX. Hft. 4.)
Verf. ist der Ansicht, daß die Gastroenterostomie bei gutartigen
Magenleiden eine immer noch zu gefährliche Operation ist. Er glaubt,
daß man deswegen nach anderen ungefährlicheren Methoden suchen
muß. Er gibt für viele Fälle der Pyloroplastik den Vorzug. Wenn
eine ausgesprochene Ptosis des Magens besteht, großer Tiefstand des
Magens mit oder ohne Dilatation des Organes vorhanden ist, so fügt
er auch noch die Gastropexie hinzu derart, daß er ungefähr die Hälfte
der vorderen Magenwand parallel der großen Kurvatur direkt an den
unteren Rippenbogen heftet oder an die vordere Bauchwand in der
Nähe des Rippenbogens befestigt. Er hat so mit Erfolg neun Fälle
operiert, deren Krankengeschichten beigefügt sind.
E. Siegel (Frankfurt a. M.).
4) Kreuzer. Die chirurgische Behandlung des runden
Magengeschwürs und seiner Folgezustände an der Krön-
lein’schen Klinik in Zürich in den Jahren 1887— 1904.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLIX. p. 330.)
Die umfangreiche, wertvolle Arbeit wurde im Auszug von Krön-
lein vorgetragen auf dem deutschen Chirurgenkongreß 1906 und ist
als solche ausführlich referiert im Zentralbl. f. Chir. 1906 Nr. 28,
Beilage p. 92 ff. Reich (Tübingen).
5) M. C. Gaudemet. De l'intervention chirurgicale dans
lulcere non perforé de l’estomac.
Thèse de Paris, @. Steinheil, 1906.
Indikation zum chirurgischen Eingreifen ist nach G. vorhanden
bei andauernden Schmerzen, sowohl solchen infolge der Ulzeration als
auch infolge Verwachsungen und Narbenstenosen; ferner bei Hämor-
rhagien und bei Stenoseerscheinungen. Bei einmaligen heftigen Blu-
tungen rät G.,auch von der Operation abzusehen. Die Schwierigkeit
des Auffindens der sog. Exulceratio simplex (Dieulafoy) zeigt der
Umstand, daß Hartmann selbst auf dem Sektionstische den Sitz der
Ulzeration erst nach mehreren Untersuchungen feststellen konnte.
Bei wiederholten Blutungen hält dagegen G. chirurgisches Eingreifen
für angezeigt, und zwar soll dies bei Zeiten geschehen, ehe infolge zu
starker Dilatation schwere Veränderungen in der Schleimhaut Platz
gegriffen haben. Als Operation der Wahl wird im allgemeinen die
Gastroenterostomie zu gelten haben. Eine Pylorusresektion wird man,
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 1351
wegen der unverkennbar damit verbundenen Vorzüge, dann wählen,
wenn sie leicht und schnell ausführbar ist. Denn die Resektion bleibt
immer ein gefährlicherer Eingriff als die Gastroenterostomie. Bei
ihr ist die Methode nach Billroth II vorzuziehen, weil an einer
anderen Stelle des Magens noch ein Geschwür sitzen kann und weil
man auf die Vorteile der Gastroenterostomie wird nicht verzichten
wollen. Selbstredend wird man die Resektion auch anwenden, wenn
man karzinöse Entartung des Geschwürs befürchtet. Die Möglichkeit
einer krebsigen Entartung eines gewöhnlichen Geschwürs aber als
Grund für die Resektion anzuführen, ist nicht angängig, da die Gastro-
enterostomie durch die Möglichkeit der leichteren Heilung auch die
Wahrscheinlichkeit einer krebsigen Entartung vermindert.
Die Unterscheidung zwischen entzündlicher Geschwulst und Neu-
bildung ist nicht nur makroskopisch, sondern oft auch mikroskopisch
sehr schwer zu stellen. Hat man die Überzeugung, daß eine Neu-
bildung vorliegt, ist natürlich die Resektion angezeigt. Bei einem
wahren Geschwür, auch bei dem blutenden, empfiehlt Verf. aber zu-
nächst die Gastroenterostomie. Die Exzision des Geschwürs ist erst
in einer zweiten Operation vorzunehmen, falls die Blutungen sich
dauernd wiederholen. Dieses Vorgehen, wie es Jaboulay gemacht
hat, ist um so eher zu empfehlen, als man der zweiten Billroth’schen
Methode den Vorzug geben wird. Ist man genötigt, die Gastroentero-
stomie als vordere anzulegen, so soll man eine Enteroanastomose zu-
fügen. Niemals soll man nach der Gastroenterostomie die innere
Behandlung vergessen, da man es mit einer kranken Schleim- und
Muskelhaut zu tun hat. — Verf. beschreibt dann die von Ricard
geiibte Methode der Gastroenterostomie. Die Jejunumschlinge wird
dabei senkrecht angenäht, das duodenale Ende nach der kleinen
Kurvatur hin gerichtet. Nach Zurechtlegung für die Naht liegt die
Darmschlinge rechts, der Magenteil links. Die Einschnitte an Magen
und Darm nach Anlegung der ersten Naht werden nur in Ausdehnung
der der großen Kurvatur benachbarten Hälfte der aneinander genähten
Schlingen angelegt. Die Kanten des Mesokolonschlitzes werden an
den Magen mit einigen Nähten befestigt. Die vertikale Suspension
des oberen Teiles hat Ricard auch angewendet, wenn er den unteren
Anastomosenteil, nicht vertikal, sondern schräg nach dem Pylorus zu
genommen hat. Durch die vertikale Suspension wird Spornbildung
im absteigenden Schenkel unmöglich gemacht. Bei der hinteren
Gastroenterostomie gewährleistet die vertikale Suspension auch ein
Weiterfließen des Darminhaltes vom Duodenum her auf der hinteren
Wand des Darmes beim Magen vorbei.
Verf. bringt 40 Krankengeschichten von Fällen, bei denen die
vertikale Suspension in Anwendung gekommen ist.
E. Moser (Zittau).
1352 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51.
6) C. M. Moullin. ‘The early diagnosis of cancer of the
stomach.
(Lancet 1906. September 22.)
Der bekannte Verf. beleuchtet hier mit seiner reichen Erfahrung
in klassischer Weise die Frühdiagnose und Frühtherapie des Magen-
krebses. Wenn überhaupt von erfolgreicher operativer Behandlung
des Carcinoma ventriculi die Rede sein soll, so muß diese Behandlung
früh einsetzen. Kontinuierliche leichte Schmerzhaftigkeit und Appetit-
losigkeit, insbesondere für Fleischnahrung, bei einem bisher gesunden
Menschen in und über mittlerem Alter, geben Verdacht auf Magen-
krebs. Schmerzhaftigkeit kommt von den Zerrungen des Parietal-
peritoneums bei den Kontraktionen des Magens, die das karzinomatöse
Hindernis zu überwinden trachten. Da 60% aller Magenkrebse am
Pylorus liegen, wird sie also in über der Hälfte der Fälle nicht fehlen.
Je mehr verengert die Pforte, desto größer der Krebs also, und desto
heftiger die Schmerzhaftigkeit.
Weichen die beiden Symptome, die event. mit Gewichtsverlust
einhergehen, nicht einer der üblichen Behandlungsmethoden in einigen
Wochen, so ist 1) eine chemische Untersuchung des Mageninhaltes
nach einem Probefrühstück oder 2) eine Probelaparotomie zu machen.
Sowohl das Ewald’sche, wie das Boas'sche Probefriihstiick werden
vom Verf. wegen ihrer wenig appetitanregenden Bestandteile abfällig
beurteilt; sie können, weil: sie ohne Appetitreiz genossen werden, un-
möglich ein Bild von der Sekretionsfähigkeit der Magensäfte geben.
Beim karzinomatösen Magen betont Verf. mit Recht die Wichtigkeit
des Vorhandenseins von Milchsäure und dem Oppler-Boas’schen
Bazillus, sowie das Fehlen der freien Salzsäure, er verhehlt indessen
nicht, daß freie Salzsäure auch bei anderen Krankheiten fehlen kann,
so bei chronischer Gastritis, vorgerückter Lungentuberkulose, Herz-
krankheiten, Magenwandatrophie und auch, wie Verf. bei einem Falle
beobachtete, beim Karzinom des Colon transversum. Der Wert der
chemischen Magensaftuntersuchung ist nur eine Sicherung der Dia-
gnose »Magenkrebs« bei positvem Ausfalle. Die Untersuchung sollte
in allen Fällen wiederholt stattfinden. In allen Fällen sollte weiterhin,
auch wenn die chemische Untersuchung die Diagnose nicht bestätigt,
falls die Magensymptome nicht sehr bald schwinden, in kürzester Zeit
die Probelaparotomie ausgeführt werden. Sie läßt nur in den aller-
seltensten Fällen in Stich; würde zu ihr, so schließt Verf. seine be-
merkenswerten Ausführungen, viel häufiger als bisher geschieht, die
Zuflucht genommen, dann würden die Statistiken über die Erfolge
der Magenkrebsoperationen anderes erzählen.
H. Ebbinghaus (Dortmund).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 1353
7) J. M. Flint. Über eine neue Methode zur Herstellung
von Anastomosen am Magen-Darmtrakte.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXX. Hft. 4.)
Als das Ideal der Anlegung einer Anastomose am Magen-Darm-
kanal sieht es Verf. an, wenn bei der Operation der Speiseweg gar
nicht eröffnet wird und infolgedessen gar keine Beschmutzung der
Peritonealhöhle zustande kommen kann. Er hat zu diesem Zweck
eine Methode ersonnen, die im wesentlichen darin besteht, daß eine
eigens konstruierte lange Schere mit verschieden langen Drahtbranchen
in den Darm eingeführt wird. Dieselbe durchschneidet erst nach An-
legung sämtlicher Nähte die Darmwände und stellt so die Kommuni-
kation her. Es kann dabei kaum etwas Darminhalt ausflieBen. An
den beigegebenen Abbildungen wird die Methode klar ersichtlich.
.Sie muß im Originale nachgelesen werden, da ein Referat die Einzel-
heiten der Technik nicht erschöpfen kann. In dem Tierexperimente
hat sich das Verfahren bewährt. Versuche am lebenden Menschen
liegen noch nicht vor. F. hält die Methode für kürzer als alle
anderen, mit Ausnahme der Knopfanwendung.
E. Siegel (Frankfurt a. M.).
8) E. Jeanbran et V. Riche. L’occlusion intestinale par
Vhiatus de Winslow; hernies internes à travers l'hiatus de
Winslow.
(Revue de chir. XXVL ann. Nr. 4 u. 5.)
Die Arbeit gehört zu den interessanteren und bietet an praktisch
wichtigen anatomisch-topographischen und klinischen Einzelheiten viel
beherzigenswertes. Ist auch die Einklemmung von Darmschlingen im
Hiatus Winslowi bisher selten — etwa 20mal — beobachtet worden,
so muß sie doch dem Chirurgen geläufig und darf besonders im Fall
eines zu diagnostizierenden oder zu operierenden Darmverschlusses ihm
nicht fremd sein: ihre Erkennung, besonders aber die Reduktions-
manöver können nämlich besonders schwierig sein. Von einer Hernie
im vollen Sinne des Wortes kann nicht eigentlich gesprochen werden:
Die Bursa ist ein präformierter Raum und ein Bruchsack besteht
nicht. Bisher ist niemals vor der Operation die richtige Diagnose
gestellt worden, obgleich in den ersten Stunden und Tagen ein für
diese Form des Darmverschlusses recht charakteristisches Bild be-
steht: eine epigastrisch gelegene ziemlich gut umschriebene Vorwölbung,
die, wenn Kolon durch die Öffnung hinter den Magen gelangt, ober-
halb des Nabels, wenn sichs um Dünndarm handelt, mehr in der
Nabelgegend, um diese herum sich zieht. Doch selbst wenn der Leib
eröffnet ist, bleibt die Diagnose schwierig. Die Entlastung der ge-
blähten Schlingen wird oft erforderlich, und ist erschwert, weil das
Mesenterium in der Tiefe fixiert, das Konvolut nicht vor die Wunde
zu bringen ist.
51**
1354 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51.
Wenn nach Ausschluß aller anderen Formen innerer Einklemmung
schließlich die im Hiatus verschwindende Schlinge entdeckt ist, so
entsteht die erneute schwere Aufgabe der Befreiung des oft sehr fest
eingeschnürten, gelegentlich mit Magen und selbst Milz verwachsenen
Darmabschnittes. Wiederholt ist sie mißlungen, oder der Darm riß ein.
Verff. raten nun, das Lig. hepatogastr. durch den eingeführten linken
Zeigefinger anzuspannen, vorsichtig das vordere Blatt dicht am Duo-
denum zu spalten und nach innen vom Choledochus in einer schmalen,
dreieckigen Lücke zwischen diesem und Vena portae stumpf einzugehen
und von da aus das hintere Blatt nach unten abzulösen und so den
Hiatus zu erweitern. Erst dann beginne man mit der Reduktion und
überzeuge sich zuletzt, daß kein Darm in der Bursa zurückgeblieben.
Damit ist natürlich der reiche Inhalt der Abhandlung noch nicht
erschöpft, die es verdient, gelesen zu werden. Christel (Metz).
9) C. Schlatter. Über die Darmfunktion nach ausgedehnten
Dünndarmresektionen.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLIX. p. 1.)
Eine Literaturzusammenstellung mit 20 Fällen von Dünndarm-
resektionen von über 2 m Länge zeigt, daß die obere Grenze für die
Zulässigkeit der Darmausschaltung beim Menschen außerordentlich
schwankt, indem manchmal erstaunliche Kürzungen auffallend gut
ertragen, in anderen Fällen kleinere Resektionen mit schwersten Er-
nährungsstörungen beantwortet werden.
Eine untere Grenzzone der Resektionen, bei der Verdauungs-
störungen nicht zu erwarten sind, auf 2 m oder !/; der Darmlänge zu
normieren, scheitert schon daran, daß nicht die Länge des wegfallen-
den, sondern des zurückbleibenden Darmteiles von Bedeutung und
dessen Messung ausgeschlossen ist. Zwei eigene Fälle des Verf.s mit
7- und 2jähriger Beobachtungszeit, bei denen Dünndarmresektionen
von 2 resp. 1,5 m ausgeführt waren, lehren, daß das Ausbleiben von
Ernährungs- und Darmstörungen an sorgfältige Auswahl und reich-
liche Zufuhr von Nahrung einerseits, eine gewisse Verringerung der
Kraftausgabe andererseits gebunden ist. Ä
Genaue Stoffwechsel- und Kotuntersuchungen ergaben insbesondere,
daB die Eiweiß- und Fettverluste bei reichlicher und angepaßter Nah-
rung abnorm hohe sind. Während bei dem einen Pat. mit 2m Darm-
resektion durch geeignete Ernährung sich eine volle Kompensation und
gute Arbeitsfähigkeit erzielen ließ, bedurfte es bei der zweiten Pat.
mit nur 1!/, m Darmausschaltung enormer Nahrungsmengen und weit-
gehendster körperlicher Schonung, um das Stoffwechselgleichgewicht
zu erhalten. Den Grund für die funktionellen Darmstörungen in
letzterem Falle sieht Verf. in einer durch ausgedehnte peritonitische
Verwachsungen bedingten Verminderung der Resorptionsfähigkeit des
Darmrohres.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 1355
Aus diesen Beobachtungen folgt, daß allgemein gültige Normen
für die Grenzwerte erlaubter Darmkürzungen sich nicht aufstellen
lassen, und ein Begutachter sich mit einem günstigen Entlassungs-
befund nicht begnügen darf, sondern die für die Kompensation not-
wendigen Bedingungen individuell prüfen und sehr in Rechnung stellen
muß. Reich (Tübingen).
10) E. A. Pölya. Versuche zur Vereinigung des Dünndarmes
mittels einfacher Unterbindung.
(Budapesti Orvosi Ujsäg 1906. Nr. 3. [Ungarisch.))
Die von Travers aufgeworfene und neuerdings von Duplay-
Assaki und Duplay-Cazine gemachten Versuche, die ineinander
invaginierten Darmstümpfe über einen Ring abzubinden, wiederholte
P. an neun Hunden. In fünf Fällen wurde Heilung erreicht; vier
Todesfälle, zweimal nach Abgang des Ringes infolge von Spätperfo-
ration (6—8 Tage nach der Operation); einmal ging die Naht am
2. Tage vollständig auseinander, einmal verursachte die Perforation
eines Bauchwandabszesses ins Peritoneum den Tod; Ring an der Ver-
einigungstelle, Naht reaktionslos, hält augenscheinlich, doch löst sie
sich schon beim leichten Zug. Auch in den geheilten Fällen starke
peritoneale Verwachsungen um die Nahtstelle.
Somit scheint es, daB bei diesem Vorgehen das Durchschneiden
des Unterbindungsfadens und die AbstoBung desselben in einer Zeit
erfolgen, wo die Serosaflächen noch nicht mit hinlänglicher Sicherheit
zusammengeklebt sind, und demzufolge ist das Verfahren immer un-
sicher und gefahrvoll, wenn auch in einigen glücklichen Fällen Hei-
lung erzielt werden kann. P. Steiner (Budapest).
11) E. A. Pölya. Versuche mit der Jobert’schen Invagi-
nation und Demesenterisation zur Vereinfachung der Darm-
nähte.
(Magyar Orvosi archivum Bd. VII. Hft. 4. [Ungarisch.))
Verf. suchte in einer Reihe von Tierversuchen (Hunde) fest-
zustellen, ob die Jobert’sche Darmnaht, die im Anfang der 80er
Jahre, in einer Zeit, wo man den Wert einer Darmnahtmethode noch
nicht vollständig beurteilen konnte, und die aprioristisch doch gewisse
Vorteile (Zeitersparnis) zu gewähren scheint, nicht mit einigen, der
heutigen Technik entsprechenden Modifikationen anwendbar wäre.
9 Dünndarm-, 3 Dickdarmresektionen mit zirkulärer Vereinigung,
3 laterale Ileokolostomien und 4 Y-förmige Gastroenterostomien wur-
den nach dieser Methode ausgeführt.
Die Experimente zeigten, daß bei der zirkulären Vereinigung nur
beim Dickdarm eine Wegbehinderung zu befürchten ist, beim Dünn-
darm kommt dies nie vor; Gangrän der Nahtstelle ist auch zu ver-
meiden, wenn man die Demesenterisation vorsichtig und nur am in-
vaginierten Darmstumpfe vornimmt und die Gefäße des Mesenterium
a
1356 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51.
(die beim Hunde allerdings sehr ungünstig knapp am Darme verlaufen),
bei der Naht des Mesenterialspaltes hinlänglich schont. Die Todes-
fälle nach Dünndarmresektionen (5) können eher technischen Fehlern
(zweimal Umstechung der Mesenterialgefäße während Vernähung des
Mesenterialspaltes, dreimal durch unzulängliche oder zu tief geführte
Nähte hervorgerufene kleine Perforationen) als der Methode zugeschrie-
ben werden; doch scheint diese nicht dieselben Sicherheiten zu ge-
währen, wie die zweireihige Naht. — Anders ist es mit den lateralen
Einpflanzungen; hier wurde nie eine Nahtinsuffizienz beobachtet, und
die Methode — zu diesem Zweck übrigens schon von Adelmann-
Haken, Senn und Jesset empfohlen — ermöglicht eine große
Schnelligkeit in der Ausführung. P. Steiner (Budapest).
12) Connell. Capillarity in intestinal sutures.
(Journ. of the amer. med. assoc. 1906. August 11.)
Versuche, welche die Gefahrlosigkeit der in das Darminnere ein-
dringenden Nähte beweisen sollen. Gedrehte und geflochtene Seiden-
und Leinenfäden, Pagenstecher’sches Nahtmaterial und Catgut wur-
den untersucht durch Eintauchen eines Endes in Methylenblaulösung.
Dann wurden Versuche am Darme des lebenden Tieres gemacht, in-
dem ein Teil des Darmes zweiseitig abgeklemmt wurde und durch
diesen die verschiedenen zn untersuchenden Fäden durchzogen wurden,
so daß ein Stück im Darminnern lag und die freien Enden aus den
Stichkanälen hervorsahen. Der abgeschlossene Teil der Darmlichtung
wurde mit Methylenlösung gefüllt, die Fäden bis zu 2 Stunden liegen
gelassen. Die Ergebnisse lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:
1) Gedrehte Seide ist stärker kapillär als geflochtene; je dicker der
Faden, desto stärkere Wirkung. 2) Gespannte Fäden haben geringere
Kapillarität als lose hängende. Knoten im Faden bilden ein gewisses
Hindernis für aufsteigende Flüssigkeit. 3) Feuchte Fäden saugen
stärker als trockene. 4) Durch die Darmwand durchgezogene Fäden,
selbst wenn sie von sonst stark kapillärem Materiale sind, drainieren
Flüssigkeit aus dem Darminnern nicht nach außen, wenigstens nicht
während der Zeit von 2 Stunden. 5) Daher ist die Naht, welche alle
Schichten des Darmes durchdringt, nicht so gefährlich, wie bisher an-
genommen, wie auch die praktische Erfahrung schon gezeigt hat.
Trapp (Bückeburg).
13) M. Gil. Appendicostomia.
(Revista de med. y cir. pract. de Madrid 1906. Nr. 942.)
G. empfiehlt in seiner ausführlich geschriebenen Arbeit die von
R. W. Weir vor einigen Jahren angegebene Operation der Appen-
dicostomie als Ersatzoperation für die kompliziertere Kolostomie. Die
Operation besteht in einem nach Wahl anzulegenden etwa 4 cm langen
Haut-Muskelschnitt, Eröffnung des Bauchfelles, Hervorziehen des Wurm-
fortsatzes, Einnähung desselben in die Hautwunde unter gleichzeitiger
Zentralblatt für Chirurgie Nr. 51. 1357
Fixation des Peritoneums und Abtragung des Wurms ca. 1 cm ober-
halb des Austrittes aus der Hautwunde. — Bei nicht eiligen Fällen
kann an Stelle der Einnähung des
Wurms zunächst nur dessen Be-
festigung mit Hilfe von zwei Sicher-
heitsnadeln vorgenommen werden (s.
Figur).
Folgende Indikationen werden
für die Operation aufgestellt:
1) Behandlung gewisser Erkran-
kungen des Dünn- und Dickdarmes
durch Irrigationen.
2) Bekämpfung eines gefährliche
Grade annehmenden Meteorismus.
3) Künstliche Ernährung.
G. hält es für möglich, nach
Dehnung des Wurmfortsatzstumpfes die Innenwandung des Blinddarmes
mit Hilfe eines Spekulums dem Auge zugänglich zu machen.
Die Durchspülung des Ilium soll durch eine die Ileocoecalklappe
passierende Gummisonde erfolgen; — in gleicher Weise soll in dazu
geeigneten Fällen die künstliche Ernährung vorgenommen werden, die
oft vom Mastdarm aus sehr schlechte Resultate liefert. Im Gegensatze
zu den früheren Operationen wird besonders auf die leichte Heilbar-
keit der Operationswunde sowie den Umstand hingewiesen, daß die
Kranken infolge des ständigen ventilartigen Verschlusses der Darm-
wunde sich weder beschmutzen, noch einen üblen Geruch verbreiten.
Stein (Wiesbaden).
14) J. Babes. Erfahrungen über einzeitige Resektion von
Coecal- und Kolontumoren.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXX. Hft. 4.)
Für die Dickdarmgeschwülste hat sich mit Recht das Verfahren
der Operation in mehreren Zeiten eingebürgert. Doch gibt es eine
Reihe von Fällen, die nach B.’s Ansicht durchaus das einzeitige Ent-
fernen der Geschwulst erlauben. Stenosenerscheinungen geben keine
Kontraindikation. Wenn der Allgemeinzustand gut, das Herz leistungs-
fähig ist und bei der Operation die Geschwulst gut mobilisierbar er-
scheint, kann man sich ruhig zur einzeitigen Exstirpation entschließen.
Seine guten Erfolge schreibt Verf. in erster Linie der Art der von
ihm angewandten Narkose zu. Er gibt vor der Operation 0,015 Mor-
phium subkutan. Die Eröffnung der Bauchhöhle geschieht unter
lokaler Anästhesie bis auf das Peritoneum parietale. Die Spaltung
des letzteren und die Orientierung im Bauchraume findet unter kurzem
Atherrausche statt. Die übrige Operation erfolgt dann bei Bewußt-
sein des Pat. bis zur Bauchdeckennaht, die noch mit einigen Schleich-
spritzen beendet wird.
1358 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51.
Technisch wird so verfahren, daß nach möglichst ausgedehnter
Resektion die Enden mit dem Enterotrib gequetscht und blind ver-
schlossen werden. Dann wird eine seitliche Anastomose hergestellt,
event. unter Mobilisierung der fixen Flexuren. Die letztere geschieht
durch bogenförmige Spaltung des Peritoneum parietale und stumpfes
Abschieben des betreffenden Darmteiles. Bei Resektion zu großer
Darmabschnitte wird die Vereinigung durch Deokolostomie bewirkt.
Doppelkarzinome kommen hier und da einmal am Dickdarme vor. Sie
sollen ebenfalls in einer Sitzung entfernt werden. Von seinen zehn
einzeitigen Resektionen hat Verf. keine verloren. Die Fälle, in denen
er nur palliative Eingriffe ausführen konnte, boten wenig erfreuliche
Erfolge. E. Siegel (Frankfurt a. M.).
15) F. Brüning. Ein Beitrag zur Diagnose und Operation
der hochsitzenden Mastdarmkarzinome.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVIIL. p. 617.) _
Mitteilung eines Falles von einem dicht oberhalb des Uberganges
von Colon descendens in die Flex. sigmoidea sitzenden, stenosierenden
Karzinom, dessen Diagnose bei negativem Tuschierbefund erst durch
die Rektoskopie sichergestellt werden konnte.
Verf. nimmt AnlaB, die Rekto-Romanoskopie nach Strauss gerade
zur Frühdiagnose hochsitzender Mastdarmkrebse wärmstens zu emp-
fehlen.
Von den für die Operation in Betracht kommenden kombinierten
Methoden gibt Verf. dem Kraske’schen abdominosakralen Vorgehen
den Vorzug, da es zumal bei rechtzeitiger Operation keine größere
Sterblichkeit (ca. 52%) als die anderen Methoden aufweist, dabei aber
die funktionell besten Resultate liefert. So erfolgte auch im mit-
geteilten Falle Heilung mit Kontinenz.
In technischer Hinsicht gebührt dem medianen Bauchschnitte der
Vorzug vor seitlichen Schräg- oder Querschnitten mit Durchtrennung
des Rectus, da er nicht nur sehr gute Übersicht und Zugänglichkeit
verschafft, sondern auch eher das Auftreten von Narbenbrüchen ver-
hindert. Die Eröffnung der Douglas’schen Falte läßt sich auf ab-
dominalem Wege leichter und sicherer ausführen als von unten. Die
Abbindungen des Mesosigmoideum sollen 2cm vom Darmansatz ent-
fernt bleiben zur Schonung der anastomosierenden Randgefäße.
Verunreinigung des Operationsgebietes wird am besten vermieden,
wenn man sowohl bei kombiniertem als rein sakralem Vorgehen die
Resektion erst nach vollkommener Mobilisierung und Vorziehung der
Geschwulst sowie nach doppelter Unterbindung des Darmes mit Gaze-
streifen vornimmt. Auf abdominale Drainage sollte man meist ver-
zichten.
Während bisher die kombinierte Kraske’sche Methode nur für
die Karzinome gewählt wurde, deren untere Grenze sich nicht mehr
oder kaum von unten erreichen läßt, glaubt Verf., daß man bei aus-
gebildeter Technik die Grenzen der abdominosakralen Resektion nach
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 1359
unten verriicken solle, weil auf abdominellem Wege die sicherste und
ausgiebigste Mobilisierung möglich und damit eine Darmgangrän am
ehesten zu vermeiden sei, und weiterhin bei diesem Vorgehen sich
auch die erkrankten Lymphdrüsen in ausgedehntem Maße entfernen
lassen. Reich (Tübingen).
Kleinere Mitteilungen.
(Aus dem allgemeinen Krankenhause zu Drohobycz.)
Benzin-Jodcatgut.
Von
Dr. Mindes.
Bezugnehmend auf den in Nr. 45 d. Bl. erschienenen Aufsatz über Jodcatgut-
präparation mittels Chloroform-Jodtinktur von Dr. Burmeister, möchte
ich die Art der Catgutpräparation bekannt geben, wie sie Dr. Koztowski seit
3 Monaten in unserem Spital eingeführt hat.
Kozłowski verwendet Catgut, welches in 1%ige Benzin-Jodlösung gelegt
war. Die einzelnen Rohcatgutfäden werden auf kurze Glasröhrchen gewickelt und
in weißes Filtrierpapier gehüllt, welches mit einem Faden umbunden wird. Eine
beliebige Anzahl solcher Wickel kommt in einen weiten, mit einer 1% igen Benzin-
Jodlösung gefüllten Glasbehälter, aus welchem sie nach 2tägigem Liegen in einen
zweiten mit frischer, 1%iger Benzin-Jodlösung gefüllten Glasbehälter gelegt werden.
Nach 2-3 Tagen werden sie herausgenommen und in ein leeres Glasgefäß ge-
eben.
3 Nach der Entnahme aus der Lösung wird das Catgut infolge der Verdunstung
des Benzins sehr rasch trocken, hat eine tiefdunkle Farbe, ist geradezu unzerreiß-
lich, quillt im Gewebe nicht auf und ist in hohem Grad antiseptisch. Da es ständig
in dem mit Jod getränkten Filtrierpapier liegt, bleibt es immer trocken und asep-
tisch, ja sogar immer antiseptisch wegen seines Gehaltes an kristallinischem Jod.
Die leitende Idee bei beiden Arten der Präparation ist wohl dieselbe, dagegen
hat die Benzin-Jod- gegenüber der Chloroform-Jodlösung den Vorzug der Billigkeit.
16) Freie Vereinigung der Chirurgen Berlins.
Außerordentliche Sitzung am 23. Oktober 1906 in der Heilanstalt des Herrn
Immelmann.
Vorsitzender: Herr Israël.
1) Herr Immelmann: a. Osteoarthritis deformans coxae
Krankenvorstellung.
Die Erkrankung ist äußerst selten beobachtet. In der Literatur finden sich
nur sechs Fälle beschrieben. Die Diagnose ist nur mittels Röntgenstrahlen zu
stellen. Der Kopf nimmt eine spitz ausgezogene Form an. Die Pfanne erweitert
und vertieft sich bedeutend, so daß es zur Pfannenwanderung kommt. Prognose:
quoad restitutionem ungünstig. Therapie: Bäder, Massage, Gymnastik, Hessing-
scher Schienenhülsenapparat. Im äußersten Notfalle Resektion des Schenkelkopfes.
Vorstellung zweier Pat.
b. Ischias scoliotica. Pat. leidet an linksseitiger Ischias mit linksseitiger
Lenden- und rechtsseitiger Rückenskoliose. I. schließt sich der mechanischen Theorie
über die Entstehung dieser Skoliose an; er hat in subakuten Fällen oft das Hes-
sing’sche Stützkorsett in Verbindung mit mediko-mechanischer Behandlung mit
1360 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51.
Erfolg angewandt; in akuten Fällen rät I, den Pat. in der Stellung einzugipsen,
in der er die wenigsten Schmerzen hat.
2) Derselbe: Die Behandlung von Gelenksteifigkeiten mit Bier-
schen Saugapparaten. Bisher sind Apparate für Hand-, Ellbogen-, Fuß- und
Kniegelenk konstruiert. Bei akut erkrankten Gelenken beschränkt man sich am
besten darauf, Hyperämie in den betreffenden erkrankten Organen hervorzurufen.
Bei allen chronischen Fällen benutzt man die Apparate, um Streckung resp. Beu-
gung der Gelenke hervorzurufen. Die Wirkung ist eine ganz enorme. Demonstra-
tion der betreffenden Apparate während der Anwendung bei Pat.
3) Herr Jaquet: a. Über die Köhler’sohe Verbesserung der Röntgen-
technik bei sehr starken Pat. J. demonstriert ein von Alban Köhler in
Wiesbaden angegebenes Verfahren zur Erzielung brauchbarer Röntgenbilder bei
übermäßig starken Personen. Es werden zu diesem Zwecke statt einer Platte zwei,
die mit den Schichtseiten zusammengelegt werden, genommen. Die nicht belich-
teten, hellen Partien bleiben hell, während die belichteten, dunklen Teile der
Platten doppelt dunkel erscheinen. Die Negative werden so viel differenzierter.
b. Plastische Röntgenbilder und deren Anfertigung. J. beschreibt
das Verfahren zur Erzielung plastischer Röntgenbilder. Es wird von dem Negativ
ein Diapositiv gemacht und dann werden beide Platten mit den Schichtseiten nach
außen zusammengelegt. Das Diapositiv bewirkt, leicht verschoben, als diffuser
Schatten die Plastik des Negativs. Um hiervon Positive zu machen, fertigt man
sich erst eine sog. »>plastische Kopierplatte« an, von der beliebig viele Abzüge
gemacht werden können.
4) Herr Immelmann: a. Orthophotographie der Aneurysmen und
Mediastinaltumoren. I. demonstriert die von seinem technischen Assistenten,
Herrn Lepper, erfundene Methode, mittels des Orthodiagraphen die Aneurysmen
und Mediastinaltumoren in natürlicher Größe zu photographieren. Vergleichende
Bilder zeigen ein Aortenaneurysma, nach der alten Methode photographiert, sowie
dessen Orthodiagramm und Orthophotogramm.
b. Projektionvon 20 ausgewählten Röntgenbildern aus der Ohir-
urgie. Neben den Réntgenbildern der beiden an Osteoarthritis leidenden Pat.
werden noch drei von I. früher beobachtete gleichartige Fälle projiziert. Weiter-
hin werden Bilder von Knochennaht bei veralteten Fällen von Pseudarthrose, die
verschiedene Durchlässigkeit der Nieren-, Harnleiter-, Blasen- und Gallensteine u.a.m.
vorgeführt.
c. Demonstration der neuen von Lepper konstruierten Spalt-
blende, deren Wesen darin besteht, daß zwischen Röntgenröhre und Pat. eine
in Länge und Breite verstellbare Spaltblende durch einen kleinen Motor während
der Aufnahme in horizontaler Richtung hin und her bewegt wird, wodurch die
sekundäre Strahlung fast ganz vermieden wird. Der Wert dieser Blende liegt
hauptsächlich darin, daß wir jetzt Übersichtsaufnahmen großer Körperteile von
ganz bedeutender Schärfe machen können. Sie wird von der Firma Gebrüder
Loewenstein, Berlin, angefertigt.
17) Baudoin. Essai critique sur la stérilisation du matériel chirurgical.
Thèse de Paris, &. Steinheil, 1906.
Verf. hat sich der Mühe unterzogen, sämtliche bisher empfohlenen Sterilisations-
methoden einer eingehenden Nachprüfung zu unterziehen. Die Antiseptika sind
in ihrer Wirkung fast alle unzuverlässig mit Ausnahme des Sublimats von 10/.
Demnach will B. die Antiseptika zur Sterilisation nur dann angewendet wissen,
wenn aus äußeren Gründen eine aseptische Behandlung nicht möglich ist. Zur
Sterilisation der Instrumente hat sich am wirksamsten das übliche 20 Minuten
währende Auskochen in 2xiger Sodalösung erwiesen, entgegen der Sterilisation
mittels trookener Hitze, im Autoklaven usw.
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 1361
Die Sterilisation der Kompressen usw. im Schimmelbusch bei 100° hält B.
nicht für ausreichend, vielmehr muß dieselbe im Autoklaven unter starker Span-
nung vorgenommen werden. Eine vorzügliche Methode ist auch die der Sterilisa-
tion in 9Oxigen Alkoholdämpfen von 120° während einer Stunde, jedoch sind die
Kosten sehr hoch. Metalldraht, Fil de Florence und Seide werden ebenfalls am
sichersten im Autoklaven sterilisiert.
Die größte Schwierigkeit bietet es, ein absolut keimfreies und dabei zugfestes
Catgut zu erlangen. Im allgemeinen ist die Sterilisation mittels Antisepticis un-
zuverlässig; allein in Betracht kommt beim Catgut die Methode nach Claudius
(Jod-Jodkalilösung). Wie Verf. gezeigt hat, ist die bakterizide Wirkung eines Anti-
septikums bei gleicher Konzentration nicht gleichmäßig, da die Spezies und die
Vitalität der Bakterien hierbei eine große Rolle spielen; wenn die angestellten
Versuche mit Jod-Jodkali auch günstig ausfielen, so glaubt B. doch, mit Rücksicht
auf die erwähnte Inkonstanz, es nicht verwenden zu sollen. Die Sterilisation in
trockener Luft bei 140° und 2stündiger Dauer gibt ebenfalls gute Resultate; jedoch
ist dabei zu beachten, daß, wie bei jeder Sterilisation im Trockenschranke, die
Temperatur nicht überall gleichmäßig ist, und daß an den Stellen, wo eine Über-
hitzung stattgefunden hat, das Catgut brüchig wird.
Setzt man Catgut, welches sich in einer wasserfreien Flüssigkeit, wie Alcohol
absolutus, Azeton, Chloroform, Xylol, Benzin, befindet, einer Temperatur von 120°
1 Stunde lang aus, nachdem man den Faden vorher mit Bacillus subtilis infiziert
hat, so läßt sich jedesmal auf der mit dem Faden beschickten Platte eine Kultur
beobachten. Daß die wasserfreien Flüssigkeiten selbst bei hohem Druck und Tem-
peratur in das Zentrum des Fadens eindringen, läßt sich leicht demonstrieren, in-
dem man die Flüssigkeit färbt. Es zeigt sich dann, daß beim Durchschneiden des
Fadens nur die Oberfläche gefärbt ist, während das Zentrum seine ursprüngliche
Farbe behalten hat.
Die Sterilisation im Autoklaven ist wegen des Aufquellens des Materiales
nicht möglich.
B. beschreibt unter dem Namen Tyndallisation ein Verfahren, welches vorzüg-
liche Resultate gibt. Dasselbe ist folgendes: Das Catgut wird in Röhrchen getan,
welche mit 90%igem Alkohol gefüllt sind, und verschlossen. Die Röhrchen werden
10 Stunden täglich in einen Paraftinofen gelegt, welcher auf 60° eingestellt ist.
Nach vielen Kontrollversuchen hat B. herausgefunden, daß nach 3 Tagen (täglich
10 Stunden) das Catgut vollkommen steril ist. Bei einer Temperatur von 120° in
absolutem Alkohol erhitztes Catgut war niemals steril. Verf. erklärt sich dieses
auffallende Resultat damit, daß es sich um eine Kombination von Wasser und
Hitze handelt, insofern als die Hitze nur dann wirksam ist, wenn die Flüssigkeit,
in welcher sich das Catgut während des Erhitzungsprozesses befindet, eine gewisse
Wassermenge enthält. Als einfaches und sicheres Verfahren empfiehlt B. demnach
diese Methode dringend.
Gefäße, Lösungen usw. werden am besten im Autoklaven sterilisiert.
Gummihandschuhe werden ebenfalls im Autoklaven keimfrei gemacht; nach B.
dringt jedoch der Dampf nicht genügend in das Innere der Finger ein, und man
hat somit nur äußerlich sterile Handschuhfinger. Um eine sichere Sterilisation zu
erzielen, steckt B. in jeden Finger ein Stück Gummidrain, wodurch bewirkt wird,
daß der Dampf überall eindringt. Levy (Wiesbaden).
18) Bartlett. Five years experience with an original filigree intendet
to prevent and to cure abdominal herniae.
(Journ. of the amer. med. assoc. 1906. September 8.)
Durch Versuche an Hunden stellte B. fest, daß Drahtnetze (Silberdraht) sehr
gut einheilen und der Bauchwand die frühere Festigkeit verleihen. Die Seitenteile
des Netzes brauchen nicht tief unter die Wundränder zu reichen. Ee ist zweck-
mäßig, fertige Drahtnetze vorrätig zu halten und sie nicht erst durch Einziehen
von Drähten in der Wunde zu bilden. B.’s Netze bestehen aus einem Mitteldraht,
von dem seitliche Schlingen ausgehen (s. Fig). Der Mitteldraht kommt in die
1362 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51.
Nahtrichtung zu liegen, das Netz wird durch zwei Nähte an den Enden befestigt.
B. verwandte es mit Erfolg bei Hernien aller Art, bei Bauchwunden nach Drainage,
prophylaktisch und in solchen Fällen, bei denen ein Bauchbruch zu erwarten war.
Während 5 Jahren hat er 22 Fälle so behandelt und die Erfahrung gemacht, daß
das Drahtnetz weder bei Schwangerschaft noch beim Wachstum irgendwie hinderlich
ist. Eine Anzahl Krankengeschichten ist ausführlich mitgeteilt.
Trapp (Bückeburg).
19) W. Jepson. Drainage of the pelvic cavity of the male (in peri-
tonitis).
(Amer. journ. of surg. 1906. Oktober.)
Verf. hat in 19 Fällen von Peritonitis mit Beckenexsudat, meist nach Appendi-
citis, außer dem vorderen oder ileo-coecalen Schnitt eine perineale Drainage an-
gewandt, indem er mit der linken Hand in den Douglas ging und mit der rechten
Hand eine Inzision !/, Zoll nach innen vom Tuber ischii in die Tiefe bis durch
den Levator ani machte und dann mit einer Kornzange bis zur Bauchhöhle durch-
drang zwischen Blase und Ductus deferens, oberhalb und nach innen von letzterem,
gerade an der Stelle, wo es von der Beckenwand auf die hintere und seitliche
Blasenwand übergeht. Nur drei Pat. starben; bei einem dieser zeigte sich am
5. Tage nach der Operation Urin im Eiter. Das Phänomen führt Verf. auf Harn-
leiterarrodierung durch Drucknekrose zurück (keine Autopsie).
Goebel (Breslau).
20) G. Woolsey. Observations on the diagnosis and treatment of
typhoid perforation.
(Med. and surg. report of the Presbyterian Hospital in the city of New York
Vol. VII. 1906. Marz.)
Verf. tritt warm für die operative Behandlung der Typhusperforation ein:
Sieben Fälle hat er selbst operiert, zehn weitere finden sich in den Annalen des
Hospitals. Bei diesen 17 Fällen, die übersichtlich in einer Tabelle zusammen-
gestellt sind, trat die Perforation im Mittel am 27. Tage, am frühesten am 10.,
am spätesten am 66. ein. Man ist geneigt anzunehmen, daß die Perforation wahr-
scheinlich in schweren Fällen, bei den mit Meteorismus und Hämorrhagie ver-
bundenen und endlich bei Typhus ambulatorius ist. Das stimmt nicht; nur 4mal
fand sich vorher Hämorrhagie und nur Imal Meteorismus, so daß also die meisten
Fälle typischen und nicht abnorm schweren Typhus betrafen.
Das wesentliche Symptom ist der plötzliche intensive Bauchschmerz;; er war
15mal vorhanden; dazu einmal in geringer Intensität. Meist ist er in der unteren
Hälfte rechts lokalisiert. Das zweite Symptom ist Empfindlichkeit (Tenderness)
und Rigidität (Muskelspannung). Aber diese weisen schon fast auf konsekutive
Peritonitis hin; es sollte also vor ihrem Auftreten operiert werden. Erstere fand
sich 7mal als Früh-, 5mal als späteres Symptom, Rigidität nur 4mal im Anfang
entwickelte sich aber 9mal kurz vor der Operation. Erbrechen war 4mal, Meteo-
rismus 2mal als Initialsymptom vorhanden. Initialer Temperaturabfall fehlte stets;
frühzeitiger Collaps ist mehr ein Zeichen von Hämorrhagie als Perforation. Unter
den späteren (Peritonitis-) Symptomen fand sich Meteorismus 13mal, Flanken-
dämpfung 4mal, Fehlen der Abdominalatmung und der Leberdämpfung je 5ma
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 1363
Die Leukocytenzählung ergab wenig Anhaltspunkte. Anstieg von Temperatur,
Puls und Respiration war die Regel, man soll aber operieren, ehe dieser erfolgt.
»Wir brauchen nichts, als den charakteristischen Schmerz, Empfindlichkeit
einer bestimmten Stelle und Muskelspannung zur Indikation sofortiger Operation,
und wir brauchen auf die beiden letzten Symptome nicht zu warten, bevor wir
zu einer Explorativoperation schreiten!«
Verf. bevorzugt Allgemeinnarkose, er macht den Schnitt durch den rechten
Rectus und spült mit reichlicher heißer Kochsalzlösung aus. Drainage am besten
mit Zigarettendrain nach Übernähen der perforierten Stelle. Gegen die Anlegung
eines Kunstafters ist W. wegen der Operationsverlingerung. Das Bett soll am
Kopfende erhöht werden.
Von den I? Fällen kamen 4 = 23,5% durch; von Verf.s eignen sechs Hospital-
fällen zwei; sein erster Pat. starb ihm auf dem Operationstische. Die Operation
wurde 2—50 Stunden, im Durchschnitt 10,3 Stunden nach dem Durchbruche vor-
genommen; leider wird nicht angegeben, ob die geheilten Fälle besonders früh
operiert sind. Jedenfalls waren diese aber sämtlich im jugendlichen Alter von
9—13, 17 und 23 Jahren.
Ausführlich teilt Verf. endlich einen Fall von Perforation der Flexura sig-
moidea mit, die nach Absuchen des Ileum von einem Medianschnitt aus aller-
dings gefunden wurde, aber doch nach 18 Stunden zum Tode der Pat. führte.
Nach Harte und Ashhurst kamen von 190 Typhusperforationen nur sieben auf
den Dickdarm und von diesen nur einer auf die Flexur. Goebel (Breslau).
21) Czarnik. Zwei Fälle von Darmperforation im Verlaufe von Darm-
typhus bei Kindern.
(Lwowski Tygodnik lekarski 1906. Nr. 40 u. 41.)
Verf. beschreibt zwei Fälle von Darmperforation, welche Prof. Schram im
Sophien-Kinderhospital operierte. Bei einem 6jährigen Knaben mit peritonealen
Erscheinungen wurde die Perforationsstelle trotz Laparotomie während des Lebens
nicht gefunden, erst bei der Autopsie. Es ist daher nicht ausgeschlossen, daß die
Perforation erst nachträglich erfolgte. Bei einem 9 Jahre alten Mädchen wurde
bei der Operation ein 3—4 mm im Durchmesser betragendes Loch im Dünndarme
mittels Naht vereinigt. Das Kind starb einige Stunden später.
Verf. sammelte 45 operierte Fälle von Darmperforation bei Kindern im Ver-
laufe von Darmtyphus mit 22 Todesfällen = 48,8%. Diese Erfolge sprechen zu-
gunsten der Operation. Bogdanik (Krakau).
22) Ingbert. Inguinal hernia of the bladder.
(Journ. of the amer. med. assoc. 1906. August 4.)
Bei einem 60jährigen Farmer, der schon längere Jahre einen Leistenbruch
hatte, trat allmählich Irreponibilität desselben ein. Der Bruch machte nur wenig
Beschwerden, die hauptsächlich beim Urinlassen auftraten. Bei der Operation fand
sich in dem sehr weiten Leistenkanal ein hühnereigroßes, sehr hartes Gebilde, von
dem der Bruchsack sich nur schwer abschälen ließ und dessen zentrales Ende im
inneren Leistenringe scharf eingeschnürt war. Nach Bloßlegung war die Oberfläche
rauh, zeigte kräftige Muskelzüge; nach Trennung des einklemmenden Ringes
konnte man den Zusammenhang mit der Blase feststellen. Der eingeklemmt
gewesene Teil zeigte starke Stauungserscheinungen, wurde aber reponiert und die
Operation nach Bassini beendet. Die Heilung war durch Eiterung teilweise
gestört, ergab aber befriedigendes Endergebnis. Irgendwelche Blasenstörungen
traten nicht auf. Trapp (Bückeburg).
23) R. Kraus. Uber die Dauerresultate der Omphalektomie bei
Nabelbriichen.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. L. Hft. 1.)
Verf. unterzog in der v. Bruns’schen Klinik 22 vor mindestens Jahresfrist
nach Condamin-Bruns mit Omphalektomie operierte Fälle von Nabelbrüchen
einer Nachuntersuchung.
1364 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51.
Bei den an 5 Männern und 17 Weibern vorgenommenen Operationen wurde,
abgesehen von einem älteren, durchgreifend genähten Fall durchweg die drei-
schichtige Etagennaht ausgeführt, und zwar früher mit Catgut und Silberdraht,
neuerdings mit Seide und Zwirn. Die Heilung erfolgte stets per primam inten-
tionem; nur zwei leichte Störungen durch Fettnekrose waren‘zu verzeichnen. Von
22 Fällen blieben 13 (= 59%) 1—13 Jahre lang rezidivfrei. Die 9 Rezidive be-
trafen durchweg fettleibige Personen. Von 4 Frauen, die sämtlich nach der Ope-
ration, zum Teil kurz nachher, geboren hatten, trat bei 3 wiederum ein Nabel-
bruch auf.
In den Rezidivfällen war die versenkte Naht 3mal mit Catgut, 4mal mit
Silberdraht, imal mit Zwirn ausgeführt. Die Silberdrahtnaht ist daher seit län-
gerer Zeit aufgegeben. Auffallend erscheint, daß Rezidive ebenso oft nach kleinen
wie nach großen Nabelbrüchen erfolgten.
Von 10 Pat., die nach der Operation Leibbinden trugen, bekamen 5 ein Re-
zidiv, von 12 ohne Bandage nur 4; es ist demnach ein wirksamer Narbenschutz
durch Bandagen nicht garantiert.
Die Condamin-Bruns’sche Methode der Radikaloperation der Nabelbrüche
liefert mit ihrer einfachen Technik und ihren guten Heilungsverhältnissen Dauer-
resultate, welche hinter denen komplizierterer Methoden nicht zurückstehen, und
verdient daher allgemeine Beachtung. Reich (Tübingen).
24) Vayhinger. Zur Operation inkarzerierter Zwerchfellhernien.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. L. Hft. 1.)
Verf. fand in der Literatur 77 Fälle von operierten Zwerchfellbrüchen, und
zwar 52 freie, 25 eingeklemmte Brüche. Unter den 25 bei Einklemmung von
Zwerchfellbrüchen unternommenen Operationen wurde der Bruch nur in 17 Fällen
erkannt und als direktes Operationsziel in Angriff genommen, und zwar bei sechs
Fällen mit Ausgang in Heilung.
Diese Statistik wird durch einen Fall aus der v. Bruns’schen Klinik be-
reichert. Es handelt sich um einen Pat., der nach einem Bruststich zunächst
wieder vollkommen arbeitsfähig geworden, dann aber plötzlich unter Ileussym-
ptomen erkrankt war. Erst bei der sofort nach Einlieferung vorgenommenen
Laparotomie ließ sich die genaue Diagnose auf Einklemmung der linken Flexur
in einem engen Zwerchfellspalt stellen. Die Einklemmung wurde gelöst, der gan-
gränverdächtige Darm vorgelagert und eine Kolostomie angelegt. Die Zwerch-
fellwunde wurde von der Bauchhöhle aus durch Naht geschlossen. Nachdem Pat.
alsbald im Kollaps gestorben war, ergab die Sektion außer einem Pneumothorax
eine beginnende Peritonitis.
Nach der Statistik der eingeklemmten und operierten Zwerchfellbrüche waren
10 angeboren, 16 traumatisch; eingeklemmt war 19mal der Dickdarm, speziell die
linke Flexur, imal der Dünndarm, 6mal der Magen. Vor der Operation wurde
die Diagnose in 10, bei der Operation in 8, bei der Sektion in 8 Fällen gestellt.
Bei gestellter Diagnose wurde 3mal der transpleurale, 7mal der abdominelle Weg
bei der Operation beschritten. Nach den Heilungserfolgen und den sonst bei
Herniotomien üblichen Grundsätzen empfiehlt sich die transpleurale Methode vor
der abdominellen, welch letztere mit großen Schwierigkeiten beim Nahtverschluß
der Bruchpforte zu kämpfen hat. Reich (Tübingen).
25) K. P. Lewonewski. Ein Fall von glatten, metallischen Fremd-
körpern im Magen-Darmkanale.
(Russki Wratsch 1906. Nr. 37.)
Ein 17jähriger Kosak hatte 45 schon gebrauchte Mantelgeschosse verschluckt,
um — laut einem in jener Gegend herrschenden Aberglauben — gegen feindliche
Kugeln gefeit zu sein. Nach ein paar Tagen traten Schmerzen in der Magen-
gegend, später Symptome von Bleivergiftung auf. Im Krankenhause gingen sechs
Geschosse spontan ab. Da die übrigen im Magen blieben und die Vergiftungs-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 1365
symptome lebensgefährlich wurden, machte man 42 Tage nach dem Verschlucken
die Gastrotomie und entfernte elf Geschosse aus dem Magen. Nach 32 Tagen
geheilt entlassen. Die übrigen 28 Geschosse waren also, vom Pat. unbemerkt, von
selbst abgegangen. Die Geschosse wogen ursprünglich je 13,688; die sechs, die
per anum abgingen, je 13,636, die elf aus dem Magen entfernten je 13,589.
E. Gückel (Wel. Bubny, Poltawa).
26) Kuzmik. Spontane Magen-Bauchwandfistel bei Lues.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVIII. p. 586.)
Ein von der Submucosa der vorderen Magenwand ausgehendes Gumma führte
zu einer Verklebung der Magenserosa mit der Bauchwand und durch Zerfall zu
einer Magen-Bauchwandfistel.
Verf. unterscheidet eine gummöse und allgemein infiltrative Form der syphi-
litischen Magenerkrankung und glaubt, daß eine solche häufiger vorkommt als all-
gemein angenommen wird. In verdächtigen Fällen wird daher der Versuch einer
antiluetischen Behandlung ratsam sein. Beich (Tübingen).
27) R. Leriche. Sur le traitement chirurgical de l’ulcöre calleux
penetrant de l’estomac.
(Revue de gyn. et de chir. abdom. 1906. Nr. 2.)
L. teilt zwei Fälle mit, in denen eine Operation keinen Nutzen mehr hat
bringen können.
Bei dem ersten Pat., einem 47jährigen, seit 30 Jahren magenleidenden Fuhr-
mann, bei dem nur eine Probelaparotomie vorgenommen werden konnte, ergab die
Obduktion in dem mit der Milz fest verwachsenen Magen eine hohlhandgroße
Ulzeration, die in die Milz durchgebrochen war und Aste der Art. splenica an-
gefressen hatte, außerdem ein zweites, stecknadelkopfgroßes Geschwür an der
kleinen Kurvatur. In erstgenanntem Geschwüre wird mikroskopisch Karzinom mit
kleinen runden Zellen festgestellt. Auch in dem Geschwüre der kleinen Kurvatur
ist eine ausgedehnte Infiltration mit kleinen runden Zellen, die man hier gar
nicht ohne weiteres als Karzinomzellen erkannt hätte. Die Neubildung wird ala
bösartiges Epitheliom sarkomatöser Art aufgefaßt.
Im zweiten Falle hatte bei einem 49jährigen, seit 12 Jahren magenleidenden
Dienstmädchen eine Gastroenterostomie keine Rettung mehr bringen können; die
Resektion war unmöglich gewesen. Es lagen zwei Geschwüre vor, von denen das
eine, größer als ein Fünffrancsstück, an der vorderen Magenwand lag und zu Ver-
wachsungen mit der Leber und zu einer Einschnürung des Magens geführt hatte,
das andere in Handtellergröße tief ins Pankreas und in das verdickte Mesocolon
transversum durchgebrochen war. Eine Neubildung lag nicht vor.
L. betont die Wichtigkeit der chirurgischen Behandlung der Magengeschwüre
bei guter Zeit. Nur die Probelaparotomie kann über den Eingriff entscheiden.
Die Resektion ist die überlegenere Behandlungsmethode und schon aus dem Grund
anzuwenden, weil in dem kallösen Geschwür eine Neubildung verborgen sein kann,
was gerade französischen Autoren gegenüber zu betonen ist. Um gute Dauer-
resultate zu erhalten, soll die Resektion wegen Geschwüres aber stets mit der
Gastroenterostomie verbunden werden. Selbst einer nur beschränkten segmentären
Resektion soll man die Gastroenterostomie folgen lassen. Dagegen soll die
Gastroenterostomie allein nur vorgenommen werden, wenn die Resektion unmög-
lich ist. |
Zur Technik der Resektion weist L. auf die von Jedlicka geiibte Methode
der Magenplastik hin, von deren leichter Ausführbarkeit er sich an der Leiche
überzeugt hat. E. Moser (Zittau).
28) Renton. Dilatation of the stomach due to adhesions round
pylorus.
(Glasgow med. journ. 1906. September.)
Zwei erwachsene weibliche Personen, eine bereits 60 Jahre alt, kamen mit Er-
scheinungen von Pylorusstenose und erheblicher Gewichtsabnahme in Behandlung.
1366 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51.
Die Laparotomie ergab als Ursache in beiden Fällen Verwachsungen am Py-
lorus; in einem der Fälle war die mit dem Pförtner verwachsene Gallenblase an
der Stenose schuld.
Lösung der Verwachsungen führte beide Male zur Genesung mit erheblicher
Zunahme des Körpergewichtes. W. v. Brunn (Rostock).
29) Gordon. A case of recurrent uncontrollable vomiting ending in
death.
(Brit. med. journ. 1906. Oktober 6.)
Kurzer Bericht über einen seltenen Befund als Ursache von beständigem Er-
brechen bei einem 6jährigen Mädchen, das zum Verhungern des Kindes führte.
Der Magen und oberer Teil des Duodenums waren gewaltig erweitert infolge einer
Drehung des unteren Drittels des Duodenums durch sehr feste Verwachsungen.
Ahnliche Anfälle von Erbrechen reichten in die früheste Kindheit zurück. G. hält
den Zustand daher für angeboren. Weber (Dresden).
30) Mackenzie. The hour-glass duodenum.
(Journ. of the amer. med. assoc. 1906. August 4.)
Besprechung der Entstehungsweise aus dem peptischen Geschwiir und der
Möglichkeit der Abhilfe durch plastische Operationen, entweder der Duodeno-
Duodenostomie oder Gastroenterostomie oder beider zusammen. Krankengeschichte
von fünf selbst beobachteten Fällen:
1) 66jähriger Mann, litt seit lange an Hyperazidität, hatte schweres Blutbrechen
mehrmals durchgemacht. Bei dem sehr heruntergekommenen Manne bestand be-
deutende Magenerweiterung; Geschwulst fehlte bei der Untersuchung. Erst bei
der Operation wurde die Ursache in sehr enger ringförmiger Einschnürung des
Duodenums in Nähe des Pylorus gefunden. Da keinerlei Verwachsungen vorlagen
und das Duodenum leicht beweglich war, wurde hintere Gastroenterostomie leicht
ausgeführt, die zu völliger Besserung führte. 2) 5Ojähriger Mann, litt seit Jahren
an Hyperazidität, zweimal Blutbrechen. Aussehen anämisch, sonst kein Befund
mitgeteilt. Bei der Operation fand sich die Verengung des Duodenums etwa
4 cm unterhalb des Pylorus, ober- und unterhalb war Taschenbildung eingetreten.
Hintere Gastroenterostomie brachte bedeutende Erleichterung, aber kein völliges
Schwinden aller Beschwerden. 3) 76jährige Frau, die viele Jahre lang an Magen-
beschwerden litt. In der Pylorusgegend war eine Geschwulst fühlbar. Die Frau
war sehr heruntergekommen. Bei der Operation zeigte sich der Anfangsteil des
Duodenums stark verdickt, die Vorderwand war allein noch weich und in Falten
zu erheben. Es zeigte sich, daß die Verdickung auf chronischer Geschwürsbildung
beruhte, nicht bösartig war. Pyloroplastik brachte völlige Heilung, Pat. lebte noch
5 Jahre beschwerdefrei. 4) 70jähriger Mann litt lange an Magenbeschwerden, war
sehr heruntergekommen. Bei Operation fanden sich sehr zahlreiche Verwachsungen,
der Pylorusteil des Magens war narbig verändert, der obere Teil des Duodenum
ebenso wie der Pylorus verengert und eingezogen. Hintere Gastroenterostomie
brachte zunächst Erleichterung, nach 6 Wochen trat anhaltendes Gallenbrechen
durch Rückstauung ein mit schneller Kräfteabnahme, der Pat. erlag. 5) Bei
38jähriger Person (Geschlecht fehlt) mit lange bestehenden Magenbeschwerden fand
sich bei der Operation eine sattelförmige Einziehung der Vorderwand des Duo-
denum. Plastik, indem nach Längsschnitt quer vernäht wurde (Duodenoplastik).
Aus dem Mitgeteilten schließt M.: 1} Duodenalgeschwüre verlaufen sehr lang-
sam. 2) Sie erzeugen stets Verziehung und Verengung des Duodenum, oft in
Sanduhrform. 3) Die besten Operationsergebnisse hat man bei Erhaltung des
duodenalen Weges durch Plastik. Trapp (Bückeburg).
31) v. Haberer. Ein seltener Fall von Stenose des Magens und des
obersten Dünndarmes.
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XVL Hft. 3.)
Eine stenosierende Geschwulst am Pylorus, eine zweite in der obersten Ileum-
schlinge führte zu vorderer Gastroenterostomie mit Enteroanastomose. Die nächst-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 1367
gelegenen mesenterialen Lymphdrüsen stark geschwollen. Die Sache wurde dem
makroskopischen Befunde nach für Tuberkulose gehalten; die mikroskopische
Untersuchung einer Mesenterialdrüse ergab keine tuberkulösen Veränderungen. Als
nach 1/, Jahr erneute Stenose auftrat, wurde die Dünndarmgeschwulst reseziert;
sie erwies sich als Lymphosarkom. Das Bemerkenswerte ist, daß die Geschwülste
gegenüber dem Befunde bei der ersten Operation zurückgegangen waren, und daß
der Prozeß auf einen so kleinen Teil des Darmkanales beschränkt blieb.
Haeckel (Stettin).
32) C. Brunner. Über Keimprophylaxis, Technik, Wundverlauf und
Wundfieber bei aseptisch angelegten Eingriffen am Magen. Die un-
mittelbaren und späteren Resultate meiner Magenoperationen.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLIX. p. 580.)
Von 1896 bis 1905 hat B. folgende Operationen an Magen und Darm aus-
geführt:
A. Aseptisch angelegte intraperitoneale Operationen:
operative + infolge
Zahl Heilung Operation
Resektionen 19 14 5
Gastroenterostomien 52 45 7
Pyloroplastik 3 2 1
Gastrolysis 1 1 0
Gastroplikation 1 1 0
B. Aseptisch angelegte Operationen mit
extraperitonealer Eröffnung d. Magens 25 18 7
C. Operationen bei schon vorhandener
peritonealer Infektion: Verletzungen
und Geschwürsperforation 8 4 4
D. Operationen im Bereiche des Darmes
wegen Magenaffektion 3 2 1
Die Hauptinfektionsquelle, welche nie vollkommen zu umgehen ist, bildet bei
aseptisch angelegten Magen-Darmoperationen der Magen-Darminhalt. Die hier-
durch erzeugten Peritonitiden sind meist bedingt durch Streptokokken und Coli-
bazillen, welch letztere im Kulturverfahren alle anderen Gattungen überwuchern,
weshalb die Untersuchung des frischen Ausstrichpräparates nicht zu unterlassen ist.
Auch der im Magen heimische Bacillus subtilis erlangt unter Umständen patho-
gene Eigenschaften. Experiment und klinische Erfahrung haben die Abschwächung
der Bakterienvirulenz durch die Salzsäure des Magens nachgewiesen. Hieraus er-
klärt sich der meist schwerere Verlauf der Peritonitiden bei Operationen des
Magenkarzinoms.
Was die Technik der Keimprophylaxis anlangt, so ist B. der Fürbringer-
schen Methode der Hände- und Hautdesinfektion treu geblieben und verwirft
Zwirn- und Gummihandschuhe ebenso wie Gummidecke. Um den Austritt von
Magen-Darminhalt zu verhindern, haben sich bajonettförmige Klemmen besonders
bewährt, nur das Jejunum wird bei der Gastroenterostomie durch Lampendocht
abgeschlossen, Bei sonst strenger Asepsis ist gegenüber den Keimen der klaffenden
Magen-Darmlichtungen eine lokale Antisepsis rationell. Zur Reinigung der Magen-
Darmwunden, sowie zur Tränkung der abstopfenden Kompressen wird Aktollösung
1:1000 als unschädliches, aber wirksames Desinfiziens benutzt.
Der Wundverschluß der Magen-Darmwunden wird stets durch zweireihige
Naht, nie durch Murphyknopf bewerkstelligt.
Bei der Magenresektion verdient die II. Billroth’sche Methode den Vorzug,
weil sie radikalstes Vorgehen gestattet und bei auftretendem Karzinomrezidiv neue
Stenoseerscheinungen am ehesten umgeht. Der Duodenalstumpf wird von B.
neuerdings extraperitoneal versorgt durch Einnähung in den Wundwinkel der
Bauchdecken. Von 10 derart operierten Pat. starb keiner an Peritonitis infolge
Nahtinsuffizienz des Duodenalstumpfes.
1368 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51.
Ein postoperatives Wundfieber ist bei aseptisch angelegten und geheilten Fällen
von intraperitonealen Operationen die Regel, bewegt sich aber meist in subfebrilen
Grenzen, um dann vom 3. oder 4. Tage an Iytisch abzufallen. Ebenso erfährt der
Puls eine Frequenzsteigerung, welche nicht immer zur Temperatursteigerung im
Verhältnis steht.
Von den Magenresektionen wegen Pyloruskrebs erfolgten sieben nach der
Methode Billroth I, eine nach Kocher, zehn nach Billroth II. Es starben
postoperativ an Peritonitis drei (Billroth I), an Bronchopneumonie ein, an
Lungenembolie ein Pat. Dauerheilungen gehören noch zu den Seltenheiten. Als
Mittel der Lebensdauer nach überstandener Operation fand sich 1Jahr und 4 Monate.
Die Gastroenterostomie, die wegen Karzinom nur bei den nicht mehr resek-
tionsfähigen Fällen mit Stauungserscheinungen ausgeführt wurde, ergab eine Sterb-
lichkeit von 20% bei Krebs, von 4,5% bei Geschwür, also eine Gesamtsterblich-
keit von 13,46%. Nie war Peritonitis Todesursache. Neuerdings führt Verf.
ausschließlich die von v. Hacker angegebene Gastroenterostomia retrocolica
posterior mit horizontaler Suspension beider Schlingenenden aus. Die durch die
Gastroenterostomie bei Krebs erzielte Lebensverlängerung berechnet sich auf
170 Tage. Die Dauererfolge bei Geschwürsstenose sind durchaus günstige.
Der Jejunostomie beim Magenkrebs will Verf. ihre Berechtigung nicht ganz
absprechen. Reich (Tübingen).
33) L. Delaloye. Beitrag zur Gastroenterostomie.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXIII. p. 502.)
D. berichtet über die Erfahrungen mit der Gastroenterostomie, die im Kantons-
spitale St. Gallen unter Dr. G. Feurer gemacht wurden. Es handelt sich um
117 Fälle aus den Jahren 1887 bis 1905, deren chirurgische Versorgung deshalb
besonders interessiert, weil fast ausschließlich mittels Methodus antecolica anterior
vorgegangen und ferner in den meisten Fällen die Jejunumschlinge mit dem Magen
nicht iso- sondern antiperistaltisch vernäht wurde. Mit der isoperistaltischen Darm-
anlagerung nämlich, die nach den Vorschlägen von Rackwitz aus der Lücke-
schen Klinik bis zum Jahre 1897 in 38 Fällen geübt wurde, ergab sich 6mal Ein-
tritt von Circulus vitiosus. Als man von dann an aber dazu überging, die Schlinge
antiperistaltisch zu befestigen und sie möglichst kurz zu nehmen (so daß eben keine
Kompression des Querkolons zu befürchten war), wurden die Resultate sofort
besser, und bei den folgenden 79 Fallen wurde Circulus vitiosus nur noch 2mal
beobachtet, übrigens durch die Braun’sche Enteroanastomose zur Heilung ge-
bracht. D. weist darauf hin, daß bei antiperistaltischer Darmanlagerung Lage und
Verlauf des Darmes ungleich natürlicher und ungezwungener erscheint als bei der
isoperistaltischen, auch daß bei diesem Verfahren Darmachsendrehungen kaum
möglich sind. Die Länge der zur Fistelanlage benutzten Dünndarmschlinge betrug,
wie bei einigen zur Sektion gelangten Fällen nachgemessen ist, 21—30 cm. Über
die erzielten Resultate ist mitzuteilen, daß 30 Pat. noch im Spitale starben (also
25,64%), davon 4 an Circulus vitiosus. Auf Karzinome entfallen 79 Fälle mit
30,3% Sterblichkeit. Die Genesenen lebten durchschnittlich noch 7 Monate. Mit
gutartigen Magenleiden sind 38 Kranke operiert, mit 15,79% Sterblichkeit. Von
den Genesenen sind 8 an verschiedenen Krankheiten gestorben, 18 sind zur Stunde
gesund, seit 1—10 Jahren nach der Operation. Unter den Gestorbenen dieser
Gruppe interessiert besonders einer, der 6 Jahre nach der Gastroenterostomie an
Ulcus pepticum jejuni, und zwar durch Perforationsperitonitis starb. Dieser Fall
wird von D. eingehender besprochen und mit den sonst bekannt gewordenen (28)
Fällen dieser Erkrankung verglichen. Danach stehen, was die Gefahr des Eintritts
derselben betrifft, die einfachen Appositionsmethoden ohne Enteroanastomose
günstiger als die anderen. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
34) MacCallum. Multiple cavernous haemangiomata of the intestine.
(Johns Hopkins hospital bulletin 1906. August.)
Verf. referiert zunächst die wenigen bisher bekannt gewordenen ähnlichen Be-
funde und macht von folgendem Falle Mitteilung:
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 1369
Ein 5ijähriger Weißer, der außer Pneumonie noch keine Infektionskrankheit
überstanden hatte, hatte seit einigen Monaten über Verdauungsbeschwerden zu
klagen. Frühmorgens mußte er stets erbrechen; vor 2 Jahren hat er Bluterbrechen
gehabt. Zuletzt hatte er Kopfweh, Schwindel und Harnzwang. Er war starker
Trinker und kam betrunken ins Krankenhaus, wo er starb.
Die nach wenigen Stunden vorgenommene Obduktion ergab, daß neben Ar-
teriosklerose eine Atrophie der Hirnwindungen, chronische Pankreatitis, beginnende
Lebercirrhose, Hirnödem und Bronchopneumonie vorlag.
Der gesamte Dünndarm war von zahllosen, bis zu 8 mm großen, dunklen
Flecken durchsetzt; die mikroskopische Untersuchung zeigte, daß man es mit ka-
vernösen Angiomen zu tun hatte, die aus den Venen der Submucosa hervorgegangen
waren. Die Schleimhaut war überall unversehrt.
Die Abbildung eines kleinen aufgespanunten Dünndarmteiles zeigt in ganz be-
sonders schöner Reproduktion etwa 40 dieser Angiome.
W. v. Brunn (Rostock).
35) MacCallum. Phlegmonous enteritis.
(Johns Hopkins hospital bulletin 1906. August.)
Nach eingehender Besprechung der bisher publizierten Fälle dieser seltenen
Erkrankung berichtet Verf. über einen Fall eigener Beobachtung.
Ein 75 Jahre alter Neger wurde von einem Wagen auf der Straße überfahren
und ins Krankenhaus gebracht. Er war zuerst bewußtlos, kam aber bald zu sich,
hatte eine Kopfwunde und klagte über Leibschmerzen. Nach Verheilung der Kopf-
wunde ging er nach Hause und erkrankte 3 Wochen nach dem Unfalle von neuem
mit heftigen Leibschmerzen, Erbrechen und Darmverschluß. Die Operation ergab
daß wohl ein wenig trübe Flüssigkeit in der Bauchhöhle war, aber keine Perito-
nitis; abgesehen von einer Härte in der linken Nierengegend, die mit der Krank-
heit selbst offenbar nichts zu tun hatte, fand sich eine Verdickung und Verhärtung
der obersten Partie des Jejunum; das Mesenterium zeigte nichts Besonderes; die
Gefäße waren gesund; die Serosa des Darmteiles injiziert, sonst unverändert. Von
einer Einklemmung oder einem anderen Hindernis der Darmpassage nichts zu be-
merken. Da Pat. kollabierte und auch ein sonstiger Eingriff nicht indiziert zu
sein schien, wurde die Bauchwunde geschlossen. Der Kranke starb tags darauf
und wurde nach wenigen Stunden seziert. Dabei ergab sich, daß es sich um eine
Phlegmone der Darmwand, verursacht durch Streptokokken, gehandelt hatte.
Schleimhaut und Serosa waren im wesentlichen unverändert, die Darmgefäße
durchgängig. Die 30 cm lange Dünndarmpartie setzte sich scharf gegen den ge-
sunden Darm beiderseits ab. Die Muskel- und Bindegewebsfasern der Muscularis
und Submucosa waren auseinander gedrängt durch Flüssigkeit, Zellen und Fibrin.
Schrumpfung und Verkalkung der linken Niere. W. v. Brunn (Rostock).
36) Kachler. Über eine eigentümliche Form von traumatischer Darm-
verengerung.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVII. p. 831.)
Bei einem 22 Monate alten, zuvor gesunden Kinde entwickelte sich ca.
2 Wochen nach einer zunächst symptomlos verlaufenen Bauchkontusion ein zu-
nehmender chronischer Ileus. Als dessen Ursache fand sich 30 cm oberhalb der
Jleocoecalklappe eine mehrere Zentimeter lange Verwachsung der Dünndarmwand
am Mesenterialansatz, infolge deren es zur Entstehung eines divertikelähnlichen,
3 cm langen Gebildes mit einem hohen Sporn und von außerordentlicher Rigidität
gekommen war. Der zuführende Darmteil war stark erweitert und hypertrophisch,
der anschließende Teil hatte Bleistiftdicke und keine Lichtung mehr. Es fehlten
Zeichen einer frischen oder alten Peritonitis, die Schleimhaut war überall unver-
sehrt.
Diese im Vergleich zu den gewöhnlichen traumatischen Darmstenosen sehr
frühzeitig einsetzende Verengerung erklärt Verf. durch eine ischämische Muskel-
lähmung infolge Thrombose der zugehörigen Mesenterialarterie. Pat. erlag kurz
1370 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51.
nach der Enteroanastomose und Anlegung einer nach Analogie der Appendi-
kostomie hergestellten Darmfistel. Reich (Tübingen).
37) Jaboulay. Sur le diverticule de Meckel.
(Province med. 1906. Nr. 33.)
Kurze Betrachtung über Häufigkeit, Anatomie und Folgeerscheinungen des
Meckel’schen Divertikels. Letztere können zum Ileus und seltener zur Perito-
nitis nach Analogie der Wurmfortsatzentzündung führen. In den meisten Fällen
jedoch stellt das Divertikel ein völlig harmloses Anhängsel dar. J. hat sechs Fälle
beobachtet; 2 davon bei Operationen. Einmal war das Divertikel in einem Leisten-
bruch eingeklemmt, das andere Mal wurde es bei einem Pyloruskarzinom 30 cm
unterhalb des Duodenum gefunden und zur Anastomose, ähnlich der Roux’schen
Y-Methode, benutzt. A. Hofmann (Karlsruhe).
38) F. K. Weber. Zur Frage vom Volvulus S romani.
(Russki Wratsch 1906. Nr. 34 u. 35.)
W. bringt die Krankengeschichten von zehn Fällen Viermal war bei akutem
Volvulus der Darm gangränös; davon wurde zweimal der Darm aufgedreht, ein-
mal vor die Wunde gelagert, einmal am nächsten Tage reseziert und die Enden
in die Bauchwunde genäht; alle vier starben. — 5) Megacolon congenitum
(Hirschsprung), chronischer Volvulus, Laparotomie, Aufdrehung, Entleerung
durch Inzision; nach 10 Monaten Rezidiv, unvollständige Drehung, Kolostomie,
Heilung mit spontanem Schluß der Fistel. 6) Subakuter Volvulus, Tod nach
20 Stunden (nicht operiert) infolge Gangrän der Blinddarmschleimhaut; Blinddarm
stark gebläht, da die Bauhin’sche Klappe fest geschlossen war. 7) Subakuter Vol-
vulus, Laparotomie, Aufdrehung; nach 21/, Jahren Rezidiv, Gangrän des S romanum,
Resektion des Darmes, Tod. 8) 46 Jahre alte Bauersfrau; Blinddarm mit sehr
langem Gekröse weit nach links verlagert (bis über die Mittellinie), samt dem
Colon ascendens bis zumDurchmesser von 20 cm gebläht. S romanum liegt — um
180° gedreht — in der rechten Hälfte des Bauches, das Blinddarmgekröse zu-
sammenpressend; es ist bis auf 14 cm im Durchmesser gebläht, die Schlinge vom
Fuß bis zur Spitze 65 cm lang, die Darmwand hypertrophisch. Bei der Tastung
vor der Operation hielt man den Blinddarm für das Sromanum und umgekehrt.
Aufdrehung. Heilung. 9) Subakuter Volvulus, Schwangerschaft im 6. Monate.
Laparotomie, Aufdrehung, Punktion des Darmes. Nachts vorzeitige Geburt. Hei-
lung. 10) Linksseitige Eierstockscyste mit Stieldrehung um 360°; dabei war das
S romanum mitgedreht worden. Gangrän des Darmes. Entfernung der Cyste; die
Darmschlinge wurde vor die Wunde gelagert und am nächsten Tage reseziert.
Heilung.
In Fall 5 und 9 handelte es sich um die Hirschsprung’sche Krankheit.
E. @tickel (Wel. Bubny, Poltawa).
39) A. V. Moschcowitz. A new form of intestinal obstruction. The
methods for preventing a recurrence of volvulus of the sigmoid
flexure.
(New York and Philadelphia med. journ. 1906. Juli 14.)
Die Anheftung der Flexura sigmoidea an der vorderen Bauchwand, rechts von
der Medianlinie, die Sigmoidopexie, fiihrte in einem von fiinf Fallen M.’s zur
Strangulation einer Anzahl von Diinndarmschlingen, 3 Wochen nach der Opera-
tion; eine neue Laparotomie zeigte die Schlingen zwischen der fixierten Flexur-
schlinge und der linken vorderen Bauchwand eingeklemmt; Pat. starb einige
Stunden danach.
Die Befürchtung, daß diese Einklemmung als Folge der Sigmoidopexie ein-
treten könne, ist von mehreren Autoren geäußert, aber noch nie der wirklich ein-
getretene Fall beschrieben worden. In einer kritischen Besprechung der verschie-
denen Methoden zur Verhütung von Rezidiven des Volvulus hält M. trotzdem die
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 1371
Sigmoidopexie noch für die relativ beste Operation, der nur bei sehr gutem
Allgemeinbefinden und günstigen lokalen Verhältnissen die Resektion der Schlinge
vorzuziehen wäre. Lengemann (Bremen).
40) Estes. Myofibroma of the large intestine.
(Annals of surgery 1906. August.)
Bei einem Manne entwickelte sich in der linken Fossa iliaca eine harte An-
schwellung mit Fieber; durch Schnitt wurde Eiter entleert. Nachdem der Kranke
dann 6 Jahre gesund geblieben war, trat eine erneute harte Anschwellung an der-
selben Stelle auf, die zu Erscheinungen des Darmverschlusses führte. Bei der
Laparotomie fand man eine die Flexura sigmoidea ganz einbettende, mit der Wand
derselben in innigem Zusammenhange stehende Geschwulst. Dieselbe erwies sich,
nachdem sie reseziert und die Darmenden wieder End-zu-End vereinigt waren, als
ein aus glatten Muskelfasern und Bindegewebe bestehendes Fibromyom. Atiolo-
gisch mußte ein chronischer tuberkulöser Prozeß in den äußeren Lagen des Darmes
in Frage kommen, da hier Tuberkel angetroffen wurden.
Der Kranke ging einige Tage nach der Operation zugrunde. E. weist auf die
Seltenheit des infolge chronischer tuberkulöser Entzündung entstandenen Fibro-
myoms hin. Herhold (Brandenburg).
41) J. Finsterer. Zwei Fälle von Dünndarm- (Jejunum-, Heum-)
Karzinomen.
(Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXXIII. p. 567.)
Die Fille stammen aus der Hochenegg’schen Klinik in Wien und betreffen
einen 68jährigen und einen 45jährigen Mann, die beide wegen sicherer chronischer
Dünndarmstenosen, ohne daß palpatorisch die Geschwulst nachweisbar war, lapa-
rotomiert wurden. Bei beiden konnte die zirkuläre Geschwulst reseziert werden;
der erste Pat. starb an Peritonitis, der zweite genas, erkrankte aber nach 1/sjäh-
rigem Wohlbefinden an karzinöser Mastdarmstenose infolge von Metastasenbildung
im Douglas mit Ubergreifen auf Mastdarm und Blase und starb. Es handelt sich
in beiden Fällen um skirrhöse Krebse mit Schrumpfungsprozessen. Literatur-
verzeichnis von 16 Nummern und makroskopische Abbildungen der Resektions-
präparate sind beigefügt. Meinhard Schmidt (Cuxhaven).
42) Cushing. The operative treatment of cancer of the large intestine,
causing dangerous intestinal obstruction.
(Annals of surgery 1906. August.)
Zweizeitig operierter Fall eines Adenokarzinoms, das an der Vereinigungsstelle
der Flexura sigmoidea und des Colon descendens seinen Sitz hatte. Zunächst wurde
nur die Kolostomie, später die Resektion mit End-zu-Endvereinigung der durch-
schnittenen Darmenden ausgeführt; der Fall verlief günstig; 2 Jahre nach der Ope-
ration kein Rezidiv. C. rät zur zweizeitigen Operation bei Dickdarmkarzinomen.
Herhold (Brandenburg).
43) A. Reuterskiöld. Zur Operationstechnik des Anus praeternatu-
ralis.
(Hygiea 67. Jahrg. p. 1303.)
Um die Infektion des Bauchfelles zu verhüten, gibt Verf. ein Verfahren an,
das nachgeprüft zu werden verdient. Die Wundfläche wird zuerst mit in Sublimat-
lösung getränkten Mullkompressen bedeckt, über welchen ein Stück Wachstaffet
an die Haut vernäht wird; dann wird der Leib an der Rectusscheide eröffnet.
Etwa 20 cm vom widernatürlichen After entfernt wird der Darm in gewöhnlicher
Weise reseziert, die Enden invaginiert, die laterale Anastomose angelegt und ver-
senkt. Die Stümpfe des an der Bauchwand festhaftenden Darmstückes wurden in-
zwischen, in Sublimatkompressen eingehüllt, außerhalb der Bauchwunde festgehalten.
Dann wurde ihr Mesenterium gelöst und unterbunden, und ein wenig vom Schnitt-
1372 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51.
rand entfernt die freien Darmenden mit einer Tabaksbeutelnaht verschlossen. Nach
Entfernung des zuerst über dem Anus praeternaturalis gelegten Verbandes wurden
mit einer schmalen, langen, gebogenen Zange die beiden Schenkel des resezierten
Darmstückes invaginiert und vorgezogen, die Laparotomiewunde verschlossen und
schließlich das Darmstück aus seinen Verwachsungen gelöst. Vorsichtigerweise
wurde diese Wunde mit Jodoformgaze drainiert.
Der Fall betraf einen sehr elenden 73jährigen Greis, der nach einem monate-
langen Krankenlager mit einer vom Trigonum Scarpse bis zwei Finger über das
Lig. Pouparti sich erstreckenden Wunde eingeliefert wurde. Völlige Heilung.
A. Hansson (Cimbrishamn).
44) Rittershaus. Beiträge zur Embolie und Thrombose der Mesen-
terialgefäße.
(Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und Chirurgie Bd. XVI. Hft. 3.)
Von den beiden Fällen von Embolie der Gekrösgefäße wurde der eine ope-
riert; die Diagnose schwankte zwischen Perforationsperitonitis und Strangulations-
ileus. 1,70 m brandigen Darmes vom untersten Teile des Deums wurden reseziert,
die Darmenden in die Bauchwunde eingenäht, oberhalb eine Enteroanastomose
angelegt. Tod nach 5 Tagen. Die Autopsie zeigte Embolie mehrerer zum Deum
gehender Gekrösarterienäste; die Embolie stammte von ausgedehnter Atheroma-
tose der Aorta. — Bei dem zweiten Pat., der an Herzinsuffizienz starb, konnte
eine Diagnose nicht gestellt werden. Bei der Sektion fand sich die sehr seltene
— bisher nur zweimal beobachtete — isolierte Verstopfung der Art. mesenterica
inferior, die zu Infarkt des Colon descendens und des S romanum geführt hatte.
Die Diagnostik wird unter steter Berücksichtigung der im ganzen bisher be-
obachteten 100 Fälle erörtert, die Unterschiede bei Verschluß der Mesenterial-
arterien oder -venen werden auseinandergesetzt; die einzig erfolgversprechende
Therapie, Resektion des brandigen Darmes, ist bisher nur mal ausgeführt worden;
davon heilten zwei Fälle. Haeckel (Stettin).
45) Glinski. Angeborener Mangel der Milz.
(Przeglad lekarski 1906. Nr. 42.)
Bei einer 45 Jahre alten, an Lungentuberkulose verstorbenen Frau wurde bei
der Autopsie keine Milz gefunden. Es ist der zehnte veröffentlichte Fall und
interessiert den Chirurgen insofern, als er zur Genüge beweist, daß man obne Milz
leben kann. Bogdanik (Krakau).
46) Hörz. Uber Splenektomie bei traumatischer Milzruptur.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. L. Hit. 1.)
Zur Kasuistik der subkutanen Milzzerreißungen wird ein Fall aus der
v. Bruns’schen Klinik mitgeteilt. Es handelte sich um eine Zerreißung durch
Hufschlag. Nachdem Nahtversuche gescheitert waren, wurde die Milz exstirpiert
und eine selbständig ernährte Nebenmilz zurückgelassen. Das Milzbett wurde tam-
poniert und die Bauchwunde bis auf eine Tamponlücke durch Etagennaht ge-
schlossen. Es trat überraschend schnelle Heilung und Erholung ein.
Zu der umfangreichen Berger’schen Statistik sammelte Verf. aus der Lite-
ratur eine Serie von 35 neuen Fällen von Splenektomie wegen subkutaner Milz-
ruptur. Letztere ergab für sich eine Sterblichkeit von 28,6%, gegenüber 42% der
Berger’schen Statistik.
Ausfallserscheinungen wurden in dem beschriebenen Falle nicht beobachtet,
ebenso wenig wie Veränderungen der Schilddrüse, des Knochenmarkes oder der
Lymphdriisen. Eine Reihe von sorgfältigen Blutuntersuchungen ergab, daß die
Erythrocyten zunächst auf die Hälfte der Norm gesunken waren, um diese nach
11/g Monaten wieder zu erreichen. Eine auf Ausfall der Milzfunktion zu beziehende
Hyperleukocytose ließ sich nicht feststellen. Die Lymphocyten zeigten anfangs eine
erhebliche Vermehrung bis zu 36%, während sich später eine Hypereosinophilie
bis zu 9% einstellte. Reich (Tübingen).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 1373
47) Borszéky. Über offene Leberverletzungen.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. XLVIII. p. 558.)
Kasuistischer Beitrag von zwei Fällen. In dem einen handelte es sich um
einen Leberschuß mit gleichzeitiger Magenperforation. Naht der Magenöffnung
und Versorgung der Magenwunde durch tiefgreifende Nähte führten zur Heilung,
die nur durch eine spät auftretende Hämoptoe kompliziert war.
Im zweiten Fall, einer Stichverletzung der Leber mit Verletzung von Magen,
Pankreas und V. renalis, konnte die Nahtversorgung von Leber und Magen und
Tamponade der Pankreaswunde den Tod nicht aufhalten.
Verf. rät zu sofortiger chirurgischer Behandlung aller penetrierenden Bauch-
verletzungen und sieht in der weitgreifenden Naht die gegebene Therapie für
Leberwunden. Die Tamponade ist nur ein Notbehelf, und der Behandlung mit
Gelatinelösung, strömendem Dampf und Heißluft kommt nur die Bedeutung von
interessanten Experimenten zu. Nach angestellten Versuchen ist die Qualität des
Nähmateriales bei Leberwunden gleichgültig für die Heilung; in den mitgeteilten
Fällen wurde Catgut verwandt. Reich (Tübingen!'.
48) Boyreau. Le grand abcès du foie nostras dans la region tou-
lousaine.
(Province méd. 1906. Nr. 33.)
Der Leberabszeß soll nach B. in Mittelfrankreich und speziell in der Gegend
von Toulouse keine seltene Erkrankung sein. Verf. berichtet über 15 Fálle, die
zum größten Teil operativ angegriffen wurden (13 operiert, davon 8 gestorben,
2 nicht operiert und gestorben). Atiologisch wird der Dysenterie nur ein kleiner
Piatz eingeräumt. Wir finden u. a. Trauma, Enteritis, erweiterte Hämorrhoiden
und Pleuritis dafür verantwortlich gemacht. (Die nicht ungewöhnliche Veranlas-
sung, welche die ope gibt, ist nicht beriicksichtigt.
A. Hofmann (Karlsruhe).
49) P. S. Ikonnikow. Zur Kasuistik der wahren, nicht parasitären
Lebercysten.
(Russki Wratsch 1906. Nr. 38.)
Ein Fall aus Prof. S. P. Fedorow’s Klinik. 44 Jahre alte Lehrerin, vor
15 Jahren Ikterus, später Schmerzen in der Lebergegend. Vor 6 Wochen ent-
deckte Pat. eine Geschwulst; eine ähnliche soll vor 4 Jahren vorhanden gewesen,
doch mit Nachlassen der Schmerzen geschwunden sein. Geschwulst kindskopfgroß;
an ihrer unteren inneren Fläche sitzt eine zweite, eigroße. Laparotomie (9. Ok-
tober 1904); man findet eine Cyste, die mit breiter Basis hinten unten am rechten
Leberlappen sitzt. Eröffnung der Cyste, Entleerung einer klaren, gelblichen Flüs-
sigkeit mit Flocken, die Cholestearinkristalle enthalten. Ein Teil der Cystenwand
wurde entfernt, der Rest in die Bauchwunde eingenäht, die Höhle tamponiert.
Die Fistel entleerte nach 2 Monaten nur wenig Schleim, war im Mai 1905 nur
noch 4 cm tief; im Februar 1906 von Zeit zu Zeit Temperatursteigerungen bis
40°, die nach Entleerung des gestauten Schleimes schwinden. In der letzten Zeit
kommt Galle aus der Fistel. Die friiheren Schmerzen sind geschwunden, Pat. geht
ihrem Beruf als Lehrerin nach. Mikroskopisch erwies sich die Cyste als Gallen-
gangscystadenom.
Zu den von Hofmann bis 1902 gesammelten 18 Fällen fügt I. außer obigem
noch zwei weitere hinzu: den von Bland Sutton (Ref. d. Bl. 1906 Nr. 9) und
den von Diwawin (aus Prof. Bobrow’s Klinik), beschrieben in Med. Obosrenje
1904 Nr. 12: Mann, 39 Jahre alt, Geschwulst links im Bauch, Ascites, Ikterus;
linker Leberlappen kindskopfgroß, rechter Lappen vergrößert; durch Punktion
wurden 300 ccm klarer, gelblicher Flüssigkeit mit 5°%/, Eiweiß, Mucin, roten Blut-
körperchen, Fibrin und Gallenpigment entleert. Keine mikroskopische Unter-
suchung; nach 5 Monaten unter Frostanfällen gestorben. — Was die Therapie
betrifft, so sind sechs Fälle mit totaler Exstirpation der Cyste geheilt, vier mit
1374 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51.
Punktion gestorben; von elf mit Inzision und Drainage (zum Teil mit partieller
Exzision) behandelten sind acht geheilt, drei gestorben. Die Punktion ist also zu
verwerfen. Ebenso spricht sich I. gegen den Vorschlag von Leppmann aus,
die eingenähte Cyste gründlich mit dem scharfen Löffel auszuschaben.
E. Gtickel (Wel. Bubny, Poltawa).
50) Schmid. Cholelithiasis mit seltener Komplikation.
(Med. Korrespondenzblatt des württemb. ärztl. Landesvereins 1906. September 20.)
S. berichtet über eine 62jährige Frau mit sehr kompliziertem Krankheits-
verlauf: einerseits die Erscheinungen einer schon länger in Anfällen sich bemerkbar
machenden Gallensteinkolik, andererseits die eines vereiterten, multilokulären,
beiderseits subphrenischen Leberechinokokkus, zum Schluß noch die eines links-
seitigen subphrenischen Abszesses und Eitersenkung im Mesokolon. Die Erkran-
kung begann mit einem Gallensteinkolikanfalle, dann traten septikopyämische Er-
scheinungen in den Vordergrund, so daß an ein Empyem der Gallenblase mit
Gallensteinen gedacht wurde. Einige Tage später heftiger Schmerzanfall unterhalb
des linken Rippenbogens mit Dämpfung daselbst, Probepunktion des angenom-
menen subphrenischen Abszesses negativ. Bei der Laparotomie fand sich in der
verwachsenen und mit Steinen gefüllten Gallenblase kein eitriger Inhalt, Leber im
ganzen leicht geschwollen und ihr unterer Rand abgestumpft, scharf umgrenzte
Peritonitis in der Gegend des Foramen Winslowi. Nach der Operation keine Bes-
serung der septischen Erscheinungen, Tod nach 4 Tagen. Sektionsbefund: rechter
Leberlappen mit dem Zwerchfell verwachsen, seine Substanz fast vollständig durch
einen großen, mit Eiter und sulzig verquollenen gelblichen Blasen angefüllten Ab-
szeß ersetzt; am linken Leberlappen mehrere nußgroße Abszesse von gleicher Be-
schaffenheit; einer derselben war gegen die Wirbelsäule zu perforiert und hatte
zu einer Eitersenkung im Mesocolon transversum geführt. Die mikroskopische
Untersuchung ergab Echinokokkus. Zwischen linkem Leberlappen und Zwerchfell
eine Eiteransammlung in dünner Schicht. Mohr (Bielefeld).
51) F. Hawkes. A case of intrahepatic calculi, removal, drainage.
(Med. and surg. report of the Presbyterian hospital in the city of New York.
Vol. VO. 1906. März.)
26jähriger armenischer Maschinist hat 6 Jahre vor Eintritt in das Hospital an
Schmerzanfällen in der rechten Bauchseite und Erbrechen, geringer Gelbsucht und
Verstopfung ohne Frost oder Fieber gelitten und wurde deshalb vor 2 Jahren
wegen Cholelithiasis cholecystektomiert, aber ohne daß Steine gefunden wurden.
Die Wunde heilte. Jetzt noch immer dieselben Anfälle Ein Röntgenbild zeigt
Steine in der Leber, anscheinend höher als die großen Ductus. Inzision der alten
Cholecystektomiewunde ergibt lediglich Verwachsungen, aber bei Abtasten der
Leberkuppel rechts, etwa 4 Zoll vom freien Rande nach oben, werden in der Leber-
substanz Steine gefühlt. Tamponade, um Verwachsungen herbeizuführen. Erneute
Operation nach 4 Tagen mit schräger Inzision am Rippenbogen. Die drei Steine
werden unter ziemlichen Schwierigkeiten und starker Blutung aus narbigem, indu-
riertem Gewebe entfernt. Tamponade. Heilung von den Schmerzanfällen.
Die Steine stellten sphärische Kalkmassen von weißgrauer Farbe von !/g—1/,, Zoll
Durchmesser dar. Leider ist an dem wiedergegebenen Röntgenbilde nichts zu
sehen, und die beigegebene Abbildung der Steine ist naiv-skizzenhaft. Verf. spricht
nichts über die Atiologie der Steine. Ref. möchte an die Residuen eines Leber-
abszesses denken, für dessen — latentes — Bestehen und Verschwinden Nationalität
des Kranken, Symptome und pathologisch-anatomischer Befund sehr wohl sprechen
dürften. Goebel (Breslau).
52) Mayo. A review of fifteen hundred operations upon the gall-
bladder and bile passages with especial reference to the mortality.
(Annals of surgery 1906. August.)
Bericht über 1500 Operationen an dem Gallensystem mit 4,43% Sterblichkeit,
eingeschlossen sind hierbei die durch akute Perforation, septische Peritonitis, bös-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 51. 1375
artige Neubildungen, Lungenembolie, Myokarditis usw. hervorgerufenen Todesfälle.
Unter den 1500 Operationen waren 845 Cholecystostomien mit 2,13% Todesfällen,
319 Cholecystektomien mit 3,43% Sterblichkeit. Die letztere Operation wurde bei
Erkrankung der Gallenblase und Cysticussteinen ausgeführt, während die erstere
in allen einfachen Fällen zur Anwendung kam, in denen keine Kontraindikation
gegen diese einfache Methode vorlag. Unter den 1500 Fällen befanden sich 207
am Choledochus ausgeführte Operationen und 86 Fälle, in denen das Pankreas mit
beteiligt war. Bezüglich der ersteren unterscheidet M. vier Gruppen: Gruppe 1
umfaßt jene Fälle, in welche keine zur unverzüglichen Operation drängenden Er-
scheinungen vorhanden waren; im ganzen 105 mit 2,9% Sterblichkeit. Gruppe 2
mit 61 Fällen und 16% Todesfällen; hier bestand Fieber mit Malariatypus,
Schüttelfröste, Gelbsucht, neben dem Stein im Choledochus fanden sich auch solche
im Ductus hepaticus. Gruppe 3: Vollständige Verlegung des Ductus choledochus
mit 3436 Todesfällen. Gruppe 4: Bösartige Fälle mit 33,3% Sterblichkeit; meistens
handelt es sich um Karzinom. In jenen Erkrankungen, in welchen das Pankreas
mit beteiligt war, gaben die akuten Pankreatitiden eine absolut schlechte Pro-
ose.
Pa Beziiglich der Behandlung der Gallengangs- und Gallenblasenleiden schligt M.
möglichst frühzeitige Operation vor; man soll nicht so lange warten, bis der Stein
in den Choledochus gerückt ist. Herhold (Brandenburg).
53) C. A. McWilliams. Critical analysis of 186 operations upon the
liver and gall passages, and the after-results.
(Med. and surg. report of the Presbyterian hospital in the city of New York.
Vol. VII. 1906. März.)
Die Arbeit umfaßt das einschlägige Material des Hospitals von 1890 — 1905.
111 Operationen Steine halber mit 13 Todesfällen. Ausführliche Tabellen. Ikterus
fand sich in 59%; von 70 Pat., bei denen Steine in Gallenblase und Cysticus waren,
hatten 47%, von 53 Pat., die Steine in der Gallenblase allein aufwiesen, hatten 43%
und von 27 mit Steinen im Choledochus 92% Gelbsucht. (Wie bei diesen Zahlen
nur 111 Operationen herauskommen, ist allerdings unklar!) Drei Pat. starben an
postoperativer Hämorrhagie infolge Cholämie.
Nur viermal waren Steine vor der Operation abgegangen.
An Bakterien wurden Streptokokken, Staphylokokkus aureus und albus,
Pyocyaneus, Coli usw. teils allein, teils kombiniert gefunden. Unter 99 Pat. waren
80 Weiber. Die Prognose der Operation ist desto schlechter, je tiefer die Steine
sitzen (Gallenblase und Cysticus 6,5%, Choledochus 29,6% Mortalität). Die Drainage
des Choledochus ergab viel bessere Resultate als die primäre Naht. Die Dauer-
resultate werden besonders berücksichtigt: Von 69 Nachuntersuchten waren 45 frei
von Symptomen, 7 gebessert, 16 nicht gebessert, 12 erforderten Sekundäropera-
tionen, 1 zeigte wahrscheinliche Neubildung von Steinen, 6 Hernien, bei 7 Pat.
waren Steine bei der Operation übersehen. Postoperative Lungenkomplikationen
kamen 4mal — 4% und linksseitige Phlebitis der Saphena einmal vor. Verglei-
chende Tabellen lehren die Überlegenheit der Cholecystektomie vor der Chole-
cystostomie.
Wegen Cholecystitis ohne Steine wurde 14mal mit 3 Todesfallen operiert. Die
Leukocytenzahl war dabei meist vermehrt. 2mal fand sich Bakterium coli, imal
Schimmelpilze.
Wegen Lebercirrhose mit Ascites wurde 12mal Talma’sche Operation ge-
macht; 7 = 58,3% starben im Anschluß an die Operation, und zwar bei atrophischer
Cirrhose 4 von 6, bei hypertrophischer 3 von 6. Wichtig ist die Gegenwart von
Ikterus vor der Operation, indem nur 3 von den 7 Gestorbenen diesen aufwiesen.
Von den Überlebenden war bei einem die Operation ganz erfolglos, vier wurden
ausgezeichnet geheilt (6 Monate bis 6 Jahre Beobachtungszeit). Die Technik be-
stand in Rauhmachen der Leber- und Milzoberfläche und des entsprechenden
Parietalperitoneums mittels Schwamm und Annähen des Netzes an das letztere;
1376 | Zentralblatt fir Chirurgie. Nr. 51.
Schluß der Wunde, aber Glasdrain in den unteren Winkel, solange sich noch
Ascites entleerte.
Wegen bösartiger Geschwülste der Leber- und Gallenblase wurde 2ömal
operiert, stets nur probatorisch, doch wurde 2mal cholecystostomiert. Interessant
war die Beobachtung von Fieber vor der Operation in 8 Fällen und die sehr hohen
Leukocytenzahlen des Blutes (bis 20000), die, zusammen mit dem Fieber, öfter zur
Disgnose eines Leberabszesses verleiteten.
Von Echinokokken kamen 2 zur Inzision, 4mal wurde wegen unklarer Leber-
symptome Laparotomie vergebens gemacht und Hydatidencysten erst bei der
Autopsie tief an der hinteren Leberoberfläche verborgen aufgefunden.
An Leberrupturen allein kamen 3, an Leber- mit Choledochusruptur und an
Gallenblasenruptur je 1 Fall zur Operation, endlich 1 Schußwunde von Leber,
Zwerchfell und Pleura. Nur letztere heilte. Verf. empfiehlt unmittelbare Laparo-
tomie.
Den Schluß der interessanten Arbeit bildet die Statistik der Leberabszesse:
16 Pat., von denen 7 starben. Von 6 mit multiplen Abszessen starben 4. Nur
5 Fälle wiesen vorhergehende Diarrhöe (Dysenterie) auf, 5 aber auch Verstopfung.
Bei 5 fehlte Ikterus bei der Operation und in der Anamnese. 13 waren Männer,
6 starke Alkoholiker. Das Alter schwankte zwischen 12 und 48 Jahren, war aber
meistens um 30. 1 Kranker war vorher an akuter Mastoiditis und Sinusthrombose
operiert. Bei 10 Fällen fehlte jegliches ätiologische Moment. 1 Pat. hatte 9 Mo-
nate vor der Leberoperation eine leichte Appendicitis überstanden. Die Leukocyten-
zahl war zum Teil sehr hoch, aber prognostisch nicht verwertbar. An Kompli-
kationen fanden sich: Empyem, subphrenischer Abszeß (7), Pneumonie rechts,
Kommunikation mit Bronchus (+), Peritonitis und Schwangerschaft (+), Pericarditis
purulenta (+), septische Lungeninfarkte (+), ulzerative Kolitis (+) — dürfte wohl
eher als primäre Ursache zu betrachten sein (Ref.) —, Inguinalabszeß und Parotitis.
2 Pat’ zeigten später, und zwar nach 27 Tagen und nach 10 Monaten, erneute
Abszesse; letzterer Pat. erlag der zweiten Erkrankung. Bei 2 dauerte die Diarrhöe
nach der Operation an, von ihnen hatte der eine später den zweiten Abszeß. Es
ist daber wohl anzunehmen, daß eine erneute Infektion der Leber von der Diarrhöe
aus erfolgte (Ref). Bei der Autopsie fand man ulzerative Kolitis und septische
Infarkte der Lungen. 5 weitere Pat., die nach der Operation untersucht werden
konnten, sind ganz ohne Beschwerden. Goebel (Breslau).
04) Ewald. Uber nervése Leberkolik.
(Therapie der Gegenwart 1906. Nr. 9.)
E. berichtet über einen durch Operation bestätigten Fall, wo bei einer hyste-
rischen Person umschriebene, unter der Form von Gallenstein- resp. Leberkoliken
verlaufende Schmerzanfälle zur Beobachtung kamen. Die Anfälle waren so heftig,
daß Pat. zur Morphinistin wurde. Die Operation führte zur Heilung der Pat. Ob
es sich dabei um postoperative Suggestion oder um Anderung der Druck- und
Zirkulationsverhältnisse durch die Operation handelte, läßt E. dahingestellt.
Silberberg (Breslau).
Berichtigung. P. 1220 Z. 15 v.o. lies Verebély statt Verchely.
Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man
an Prof. B. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags-
handlung Brestkopf & Härtel, einsenden.
Drack und Verlag von Breitkopf & Hartel in Leipzig, Nürnbergerstraße 36/38.
Zentralblatt
CHIRURGIE
herausgegeben
E. vu Borman, F, Kinig, E iter
Dreiunddreißigster Jahrgang.
ETC A EEE EEE EEE EEE R T EE E EEE EET SEE TE IIE IT TE DIE aI
Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei halbjähriger
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.
Nr. 52. Sonnabend, den 29. Dezember. 1906.
Inhalt: 1) Koplik, Schädelperkussion. — 2) Wicart, Hirnabszeß. — 3) Thomson, Ent-
zündung der Keilbeinhöble. — 4) Moschcowitz, Neuralgie des Trigeminus. — 5) Massler,
Empyem des Sinus frontalis. — 6) Rhein, Zahnlösung. — 7) Martin, Schilddrüsenvergröße-
rung. — 8) Bangs, 9) Shoemaker, Prostatahypertrophie. — 10) Blauel, Harnleiterverletzun-
gen. — 11) Jungano, Nierenveränderungen bei Trypanosomeninfektion. — 12) Forgue, Ho-
denektopie.
13) Ballance, Bluterguß ins Kleinhirn. — 14) Clalrmont, Doppelte Schädelplastik. —
15) Paget, 16) Laurens, 17) Boulay, Mastoiditis. — 418) Lemere, Osteom der Nase. —
19) Alexandre, Speichelstein. — 20) Massier, Mandeltuberkulose. — 21) Aka, Retropharyngeal-
abszeß. — 22) Fordyce, Geschwürsbildung in Nase, Rachen und Kehlkopf. — 23) Deissier,
Caput obstipum. — 24) Keen und Funke, Geschwulst der Carotisdrüse. — 25) Böhme, Stau-
ungsbehandlung bei urologischen Erkrankungen. — 26) Galatzli, Harnröhrenverengerung. —
27) Weinreich, Blasengeschwülste. — 28) Daum, Blasen-Scheidenfistel. — 29) Gray, Bös-
artige Blasenerkrankungen. — 30) Mendés, Hoher Blasenschnitt. — 31) Borrmann, Blind
endigender Harnleiter. — 32) Suarez, 33) Franklin, NicrenzerreiBung. — 34) Hewitt, Ein-
fluB von Infektionen und Intoxikationen auf die Nieren. — 35) Ellot, Nierenstein. —
36) Dawydow, Nierenechinokokkus. — 37) Brian, Knochengeschwulst zwischen Niere und
Nebenniere. — 38) Ghon und Mucha, 39) Albrecht, Paranephritische Abszesse. — 40) Wijn-
hausen, Hydrokele. — 41) Blanck, 42) Schön, Hodengeschwülste. — 43) Schroeder, Eier-
stockscyste.
i) H. Koplik. Percussion of the skull as a means of placing
the indication for the performance of lumbar puncture with
special reference to its application in cerebrospinal menin-
gitis of the epidemic type.
(New York med. record 1906. September 29.)
K. hält die Schädelperkussion für die Diagnose des Hydrocephalus,
sowohl bei Zerebrospinalmeningitis als auch bei Tuberkulose für wich-
tig. Wenn die Seitenventrikel durch seröse Flüssigkeit ausgedehnt
sind, ändere sich der Schall je nach der Kopfstellung. Die Lumbal-
punktion ist ein lebensrettender Eingriff bei Zeichen akuter Druck-
steigerung. Loewenhardt (Breslau).
52
1378 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52.
2) Wicart. Les absces du lobe sphéno-temporal du cerveau
dorigine otique. 188 S.
Paris, Henry Paulin, 1906.
Der otogene Hirnabszeß bietet oft diagnostische Schwierigkeiten,
die unüberwindlich sind. Der Autor stellt in seiner Abhandlung Sätze
auf, wonach es gelingen sollte, durch die Hilfsmittel der Untersuchung
der Lumbalflüssigkeit und derjenigen des Blutes eine präzise Diagnose
zu stellen.
Gleichwohl hat man den Eindruck, daß ihn diese Hilfsmittel, wie
es aus den acht der Arbeit angegliederten Krankengeschichten hervor-
geht, im Stiche gelassen haben. Die Sätze, daß bei einer geringen
Infektion, wie bei extraduralen Eiterungen, die Leukocytose gering,
bei schwerer Infektion, wie bei Sinusphlebitis und umschriebener
Meningitis, die Leukocytose mittelmäßig gesteigert und endlich bei der
schwersten Infektion, bei der diffusen Meningitis, die Leukocytose ge-
waltig ist, dürfte ebenso wie der Befund der Lumbalflüssigkeit doch
nur mit Vorsicht verwertet werden.
Gerade da, wo man auf diese erwähnten Hilfsmittel angewiesen
ist, können sie irre führen, wie das der Autor ja selbst beweist.
Was die Häufigkeit des otogenen Hirnabszesses anlangt, so waren
unter 200 komplizierten Fällen 100 Hirnabszesse. Die akute Mittel-
ohrentzündung führt nur selten zum HirnabszeB. Verf. redet von
24 Fällen. Der Abszeß selbst zerfällt nach dem Verf. in drei histo-
logisch verschiedene Abteilungen: in die nekrotische Zone, in Abszeß-
wand und in die Zone des gereizten Gewebes.
Zur Operation werden die üblichen Verfahren empfohlen. Viel
kann prophylaktisch durch eine geeignete Behandlung chronischer
Ohreiterungen geleistet werden. Als Operation der Not kommt noch
die Lumbalpunktion bei bedrohlichem Hirndruck in Frage, die Verf.
in diesen Fällen der Trepanation vorausschickt. Für die absolut in-
fausten Fälle schlägt er eine Eröffnung des Duralsackes zwischen
zweitem und drittem Lendenwirbel vor.
Der außerordentlich ausführlichen und übersichtlichen Abhand-
lung ist ein umfassendes Literaturverzeichnis beigefügt, das bis auf
das Jahr 1768 zurückgeht. Jedenfalls kann die Lektüre des Werkes
nur empfohlen werden. A. Hofmann (Karlsruhe).
3) St. Clair Thomson. Cerebral and ophthalmic complica-
tions in sphenoidal sinusitis.
(Brit. med. journ. 1906. September 29.)
Die Statistik hat nachgewiesen, daß in 30% aller darauf unter-
suchten Leichen Erkrankungen der Nasennebenhöhlen sich finden, und
daß nächst der Oberkieferhöhle die Keilbeinhöhle am häufigsten er-
krankt. Im Verhältnis dazu sind zerebrale Komplikationen als Folge
von Nebenhöhleneiterungen recht selten nachgewiesen worden, dürften
aber zahlreicher beobachtet werden, wenn bei den Sektionen ein
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 1379
größeres Augenmerk darauf gerichtet würde. Verf. berichtet über
zwei Pat. aus seiner Beobachtung, die an einer eitrigen Basalmeningitis
bzw. einer Thrombophlebitis des Sinus cavernosus starben als Folge
einer Keilbeinhöhleneiterung. Beide Fälle wurden im Leben richtig
erkannt, beide bestätigten durch die Sektion die Diagnose. Im An-
schluß an diese beiden sehr genau berichteten Fälle bespricht T. als
erster in England diese Komplikationen und vermehrt die Kasuistik
von Dreyfuss (13 Fälle) und Toubert (24 Fälle) auf 42 Fälle. Aus-
geschlossen wurden alle Fälle, in denen die intrakranielle Komplika-
tion die Folge von Verletzungen, Geschwülsten, luetischen oder tuber-
kulösen Entzündungen der Keilbeinhöhle waren. Er fand im einzelnen
Meningitis, Thrombose des Sinus cavernosus, Abszeß, Sepsis durch
Meningitis, Duralabszeß, hämorrhagische Encephalitis, Phlebitis des
Sinus cavernosus, Encephalitis, Blutungen. Die Thrombose des Sinus
cavernosus zeigt sich meist zuerst durch Augensymptome: Odem der
Papille, Chemosis, Exophthalmus, Augenmuskellähmung, Empfindlich-
keit des Augapfels. Nach ausführlicher Besprechung der pathologischen
Anatomie, der Bakteriologie, der Pathogenese stellt T. folgendes fest:
Die Infektion der Schädelhöhle hängt wesentlich ab von der Virulenz
der Keime und der verminderten Widerstandsfähigkeit und nimmt
ihren Weg durch Knochenperforationen, durch die Diplo&, durch Venen
und Lymphgefäße. Sie erzeugt meistens Sinusthrombose und Basal-
meningitis, während andere Komplikationen viel seltener sind. Weder
die lange Dauer noch die Höhe der Veränderungen in der Keilbein-
höhle sind von wesentlicher Bedeutung für die Ausbreitung der Ent-
zündung.
Zur Vorbeugung muß jede Keilbeinhöhleneiterung behandelt wer-
den durch Sorge für guten AbflußB. Auch schwere Augenveränderun-
gen, sogar Blindheit eines Auges, können völlig zurückgehen auf
Öffnung und Drainage des Sinus sphenoidalis.
Der thrombosierte Sinus cavernosus wurde einmal mit anatomi-
schem Erfolg in Angriff genommen von Dwight auf dem Wege, den
Krause eingeführt hat zur Entfernung des Ganglion Gasseri, aber
Pat. starb einige Stunden später. Von Grünert und Luc stammen
Leichenversuche, den Sinus cavernosus von der Nase aus zu erreichen.
Bei Thrombose der Vena ophthalmica ist der Krönlein’sche Weg
zu retrobulbären Geschwülsten gegeben. Weber (Dresden).
4) A. V. Moschcowitz. The surgical treatment of trige-
minal neuralgia.
(New York med. record 1906. September 29.)
M. verlangt möglichst frühzeitige Operationen bei Trigeminus-
neuralgie, um den Eingriff zu einem möglichst peripheren mit Erfolg
gestalten zu können. Die Foramina sollen nach der Durchtrennung
des Nerven mit Gold- oder Silberzapfen verstopft werden (cf. Pertbes,
Deutsche Zeitschrift für Chirurgie Bd. LXXVI p. 401). Bei Affektion
b2*
1380 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52.
‚des oberen oder unteren Maxillaris ist »Abbé’s Operation« indiziert;
ein Zelluloid- oder Goldknopf wird dabei interponiert.
Loewenhardt (Breslau).
5) H. Massier. Du traitement de lempyème latent du
sinus frontal par la résection du cornet moyen.
(Revue hebdom. de laryngol., d’otol. et de rhinol. 1906. Nr. 39.)
Wenn auch Verf. nichts Neues bringt, so ist die Arbeit wohl aus
dem Gefühle heraus entstanden, daß die Fortschritte auf dem Gebiete
der extranasalen Operationen leicht die Indikationen hierfür über
Gebühr erweitern könnten. Und das nicht mit Unrecht! Wenn man
bedenkt, wie viel auf endonasalem Wege erreicht werden kann, um
den Canalis nasofrontalis zu erweitern und so dem Eiter Abfluß zu
schaffen, so erstaunt man über die Fülle von extranasalen Opera-
tionen, die publiziert werden. Hajek und andere berufene Vertreter
haben dem ja auch Ausdruck gegeben und geraten — abgesehen von
schwer infektiösen Eiterungen —, möglichst lange auf endonasalem
Wege Heilung anzustreben. Vier Beobachtungen illustrieren die obigen
‚Anschauungen des Verf.s. F. Alexander (Frankfurt a. M.).
6) Rhein. Treatment of loosened teeth.
(Journ. of the amer. med. assoc. 1906. Juli 28.)
Die verschiedenen Ursachen der Lösung des Zahnes werden be-
sprochen. Im Vordergrunde des Interesses steht die Benutzung der
Röntgenaufnahme zur Diagnose der Ursache, und an einer Reihe von
Beispielen (Bilder) wird gezeigt, wie mit Hilfe des Röntgenbildes
kleine, symptomlose Abszesse an der Zahnwurzel, Schwund des
Alveolarfaches, Resorption von Teilen der Wurzel und ähnliche Affek-
tionen nachgewiesen werden können, Erkrankungen, die auf anderem
Wege nicht feststellbar sind, und deren richtige Erkenntnis die Therapie
wesentlich beeinflußt. Auch einige Aufnahmen, welche die Schienung
eines losen Zahnes an seine Nachbarn zeigt, sind beigefügt.
Trapp (Bückeburg).
7) Martin. The significance of some enlargement of the
thyroid gland.
(Brit. med. journ. 1906. September 22.)
Verf. gebraucht den Ausdruck »Thyreokele«, um eine einfache,
reine Vergrößerung der Schilddrüse zu bezeichnen. Eine wenn auch
noch so schwach sichtbare Vorwölbung am Halse, die auf die Schild-
drüse zu beziehen ist, bedeutet nach ihm eine Abweichung von der
Norm. Diese Drüsenvergrößerung steht in engem ursächlichem Zu-
sammenhange mit dem Wachstumsreiz der Jugend, mit »unregelmäßigen
Gewohnheiten des Körpers« (Überfülltheit der Schulen, Mangel an
Körperübung, chronische Verstopfung usw.), mit der Pubertät, der
Menstruation, der Schwangerschaft, dem Geschlecht. In der weit
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 1381
überwiegenden Mehrzahl werden Frauen befallen, besonders Mehr-
gebärende Während der Schwangerschaft fand man bis zu 81%
Fälle von Schilddrüsenvergrößerung, die nach der Geburt verschwand,
um mit jeder neuen Schwangerschaft wiederzukehren. Auch zwischen
Chlorose und Schilddrüsenvergrößerung besteht ein naher Zusammen-
hang. Das Trinkwasser spielt in seinen Fällen sicherlich keine wesent-
liche Rolle.
Zur Behandlung empfiehlt Verf. Schilddrüsenextrakt. Von 40 Fällen
heilte er 12, besserte er wesentlich 13, geringfügig 15. Durchschnitt-
lich wandte er den trockenen Extrakt für 3 Monate an bis zum Auf-
treten eines leichten Thyreoidismus: Vermehrung der Pulsfrequenz bei
Verminderung der Spannung und Vergrößerung der Welle. M. be-
tont am Schluß noch einmal: die Anforderungen erhöhter Leistungen
des Körpers, wie Wachstum, Pubertät, Schwangerschaft, Menstruation,
sind bei Menschen mit schwacher Schilddrüsentätigkeit ein genügender
Reiz zur Vermehrung der Drüsenmenge. Weber (Dresden).
8) L. B. Bangs. Scme observations on prostatectomy.
(New York med. record 1906. Juni 23.)
B. betont, daß bei der Entscheidung zur Vornahme der Prostat-
ektomie der Allgemeinzustand des Pat., dessen soziale Lage und auch
die Fähigkeit, ärztliche Vorschriften zu befolgen, sehr in Betracht
kommen, ferner ob der Gebrauch des Katheters durchzuführen sei
oder fehlschlage und schließlich die Überlegung, ob der Eingriff selbst
auch wirklich von Nutzen sei. Verf. gibt dann einige Kranken-
geschichten, aus denen hervorgeht, wie oft wichtige Symptome über-
sehen werden. Kleine Organe sind entfernt worden, die gar keine
eigentliche Obstruktion hervorgerufen haben. Besonders sind Zustände
von chronischer interstitieller Cystitis zu beachten, wodurch die Ka-
pazität der Blase so herabgesetzt wird, daß die Frequenz der Miktion
von ihnen allein herrührt. Nur bei klaren Indikationen kann ein
Vorteil aus der operativen Behandlung verwertet werden.
Loewenhardt (Breslau).
9) J. V. Shoemaker. The galvanic and other treatment of
the prostate.
(New York med. record 1906. August 4.)
S. fand aus eigener Erfahrung, daß bei der Behandlung der
Prostatahypertrophie der galvanische Strom vom höchsten Werte sei
bei Einführung der negativen Elektrode in den Mastdarm.
Loewenhardt (Breslau).
10) C. Blauel. Über subkutane Ureterverletzungen.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. L. Hit. 1.)
Unter Ausschluß gynäkologischer Verletzungen konnte Verf. in
der Literatur 11 sicher erwiesene Fälle von subkutaner Harnleiter-
1382 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52.
verletzung auffinden und bringt eine weitere Beobachtung aus der
v. Bruns’schen Klinik zur Mitteilung.
Die Verletzung kommt durch schwere Gewalteinwirkung zustande,
welche meist eine direkte, nämlich Überfahrung 5, Quetschung 1,
Riß 3mal, selten eine übertragene ist (2mal Fall aus der Höhe).
Vor Verletzung durch direkten Druck, wie er in 6 Fällen an-
zunehmen war, ist der Harnleiter nicht nur durch seine Lagerung auf
dem M. psoas, sondern insbesondere durch seine große Verschieblich-
keit im retroperitonealen Zellgewebe geschützt. Allein gerade letztere
Eigenschaft kann verhängnisvoll werden, wenn der Harnleiter, vor der
Gewalt ausweichend, von dieser auf der Wirbelsäule erreicht wird, wie
dies nicht nur bei Hufschlägen usw., sondern auch bei Überfahrungen,
dem häufigsten Entstehungsmechanismus, zutrifft. Die angestellten
Leichenversuche bestätigten diese Erklärung.
Die Entstehung von Harnleiterverletzungen durch hydraulische Pres-
sung ist bisher nur in 1 Fall als Fernwirkung erwiesen. Auch durch
gewaltsamen Zug wird der sonst sehr dehnungsfähige Harnleiter mit-
unter verletzt, zumal über dem Querfortsatz des 2. Lendenwirbels.
Die Verletzungen sitzen in der Mehrzahl der Fälle in der oberen
Hälfte des Harnleiters und sind teils vollkommene, teils unvollkom-
mene Kontinuitätstrennungen, bei welchen sich die Muskulatur ein-
rollen kann.
Zu den gewöhnlichsten Mitverletzungen gehören Schädigungen des
Peritoneums mit intraperitonealem Urinerguß, der Därme und der
Niere, sowie Bruch der Rippen und Wirbel.
Die entweder sofort oder nach eingetretener Nekrose der ver-
letzten Harnleiterpartie sich entwickelnde retroperitoneale Urininfiltra-
tion führt zur Bildung einer Pseudohydronephrose, deren Inhalt in
der Regel weniger bluthaltig ist als bei analogen Nierenverletzungen.
Die durchaus ungünstige Prognose des intraperitonealen Urinergusses
erklärt sich aus der unausbleiblichen Infektion, welche entweder durch
Aufsteigen von der Blase oder wahrscheinlich häufiger von geschädig-
ten Darmpartien ausgeht.
Die typische Spätfolge subkutaner Harnleiterverletzungen stellt
die traumatische Hydronephrose, bedingt durch Narbenverschluß des
Harnleiters, dar.
Die für die Diagnose in Betracht kommenden Symptome werden
nicht nur häufig durch die Mitverletzungen in den Hintergrund ge-
drängt, sondern sind auch nur für eine Verletzung des Harnapparates
im ganzen, nicht speziell des Harnleiters, charakteristisch, so daß eine
exakte Diagnose sich nur mit Hilfe des Cystoskops stellen läßt.
Die Mortalität der Harnleiterverletzungen ist noch eine hohe: von
12 Pat. starben 2 an Chok, 3 infolge Urinergusses in die Bauchhöhle,
1 an Urämie, 1 infolge später Vereiterung einer Hydronephrose.
Therapeutisch wird bei früh diagnostizierten Fällen ohne Neben-
verletzungen Naht oder Plastik des Harnleiters berechtigt sein. In
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 1383
den meisten anderen Fällen kommt Inzision der Urinansammlung und
eine mehr abwartende Behandlung in Frage. Beich (Tübingen).
11) M. Jungano. Les lésions anatomo-pathologiques du rein
dans l'infection expérimentale provoquée par le trypanosome
Brucei.
(Ann. des malad. des org. gén.-urin. 1906. Nr. 19.)
Verf. hat an mit Trypanosomen infizierten Mäusen und Meer-
schweinchen pathologisch-anatomische Untersuchungen über die Ver-
änderungen an den Nieren angestellt und glaubt, daß diese Verände-
rungen hervorgerufen werden durch von den Parasiten stammende
lösliche Produkte, gegenüber denen die epithelialen Elemente der
Niere ganz besonders empfindlich sind. Paul Wagner (Leipzig).
12) E. Forgue (Montpellier). Technique de la cure opéra-
toire de lectopie testiculaire.
(Presse méd. 1906. Nr. 90.)
In einem ausfiihrlichen, mit zahlreichen guten Illustrationen aus-
gestatteten Aufsatze beschreibt F. die Operation des ektopischen
Hodens. Um gute und bleibende Resultate zu erhalten, muß man
sich vor Augen halten, daß der Hoden durch dreierlei Bänder in
seiner falschen Stellung zurückgehalten wird: durch Adhärenzen, welche
die Elemente des Samenstranges an den peritoneo-vaginalen, mitunter
offenen oder auch geschlossenen Überzug befestigt; durch die un-
genügende Länge des spermatischen Gefäßbündels, endlich durch die
Kürze des Ductus deferens.
Der Operationsvorgang ist in Kürze folgender. Angenommen, es
handle sich um den häufigsten Fall, eine inguinale Ektopie mit
offenem Scheidenkanale, mit oder ohne entwickelten Bruch. Der
Schnitt wird schief in der Richtung des Leistenkanals und hoch
hinauf, wie bei der Bassini’schen Operation, vorgenommen. Die
Aponeurose des Obliquus externus wird über der ganzen Länge des
Leistenkanals gespalten und hierauf der untere Rand des ÖObliquus
internus und des Transversus, sowie auch der obere Rand des Lig.
Pouparti freigelegt. Auf diese Weise werden die perifunikulären Ad-
härenzen bis hoch hinauf freigelegt. Hierauf werden alle Hüllen des
Funiculus, einschließlich die Vaginalis, der Länge nach durchschnitten
und letztere quer durchtrennt, um auf diese Weise eine Hülle für
den Hoden zu bilden. Nach oben hin muß die Serosa so hoch wie
möglich von den Elementen des Samenstranges abgelöst werden, was
für die Befreiung der Gefäße von großer Bedeutung ist. Letztere
können bis in die Fossa iliaca abpräpariert werden, falls man durch
Zug am Hoden eine Resistenz von seiten derselben fühlt. Bei
geschlossenem Vaginalkanale muß nach oben das peritoneale Infun-
1384 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52.
dibulum desselben aufgesucht und inzidiert werden, um die Samen-
stranggefäße freimachen zu können. Sind die Widerstände von seiten
der Blutgefäße beseitigt, so findet man den Ductus deferens meist
genügend lang, um den Hoden hinunterziehen zu können. Derselbe
wird nun auf dem Boden des Hodensackes fixiert und der Leisten-
kanal nach der Bassini’schen Methode geschlossen.
E. Toff (Braila).
‚Kleinere Mitteilungen.
13) Ballance. Case of traumatic hemorrhage into the lateral lobe of
the cerebellum treated by operation with recovery.
(Surgery, gynecology and obstetrics Bd. III. Hft.1 u. 2.)
12jähriger Knabe war 2 Monate vor Aufnahme in die Klinik gefallen und
mit dem rechten Scheitelbein aufgeschlagen. Außer leichter, schnell vorüber-
gehender Betäubung und Nasenbluten traten zunächst keinerlei Erscheinungen auf.
Bei der Aufnahme dagegen fand sich leichtes Fieber, Pat. lag zusammengekrümmt
stets auf der rechten Seite, hatte Erbrechen, Kopfweh und Schwindel, der Gang
war völlig unkoordiniert, ebenso die Bewegungen des linken Armes; linker Knie-
reflex verstärkt, rechter abgeschwächt. Beim Gehen strebte Pat. von links nach
rechts und bei den Schwindelanfällen schienen ihm auch die Gegenstände in
gleicher Richtung zu laufen. Neuritis optica und Nystagmus waren vorhanden.
Während 3monatiger Beobachtung ging ein Teil der Hirnerscheinungen zurück;
die Parese von Arm und Bein blieb, das Gesicht verschlechterte sich. Deshalb
Bloßlegung der linken Kleinhirnhälfte; sie stand unter Druck. Eine Geschwulst
fand sich nach Eingehen mit dem Finger in die Kleinhirnsubstanz in etwa 3 cm
Tiefe. Nach ihrer Entfernung, die sich durch den Eingangskanal leicht vollzog,
erwies sie sich als ein altes, festes Blutgerinnsel. Die Wundheilung verlief glatt,
über die Zeit des Verschwindens der Lähmungen usw. ist nichts gesagt. 4 Jahre
nach der Operation ist das einzige noch an die früherere Erkrankung erinnernde
leichte Abschwächung der groben Kraft in der linken Hand und geringer Nystagmus
des linken Auges, Trapp (Bückeburg).
14) P. Clairmont. Doppelte Schädelplastik.
(Wiener klin. Wochenschrift 1906. Nr. 42.)
Verf. deckte mit Erfolg zwei 6,5><3,5 cm und 8><4 cm große Schädeldefekte
plastisch in einer Sitzung, den einen mit einer Zelluloidplatte nach Fränkel, den
anderen mit v. Hacker-Durante’schen Periost-Knochenlappen. Vor der
Müller-König’schen Plastik soll letzteres Verfahren den Vorzug haben, daß es
bei leichterer Technik — subaponeurotisch ausgeführt — keinen Weichteildefekt
hinterläßt; vor der strengste Asepsis voraussetzenden Fränkel’schen Methode, daß
es schon bei granulierenden Schädelwunden ausführbar ist.
Lessing (Hamburg).
15) Paget. Simulation of mastoid disease.
(Brit. med. journ. 1906. September 22.)
Bericht über Vortäuschung einer Mastoiditis in zwei Fällen von Kranken-
schwestern, von denen besonders der zweite interessant ist. Eine schon als hyste-
risch bekannte Schwester, die an einer ganz leichten Otorrhöe litt, bot bei Auf-
nahme das Bild einer schweren intrakraniellen Komplikation dar: Lethargie,
Bewegungslosigkeit, ganz schwache, flüsternde Stimme, Stöhnen vor Schmerz,
Reaktionslosigkeit gegen alles, was um sie her vorging. So lag sie 14 Tage, bis
nach Ablauf dieser Zeit Krimpfe in Hand und Arm der gegeniiber liegenden
Seite P. zur Operation veranlaßten. Der Eingriff war ganz negativ, trotzdem lang-
same Besserung. 1 Jahr später Wiederholung des gleichen Symptomenbildes.
Weber (Dresden).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 1385
16) @. Laurens. Résection cranienne pour ostéomyélite diffuse. de la
mastoide et de l’ecaille occipitale; phlebite du sinus lateral et du
golfe de la jugulaire; septicémie otogéne prolongée; quatre opérations;
guérison.
(Revue hebdom. de laryngol., d’otol. et de rhinol. 1906. Nr. 40.)
Der ausführlichen Überschrift ist noch folgendes von Belang aus der sehr
interessanten Krankengeschichte nachzutragen: Am 11. November Aufmeißelung
und Resektion großer Teile des Occiput; die Wunde erstreckte sich bis 8 cm hinter
den Gehörkanal Am 12. November Schüttelfrost; Eröffnung des Sinus, der Eiter
enthält. Am 16. November Freilegung der Jugularis, die frei erscheint; in den
folgenden Tagen Fortdauer pyämischer Symptome, Leberschwellung usw. Am
20. November Freilegung und Eröffnung des Bulbus, bis zu dem sich die Throm-
bose erstreckt. Am 21. November voll ausgebildete Meningitis, die 2 Tage anhält.
Die pyämischen Symptome, speziell die Fröste, dauern bis Ende Dezember an.
Dann langsame Heilung; auffallend war die fast völlige Regeneration der Kno-
chen in so großer Ausdehnung. F. Alexander (Frankfurt a. M.).
17) M. Boulay. Abcés épidural extériorisé par le trou déchiré
postérieur.
(Revue hebdom. de laryngol., d’otol. et de rhinol. 1906. Nr. 36.)
_ Wenige Tage nach Operation einer ausgedehnten Mastoiditis mit Freilegung
des Sinuskanales erkrankte Pat. von neuem unter Fieber und mit Schmerzen an
der betreffenden Halsseite. Da er sich nicht zu einem zweiten Eingriff entschließen
konnte, nahm die Schwellung der Halsgegend beträchtlich zu, und bei Druck auf
dieselbe entleerte sich schließlich Eiter aus der retroaurikulären Wunde. Erst
2 Monate nach der ersten Operation willigte Pat. in einen weiteren Eingriff, und
hierbei zeigte sich, daß der Eiter im knöchernen Sinuskanal, also durch das Fora-
men jugulare, seinen Weg gefunden; am Bulbus fand sich ein »epiduraler« Abszeß.
Pat. starb in derselben Nacht. Autopsie verweigert. Auffallend ist das Fehlen
jeglicher Symptome von seiten der Hirnnerven (IX., X., XI). Verf. fand nur drei
Fälle in der Literatur, und zwar von Rossi, Kessel und Laurens publiziert.
F. Alexander (Frankfurt a. M.).
18) Lemere. A remarkable osteo-calcareus tumor in the nose.
(Journ. of the amer. med. assoc. 1906. Juli 28.)
Bei einem 1djährigen Mädchen fand sich im linken, undurchgängigen Nasen-
loch eine harte Geschwulst, die bei Versuch der Entfernung den größten Wider-
stand leistete und erst nach wiederholten Angriffen mit Fraisen, Bohrern und
Meißeln, nachdem eine Anzahl dieser Werkzeuge zu Bruch gegangen war, entfernt
werden konnte. Sie erwies sich als ein völlig versteinertes Osteom, das vom Sieb-
bein ausgegangen zu sein schien; wenigstens wiesen die Öffnungen der Ernährungs-
gefäße und der Zusammenhang auf diesen Ursprung hin.
Trapp (Bückeburg).
19) @. Alexandre. Un cas de calcul de la glande sous-maxillaire.
(Revue de chir. XXVI. ann. Nr. 5.)
Die Mitteilung verdient Interesse, weil A. aus dem Konkrement in Bouillon
Leptothrix in Reinkultur züchten konnte, und der infektiöse Ursprung somit er-
wiesen ist. Seltsam und noch unerklärt ist das vorwiegende Vorkommen linkerseits.
_ Diagnostisch kommt für Speichelsteine der Austritt von Eitertropfen aus den
Öffnungen der Kanäle (hier also Warthon’scher Kanal) und Schwellung der
Gland submaxill. mit ungleicher Konsistenz der einzelnen Partien in Betracht.
Christel (Metz).
1386 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52.
20) H. Massier. Tuberculeuse amygdalienne & forme amygdalienne.
(Revue hebdom. de laryngol., d’otol. et de rhinol. 1906. Nr. 37.)
Die eine Gaumenmandel war in toto vergrößert und zeigte eine graublaue
Farbe mit Erweiterung einiger Gefäße an der Oberfläche. Die histologische Unter-
suchung führte zur Diagnose. Ablösung von den Gaumenbögen und sorgfältige
Enukleation brachten Heilung. F. Alexander (Frankfurt a. M).
21) Aka. Abcés rétro-pharyngien inférieur consécutif & l’ablation des
adénoides chez un adulte.
(Revue hebdom. de laryngol., d’otol. et de rhinol. 1906. Nr. 38.)
Die 26jährige Pat. hatte eine stark schleimigen Eiter sezernierende Rachen-
mandel mit einem sekundären Rachenkatarrh; die Rachenmandel wurde mit einem
Moure’schen Adenotom entfernt, nachdem eine kalte Nasenspülung vorausgeschickt
war; eine ebensolche folgte der Operation. Nach 14 Tagen erschien Pat. mit einer
starken Vorwölbung der hinteren unteren Rachenwand; dieselbe bedeckte die Ary-
knorpel und hatte sich unter großen Beschwerden unmittelbar nach der Operation
zu entwickeln begonnen. Eröffnung mit dem Galvanokauter, 3—4tägige Eiter-
entleerung. Heilung. Verf. möchte weder dem Adenotom, noch den kalten Nasen-
spülungen, noch dem tastenden Finger die Schuld beimessen, sondern neigt der
Ansicht zu, daß eine akute Infektion auf dem Boden der chronisch entzündeten
Rachenschleimhaut als Ursache am wahrscheinlichsten anzusehen sei.
F. Alexander (Frankfurt a. M.).
22) J. A. Fordyce. A case of undetermined tropical ulceration in-
volving the nose, pharynx and larynx, with histological findings.
(Journ. of cutan. diseases, incl. syphilis Vol. XXIV. Nr. 1.)
Ein 24jähriger, in Panama geborener Schwarzer litt an geschwiirigen Pro-
zessen im Rachen, Kehlkopf, am Naseneingang und am rechten inneren Augen-
winkel. Außerdem fanden sich bereits abgeheilte, durch Narben kenntliche Stellen
im Rachen und an einem Arme. Die Erkrankung hatte vor 6 Jahren in der Nase
begonnen; ein Polyp war aus der Nase entfernt worden, die Krankheit hatte dann
immer weitere Fortschritte gemacht. Die zurzeit bestehenden Ulzerationen sind
nicht erheblich tief und durch einen scharfen, etwas erhabenen Rand begrenzt.
Die zunächst gestellte Diagnose war Lues. Infektion negiert. Energische Queck-
silber- und Jodkalikur ohne Erfolg, daher als zweite Diagnose Tuberkulose gestellt.
Im Eiter und Schnittpräparaten waren Tuberkelbazillen nicht nachzuweisen, des-
gleichen Impfversuche an Meerschweinchen und Tuberkulininjektion an dem Pat.
ohne Erfolg. Daher wurde auch Tuberkulose als nicht vorliegend betrachtet, wenn
sich auch in den Schnitten zahlreiche, mit wandständigen Kernen versehene Riesen-
zellen fanden. Blastomykosis, Aktinomykosis, Rhinosklerom und Lepra waren wegen
Fehlens der spezifischen Erreger auszuschließen, es wurde deshalb als endgültige
Diagnose »tropische Ulzeration« gestellt.
Im Anschluß hieran berichtet F. W. Arnold, daß er in Guam 30 ganz ähn-
liche Fälle geseben habe.
Sehr gut gelungene Photographien von den makroskopischen und mikroskopi-
schen Bildern sind der Arbeit beigefügt. 0. Urban (Breslau).
23) W. Deissler. Ätiologie und Therapie des Caput obstipum con-
genitum et spasticum.
Diss.-Inaug., Leipzig, 1902.
Ausgezeichnete historische Übersicht über das Thema und Mitteilung der
Resultate aus der Leipziger Kinderklinik (Tillmanns): Während der letzten
10 Jahre wurden dort 32 Schiefhälse operiert, und zwar mit Ausnahme von vier
mittels offener Myotomie. Die vier Ausnahmen wurden nach Mikulicz reseziert.
Die Resultate waren gut, bei nachuntersuchten Fällen fanden sich nie Rezidive.
Goebel (Breslau).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 1387
24) Keen and Funke. Tumor of the carotid gland.
(Journ. of amer. med. assoc. 1906. August 8.)
b6jähriger Mann kam wegen Geschwulst an der linken Halsseite, die seit
18 Jahren bestand, sehr langsam aber stetig wuchs und außer der Verunstaltung
keine Beschwerden machte, in K.’s Behandlung. Die Geschwulst maß 13cm in
der Breite, reichte vom Unterkieferast 10 cm abwärts und lag hauptsächlich vor
dem linken Kopfnicker, erstreckte sich aber unter seiner ganzen Breite nach hinten.
Sie pulsierte durch die Lage auf der Carotis, war weich ohne zu fluktuieren.
Diagnose: Lipom. Nach Freilegung machte die vorliegende Geschwulst zunächst
dem Aussehen nach und infolge der reichen Gefäßversorgung — viel ausgedehnte
Venen waren an seiner Oberfläche sichtbar — den Eindruck eines versprengten
Kropfes. Bald aber änderte K. seine Diagnose in die einer Geschwulst der Carotis-
drüse, da die Carotis mitten durch die Geschwulst durchging. Die Jugularis com-
munis lag an der Oberfläche, und Arterie wie Vene waren so fest verwachsen, daß
Ausschälung oder Abpräparieren ausgeschlossen war. Sie wurden reseziert und
die Geschwulst entfernt; sehr große Schwierigkeit bereitete die Blutung, etwa
60 Unterbindungen wurden gemacht. Vagus, Sympathicus und Hypoglossus, Speise-
und Luftröhre lagen nach der Ausschaltung bloß. Am 2. Tage nach der Opera-
tion, die zunächst gut überstanden war, trat sehr akutes Lungenödem auf, dem der
Tod folgte. Es folgt die sehr genaue grob-anatomische und histologische Beschrei-
bung mit guten Abbildungen der Geschwulst. Im Anschluß an diese Beobachtung
bringt K. die Krankengeschichten von im ganzen 29 Fällen dieser seltenen Ge-
schwulst und eine allgemeine Besprechung derselben unter Berücksichtigung aller
Gesichtspunkte. Reichliche Literaturangaben sind beigefügt.
Trapp (Bückeburg).
25) Böhme. Kurzer Bericht über durch Bier’sche Stauung mit Saug-
glocken bei Bubonen und einigen urologischen Erkrankungen erzielte
Erfolge.
(Zentralblatt f. d. Krankheiten d. Harn- u. Sexualorgane Bd. XVII. Hft. 7.)
Einige mit Erfolg durch Stauung behandelte Fälle, neben Bubonen je ein
Fall von |
1) Chorda penis infolge vereiterter para-urethraler Cyste,
2) para-urethraler Cyste im Sulcus coronarius,
3) Ulcus orificii urethrae,
4) Cavernitis urethrae,
5) massenhaft akut blennorrhoischen para-urethralen Gängen; Hypospadie
zweiten Grades. Grunert (Dresden).
26) 8S. Galatzi. Rétrécissement congénital de ľurètre incontinence
diurné, ureterotomie interne, guerison.
(Ann. des malad. des org. génito-urin. 1906. Nr. 19.)
Das früher angezweifelte Vorkommen von angeborenen Verengerungen der
Harnröhre ist jetzt namentlich durch die Untersuchungen von Bazy und seine
Schüler sichergestellt. Die bisher mitgeteilten Beobachtungen sind nicht sehr zahl-
reich und betrafen in der Hauptsache junge Leute, bei"denen die Möglichkeit einer
gonorrhoischen Infektion doch nicht sicher auszuschließen war. Verf. teilt nun
die sehr interessante Krankengeschichte eines 8jährigen Knaben mit, der seit
3 Jahren an Harninkontinenz litt, und zwar nur während des Tages, wenn er
herumlief und spielte. Nachts bestand niemals Inkontinenz, ebensowenig am Tage,
wenn sich der Knabe ruhig verhielt. Therapeutisch war bisher alles mögliche,
aber ohne jeden Erfolg versucht worden. Die sehr schwierige Untersuchung der
Harnröhre mittels Guyon’scher olivenförmiger Sonden ergab ein deutliches
Hindernis am penoskrotalen Winkel; es fand sich daselbst ein resistenter, narben-
artiger Strang, der 2/, des Umfanges des Kanals einnahm und nur die obere Wand
freiließ. Urethrotomia interna; vollkommene, anhaltende Heilung; keine Spur von
1388 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52.
Inkontinenz mehr. Wie in anderen Beobachtungen, so fanden sich in dem Falle
des Verf.s auch noch andere Mißbildungen an den Genitalorganen: Phimose, Ver-
wachsungen zwischen Präputium und Glans, Ektopie beider Hoden, eigentümliche
Krümmung des Penis wie bei der Hypospadie. Wahrscheinlich beruhen alle diese
Hemmungsmißbildungen auf hereditärer Syphilis. Paul Wagner (Leipzig).
27) Weinreich. Zur Pathologie und Therapie der gutartigen Harn-
blasengeschwülste.
(v. Langenbeck’s Archiv Bd. LXXX. Hft. 4.)
Verf. bespricht die Frage der Umwandlung gutartiger Blasenpapillome in bös-
artige Geschwiilete. Wenn sich dieses Vorkommnis auch nicht ableugnen läßt, so
ist es doch keineswegs für jeden Fall nachzuweisen. Unter Nitze’s 150 intra-
vesikal operierten Fällen ist diese Umwandlung nicht ein einziges Mal aufgetreten.
Darunter befindet sich ein Fall, der schon 10 Jahre in Beobachtung steht, und bei
dem wiederholt im Laufe dieser Zeit neue Papillome exstirpiert wurden. Die von
Nitze mit der endovesikalen Methode erzielten Erfolge bei Abtragung dieser Ge-
schwiilste sind besser als die mit Sectio alta von verschiedenen Operateuren ge-
wonnenen. W. halt Nitze’s Verfahren auch für ungefährlicher und für um so
wertvoller, als man sich bei Rezidiven, wie sie ja nicht selten sind, leichter zu
einem wiederholten Eingriff als bei dem hohen Bilasenschnitt entschließen wird.
Verf. hat selbst drei Pat. mit Erfolg endovesikal operiert.
E. Siegel (Frankfurt a. M.).
28) Daum. Blasen-Scheidenfistel, verursacht durch einen Blasenstein.
(Lwowski Tygodnik lekarski 1906. Nr. 39.)
Verf. beschreibt einen seltenen Fall, wo ein Blasenstein infolge Druckes die
Blase gegen die Scheide perforierte und in der Klinik des Prof. Mars in Lem-
berg operiert wurde. Er betraf eine 50jährige Frau, die dreimal entbunden und
normale Wochenbetten durchgemacht hatte. In der vorgefallenenen vorderen
Scheidenwand war eine kreuzergroße, dünnwandige Öffnung, aus der Harn aus-
sickerte, die übrigens durch einen Stein verlegt war. Die Fistelöffnung wurde
erweitert, ein Stein von 3><4><31/g cm Größe entfernt, dann die Wunde ge-
schlossen. Glatte Heilung. Bogdanik (Krakau).
29) A. L. Gray. The Roentgen ray treatment of malignant disease
of the bladder through a suprapubic incision. Report of a case.
(Amer. journ. of surgery 1906. Oktober.)
Bei einem 67jährigen Priester wurde durch Sectio alta ein kinderfaustgroßes
Plattenepithelkarzinom von einem handgelenkdicken Stiel im Blasengrunde abge-
tragen, und letzterer 1 Woche nach der Operation mit Röntgenstrahlen behandelt,
Jeden 2. Tag wurde eine Sitzung von 10 Minuten Dauer vorgenommen, indem ein
die Strahlen leitendes Rohr durch die offen gebliebene Wunde bis direkt auf den
Stiel eingeführt wurde. Für Nebenabfluß des Urins wurde Sorge getragen. Voll-
kommenes Verschwinden des Stieles und Bildung einer linearen Narbe nach
21 Sitzungen, dann in etwa 6 Wochen Schluß der suprapubischen Wunde. Bisher
— 6 Monate lang — kein Rezidiv. Verf. denkt auch an eventuelle, durch die
Bestrahlung bedingte Radioaktivität des Urins. Goebel (Breslau).
30) P. Mendés. De la cystotomie sus-pubienne chez les jeunes
enfants.
(Ann. des malad. des org. génito-urin. 1906. Nr. 18.)
Bei einem 5 Monat alten Knaben mit Steinbeschwerden konnte Verf. mit
Hilfe des Guyon’schen Explorators einen Blasenstein nachweisen. Chloroform-
narkose; hoher Blasenschnitt; Entfernung eines 4 g schweren Phosphatsteines.
Fortlaufende Catgutnaht der Blasenschleimhaut; Verschluß der Blasenwunde durch
fünf Seidenknopfnähte; Naht der Bauchdecken; Drainage im unteren Wund-
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 1389
winkel; während der ersten 3 Tage Dauerkatheter. Heilung am 15. Tage. Verf.
hat in der Literatur keinen Fall gefunden, wo der hohe Steinschnitt in so jugend-
lichem Alter vorgenommen wurde. Er selbst verfügt noch über 31 weitere hohe
Steinschnitte, die er bei Kranken männlichen Geschlechts im Alter von 4 bis
68 Jahren ausgeführt hat. In 27 Fällen nahm er die Blasennaht vor und hatte
dabei 21 vollständige Erfolge. Paul Wagner (Leipzig).
31) R. Borrmann. Ein Fall von blind endigendem Ureter mit cysti-
scher Vorwölbung der Harnblase, kombiniert mit Cystenniere der-
selben Seite.
(Virchow’s Archiv Bd. CLXXXVI. p. 25.)
Bei der Autopsie eines 5i/g Monat alten Kindes, das an einem Pleuraempyem
zugrunde gegangen war, zeigte sich, daß der linke Harnleiter etwa in der Mitte
der Wandschichten der Blase blind geendigt hatte. Durch den Druck des Urins
war die Muskulatur der Blasenwand auseinander gedrängt. Es war so zur Bildung
eines cystischen Sackes gekommen, der sowohl nach der Lichtung der Harnblase
zu vorsprang, als auch nach hinten außen in den Douglas hinein sich ausdehnte,
Der in die Harnblase sich hinein erstreckende Teil hatte zu einer teilweisen Ver-
legung des rechten Harnleiters und einer beginnenden Hydronephrose der rechten
Niere geführt. Der linke Harnleiter selbst war in keiner Weise erweitert, die linke
Niere in einen gänseeigroßen cystischen Sack verwandelt. Die ausführlichen Aus-
einandersetzungen über die Entstehungsweise dieser Mißbildung müssen im Ori-
ginal nachgelesen werden. Neu und bisher nicht beobachtet sind nach den An-
gaben B.'s die in seinem Falle vorhandene Verdrängung und Aufsplitterung der
Blasenmuskulatur durch die allmählich an Größe zunehmende Cyste, ferner der
Umstand, daß der linke Harnleiter selbst in keiner Weise erweitert war, und daß
sich die Cyste nicht allein in die Blasenlichtung, sondern auch nach dem Douglas
zu entwickelt hatte. Doering (Göttingen).
32) L. Suarez. Rupture sous-cutanée du rein; son mécanisme.
(Ann. des malad. des org. gén.-urin. 1906. Nr. 18.)
Uber die Symptomatologie, pathologische Anatomie und Behandlung der sub-
kutanen Nierenzerreißungen sind die Ansichten kaum noch geteilt, um so mehr
jedoch über den Mechanismus der Verletzung. Verf. operierte einen 21 jährigen
Mann, der durch einen Hufschlag gegen die linke Brustseite eine schwere Nieren-
quetschung mit Hämaturie erlitten hatte. Bei der lumbalen Freilegung der Niere
fand sich diese nach unten und innen verschoben. Sie zeigte normale Größe und
normales Aussehen mit Ausnahme des unteren Endes. Hier fand sich ein ca. 5 cm
langer Längsriß, der mit Catgut genäht wurde. Naht der Weichteile, Drainage.
3 Tage später verschwand die Hämaturie, kehrte dann aber am 8. Tage nach der
Operation wieder; vom 14. Tage an rasch fortschreitende Besserung und voll-
kommene Heilung. — Verf. gibt nun einen kurzen kritischen Überblick über die
verschiedenen Ansichten, die von den verschiedenen Autoren über den Mechanis-
mus der Nierenquetschung vorgetragen werden. Für die meisten Fälle ist die
Gueterbock’sche Theorie genügend. In dem vom Verf. mitgeteilten Fall ist
nun aber bemerkenswert, daß, obwohl das Trauma den seitlichen Brustkorb traf,
der Nierenriß sich nur am unteren Nierenpole befand, also an der Stelle, die von
der Einwirkungsstelle des Trauma am entferntesten lag. Verf. findet die Erklärung
hierfür darin, daß bei Erschlaffung der Befestigungsmittel der Niere diese nach
unten und innen verschoben wird, und zwar in der Art, daß der untere Nierenpol
von der Lendenwirbelsäule nur 2—3 cm entfernt ist. Bei Gewalteinwirkungen von
oben her wird dann der untere Nierenpol gegen die Körper der Lendenwirbel-
säule gequetscht, und es kommt dann zu Einrissen, die auf den unteren Teil der
Niere beschränkt bleiben. Paul Wagner (Leipzig).
1390 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52.
33) A. L. Franklin. Rupture of both kidneys with intraperitoneal
hemorrhage; removal of all of left kidney and part of right kidney;
recovery.
(Amer. journ. of surgery 1906. Oktober.)
16jähriges Mädchen fiel 4 Fuß tief von einem Eisenbahnwagen mit dem Leib
quer auf die Schienen und ging noch 1/2 km. Dann Koliken, Chok, Unruhe.
Temperatur nach 1 Stunde normal, Puls 127, irregulär; Bauch ausgedehnt, Rigi-
dität des rechten Rectus, Erbrechen usw. Katheter ergibt blutigen Urin. Opera-
tion, anfangs abgelehnt, nach 18 Stunden: Im Bauche Blut und Urin. Rechte
Niere tief unten direkt vor dem 3. und 4. Lendenwirbel, durch ein festes, fibröses,
1/2 Zoll im Durchmesser haltendes Band an ihrem untern Pol mit der linken Niere
verbunden (Hufeisenniere?). Drei Querrisse der rechten Niere. Die linke Niere
buchstäblich in Fragmente zerschmettert, ganz ohne Kapsel und vom Harnleiter
getrennt. Unterbindung der Gefäße, Entfernung der ganzen linken und eines, in
Brei zermalmten, Teiles der rechten Niere. Die zurückbleibenden Teile der letz-
teren (nicht mehr als 2/, des gesamten Nierengewebes) zeigten zwei Risse, die mit
Gaze tamponiert wurden. Schluß des Bauches nach Spülung und Füllung mit
Kochsalzlösung mittels durchgreifender Silkwormnähte, natürlich unter Drainage.
Adrenalin und Ergotol wurden, wie vor, auch nach der Operation subkutan ge-
geben, außerdem Kochsalzinfusionen. 6 Stunden nach der Operation fanden sich
in der Blase etwa 42,5g Blut und Urin. Die Gaze wurde den 6. Tag entfernt.
Es entleerte sich 5 Tage lang danach viel Urin aus der Öffnung; sie schloß sich
nach 16 Tagen. Die Pat. verließ das Hospital am 23. Tage und befindet sich jetzt
(nach 6 Monaten) sehr wohl. Goebel (Breslau).
34) Hewitt. Necrosis of epithelium in the kidney in infections and
intoxications.
(Johns Hopkins hospital bulletin 1906. August.)
H. bestätigt die Angaben zahlreicher Autoren, daß bei Infektionen und In-
toxikationen verschiedener Art das sezernierende Parenchym der Nieren besonders
früh und schwer von Nekrose betroffen wird.
Dies demonstriert er an zehn Fällen eigener Beobachtung, darunter allein an
fünf Fällen von akuter gelber Leberatrophie auf Grund von Infektionen; in den
Organen, im Herzblut oder den Exsudaten fand sich einmal Bakterium coli allein,
zweimal zugleich mit Streptokokken, zweimal zugleich mit Staphylokokkus aureus;
in einem Falle von Delirium tremens waren Bakterium coli und Bakterium acidi
lactici nachzuweisen; in einem Falle von Beckenabszeß mit Peritonitis und Pleu-
ritis wuchsen Streptokokken und Staphylokokkus aureus; einmal — Rippenbrüche,
Pleuritis, Perikarditis — waren die Platten verunreinigt.
W. v. Brunn (Rostock).
35) E. Eliot. Renal calculus: symptoms and treatment.
(Med. and surg. report of the Presbyterian hospital in the city of New York Vol. VIL.
1906. März.)
Analyse von fünf Fällen, Abbildungen der extrahierten Steine und Reproduk-
tion von zwei Röntgenbildern. Dreimal wurde Pelviotomie, einmal Nephrektomie
— nachdem infolge einer früheren vergeblichen Nephrektomie Verwachsungen übrig
geblieben waren und eine Vene zerrissen war — und einmal Sektionsschnitt ge-
macht. Stets glatte Heilung. Verf. analysiert die Symptome (Kryoskopie wird
nicht erwähnt) und geht besonders eingehend auf die Frage: Sektionsschnitt oder
(hinteren) Nierenbeckenschnitt ein. Die Furcht, daß bei letzterem Fisteln bleiben,
ist nur bei Harnleiterstenose berechtigt. Die Steine sind dabei leicht zu finden,
event. muß man mit einem Finger in das Nierenbecken eingehen und die Niere
bimanuell abtasten. Goebel (Breslau).
Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52. 1391
36) M. 8. Dawydow. Uber Echinokokkencysten der Niere, die sich
von Zeit zu Zeit ins Nierenbecken öffnen und ihre Tochterblasen ent-
leeren, und von deren Behandlung.
(Russki Wratsch 1906. Nr. 36.)
Die 41 Jahre alte Pat. leidet seit ihrem 14. Jahr an Nierenkolik, nach welcher
sich durch die Harnröhre Blasen entleeren. Sie kam am 24. Dezember ins Kranken-
haus mit Ileuserscheinungen und Schmerzen in der linken Niere, die nach Aus-
scheidung einer Blase aufhörten. Vom 1.—4. Januar und am 13. Januar neue
Kolikanfälle; dabei Milz vergrößert, linke Niere im heißen Bade zu fühlen; im
Harn reichlich Eiter; zum Schluß der Anfälle werden jedesmal Blasen entleert
(2—10), bis erbsengroß; nur eine Blase erreichte die Größe eines kleinen Apfels.
In die vorgeschlagene Operation willigte Pat. nicht ein. Die Deuserscheinungen
waren sekundäre.
Aus der Literatur bringt D. mehrere Fälle von ähnlich langer Dauer des
Leidens (u. a. den Fall von G. J. Baradulin — Med. Obosrenje 1905 Nr. 20 —:
Ein 45jähriger Geistlicher; seit dem 16. Jahre Nierenkolik; im 38. Jahre bemerkte
er zum ersten Male den Abgang einer Blase mit 50 Tochterblasen; Nephrektomie
rechts; mit Fistel entlassen). D. hat früher auch einen Fall von Leberechinokokkus
mit ähnlichem Verlaufe beschrieben (Med. Obosrenje 1905 Nr. 22): Der Echino-
kokkus entleerte sich periodisch durch die Gallengänge in den Darm, was durch
die Anamnese und Untersuchung des Kotes festgestellt wurde.
E. Qückel (Wel. Bubny, Poltawa..
37) O. Brian. Uber eine aus Knochenmark bestehende Geschwulst
zwischen Niere und Nebenniere.
(Virchow’s Archiv Bd. CLXXXVI. p. 258.)
Bei einer 62jährigen Frau, die an mehrfachen Geschwülsten gelitten hatte —
Mammakarzinom — Uteruskarzinom — Kystome der Ovarien und Uterusmyome —,
fand sich bei der Sektion zwischen Niere und Nebenniere eine eigroße, auf dem
Durchschnitt rotbraun gefärbte Geschwulst, die sich bei genauer histologischer
Untersuchung als vollständig aus Knochenmark bestehend erwies. Erklärt wird
das Entstehen der Geschwulst durch eine Heterotopie des Knochenmarkes im
Laufe der embryonalen Entwicklung. Alles genauere Detail ist im Originale nach-
zulesen. Am Schluß der Arbeit ein ausführliches Literaturverzeichnis.
Doering (Göttingen).
38) Ghon und Mucha. Zur Ätiologie der perinephritischen Abszesse.
(Beiträge zur Kenntnis des anaeroben Bakterien des Menschen.)
(Zentralblatt für Bakteriologie usw. Bd. XLII. Hft. 6.)
Verff. fanden in dem grünlichgelben, stinkenden Eiter eines in der v. Eisels-
berg’schen Klinik geöffneten perinephritischen Abszesses ausschließlich und in
ziemlich reichlicher Menge bisher unbekannte, grampositive, mittelstarke Bazillen,
die Sporen bildeten und streng anaerob wuchsen. Die Beschreibung des Keimes
in seinen morphologischen, kulturellen und biochemischen Eigenschaften und in
seinem schwach tierpathogenen Verhalten hat nur fachwissenschaftliches Interesse.
W. Goebel (Köln).
39) W. Albrecht. Über metastatische paranephritische Abszesse.
(Beiträge zur klin. Chirurgie Bd. L. Hft. 1.)
Aus der v. Bruns’schen Klinik veröffentlicht Verf. sechs Fälle von para-
nephritischen Abszessen, bei welchen sich als Ausgangspunkt der Metastase 3mal
Furunkel, 2mal Panaritien und imal Afterabszeß nachweisen ließen.
Bezüglich des näheren Infektionsvorganges schließt sich Verf. der Auffassung
an, daß die metastktische, paranephritische Infektion meist, wenn auch nicht aus-
nahmslos, durch die Niere vermittelt wird derart, daß ein primärer Nierenabszeß
durch Überleitung oder Durchbruch die pararenale Eiterung bedingt.
Reich (Tübingen).
1392 Zentralblatt für Chirurgie. Nr. 52.
40) O. J. Wijnhausen. Bijdrage tot de kennis van de Cytodiagnostiek
der Hydroceles.
(Nederl. Tijdschr. v. Geneesk. 1906. Nr. 14.)
Verf. hat in 58 Fällen die Punktionsflüssigkeit von — meist chronischen —
Hydrokelen oytologisch untersucht. Die Zahl der Formelemente in ihr war sehr
wechselnd. Die Flüssigkeit von gewöhnlich chronischen Hydrokelen enthält meist
sehr wenige. Man findet am häufigsten Endothelzellen, doch sind immer auch
Lymphocyten vorhanden. Enthält die Hydrokelenflüssigkeit viele Formelemente
und besonders Lymphocyten, so muß man ätiologisch an Tuberkulose denken. —
Die akute Hydrokele enthält viele polynukleäre Leukocyten.
E. H. van Lier (Amsterdam).
41) Blanck. Zur Kenntnis der Geschwülste des Bauchhodens.
Inaug.-Diss., Rostock, 1906.
Im Anschluß an einen in der Rostocker Klinik operierten Fall hat Verf. die
Literatur über obige Erkrankung zusammengestellt und 19 Fälle gefunden, in denen
es sich neunmal um Sarkom, fünfmal um Karzinom, zweimal um eine Misch-
geschwulst (Sarkom mit epitheloiden Zellkomplexen von karzinomatösem Charakter
und Myxosarkom) handelte. Über den histologischen Befund der fehlenden drei
Geschwülste ist nichts angegeben. Grunert (Dresden).
42) Schön. Maligne Hodengeschwülste in den beiden ersten Lebens-
dezennien.
Inaug.-Diss., Leipzig, 1903.
S. stellt die bisher beobachteten Fälle zusammen und berichtet über folgenden
von Tillmanns operierten Fall von Hodenkrebs bei einem 11/, Jahre alten Kinde:
Seit einigen Monaten allmähliche Anschwellung des linken Hodens, bei der Auf-
nahme rundliche, prall elastische, schmerzlose Hodengeschwulst mit normalem
Nebenhoden und Samenstrang. Kastration. Der entfernte, etwas über taubenei-
große Hoden zeigte äußerlich vollkommen glatte Beschaffenheit, mikroskopisch
handelte es sich um ein Adenokarzinom.
S.’s Zusammenstellung von 71 Fällen von bösartigen Hodengeschwülsten zeigt,
daß 68% der Fälle im jüngsten Kindesalter vorkommen, daß ein rapider Abfall
vom 5.—1Ö5. Jahre stattfindet und erst von da ab wieder, in der Zeit der Pubertät,
eine Steigerung auftritt. Mohr (Bielefeld).
43) E. Schroeder (Königsberg). Eine ossifizierte Oyste des Ovariums.
(Zeitschrift für Gynäkologie u. Geburtshilfe Bd. LVII. Hft. 3.)
S. entfernte bei einer 31jährigen Pat. wegen Cervixkarzinom den Uterus mit
beiden Adnexen, welch letztere infolge einer überstandenen Infektion schwer ver-
ändert waren. Von besonderem Interesse ist allein die linksseitige, gänseeigroße
Eierstocksgeschwulst, die beim Betasten dasselbe Gefühl wie ein Kindskopf bei
Kraniotabes auslöste. Die Wand der Cyste — als solche erwies sich die Geschwulst —
war nämlich bis auf wenige weiche Partien von wahrer Knochensubstanz gebildet.
Mikroskopisch waren Knochenkörperchen mit feinen Ausläufern einwandsfrei nach-
zuweisen. Der Inhalt der Cyste bestand aus bernsteingelber, klarer Flüssigkeit
mit zahlreichen Cholestearinkristallen, ihre innere Auskleidung aus einer glatten,
glänzenden Haut, die sich mikroskopisch nur als Granulationsgewebe erwies (?).
Da die den Knochen umgebende Schicht Ovarialparenchym enthielt, ist der ova-
rielle Sitz der Knochencyste zweifellos. Ref. glaubt, daß wahrscheinlich ein durch
Entzündung degeneriertes Dermoid vorliegt. Kroemer (Gießen).
Originalmitteilungen, Monographien und Sonderdrucke wolle man
an Prof. B. Richter in Breslau (Kaiser Wilhelmstraße 115), oder an die Verlags-
handlung Breitkopf & Härtel, einsenden.
Druck und Verlag von Breitkopf & Hartel in Leipzig, Nürnbergerstraße 36/38.
Zentralblatt
CHIRURGIE
herausgegeben
von
E. vu Borman, Pi, Ace,
Dreiunddreißigster Jahrgang.
Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei halbjähriger
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.
Nr, 28. Beilage. 1906.
Bericht über die Verhandlungen
der
Deutschen Gesellschaft für Chirurgie,
XXXV. Kongreß,
abgehalten vom 4.—7. April 1906
im Langenbeck-Hause.
Druck und Verlag von Breitkopf und Hartel in Leipzig.
1906.
Inhalt.
Allgemeine chirurgische Pathologie und Therapie: 1) D&dderlein, Der primäre
Keimgehalt der Operationswunden. — 2) Wrede, Ausscheidung von Bakterien durch die
Schweißdrüsen. — 3) Kelling, Das Blut Krebskranker. — 4) Diskussion über die Stauungs-
hyperämie bei akuten Entzündungen. — 5) Klapp, Das Schröpfverfahren bei chirurgischer
Tuberkulose. — 6) Pochhammer, Tetanie. — 7) Krönlg, Rückenmarksanästhesie im Sko-
polamindämmerschlaf. — 8) Küster, Silberdrahtnaht. — 9) Clairmont, Röntgenbehandlung
allgemeiner Lymphomatose. — 10) Deikeskamp, Die Knochenarterien bei Knochenverren-
kungen und Frakturen. — 11) Lexer, 12) Tietze, Knochencysten. — 13) Wrede, Knochen-
aktinomykose. — 14) Könlg, Traumatische Osteome. — 15) Bosse, Hereditäre Gelenklues,
— 16) Hofmann, Knöcherne Ankylosen.
Kriegschirurgie: 17) Zoege v. Manteuffel, Erste Hilfe auf dem Schlachtfelde. —
18) Schaefer, Diensttauglichkeit nach Schußverletzungen. — 19) Goldammer, Trockene
Wundbehandlung in Sidwestafrika. — 20) Bornhaupt, Gelenkschiisse. — 21) Brentano,
Gefäßschüsse. — 22) Colmers, Schußfrakturen. — 23) Henle, Nervenschüsse. — 24) Hilde-
brandt, Schädelschüsse. — 25) v. Oettingen, Bauchschüsse.
Kopf und Gesicht: 26)Röttger, Schlafzustand nach Fall auf den Hinterkopf. — 27) Sauer-
bruch, Blutleere Operationen am Schädel. — 28) Borchardt, Zur Trepanation. — 29) Bor-
chard, Osteoplastische Deckung von Schädeldefekten. — 30) Krause, Operationen in der
hinteren Schädelgrube. — 31) Bardenheuer, Behandlung der Neuralgien. — 32) Steiner,
Facialisplastik. — 33) Eckstein, Nasenplastik durch Paraffin. — 34) Schultze, Gesichts-
lupus. — 35) Plücker, Mißbildung des Gesichtsskeletts. — 36) Bunge, Uranoplastik. —
37) Zondek, Mikulicz’sche Krankheit. — 38) Heidenhaln, Zungenkrebs.
Wirbelsäule, Hals und Brust: 39) Braun, Rückenmarksschuß. — 40) Riedel, Hals-
fistel. — 41) Rehn, Thymusstenose und Thymustod. — 42) Kocher, 1000 Kropfexzisionen.
— 43) Payr, Transplantation von Schilddrüsengewebe in die Milz. — 44) Noetzel, Infek-
tion und Bakterienresorption in der Pleurahöhle. — 45) Goebell, 46) Wendel, 47) Sultan,
Herzverletzungen. — 48) und 49) Kölliker und Glücksmann, Osophagoskopisches.
Bauchhéhle und Bauchorgane: 60) Dreesmann, Tampondrainage der Bauchhöhle. —
51) Sprengel, Schenkelbrüche. — 52) Graser, Nabel- und Bauchwandbrüche. — 53) Krön-
leln, Die operative Behandlung des Magengeschwirs. — 64) Neugebauer, Hirschsprung-
sche Krankheit. — 55) Kraske, Die Operation hochsitzender Mastdarmkrebse. — 56) Jaffé,
Milzexstirpation bei Banti’scher Krankbeit. — 57) v. Stubenrauch, Plastische Operationen
am Gallensystem. — 58) Blecher, Pankreasruptur. — 59) Doberauer, Pankreatitis.
Harnorgane: 60) Neumann, Blasenzerreißung.
Gliedmaßen: 61) Lexer, Radiusbruch. — 62) Rosenberger, Eiterung der Fingergelenke.
— 63) Bardenheuer, Hüftgelenkpfannenresektion. — 64) Braun, Willkürliche Hüftver-
renkung. — 65) v. Brunn, Schicksal des Silberdrahtes bei Kniescheibennaht. — 66) Kausch,
Knochenimplantation. — 67) Lossen, Unterschenkelvaricen und -Geschwüre. — 68) Bor-
chard, Sarkomatöses Unterschenkelangiom. — 69) Brodnitz, Osteoplastische Resektion des
Fußgelenkes. — 70)Samter, Plastische Deckung von Exartikulationsstümpfen. — 71) Draudt,
Extremitätenmißbildung. — 72) Joachimsthal, Fußdeformitäten.
Allgemeine chirurgische Pathologie und Therapie.
1) Döderlein (Tübingen). Bakteriologische Experimental-
untersuchungen über den primären Keimgehalt der Opera-
tionswunden mit einem neuen Vorschlag zu dessen Ver-
hütung. (Mit Demonstrationen.)
Redner berichtet über bakteriologische Untersuchungen über den
primären Keimgehalt der Bauchhöhle und Bauchwunde, die er im
Verfolge früherer wieder aufgenommen und bei 100 Laparotomien
durchgeführt hat. Das erste Ergebnis dieser geht dahin, daß trotz
des modernen und verschärften Wundschutzes, bestehend in peinlich-
ster Asepsis, Gebrauch von Gummihandschuhen, Gummimanschetten,
Gesichtsmaske, Küstner’schem Gummituch zum Abdecken des Opera-
tionsfeldes, sowohl Bauchhöhle wie Bauchwunde in jedem Falle keim-
haltig werden. Es stimmt dieses Untersuchungsergebnis mit seinen
eigenen früheren, wie mit den Arbeiten von Brunner, Schenk und
Lichtenstein überein, wonach keimfreies Operieren überhaupt un-
erreichbar wäre. Redner ist mit diesen Autoren auch einig in der
Annahme, daß als letzte und hauptsächlichste Infektionsquelle für die
Operationswunden die Haut des Operationsgebietes selbst, für Laparo-
tomien also die Bauchhaut, in Betracht kommt. Zur Ausschaltung
dieser genügt, wie die Untersuchungen gezeigt haben, die Desinfektion
der Haut nicht, da ebensowenig, wie die verschiedensten Händedesin-
fektionen eine vollständige Entkeimung der Händehaut möglich machen,
auch die Bauchhaut durch Infektionsprozedur bis in ihre Tiefe hinein
frei von Spaltpilzen gemacht werden kann. Dagegen gelang es durch
ein bestimmtes Verfahren die Haut an der Abgabe ihrer Bakterien
zu verhindern, und zwar empfiehlt Redner hierzu folgendes:
Nachdem die Kranken durch Baden, Abseifen und Rasieren ge-
reinigt sind, wird die Haut des Operationsgebietes, bei Laparotomien
also die Bauchhaut und die angrenzenden Partien der Oberschenkel,
mit Formalinbenzin oder Jodbenzin (Heussner) intensiv abgerieben
und sodann mit reiner Jodtinktur bepinselt. Es soll dadurch die Haut
für die Dauer der Operation möglichst derb gemacht werden. Über
diesen Jodanstrich wird dann durch eine sorgfältig hergestellte, sterili-
sierte Gummilösung eine mit der Haut sich fest verbindende Gummi-
membran erzeugt!. Nach wenigen Minuten ist die Gummilösung auf
der Haut durch Verdampfen des Benzins getrocknet, durch Bestreuen
1 Ein hierzu nötiges und zweckdienliches Instrument, sowie die unter dem
Namen »Gaudanin« geschützte Lösung ist zu beziehen durch Zieger & Wigand
Leipzig-Volkmarsdorf, Gummiwarenfabrik.
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mit sterilisiertem Talcum wird ihre Klebrigkeit beseitigt, und es ist
jetzt eine dünne, glatte, glänzende, sterile Gummimembran fest mit
der Haut verbunden, die über die Dauer der Operation hinweg die
Keimabgabe der Haut zuverlässig verhindert und nach der Operation
durch Abwaschen mit Benzin leicht beseitigt werden kann. Redner
demonstriert zahlreiche Kulturproben, die bei Laparotomien gewonnen
wurden, und auf der einen Seite den Keimgehalt der ohne Gummi-
schutz durchgeführten Operation, auf der anderen Seite aber die Keim-
freiheit solcher unter vollem Gummischutz ausgeführter zeigen und
schließt damit, daß durch Ausschalten dieser letzten Infektionsquelle
das von Lister erstrebte Ideal keimfreien Operierens erreicht sei.
(Erscheint ausführlich in der deutschen med. Wochenschrift.)
(Selbstbericht.)
Diskussion.
M. v. Brunn (Tübingen): In der v. Bruns’schen Klinik wurden
Parallelversuche mit dem verschärften Wundschutz Döderlein’s an-
gestellt. Aus einigen 60 Versuchsreihen ergab sich, daß nach der
gewöhnlichen Desinfektion das Operationsfeld stets mehr oder weriger
große, nur allzuoft aber geradezu verblüffend große Bakterienmengen
enthält. Eine Festlegung dieser Bakterien ist dringend erwünscht.
Die Gummidecke leistet diese Festlegung in idealer Weise. Sie haftet
ausgezeichnet und ist trotz ihrer Dünne sehr haltbar. Es gelingt
durch sie, auch in sehr bakterienreichen Gebieten ein steriles Opera-
tionsfeld zu erzielen. In der v. Bruns’schen Klinik wird die in der
Fabrik erhältliche Gummistammlösung mit Jodbenzin bis zu einem
Jodgehalt von 2°/,, verdünnt und eine Desinfektion mit 1%/,‚igem Jod-
benzin nach Heusner der Anlegung des Gummiüberzuges voraus-
geschickt. (Selbstbericht.)
Heusner (Barmen) verwirft das Waschen der Haut vollkommen,
er will die Haut nur durch Aufpinseln einer 1°/,.igen Jodbenzinlösung,
der etwas Paraffinöl zugesetzt ist, bepinselt und dadurch die Keime
fixiert wissen.
v. Oettingen (Berlin) rät, namentlich im Kriege, die Umgebung
der Wunden mit einer Mastixlösung (Mastix 20,0, Chloroform 50,0,
Ol. Lin. gtt. 20) zu bestreichen und danach sterile Gaze auf der
Wunde zu befestigen. Herhold (Altona).
Herhold (Altona) bevorzugt dem gegenüber die vorschriftsmäßigen
Verbandpäckchen. (Selbstbericht.}
2) Wrede (Kénigsberg). Uber Ausscheidung von Bakterien
durch die Schweißdrüsen.
Die Ausscheidung von Bakterien mit dem SchweiB behielte ihre
groBe klinische Bedeutung, auch wenn sie nicht als Kampfmittel des
Körpers gegen die Bakterien in Betracht kommt, wie man früher wohl
annahm.
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Klinische Untersuchungen über das Vorkommen einer solchen
Ausscheidung haben jedoch zu widersprechenden Ergebnissen geführt.
Sie lassen sich auch nicht einwandsfrei anstellen, weil man die in den
Poren der Haut sitzenden Bakterien nicht ausschalten kann.
Experimentelle Untersuchungen sind nur von Brunner gemacht
worden. Nach Injektion der entsprechenden Bakterien in die Blut-
bahn gelang es ihm, im Schweiß einer Katze Milzbrandbazillen, im
Schweiß eines Ferkels in zwei von drei Untersuchungen den Staphylo-
kokkus pyogenes aureus und im Schweiß eines anderen Ferkels den
Bacillus prodigiosus nachzuweisen.
Krikliwy konnte Brunner’s Resultat bezüglich des Milzbrand-
bazillus nicht bestätigen. Gegen den Staphylokokkenversuch läßt sich
einwenden, daß der Staphylokokkus pyogenes aureus schon spontan
auf dem gewählten Untersuchungsgebiete, dem Schweinerüssel, vor-
kommt. Vortr. hat daher den dritten Versuch Brunner’s mit dem
Prodigiosusbazillus gleichfalls nachgeprüft, konnte jedoch trotz 6maliger
Wiederholung dessen Ergebnis nicht bestätigen.
Vortr. kommt daher zu dem Schluß, daß bisher ein einwands-
freier Beweis dafür noch nicht erbracht ist, daß Bakterien von den
Schweißdrüsen aus der Blutbahn ausgeschieden werden.
(Selbstbericht.)
Diskussion.
Brunner (Münsterlingen) berichtet über seine Versuche (Ein-
spritzen von Prodigiosus in Schweine, in deren Schweiß — durch Pilo-
karpin reichlich erregt — derselbe dann leicht nachzuweisen war), für
deren Unanfechtbarkeit er eintritt. Goebel (Breslau).
Wrede(Königsberg): Gerade der von Brunner betonte gleichzeitige
Befund zahlreicher Bakterien auch im Speichel erklärt vielleicht den
Unterschied der Untersuchungsergebnisse. Die Tiere sondern unter der
Pilokarpinwirkung Speichel in Strömen ab. Brunner hat sie während
des Versuches unter Narkose gehalten. Wie leicht konnte also dabei
Speichel durch die Maske auf den Rüssel übertragen werden.
(Selbstbericht.)
3) Kelling (Dresden). Über eine neue hämolytische Reaktion
des Blutserums bei Krebskranken und ihre diagnostische
und statistische Verwendung in der Chirurgie.
Die Reaktion gründet sich darauf, daß bestimmte Wirbeltierblut-
körperchen, hauptsächlich vom Huhn, seltener vom Schwein und Schaf,
vom Blut der Krebskranken schneller und stärker gelöst werden als
von Gesunden und anderen Kranken und auch schneller und stärker
als die übrigen Wirbeltierblutkörperchen. Es zeigte sich, daß diese
Reaktion parallel ging zur Präzipitinreaktion, daß man durch dieselbe
unter besonderen Versuchsbedingungen sonst nicht palpable Krebs-
geschwülste diagnostizieren kann; das spezifische Lösungsvermögen ist
eee Ue ee
ferner konstant bei ein und demselben Krebskranken. Wie der pri-
mare Tumor, so reagieren auch die Metastasen. Exstirpation des
Tumors beseitigt die Reaktion; die spezifische Reaktion ist unabhängig
von der Zellform des Tumors. Die Reaktion läßt sich ferner wieder
erzielen durch Einspritzung von Geschwulstmassen in Tierkörper; und
zwar lassen sich die Geschwülste in zwei Gruppen teilen: in solche,
welche gegen ‚Wirbeltierblutkörperchen reagieren, deren Ursache auch
auf embryonale Wirbeltierzellen zurückführt, und in solche, welche
nicht reagieren, und deren Ursache er in Zellen wirbelloser Tiere
sucht. Er befürwortet, diese Reaktion an geschwulstkranken Pat.,
welche der Operation unterworfen werden, auszuführen, um bei den
verschiedenen Organen für die verschiedenen Geschwulstformen eine
Statistik biochemischer Reaktionen zu erhalten und so weitere Auf-
schlüsse über die Ursachen der Geschwulstbildung zu bekommen.
(Selbstbericht.)
4) Diskussion über die Stauungshyperämie bei akuten Ent-
zündungen.
Habs (Magdeburg): Kontraindikationen sind: 1) Erysipel. Bei
vier Fällen schritt das Erysipel rücksichtslos über die Stauungsbinde
weiter, ja es wurde schlimmer. 2) Vorhandensein von Venenthrom-
bosen (Embolie der Lunge in einem Falle). 3) Diabetes. — Arterio-
sklerose ist keine Kontraindikation.
Als prophylaktisches Mittel wurde die Stauung angewandt bei
vier Fällen von Verletzungen, die verspätet oder verschmiert in ärzt-
liche Behandlung kamen; weiter nach Extraktion von Fremdkörpern usw.
Stets wurde Eiterung vermieden. Die Stauung ist unwirksam gegen
die syphilitische Infektion.
Körte (Berlin) hat die Stauung trotz schwerem Diabetes bei
einem brandigen Daumenpanaritium angewandt. Das Brandige stieß
sich ab und der Finger heilte.
Croce (Berlin) (im Namen von Rotter) findet die Erfolge nicht
befriedigend bei Osteomyelitis, empfiehlt kleine Inzisionen, auch bei
beginnenden Phlegmonen, da sie nicht schaden. Die Anwendung der
Saugglocke bei Panaritien ist zu schmerzhaft und führt nicht zu guten
Resultaten. Aber bei subpektoralen und axillaren Abszessen hat sie
gutes geleistet. Bei perityphlitischem Abszeß wirkt die Saugung gut,
wenn keine Kommunikation mit dem Darme besteht; sehr gut ist sie
für Stichkanaleiterungen nach Operationen.
Sick (Hamburg) hat 250 Fälle nach Bier behandelt mit meist
günstiger Beeinflussung, besonders bei schweren Phlegmonen. Er be-
tont die Aufhebung der Schmerzen, die schnellere Heilung, das bessere
funktionelle Resultat. Deletär wirkte die Behandlung bei Strepto-
kokkenphlegmonen, hier trat akute Hautgangrän ein; ebenso bei Dia-
betikern, bei varikösen Geschwüren und Thrombose, resp. Thrombo-
— —
phlebitis. Ein Kranker starb. Bei Erysipel war die Methode in ein-
zelnen Fällen vortrefflich, in einem Fall aber veranlaßte zu starke
Schwellung und zu großer Schmerz das Fortlassen der Binde, über
welche das Erysipel hinwegschritt. Mehrmals trat letzteres während
der Stauung eiternder Wunden auf. Von Milzbrand wurden zwei
Fälle gut, einer konnte die Stauung bei sehr starkem, prallem Odem
nicht vertragen. Bei einem Falle von Osteomyelitis der Tibiadiaphyse
trat Vereiterung des Kniegelenkes ein. Andererseits zeigte ein Mäd-
chen mit schwerer Angina und Schultergelenksvereiterung gutes Re-
sultat.
Die Methode eignet sich bloß für die Krankenhausbehandlung,
da sie zu aufmerksame Überwachung verlangt. Goebel (Breslau).
Stich (Breslau) berichtet über die Erfahrungen an der Garr?-
schen Klinik, die sich auf über 200 genauer registrierte und zahlreiche
leichtere, ausnahmslos günstig verlaufene Fälle aufbauen. Auf sehr
gute Erfolge kann die Garr&’sche Klinik bei der Behandlung akuter
Sehnenscheidenphlegmonen und Panaritien zurückblicken. Es wird
dies — neben der Stauungsbehandlung — auf die kleinen Inzisionen
und die möglichste Vermeidung der Tamponade zurückgeführt. Ein
ungünstig verlaufener Fall ist event. technischen Schwierigkeiten zu-
zuschreiben. Das enorme reaktive Odem erschwert nämlich bei der
Stauungsbehandlung öfters den frühzeitigen Nachweis von Eiter.
Bei der akuten Osteomyelitis hat die Stauungshyperämie auch in
frischen Fällen oft versagt. Garrè will deshalb hier wieder sofort
den Knochen eröffnen. Den Grund hierfür bildet namentlich ein ein-
gehender geschilderter Fall von Osteomyelitis der oberen Humerus-
metaphyse, bei dem unter der Stauung, obwohl — bei beseitigten
Schmerzen — wohl kaum technische Fehler gemacht wurden, im
Laufe einiger Wochen die ganze Humerusdiaphyse nekrotisch wurde.
Die Anwendung der Saugglocke bot bei der puerperalen Mastitis
einige Male insofern Schwierigkeiten, als — wohl infolge lebhafter
Granulationsbildung und dadurch verursachten Ventilverschlusses —
einige Tage nach der Stichinzision kein Eiter mehr abfloß. Erst als
in diesen Fällen ein kleines Drain eingeführt wurde, waren auch
hierbei die Resultate gute. |
Nachteile der Stauungsbehandlung wurden, abgesehen von den
erwähnten Fällen, nie beobachtet, speziell nie ein Erysipel oder die
Entstehung von Abszessen an den Stauungsstellen bei pyogenen All-
gemeininfektionen.
Besonders beachtenswert erscheint die prophylaktische ‘Stauung .
bei infektionsverdächtigen Wunden, z. B. nach primärer Sehnennaht.
(Selbstbericht.)
Danielsen (Marburg) hat 260 Fälle nach Bier behandelt, und
zwar viele Fälle poliklinisch, die sonst stationär behandelt wären. In
sechs Fällen (= 2%) versagte die Methode. Auch wenn die Entzün-
dungserscheinungen in einigen Tagen noch nicht zurückgehen, soll
— —
man noch warten. Erst wenn die Entzündungserscheinungen das Stau-
ungsgebiet überschreiten und hohe Temperaturen eintreten, ist die alte
Behandlung indiziert. D. beobachtete auch bei partieller Sehnen-
nekrose Erhaltung der Funktion. Goebel (Breslau).
Bardenheuer (Köln) bekennt sich als begeisterter Anhänger der
Bier’schen Stauung. Er macht jedoch darauf aufmerksam, daß allzu-
leicht eine Reihe Fehler im Anfang gemacht würden und führt die-
selben namentlich an. Erst seit dem Augenblicke, wo er durch das
Entgegenkommen von Geh.-Rat Bier einen seiner Assistenten auf einen
Monat gegen einen solchen von Geh.-Rat Bier austauschen konnte,
ist er in der Handhabung der Methode sicher geworden und hat vor-
zügliche Resultate zu verzeichnen.
Die Bier’sche Stauung erheischt sehr viel Aufmerksamkeit und
Sachkenntnis und darf nicht aus der Hand des einen Assistenten in
die Hand des anderen wandern. B. bespricht die Resultate, welche
er mit derselben gehabt hat, und hebt für alle Entzündungsformen
die gleiche Wirksamkeit der Methode hervor. Besonders wirksam
hat sich dieselbe gezeigt bei Sehnenscheidenphlegmonen, zumal den
sog. V-Phlegmonen, wenn die beiden Bursae synoviales der Finger-
beuger vereitert waren. Gute Resultate hatte B. ferner besonders
bei akuter Vereiterung von Gelenken (Knie-, Fußgelenk, Schulter-,
Ellbogen-, Fingergelenken), bei akuter eitriger Osteomyelitis und Peri-
ostitis, bei phlegmonöser Bursitis und anderen Phlegmonen, bei
Parulis, Karbunkeln und Abszessen.
B. hebt besonders die Sehnenscheidenphlegmonen hervor, deren
er 12 behandelt und 10 mit fast voller Funktion geheilt hat, wie die
herumgereichten Photographien zeigen. Unter den Sehnenscheiden-
phlegmonen befanden sich 7 V-Phlegmonen, von denen 6 mit nahezu
voller Funktion heilten. Fast ebenso gut waren die Resultate bei
Osteomyelitis und eitriger Periostitis. Behandelt wurden 7 Fälle von
Osteomyelitis des Femur, der Tibia, Fibula, des Talus und Calcancus,
des unteren Humerusendes und der Ulna. 2 Fälle waren sehr schwer,
darunter einmal multiple Osteomyelitis mit Sepsis, 4 Fälle mittelschwer,
1 Fall leicht. Geheilt wurden unter Stauung und kleinen Inzisionen
alle 7 Fälle, 2 darunter allerdings mit Bildung von Sequestern, die später
entfernt werden mußten. Im Röntgenbilde zeigten 4 Fälle Verände-
rungen, deren Bilder vorgelegt wurden. Auffallend günstig wirkte
die Stauung in 8 Fällen von Gelenkvereiterungen, die teils infolge
Stichverletzung, teils fortgeleitet von benachbarten osteomyelitischen
Knochenherden oder als pyämische Metastasen entstanden waren. So
heilten in einem Falle Osteomyelitis der Tibia, das vereiterte Knie-
und FuBgelenk, sowie das pyämisch vereiterte Ellbogengelenk fast mit
voller Beweglichkeit. In einem 2. Falle von Osteomyelitis des unteren
Endes der Fibula, des Talus und Calcaneus, Vereiterung des Sprung-
gelenkes und Chopart’schen Gelenkes trat Heilung mit völliger Er-
haltung der Beweglichkeit in beiden Gelenken ein. Abgesehen von
diesen Fallen verliefen giinstig und heilten mit nahezu voller Funktion
PIERRE
eine spontane Vereiterung des Schultergelenkes, 3 traumatisch ver-
eiterte Fingergelenke. Mit Versteifung heilte ein traumatisch ver-
eitertes Kniegelenk; nach ausgedehnter Resektion heilte ein vereitertes
Schultergelenk nach Stichverletzung, an dem die Stauung einen Miß-
erfolg hatte. (Selbstbericht.)
Heidenhain (Worms) betont, daß man 1) nicht genug darauf
achten kann, daß das Odem in der Stauungspause verschwindet, und
daß man später weniger lange staut; daß man 2) immer den Eiter
entleert. Er hat in letzter Zeit die Sehnenscheiden quer in den Falten
der Haut gespalten, so daß die Narben später nicht sicht- und fühl-
bar, oder störend sind. Es ist ihm aufgefallen, wie beweglich die
Narben nach Stauungsbehandlung sind. Daher hat er prinzipiell alle
Verletzungen der Finger zweimal täglich mit prophylaktischer Stauung
behandelt. Goebel (Breslau).
Lexer (Königsberg): Die Erkenntnis, daß bei der Behandlung
örtlicher Infektionen eine Vernichtung der Infektionsstoffe durch kein
äußeres Mittel erreicht werden kann, hat zu dem Grundsatze geführt,
die rasche Entfernung der Infektionsstoffe aus dem Ent-
zündungsherde zu erstreben, und man hat dies durch frühzeitige Ein-
schnitte und durch die Saugkraft der Tamponade erreicht. Den
dritten noch möglichen Weg hat Bier beschritten. Der Grundgedanke
seiner Behandlung ist, durch Steigerung der natürlichen Abwehr-
vorgänge das Gewebe bzw. den Organismus in Stand zu setzen,
selbst mit der Infektion fertig zu werden. Ein solches Verfahren
kann sich ohne Gefahr nur bei verhältnismäßig leichten Formen durch-
führen lassen, bei schweren ist es ein gewagtes Spiel. Denn mehr
noch als bei jeder anderen Behandlung hängt hier der Ausgang von
der Schwere der Infektion und der Widerstandskraft des Körpers ab.
L. hatte bei allen leichteren Formen mit geringem Fortschreiten
und geringem Fieber gute Erfolge. Doch war der Gesamtverlauf
nicht kürzer, da man noch über die Heilung hinaus zu stauen
gezwungen ist, um Rezidive zu vermeiden. Bei schwereren Fällen
war der Erfolg verschieden. Günstigen Ausgängen stehen örtliche
und allgemeine Verschlimmerungen gegenüber, welche durch die
Stauungsbehandlung herbeigeführt worden sind. Eine Erklärung
hierfür sieht L. in den gesteigerten Vorgängen im Entzündungs-
gebiete, welche unter Umständen, nämlich bei heftigen Infektionen,
für das Gewebe schädlich werden. Es läßt sich dies kurz dahin zu-
sammenfassen, daß infolge der örtlich vermehrten Schutzstoffe eine
gesteigerte Bakteriolyse eintritt, daß dadurch bei schweren Infektionen
eine große Menge der Endotoxine der Eitererreger frei wird, welche
sich während der Stauung infolge verminderter Resorption anhäuft,
infolge vermehrter Transudation weithin in die Umgebung des Herdes
verbreitet, je nach der Dauer der Einwirkung und dem Grade der
Konzentration das Gewebe schädigt und so den Boden vorbereitet für
die ebenfalls vermehrten gewebslösenden Fermente.
Zur, A, ne
Daher die Kataplasmawirkung der Stauung, das rasche und weit-
gehende Einschmelzen der Infiltrate, die ausgedehnte Unterminierung
der Haut, die Durchbrüche des Eiters in die gesunde Umgebung und
der oft verschleppte Verlauf durch immer neu entstehende Infiltrate
und Abszesse. Durch die Endotoxine besonders der Streptokokken
kommt die häufig bei der Stauung auftretende erysipelähnliche Röte
der Haut zustande. Das nicht selten beobachtete wirkliche Erysipel
während der Stauungsbehandlung erklärt L. durch Überempfindlichkeit
des Organismus infolge der resorbierten Streptokokkenendotoxine.
Eine bakterielle Allgemeininfektion kann infolge der vermehrten Re-
sorption nach Abnahme der Binde eintreten. In der Eingangspforte
finden sich die Krankheitserreger fast stets bis zur Heilung vor.
Zwar wird die ganze Arbeit, welche man dem Gewebe und dem
Organismus bei der Stauungsbehandlung zur Bekämpfung des Feindes
zumutet, noch durch Einschnitte unterstützt. Aber sie bilden nur ein
nebensächliches Moment des Verfahrens und werden möglichst klein
angelegt, und nur nach eingetretener Reifung. Es ist zu betonen,
daß man auch mit den bisherigen Verfahren bei subkutanen und
tendinösen Panaritien, wenn sie frisch inzidiert wurden und leicht
verliefen, ausgezeichnete funktionelle Erfolge hatte.
Alle Nachteile, welche die Stauungsbehandlung einem heftig ent-
zündeten Gewebe bringen muß, fallen fort, wenn es sich um breite,
offene Verletzungs- und Operationswunden handelt, oder wenn Ent-
zündungsherde vor der Einleitung der Stauung breit inzidiert worden
sind. Denn hier wirkt die Hauptkraft der Stauungshyperämie, das
mechanische Ausschwemmen der Infektionsstoffe mit dem
Transsudate nach außen; und gleichzeitig kommt wieder der alte Be-
handlungsgrundsatz, die Entfernung der Infektionsstoffe aus dem
Herde, zur vollen Geltung. Deshalb empfiehlt L. die Stauungs-
behandlung in schweren Fällen nur als Ersatz der Tamponade; und
zwar soll sie erst dann zur Anwendung kommen, wenn frühzeitig und
gründlich inzidiert ist, und die Blutung durch primäre Tamponade
steht.
Das Fortlassen der feststellenden Verbände wird ebenso verworfen
wie das frühe Bewegen und das Ausdrücken des Eiters.
Die Saugbehandlung, bei welcher von vornherein der Hauptnach-
druck auf der mechanischen Entfernung der Infektionsstoffe liegt,
wirkt ausgezeichnet und rasch, wo es sich um erweichte Infiltrate oder
bei Furunkeln um nekrotische Pfröpfe handelt. Dagegen wird bei
nicht begrenzten, noch im Fortschreiten begriffenen Entzündunfen
trotz Stichinzision der Verlauf leicht verschleppt, die Einschmelzung
leicht vermehrt und die Ausbreitung in die Tiefe oft gefördert. Auch
das regenerative Infiltrat ist größer und hartnäckiger als nach der
Schnittbehandlung ohne Saugung. (Selbstbericht..
Perthes (Leipzig). Der Grund der giinstigen Wirkung der Aspira-
tion, den wir bei Furunkeln, Karbunkeln — auch beim diabetischen —,
Ze, ji ar
Panaritien und Mastitis augenfällig beobachten, ist nicht nur in der
Hyperämie, wie in der Entfernung des Eiters und nekrotischer
Pfröpfe zu suchen; es ist vielmehr wesentlich, daB sich die Wirkung
der Aspiration weit in das Gewebe erstreckt und hier einen zu der
Inzisionswunde bzw. zu einem Hautdefekte hingehenden Saftstrom er-
zeugt. Dadurch werden die Bakteriengifte nicht nur verdiinnt, sondern
auch nach außen abgeführt. Bereits im Jahre 1898 wurde diese
giftabführende Wirkung der Aspiration, diese » Umkehrung
des Lymphstromes« von P. in seiner Arbeit über Aspirationsbehandlung
des Empyems betont und experimentell bewiesen. Wenn man einem
Kaninchen das Doppelte der tödlichen Dosis Strychnin, gelöst in
2 ccm Wasser, in den Unterschenkel injiziert, einen Schnitt über die
infiltrierte Partie macht und 2 Stunden mit einem Unterdruck von
Alex. Schädel, Leipzig,
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50 ccm Wasser aspiriert, so treten überhaupt keine Krämpfe ein,
trotz Anwendung einer Dosis, die das Kontrolltier 5—10 Minuten
nach der Injektion mit einem plötzlichen Streckkrampf tot hinwirft.
Bei dem gleichen Versuche ohne Aspiration, aber mit Inzision, bleibt
das Tier am Leben, aber unter schweren Krämpfen. Bei Aspiration
ohne Inzision bleiben schwere Erscheinungen aus, so lange die Aspira-
tion funktioniert. Hört sie auf, so treten tödliche Streckkrämpfe ein.
Der Versuch veranschaulicht die giftabführende Wirkung der Aspira-
tion und beleuchtet auch den Wert der Inzision bei akuten Ent-
zündungen. Auch mit ‘einfacher Inzision in entzündetes Gewebe er-
reichen wir Abflu8 von Giftstoffen. Durch Aspiration wird diese
giinstige Wirkung wesentlich gesteigert. DaB, abgesehen von dieser
Ausspülung der Gewebe von Innen her, auch die Hyperämie an sich
Se. HR
einen günstigen Einfluß auf den Ablauf des Krankheitsprozesses bei
akuter Entzündung hat, zeigt sich bei Rückbildung beginnender
Furunkel und Panaritien unter Stauungshyperämie, also in Fällen, in
denen eine Offnung in der Haut nicht besteht.
Bei der praktischen Verwendung der Aspiration ist es von
wesentlicher Bedeutung, die Stärke der Aspiration beliebig regeln und
für bestimmte Zeit konstant erhalten zu können. Diese Möglichkeit
genauer Dosierung ist gegeben bei Verwendung des Bunsen’schen
Flaschenaspirators, der von Storch (Kopenhagen) und P. zur Aspira-
tionsdrainage des Empyems verwandt wurde. Das Wasser, das aus
einer Flasche a durch einen die seitlichen Tuben verbindenden
Gummischlauch in eine tiefer stehende Flasche 5 abzuströmen bestrebt
ist, erzeugt in der Flasche a und dem damit verbundenen Saugglas
für den Vorderarm bei luftdichtem Abschluß eine Luftverdünnung,
deren Grad sich nach der Niveaudifferenz der Wasserspiegel in beiden
Flaschen richtet und also durch Verschieben der Flaschen beliebig
und genau eingestellt werden kann. (Selbstbericht.)
Canon (Berlin) macht theoretische Bemerkungen mit Berück-
. sichtigung der Verhältnisse der Blutbakteriologie und empfiehlt lang-
same Aufhebung der Stauung, da bei raschem Aufheben Bakterien
in die Blutbahn treten können.
Hofmann (Karlsruhe) hat abdominelle Stauung angewandt, indem
die Binde in Nabelhöhe angelegt wurde. Bei einer Urinphlegmone
wurde so eine trockene Gangrän erzielt.
Die Leukocytose wird, auch außerhalb der Gefäße, bei der Saugung
von Fisteln verringert. Bei der Stauung wird der Blutdruck erhöht.
(Demonstration von sphygmographischen Kurven.) Wenn man zu stark
staut, bekommt man keine Erhöhung, sondern Verminderung des Blut-
druckes.
Heller (Greifswald) betont aus der Greifswalder Klinik besonders
den Wert der Methode bei infizierten Verletzungen; nicht so günstig
ist sie bei akuter Osteomyelitis; zweimal traten sekundäre Erysipele
(Streptokokken nachgewiesen) und zweimal Sekundärinfektionen auf;
ein Erysipelas migrans wanderte ohne weiteres über die Binde, drei
gangränöse Erysipele heilten rasch; einmal trat Thrombose der Arm-
vene auf. H. wünscht eine genauere Formulierung, wie weit man eine
wirksame Behandlung durch Stauung erwarten kann. Jedenfalls ist
die Stauungswirkung zeitlich begrenzt. Bei länger anhaltender Eite-
rung, bei Sinken der Körperkräfte läßt die lokale Reaktion nach;
dann also fort mit der Stauung.
Küster (Marburg) sah bei einem eiternden Nierenechinokokkus
mit widerwärtigem Geruch unter Saugen rasche Heilung eintreten.
Ranzi (Wien) hat stets eine Abkürzung der Heilungsdauer bei
Stauung, nicht aber, oder nur zum Teil, bei Saugung beobachtet. In
der ersten Zeit machte er trockene, später — wegen Verklebung der
et TR ne
Wundränder — feuchte Verbände. Man soll nicht zu früh aufhören,
besonders nicht bei Mastitiden und Panaritien.
Thöle (Danzig) spricht gegen diejenige Ansicht, welche die
Bier’sche Behandlung für eine wissenschaftliche hält. Die Bier’sche
Lehre ist von teleologisch-anthromorphistischen und mechanischen An-
schauungen beherrscht. Gegen die Bier’schen Ansichten ist auf die
Lehre von den Gefäßnerven zu verweisen, welche total vernachlässigt
wird. Goebel (Breslau).
Haasler (Halle) berichtet über seine Erfahrungen in der Hallenser
Klinik und Poliklinik.
Abgesehen von Furunkeln u. ä. wurden über 100 Fälle von
akuten Entzündungen aller Art nach dem Bier’schen Verfahren be-
handelt. Kopfstauung wurde bisher nicht angewendet.
Nachteilige Folgen wurden im allgemeinen nicht beobachtet.
In einem Falle von Achselabszeß, der poliklinisch mit Saugstauung
behandelt wurde, trat tödlich verlaufende Meningitis hinzu, doch bleibt
es, da eine genaue Sektion nicht ausgeführt wurde, zweifelhaft, ob ein
direkter kausaler Zusammenhang zwischen den beiden Entzündungen
bestand, ob durch frühzeitige ausgiebige Inzisionen der Ausgang abzu-
wenden gewesen wäre.
H. hat sich besonders für die Verwendbarkeit des Bier’schen
Verfahrens für die poliklinische Therapie interessiert, für seine
L eistungsfähigkeit bei den wichtigsten Formen der chirur-
gischen akuten Entzündung, den beginnenden progredienten
Infektionen, den Panaritien und Phlegmonen.
Um nicht die eine Methode nach der Erinnerung, die andere
nach dem augenblicklichen Eindrucke zu bewerten, hat H. von ca.
50 derartigen Fällen möglichst gleichwertige, nach Alter der Pat.,
Lokalisation, Intensität und Dauer der Infektion ausgewählt, die eine
Reihe nach der alten Behandlungsart, die andere nach Bier be-
handelt. Nach diesen möglichst exakten Vergleichen kann H. für
diese progredienten Entzündungsformen dem Bier’schen
Verfahren eine Uberlegenheit nicht zuerkennen.
Die Behandlungsdauer war nicht kürzer, die Behandlung für die
Pat. lästiger (Fingersauger, Zeitverlust); für die Arzte bedingt sie
viel Aufwand an Zeit und Raum; für den poliklinischen Unterricht
ist die Methode zu schwierig, zuwenig präzisiert in den Anweisungen,
die der Anfänger verlangt. H. wird daher in der poliklinischen Praxis
für diese progredienten Entzündungsformen zunächst die bisherige
Inzisionsbehandlung beibehalten, nur in gewissen Fällen (Sehnen-
beteiligung) mehr als Nachbehandlung das Bier’sche Verfahren an-
wenden.
Anders liegt der Fall bei den gut abgegrenzten akuten Entzün-
dungen, Furunkel, Abszesse u. & Dann besonders auch bei der Be-
handlung der Mastitis besitzt das Bier’sche Verfahren große Vorzüge
vor der alten Behandlungsart. H. hat an zwölf Mastitisfällen durch-
une | gr
weg überraschend günstige Resultate gesehen. Für diese Krankheits-
gruppen, sowie auch für manche andere akute Entzündungen, wie
z. B. die Arthritis gonorrhoica, ist dem Bier’schen Verfahren auch in
der poliklinischen Therapie ein bleibender Platz sicher.
(Selbstbericht.)
Blumberg (Berlin) demonstriert eine Pat., die seit 8 Wochen
Schmerzen am Endglied eines Fingers hatte. Eine kleine Offnung,
die ein Tröpfchen wasserklare Flüssigkeit entleerte, wurde zu 2 mm
Durchmesser erweitert und durch Saugung ein kleines Glasstückchen
entfernt. Goebel (Breslau).
H. Stettiner (Berlin) bemerkt auf Grund von etwa 60 meist
ambulant und mit Saugapparaten behandelten Fällen bezüglich der
Technik, daß er den Ersatz eines großen Glases durch mehrere
kleinere Gläser nicht für gleichwertig hält. Überhaupt kommt es viel
auf die richtige Form und Größe des Glases an. Der Panaritien-
sauger eignet sich für den Daumen, nicht so für die anderen Finger.
Bei Panaritien hat Redner aber gerade in einer Anzahl von Fällen,
in welchen er früher die Endphalanx geopfert hätte, durch die Saug-
methode nach vorheriger Inzision den Knochen erhalten können.
Auch bei Mastitis hat er gute Erfahrungen zu verzeichnen, namentlich
auch in der Beziehung, daß die Mutter das Stillungsgeschäft nur auf
kurze Zeit zu unterbrechen brauchte. Schließlich weist er darauf hin,
daß die Saugapparate in gewissem Sinne, wie das auch von Kocher
angedeutet ist, die Drainage ergänzen und ersetzen können. Wenn
nach einer Operation mit Entfernung des auf 24 Stunden eingelegten
Drains sich noch stärkere Sekretion zeigt, empfiehlt sich die An-
wendung eines Saugglases. Ebenso kommen durch ihre Anwendung
alte Fisteln ohne Anwendung des scharfen Löffels schnell zur Aus-
heilung, von denen übrigens erfahrungsgemäß ein großer Teil gerade
durch zu lange fortgesetzte Drainage oder Tamponade entstanden ist.
(Selbstbericht.!
Katzenstein (Berlin) fragt Herrn Hofmann, wie der Blutdruck
stärker werde, er glaube, daß es sich nur um eine scheinbare Erhöhung
des Blutdruckes handle.
Hofmann (Karlsruhe) legt den Hauptwert auf die Differenz des
diastolischen und systolischen Druckes. Es besteht eine Mehrarbeit
des Herzens, was zu beachten ist.
Gebele (München) hat 200 Fälle klinisch behandelt. Mastitis
mit vielen kleinen Abszessen führte zur Ablatio und später zu Tod an
Sepsis. Im großen und ganzen aber hatte er gute Erfolge und betont
Lexer gegenüber gerade den Vorteil, die Tamponade fortfallen lassen
zu können. Goebel (Breslau).
Klapp (Bonn) bespricht einige technische Kleinigkeiten. Er
empfiehlt, das Fingersaugglas mit einem abgeschnittenen weichen
Gummifingerling als Manschette zu beziehen. Die Anwendung ist
— 15 —
dann schonender. Uber die mehrfach geäußerten schlechten Resultate
bei Knochenpanaritien kann K. nicht klagen. Er hat häufig teilweise
Sequestrierungen gesehen, niemals aber den Verlust der ganzen
Phalangen.
K. zeigt ferner ein von Braun (Bonn) angegebenes einfaches
Verfahren zur Befestigung der Stauungsbinde, welches darin besteht,
daß das letzte Ende mit Wasser festgeklebt wird. Die Befestigung
ist recht praktisch und vollkommen sicher.
Hier und da geäußerte weniger gute Erfolge bei der Behandlung
der Mastitis mit der Saugglocke führt K. auf Mangel an Geduld und
technische Fehler zurück. (Selbstbericht.)
Bier (Bonn) hat 1500 akute Entzündungen behandelt, 1100 mit
Saugung. Von 25 Sehnenscheidenphlegmonen, wo die Sehne selbst
sichtbar war, sind 17 ohne jede, 8 mit partieller Nekrose geheilt, von
22 Fällen von akuter Osteomyelitis 11 mit, 10 ohne Nekrose; 1 starb
an Pyämie, die schon vorher bestand. Die ohne Nekrose geheilten
sind die leichteren Fälle.
Bei den Gelenken legt B. besonderes Gewicht darauf, daß schwere
traumatische — nicht nur die im allgemeinen leichter heilbaren meta-
statischen — Eiterungen günstig beeinflußt, zum Teil mit normaler
Funktion geheilt wurden.
Von 28 Ohreiterungen, davon 27 mit Mastoiditis, sind 16 mit
guter Hörfunktion geheilt, nur Stichinzision in den Warzenfortsatz-
abszeß (Kontrolle durch Spezialisten). Besonders die frischen Fälle
eignen sich für die Behandlung. |
Beziiglich des Erysipels und bei Streptomykose wurden keine guten
Erfolge beobachtet.
Lexer gegentiber betont B., daf es kein Prinzip ist, kleine In-
zisionen zu machen, aber, wo man mit ihnen auskommt, ist es eben
besser. Die aktiven Bewegungen sind richtiger als die passiven, und
zwar besonders die in warmen Bädern. Betreffs der mechanischen
Durchspülung ist zu bemerken, daß der ganze Vorgang noch zuwenig
geklärt ist, so daß man bestimmte Erklärungen noch nicht geben kann.
Feststellende Verbände verwirft er nicht prinzipiell, aber man kann
auf sie verzichten.
Schmerzen trotz Stauung sind nicht immer eine Kontraindikation
für diese; es kommt auf die richtige Technik an.
Thöle gegenüber weist B. auf die Wandlungen der Wissenschaft
hin und darauf, daß man ihn früher für einen Vitalisten gehalten habe,
während Thöle ihn jetzt für einen Mechaniker erkläre.
Als allgemeine Sätze betont B., daß die Hyperämie und ihre
Folgezustände nicht Schmerzen macht, sondern sie lindert, daß sie
nicht Nekrose macht, sondern sie vermeidet, daß die Entzündung end-
lich ein nützlicher Vorgang ist. Goebel (Breslau).
ou 6
5) Klapp (Bonn). Die Behandlung der chirurgischen Tu-
berkulose mit dem Schröpfverfahren.
K. bespricht in großen Zügen die Technik des Schröpfverfahrens,
wie es sich seither am besten zur Behandlung der chirurgischen Tuber-
kulose bewährt hat. Im allgemeinen schließt sich das Verfahren an
das bei akuten, lokalen Entzündungen geübte an. Die Dauer jeder
Sitzung braucht nicht so ängstlich innegehalten zu werden. Am besten
eignet sich die zur Erweichung (Abszeß- und Fistelbildung) neigende
Form der chirurgischen Tuberkulose.
K. geht dann etwas näher auf die Wirksamkeit der Schröpf-
behandlung ein und bespricht ferner die von Quervain und Garr?
gemachten Einwände gegen die Spaltung kalter Abszesse. Letztere
ist nicht zu rechtfertigen, wenn nicht mit einem hyperämisierenden
Verfahren nachbehandelt wird. Geschieht das aber, so bleibt die sonst
zu erwartende Sekundärinfektion aus, wie die Fälle der Bonner Klinik
beweisen.
Experimentelle Versuche haben erwiesen, daß die in Saugbehand-
lung befindlichen offenen Tuberkulosen eine recht geringe Infektiosität
besitzen. Die von Garrd befürchtete Gefahr für die Angehörigen
scheint demnach nicht groß zu sein.
Zum Schluß empfiehlt K. die Anwendung großer Sauggefäße
für die Behandlung synovialer Tuberkulosen. Dabei scheint eine
häufige Punktion des Exsudats günstig zu wirken, was in Anologie
steht zu den günstigen Resultaten, welche die Augenkliniker mit der
häufigen Punktion der vorderen Kammer bei der Iristuberkulose ge-
macht haben. (Selbstbericht.)
6) C. Pochhammer (Greifswald). Zur Prophylaxe und Be-
handlung des Tetanus.
P. weist zunächst kurz auf die Unzulänglichkeit der Serumbehand-
lung beim Tetanus hin. Nach Ausbruch des Starrkrampfes sei das
Antitoxin fast stets wirkungslos, wie man es auch appliziere. Mehr
zu erwarten ist dagegen von der prophylaktischen Verwendung des
Antitoxins, welche bereits von verschiedenen Seiten auf Grund günstiger
Erfahrungen empfohlen worden ist. Das Fehlschlagen der immuni-
sierenden Wirkung des Antitoxins bei frischen, einer Tetanusinfektion
verdächtigen Wunden ist bisher nur bei der prophylaktischen Verwertung
ausländischer Sera beobachtet. Eine nicht ausreichende Wirkung
der Schutzimpfung mit einem Antitoxinpräparat der Höchster Farb-
werke erlebte P. jedoch kürzlich bei einer schweren Maschinen-
verletzung eines Fußes. Die prophylaktische Injektion wurde 14 Stunden
nach dem Unfall ausgeführt. Trotz guten Wundverlaufes meldeten
sich 14 Tage später Vorboten eines ausbrechenden Starrkrampfes
in Gestalt lokaler Zuckungen und eigentümlich spannender
Schmerzen in dem verletzten Beine. 3 Wochen später setzten
ee:
erst ausgesprochene Allgemeinerscheinungen des Starrkrampfes ein,
Trismus und Opisthotonus. Es entstand das Bild des Tetanus as-
cendens, das sonst fast ausschließlich beim Tier beobachtet wird.
Der weitere Verlauf der Erkrankung war äußerst protrahiert.
Erst gegen Ende des tödlich verlaufenden Starrkrampfes setzten re-
flektorische Zwerchfellkrämpfe ein. Der Tod trat 39 Tage nach der
Verletzung ein, er wurde, wie auch die Obduktion ergab, lediglich
durch den Wundstarrkrampf herbeigeführt. Die prophylaktische Serum-
injektion hat entschieden den Beginn und den Verlauf des Starr-
krampfes bis zu einem gewissen Grad aufgehalten, den tödlichen Aus-
gang indes nicht abwenden können. P. rät daher, bei verdächtigen
Fällen sich nicht mit einer Schutzimpfung zu begnügen, sondern
dieselbe nach 10—14 Tagen zu wiederholen, besonders wenn sich
Vorboten eines ausbrechenden Starrkrampfes, wie lokale
Zuckungen und spannende Schmerzen in dem verletzten Gliede, be-
merkbar machen. (Selbstbericht.)
Diskussion.
Hecker (Stettin) schließt sich den Vorschlägen Pochhammer’s
an, daB mehrere Dosen Antitoxin gegeben werden, und berichtet über
seine Untersuchungen über häufiges Vorkommen von Tetanuserregern
in den Soldatenkleidern und Schuhen usw.
Riedel (Jena) hatte keinen Erfolg bei ausgebrochener Krankheit,
wohl aber bei prophylaktischer Anwendung. Er stellt es dahin, ob
hiermit nicht häufiger Versuche anzustellen wären.
Körte (Berlin) hat in 16 Jahren keine sechs Tetanusfälle, aber
als Assistent von Wilms in derselben Stadtgegend 14 gesehen; er
glaubt, daß der Tetanus sehr viel seltener geworden ist und würde
sich sehr besinnen, Tetanusantitoxin prophylaktisch einzuspritzen.
Goebel (Breslau).
Deutschländer (Hamburg) teilt eine Beobachtung mit, in der
es bei einem 20jährigen Mädchen trotz einer 18 Stunden nach dem
Auftreten der ersten Symptome erfolgten Einspritzung von 20 ccm
Serum zu einer äußerst stürmischen Entwicklung von Tetanuskrämpfen
kam, und in der dieselben nach reichlicher Entleerung des unter hohem
Drucke befindlichen Liquor cerebrospinalis durch Lumbalpunktion
bereits 1 Stunde nach der Punktion wie abgeschnitten aufhörten.
(Selbstbericht.)
Friedrich betont die territoriale Verbreitung des Tetanus; in
Pommern herrscht viel Tetanus. Kein Fall, der in der Klinik be-
handelt ist, ist tetanisch geworden, außer der von Pochhammer mit-
geteilte. Stauung nützt bei Tetanus nichts.
Zoege v. Manteuffel (Dorpat) hat die eingespritzten Fälle zu
Hause ebenso zugrunde gehen sehen wie im Kriege. Er hat von acht
Fällen nur einen durchgebracht. Er fragt, wann man denn im Krieg
einspritzen solle?
Chirurgen-Kongreß 1906. 2
ee) AR as
Henke (Charlottenburg) warnt vor dem Aufgeben der Serum-
therapie. Warum soll man die Injektionen nicht wiederholen? Das
Serum wirkt ja gegen das Gift, und nicht gegen die Bazillen.
Zoege v. Manteuffel (Dorpat): Es ist nicht zu vergessen, daß
die Inkubationszeit die Prognose gibt!
Hecker (Stettin): Jede schwere Verletzung wird mit Antitoxin
behandelt und niemals bemerkten wir eine Störung.
Riedinger (Würzburg) erwähnt einen Fall von Tetanus nach
Nagelverletzung des Fußes. In Würzburg kommen viele Fälle vor.
Territoriale Verhältnisse sind maßgebend. R. machte zweimal Ampu-
tation ohne Erfolg.
Körte (Berlin) macht auf die verschiedenen Formen des Tetanus
aufmerksam. Er hat einen puerperalen, der als schwerster gilt, mit
Morphium und Chloral geheilt.
v. Wrede (Petersburg) schließt sich Zoege v. Manteuffel an.
Die Fälle, die in den ersten 7 Tagen auftreten, sind verloren. Er be-
handelt mit Morphium-A tropin (letzteres, um den Kollaps zu vermeiden).
Von zwölf so behandelten Fällen sind acht geheilt. Das beste Antidot
ist bei den Krämpfen der Respirationsmuskeln der Sauerstoff.
Krönlein (Zürich) sieht in Zürich viele Fälle, warnt vor Ilu-
sionen bei Anwendung des Antitoxins. Er hat es subkutan, intra-
venös und auf beiden Wegen zu gleicher Zeit gegeben, ohne Erfolg,
wenigstens in den Fällen, die einen Prüfstein abgeben, also bei Te-
tanus acutissimus.
Braun (Göttingen) hat trotz prophylaktischer Impfung vier Fälle
von Tetanus gesehen und berichtet über einen Fall von operativem
Tetanus: Ein Pat. mit Schußverletzung des Knies erkrankte nach
8—9 Tagen an Tetanus. Ein Pat., der an Hernie am nächsten Tag
operiert wurde, erkrankte wenige Stunden später ebenfalls. Beide
starben. Der Tetanusbazillus ist äußerst widerstandsfähig, also lege
man besonderes Gewicht auf das Auskochen der Instrumente.
Bornhaupt (Riga) hat von 15 Fällen im Kriege nur drei geheilt,
trotz Einspritzung. Morphium wirkte gut. Die geheilten Fälle hatten
ein langes Inkubationsstadium (7—10 Tage).
Kocher (Bern) spricht zugunsten der prophylaktischen Injektion.
Ein Fall von schwerer, verschmierter Armverletzung, der konservativ
behandelt wurde, bekam trotz Injektion nach 3 Wochen Tetanus,
heilte aber.
Körte (Berlin) hat nie die prophylaktische Injektion gemacht
und sah trotzdem keinen Tetanus.
Hecker (Stettin) berichtet über Erfahrungen in China, und
erinnert an die bekannte Tatsache, daß in Cuba jeder Fußverletzung
Tetanus folgt.
— 19 —
Wendel (Marburg) erwähnt einen Fall (Küster), der einen Diener
Behring’s betraf. Derselbe infizierte sich mit stark virulentem Ma-
terial. Sofortige Auswaschung der Wunde mit und Injektion von
Tetanusantitoxin. Nach 3 Tagen Anfall, aber Heilung durch intra-
neurotische Injektion.
Zeller (Stuttgart) injizierte bei einem Fall allerschwersten Tetanus
die Hälfte der großen Dosis Antitoxin in den Wirbelkanal, die andere
Hälfte in den Schädel. Pat. wurde sofort besser, die Krämpfe sistier-
ten usw. Aber nach 24 Stunden Tod im Kollaps.
Deutschländer (Hamburg) betont nochmals, daB seiner Ansicht
nach die Lumbalpunktion durch Aufhebung des Druckes und Ent-
leerung des Giftes wirkt.
Pochhammer weist im Schlußworte darauf hin, daß sicher zu
impfen sind: Wunden am Fuße, besonders mit Gartenerde beschmutzte,
und Wunden, in die Fremdkörper geraten sind, insbesondere Schuß-
verletzungen. Goebel (Breslau).
7) Krönig (Freiburg i. Br.). Über Rückenmarksanästhesie
bei Laparotomien im Skopolamindämmerschlaf.
K. berichtet über Versuche, welche er mit einer Kombination von
Lumbalanästhesie mit dem Skopolamindämmerschlaf in der Freiburger
Universitäts-Frauenklinik durchgeführt hat. Die Rückenmarksanästhesie
allein, auch in ihrer verbesserten Form mit Stovain, Alypin usw., hat
bei Laparotomien und gynäkologischen Operationen bisher deshalb
wenig Anwendung gefunden, weil die unangenehmen Begleitumstände,
welche sich bei ausschließlicher Rückenmarksanästhesie bei den La-
parotomierten ergeben, zu erhebliche sind. Die unbequeme Lagerung
der Kranken auf dem Operationstische bei vaginalen und abdominellen
Laparotomien, das Anschnallen der Arme, die kaum zu vermeidenden
Anordnungen und Befehle des Operateuers während des operativen
Eingriffes beeinträchtigen die Psyche der Kranken so sehr, daß da-
durch postoperativ nervöse Störungen eintreten können. Das Ver-
fahren erscheint zu inhuman.
Durch relativ kleine Dosen von Skopolamin-Morphium sind wir,
wie Gauss bei Gebärenden gezeigt hat, in der Lage, einen Zustand
hervorzurufen, welchen man am besten mit dem Namen »Dämmer-
schlaf« bezeichnen kann, d. h. die Gebärenden perzipieren wohl den
Schmerz, aber sie apperzipieren ihn nicht mehr, oder die Erinnerungs-
bilder an den abgelaufenen Geburtsakt verwischen sich so schnell
wieder, daß bei Beendigung der Geburt die größte Zahl der Ge-
bärenden keine Ahnung von dem ganzen Vorgange hat. Diese Ver-
wischung der Erinnerungsbilder schien K. geeignet zu sein, der Rücken-
marksanästhesie bei Bauchhöhlenoperationen das Inhumane zu nehmen.
In einem Zeitintervall von 10 Wochen wurde in der Freiburger
2%
— 20 —
Klinik mit verschwindenden Ausnahmen weder bei geburtshilflichen,
noch bei gynäkologischen Operationen eine Inhalationsnarkose mehr
ausgeführt. In diese Zeit fallen 160 größere geburtshilfliche und gynä-
kologische Operationen, darunter 65 abdominelle Laparotomien, 28 va-
ginale Operationen mit Eröffnung der Bauchhöhle.
Die Technik ist folgende: Etwa 2 Stunden vor Beginn der
Operation erhält die Pat. eine Mischung von 3 dmg Skopolamin und
1 cg Morphium. Nach 1 Stunde wird diese Einspritzung wieder-
holt. Erweist sich nach Ablauf einer weiteren Stunde die Pat. noch
nicht im Dämmerschlaf befindlich, was am besten durch die Prüfung
der Erinnerungsbilder festgestellt wird, so wird jetzt Skopolamin
allein in kleinen Dosen von 1!/, dmg auf einmal injiziert. Mehr als
9 dmg Skopolamin und 2 cg Morphium gibt K. nicht. Ist nach dieser
Zeit noch kein Dammerschlaf eingetreten, so wird zur Einleitung des-
selben 1—1!/, Lachgasballon mit dem Bennetinhalor im Beginne der
Operation zur Einatmung gebracht. Sollte auch dies nicht genügen,
so wird Chloroformäther gegeben, wobei aber zu erwähnen ist, daß
dies niemals bei Stovaininjektionen in den Rückenmarkskanal nötig war.
Zur Erzielung des Dämmerschlafes ist es wichtig, vor allem die
Sinneseindrücke, Gehörs- und Gesichtsempfindungen von der Kranken
fern zu halten. Deshalb bekommen die Kranken eine große dunkel-
schwarze Brille aufgesetzt, außerdem werden Antiphone in den Hör-
gang gesteckt und darüber noch dicht abschließende große Gummi-
platten über die Ohrmuscheln gestülpt.
In den Rückenmarkskanal wurde in den meisten Fällen Stovain-
Billon eingespritzt, und zwar für Laparotomien 0,08—0,12 cg Stovain,
für vaginale Operationen mit Eröffnung der Bauchhöhle 0,08 cg Stovain.
In der Geburtshilfe wurde meist Novokain verwendet. Die Injektion
geschah in den letzten Fällen mit dem von K. angegebenen Apparat
zur Lumbalpunktion unter genauester Kontrolle des Druckes während
der Infusion.
Die Kranken wissen meist nachher von dem ganzen Ablauf der
Operation nichts, weil die Erinnerungsbilder verwischt sind. Die Frauen
schlafen meist tief und ruhig während der ganzen Operation. Der
Hauptvorteil ist in dem Verhalten der Operierten nach der Operation
zu erblicken. Von den erwähnten 160 Operierten haben 154 nach der
Operation weder Nausea noch Erbrechen gehabt. Flüssigkeit wird
dabei gewöhnlich schon einige Stunden nach der Laparotomie gereicht.
Eine postoperative Bronchitis ist in keinem Falle beobachtet worden.
Die Rekonvaleszenz konnte erheblich abgekürzt werden. Pat. mit
Kystomektomien, abdominellen Totalexstirpationen des myomatösen
Uterus, vaginalen Exstirpationen, Magen- und Darmoperationen konnten
gewöhnlich zwischen dem 2. und 6. Tage post operationem aufstehen.
Von unangenehmen Erscheinungen wurde unter den 160 Fällen
12mal Kopfschmerzen beobachtet, darunter 8mal leichte, 4mal schwere
Kopfschmerzen.
Es bleibt abzuwarten, wie weit durch Verbesserung der Infusion
— 21 —
vor allem mit dem K.’schen Apparat diese Nebenerscheinungen ver-
meidbar gemacht werden können. (Selbstbericht.)
8) E. Küster (Marburg). Die Silberdrahtnaht als perkutane
Tiefennaht.
Im Anschluß an einen von Madelung auf dem vorjährigen
Chirurgenkonkreß gehaltenen Vortrag über den postoperativen Vorfall
der Baucheingeweide betont K., daß er seit dem Jahre 1892 nur in
einem einzigen, genauer mitgeteilten und besonders ungünstigen Falle
ein ähnliches Unglück erlebt habe und daß er dies der von ihm an-
gewandten Nahtmethode zuschreiben müsse. Bis zu jenem Jahre ver-
wandte er die Schichtennaht der Bauchwunde mit Catgut unter Hin-
zufügung einer Hautnaht aus Seide; er hatte damit recht befriedigende
Ergebnisse, bis er durch einen Mißerfolg darüber belehrt wurde, daß
eine solche Naht bei Spannung des Bauchfelles nicht ausreicht, um
Blutungen in die Bauchhöhle und umgekehrt phlegmonöse Infektionen
der Bauchwand zu verhindern. Dadurch wurde er naturgemäß auf eine
Verstärkungsnaht durch tiefgreifenden Silberdraht geführt.
Seit dem Januar 1893 hat K. 1185 Operationen mit Eröffnung
des Bauchfelles gemacht, darunter 433 Hernien operiert, so daß 752
reine Bauchschnitte übrig bleiben; bei allen Fällen kam die Silberdraht-
naht zur Anwendung. Dazu kommt aber eine erhebliche Anzahl
anderer Fälle ohne Bauchfellverletzung, in welchen sie gleichfalls gute
Dienste getan hat. Die Technik war folgende:
1) Bei Laparotomien. Nach aseptischen Operationen beginnt die
Naht mit der Durchführung mehrerer Silberdrähte durch die ganze
Dicke der Bauchwand mit Einschluß des Bauchfelles. Sie liegen in
der Entfernung von ca. 4 cm voneinander und bleiben zunächst un-
geknüpft. Dann folgt die Schichtennaht mit Catgut, des Bauchfelles,
der Muskeln, der Fascie getrennt, eine fortlaufende Seidennaht der
Haut und zum Schluß die Zusammenfügung der Silberdrahtenden,
teils indem sie einmal genüpft und dann zusammengedreht, teils von
vornherein nur fest zusammengezogen und umeinander gedreht werden.
Bei eitrigen Prozessen der Bauchhöhle (Epityphlitis, Cholecystitis) wird
auf die Schichtennaht gewöhnlich ganz verzichtet; die Wunde wird
in der Regel, unter Offenlassung des unteren Wundwinkels, nur mit
zusammengerollten, durchgreifenden $ilberdrähten geschlossen, welche
lang gelassen werden, um sie im Notfall aufdrehen und sofort wieder
schließen zu können. Auch hier erfolgt in den meisten Fällen eine
schnelle und zuverlässige Heilung. Nur bei Bauchfelltuberkulose
dürfen die Nähte nicht zugleich durch das Bauchfell hindurchgehen,
weil der tuberkulöse Prozeß gern durch die Stichkanäle hindurch nach
außen kriecht.
2) Hernien. Bei allen Methoden der Versorgung des Bruchsackes,
welche insbesondere beim Leistenbruche sich herausgebildet haben, ist
— 22 —
eine Verstärkung der Nahtlinie durch tiefgreifende perkutane Drähte
verwendbar und wünschenswert.
3) Wanderniere. Die früher von ihm geübte Befestigung des
unteren Nierenpoles an der unteren Rippe mittels versenkter Silber-
drähte hat K. dahin abgeändert, daß er nur noch perkutane Drähte
verwendet.
4) Knochenbrüche. Nachdem K. schon vor mehr als 20 Jahren
indirekte perkutane Drahtnähte bei Kniescheibenbrüchen verwendet
hatte, benutzt er neuerdings direkte Drähte der Knochenbruchstücke,
läßt sie aber gewöhnlich nicht bis in das Gelenk hineingehen. Brüche
der Extremitätenknochen werden nur genäht, wenn ihre Reposition
und die Erhaltung einer genauen Aneinanderlagerung der Bruch-
flächen auf große Schwierigkeiten stößt. Die perkutanen Drähte
werden dann gekreuzt angelegt. Zugleich beschreibt K. eine leichte
Methode der Durchführung von Metalldrähten durch die Knochen.
5) Kniegelenksresektion. Die Patella wird unter allen Umständen
fortgenommen, die Reste der fibrösen Kapsel durch Catgutnähte ver-
einigt. Die Stümpfe des Quadriceps und des Lig. patellare werden
durch perkutane Silberdrähte zusammengefügt.
Die Vorteile der perkutanen Silberdrahtnaht sind:
1) Sie bringt auch die tiefen Teile der Wunde in feste Berüh-
rung zueinander, begünstigt demgemäß schnelle Vereinigung und be-
schränkt Blutansammlungen und deren Zersetzung.
2) Sie beschränkt die Entstehung von Bauchbrüchen, selbst bei
Eiterungen in der Bauchhöhle.
3) Sie ist jederzeit und ohne Schmerz für den Kranken leicht zu
entfernen. (Selbstbericht.)
9) Clairmont (Wien). Über einen mit Röntgenstrahlen be-
handelten Fall von allgemeiner Lymphomatose.
C. demonstriert die Moulagen eines 45jährigen Pat. vor und nach
der Röntgenbehandlung. Es handelte sich um einen 5 cm hohen,
über das Dorsum der rechten Hand und des rechten Vorderarmes
ausgebreiteten Tumor, der in der Haut gelegen und neben welchem
allgemeine Lymphdrüsenschwellungen, Vergrößerung der Leber und
Milz, sowie kleinere Hauttumoren am Hals, Nacken, Rücken der
linken Hand und beiden Füßen vorhanden waren. Es handelte sich,
wie durch eine Probeinzision bestätigt wurde, um einen von dem lym-
phatischen Gewebe ausgehenden Tumor. Nach einmonatiger Behand-
lung, während welcher Zeit die rechte Hand 30mal mit weicher Röhre
durch 10—15 Minuten bestrahlt wurde, kam es zu einem fast voll-
ständigen Schwinden des großen Tumors. Der Pat., der früher arbeits-
unfähig war, konnte nach dieser symptomatischen Besserung, welche
die rechte Hand betraf, wieder arbeiten. Die anderen Körperteile
wurden weniger häufig bestrahlt und zeigten dementsprechend eine
geringe Besserung. C. möchte vorläufig von einer histologischen De-
— 23 —
finition des Handtumors (Lymphosarkom oder Pseudoleukämie) absehen
und behält sich die Besprechung des Blutbefundes und der histologi-
schen Veränderungen durch die Röntgenbestrahlung einer späteren
ausführlichen Mitteilung vor. (Selbstbericht.)
10) Delkeskamp (Königsberg). Das Verhalten der Knochen-
arterien bei Knochenerkrankungen und Frakturen.
Die von Lexer geübte Methode der Injektion intraossaler Ge-
fäBe mittels einer Quecksilber-Terpentinverreibung mit nachfolgender
Skelettierung der Knochen und röntgenographischer Abbildung der-
selben wurde bei verschiedenen Knochenerkrankungen angewandt und
das Verhalten der so sichtbar gemachten Gefäße bei chronischen Ent-
zündungen, Wachstumsstörungen, malignen Tumoren und Frakturen
studiert. Das Material zu diesen Untersuchungen gaben meist ampu-
tierte Gliedmaßen ab; jedoch wurden auch Leichenteile unmittelbar
post mortem und endlich Extremitäten vom Hunde nach experimen-
tell erzeugter Fraktur injiziert. Unter den chronischen Entzündungen
wurden in erster Linie Fälle von Tuberkulose untersucht. Bei der
Gelenktuberkulose ist meist eine auffällige Wucherung der epiphysären
Gefäße zu konstatieren, die metaphysären Arterien und die Nutritia
selbst zeigen weniger Beziehungen zu dem tuberkulösen Prozeß; nur
in einem Falle (Sprunggelenkstuberkulose) waren rosenkranzartige Er-
weiterungen an der Nutritia tibiae zu sehen, die nur als abnorme
Brüchigkeit der Gefäßwand infolge tuberkulöser Erkrankung derselben
gedeutet werden konnten. Eine noch stärkere Verästelung als die epi-
physären Knochengefäße erfahren die Arteriae articulares bei der Ge-
lenktuberkulose.
Ein Oberschenkel, welcher wegen Carcinoma cruris amputiert
wurde, war 30 Jahre vor der Ablatio Sitz einer eitrigen Osteomyelitis
mit Bildung von Knochensequestern. Durch das Injektionsverfahren
wurde nachgewiesen, daß die untere Nutritia völlig verloren gegangen
und durch ein reichliches Netz periostaler Gefäße ersetzt war, die in
den ehemaligen Entzündungsherd eingewachsen waren.
Interessante Bilder wurden durch die Knocheninjektion des Ell-
bogens eines an Syringomyelie erkrankten Mannes gewonnen. |Die
stark deformierten Gelenkenden weisen ein weitverzweigtes Netz epi-
physärer Arterien auf, die sowohl vielfach untereinander, als auch mit
der Nutritia selbst anastomosieren.
Unter den Wachstumsstörungen gaben die rachitischen Knochen
der unteren Extremität eines 3jährigen Knaben, der an interkurrenter
Diphtherie ad exitum kam, Gelegenheit zur Untersuchung. Die Nutri-
tia zeigt eine stark büschelförmige Auflösung gegen die Knorpelfugen
zu, an der Epiphysenlinie findet sich die stärkste Vaskularisation. Der
Unterschenkel wurde 26 Tage ante exitum wegen rachitischer Ver-
biegung osteotomiert. Bei der Heilung des künstlichen Knochenbruches
ist das Periost in hohem Maße beteiligt; von demselben aus dringen
genen, DA. Eu
starke Gefäße in die eröffnete Knochenmarkshöhle ein und bahnen die
Bildung des Kallus an.
Bei den malignen Knochentumoren ist eine Neubildung abnorm
verlaufender Knochengefäße am deutlichsten ausgesprochen. Während
die Gefäße innerhalb des Tumors so zahlreich sind, daß die Geschwulst-
masse nach der Injektion auf der Röntgenplatte ganz gleichmäßig mit
Quecksilbermasse angefüllt erscheint, treten nach der Entfernung des
Tumors die abnormen periostalen Gefäße deutlich hervor; dieselben
dringen in großer Zahl gegen die Diaphyse des betreffenden langen
Röhrenknochens vor und anastomosieren mit der meist ebenfalls ge-
wucherten Nutritia. Diese Gefäße sind offenbar als die Bahnen der
malignen Neubildung aufzufassen, auf denen diese in den Knochen
eindringt und sich in demselben so rasch verbreitet. Ein Enchondro-
sarkom der Schulter eines 60jährigen Mannes und ein Carcinoma
cruris eines gleichaltrigen Pat. zeigten in dieser Beziehung ähnliche
Verhältnisse.
Schließlich wurde noch das Verhalten der Knochengefäße in den
verschiedenen Stadien der Frakturheilung beobachtet. Es ergab sich,
daß der Knochenbruch einen enormen Reiz auf die Nutritia des
Knochens ausübt. Dieselbe antwortet darauf mit Neubildung von
Asten, welche schon in den ersten Tagen nach stattgehabter Fraktur
erscheinen und in den ersten Wochen an Stärke und Zahl ständig
zunehmen. Mit vollendeter Konsolidation gehen die Gefäßneubildungen
zurück; am Ende der 6. Woche sind annähernd normale Gefäß-
verhiltnisse wieder zu konstatieren. Hand in Hand mit der Wuche-
rung der intraossalen Gefäße geht eine Wucherung des periostalen
Gefäßnetzes; die Aste des letzteren dringen vielfach in die Markhöhle
ein und folgen hier den Bahnen der zerstörten Nutritia. Besonders
bei Frakturen mit Dislokationen ist dies im Interesse der wiederher-
zustellenden Ernährung der Markhöhle und der Callusbildung von
Bedeutung. (Selbstbericht.)
14) Lexer (Königsberg. Uber die Cysten der langen
Röhrenknochen.
Bezüglich ihrer Entstehung besteht keine einheitliche Auffassung,
da sich zwcı Ansichten gegenüberstehen: gehören diese eigentümlichen
Bildungen, welche mit langsamem Verlaufe den jugendlichen Röhren-
knochen und mit Vorliebe die Metaphysen befallen, als Erweichungs-
cysten, wie schon Virchow lehrte, zu den echten Tumoren, oder ent-
stehen sie auf dem Boden der von Paget und v. Reklinghausen
beschriebenen und Ostitis fibrosa deformans benannten Knochenkrank-
heit? v. Mikulicz, welcher mit Entschiedenheit die Geschwulst-
genese ablehnte, ließ sich durch den charakteristischen Krankheitsver-
lauf verleiten, eine besondere Krankheit aufzustellen, welche er Osto-
dystrophia cystica nannte.
Der von L. beobachtete und operierte Fall gibt einen neuen Bei-
— 25 —
trag zu dieser Frage. Bei dem 14jährigen Knaben, bei welchem sich
nach einer Kontusion der rechten Schulter vor 4 Jahren eine Ver-
dickung der oberen Humerushälfte entwickelt hatte, wurde klinisch die
Diagnose auf ein zentrales cystisches Enchondrom der rechten
oberen Humerusmetaphyse gestellt. Die Operation ergab eine einzige
große mit bräunlicher Flüssigkeit gefüllte Cyste, welche von der Nach-
barschaft der Knorpelfuge bis ins mittlere Drittel der Diaphyse sich
erstreckte, deren Wände, vielfach durchlöchert, nur aus ganz dünner
Corticalis bestanden, und deren glattwandige Innenfläche durch das
Vorhandensein septenartiger Vorsprünge die Herkunft aus einem Tumor
verriet. Die ganze veränderte Partie des Knochens wurde subperiostal
reseziert und der entstandene Defekt durch ein entsprechendes Stück
einer Fibula ersetzt, welche frisch samt Periost aus einem amputierten
Gliede stammte. Darüber wurde der Periostschlauch vernäht und die
Wunde geschlossen. Die Einheilung ist gut gelungen. Röntgenbilder
zeigen, daß sich an dem eingepflanzten Knochenstück nicht das geringste
geändert hat; nur ist aus dem Periost eine dicke Knochenschale gebildet
worden. Die Funktion ist normal und die ehemalige Verkürzung aus-
geglichen.
Vom mikroskopischen Befunde ist hervorzuheben, daß sich nirgends
Tumorgewebe vorfand, daß aber das Vorhandensein zahlreicher hya-
liner Knorpelinseln in der Wandung der ganzen ÜUyste für die ebe-
malige Entwicklung eines später verflüssigten Enchondroms spricht.
Denn in dieser Ausdehnung bis weit in die Diaphyse hinein kommen
solche Knorpelinseln nur bei Enchondromen vor, wie an einem Präpa-
rate gezeigt wird. Wenn auch die gelegentliche Entstehung von
Knochencysten bei entzündlichen Erkrankungen nicht bestritten werden
kann, so zeigt doch der operierte Fall, daß nur die genaue mikro-
skopische Untersuchung der ganzen Cystenwand eine richtige Deutung
ermöglicht. (Selbstbericht.)
12) Tietze (Breslau). Uber die Osteodystrophia juvenilis
cystica (Mikulicz).
Redner demonstriert Präparate und Photographien eines Falles
von Knochencyste, fiir welche er die Entstehung aus einer Ostitis
fibrosa in Anspruch nimmt, nachdem er die zurzeit bestehenden An-
schauungen über die Ursachen der Knochencysten kurz besprochen
hat. Es handelt sich um ein junges Mädchen von 18 Jahren, bei
welcher sich im 13. Lebensjahre nach Fall auf dem Eise reißende
Schmerzen im rechten Oberschenkel entwickelt hatten. Sie sucht
jetzt das Hospital auf wegen rechtsseitiger Oberschenkelfraktur. Bei
weiterer Beobachtung finden sich Knochencysten im rechten Ober-
schenkel an der Frakturstelle und im rechten Schienbein. Es wird
schließlich operiert. Das Femur und ebenso später die Tibia erweisen
sich bei ganz verdünnter Corticalis als ausgegossen mit einer fibrösen
Masse, die stellenweise deutlich den Übergang in Erweichung und
adis OF Zu
Cystenbildung erkennen läßt, im allgemeinen nach dem Typus osteoi-
den Gewebes gebaut ist und nirgends Knorpelzellen, wohl aber an
einigen Stellen eine dichtere Anhäufung von|Gewebszellen nach Sarkom-
typus erkennen läßt. Dieses fibröse Gewebe geht unmittelbar in die
Cysten über, die die bekannte Beschaffenheit tragen.
Redner sucht dann noch nachzuweisen, daß aus dem Befunde von
Knorpelzellen in der Nachbarschaft einer Knochencyste nicht durchaus
auf die Entstehung aus einem Chondrom geschlossen werden müsse.
(Selbstbericht.)
Diskussion.
König (Jena) hat zwei Fälle von Cysten der Schlüsselbeine bei
jungen Mädchen gesehen, die einen ganz dünnflüssigen, bräunlichen
Inhalt und ganz dünne, tapetenglatte Wandung hatten. Die Tapete
bestand aus einer dünnen Schicht eines Riesenzellensarkomgewebes.
Goebel (Breslau) hat die Mikulicz’schen Fälle gesehen und
kann, besonders in dem einen Falle, wo multiple Cysten beider Femora,
Ulnae, Tibiae, Rippen usw. bestanden, nicht zugeben, daß Traumen
die Cystenbildung bedingt haben sollen. Die Mikulicz’sche Ansicht
ist jedenfalls nicht ohne weiteres ad acta zu legen, denn die Knorpel-
inseln in der Nähe der Cyste können ebenso gut für Enchondrom als
für kongenitale dystrophische Prozesse herangezogen werden. Auch
erscheint es wunderbar, daß gerade immer die ganze Geschwulst durch
die Einwirkung des Traumas zugrunde gehen soll; man könnte nach
Analogie wohl erwarten, daß sich, falls wirklich ein Tumor vorliegt,
die peripheren Teile erhalten hätten und nur die zentralen zugrunde
gegangen wären.
Haberer (Wien) betont, daß das von ihm gewonnene histologische
Bild, wie er im Verein mit v. Mikulicz konstatieren konnte, ein ganz
anderes war, als das der Mikulicz’schen Fälle.
Schlange (Hannover) weist darauf hin, daß es eben mehrere
Arten von Oystenbildung gibt, so Fälle auf dem Boden einer Riesen-
zellengeschwulst, auf entzündlichem Wege, z. B. infolge einer peri-
ostalen Verdickung und nachherigen rarefizierenden Ostitis. Das von
Tietze gegebene Bild weist Übergänge zur Coxa vara auf.
Tietze hat auch eine Cyste infolge Erweichung eines Riesen-
zellensarkoms gesehen.
Korte (Berlin) beobachtete drei Cysten, alle im oberen Femur.
Die ersten beiden Falle hat Virchow untersucht, er hielt sie fiir
erweichte Enchondrome; dasselbe Bild bot der dritte, von Benda
untersuchte Fall.
Fritz König (Altona) meint, man solle nicht von Tumor, z. B.
Enchondrom, sprechen, aus dem die Cyste entstehe. Es handle sich
nur um Gruppen von Knorpelzellen, die, während des Wachstums von
der Epiphysenknorpellinie abgedrängt, an irgendwelchen Stellen der
Diaphyse liegen. Aus diesem ruhenden Keim — oder den Keimen —
— 297 —
wird, event. nach einem Trauma, durch Weiterentwicklung und Um-
bildung eine Cyste; in anderen Fällen kann freilich ein Enchondrom
daraus entstehen, aber das ist keine notwendige Zwischenstufe.
(Selbstbericht.)
Riedel (Jena) betont, daß es jugendliche Individuen mit zahl-
reichen solchen Knorpelinseln gibt; auch bei Osteomyelitis albuminosa
bilden sich Cysten im Knochen ohne eine Spur von Nekrose.
Goebel (Breslau).
13) Wrede (Königsberg). Hämatogene Osteomyelitis durch
Aktinomykose.
Die Aktinomykose der Knochen entsteht fast ausschließlich durch
kontinuierliches Vordringen der Aktinomykose von den benachbarten
Weichteilen her, nur ganz ausnahmsweise kommt sie auch durch Me-
tastasenbildung auf dem Blutwege zustande. Vortr. hat in der Lite-
ratur nur drei sichere Fälle metastasischer Knochenaktinomykose
finden können. In allen drei Fällen handelte es sich um Lungen-
aktinomykose mit zahlreichen Weichteilmetastasen, und die Knochen-
metastasen traten klinisch wenig oder gar nicht in Erscheinung.
Vortr. zeigt ein Präparat von hämatogener Osteomyelitis actino-
mycotica in der oberen Femurmetaphyse mit beträchtlicher Zerstörung
des Knochens. Die Erscheinungen der Knochenmetastase standen in
diesem Fall im Vordergrunde des Krankheitsbildes, während der
Ausgangsherd in den Lungen so wenig sich bemerkbar machte, daß
er erst bei genauer klinischer Untersuchung festgestellt wurde. Da-
neben fanden sich noch mehrere metastasische Weichteilherde.
Es machte sich auch in diesem Falle von Aktinomycesmetasta-
sierung die Beziehung des metaphysären Gefäßgebietes zu metastati-
schen Osteomyelitiden deutlich geltend. (Selbstbericht.)
14) Fritz König (Altona). Über traumatische Osteome.
Indem K. von der als Myositis ossificans traumatica bezeichneten
Affektion absieht, will er nur von den außerordentlich seltenen Knochen-
geschwülsten reden, die nach einmaligem Trauma am Knochen selbst
entstehen — ohne jede Fraktur.
Nach heftigem, kantenartig wirkendem Trauma, z. B. Hufschlag
am Oberschenkel, treten etwa 8 Tage später Schmerzen und zu-
nehmende Geschwulstbildung auf. Dieselbe ist in diesem Stadium dem
periostalen Sarkom sehr ähnlich. Neben der Anamnese scheint in ge-
wissen typischen Fällen der plötzliche Abfall des Tumors am unteren
Ende diagnostisch verwertbar. Ein Röntgenbild demonstriert, wie die
aufwärts vom Knochen abgehende lange Geschwulst hier sich nach
oben wieder umkehrt — tabakspfeifenähnlich. Nicht immer aber ist
völliger Knochenschatten im Röntgenogramm; auch treten hellere
Partien in ihm auf. Nach etwa 1/, Jahr bleibt der Tumor im
— 28 —
Wachstum stehen (wie im I. Fall) oder bildet sich teilweise zurück
(Fall II des Vortr.) Bezidive durch erneutes Trauma sind selten.
Im dritten Falle (gleichzeitig Rückenmarkslähmung) konnte K. das
4 Monate nach dem Unfalle gewonnene Leichenpräparat studieren. Dieses
Studium hat für diesen Fall gezeigt, daß die Wucherung wesentlich
zwischen Periost und der sehnigen Ansatzplatte der Muskulatur sitzt,
teils bindegewebig, teils ossifiziert ist. Auch an nicht zerrissenen
Stellen bildet das Periost in seiner Innenschicht zierliche Knochen-
bälkchen; diese durchbrechen Cambium und Adventitia des Periosts
und breiten sich in der fibrösen Bildung aus — außerdem scheint die
sehnige Muskelabgangsplatte an der Knochenneubildung teilzunehmen.
Im ganzen ähnelt der Prozeß sehr dem »periostalen Callus«, welcher
sich in Weichteilen bildet an Stellen, die von der in der Nähe sitzenden
Fraktur selbst nicht betroffen sind. K. geht auf den Entstehungs-
modus noch im einzelnen ein; um die Gewächse richtig zu rubrizieren,
möchte er sie »frakturlose Callusgeschwülste« genannt wissen.
Diese Auffassung mahnt uns bezüglich der Therapie zu konser-
vativrem Verhalten. Nach K.’s Ansicht ist die Diagnose immer zu
stellen; einmal erkannt, sollen die Geschwülste nur dann operiert
werden, wenn unerträgliche Beschwerden dazu zwingen. Die große
Zahl der Rezidive nach Operation dieser Affektion, die so wie so stehen
bleibt oder gar zurückgeht, die mäßigen Erfolge betreffs Besserung
der Erwerbsbeeinträchtigung, die oft sehr beträchtliche Ausdehnung
des Eingriffes sind Gründe zur Zurückhaltung. Haben wir uns ein-
mal zur Operation entschlossen, dann freilich sollen wir radikal vor-
gehen und alle diese Teile mit entfernen, welche zur Wucherung bei-
tragen, also die oberste Oorticalisschicht, Periost samt Tumor und
die darüber liegende sehnige Muskelsursprungs- oder Ansatzschicht.
(Selbstbericht.)
Diskussion.
v. Bramann (Halle a. S.) sah einen Fall mit gar keinem Knochen-
zusammenhange; mehrere Fälle, die Rammstedt veröffentlicht hat,
standen ebenfalls nicht mit dem Knochen in Zusammenhang, zum Teil
waren sie mit Cysten (zwischen zwei Knochenschalen) kombiniert.
Hecker (Stettin) betont den prinzipiellen Unterschied zwischen
den Ausführungen König’s und v. Bramann’s. Letzterer sprach
von der alten Form des Reit- oder Exerzierknochens, die andere Form
ist neu.
Zoege v. Manteuffel (Dorpat): Es kommen Hamatome, An-
eurysmen, die verknéchern, vor. Virchow hat mir gesagt: Das ist
alles eins, es sind Zellen vom Periost, die wandern und dann wuchern.
König (Altona) betont, daß er nur von Geschwiilsten am Kno-
chen sprach, nicht von Myositis ossificans. Jene Fälle müssen etwas
anderes sein.
Blecher (Brandenburg) hat in allen seinen Fällen, die Busse
untersucht hat, lediglich Myositis ossificans konstatieren können. Dabei
— 29 —
war aber auch das Periost verletzt und also gereizt. Diese beiden
Prozesse (im Muskel und Periost) verwachsen nachher und bilden eine
Geschwulst. Wenn die Ossifikation in dem König’schen Falle vom
Periost ausginge, so wäre es wunderbar, daß gerade ein Schatten
zwischen Periost und Knochen existiert. Goebel (Breslau).
15) Bosse (Berlin). Histologisches und Radiologisches zur
tardiven Form der hereditären Gelenklues.
Den ersten Hinweis auf Gelenkentzündungen als ein Symptom
der Lues hereditaria tarda verdanken wir den Ophthalmologen Foer-
ster (1876). Auch in der Folge waren es hauptsächlich Augenärzte,
welche auf dieses Leiden aufmerksam machten. Trat ihnen doch täg-
lich in klinischer und besonders poliklinischer Praxis in Kombination
interstitielle Keratitis und Gelenkleiden vor Augen. Diese Tatsache
trägt zweifelsohne Schuld daran, daß die hereditär-luetischen Gelenk-
leiden nicht die allgemeine Beachtung gefunden haben, welche sie
vielleicht verdienen. Denn bis in die jüngste Zeit tobte zwischen den
Ophthalmologen der Streit über die wahre Atiologie dieser Keratitis-
form. Nachdem derselbe schließlich dahin entschieden war, daß nicht
die Syphilis allein, sondern eine ganze Reihe anderer akuter und
chronischer Ernährungsstörungen, wie Tuberkulose, Malaria, Rheuma-
tismus, Influenza u. ä., eine Keratitis verursachen können, nachdem
sogar festgestellt war, daß auch Tiere — Hund, Bär, Pferd — von
dieser Krankheit befallen werden können, kann es nicht Wunder
nehmen, wenn auch die hereditär-luetische Herkunft der Gelenkaffek-
tionen in Zweifel gezogen wurde. Ganz abgesehen von den prin-
zipiellen Gegnern der Lues hereditaria tarda (Hochsinger), war es
besonders die Michel’sche Schule, welche immer und immer wieder
auf die Tuberkulose. als Ursache der Augenaffektionen hinwies. Be-
sonders E. v. Hippel suchte noch 1893 den anatomischen Nachweis
dieser Grundkrankheit zu liefern; im Jahre 1895 diagnostizierte er
unter 80 Fällen von Keratitis interstitialis 28mal Tuberkulose und
warnt direkt vor ihrer Deutung in syphilitischem Sinne. Auch ich
habe mich im Jahre 1895 in meiner Inaug.-Diss. aus der Schweig-
ger’schen Klinik bemüht, über die Häufigkeit des Zusammentreffens
von Keratitis interstitialis und Gelenkaffektionen als Symptome der
hereditären Lues zahlenmäßig etwas festzustellen: von 46 Fällen sicher
konstatierter luetischer Hornhautentzündungen waren 17 —= 37% von
Gelenkentzündungen befallen. Wie sehr sich seitdem die Lehre von
der Zusammengehörigkeit beider Affektionen auf der Basis der here-
ditären Lues unter den Forschern Bahn gebrochen hat, mögen Sie
daraus ersehen, daß der vorhin erwähnte E. v. Hippel 10 Jahre
später in 56% einen Zusammenhang zwischen hereditärer Lues und
Keratitis konstatiert, und daß er die gleichzeitigen Gelenkleiden als
pathognomonisch für ererbte Syphilis rühmt.
nr, Ag ers
Daß eine Erklärung der in Rede stehenden Affektionen über-
haupt so lange Jahre uns mangeln konnte, dafür sehe ich den Haupt-
grund in dem Fehlen geeigneten Sektionsmateriales und damit der
sicheren pathologisch-anatomischen Forschungsgrundlage. Dank dem
liebenswürdigen Entgegenkommen meines Chefs habe ich in der chi-
rurgischen Klinik der kgl. Charit€ zu Berlin diesem Mangel abhelfen
können, indem ich histologische (dreimal) und radiologische (11 Fälle)
Untersuchungen in größerer Menge anstellen durfte; die histologi-
schen an drei zum Zwecke genauer Diagnose unternommenen Probe-
exzisionen.
Das Wesentliche des histologischen Prozesses ist das Vorhanden-
sein eines zellreichen Granulationsgewebes mit wechselndem Gefäß-
reichtum. Im Stratum internum der Synovialmembran ist dasselbe
meist in einer verschiedenen dicken basalen und marginalen Zellschicht
geordnet; zwischen denselben im Stroma tritt dasselbe in einander
parallelen schmalen Zügen auf. Doch kommt es auch hier zu Haufen
geballt vor, wie es für die Intermediärschicht (Gefäßschicht) die Regel
zu sein pflegt, wenngleich auch hier gelegentlich eine basale Zell-
anhäufung statthat. Das Stratum fibrosum ist in allen drei Fällen
an der Entzündung gänzlich unbeteiligt.
Speziellere Veränderungen der Innenschicht sind: diffuse Ödemati-
sierung des Stroma, Exsudation in das Gewebe hinein, dasselbe in
erweiterte Lymphräume parallel und dicht unter der Oberfläche mit
Verzweigungen. In die Gewebshöhlen hinein haben hier und da
Blutungen stattgefunden. Die Gewebsexsudation hat ganze Lagen
oberflächlicher Zellkonglomerate von der Unterlage abgehoben, so daß
diese frei in der Gelenkhöhle flottieren. Mehrere solcher benachbarter
abgehobener Zellagen sind miteinander zur Verklebung gekommen und
umsäumen auf diese Weise exsudatgefüllte Hohlräume Im ersten
Falle finden sich in längs getroffenen Gefäßen Leukocytenthromben,
welche massenhaft durch die hier zerstörte Wand in das Nachbar-
gewebe auswandern. Auch Vorstadien solcher Thrombosen sind mehr-
fach erkenntlich. Ich erwähne diese letzten Befunde ausdrücklich,
weil sie eine Erklärung geben für die Entstehung eitriger Gelenk-
entzündungen, wie sie Heubner immer noch leugnet. Eine andere
Erklärung für die Entstehung derselben liefern die oben geschilderten
abgehobenen Zellagen, welche schließlich ganz abreißen können; eine
dritte ist die Möglichkeit des Durchbruches verkäster Knochengum-
mata — wobei allerdings zu berücksichtigen ist, daß es sich dabei
nicht um purulente, sondern nur um puriforme Ergüsse handelt.
In unseren Fällen ließen sich Gummata nur zweimal nachweisen,
und zwar stets superfiziell, den marginalen Zellagen des Stratum in-
timum gewissermaßen knopfförmig aufgesetzt. Sie enthalten nur spo-
radisch Riesenzellen ohne Langhans’ schen Typus, wie überhaupt alle
Attribute der Tuberkulose fehlten.
Ein gelegentlich auftretender Knorpelpannus besteht histologisch
aus feinsten zum Teil äußerst gefäßreichen Zöttchen. Im übrigen
ete Sn
sind aber Zottenbildungen in vermehrtem MaBstabe nur im zweiten
Falle vorhanden.
Das paraartikuläre Gewebe ist in zweifacher Weise an dem Pro-
zesse beteiligt: erstens in Gestalt von Gefäßveränderungen — es handelt
sich um bindegewebige Intimawucherung und adventitielle Kapselbil-
dung — und zweitens in Gestalt von Muskelatrophien; es handelt sich
um einfache Atrophien mit Sarkolemmkernwucherung, Degeneration
der kontraktilen Substanz und des Sarkolemms, und zwar von innen
nach außen bis zum partiellen Schwund der elastischen Fasernetze.
Die radiologischen Untersuchungen hatten hauptsächlich den
Zweck, festzustellen, inwieweit Knochenveränderungen an der Ent-
stehung der Gelenkleiden bei der Spätform der kongenitalen Lues
beteiligt sind. Diese Knochenaffektionen können sein einerseits solche
der hereditär-luetischen Frühsyphilis, wie sie an den Wachstumsgrenzen
in die Erscheinung treten, und andererseits solche, die uns aus der
Tertiärperiode der erworbenen Lues geläufig sind. Ohne auf Einzel-
heiten eingehen zu können, sei berichtet, daß wir sowohl Wegner’s
Osteochondritis epiphysaria als gummés osteomyelitische Prozesse als
reaktive Periostitis ossificans teils mit, teils ohne Gummabildung mittels
des Röntgenverfahrens nachweisen konnten. Allerdings ist eine radio-
logische Darstellung nur des dritten Stadiums der Wegner’schen Er-
krankung mit Sicherheit möglich, bei welchem die verbreiterte Ver-
kalkungszone durch gummöse Prozesse perlschnurartig ausgebuchtet
oder von gröberen Defekten unterbrochen is. Dagegen sind die
ersten Stadien mit wenig verbreiterter, zackiger Verkalkungszone und
beträchtlicher Knorpelwucherung radiologisch weniger leicht erkennbar,
bzw. einer Verwechslung mit Rachitis ausgesetzt. In drei unserer
Fälle, welche mit englischer Krankheit kompliziert waren, ließ sich
eine Unterscheidung der beiden Knochenaffektionen auf Grund viel-
facher Röntgenbilder aus allen Körperregionen ermöglichen.
Eine genauere Differentialdiagnose soll noch Gegenstand einer
späteren Arbeit werden. Nicht genug hervorgehoben muß werden,
daß zur Beurteilung der Röntgenbilder eine genaue Kenntnis der
Epiphysenlinien, sowie eine systematische Röntgenuntersuchung des
ganzen Knochensystems einschließlich der kurzen Röhrenknochen und
des Schädels erforderlich ist.
Das Verhältnis unserer histologischen zu den radiologischen Be-
funden gestaltet sich kurz folgendermaßen:
Im ersten Falle bestand eine Synovitis gummosa ohne sicheren
spezifischen Knochenbefund.
Im zweiten Falle eine ebensolche mit den schwersten diaphysären
und epiphysären Veränderungen.
Im dritten Falle die Gummata im histologischen Bilde der ein-
fachen Synovitis, obgleich ein Prozeß beider Femurepiphysen vorliegt.
In bezug auf Einzelheiten muß ich bei der Kürze der zur Ver-
fügung stehenden Frist auf meine demnächst erscheinende ausführ-
liche Arbeit verweisen. (Selbstbericht.)
ei En
16) M. Hofmann (Graz). Zur Behandlung der knöchernen
Gelenksankylosen.
Die operativen Erfolge der Behandlung knöcherner Gelenksanky-
losen sind bisher keine günstigen. Es wurden geübt die Resektion
oder die Arthrolysis (Wolff) mit oder ohne Interposition von Muskeln,
Fascien, Fettlappen oder verschiedenen Fremdkörpern. Die Erfolge
werden beeinträchtigt einerseits durch die hohe Gefahr neuerlicher
Ankylosierung oder durch Bildung von Schlottergelenken, andererseits
durch die eine, oft außerordentliche Geduld und Ausdauer im Ertra-
gen von Schmerzen erfordernde Nachbehandlung. Auch ist ein großer
Teil der wenigen bisher erzielten günstigen Erfolge zu beziehen auf
noch vorhandene Reste der ursprünglichen Überknorpelung, von denen
außerordentlich rasch, wenigstens im Tierversuch, eine vollständige
Überknorpelung der Gelenkenden erfolgen kann, die neuerliche Anky-
losierung erschwert. Um nun neuerliche Ankylosierung auch bei Fehlen
jeden Restes der ursprünglichen Überknorpelung zu verhindern, wur-
den in einem Falle vollständig knöcherner Ankylose im Ellbogengelenke
nach Resektion des Radiusköpfchens und Durchmeißelung, entsprechend
dem ursprünglichen Gelenkspalt zwischen Ulna und Humerus, die
wunden Knochenflächen vollständig mit Periostlappen bedeckt, die der
vorderen Tibiafläche entnommen und durch einige Nähte in ihrer
"Lage fixiert wurden. Das mit der Osteoblastenschicht dem Knochen
aufliegende Periost mußte nach Anheilung einen natürlichen Abschluß
der Knochenenden gegen ihre Umgebung bilden und so ihre gegen-
seitige knöcherne Verwachsung hindern. Die Leichtigkeit, mit der
sich Periost übertragen läßt, machen es für einen solchen Versuch
besonders geeignet, auch zeigten Tierversuche, daß auf Knochenwunden
transplantiertes Periost außerordentlich leicht anheilt. Auch in dem
so operierten Falle erfolgte die Heilung per primam bei rechtwinklig
gebeugtem Vorderarm. Nach 4 Wochen verließ Pat. das Spital; bis
dahin wurden Bewegungen vermieden, einerseits, um das frisch ange-
heilte Periost nicht etwa zu schädigen, andererseits weil ja die Gefahr
einer neuerlichen Ankylose infolge der Periostüberkleidung der Gelenk-
enden nicht bestand und passive Bewegungen gerade in der ersten
Zeit recht schmerzhaft sind. Allmählich nahm Pat. seine Arbeit als
Landmann wieder auf. Derzeit, 8 Monate nach der Operation, kann
Pat. das Ellbogengelenk vollständig strecken und mit Kraft bis zu
80° beugen. Pro- und Supination sind frei. Auch jetzt bessert sich
sein Zustand noch weiter. Dieses günstige Resultat wurde ohne jede
forcierten passiven Bewegungen durch allmähliche Aufnahme der natür-
lichen Arbeit in vollständig schmerzloser Weise erzielt und berechtigt
zu gleichen Versuchen mit Periostüberkleidung der resezierten Gelenk-
enden, eventuell nur eines derselben, auch an anderen ankylosierten
Gelenken. (Selbstbericht.)
— 33 —
Diskussion.
Helferich (Kiel) erinnert an die Interposition von Muskelläppchen,
wie er sie z. B. beim Kiefergelenk und in letzter Zeit beim Hüft-
gelenke mit gutem Erfolg angewandt hat. Es ist diese Interposition
also auch dort möglich, wo ein starker Druck herrscht.
Bier (Bonn) empfiehlt, Muskel- oder Muskel-Fettlappen zwischen
zu legen. Goebel (Breslau).
Kriegschirurgie.
17) Zoege v. Manteuffel (Dorpat). Über die erste ärztliche
Hilfe auf dem Schlachtfelde.
Die Institutionen des Militärsanitätswesen setzt Redner als be-
kannt voraus. Im roten Kreuz waren außer den verschiedenen fliegen-
den und Reservelazaretten als Novum fliegende Kolonnen zu Pferd ein-
gerichtet, die in gewissen Fällen sich sehr brauchbar erwiesen, in Zu-
kunft aber jedenfalls mit einem Transport zusammen zu organisie-
ren sind.
Was lehrt uns nun der russisch-japanische Krieg? Viel Neues
konnte man nicht erwarten, da namentlich der Burenkrieg die meisten
Fragen bereits beantwortet hatte.
Wo soll dem Verwundeten die erste Hilfe gewährt werden? In
Berücksichtigung der Tragweite moderner Geschütze ist der Punkt
etwa 4 km hinter der Schlachtlinie zu suchen, im Gebirge kann man
näher heran. Jedenfalls soll man die Rückspur der Soldaten beachten,
ferner stets die Bahnhöfe.
An Verwundungen gab es wenig Granatverletzungen, noch weniger
Verletzungen mit kalter Waffe; die große Masse gab das japanische
Spitzgeschoß und das Schrapnell. — Im Gebirge hat man Kopf- und
Brustschüsse, bei Kavalleriegefecht Beinschüsse, in Trancheen Kopf-
und Armschüsse zu erwarten. Beim Liegen betrug das Verhältnis der
Schrapnellverletzungen zu Flintenprojektilen über 25%.
Wichtig ist die Frage, wieviel Verwundete sind zu erwarten?
Die Schlachten in der Mandschurei haben die neue Tatsache ergeben,
daß 1/, aus dem Kampf ausscheidet; davon bleibt 1/, tot, d. h. von
der Iststärke ist ca. 1/4 auf dem Verbandplatze zu erwarten.
Ein Arzt kann in einer Nacht ca. 100 Verbände machen. Die
russische Armee war bei Mukden etwa 300 Batallione stark, hatte also
75000. Verwundete zu erwarten und zu deren Versorgung eigentlich
7500 Arzte resp. Studenten und Heilgehilfen nötig. Tatsächlich waren
ca. 2700 Arzte vorhanden, von denen aber ein großer Teil weit zurück
in der Reserve stand. Mukden gab tatsächlich auf die Etappen
62000 Verwundete. Das individuelle Paket ist gut gebraucht worden
und hat sich bewährt. Vorschriften existierten, von Wreden redigiert,
Chirurgen-Kongreß 1906. 3
Zu DA neat
waren aber zu wenig bekannt. Die allgemeine Regel, so schnell wie
möglich zu verbinden, führte zu Polypragmasie.
Die Fragen, die der Burenkrieg offen ließ, betrafen vornehmlich
den Schädel. Hier kann nicht unerwähnt bleiben, daß die Diametral-
schüsse mit Ausschuß durchaus nach der von Bergmann aufgestellten
Regel ein Noli me tangere bildeten. Diametralschüsse ohne Austritt
verlangten ebenfalls abwartendes Verhalten und führten erst nach
Röntgendurchleuchtung und Symptomen zur Operation in den Reserve-
lazaretten. Anders die Tangentialschüsse; sie müssen so früh wie
möglich operiert werden. Schon im Sommer verliefen sie ungünstig
durch tief eingetriebene Splitter, im Winter, wo Schutz und Mützen
und Pelzfetzen hineingerissen werden, war vollends die Gefahr der
Infektion und Meningitis und Encephalitis groß. Operierte man nicht,
so eiterten die Wunden stets, und dann kam die Operation meist zu spät.
Halsschüsse gaben nur von Gefäßen her Indikation zur Operation;
davon.wird später berichtet werden. — Die queren Halsschüsse heilten
meist ohne Störung.
Brust und Thorax bestätigte die Erfahrungen des Burenkrieges.
Nur will ich bemerken, daß man mit der Punktion der Ergüsse
warten soll und etappenweise vorzugehen hat, d. h. nicht alles auf ein-
mal abzapfen soll, weil sonst aus der Lunge Keime aspiriert werden
können; ferner drohen wohl auch Nachblutungen.
Herzschüsse noli me tangere; ich habe 7 Herzschüsse; glatt
heilen sehen.
Wirbelsäule brachte nichts Neues, nur immer das alte traurige
Bild. Jedenfalls soll man nicht operieren, wenn quere Lähmung und
Ausschuß besteht. Fehlt letzterer, ist die Lähmung nicht genau quer,
sondern unregelmäßig, so kann man laminektomieren. Erfolge waren
wenig. Jedenfalls soll man warten, da möglicherweise Blutungen, die
‚ Ursachen sind, die sich resorbieren können.
Flintenschüsse gehen meist quer glatt durch. Schrapnellschüsse
sind meist infiziert.
Uber Bauchschüsse wird noch berichtet werden.
Ich erwähne hier aber: die Blasenschüsse, die bei konservativer
Behandlung, insofern es sich um Verletzungen mit Spitzgeschoß han-
delte, glatt heilten. — Schrapnellschüsse sind nach wie vor wohl meist
gleich zu operieren.
Leberschüsse sind zu operieren und zu tamponieren, was nicht
gemacht wurde.
Uber die Extremitäten kann ich nur sagen, daß die alte v. Berg-
mann’sche Regel: nicht anrühren und sofort eingipsen, voll bestätigt
wurde, sowohl durch positive als negative Versuche.
Über die Gefäßverletzungen siehe die Diskussion.
(Selbstbericht.)
seran OR Sa
18) Schaefer (Berlin). Diensttauglichkeit nach Verwundungen
mit modernen Schußwaffen.
S., der das Langenbeck-Stipendium zum Besuche des russischen
Kriegsschauplatzes erhalten hat, spricht seinen Dank aus,und berichtet
kurz über seine Tätigkeit im fernen Osten. Nach der Schlacht bei
Mukden hat er im Vereine mit zwei russischen Ärzten in der Armee
Kuropatkin’s umfangreiche Untersuchungen — über 7000 Fälle —
in die Front zurückgekehrter Verwundeter vorgenommen und dabei
gleichzeitig bei den einzelnen Regimentern statistische Erhebungen
angestellt. Die Resultate demonstriert er an einer Reihe von Ta-
bellen.
Danach sind die Verluste bei den untersuchten Korps — dem
L und II. sibirischen und dem I. europäischen Korps — zwar hohe
gewesen, aber doch nicht so beispiellos hohe, wie man es vielfach an-
genommen hat. Sie entsprachen vielmehr im allgemeinen den Ver-
lusten der preußischen Truppen in den blutigeren Schlachten des
deutsch-französischen Krieges. Die Offiziere haben durchweg weit
höhere Verluste gehabt als die Mannschaften. — Eine zweite Tabelle
bringt die Verluste in Beziehung mit der Gesamtkopfstärke, d. h. zu
der Summe aus dem ursprünglich vorhandenen Bestand und dem nach-
gesandten Ersatze, beantwortet also die Frage: Wie groß war die
Gefährdung des einzelnen Mannes durch das feindliche Feuer? Beim
I. sibirischen Korps sind unter 100 Mann nicht weniger als 44 zu
Schaden durch das feindliche Feuer gekommen, wenn man die Ver-
mißten nicht mitrechnet, 38, davon gefallen 5. 1870 waren diese
Zahlen viel kleiner. Daraus läßt sich aber nicht der Schluß ziehen,
daß das japanische Feuer wirksamer gewesen sei, als seinerzeit das
französische. Denn diese Prozentsätze hängen in erster Linie von der
Taktik ab. Die russischen Truppen sind viel häufiger ins Feuer ge-
kommen, als seinerzeit die deutschen. — Das Verhältnis der Gefal-
lenen zu den Verwundeten betrug nach S.’s Material 1: 5,5, ist also
gegen früher nicht ungünstiger geworden. — Eine dritte Tabelle illu-
striert den Ausgang der Verwundungen. Auffallend gering ist der
Prozentsatz der nachträglich ihren Verletzungen Erlegenen (3). Selbst
wenn man in Betracht zieht, daß ein großer Teil der Todesfälle nicht
zu der Kenntnis der Truppen gekommen ist, scheint es doch sicher
zu sein, daß die Prognose für die Verwundeten, die überhaupt lebend
das Schlachtfeld verlassen, weit besser gewesen ist als früher. Uber-
raschend hoch war der Prozentsatz der wieder dienstfähig gewordenen
Verwundeten; S. fand 3 Monate nach der Schlacht bei Mukden etwa
die Hälfte aller Verwundeten wieder in der Front vor, bei einzelnen
Regimentern mehr als 500 Mann, darunter Leute, die, drei- ja viermal
verwundet, immer wieder in die Front zurückgekehrt waren. Diese
Zahlen haben in den höheren russischen Stäben überrascht, und ein
Divisionsgeneral wollte die Erhebungen S.’s verbieten, weil er fürchtete,
die Leute würden sagen: >»Mit so einem miserablen Gewehr haben
3%
—— 386 —
die Russen sich schlagen lassen«. — Eine vierte Tabelle zeigt die
Verteilung der Wunden auf die verschiedenen Körperteile und W affen-
arten. Die Artilleriewirkung war durchaus nicht so gering, wie in der
Presse vielfach behauptet worden ist. S. berechnet sie auf 15%. —
Eine fünfte Tabelle gibt einen Überblick über die operative Tätigkeit
auf den Hauptverbandplätzen, die minimal war. So hat ein Divisions-
lazarett während des ganzen Feldzuges an mehr als 2000 Verwundeten
nicht mehr als 10 Operationen vorgenommen. — Zum Schluß spricht
sich 8. über den Einfluß der Entfernung auf die Schußwirkung aus,
der seiner Ansicht nach hinter dem der Konsistenz der Gewebe zurück-
tritt, und über den hohen Wert des Verbandpäckchens.
(Selbstbericht.)
19) Goldammer (Hamburg). Erfahrungen mit trockener
Wundbehandlung im südwestafrikanischen Kriege.
Vortr. erwähnt kurz die Schwierigkeiten, unter denen in Afrika
die ärztliche Tätigkeit im Felde zu leiden hatte, die in letzter Linie
alle auf der Unproduktivität und Wasserarmut des Landes, sowie den
enormen Entfernungen und schlechten Transportverhältnissen beruhten.
Unter diesen Verhältnissen hat sich die trockene Wundbehandlung
glänzend bewährt. Sie hat über die Schwierigkeiten hinweggeholfen,
auf die man bei dem Versuch der Durchführung der Asepsis stoßen
mußte, und sie hat bei einfachster Ausführung und geringstem Material-
verbrauch ausgezeichnete Erfolge ergeben.
Bei allen Knochenverletzungen ist es dringend geboten, die
trockene Wundbehandlung mit sofortiger und exaktester Fixation zu
verbinden. Eine von dem Vortr. gegebene kurze Übersicht über die
behandelten Fälle an der Hand von Zahlen dient zum Beweis des
Gesagten und zur Erläuterung der erzielten Erfolge.
(Selbstbericht.)
20) L. Bornhaupt (Riga). Über die Schußverletzungen der
Gelenke im russisch-japanischen Kriege 1904—05.
In dem von mir geleiteten Lazarett der Moskauer Iberischen
Gemeinde sind von 2265 Verwundeten 157 solche behandelt worden,
bei denen es sich um eine Verletzung eines Gelenkes handelte. Somit
machen die Gelenkverletzungen 7% aus. Gegen 4,5% im Kriege
70/71 und 2,5% im Kriege auf Cuba ist der hohe Prozentsatz der
Gelenkverletzungen durch die Mehrbelastung meines Lazaretts mit
schweren Fällen zum Teil zu erklären, da dasselbe dem Bahnhof gegen-
über gelegen war.
Die Zahl der Kniegelenkschüsse macht 54% aus und übertrifft
bei weitem die Anzahl der Verletzungen übriger Gelenke. Es folgen
32 Fälle von Ellbogengelenkschüssen, ferner stellen die Schulter-
gelenkverletzungen 12,1% der Gesamtzahl dar, 10 Fälle mit der
Schußverletzung der Sprunggelenke bilden 6,3%, und endlich machen
— —
die Schüsse ins Hüft- und Handgelenk 3,8 und 3,4% aus. Die
Häufigkeit, mit der die einzelnen Gelenke betroffen werden, bildet
dieselbe Reihenfolge, die auch in den letzten Kriegen festgestellt wor-
den war.
Von 157 Gelenkverletzungen sind 108 — also 688% — durch
ein Mantelgeschoß verursacht; 39mal, also in 25% der Fälle, lag
eine Verwundung durch eine Schrapnellkugel vor, und endlich fällt
der Rest von 6,2% nuf die Zerstörungen durch die Granatsplitter.
Die Mantelgeschoßwunden mit Ausschuß ins Sprunggelenk haben
in 60% der Fälle zur Eiterung und Operation geführt. Dagegen
sind sämtlicheMantelgeschoßwunden mit Ausschußins Knie-
gelenk bei konservativer Behandlung fast reaktionslos geheilt.
Von den Mantelgeschoßwunden des Ellbogengelenks sind 95,5%,
von solchen des Schultergelenks 93% konservativ geheilt.
Sobald das Projektil stecken bleibt, was bei Mantelgeschossen in
14%, bei Schrapnellkugeln aber in 69,2% der Fälle beobachtet wurde,
steigt der Prozentsatz der Eiterungen gleichmäßig bei der Verletzung
aller Gelenke bis 50—66 %.
Die schweren Formen der Eiterungen waren durch die stecken-
gebliebenen Schrapnellkugeln und durch den mangelhaften Transport
ohne fixierende Verbände bedingt.
Die Transportverhältnisse und die fixierenden Verbände bilden
auf dem Schlachtfelde die beiden Mittel, durch welche die Anzahl der
verstümmelnden Operationen und der Todesfälle verringert werden
kann.
Im Lazarett bestand die Behandlung der reaktionslos, ohne Tem-
peratursteigerung heilenden Gelenkschüsse in frühzeitiger Massage und
in Bädern. Unter Umständen sind die Gelenke am 5.—6. Tage massiert
worden; bei der geringsten Temperatursteigerung aber wurde die
Massage unterbrochen. Die ausgedehnten Blutergüsse an den oberen
Extremitäten verzögerten die Heilung. Verwundete mit Kniegelenk-
schüssen gingen häufig nach einer l4tägigen Behandlung umher.
Von den 157 Pat. sind nur 37 — also 23,5% —- operativ be-
handelt worden; und zwar waren 44 Operationen an diesen 37 Ver-
wundeten durch die Eiterungen in den verschiedenen verletzten
Gelenken veranlaßt. 14mal haben wir amputieren, einmal aus dem
Schultergelenk exartikulieren müssen.
10 Amputationen entfallen auf die vereiterten Kniegelenke.
Während wir mit den Resultaten nach den Resektionen verschiedener
vereiterter Gelenke durchaus zufrieden sein können, da wir keinen
Todesfall zu beklagen haben, machte uns die Behandlung der vereiter-
ten Kniegelenke recht viel Sorgen.
An der Hand der bakteriologischen Befunde sind wir zur An-
sicht gekommen, daß man in allen den Fällen mit einer Arthrotomie
vorgehen muß, wo es sich nicht um Streptokokken handelt. Die mit
Streptokckken infizierten Kniegelenke dürften nur in den ersten Tagen
nach der Verletzung arthrotomiert werden; hat dagegen ein mit Strepto-
Bee JR. eu
kokken infiziertes Kniegelenk einen längeren Transport — womög-
lich uneingeschient — bestehen müssen, so kann Pat. nur durch eine
Amputation gerettet werden.
Ein mit Staphylokokken infiziertes Kniegelenk kann durch eine seit-
liche Eröffnung der Kapsel geheilt werden. Bei schwereren Infek-
tionen dagegen genügt die seitliche Inzision nicht, und gibt die breite
Eröffnung des Kniegelenks mit dem Textor’schen Schnitt, die Exstir-
pation der Kapsel und ausgiebige Tamponade der hinteren Wand
bessere Resultate als die Resektion.
Von 4 mit Resektion behandelten Fällen haben wir 25% Heilung,
von 6 mit Arthrektomie behandelten Fällen 66,7% Heilung erzielt.
Bevor wir uns zu diesem oder jenem Eingriff an einem vereiterten
Kniegelenk entschließen, ist die Punktion des Gelenkes und die
bakteriologische Untersuchung des Eiters von großer Wichtigkeit.
Im ganzen haben wir 7 Todesfälle zu beklagen, von denen 2 auf
die Verletzungen des Hüftgelenks und 5 auf die des Kniegelenks
fallen. Während die Gesamtmortalität bei den Gelenverletzungen bei
uns 4,46% beträgt, machte dieselbe nach dem amerikanischen Sani-
tätsbericht 1898/99 3,74% aus.
Die Mortalität der Mantelgeschoßwunden der Gelenke be-
trägt nur 2,7%, und zwar beziehen sich alle die Todesfälle ausschließ-
lich auf die Verletzungen des Kniegelenks.
8,3% aller Gelenkverletzungen, die durch ein Mantelgeschoß
zustande gekommen waren, sind zur Resektion bzw. Arthrotomie ge-
kommen, 5,5% von denselben erforderten eine Amputation; die übrigen
86,2% der Mantelgeschoßwunden der verschiedenen Gelenke
sind bei konservativer Behandlung geheilt.
Diese Zahlen sprechen lebhaft für die konservative Behandlung
der Gelenkschüsse im Kriege. Da die Sekundärinfektionen in zweiter
Linie zu befürchten sind und nach unserer Erfahrung der Beschaffen-
heit der Schußwunden wegen zu den seltenen Ausnahmen gehören, so
soll die konservative Behandlung schon auf dem Schlachtfelde in
erster Linie gegen die eventuell mit dem Geschoß primär ins Ge-
lenk eingedrungene Infektion gerichtet und daher nicht nur durch
Schutzverbände, sondern vor allen Dingen durch fixierende Verbände
und reichliche, bequeme Transportmittel eingeleitet werden.
Auch die Stauungsbehandlung nach Bier dürfte im nächsten
Kriege bei den Gelenkschüssen von einer wesentlichen Bedeutung sein.
(Selbstbericht.)
21) Brentano (Berlin). Über Gefäßschüsse.
B. bespricht die Schußverletzungen der Blutgefäße unter Zugrunde-
legung von 8 Fällen, welche in dem Charbiner Lazarette der deutschen
Vereine vom Roten Kreuz zur Beobachtung kamen. Die Fälle hatten
das Gemeinsame, daB es sich hauptsächlich um Schußwunden aus
dem japanischen Infanteriegewehr (Kaliber 6.5 mm) handelte, und daß
— 39 ——
die Hautwunden bereits ganz oder nahezu geheilt waren, als die Pat.
zur Aufnahme gelangten. Von den 8 Fällen kamen 7 zur Operation.
In dem achten handelte es sich um einen Lochschuß der Aorta, der
zufällig bei einer Sektion gefunden wurde. Der betreffende Pat. hatte
die Verletzung 70 Tage überlebt und starb an den Folgen einer
Nachblutung, die, soweit sich dies feststellen ließ, nicht aus der durch-
schossenen Aorta, sondern aus der Leber stammte. (Demonstration
des Präparates.) In den 7 übrigen Fällen wurde die Schußstelle opera-
tiv freigelegt und reseziert nach Abbindung des Gefäßstammes ober-
und unterhalb der Verletzung, sowie sämtlicher Seitenäste. Die so
behandelten Fälle kamen zur reaktionslosen Heilung ohne nachweis-
bare Zirkulationsstörung peripher von der Resektionsstelle. Vortr. warnt
vor zu frühzeitigem Eingreifen bei Gefäßschußverletzungen. Nament-
lich widerrät er die Operation, solange noch große Hämatome bestehen
mit Rücksicht auf die Gefahr der Infektion und der peripheren Gan-
grän. Die sekundäre Gefäßnaht scheint ihm nur ausnahmsweise mög-
lich zu sein. Sie müßte in fast allen Fällen eine zirkuläre sein, weil
sich wegen der Größe des Defektes eine lineare Vereinigung nicht
ausführen läßt. Die Naht ist zudem erschwert durch die seröse
Durchtränkung der Gefäßwand und die dadurch bedingte Verminde-
rung der Elastizität, Folgen der Resorption des Blutergusses.
In den operierten Fällen handelte es sich 4mal um Streifschüsse,
die 3mal die Art. brachialis, Imal die Art. radialis betrafen, und 3mal
um Lochschüsse mit Erhaltung doppelseitiger Kontinuität des Gefäß-
rohres (Art. iliaca ext., femoralis und tibialis ant). Vortr. hält die Loch-
schüsse für weniger günstig in bezug auf Spontanheilung als die Streif-
schüsse, von welchen er 2 Fälle (die Art. brachialis betreffend) schon
6 Tage nach der Verwundung geschlossen fand. Der Verschluß war
dadurch zustande gekommen, daß die benachbarten Nerven und
Fascien mit den verletzten Gefäßen durch ein plastisches Exsudat zu
einem Ganzen verbacken waren. Daß die Arterie in diesen Fällen
verletzt gewesen sein mußte, konnte aus dem Verlaufe des Schußkanals
und dem Fehlen bzw. der Abschwächung des Pulses peripher von
der Wunde geschlossen werden. Dazu kam die auffallend harte Be-
schaffenheit der Narbe und Störungen in der Funktion der beteiligten
Nerven. Die Indikation zur Operation gab neben den letztgenannten
Symptomen die Befürchtung ab, es könne sich noch nachträglich an
der Stelle der Verletzung ein Aneurysma entwickeln, wie dies im Buren-
kriege beobachtet wurde.
In 3 Fällen (Art. radialis, tibialis ant., brachialis) bestanden soge-
nannte falsche Aneurysmen, die 8, 11 bzw. 14 Tage nach der Ver-
wundung operiert wurden, als nur noch Beste eines Hämatoms nach-
zuweisen waren.
Die Schußverletzung der Diaca ext. hatte zur Entstehung eines
hühnereigroßen Aneurysmas an der Einschußstelle geführt, das 83 Tage
nach der Verwundung unter Erhaltung der nicht mitverletzten Vene
exstirpiert wurde. Die stark nach außen umgekrempelten Ränder der
— 40 —
Ausschußöffnung standen in Verbindung mit einem Loche der Fascia
iliaca, unter der ein großes Hämatom lag.
Ein arterio-venöses Aneurysma, hervorgerufen durch gleichzeitige
Durchbohrung der Art. und Vena femoralis im Scarp a’schen Dreieck
(Lochschuß), wurde 19 Tage nach der Verwundung operiert.
Demonstration von 6 durch die Operation gewonnenen Präparaten.
(Selbstbericht.)
22) Colmers (Leipzig). Erfahrungen aus dem russisch-japa-
nischen Kriege über die Therapie bei Schußfrakturen der
Extremitäten.
C. stellt zunächst fest, daß die Art der durch das japanische
Kleinkalibergeschoß hervorgerufenen Knochenverletzungen im wesent-
lichen übereinstimmt mit den Erfahrungen der letzten Kriege und
besonders den Ergebnissen der experimentellen Arbeiten, die von
der Medizinalabteilung des preußischen Kriegsministeriums ausgeführt
worden sind.
Von entscheidender Bedeutung für die Prognose der Schußfrak-
turen ist die erste Hilfe auf dem Schlachtfeld und der Trans-
port bis in das nächste Lazarett. Auf Grund seiner Beobach-
tungen, namentlich nach der großen Mukdener Schlacht, stellt C.
folgende Forderungen auf, die besonders für die ärztliche Versorgung
der Verwundeten bei großen Schlachten, wo hohe Anforderungen an
das Sanitätspersonal gestellt werden, Geltung haben sollen.
1) Die Desinfektion der Wunden hat überhaupt zu unter-
bleiben, wenn sie nicht lege artis vorgenommen werden kann.
2) Der erste Verband soll in einer leicht komprimierenden
Einwicklung in anti- bzw. aseptische Verbandstoffe bestehen
und einer möglichst exakten Schienung der Fraktur.
3) Als chirurgischer Eingriff bei Schußfrakturen kommt auf dem
Hauptverbandsplatze prinzipiell nur die primäre Amputation in
Frage. Sowohl das Aufsuchen und Unterbinden blutender Gefäße
soll unterbleiben, als auch ganz besonders die Tamponade der Schuß-
wunden.
4) Es soll angestrebt werden, die Verwundeten mit Schußfrak-
turen, deren Verbände entsprechende Signaturen tragen sollen, mög-
lichst rasch in das nächste Kriegslazarett zu befördern.
5) Während des Transportes ist jeder Verbandswechsel
streng zu vermeiden.
6) Der erste Verbandswechsel soll erst in demjenigen Lazarett
erfolgen, in dem der Verwundete voraussichtlich die nächsten
2 Wochen bleiben wird (das sind eben die Kriegs- bzw. Reserve-
lazarette) und wo unmittelbar im Anschluß daran der erste Gips-
verband angelegt werden kann.
Den Gipsverband hilt C. fiir das souveräne Mittel bei der
Behandlung der Schußfrakturen, der es nicht bloß ermöglicht, schwere
— 1 —
Splitterbrüche, sondern auch infizierte Frakturen erfolgreich konser-
vativ zu behandeln.
Das Röntgenverfahren ist sehr wertvoll für die Behandlung der
Frakturen, hat aber nur Berechtigung, in den Kriegs- und Reserve-
lazaretten verwendet zu werden. a
Wegen des häufigen Wechsels der Arzte, durch deren Hände der
Verwundete auf dem kurzen Wege vom Schlachtfeld bis in das nächste
Kriegslazarett geht, hält es C. fiir notwendig, daß für die Behandlung
der Schußfrakturen ein Schema, das die oben ausgesprochenen
Forderungen enthält, den Arzten in die Hände gegeben werden
muß, an das sich strikte zu halten diese verpflichtet sein
müssen. (Selbstbericht.)
23) Henle (Dortmund). Über Verletzungen der peripheren
Nerven.
Infolge der großen Entfernung vom Kriegsschauplatze bekam das
Tokio-Lazarett der deutschen Vereine vom Rothen Kreuz nur altes
Material, aber aus diesem ausgesucht die chirurgisch interessantesten
Fälle.
Unter 276 Pat. hatten 34 (12%) Verletzungen der peripherischen
Nerven. Diesen galten 21 Operationen oder 10% der Gesamtzahl
von 195 Eingriffen.
Reine Neuralgien waren 6 vorhanden, dazu noch 11 kombiniert
mit Lähmungen. Von diesen 17 Neuralgien heilten 6 ohne Eingriff
(Stauung, Heißluft usw.). Bei 11 mußte operiert werden. Zweimal
handelte es sich um Beseitigung eines Druckes, der auf Nerven lastete:
ein Aneurysma und ein narbig geschrumpfter Pectoralis minor. Die
Exstirpation des Aneurysma bzw. des Muskels führte Heilung herbei.
4mal wurden Nerven und Narben gelöst und in weiche Gewebe ge-
bettet; 3 Heilungen. In einem Falle wurde der Medianus nach
3 Wochen wieder aufgesucht, da die Schmerzen nicht nachließen. Er
war wieder in Narben eingeschlossen. Resektion eines narbigen Stückes
des Nerven; Umhüllung mit einem aus der Bauchhaut gewonnenen
Fettlappen. Die Neuralgie schwand, ebenso in drei weiteren Fällen,
wo wegen komplizierender Lähmungen reseziert werden mußte, und in
zwei Fällen von Pfropfung.
Also 12 Operationen mit 11 guten Erfolgen. Alle 11 Pat. quoad
neuralgiam geheilt. Demnach sind diese anatomisch klaren Neuralgien
prognostisch günstig für verschiedenartige Operationen, deren wirk-
samer Faktor immer die Auslösung der Nerven oder der Nerven-
stümpfe aus Narbengewebe darstellt.
Schwieriger liegen die Lähmungen, weil bei ihnen das Alter der
Affektion mitspricht. Dieses betrug nur einmal 2 Monate, sonst immer
darüber, 3—9 Monate. 29 Pat. mit Lähmung. Bei 8 war unblutige
Behandlung von Erfolg; 4 Fälle waren aussichtslos, 17 wurden
operiert: 3mal Beseitigung von Druck (zwei Aneurysmen, geschrumpfter
— — —
Pectoralis minor); 2 gute, 1 Mißerfolg. 2 Neurolysen, 1 gut. 8 An-
frischungen mit Naht, 3 gut, 5 Mißerfolge.
Die Naht wurde mit feiner Seide ausgeführt. 2mal wurde die
Nahtlinie mit Fettlappen umwickelt, einmal mit der verletzten und
darum resezierten Arteria brachialis (Modifikation des Foramitti-
schen Verfahrens).
In einer Anzahl von Fällen waren die Nerven wegen zu großer
Diastase zwischen den Stümpfen nicht zu vereinigen. In einem Falle
von Verletzung des Radialis wird der proximale Stumpf längs-
gespalten, ein hinreichendes Stück der einen Hälfte abgeschnitten und
zwischen die Stiimpfe transplantiert. Kein Erfolg. Ein anderer Ra-
dialis wird an den Medianus gepfropft. Pfropfungen im ganzen sechs,
drei mit Erfolg. (3mal Ulnaris auf Medianus, imal Medianus auf
Ulnaris, Imal Radialis auf Medianus, imal Peroneus auf Tibialis.)
Ein Teil der Pfropfungen wird unterhalb der Verletzung gemacht,
weil an der Verletzungsstelle selbst wegen bestehender Osteomyelitis
nicht aseptisch operiert werden kann (analog der Darmausschaltung
bei unzugänglichem Darmverschluß).
In einigen Fällen wurde der ganze Stamm des gelähmten Nerven
an einen seitlichen Lappen des gesunden Nerven implantiert. Besteht
noch irgendwelche Aussicht auf Wiederdurchgängigwerden des ge-
lähmten Nerven, macht man besser nur eine Anastomose, indem man
auch vom gelähmten Nerven nur einen Lappen mit distaler Basis an
einen Lappen mit proximaler Basis des Entnahmenerven fixiert.
Dieser letztere Lappen betrug in allen Fällen von Pfropfung etwa
1/3 der Dicke des Nervenstammes.
Im ganzen also an 17 Pat. mit Lähmungen 20mal operiert, 9mal
mit gutem, 11mal mit schlechtem Erfolg, resp. von 17 Pat. waren
neun gebessert. Geheilt waren nur zwei Pat., bei allen übrigen waren
die betreffenden Bewegungen vorhanden, aber noch kraftlos. Un-
günstig für die Resultate war die zu kurze Beobachtungszeit nach den
Operationen (in einigen Fällen nur 1 Monat). Es ist daher wahr-
scheinlich, daB von den als ungeheilt angegebenen noch manche aus-
heilen.
Jedenfalls ist es wünschenswert, daß in künftigen Kriegen die
Nervenverletzungen möglichst frühzeitig den Reservelazaretten zuge-
führt werden, damit sie dort rechtzeitig, wenn nötig, chirurgische Hilfe
erhalten. (Selbstbericht.)
24) Hildebrandt. Schädelschüsse.
Wenn schon die Anschauung, in einem modernen Feldzuge würde
der Chirurg kaum mehr Schädelschüsse zu Gesicht bekommen, hin-
fällig geworden ist, so muß doch deren Mortalität noch immer als
sehr hoch betrachtet werden. Im Burenkriege sind nach der gewöhn-
lichen Annahme 70% hiervon auf dem Schlachtfelde geblieben, von
den Überlebenden dagegen ungefähr die Hälfte, vielleicht auch noch
etwas darüber, genesen. |
— AO Zn
Nicht zum mindesten ist dies günstige Resultat auf die Therapie
zu beziehen. Die häufigste Todesursache bildet das Auftreten einer
Infektion; ihre Verhütung muß daher unsere Hauptaufgabe bilden.
Ganz besonders gefährdet sind die Tangentialschüsse, welche sich
bekanntlich durch große Weichteil- und Knochenzerstörung auszeichnen.
Die einzige Möglichkeit, hier eine Vereiterung zu vermeiden, liegt in
dem primären Debridement. Legt man die Hirnrinde in der ganzen
Wundausdehnung frei, reinigt sie von Splittern, Blutkoagula und Detri-
tus, so erzielt man bei ihnen meist reaktionslose Heilung.
Aber auch bei den tiefen perforierenden Schüssen, welche
mit schweren Hirnsymptomen vergesellschaftet sind, ist die Trepana-
tion von gutem Erfolge gezeitigt. Die operierten Fälle waren von
schnellerer und vollständigerer Genesung gefolgt, als die nur mit Ok-
klusion behandelten.
Von einem chirurgischen Eingriffe sind also nur die Verwundeten
auszuschließen, welche sich in hoffnungslosem Zustande befinden, sowie
diejenigen tiefen perforierenden Schüsse mit kleinen Hautöffnungen,
bei denen keinerlei Hirnsymptome bestehen.
Die Prognose der Schädelverletzungen ist durch die Einführung
der neuen Spitzgeschosse (Balle DHS.) ungünstiger geworden, da diese
sich häufiiger überschlagen, als das ältere ogivale Gewehrprojektil. Die
hieraus resultierende größere Weichteil- und Knochenverletzung wird
die operative Freilegung des Hirns noch notwendiger machen als bisher.
(Selbstbericht.)
Diskussion.
v. Bergmann (Berlin) spricht sich gegen das von Zoege emp-
fohlene frühzeitige Operieren der Schädelschüsse — auch der Tan-
gentialschüsse — aus, zumal wenn die Verwundeten nachher einen
5—6tägigen Transport aushalten müssen; nur die sekundäre Trepana-
tion bei drohenden Erscheinungen (Meningitis, Abszeß) will er gelten
lassen. Gegenüber Bornhaupt verwirft er das Massieren der geheilten
Gelenkschüsse, da man nie wisse, ob nicht noch Infektionskeime ein-
gekapselt im Gelenk liegen. Bei allen Knochen- und Gelenkschüssen
fordert er eine gut durchgeführte Fixation, vor allem durch Gips-
verband, welche das beste aseptische Mittel sei. Die Gefäßunterbindung
auf dem Schlachtfelde sei nicht absolut zu verwerfen; liege die Gefahr
des schnellen Verblutungstodes vor, so müsse eben der Arzt eingreifen,
wo es auch sei. Herhold (Altona).
Z oege (Dorpat) beharrt bei seinem Standpunkte der primären Erwei-
terung der Tangentialschüsse am Schädel. Zu den Ausführungen des
Herrn Brentano muß ich folgendes bemerken: Die Herren in Charbin
(auch Bornhaupt) haben durchgesiebtes Material bekommen. Deswegen
erscheinen ihnen die Gefäßverletzungen und Aneurysmen so harmlos.
Ich habe sie in den vorderen Linien, in den Zügen und Etappen-
lazaretten und im Rücken der Armee mir angesehen und kann daher
darüber urteilen. Auf dem Wege verbluten eine ganze Reihe. Außer-
a Al, zu
dem ist die Unterbindung der frischen Verletzung doch einfacher als
die Operation des Aneurysma. Am schlechtesten ist die Prognose in
den ersten 3—12 Tagen, weil hier die Infiltration die Kollateralen
erdrückt, oft bis zu dem Grade, daß Gangrän schon vor Unterbindung
des Hauptstammes eintritt. Hier ist man dann ebenso wie bei Nach-
blutung gezwungen, zu ungünstiger Zeit zu operieren und die starre
Höhle nachher zu tamponieren, was wieder Nachblutung wegen Eite-
rung geben kann.
Wenn Brentano und Bornhaupt behaupten, man soll die Ge-
fäßverletzungen in den vorderen Linien in Ruhe lassen und evakuieren,
so ist das grundfalsch. Man soll sie so früh wie möglich auf dem
ersten Verbandplatz operieren. Dazu gehört zweierlei: 1) Die Diagnose,
und die ist mit dem Sthetoskop (v. Wahl) zu stellen. 2) Asep-
tische Hände, und hier muß man Gummihandschuhe mit haben, wie
ich das vor dem Kriege schon empfohlen habe. — Ich habe nach
diesen Prinzipien gehandelt und habe manchen vom Verbluten gerettet
und manche Gangrän inhibiert. — Amputationen wurden namentlich
nötig bei Gangrän direkt nach Verletzung oder nach intermediärer
Unterbindung. (Selbstbericht.)
v. Brakel (Libau) empfiehlt bei Schußverletzungen der Knochen
und Gelenke als Haupterfordernis gut angelegte feste Verbände.
Majewski (Budapest) empfiehlt zum ersten Verband die Hydr-
argyrumoxydat-V aselingaze.
Reger (Hannover) sieht den Beweis erbracht, daß das moderne
Geschoß ein humanes sei, während v. Wreden (Petersburg) das Geschoß
namentlich in seinen Nahwirkungen durchaus nicht als ein humanes
bezeichnen will. Herhold (Altona).
25) v. Oettingen (Berlin). Bauchchirurgie im Kriege.
v. Oe. faBte seinen Vortrag folgendermaBen zusammen:
1) Die aus früheren Kriegen gemeldete relative Gutartigkeit des
kleinkalibrigen Mantelgeschosses gegenüber dem alten Bleigeschoß und
dem modernen Artilleriegeschosse hat sich bestätigt und bezieht sich
auch auf das Arusaka- und Muratagewehr.
2) Die Schußwirkungen bei Verwundungen durch Mantelgeschoß
aus der Nähe (bis 400 m) haben gegen früher eine Verschlimmerung
erfahren; von da ab ist es eine bedeutend günstigere.
3) Die Prognose des einzelnen Falles hängt in erster Linie ab:
I. Von der Anatomie der Schußwunde, II. von dem Verhalten vor
dem Transport, III. vom Transport, endlich IV. von der Therapie.
4) Theoretisch sollte kein Bauchschuß durch Mantelgeschoß
primär laparotomiert werden, mit Ausnahme der mit rapid zunehmenden
Blutungen im Abdomen.
5) Die Behandlung ist konservativ.
6) Die Verletzungen durch Schrapnellkugeln, durch alle Arten
— 4 —
von deformierten Geschossen, Granatsplitter und sekundäre Geschosse
sind wegen ihrer anatomischen Beschaffenheit die prognostisch un-
günstigsten Verletzungen.
7) Theoretisch müßte fast jede dieser Verletzungen laparotomiert
werden.
8) Da die Praxis ergeben hat, daß einige Fälle bei konservativer
Behandlung durchkommen, die Laparotomie aber kaum einen Verwun-
deten rettet, so ist die primäre Laparotomie, wenigstens für den Feld-
arzt, auch hier zu verwerfen.
9) Den Feldärzten, deren Zahl im Kriege die der Chirurgen im
Kriege um das 20fache übersteigt, muß eine Art Schema, wie für die
Behandlung aller Schußwunden, so auch für die Bauchschüsse ge-
geben sein.
10) In der Einheitlichkeit der Therapie im Felde liegt das summum
salus der Verwundeten.
11) Die Statistik einzelner Organisationen während des Feldzuges
gibt ein unklares Bild der Verhältnisse.
12) Schätzungsweise dürfte auf Seiten des Siegers bei allen Bauch-
schüssen und bei konservativer Therapie eine Gesamtmortalität von
45% das Richtige treffen, während auf der niederliegenden Seite die
Mortalität 55% und mehr betragen dürfte.
13) Die Laparotomie im Felde ist nicht geeignet, diese Prozent-
zahl zu verbessern.
14) Die sekundäre Laparotomie rettet vielen das Leben, wo ein
primärer Eingriff den Tod zur Folge gehabt hätte.
15) Nur die Belehrung des Soldaten und des Sanitätspersonals,
sowie ein weiterer Ausbau des Transportwesens werden auf die Ver-
besserung dieser Zahlen einen günstigen Einfluß haben.
(Selbstbericht.)
Kopf und Gesicht.
26) Röttger (Berlin. Permanenter Schlafzustand nach Fall
auf den Hinterkopf.
R. demonstriert seinen Pat. Derselbe liegt seit nunmehr 11/, Jahren
(Juni 1904) stets in gleicher Stellung mit geschlossenen Augen, die
Stirne leicht gerunzelt, ohne je ein Wort gesprochen oder auch wäh-
rend der 3 Monate dauernder Beobachtung in der Maison de santé
in Schöneberg irgendeine Veränderung in seinem Zustande gezeigt zu
haben.
Im Vordergrunde des Krankheitsbildes steht die vollkommene Auf-
hebung jeder psychischen Funktion und Hemmung aller Willens-
äußerungen (Pat. verlangt nie zu essen usw.) mit gleichzeitigem abso-
lutem Stimmungsmangel, dabei aber Erhaltung der subkortikalen und
automatischen Zentren. Bei dem langen unveränderten Bestande der
Gesamterscheinungen, die auch bei genauer klinischer Beobachtung
— 6 —
festgestellt wurden, erscheint Simulation, an die anfangs wegen
schwebender gerichtlicher Untersuchung gedacht werden mußte, aus-
geschlossen. Da weiterhin keinerlei Symptome für eine intrakanielle
Blutung oder Herderkrankung bestehen, hält Vortr. den Fall für
einen schweren hysterischen Stupor, herbeigeführt auf der Basis eines
schon vorher wenig agilen Gehirns durch den psychischen Chok der
bevorstehenden Untersuchung und in letzter Linie durch den mecha-
nischen Insult des Falles auf den Hinterkopf. Prognostisch ist der
Fall sehr dubiös. ‘Selbstbericht.)
27) Sauerbruch (Greifswald). Blutleere Operationen am
Schädel unter Überdruck und Beiträge zur Hirndrucklehre.
S. ist im Anschluß an seine Versuche über intrathorakale Opera-
tionen in der Kammer dazu übergegangen, die Wirkung kompri-
mierter Luft auf Organe und Gefäße zu prüfen. Er ließ z. B. einen
Überdruck von ca. 50 mm Hg auf die Leber an Versuchshunden
wirken und beobachtete dabei eine so starke Kompression der Gefäße,
daß das Organ »blutleer«e durchschnitten werden konnte Die als
Nebenerscheinung auftretende Verdrängung des Zwerchfells und der
Lunge macht eine praktische Anwendung unmöglich. Anders ist es
beim Schädel. Es gelingt hier, die Wirkung der komprimierten Luft
schärfer auf das Operationsgebiet zu lokalisieren. Die Schädelopera-
tionen, namentlich die Durchtrennung der Knochen, vollziehen sich bei
Überdruck von 20—30 mm Hg »blutleere«. Die bestehende Gefahr
der Luftembolie läßt sich durch geeignetes Vorgehen sicher vermeiden.
Die praktische Anwendung des Verfahrens beim Menschen bleibt zu-
nächst fraglich; dagegen gibt es Aufschluß über einige wichtige Fragen
des Hirndruckes. Diese Einzelheiten müssen im Original eingesehen
werden. (Erinnerungsschrift an Joh. v. Mikulicz. Juniheft der Grenz-
gebiete.) ‘Selbstbericht.)
28) Borchardt (Berlin). Demonstration zur Trepanation.
Redner zeigt einen kleinen 13jährigen Jungen, den er vor
11/, Jahren wegen Herzverletzung operiert hat. Der Knabe war auf
einen Baum geklettert, auf ein Eisengitter heruntergefallen und hatte
sich gepfählt. 21/, Stunden nach der Verletzung hat B. ihn zur
Operation bekommen. Eine sehr große Wunde in der mittleren
Axillarlinie hatte den Thorax weit eröffnet; von da aus resezierte B.
5—6 Rippen in großer Ausdehnung. Der Herzbeutel wurde geöffnet,
das Herz hervorgeholt. Es zeigte sich eine penetrierende Wunde an
der Hinterwand des linken Ventrikels; die wurde mit Seidenknopf-
nähten geschlossen. Da außerdem noch Symptome für eine Bauch-
verletzung sprachen, so wurde sofort noch die Laparotomie ange-
schlossen, aber keine Verletzung der Bauchorgane gefunden. Der
Junge ist geheilt, befindet sich sehr wohl. (Selbstbericht.)
u A on
29) Borchard (Posen). Über die osteoplastische Deckung
von Schädeldefekten nach Durante-v. Hacker.
Die Operationsmethode der Deckung von Schädeldefekten durch
unter der Haut verschobene, gestielte Periostknochenlappen ist in der
Zwischenzeit schon wiederholt angewandt worden. Verf.: hat sie syste-
matisch an zwölf Fällen durchgeführt und kommt zu dem Resultat,
daß dieselbe allen Anforderungen gerecht wird, da selbst größte
Defekte von 12 zu 7 cm dadurch in kurzer Zeit knöchern verschlossen
werden können, ebenso wie die Methode ausführbar ist bei kongenitalen
Schädeldefekten kleiner Kinder. Es gelang ihm, eine Knochenlücke,
welche nach Operation einer Meningokele sincipitalis duplex zurück-
geblieben war, knöchern durch einen aus der Stirn genommenen Lap-
pen zu schließen. Es ist der Modifikation, nach welcher eine einfache
seitliche Verschiebung des Lappens, so daß die Wundfläche, des, Kno-
chens auf die harte Hirnhaut resp. das Gehirn selbst zu liegen kommt,
der Vorzug zu geben vor der Deckung mit Periost nach innen, also
mit querer Umklappung des Lappens, sowie der mit einfacher Periost-
verschiebung. Es ist bei der Operation nicht nötig, einen sehr dicken
Knochenlappen zu nehmen, da so bei gleichem Erfolg die Blutung aus
der Diploe vermieden wird, außerdem aber der Lappen selbst sich viel
besser dem Gehirn anpaßt. Unbedingt nötig dagegen ist es, daß die
Haut sofort primär vereinigt werden kann. Etwaige Verwachsungen
zwischen Lappen und Gehirn sind nicht so sehr zu fürchten, da die-
selben weniger abhängig sind von der Wundfläche des Knochenlappens
als wie von dem Intaktsein der Dura. Nur wenn letztere verletzt ist,
kommt es zu Verwachsungen, unabhängig ob der Periostknochenlappen
mit seiner Wundfläche oder mit dem Periost dem Gehirn aufliegt.
Die Operationsmethode ist somit in allen Fällen zu empfehlen, wo
eine primäre Deckung durch wiedereingepflanzte Knochenstücke nicht
möglich ist und wo andererseits sich das Müller-König’sche Ver-
fahren, welches technisch auch schwieriger ist, nicht empfiehlt.
(Selbstbericht.)
19) F. Krause (Berlin). Operationen in der hinteren Schädel-
grube.
Von den neun Operierten ist mir keiner an Kollaps, an Blutung oder
Meningitis gestorben. Gestorben sind drei von den neun, eine Frau am
6. Tag an Pneumonie — das Gehirn und die Meningen haben sich bei
der Obduktion intakt erwiesen —, die zwei anderen Kranken, weil der
Tumor oder die hirndruckerzeugende, raumbeengende Masse nicht ent-
fernt werden konnte.
Als Beispiel gebe ich hier im Referate nur einen Fall wieder,
der mir im Juni 1905 von Herrn Geh.-Rat Ziehen zur Operation
zugewiesen wurde. Es handelte sich um einen sog. Tumor des Klein-
hirnbrückenwinkels, der also zwischen der Spitze des Felsenbeines, dem
Pons Varoli und dem Kleinhirn gelegen war.
— AAR ee
In der Technik gehe ich noch genau so vor, wie ich sie im Jahre
1898 bei zwei Fällen in Altona angewandt habe. Die Arbeit steht
in der Festschrift zu Exzellenz v. Esmarch’s 80. Geburtstag in den
Bruns’schen Beiträgen. Ich bilde einen Lappen mit unterer Basis,
der in der Mitte bis an den Sinus occipitalis heranreicht, den Sinus
transversus nach oben hin überschreitet und auf den Sinus sigmoideus
übergreift. Es ist durchaus nötig, daß man diese beiden letzteren frei-
legt. Ich operiere mit der Hand, verwende die elektrische Trepanation
nicht mehr, benutze vielmehr den Doyen’schen Bohrer, die Braatz-
schen Sonden und die Dahlgreen’sche Zange, letztere mit einer
kleinen Modifikation (zu kaufen bei Windler).
Wenn der Weichteil-Knochenlappen heruntergeschlagen ist, wird die
Dura ebenfalls als Lappen mit unterer Basis umschnitten, und zwar un-
mittelbar unterhalb des Sinus transversus, dicht lateral vom Sinus sigmoi-
deus und median vom Sinus occipitalis, und nach unten gelegt. Dann
liegt die betreffende Kleinhirnhemisphäre frei, und Sie können schon
dadurch, daß Sie den Kopf zur Seite neigen lassen, die hintere Felsen-
beinfläche zugänglich machen, nahe bis an den Facialis- und Acusti-
cus. Wenn Sie nun vorsichtig mit dem Hirnspatel, wie ich ihn
für das Ganglion Gasseri benutze, die Kleinhirnhemisphäre zur Seite
drängen, so kommt der Facialis und Acusticus in der Tiefe zu
Gesicht.
Verschieben Sie das Kleinhirn statt von außen nach innen mehr
von unten außen nach oben innen, so bekommen Sie auch den Vagus,
den Glossopharyngeus und den Hypoglossus zu Gesicht. Die Nerven
sind durchaus deutlich wahrzunehmen; ich habe sie nicht bloß selbst
gesehen, sondern auch dem hinter mir stehenden Maler und den an-
wesenden Neurologen und Arzten, denen ich die Kranken verdanke,
demonstrieren können.
Nun kam bei der 44jährigen Frau, als die rechte Kleinhirnhemi-
sphäre schräg medianwärts und nach oben zurückgezogen wurde — die
Operation führte ich am 22. Juni 1905 aus —, der Tumor in der Tiefe
von 5i/, cm, von der Oberfläche des Schädels aus gemessen, zu Ge-
sicht. Er war von einer spinnegewebigen Haut überkleidet. Ich zerriß
diese mit einem stumpfen Häkchen, setzte einen starken, scharfen
Haken in den Tumor ein und versuchte, ihn zu luxieren. Es ist aus
Leichenbefunden bekannt, daß diese Tumoren abgekapselt und leicht
ausschälbar sein können. Das gelang nicht, denn der Haken riß aus.
Ich ging nun mit einem großen Löffel, wie man ihn zur Entbindung
von Gallensteinen anwendet, hinter den Tumor und hob ihn heraus;
er war daumengliedgroß. Die Operation hat 1 Stunde 10 Minuten
gedauert.
Die Frau ist geheilt entlassen und in der Berliner Neurologischen
Gesellschaft vom Privatdozenten Dr. Seiffer im November 1905 vor-
gestellt worden. Die krankhaften Symptome sind fast sämtlich ver-
schwunden; eine gewisse Störung ist zurückgeblieben, die Narbe ist
ana A —
ektatisch. Ich führe das auf die Entfernung des Knochens zurück,
den ich in diesem Falle bei der einzeitigen Operation geopfert habe.
Die Symptome waren erstens die des allgemeinen Hirndruckes und
zweitens die örtlichen. Erstere, die sich langsam im Laufe von 3 Jahren
entwickelten, sprachen für die Gutartigkeit des Tumors. In der Tat
handelte es sich um ein Fibrom, allerdings ein zellreiches. Die Sym-
ptome bestanden in Schwindelanfällen, Kopfschmerzen, Taumeln nach
der rechten Seite. Dann trat Doppeltsehen hinzu, Erbrechen, zuweilen
auch Bewußtlosigkeit und Krampfanfälle. So kam die Kranke zur Auf-
nahme in die Charité, und es wurden dann sehr genaue Nervenstatus
aufgenommen, aus denen ich kurz angebe, daß von den Hirnnerven
beteiligt waren: der Olfactorius, beide Optici durch ausgesprochene
Stauungspapille; dann waren die Augenmuskelnerven, Oculomotorius,
Trochlearis und Abducens beteiligt durch Doppeltsehen und Nystagmus.
Was den Trigeminus betrifft, so hatte die Frau eine vollständige An-
ästhesie der Hornhaut auf der betreffenden Seite. Der Facialis war
wenig beteiligt, der Acusticus in höchstem Maße. Der Acusticus teilt
sich in zwei Teile, deren Trennung sebr wichtig ist, in den Cochlearis
für das Hörvermögen — die Frau war auf der kranken Seite voll-
kommen taub für alle Untersuchungsmethoden — und den Vestibu-
laris, welcher das Gleichgewichtsgefühl vermittelt. Die Frau war bei
offenen Augen nicht imstande, gerade zu gehen, bei geschlossenen
Augen fiel sie um. Vagus, Accessorius waren nicht beteiligt, dagegen .
ist etwas Geschmacksdifferenz auf beiden Zungenhälften festgestellt
worden. | (Selbstbericht.)
Diskussion.
Braun (Gottingen) empfiehlt, bei den Erscheinungen von Klein-
hirngeschwülsten zunächst die Punktion des vierten Ventrikels zu ver-
suchen, da es sich zuweilen nur um einen Hydrocephalus desselben
handelt, und die Druckerscheinungen nach ein bis zwei Punktionen
verschwinden können.
Kausch (Schöneberg) operiert am Schädel stets zweizeitig; von
der Ventrikelpunktion verspricht er sich keinen Erfolg und er schlägt
statt dessen die Drainage des vierten Ventrikels vor.
Herhold (Altona).
Borchardt (Berlin) macht auf einen Sinus aufmerksam, der bei
den Operationen in der hinteren Schädelgrube zuweilen gefährlich
werden kann, den Sinus marginalis, der an der Umrandung des
Foramen occipitale verläuft. In den chirurgischen Arbeiten ist er leider
gar nicht berücksichtigt worden. Dieser Sinus ist in manchen Fällen
enorm groß, größer noch als der Sinus transversus. Er kommt, wie
Redner sich an Präparaten überzeugt hat, in ca. 10% der Fälle vor,
ist stets rechts stärker als links. Sollte er verletzt werden — nament-
lich bei der temporären Resektion kann das vorkommen —, so ist die
Blutstillung wohl nur durch Tamponade zu erreichen.
Was die Lappenbildung anbelangt, so geht B. insofern etwas
anders vor als Prof. Krause, als er von vornherein den Lappen
Chirurgen-Kongreß 1906. 4
— 50 —
etwas höher herausschneidet als Krause, indem er um 4 cm
über die Protuberantia occip. externa hinausgeht. B. tut das des-
halb, weil er an einer ganzen Reihe von Präparaten im anatomischen
Institut gesehen hat, daß der Sinus transversus bis an die Protube-
rantia occip. ext. hinaufreichen kann. Sein Schnitt hält also die
Mitte zwischen dem von Krause, Schede, Kocher u. a. ausgeführten
und dem von Duret empfohlenen, der bis 8 cm über die Protuberantia
occip. ext. geht.
Für die Blutstillung aus den Foramina emissaria hält er sich eine
Anzahl Elfenbeinnägel oder Holzflöckchen vorrätig, die er einschlägt
und nachher im Knochenniveau abschneidet..
Im allgemeinen ist er dafür, den Knochen zu opfern, weil es sich
ja an und für sich schon um sehr komplizierte Operationen handelt.
Wenn man osteoplastisch beide Hemisphären freilegt, so hat man
gefürchtet, daß der Knochen am Foramen occip. magnum brechen
und die Medulla oblongata verletzt werden könne. Diese Gefahr ist
wohl nicht groß; denn wenn der Knochen selbst an dieser Stelle
bricht, so ist eine sehr dicke Membran da, welche das Gehirn schützt:
die Membrana atlanti occipitalis; und wenn man diese durch-
schneidet, kommt man nicht auf die Medulla oblongata, sondern auf
die Tonsille des Kleinhirns; die Medulla oblongata selbst liegt noch
ein gut Stiick weiter davon.
Am schwierigsten zu behandeln sind die Tumoren des Kleinhirn-
briickenwinkels. B. hat dreimal Gelegenheit gehabt, solche Tumoren
zu operieren. Im ersten Falle hat er nicht nur die Hinterhaupt-
schuppe fortgenommen, sondern das ganze Ohr mit entfernt. Das
kann man ja tun, da es sich meist um Pat. handelt, die ihr Gehör
schon verloren haben. Es gelang auf diese Weise nach Unterbindung
und Durchschneidung des Sinus transversus die Geschwulst gut heraus-
zubekommen; aber wegen starker Blutung mußte tamponiert werden,
und 48 Stunden später ist die Pat. unter Symptomen des Druckes
auf die Medulla oblongata zugrunde gegangen.
Die Hauptgefahr der Operationen am Kleinhirnbrückenwinkel
besteht darin, daß man in der Nähe des Vagus und der Medulla
oblongata operiert, und um diese möglichst wenig zu schädigen, hat
Frazier einen sehr beachtenswerten Vorschlag gemacht, der dahin
geht, Teile des Kleinhirns zu opfern. B. ist in seinem ersten Falle
ohne dieses Hilfsmittel ausgekommen. Im zweiten Falle, den er
operierte, konnte er ebenfalls den Tumor erreichen, ohne Kleinhirn
zu opfern; als er aber die Geschwulst entfernt hatte, war der Hirn-
prolaps so kolossal, daß er das Kleinhirn nicht zuriickbrachte; er
mußte daher ein Stück vom Kleinhirn opfern. Die Pat. hat davon
keine Beschwerden gehabt, ist aber leider 6 Tage nach der Operation
an Schluckpneumonie zugrunde gegangen.
Den dritten Pat., den Redner vorstellt, hat er vor einem halben
Jahre operiert; wahrscheinlich ist ein Stückchen des Tumors zurück-
geblieben. Es war einer von denjenigen Pat., die zu einer noch
in u een
günstigen Zeit zur Operation gekommen sind, d. h. vor der gänzlichen
Erblindung. In diesem Falle waren die Verhältnisse zum Schädel
so ungünstig, daß Redner, um an den Tumor heranzukommen, den
größten Teil der rechten Kleinhirnhemisphäre entfernen mußte. Der
Pat. befindet sich im Augenblick — es ist ein halbes Jahr nach der
Operation — sehr wohl. Die schweren Anfälle von Kopfschmerzen
und ÖOhrensausen, die ihn des Lebens überdrüssig machten, sind ver-
schwunden, und er hat noch eben einen dankerfüllten Brief geschrieben.
Allerdings läßt sich die zunehmende Atrophie der Papille nicht
aufhalten.
Pat. hat an Stelle des Knochendefektes eine Hernie und hinter
derselben eine Liquoransammlung, die ab und zu durch Punktion
abgelassen werden muß. Das ist auch bei dem Falle so, den Herr
Prof. Krause operiert hat. (Selbstbericht.)
31) Bardenheuer (Kéln). Das Wesen und die operative
Behandlung der Neuralgie mittels Aufmeifelung des Kanales,
durch welchen der Nerv verläuft, und die Verlagerung des
Nerven in Weichteile.
B. spricht als Ursache fiir die Entstehung der Neuralgie das Be-
stehen einer venösen Hyperämie in den Knochenkanälen, durch welche
die Nerven’ verlaufen, an.
Es entsteht nach dem Vortr. infolge irgendeiner peripheren Ur-
sache: Erkältung, Traumen, Entzündung usw., eine periphere Hyper-
ämie, welche entlang den Nervenästchen bis zu dem ihm zugehörigen
Knochenkanale hinaufsteigt, in welchem sie durch die Unnachgiebig-
keit der knöcheren Wand ständig wird und sich zum Odem, zur
Perineuritis, zu Verwachsung mit dem Knochenkanale weiter ent-
wickelt.
Die venöse Hyperämie wandert bei längerem Bestehen aufwärts
bis zu den übrigen Asten, bis zum Stamme, bis zu den Ganglien.
Diese venöse Hyperämie kann auch durch innere Ursachen, die im
Blut oder in den Gefäßwänden usw. liegen, allerwärts entstehen, dem-
entsprechend aber auch in den betreffenden Knochenkanälen, woselbst
sie wiederum aus gleichen Ursachen ständig wird.
Aus diesem Grunde empfiehlt B. die Entfernung einer Wand des
Kanales und die sanfte Hervorhebung des Nerven aus demselben, die
Lagerung desselben in einiger Entfernung von der entstandenen
Knochenwundfläche und an letzter Stelle die Überlagerung eines sub-
kutanen, aus der Nähe genommenen Muskelperiostlappens unter den
Nerven über die Knochenwundfläche.
B. gibt alsdann einen Bericht über vier von ihnen selbst operierte
Neuralgien des Trigeminus und einen gleichen von Oberarzt Dr. Straeter-
Düsseldorf und stellt außerdem zwei geheilte Fälle vor.
Alle Fälle sind geheilt worden.
4*
Nur in einem Falle ist ein Rezidiv nach 13 Monaten eingetreten,
weil bei der Operation ein Bruch des Unterkiefers entstand und nach-
träglich sich eine stärkere Phlegmone und sekundär eine Nekrose der
Bruchenden entwickelte. Es bestand ein Schmerzpunkt dort, wo der
Nerv über den Callus lief.
Die nachgeschickte Exzision des Bindgewebscallus um den Nerven
heilte den Pat. (seit 6 Monaten).
Die Heilungsdauer beträgt in den übrigen 4 Fällen 14, 7, 8, 3
Monate.
Das Leiden bestand in den 5 Fallen 3, 6, 10 (2mal), 12 Jahre.
B. glaubt daher, dieses Verfahren wenigstens zum Versuche der
Neurektomie resp. der Ganglionexzision vorausschicken zu diirfen, zu-
mal da der Eingriff ein gefahrloser ist und die event. nachherige
Ausführung der anderen Methoden nicht beeinträchtigt.
(Selbstbericht.'
32) Steiner (Berlin). Facialisplastik.
Bei der 21jährigen Dame trat vor 4 Jahren eine Lähmung der
linken Gesichtshälfte auf; im frühen Kindesalter war in Rußland
wegen linksseitiger Ohreiterung eine Anmeißelung des Warzenfortsatzes
gemacht worden. — Die üblichen therapeutischen Methoden der Facialis-
parese versagten, auch eine von Dr. Stuert in Königsberg vor
2 Wochen ausgeführte Freilegung des Facialis war ohne Erfolg.
Die Kranke wurde mir im Juli v. J. von Herrn Geh.-Rat Prof.
Bernhard und Herrn Dr. Haike überwiesen mit vollständiger links-
seitiger Facialisparese und absoluter Entartungsreaktion im Gebiete
des befallenen Nerven.
Ich entschloß mich, da jede Aussicht auf eine Heilung geschwun-
den war, und das junge Mädchen, wie ein Blick auf die Photographie
zeigt, schon bei Ruhigstellung des Gesichtes eine bedeutende Ver-
zerrung nach der gesunden Seite hatte, zur Operation.
Dieselbe wurde in der Weise ausgeführt, daß ich zunächst den
Accessorius freilegte, was technisch schwierig war, da der Nerv im
Narbengebiete der beiden voraufgegangenen Ohroperationen verlief;
sodann suchte ich den Facialisstamm bei seinem Austritt aus dem
Foramen stylomastoideum auf und schnitt denselben daselbst durch.
Ich begnügte mich nicht damit, den Facialis an den Accessorius seit-
lich anzunähen, sondern ich durchschnitt den Accessorius vollständig
und vernähte das zentrale Accessoriusende mit dem peripheren Facialis-
stumpfe; sodann wurde das periphere Accessoriusende in die Nähe der
Nervenanastomose gelagert.
4 Monate nach dieser Operation setzte ein juckendes Gefühl
in der Haut der linken Gesichtshälfte ein, sodann machten sich da-
selbst unregelmäßige fibrilläre Muskelzuckungen bemerkbar;
nach weiteren 6 Wochen — 51/, Monate nach der Operation — traten
bei Hochheben des linken Armes bzw. der linken Schulter die linken
Gesichtsmuskeln in Aktion, erst nur angedeutet, dann immer deut-
— — — — — ese -
pets, J aa
licher; die elektrische Untersuchung ergab, daß die Entartungsreaktion
im Gebiete des Facialis wie des Accessorius geschwunden war und
die betreffenden Nerven und Muskeln dem Zuckungsgesetze gehorchten.
Seit einigen Wochen kann das linke Auge, welches früher stark tränte,
wieder geschlossen werden, endlich ist die Verzerrung des Gesichtes
nach rechts nahezu vollständig geschwunden, da in den früher ge-
lähmten Muskeln durch die wiederhergestellte Verbindung mit dem
Zentralnervenorgan ein normaler Tonus vorhanden ist.
Wenn auch vorläufig die Willensimpulse ausschließlich vom Acces-
sorius ausgehen, was ın Gestalt der unwillkommenen Mitbewegungen
in Erscheinung tritt, so glaube ich doch, daß das bisherige Resultat
— die Aufhebung der Gesichtsverzerrung und die wiedererlangte Fähig-
keit des Lidschlusses mit konsekutiver Behinderung des lästigen Trä-
nens — das Operationsverfahren als einen zweifellosen Fortschritt er-
scheinen läßt, zumal eine weitere Besserung mit Sicherheit zu er-
warten ist. |
Im allgemeinen glaube ich, daß die Prognose der Nervenanasto-
mosierung zur Heilung von Lähmungen um so besser ist, je stärker
die Muskeln sind, welche der befallene Nerv versorgt.
(Selbstbericht.)
33) Eckstein (Berlin). Paraffininjektionen und -Implantationen
5 bei Nasenplastiken.
Zur Schaffung von Paraffinprothesen haben in den verflossenen
5 Jahren eine Reihe von verschiedenen Präparaten Verwendung ge-
funden: Weichparaffine, Hartparaffine und Mischungen von beiden.
Hiervon sind indessen einzig, die von E. empfohlenen Hartparaffin-
sorten, welche bei mehr als 50° C schmelzen, im Körper hinreichend
fest, um gefahrlos verwandt zu werden. Sie geben auch wegen ihrer
Härte und wegen der Unfähigkeit, sich sekundär zu verschieben, die
besten Resultate. Die Embolien, die nach den Einspritzungen vorkamen,
waren meist die Folge der Verwendung zu weichen Materiales. Die
wenigen bei Hartparaffin berichteten traten sekundär als Folge un-
zweckmäßiger Technik auf und lassen sich nicht vermeiden. Die Fälle
von Erblindung nach Nasenkorrekturen — 13!! — kamen niemals bei
Verwendung von hochschmelzendem Hartparaffin vor. Dieses letztere
wird auch wahrscheinlich überhaupt nicht resorbiert. Klinisch hat
sich jedenfalls auch bei Fällen, die 5 Jahre hindurch beobachtet
wurden, niemals eine Verkleinerung gezeigt. Histologisch liefert das
Hartparaffin differente Bilder, je nachdem es sich im Gewebe fein
verteilt oder in größeren Depots ansammelt.
Was die Injektionstechnik anbetrifft, so hat Vortr. in der ganzen
Zeit nichts Nennenswertes zu ändern gehabt. Der wesentlichste Fort-
schritt ist die Implantation vorher exakt zurecht geschnittener
Prothesen aus Hartparaffin vom Schmelzpunkt 75° C. Sie kommt
dann in Anwendung, wenn die Injektion infolge zu starker narbiger
u BR
Verwachsung oder mangelhafter Ausdehnungsfähigkeit der Haut un-
genügende Resultate liefert. Das ist besonders bei Plastiken am
Nasenrücken, aber auch am Nasenflügel der Fall, in welch letzteren
mit Hilfe einer besonderen Implantationspinzette feinste Plättchen
implantiert werden, wenn sie eingesunken oder narbig eingezogen sind.
Vorzüglich eignet sich das Verfahren zur Kombination mit der Injek-
tion, mit der man zuerst alles erreichen soll, was sich bequem er-
reichen läßt. Das Resultat wird dann eventuell durch ein winziges
Stückchen Paraffin vervollständigt. Auf diese Weise kann man bei
den schwersten Sattelnasen schnurgerade Profile erzeugen, die den
vorgenommenen Eingriff nicht mehr ahnen lassen.
An einer großen Anzahl von Bildern und Pat. demonstriert Vortr.
einwandsfreie Dauerresultate bei den verschiedensten Nasendeformitäten.
Bei insgesamt ca. 200 Nasenplastiken hat er oft ideale Resultate
erzielt, ohne daß sich jemals ein Unglücksfall ereignet hätte.
(Selbstbericht.)
34) Schultze (Duisburg). Die chirurgische Behandlung des
Gesichtslupus.
Die chirurgische Behandlung des Gesichtslupus bezieht sich auf
die radikale Exstirpation mit nachfolgender Transplantation nach
Thiersch.
An der Hand zahlreicher Diapositive wurde die Technik der Ex-
stirpation, der Transplantation, sowie der Plastik erörtert.
Die Exstirpation des Lupus erfolgt unter Anwendung der Exten-
sion. Die Haut wird mit festen Zangen gefaßt, extendiert, exstirpiert.
Der Assistent stillt die Blutung durch Kompression, das blutende Feld
sofort bedeckend. Bei der Transplantation wird das Material nach
der Reihe geschnitten. Jeder Lappen wird auf einem Tupfer aus-
gebreitet und in Kochsalz gelegt. Bei der Übertragung breitet man
die Lappen auf einer Flasche oder einem Glasdeckel aus und wälzt
resp. preßt die Lappen auf. Durch Klauenschieber mit der Haut
fixiert, wird der Lappen eingenäht. Ein Verband mit kleinsten Tupfern
besorgt ein exaktes Anliegen der Lappen.
Eine wichtige Rolle spielt der Klauenschieber beim Transplan-
tieren von Höhlen. Der Lappen wird mit der Haut festgeklemmt
und dann in die Tiefe geschoben, eine Methode, die sich vorzüglich
bewährt hat.
Ektropionkorrektur wird stets durch Aushülsen des unteren Lides,
Extension und Transplantation beseitigt, auch in den schwersten
Fällen.
Der kleinste Lupus ist stets zu exstirpieren und niemals in anderer
Weise zu behandeln.
Wir teilen dann die einzelnen Formen ein in:
Lupus einer oder beider Wangen, Lupus des ganzen Gesichtes
und Kinnes, Lupus der Nase. Lupus der Lippe.
— —
Der Lupus einer oder beider Wangen ist in einer oder zwei
Sitzungen, je nach dem Allgemeinzustande, zu exstirpieren. Die Ex-
stirpation ist in keiner Weise begrenzt. Die Prognose ist giinstig;
die Nachoperationen beziehen sich nur auf kleine Herde.
Beim Lupus des ganzen Gesichtes sowie des Kinnes ist in meh-
reren Sitzungen zu arbeiten. Zuerst die Wangen, dann Kinn und
Lippen. Die größte Ausdehnung spricht nicht gegen die Operation.
Die Prognose ist gut; Nachoperationen häufiger.
Lupus der Nase bietet die schwierigsten Verhältnisse, gibt die
meisten Rezidive. Bei Erkrankung der äußeren Nase ohne Beteiligung
der Schleimhaut gibt die Exstirpation in beliebiger Ausdehnung ein
gutes kosmetisches Resultat. Ist die Schleimhaut erkrankt, so unter-
scheiden wir folgende Operationstypen, je nach der Lokalisation des
Lupus, von dem Standpunkt ausgehend, möglichst die Konfiguration
der Nase zu erhalten.
a. Bei Lupus der Nasenflügel ist die mediane Spaltung der Nase
indiziert, der Exstirpation folgt die Transplantation und Naht, wodurch
die Nase rekonstruiert ist.
b. Bei Lupus des Septum ohne Perforation ist ebenfalls die me-
diane Spaltung, Exstirpation und Transplantation indiziert mit nach-
folgender Naht.
c. Handelt es sich um Lupus des Septum mit Perforation, so ist
die mediane Spaltung der Nase notwendig, und zwar ohne nachfolgende
Naht. Es muß dann die Nase so lange offen gehalten werden, bis
man sich von der Ausheilung des Naseninnern überzeugt hat. Den
Nasenfliigel kann man unter Extension legen durch Fixation des
Fadens auf der hinteren Wange. Eine Plastik ist nicht zu um-
gehen.
d. Ist die Nasenspitze erkrankt und sind ausgedehnte Zerstörungen
mit nachfolgendem Verluste der Spitze vorhanden, so ist plastischer
Ersatz notwendig. 1/,—1 Jahr später soll erst die Plastik vorgenommen
werden, nachdem alles abgeheilt ist.
Die Behandlung des Lupus der Lippen hängt ab von der Lokali-
sation.
a. Einzelherde, welche nur einen Teil der Lippe umfassen, sind
mit gutem kosmetischem Resultate zu entfernen.
b. Erkrankung der ganzen Lippe ohne Ektropion läßt sich eben-
falls noch ohne Plastik zum Ausheilen bringen.
c. Lupus der Lippe mit Ektropion erfordert Plastik aus der Um-
gebung.
d. Totaldefekt der Lippe verlangt ebenfalls plastischen Ersatz,
event. die temporäre Plastik, sofern die Umgebung wegen lupöser Er-
krankung kein Material bietet.
Die Resultate beziehen sich auf eine Zeit von 2—15 Jahren. Es
kamen zur Behandlung 78 Fälle:
1) 28 Fälle von kleinem Lupus, welche sämtlich geheilt wurden;
1l1mal war eine Nachoperation notwendig.
— —
2) 16 Fälle von Lupus der Wangen mit 14 Heilungen und 2 Total-
rezidiven. 8mal wurde nachoperiert.
3) 13 Fälle von Lupus des ganzen Gesichtes mit 10 Heilungen,
3 Rezidiven. 9mal wurden Nachoperationen notwendig.
4) 21 Fälle von Lupus der Nase mit 6 Rezidiven, 9 Fälle un-
bestimmt, 6 geheilt. Nachoperationen in sämtlichen 21 Fällen.
Den Resultaten entnehmen wir, daß Nachoperationen sehr häufig
vorgenommen werden müssen. Es beziehen sich diese Eingriffe auf
kleine, meist peripher gelegene und selten zentral vorhandene Lupus-
knötchen, welche bei der Exstirpation nicht entfernt wurden.
(Selbstbericht.)
35) Plücker (Wolfenbüttel). Mißbildung des Gesichtsskeletts.
P. demonstriert einen Fall von Mißbildung des Gesichtsskeletts,
der für die Frage von der Bedeutung des Processus nasalis lateralis
an dem Aufbau des Gesichts von großem Interesse ist.
Es handelt sich um eine vollständige Hemmungsbildung im Ge-
biete des Y-förmigen Spaltsystems (nach Merkel) der linken Gesichts-
hälfte einer gesunden 40!/,jahrigen Frau W. aus K. — Komplika-
tionen durch persistierende Spaltbildungen fehlen. Durch embryonale
Vernarbung ist eine ausgezeichnete Vereinigung im Gesichtsskelett
zustande gekommen.
Wir finden dreierlei:
I. Mißbildung im Gebiete der Mundbucht-Augenspalte.e Kolobom
der Chorioidea und Iris.
II. Fehlen der linken äußeren Nasenhälfte mitsamt der knöchernen
Umrandung der Apertura piriformis des Oberkiefers linkerseits. Nasen-
bein und Tränenbein fehlen vollständig, die Seitenteile der linken
Nasenhälfte im Bezirke der Pars respiratoria sind mindestens ver-
kümmert. Nerven- und Choanenbildung ist normal.
II. Ausfall am Alveolarkieferteil und Lippe im Spaltgebiete
zwischen Processus nasalis lateralis und mesalis. Das Gaumendach
des Oberkiefers ist links steil und schmäler wie rechts, und zwar um
den Teil, den der supponierte äußere Zwischenkiefer bilden müßte mit
dem äußeren Schneidezahn. Die Lippe ist links !/, cm kürzer als
rechts.
Die MiBbildung ist auf eine Entwicklungshemmung zurückzuführen,
die vor die 6. Embryonalwoche zu datieren ist.
Die Ursache ist unbekannt. (Selbstbericht.)
36) Bunge (Königsberg i. Pr... Zur Technik der Urano-
plastik.
Nach den letzten vorliegenden statistischen Arbeiten über Erfolge
der Operation der Gaumenspalte sind primär lückenlose Nahtheilungen
bei der Langenbeck’schen Uranoplastik nur in 30% (v. Eisels-
e ees
berg, v. Mikulicz), bzw. 60% (Kappeler) erzielt. Die gleich un-
günstigen Resultate, die in der Königsberger Klinik auch in den
letzten Jahren erzielt wurden, veranlaßten Vortr. zu dem Versuche,
durch Abänderung der Nahttechnik eine Besserung der primären
Heilung zu erreichen. Die Vorbedingungen für primäre Heilung liegen
bei den in der Königsberger Klinik operierten Kindern insofern be-
sonders ungünstig, als schwere, die primäre Heilung gefährdende, jeder
Behandlung trotzende Nasen-Rachenkatarrhe die Regel sind. Dazu
kommt hier die Häufigkeit postoperativer, schwerer, fieberhafter Bronchi-
tiden und Pneumonien, bei denen eine primäre, lückenlose Nahtheilung,
wie die Nachuntersuchungen des Vortr. zeigten, geradezu eine Selten-
heit ist. Besondere Sorgfalt wurde auf die Verhütung der Dehiszenz
der Nahtlinie an der Prädilektionsstelle am Übergang vom harten zum
weichen Gaumen gelegt. Diese Stelle erscheint besonders gefährdet
aus verschiedenen Gründen. Einmal scheint sie Zerrungen beim Schluck-
akte besonders ausgesetzt zu sein; dann aber ist sie schwer breit zu
adaptieren, da dieser wenig voluminöse Teil des Gaumens nicht,
wie der mobilisierte mukös-periostale Überzug des harten Gaumens,
nasalwärts eine Wundfläche, sondern Schleimhautüberzug hat. An
dieser Stelle muß daher für eine besonders ausgiebige Anfrischung
durch Abtragung eines Streifens der nasalen Schleimhautfläche gesorgt
werden. Diese Stelle scheint aber außerdem, wie die häufig hier zu
beobachtenden Nekrosen der Wundränder beweisen, nach der Ab-
lösung des mukös-periostalen Lappens besonders ungünstigen Ernäh-
rungsbedingungen ausgesetzt zu sein. Der Weg, durch eine nach dem
gewöhnlichen Prinzip angelegte zweietagige Naht die primären Heilungs-
chancen zu verbessern, war nicht gangbar, da dadurch zuviel des
an sich schon meist spärlichen Lappenmateriales aufgebraucht worden
wire.
Die Idee einer zweietagigen, luft- und wasserdicht schlieBenden
Naht lieB sich jedoch verwirklichen durch Verwendung einer kleinen
Abänderung der von Halsted für die Haut angegebenen fortlaufenden
subkutanen (bzw. hier submukösen) Drahtnaht.
Die Naht wurde in der Weise ausgeführt, daß bei hängendem
Kopfe nach Anfrischung und Ablösung der Lappen nach v. Langen-
beck mit Abmeißelung der Humuli pterygoidei nach Billroth mög-
lichst weit entfernt vom Wundrande, natürlich aber noch in der Wund-
fläche, eine mit dünnem, aber zugfestem Aluminiumbronzedraht armierte
Nadel eingestochen und in der Weise zickzackförmig unter tiefem Ein-
stechen in die Wundränder durchgeführt, wie dies Fig. 1 zeigt. Die
Naht beginnt in der Uvula und endet vorn. Beim Anziehen des Drahtes
legen sich die angefrischten Flächen unter kammförmigem Aufstellen
der Wundränder breit aneinander. Ist die ganze Naht gelegt, so
werden die Wundränder durch Anziehen des vorderen und hinteren
freien Drahtendes mittels je eines Nadelhalters nochmals fest anein-
ander gepreßt. Der Draht liegt dann ungefähr so, wie die punktierte
Linie in Fig. 2 zeigt. Vorderes und hinteres Drahtende werden so
acs Oe ee"
abgeschnitten, daB sie noch etwas aus der Nahtlinie hervorragen, werden
nicht geknotet oder sonstwie befestigt.
Uber diese erste Nahtreihe kommt eine zweite Nahtreihe mittels
feiner Seidenknopfnähte wie bei der gewöhnlichen Nahtmethode, unter
exakter Naht der Hinterfläche der Uvula.
Nachbehandlung und Entfernung der Seidenknopfnähte wie ge-
wöhnlich.
Fig. 2.
Der Draht bleibt bis zum 14. Tage liegen. Von da an wird durch
Ziehen am vorderen Drahtende versucht, ihn herauszuziehen. Es ge-
lang dies bisher stets ohne Schwierigkeit.
Bei den bisher nach dieser Nahttechnik operierten 16 Fällen
gelang es Vortr. 8mal (50%), lückenlose Nahtheilung zu erzielen. Die
Mißerfolge sind bedingt durch fehlerhafte, in der Ausbildung der Naht-
methode begründete Technik einerseits, durch postoperative Pneumonie
bzw. fieberhafte Bronchitiden (4mal) andererseits. Da die Technik
jetzt genügend ausgebildet ist, so wird sich voraussichtlich der Prozent-
satz der primären lückenlosen Heilungen beträchtlich steigern lassen.
(Selbstbericht.:
Diskussion.
Ranzi (Wien) hat zwölf Fälle nach Bunge operiert: acht sind
primär geheilt, zwei boten stecknadelkopfgroße, zwei größere Lücken.
Auch mit einer gewöhnlichen Nadel war die Naht gut möglich.
euer —
Kuhn (Kassel) empfiehlt die Verwendung der peroralen Tubage
bei der Uranoplastik.
Sprengel (Braunschweig): Die Zuverlässigkeit beruht auf zwei
Momenten: guter Mobilisierung am Übergange des harten in den weichen
Gaumen und guter Naht. Er verwendet gerade und krumme, nur
2 cm lange Nadeln. Goebel (Breslau).
37) Zondek (Berlin). Schwellung der Tränen- und Speichel-
drüsen.
Z. demonstriert zwei Pat. mit symmetrischer Schwellung der
Tränen- und Speicheldrüsen, der sog. Mikulicz’schen Krankheit.
Der eine Fall ist der bereits von Tietze vor 10 Jahren beschriebene
Fall aus der Mikulicz’schen Klinik. Der kurze und außerordentlich
günstige Verlauf in dem anderen Falle läßt an die Möglichkeit denken,
daß derartige Erkrankungen häufiger vorkommen dürften, aber nicht
beobachtet bzw. beachtet werden. (Selbstbericht.)
Diskussion.
Ranzi (Wien) sah einen Fall, der hauptsächlich die Parotis, aber
auch etwas die Submaxillares betraf, nach 5—6 Röntgenbestrahlungen
zurückgehen. Ein späteres Rezidiv wich nochmaliger Bestrahlung.
Goebel (Breslau).
38) L. Heidenhain (Worms). Funktioneller Erfolg nach
Operation ausgedehnter Zungenkrebse vom Mund aus.
H. stellte zwei Männer vor, welchen er vor 7 und 5!/, Jahren
wegen ausgedehnten Karzinoms eines Seitenrandes die Zunge vom
Mund aus entfernt hatte. Der Mundboden war in beiden Fällen
nicht ergriffen. Die Operation begann mit Ausräumung der Lymph-
drüsen am Hals, in der Mitte, wie auf beiden Seiten, seitlich hinunter
bis zum Schlüsselbein, soweit Drüsen überhaupt auffindbar waren,
bei welcher Gelegenheit beiderseits die Art. lingualis unterbunden
wurde. H. erinnerte dabei an die schönen Untersuchungen von Kütt-
ner über die Verbreitung des Zungenkrebses und des Gesichtskrebses
in den Lymphbahnen am Hals und bemerkte, daß er auch beim Lippen-
krebs grundsätzlich eine so ausgedehnte Drüsenausräumung mache.
(Heilungsverhältnis beim Lippenkrebs 93% — 13 von 14 Fällen —
bei einer Beobachtungsdauer von 3—8 Jahren.) Nach vollendeter
Drüsenausräumung wurde die Zunge mit einer Hakenzange gefaßt,
stark hervorgezogen und mit der Cooper’schen Schere unter Er-
haltung der gesunden Mundbodenschleimhaut horizontal am Mundboden
abgetrennt. Bei solchem Vorgehen läßt sich die Zunge mit Leichtig-
keit so weit aus dem Munde hervorziehen, daß die Papillae circum-
vallatae in die Ebene der Zähne kommen. Folgt die Zunge nicht ge-
nügend, so trennt man den einen oder beide vordere Gaumenbögen
— 60 —
mit der Schere. Die Zunge wurde unter Erhaltung der Zungenbasis
in der Ebene der Papillae circumvallatae ampufiert. Die Kranken
haben in wahrhaft wunderbarer Weise gelernt, den verbliebenen Zungen-
grund und die Reste der Mundbodenmuskulatur zu bewegen und zu
benützen. Sie strecken den Zungengrund bis an die Zähne hervor.
Bissenbildung und Schlucken sind nicht gestört. Beider Sprache ist
klar verständlich. Selbst die Zungenlaute spricht der eine rein, der
andere fast rein.
Die vorgestellten Fälle sollen zeigen,
1) daß die Ausräumung aller auffindbaren Lymphdrüsen am Halse
gute Aussickt auf Dauerheilung gibt (da Zungenkrebse in Worms
selten sind, hat H. seine Erfahrungen über den Lippenkrebs mit heran-
gezogen);
2) daß man, um ein örtliches Rezidiv zu vermeiden, die Zunge
in ganzer Breite fortnehmen kann und soll, auch wenn es sich um
eine halbseitige Erkrankung handelt. Die Funktion des Zungenrestes
wird doch gut. (Selbstbericht.)
Wirbelsäule, Hals und Brust.
39) W. Braun (Berlin). Operativ behandelter Fall von
Rückenmarkschuß nebst dazu ausgeführten Tierversuchen.
B. demonstriert zunächst einen 15jährigen Knaben, dem er vor
22 Monaten, am 37. Tage nach der Verletzung, ein im Rückenmark
selbst steckendes Bleigeschoß operativ entfernte.
Es handelte sich um einen Schuß aus einer Teschingpistole 6 mm)
zwischen fiinftem und sechstem Brustwirbel. Die Verletzung fiihrte
zunächst zu vollständiger Lähmung und Erlöschen der Sensibilität, zu
Verlust der Sehnenreflexe, Blasen- Mastdarmlähmung. Röntgeno-
gramme zeigten das Geschoß im Wirbelkanal. Bis zu der Operation
kehrte die Berührungs- und Temperaturempfindung im linken, die
aktive Beweglichkeit im rechten Bein in bescheidenem Umfange wieder.
Die Blasenlähmung bestand noch fort.
Bei der Operation fanden sich Tuchfasern in einer Delle der Dura.
Erst durch Punktion des Markes nach Eröffnung der Dura gelang
es, das Geschoß im Innern des Markes in einer größeren Höhe nach-
zuweisen. Nach Längsinzision im Bereiche der Hinterstränge wurde
es entfernt.
Etwa 2—3 Wochen post operationem war die Blasenfunktion
wieder normal. Die Sensibilität ist allmählich mehr und mehr zurück-
gekehrt; jedoch besteht noch Analgesie des rechten Beines.
Auch die Motilität hat sich gebessert; allerdings vereitelten hoch-
gradige Spasmen längere Zeit Stehen und Gehen. Jetzt vermag der
Knabe im Stützapparat zu stehen und zu gehen. Trotz der aus-
gedehnten Zertrümmerung des Markes ist also die Besserung eine
u, Sole. wre
recht erhebliche, und es ist anzunehmen, daß die Ausfallserscheinungen
noch weiterhin zurückgehen werden.
Zur Lösung der Frage nach der Bedeutung und den Folge-
erscheinungen eines intramedullär sitzenden Fremdkörpers (Geschoß)
hat B. an 29 Hunden in der Weise experimentiert, daß nach Frei-
legung und Inzision des Rückenmarkes Schrotkugeln mit feiner Pin-
zette in das Mark gebracht wurden. Abgesehen von den im unmittel-
baren Anschluß an den Eingriff gestorbenen, starb eine größere Zahl
der Tiere bald unter Fortbestehen schwerster Lähmungserscheinungen.
Bei einigen schwer affızierten Tieren versuchte B. durch Entfernung
der Kugel Besserung zu erzielen, einmal mit eklatantem und unzweifel-
haftem Erfolg. Im Gegensatze dazu stehen Tiere, bei denen das
Geschoß im Mark einheilte und trotzdem nach kurzer Zeit ziemlich
vollständige Wiederherstellung der Motilität eintrat. Die Resultate
der mikroskopischen Untersuchung werden wegen der Kürze der Zeit
nicht mitgeteilt.
B. formuliert schließlich die Indikationen zur Laminektomie bei
Schußverletzungen des Markes, vorausgesetzt, daß das Geschoß oder
Splitter im Wirbelkanal sitzen:
1) Maßgebend für die Indikationsstellung ist die Schwere der
Markläsion, abgesehen von den Fällen, wo Komminutivbrüche oder
drohende Infektionen zur Frühoperation drängen.
2) In leichten Fällen mit von vornherein geringfügigen oder sich
schnell bessernden Erscheinungen besteht im allgemeinen keine Indi-
kation zum Eingriff; denn kleine Geschosse finden manchmal neben
dem Mark hinreichenden Platz; das Finden derselben ist trotz guter
Röntgenogramme oft schwierig; schließlich sind Geschosse mehrfach
falsch lokalisiert und vergeblich gesucht worden.
3) In Fällen mit schweren Marksymptomen und langsamer oder
ausbleibender Besserung, die durch intra- oder extradural wirkende
Fremdkörperkompression oder Fremdkörperreiz ihre Erklärung finden
können, ist die Operation indiziert.
4\ Solche Operationen dürfen aber nur unter günstigen äußeren
Verhältnissen unter Zugrundelegen guter Röntgenogramme und sorg-
fältiger Segmentdiagnose vorgenommen werden. Nur so kann den
solchen Operationen unzweifelhaft innewohnenden Gefahren erfolgreich
begegnet werden. (Selbstbericht.)
40) Riedel (Jena). Demonstration einer in toto exstirpierten
medianen Halsfistel.
Das Präparat stammt von einem 10jährigen Knaben, der wieder-
holt ohne Erfolg operiert worden war. Die Fistel verlief in derber
Hülle über die vordere Fläche des Zungenbeines; 3 cm oberhalb des-
selben verengte sie sich plötzlich zu einem fadenförmigen Kanale;
letztere stieg zwischen den Muskeln zum Foramen coecum empor.
Wahrscheinlich haben die früheren Operateure diesen feinen Kanal
— 62 —
übersehen, wodurch das Rezidiv entstanden ist, während in anderen
Fällen die Operation der Fistel deshalb erfolglos gewesen ist, weil
die Fistel, durch den Körper des Zungenbeines selbst verlaufend,
(Schlange, König jun.) sich dem Auge entzog. Bei dieser Lage
der Fistel ist die Resektion des mittleren Teiles des Zungenbeines
indiziert (Schlange), um die Fortsetzung des Ganges nach oben zu
finden. (Selbstbericht.,
41) L. Rehn (Frankfurt a. M.). Die Thymusstenose und der
Thymustod.
In jiingster Zeit sind lebhafte Debatten fiir und wider die Existenz
eines Thymustodes geführt worden, wie bei den Verhandlungen der
Kinderärzte auf der Naturforscherversammlung in Karlsbad, so auch
in den Fachblättern. Es ist nicht das erstemal, daß der Thymus
wegen ein heftiger Streit unter den Arzten ausgebrochen ist. In vielen
Kreisen ist bekannt, daß der damalige Streit Mitte des 19. Jahr-
hunderts durch Friedleben’s sorgfältige Arbeit für Jahre hinaus
dahin entschieden wurde: »Es gibt keinen Druck der Thymus, weder
auf die Luftwege, noch auf das Herz und die Gefäße, noch auf die
Nerven«. u
Friedleben hat das Verdienst, die Übertreibungen in der Lehre
von dem Einfluß einer großen Thymus richtiggestellt zu haben, aber
zugleich hat er bedauerlicherweise das Wahre an der Sache für Jahre
hinaus verschwinden lassen. `
Noch jetzt beherrscht seine Lehre die Köpfe der Arzte. Wenn
A. Paltauf und seine Anhänger jeden Einfluß einer großen Thymus
auf die Gesundheit leugnen, so geschieht es immer noch unter An-
lehnung an Friedleben.
Paltauf erklärt, daß es sich bei den sog. Thymustodesfällen um
Individuen mit Iymphatischer Konstitution handle, welche eine geringe
Resistenz gegen Schädlichkeiten aller Art aufweisen. Man mag zu-
geben, daß die Hyperplasie der Thymus nicht selten mit Hyperplasie
anderer Lymphdrüsen vergesellschaftet ist; man mag zugestehen, daß
Individuen dieser Art minderwertig sind; aber ganz bestimmt muß
man betonen, daß sehr große Thymusdrüsen gefunden wurden ohne
sog. Status lymphaticus, daß seine Ansicht über den Thymustod
falsch ist.
Es ist mit aller Sicherheit erwiesen, daß eine große Thymus sehr
wohl charakterisierte Druckwirkungen im Mediastinalraum erzeugen kann.
Schon Astley Cooper hat diesen Beweis erbracht. Dann haben sich
Virchow, Cohnheim, Weigert u. a. für eine derartige Wirkung
ausgesprochen. Heutzutage sollte man darüber nicht mehr streiten.
Man könnte darüber streiten, ob diese Störungen häufig vorkommen
oder nicht.
Es wird von Wichtigkeit sein, kurz auf die Anatomie der Thymus
hinzuweisen. Ihre Physiologie ist fast völlig unbekannt, obwohl die
ees MGR uae
Driise im embryonalen Leben sicher eine groBe Rolle spielt. Nach
Beard sollen in ihr die ersten Leukocyten entstehen. Es wäre von
Interesse, bestimmtes über das Wachstum der Drüse im postembryo-
nalen Leben zu wissen. Aber hier treffen wir schon auf große Meinungs-
verschiedenheiten. Nach den einen wächst die Drüse bis zum zweiten
Lebensjahre, weiterhin zwar noch in die Länge, aber auf Kosten der
Dicke. Nach anderen wächst sie bis in die 20er Jahre hinein. Sicher
ist, daß erhebliche Verschiedenheiten bezüglich der Größe der Thymus
gefunden werden, daß die Drüse nach dem 2. Lebensjahre beträchtlich
wachsen kann, daß bei Erwachsenen nicht allzu selten sehr große
Thymusdrüsen gefunden worden sind, namentlich bei Leukämie, ein-
fachem und Basedowkropf, und daß selbst im spätesten Alter Drüsen-
reste nachgewiesen werden können.
Verschieden, wie das Wachstum der Drüse, ist ihre Gestalt.
Im allgemeinen kann man sagen, daß sie aus zwei meist unsym-
metrischen Lappen besteht, welche wie ein Polster in den vorderen
Teil des Mediastinum hineingeschoben sind. Die Drüse ist von einer
festen Kapsel eingehüllt. Diese Kapsel bildet nach der Schilddrüse
hin einen spaltförmigen Raum. Die vordere Kapselwand setzt sich
seitlich in die Gefäßscheide der großen Halsgefäße fort, die hintere
geht in die prätracheale Fascie über. Mit dem oberen Teile des
Sternum ist die Kapsel lose verwachsen, fest dagegen mit dem Herz-
beutel und den Gefäßen des Mediastinum. Die Kapsel umhüllt die
Drüse wie ein weiter Sack.
Die GefaBversorgung ist nicht immer dieselbe. Meist kommen
die Artt. thymicae von der Art. thyreoid. inf. und Art. mam. int.
Die Venen sind stärker entwickelt und führen ihr Blut in die V. anonym.,
V. thyreoid. inf. bzw. ima, V. mam. int. Die Nerven der Driise stam-
men vom Sympathicus, die Lymphgefäße sind spärlich.
Dicht an der äußeren Kapselwand verlaufen die Nn. phrenici.
Der linke N. vagus und N. recurrens kommen mit der Drüse in
nächste Nachbarschaft. Die Drüse selbst reicht zungenförmig auf den
Herzbeutel herab. Sie deckt nach oben hin weiter die A. anonym.,
die V. anonym. sin. und schiebt sich in den Raum zwischen A. anonym.,
A. carot. dext. einerseits, Oarotis sin. andererseits, so daß sie hier auf
die Luftröhre zu liegen kommt. Das ist auch der Raum, welcher ihr
bei einem Wachstum die geringsten Hindernisse in den Weg stellt.
Was haben wir nun an sicheren Beweisen für die Existenz von
Stenosierung der Luftwege durch eine große Thymus?
Wir verfügen über 28 Sektionsergebnisse, welche über Druck-
marken an den Luftröhren berichten, und über 5 Operationen an der
Thymus, deren Erfolge eine Druckwirkung der Thymus außer Zweifel
setzen. Was lehren uns diese Erfahrungen?
Nicht das Gewicht einer Thymus, nicht die Größe allein, sondern
‚ ihre Form ist ausschlaggebend. Eine große, flache Drüse kann viel-
leicht bedeutungslos sein, eine kurze, dicke Drüse schwere Erschei-
nungen machen. So verschieden wie die Form der Drüse ist auch die
= bh en
Art ihrer Druckwirkung. Bei Neugeborenen scheint die Stelle be-
sonders gefährdet, wo die A. anonym. die Luftröhre kreuzt. Im übrigen
findet sich bald eine Abplattung von vorn nach hinten, bald eine seit-
liche Beengung, ja es kann auch der eine oder andere Hauptbronchus
zusammengedrückt werden. Es gibt kein Schema in dieser Beziehung.
Flügge konnte noch eine andere Art Druckwirkung nachweisen,
nämlich die seitliche Verschiebung der mediastinalen Gebilde. Wie
Dr. Demmer uns mitteilt, hat er einen Fall erlebt, wo neben der
Luftröhre auch der Osophagus komprimiert zu sein schien.
Wie haben wir uns nach unseren klinischen Erfahrungen die
Druckwirkung vorzustellen ?
Die Thymus steigt normalerweise bei jeder Inspiration in den
Brustraum hinab, bei jeder Exspiration herauf. Je stärker die Atem-
bewegungen sind, desto stärker ist ihre Bewegung.
Bei Kindern mit großer Thymus ist öfters bei der Exspiration
eine kleine, weiche Geschwulst im Jugulum wahrgenommen worden,
eine Erscheinung, welche bei Druckstörungen pathognostische Bedeu-
tung erhält. Die klinische Erfahrung hat gelehrt, daß bei Stenosis
thymica in der Regel nur die Inspiration gehemmt ist. Das ist aus
dem oben gesagten leicht zu erklären.
Die Drüse übt eine Art Ventilwirkung aus, indem sie bei dem
Einatmen gewissermaßen aspiriert wird, während sie beim Ausatmen
aus dem Thorax hervorgepreßt wird und die Thoraxorgane freigibt.
In der Tat lassen sich für die Ventilwirkung Beweise bringen.
Je forcierter die Einatmung ist, je stärker die Beengung der Luft-
wege. Ein einfaches Anziehen der Drüse mittels ihrer Kapsel, ein
Herausnähen der Drüse, d. h. eine Fixierung derselben, läßt sofort
und dauernd die Stenose verschwinden.
Nicht immer liegen die Verhältnisse so einfach. Nehmen wir die
Fälle, wo eine Thymus die Luftröhren seitlich umwachsen hat, oder
wo eine Drüse fest und unbeweglich auf der Luftröhre lastet, dann
wird ein einfaches Anziehen der Drüse nicht genügen, den Druck zu
heben. Man wird vielleicht manche dieser Fälle daran erkennen
können, daß auch die Exspiration erschwert ist.
Nun gibt es aber noch eine Form der Atmungsstörung durch eine
große Thymus, welche akut einsetzt, event. rasch zum Erstickungstode
führt, oder rasch vorübergeht. Charakteristisch ist das völlig uner-
wartete, plötzliche Einsetzen der Atemnot, das anfallsweise Wieder-
kehren mit freien Intervallen. Diese Form macht einer Erklärung
große Schwierigkeit. Es kann sich, entsprechend den klinischen Er-
scheinungen, nur um eine rasch eintretende, event. rasch vorüber-
gehende Beengung im mediastinalen Raume handeln. Eine solche
Beengung kann bereits durch eine entsprechende Körperhaltung ein-
treten. Denken wir nur, daß eine große Thymus, welche durch irgend-
welche Ursachen eine unbedeutende Vergrößerung ihres Volumens
erfahren hat, eben anfängt, die Luftzufuhr zu beeinträchtigen. Das
Kind wird sofort versuchen, durch Erheben des Kopfes mehr Luft zu
in, HB) en
bekommen; steigert es diese Haltung durch Zurückbiegen des Kopfes,
durch lordotische Ausbiegung der Hals- und oberen Brustwirbel, so
wird eine wesentliche Verengerung des mediastinalen Raumes zustande
kommen. Diese Haltung wird bezeichnenderweise bei vielen Thymus-
todesfällen beschrieben. Aber man sollte annehmen, daß wohl Neu-
geborene, kleine Kinder mit kraftlosen vorderen Halsmuskeln oder
Menschen in Narkose so sterben können, aber niemals ein Mensch,
der imstande ist, den Kopf sofort vorwärts zu beugen. Viele Fälle
bedürfen einer anderen Erklärung. Die Thymus muß einer raschen
Volumsänderung fähig sein. Ich weiß, daß der Streit über eine solche
Möglichkeit alt ist. Aber ich sehe nicht ein, warum man diese Mög-
lichkeit in Abrede stellen will. »Ich habe aus meinen beiden Opera-
tionen ersehen, wie wenig genügt, um einen gefährlichen Druck auf-
zuheben, und schließe daraus logischerweise, daß schon geringfügige
Vergrößerungen starke Wirkungen hervorbringen können.< Geringe
Anschwellungen kommen schon infolge der sekretorischen Tätigkeit
vor. Die kleinen Ernährungsadern lassen freilich nicht auf irgend
erhebliche arterielle Blutüberfüllung schließen, wohl aber kann gewiß
durch gehemmten Venenabfluß eine Stauungshyperämie von Bedeutung
geschaffen werden. Ich weiß, daß wir uns hier auf einem zweifel-
haften Gebiete befinden. \Venn man aber beobachtet, wie ein Kind
mit ruhiger Atmung und guter Gesichtsfarbe beim Schreien rasch
cyanotisch und nun sofort der pfeifende Stridor hörbar wird, so kann
man die Möglichkeit eines respiratorischen Anschwellens nicht von
der Hand weisen. Es sind einige Anhaltspunkte vorhanden für die
Mutmaßung, daß die Thymus bei Infektionskrankheiten — so z. B.
bei Diphtherie — eine Anschwellung erfahren kann. Wahrscheinlich
gibt es noch andere Ursachen, deren Erkenntnis der Zukunft vor-
behalten bleibt.
Über das Faktum, daß durch Blutüberfüllung eine Thymus rasch
anschwellen und sogar beim Erwachsenen zum sofortigen Erstickungs-
tode führen kann, habe ich leider eine traurige Erfahrung machen
müssen. Ein junges Mädchen wurde wegen Morbus Basedowi operiert.
Die Operation war gut verlaufen. Einige Stunden später stellte sich
Atemnot ein, welche unter rascher Steigerung zum Erstickungstode
führte. Die Sektion (Weigert) ergab als einziges Hindernis der
Atmung eine außerordentlich große Tlıymus. Hier hatte allerdings
durch Unterbindung der Art. thyreoid. inf. und der unteren Kropf-
venen eine gewaltsame Änderung der zirkulatorischen Verhältnisse
stattgefunden und als deren sofortige Folge eine derartige Volums-
zunahme der Thymus, daß Erstickung eintrat. (Siehe Gluck, Dwor-
nitschenko.)
Es muß hier übrigens bemerkt werden, daß eine akut auftretende
Atemnot von langer Hand vorbereitet sein kann. Dahin gehören jene
plötzlichen Todesfälle, bei welchen die Sektion eine Abplattung, Säbel-
scheidenform der Luftröhre erkennen ließ.
Die großen Gefälsstäimme des Mediastinum scheinen sich eher eines
Chirurgen-KongreB 1906. 5
foe OR
Druckes erwehren zu können. Es sind aber doch Fälle von Hans
Kohn, dann aus Ranke’s Klinik und von Lange veröffentlicht,
welche Druckwirkungen auf das Herz und die Gefäße erkennen
lassen.
Ich gebe in kurzen Zügen ein klinisches Bild der Trachealstenosis
thymica.
Die Erkrankung tritt nicht selten mit der Geburt auf und endigt
rasch mit dem Tode. In anderen Fällen bemerkt man schon bei dem
Neugeborenen ein leichtes inspiratorisches Einsinken des Jugulum, bei
Unruhe des Kindes tritt inspiratorischer Stridor hinzu, event. Cyanose.
Oder es entwickelt sich das typische Bild des inspiratorischen Säug-
lingsstridors. Dieser verläuft meist ohne Dyspnoeattacken.
Wenn Säuglinge besonders betroffen werden, so ist das spätere
Kindesalter bis zum 4. Jahr und später nicht gesichert gegen eine
Erkrankung. Die Beengung der Luftwege kann nicht nur allmählich,
sondern sehr akut einsetzen.
Die Stenosis thymica kann dann in der Form einzelner Atemnot-
anfälle in Erscheinung treten. Je nachdem sind die Kinder nach dem
Anfalle völlig frei von Beschwerden. Jeder akute Anfall von Dyspnoe
ist gefahrvoll. Der Pat. kann im ersten oder im späteren Anfall er-
sticken. »Es gibt ein familiäres Vorkommen des inspiratorischen Stri-
dors, der Thymushyperplasie und des Thymustodes. «
Ich habe vor 10 Jahren den ersten Fall von Thymusstenose
durch Operation geheilt. Es sind dann von Fritz Koenig, Pur-
rucker, Ehrhardt drei weitere Fille operiert. Vor kurzem habe
ich wiederum wegen einer Thymusstenose eingreifen miissen.
Es handelte sich um ein 4monatiges, anscheinend normales Kind
von guter Gesichtsfarbe. Das Kind liefS von Geburt an ein leichtes
Einsinken des Jugulum bei der Inspiration erkennen. Beim Schreien
aber änderte sich das Bild in besorgniserregender Weise. Das Gesicht
des Kindes wird bläulich und die Inspiration tönend (Stridor), die
obere Halsgrube und das Epigastrium werden stark eingezogen. Die
Cyanose nimmt zu. Kurz, der Luftmangel ist sehr bedenklich. Die
Eltern fürchteten mit Recht, das Kind könne einmal »weg« bleiben.
Sobald sich das Kind beruhigt, verschwindet rasch das drohende Bild.
Der kleine Pat. liegt ruhig atmend da. Nur das leichte inspiratorische
Einsinken des Jugulum blieb als warnendes Zeichen bestehen. Im
Anfalle könnte man an einen Stimmritzenkrampf denken. Man sucht
unwillkürlich das Hindernis der Atmung im Kehlkopfe. Bei der Aus-
atmung aber bemerkt man, wie sich eine rundliche Geschwulst im
Jugulum vordrängt — die beengende Thymus.
Zuweilen gibt die palpatorische Perkussion einen Fingerzeig für
die Diagnose.
Hochsinger hat mit Recht auf den Nutzen der Röntgenaufnahme
aufmerksam gemacht. Ich möchte namentlich auch die Durchleuchtung
empfehlen.
Die beschriebene Form der Atmungsstörung, der inspiratorische
— 67 —
Stridor der Säuglinge, gilt in den Kreisen der Laryngologen und
Kinderärzte als eine harmlose, spontan heilende Erkrankung. Avellis
hat zuerst die Ansicht geäußert, daß bei allen Fällen dieser Art die
Thymus als Ursache der Krankheit anzusprechen sei. Pröbsting,
Hochsinger haben sich dieser Meinung angeschlossen, und ich muß
sagen, daß unsere klinischen und operativen Erfahrungen durchaus
für diese Ansicht sprechen. Allerdings haben jene Arzte das Bild
der Erkrankung viel zu eng gefaßt, wie wir bereits gesehen haben.
Es mag eine ganze Anzahl scheinbar harmloser Fälle geben, wo
der inspiratorische Stridor mit dem Wachstum schwindet, wo bedroh-
liche Dyspnoe überhaupt niemals eintritt. Aber in hohem Grad un-
heimlich bleiben diese Fälle! Wer kann unberechenbare Ereignisse
vorhersehen, welche das Leben dieser kleinen Pat. bedrohen? Sah
doch Avellis selbst einen kleinen Jungen von 4 Jahren rasch und
völlig unerwartet ersticken, und erzählt doch Moritz Schmidt, daß
er in einer Familie drei Kinder an chronischem Stridor sterben sah,
während ein viertes Kind mit der gleichen Erkrankung am Leben
blieb.
Unsere klinischen Erfahrungen, die vielfach beschriebenen Thymus-
todesfälle mit dem deutlichen Charakter des Erstickungstodes beweisen
zur Genüge, daß die Stenosierung der Luftwege durch eine große
Thymus eine ganz tückische, gefährliche Erkrankung bedeutet. In
jedem Fall ist besondere Vorsicht geboten. Ein Anfall von irgendwie
erheblicher Atemnot gibt die Indikation zur sofortigen Operation.
Diese Operation hat die Thymus in Angriff zu nehmen. Denn die
Tracheotomie, wenn sie auch in einigen Fällen Erleichterung gebracht
hat, war bisher nicht imstande, ein Kind von dem Tode zu retten.
Der Eingriff kann sehr gut ohne Narkose gemacht werden. Durch
Längsschnitt im Jugulum dringt man zwischen dem M. sternohyoideus
in den prätrachealen Raum vor. Man erkennt hinter dem Manubrium
sterni die Drüsenkapsel, welche bei jeder Exspiration deutlich vor-
gewölbt wird. Die Kapsel wird mit Pean’schen Klemmen gefaßt und
mit mäßiger Kraft angezogen. Unter Umständen gelingt es ganz
leicht, die Drüse hervorzuziehen, und man kann feststellen, daß die
Atmung frei geworden ist. Andernfalls ist die Drüsenkapsel sofort
zu spalten. Eine extrakapsuläre Ausschälung der Drüse ist unaus-
führbar; man muß sie innerhalb der Kapsel ausschälen. In den Fällen
Purrucker’s und Ehrhardt’s konnte ein großer Teil der Drüse
herausgezogen und entfernt werden. Ehrhardt hat von einer totalen
Entfernung gesprochen. Das ist nicht sehr wahrscheinlich. Fritz
Koenig hat ebenfalls ein Stück der Drüse reseziert. Ich konnte in
meinem zweiten Falle nicht so leicht zum Ziele kommen, da die Drüsen-
substanz abriß und bei jeder Inspiration tief in der Brust verschwand.
Man muß also jede Exspiration benutzen, um ein weiteres Stück zu
entfernen. Event. könnte man sehr vorsichtig mittels eines stumpfen
Löffels die Drüse hervorheben. Die Kapsel sollte immer, schon der
Drainage halber, herausgenäht werden. Sämtliche Operationen haben
o*
ne pE ties
bis jetzt ein vollkommenes Resultat gehabt. Es ist noch niemals nötig
gewesen, das Manubrium sterni zu entfernen. Das dürfte nur in den
seltensten Ausnahmsfällen angezeigt sein.
Für gewöhnlich bedeutet die operative Beseitigung der Thymus-
stenose einen relativ einfachen Eingriff.
Können wir es wagen, uns auf Grund unserer zeitigen Erfah-
rungen auf das Gebiet der strittigen Tihymustodesfälle zu begeben?
Es handelt sich um jene Todesfälle, bei welchen die Sektion keine
Verengerung der Luftwege nachweisen konnte.
Wir können die Fälle einteilen:
1) in solche, welche prodromale Stenoseerscheinungen darboten;
2) in solche, welche ohne Prodrome verliefen, aber unter deut-
lichen Erstickungserscheinungen starben;
3) in solche, wo der Tod unbeobachtet oder blitzähnlich eintrat.
Es scheint mir zweifellos, daß in den Fallen der ersten und
zweiten Kategorie die Thymus als Todesursache angeschuldigt werden
muß, wenn auch der Nachweis der Luftröhrenbeengung fehlte. Letz-
teres kann einesteils von der Art der Sektion abhängig gewesen sein,
andernteils ist die Beengung vielleicht überhaupt nicht mehr an der
Leiche vorhanden gewesen. Beides ist sehr wohl möglich.
Die Fälle der dritten Reihe bleiben zweifelhaft insofern, ob es
sich um einen Herztod handelt oder um eine plötzliche totale Kom-
pression der Luftwege, oder ob eine sonstige Todesursache in Frage
kommt. Im übrigen wäre die Indikation für die Operation dieselbe,
gleichviel, ob durch die Thymus die Luftzufuhr gehindert oder das
Herz direkt oder indirekt geschädigt wird.
Ich weiß, daß ich nur über die bescheidenen Anfänge unserer
Erkenntnis berichtet, gewissermaßen nur einen Umriß für einen Bau
vorlege, welcher nur durch allseitige Mitarbeit aufgeführt werden kann.
Wir haben eigentlich nur einen Besitz wiedergewonnen, welcher uns
verloren ging, aber jetzt freilich so, daß er uns nicht wieder entrissen
werden kann. Die Stenosis thymica ist ein klinisch und autoptisch
sichergestelltes Krankheitsbild. Aber täuschen wir uns nicht! Dunkel,
wie die Physiologie der Thymus, ist ihre Pathologie! Wir beginnen
erst mit der Aufklärung ihrer rein mechanischen Wirkungen. Und
was harrt noch auf diesem Gebiet einer Aufklärung und Bestätigung!
Ich habe vermieden, mich auf rein hypothetische Dinge, wie Reflex-
wirkungen durch Nervenreiz, oder auf Hyperthymisation des Blutes
(Svehla) einzulassen. Die Ansichten v. Mikulicz’ über die Wirkung
des Thymussekretes auf die Schilddrüse sind wohl auch fallen gelassen.
Um so mehr würden wir eingehende Forschungen über die Physiologie
der Thymus begrüßen müssen, welche uns Aufschlüsse über den Zweck
der Drüse bringen. ‘Original.)
Diskussion.
Fritz König (Altona) hat 2mal Kinder in dem ersten Lebensjahre
wegen Thymusstenose operiert, vor 9 Jahren und in diesem Winter.
Beide hatten Stenose mit Anfällen, hatten in- und exspiratiorischen
za. HE u
Stridor, man konnte die Thymusdrüse am Halse fühlen. Beim letzten
Falle fiel auch eine stark konvexe Wölbung der oberen Thorax-
apertur auf.
Zur Diagnose muß eine Stenose der oberen Luftwege aus-
geschlossen werden. Ob eine rechte Kompression der Trachea oder
eine Beeinträchtigung der darunter liegenden Nerven und Gefäße
durch die Thymus das Krankheitsbild hervorruft, scheint nicht für
jeden Fall gleich zu sein. In seinem zweiten Falle erreichte K. durch
Resektion und Fixation des linken Thymuslappens und auch durch
tiefe Tracheotomie keine Heilung; es kamen sogar Anfälle wieder.
Deshalb entfernte K. in zweiter Sitzung den linken Lappen vollständig
und erweiterte den Eingang in den Thorax durch Resektion am
Sternum. Es trat eine zweifellose Besserung ein, und Anfälle hatten
sich nicht mehr eingestellt.
K. stellt sodann den jetzt 9jährigen Knaben vdr, bei dem er
im Alter von 3 Monaten wegen Thymusstenose die Thymus partiell
reseziertt und an die Fascie genäht hat. Die an die Operation an-
schließende Besserung führte zur Heilung. Dagegen entwickelte sich
alsbald eine schwere Rachitis, so daß der Knabe erst mit 41/, Jahren
laufen lernte.‘
Diese Beobachtung läßt an den Zusammenhang denken, welcher
nach Basch zwischen Thymusdrüse und Knochenbildung bestehen
soll. Jedenfalls hält K. es nicht für gerechtfertigt (wenn überhaupt
möglich), eine Thymus ganz zu entfernen, man soll Partialoperationen
machen und event. den Zugang ins Mediastinum durch Sternum-
resektion erweitern. ‘Selbstbericht.)
F. Krumm (Karlsruhe) hat vor 11 Jahren einen hierhergehérigen
Fall beobachtet: Ein 2jähriges Kind war unter heftiger, allmählich
zunehmender in- und exspiratorischer Dyspnoe erkrankt. Eine exakte
Diagnose war nicht möglich, die vorgenommene Tracheotomie war er-
folglos. Die Sektion des am folgenden Tage verstorbenen Kindes er-
gab eine hochgradige Vergrößerung der Thymusdrüse, die sich haupt-
sächlich im Winkel zwischen Trachea und rechtem Bronchus entwickelt
und hier zur hochgradigen Kompression geführt hatte. Die Thymus
zeigte im Innern eine buchtige Höhlenbildung, die mit einer gelb-
grünlichen visciden, eiterähnlichen Flüssigkeit gefüllt war. Mit einer
wirklichen Abszeßbildung oder auch, wie man schon angenommen hat,
mit Lues hat die Erkrankung vermutlich nichts zu tun. Es handelt
sich wohl um abnorme Involutionsvorgänge der Thymus. Da die
großen Gefäße zum Teil in der dicken Thymuswand verliefen, wäre
eine Mobilisierung nicht möglich gewesen. Inzision und Drainage vom
Jugulum aus hätte aber wohl das Kind am Leben erhalten können.
(Selbstbericht.)
a I —
42, Kocher (Bern‘. Über ein drittes Tausend Kropfexstir-
pationen.
Am 3. August 1905 haben wir unsere dreitausendste Kropf-
operation ausgeführt. Für die Beurteilung des gegenwärtigen Standes
der operativen Chirurgie darf es wohl ein gewisses Interesse bean-
spruchen, an Hand der Resultate dieses 3. Tausends unserer Kropf-
operationen, welche von November 1900 bis August 1905, also binnen
nicht ganz 5 Jahren, an derselben Klinik und Poliklinik ausgeführt
worden sind, zu prüfen, wie weit die Handhabung aller modernen
Mittel der Wundbehandlung die chirurgische Therapie gefördert hat.
Was zunächst die Mortalität anlangt, so sind von den 1000 Fällen,
Struma maligna, Strumitis, Basedow und gewöhnliche Kröpfe zusanı-
men genommen, 7 Fälle gestorben.
Es ist fast selbstverständlich, daß ein verhältnismäßig starker
Anteil dieser Mortalität auf Rechnung der Struma maligna zu stehen
kommt. Hier sind unter 36 Fällen 3 Todesfälle zu verzeichnen. Wenn
man bedenkt, wie kompliziert derartige Eingriffe sind, bei welchen der
Tumor mit den großen Halsgefäßen, der Trachea und dem Osophagus
oft fast verwachsen ist, so ist damit ohne weiteres gesagt, daß der
üble Ausgang nicht Folge der Kropfoperation ist, sondern veranlaßt
durch die Zirkulationsschädigung des Gehirns bei der Ligatur der
Carotis communis oder durch die Folgen ausgedehnter Resektion von
Trachea und Osophagus.
Von 8 Strumitisfällen ist keiner gestorben.
Von 52 Kropfexzisionen wegen Basedow’scher Erkrankung ist bloß
ein einziger Todesfall eingetreten, und zwar im Anschluß an eine
Nachblutung, welche eine Wiedereröffnung der Wunde notwendig
machte, eine Verletzung, die ihrerseits zu einer exzessiven Tachykardie
Anlaß gab mit rascher Herzinsuffizienz.
Es bleiben %4 Operationen gewöhnlicher Strumen übrig. Hier
trat 3mal Tod infolge der Operation ein, in allen Fällen bei kompli-
zierten Strumen: Einmal infolge Nachblutung bei einer angeborenen
Cachexia thyreopriva, bei welcher ein starker Druck auf die Trachea
die Enucleation des Kropfes nötig machte. Derartige Kranke sind
für Blutverluste sehr empfindlich.
Der zweite Fall betrifft eine Pat., welche an Pneumonie starb,
nachdem die Halswunde schon völlig verheilt war. Die Pat. litt,
wie die Autopsie ergab, außer an der bei der Statusaufnahme kon-
statierten Bronchitis an »Atrophia et Dilatatio cordiss und Atrophie
beider Nieren.
Der dritte Fall betrifft einen Herrn, der von Kind auf an
doppelseitiger Recurrenslähmung litt mit schwerem inspiratorischem
Stridor und hochgradiger Myokarditis. Dieser Pat. wurde nicht im
Spital operiert.
Diese Zusammenstellung unserer Resultate von 1000 Fällen darf
wohl die Schlußfolgerung als gerechtfertigt erscheinen lassen, daß wir
— 1 —
in der chirurgischen Therapie des Kropfes zu dem Punkte gekommen
sind, sagen zu dürfen: Die Operation eines Kropfes ist bei dem
jetzigen Stande der Chirurgie ohne Lebensgefahr ausführbar, selbst
bei tiefer Lage des Kropfes, erheblicher Größe und selbst bei älteren
Leuten, wenn das Herz gesund ist. Haben wir doch nach der Zu-
sammenstellung unseres ersten Assistenten Dr. Elsässer bei den
robusteren Spitalpatienten unter 661 Fällen bloß den einzigen Todesfall
“durch Nachblutung bei einem Kachektischen erlebt.
Dieses Resultat darf bis zu einem gewissen Grade als Maßstab
gelten für die Prognose großer Operationen überhaupt, denn eine
Kropfoperation ist in der Mehrzahl der: Fälle ein schwerer Eingriff,
welcher hohe Anforderungen an die chirurgische Kunst stellt, zumal
wenn der Tumor besonders groß, stark verwachsen, sehr gefäßreich
ist und vor allem, sobald er sich tief in den Thorax hineinerstreckt
in Form der Struma intrathoracica und zu starker Atemnot ge-
führt hat.
Die Ehre dieses glücklichen Resultates unserer therapeutischen
Bestrebungen bei einem so schweren Leiden kommt dem Dreigestirn
Pasteur, Koch und Lister zu, die wir uns deshalb mit voller Be-
gründung zu Ehrenmitgliedern der Gesellschaft erkiiren. Man lese
zur Illustration dieser Tatsache Aussprüche namentlich französischer
Autoren noch aus den Jahren 1875 und 1885 nach, wie denjenigen
von Luton, dem Erfinder der Jodinjektionen, wenn er schreibt: »Il
y a lieu de s'étonner qu'une opération aussi redoutable soit encore
sérieusement conseillée de nos jours!.«
Wir haben keinen einzigen Infektionsfall erlebt unter diesen
1000 Fällen, welcher das Leben des Pat. gefährdet hätte. Im Privat-
spital, wo wir seit Jahren unsere Pat. mit Dr. Albert Kocher ope-
rieren und durch ihn nachbehandeln lassen können, sind unter den
293 gutartigen Strumen des 3. Tausend bloß 7mal lokale Wund-
infektionen vorgekommen und demgemäß die durchschnittliche Auf-
enthaltsdauer der Pat. vom Aufnahme- bis zum Entlassungstage bloß
10 Tage. Dabei haben wir uns der einfachsten Form reiner Asepsis
bedient. Wir waschen uns und unsere Pat. bloß nach der Für-
bringer-Ahlfeld’schen Methode mit heißem Wasser und Seife und
mit Alkohol (75%ig), bringen kein Antiseptikum in unsere frischen
Wunden — es sei denn, daß sie durch Eiter bei Strumitis oder durch
Sekrete bei Eréffnung von Trachea oder Osophagus infiziert worden
sind —, legen aseptische Gaze unmittelbar auf die Wunde.
Von Antiseptika kommt Sublimat bloB zum Kochen der Seiden-
fäden, welche wir ausschließlich benutzen, zur Anwendung, ferner
Thymolkrüll auf die aseptische Verbandgaze zum Desinfizieren des
serös blutigen Sekretes, welches in den ersten 24 Stunden in den
Verband fließt.
Dagegen legen wir einen kapitalen Wert auf sehr genaue Blut-
ı Vgl. Duget, Goitres et médication jodée interstitielle. Paris 1886.
— 72 —
stillung, wobei die von uns modifizierten Arterienklemmen große
Dienste leisten; und ferner haben wir festgehalten an der Drainage
zur Ableitung von Blut und blutigem Serum, weil wir auf Grund der
Friedrich’schen Experimente auf diesen nach außen gerichteten
Flüssigkeitsstrom großen Wert zur Verhütung von Infektion legen,
wie wir auch die Meinung haben, daß in der Bier’schen Hyperämie-
behandlung akuter Entzündungen mittels Saugapparaten bei offener
Eiterung dem erwähnten Moment eine Hauptwichtigkeit zukommt.
Aber es sei nachdrücklich betont, daß mit Aufhören jeglichen Blut-
nachflusses Drainröhren, bei uns als Regel nach 24 Stunden, sofort
entfernt werden.
Eine Gefahr klebt der Kropfoperation — wenn wir von reinen
Zufälligkeiten und der Kombination mit gleichzeitigen anderen lebens-
gefährlichen Eingriffen absehen — nur noch an, wenn Organerkran-
kungen anderer Körperorgane vorliegen, der Lungen, der Nieren,
aber als ausschlaggebendes Moment des Herzens. Wie aus unserer
Statistik ersichtlich, sind, abgesehen von dem Accidens einer Nach-
blutung, die beiden Todesfälle unter den 903 Exzisionen einfacher
Kröpfe durch gleichzeitige schwere Herzleiden veranlaßt, ebenso der
einzige Basedowtodesfall.
Dem Chirurgen ist das eine ernste Mahnung, jeden Kropfpatienten
auf absolute oder relative Insuffizienz des Herzens zu prüfen. Verdacht
auf Insuffizienz und Kompensationsstörung seitens des Herzens wird
rege durch gestörten Rhythmus der Herzschläge, sowie durch Dilatation
des Herzens oder einzelner Herzabschnitte.
Sobald Tachykardie und Verbreiterung der Herzdämpfung vor-
handen ist, und vollends wenn sie mit unregelmäßigem Pulse kom-
biniert ist, muß das Herz auf seine Leistungsfähigkeit bei vermehrter
Inanspruchnahme durch Anstrengung oder Ermüdung (nach Gräup-
ner) oder durch künstliche Vermehrung der Widerstände im Kreislauf
(nach Katzenstein) geprüft werden.
Schon ein Absinken des Blutdruckes, mit Riva-Rocei gemessen,
von dem Mittelmaß von 150 mm Hg unter 120 macht die Vornahme
einer eingreifenden Operation bedenklich. Dieselbe Messung gibt
neben dem Grade der Dyspnoe auch den Anhaltspunkt für die Zu-
lässigkeit einer allgemeinen Narkose. Wir vermeiden dieselbe überall,
wo die Pat. Schmerzen einigermaßen ertragen können. Denn abge-
sehen von der Gefahr zu starken Sinkens des Blutdruckes bei Herz-
insuffizienz hat die Narkose den Nachteil, daß sie die Sicherheit, den
Recurrens zu vermeiden, erheblich verringert (einen Sänger oder Sän-
gerin haben wir nie in Narkose operiert); ferner verringert die Nar-
kose die Garantie eines völlig aseptischen Verlaufes, weil durch Er-
brechen leicht der Verband und mit ihm die Wunde unvermutet
verunreinigt wird.
Für den Arzt und Internen aber ist unsere Schlußfolgerung, daß
wir zurzeit nur noch vorhandene Herzinsuffizienz bei einer Kropf-
operation als ernstliche Gefahr zu fürchten haben, eine eindringliche
ee Hg, gen
Mahnung, es nicht erst zu der Entwicklung eines Kropfherzens kom-
men zn lassen, bevor man seinem Pat. zu einer Operation rät. Und
noch viel ernster mahnt dieselbe Erfahrung, nicht künstlich ein Kropf-
herz durch innere Mittel zu erzeugen, welche bei bestimmten Kropf-
formen a priori keine Aussicht auf Erfolg haben, wir meinen die
übermäßige und zu lange Anwendung von Jodmitteln und noch viel
mehr den häufigen Mißbrauch der Schilddrüsenpräparate, welch letz-
tere bei der Kropfbehandlung viel mehr Schaden als Nutzen ange-
richtet haben.
Daß zunehmende Dyspnoe eine klare Indikation ist zu operativer
Beseitigung eines stenosierenden Kropfes, das sehen zur Stunde alle
urteilsfähigen Arzte ein. Aber daß zumal unter dem Einfluß zuneh-
mender Dyspnoe und dem Mißbrauch von Jodmitteln bei gewissen
Kropfformen sich das sog. Kropfherz entwickelt, welches eine eben so
große Gefahr für die Pat. darstellt, wie die Atmungsbehinderung,
das wird noch allgemein übersehen. Uber Entstehung und Bedeutung
des Kropfherzens werde ich in kurzem auf dem Kongreß der In-
ternen (in München), welche ihr Interesse der Schilddrüsenfrage zu-
gewandt haben, zu diskutieren in der Lage sein und kann mich deshalb
hier auf die chirurgische Seite der Frage beschränken. Aber das
möchte ich schon hier ganz besonders betonen, daß das Kropfherz bei
Basedow’scher Erkrankung eine Hauptrolle spielt. Verhüten wir seine
Entwicklung, so werden wir auch in der operativen Behandlung des
Basedow die Prognose viel besser stellen können. Verhiiten aber
kann man es am einfachsten durch die Frühoperation. Es ist ein
unter Internen nicht nur, sondern auch unter Chirurgen verbreiteter
verhängnisvoller Irrtum zu glauben, die Operation sei bei Basedow ein
ultimum refugium. Nur in Frühstadien gibt sie tadellose Erfolge.
Und deshalb sage ich Ihnen als Chirurgen: Lassen Sie sich auf Kropf-
operationen nicht mehr ein, wenn das Herz insuffizient ist, wie es bei
Kropfherz im vorgeschrittenen Basedow der Fall ist.
Wie entscheidend für das Schicksal des Pat. die Frühoperation
bei malignen Strumen ist, braucht hier nicht gesagt zu werden. Frei-
lich ist die Frühdiagnose maligner Strumen nicht leicht. Es ist aber
bei allen wachsenden und drückenden Strumen, zumal wo sie sich bei
Erwachsenen in kurzer Zeit entwickeln oder bei vorher bestandener
Schwellung in kurzem erheblich vergrößern, die operative Beseitigung
unbedingt indiziert. Handelt man danach, so ist vorauszusehen, daß
man auch bei diesen prognostisch schlimmsten Formen der Schilddrüsen-
erkrankung die Resultate erreichen wird, welche die Operation gut-
artiger Gewächse schon jetzt aufweist.
Nur die eine Möglichkeit darf man selbst unter diesen günstigen
Auspizien nicht aus dem Auge lassen. Die Entwicklung leichter
Hypothyreosis auch nach partieller Strumektomie. Sie läßt sich nur
verhüten, wenn man bei jeder Operation sich Rechenschaft gibt, ob
genügend leistungsfähiges Schilddrüsengewebe zurückblieb, und danach
sein Verfahren abändert, d.h. an Stelle der idealen einseitigen Exzision
Se. A, eet
die Kombination derselben mit Resektion oder Enukleation des Kropfes
setzt. Läßt sich bei Fällen dringlicher Exzision so nicht Schaden
verhüten, so ist er durch nachträgliche Schilddrüsentherapie, welche
hier ihre Triumphe feiert, mit Sicherheit auszugleichen. Original.'
43) Payr (Graz). Transplantation von Schilddrüsengewebe
in die Milz; experimentelle und klinische Beiträge zur Lehre
von der Schilddrüsentransplantation und über Organtrans-
plantation.
P. hat die von Schiff begründete, durch die exakten und
grundlegenden Arbeiten von Eiselberg’s und Enderlen’s zu
einem gewissen Abschluß gebrachte Frage der Schilddrüsentransplan-
tation aufs neue einer experimentellen Bearbeitung unterzogen.
Dies schien insbesondere wegen der noch nicht völlig geklärten
Anschauungen über die Dauer der durch die gelungene Einheilung
der Drüse bedingten Schutzwirkung vor den Folgen des Schilddrüsen-
verlustes wünschenswert.
Aus verschiedenen Gründen faßte P. zwei dem lymphatischen
System angehörige Organe, das Knochenmark und die Milz, als Im-
plantationsstätte ins Auge.
Fast alle experimentellen Untersuchungen P.’s beziehen sich auf
die Transplantation der Schilddrüse in die Milz.
Die Blutzirkulationshältnisse dieses Organes, die erst durch
Arbeiten aus neuester Zeit als im wesentlichen geklärt angesehen wer-
den können, sind derart günstige, wie wohl in keinem zweiten Organe.
Für das Gelingen einer Überpflanzung eines drüsigen Organes sind
zweifellos auch die primären Ernährungsverhältnisse an der Stätte der
Transplantation von Belang.
Die von einem dünnen und für die Diapedese ungemein zugäng-
lichen Endothellager ausgekleideten, zahlreichen sinuösen Hohlräume
der Milzpulpa ermöglichen einen direkten Austausch von zelligen
Elementen und Gewebsflüssigkeiten zwischen letzterer und dem Blut-
gefäßsystem.
Seit Ende 1902 hat P. gegen 50 Tierversuche an Hunden,
Katzen, sowie lediglich zu morphologischen Untersuchungen auch an
Kaninchen und Meerschweinchen ausgefiihrt.
Die Technik der Transplantation besteht in der möglichst
raschen und schonenden Übertragung der ganzen Schilddrüse oder
eines Lappens in die schon vorher durch Laparotemie freigelegte und
in zweckentsprechender Weise vorgelagerte Milz.
Die Milz wird an der Konvexität, besser noch an einem ihrer
scharfen Ränder — der Margo anterior eignet sich hierzu am besten —
eingeschnitten, die Wunde in der Milzkapsel mit einer eigenen Dila-
tationspinzette (Fig. 1) zum Klaffen gebracht und nun mittels eines
messerförmigen, halbscharfen Spatels (Fig. 2) eine Tasche in sie
— 75 —
gemacht, die, wenn möglich, sowohl in der Größe als in der Form
dem zu überpflanzenden Schilddrüsenstück entsprechen soll.
Das Schilddrüsenstück wird mittels ein gabelförmigen Instrumen-
tes (Fig. 3) gefaßt und in die Tasche versenkt. Meist wurde der be-
treffende Schilddrüsenlappen vorher durch Sektionsschnitt halbiert oder
mit mehreren Einschnitten versehen und mit nach außen gekehrter
Schnittfläche in die Milztasche versenkt. Das eingeschobene Gewebs-
stück stillt die aus bestimmten. anatomischen Gründen sonst so hart-
näckige Blutung aus dem Milzparenchym in ausgezeichneter Weise.
Die Milzwunde wird mit einigen ziemlich weit ausgreifenden ganz feinen
Fig. 1.
Seidennähten verschlossen und ein Stück Netz mit einigen weiteren
Nähten darüber befestigt. Betreffs der ja bei allen Milzwunden so
gefürchteten Blutung läßt sich feststellen, daß durch das Ein-
schieben des Schilddrüsenlappens in die entsprechend große Milztasche,
sowie durch die in verschiedener Weise gemachte Naht der Milz-
wunde und der Milzkapselinzision es in allen Fällen ohne
Schwierigkeiten gelungen ist, die Blutung zu beherrschen und
daß kein einziges Versuchstier, soweit sich dies feststellen läßt,
eine Nachblutung bekam oder an einer solchen zugrunde ging, ob-
wohl auch an Milzen von sehr großen Hunden gearbeitet wurde, an
denen Blutung und Blutstillungsverhältnisse doch ganz ähnlich wie
beim Menschen sind. In einigen Fällen wurde die von P. und Mar-
tina für die Leber empfohlene Magnesiumplattennaht zum Schluß
der Milzwunde, in anderen eine Art Zapfennaht mit Netz als
lebendem Material zum Schutze gegen das Einschneiden der Fäden
verwendet. In der Mehrzahl der Fälle genügte für die Blutstillung
die einfache Naht.
aa Jo e
Bei der Wahl eines der beiden Milzränder für die Kapselinzision
und die Anlegung der Tasche ist die Naht sehr erleichtert dadurch,
daß sich Nadel (gerade, drehrund) und Faden geradlinig und weit-
ausgreifend durch das Milzgewebe führen lassen, wobei die Gefahr
des Einschneidens der Fäden eine viel geringere ist, als bei der Naht
an der Konvexität. P. verweist übrigens darauf, daß sich auch bei
der Behandlung der Milzverletzungen die Stich- und Schnittverlet-
zungen als häufig zur Naht geeignet. erwiesen haben, während man
bei Rupturen hauptsächlich wegen der Gefahr des Ubersehens von
Einrissen die Splenektomie ganz allgemein für das normale Ver-
fahren ansieht.
Es ist selbstverständlich, daß bei allen diesen Versuchen alle
chemischen, thermischen, mechanischen, vor allem aber bak-
teriellen Schädlichkeiten sorgfältigst fern gehalten werden müssen;
je geringer das Trauma ist, dem das zu überpflanzende Gewebsstück
bei der Übertragung ausgesetzt wird, je günstiger die Ernährungs-
bedingungen sind, unter die es gesetzt wird, desto besser sind die
Aussichten für das Gelingen der Transplantation. Die Anordnung
der Tierversuche war in dreifacher Weise verschieden.
a. Exstirpation eines Schilddrüsenlappens, Implantation desselben
in die Milz. Nach 10—30 Tagen wird der zweite am Hals entfernt.
Nun ist das Tier (abgesehen von möglicherweise vorhandenen Neben-
schilddrüsen) bloß durch das in der Milz befindliche Drüsenstück vor
den Folgen des Schilddrüsenverlustes geschützt.
In einer Sitzung wurde bei einem Teile der Versuchstiere, die
diese beiden Eingriffe ohne thyreoprive Erscheinungen überlebten, die
Splenektomie ausgeführt und dadurch Athyreosis herbeigeführt. Nach
diesem Modus wurden die meisten Tiere operiert.
b. Bei einer kleinen Zahl der Versuchstiere wurde die ganze
Schilddrüse gleich beim ersten Eingriff exstirpiert und in die Milz
eingepflanzt. Nach genügend lange fortgesetzter Beobachtung wurde
durch die Milzexstirpation das Tier seiner Schilddrüsenfunktion be-
raubt.
c. Bei einigen Versuchstieren wurde so vorgegangen, daß in der
ersten Sitzung der eine Schilddrüsenlappen in die Milz implantiert
wurde. Nach 20—30 Tagen wird der andere Lappen gerade so wie
es beim ersten Eingriffe geschah, abermals in die Milz an anderer
Stelle implantiert. Auch hier besorgte nach entsprechend langer Zeit
die Milzexstirpation den gewünschten Schilddrüsenverlust.
Diese Art der Versuchsanordnung erhält dem Versuchstiere nach
P.’s Ergebnissen das größtmögliche Quantum an funktionierendem
Schilddrüsengewebe.
Mehrmals wurden sowohl Hunde als Katzen mit Kolloidstrumen
angetroffen; auch diese wurden zur Implantation verwendet. |
Die Ergebnisse von P.’s Tierversuchen sind, kurz zusammen-
gefaBt, folgende:
Zus. 177
Man muß zwischen den morphologischen und funktionellen
Resultaten der Transplantation unterscheiden.
Was die funktionellen Ergebnissen anlangt, so ist zu erwähnen,
daß es gelang, eine Anzahl von Hunden und Katzen ohne
irgendwelche Krankheitserscheinungen längere Zeit, !/; bis
i/, Jahr, und darüber, sogar über 10 Monate am Leben zu er-
halten, obwohl am Halse sicherlich der ganze Schilddrüsenbestand
samt den sichtbar gewordenen Epithelkörperchen exstirpiert worden
war; wenn diese günstigen Resultate auch nur bei einem Teile der
Versuchstiere, ca. !/; derselben, zu erzielen waren, so sind dieselben
dennoch tatsächlich beweisend und ausschlaggebend. Große
Reihen ununterbrochen günstiger Erfolge hat bisher überhaupt kein
Bearbeiter dieses Themas zu verzeichnen gehabt. Mißerfolge sind
häufig. Technische Fehler, ungenügende Wartung der sorgfältiger
Pflege bedürftigen Tiere, sowie endlich interkurrente Erkrankungen
tragen einen großen Teil der Schuld an den zu beobachtenden Miß-
erfolgen. Diejenigen Tiere, die an den Folgen ungenügender Schild-
drüsenfunktion zugrunde gingen, erlagen nur zum geringen Teile der
Tetanie, häufiger einem der Cachexia strumipriva entsprechenden
Siechtum.
Doch sei besonders darauf hingewiesen, daß P., um den Wert
der Einpflanzung in die Milz auch unter strengster Kontrolle zu prüfen,
zwei bisher allgemein als ungünstig angesehene Faktoren meist nicht
ausschaltete und die Tiere auch zur Winterszeit in ungeheizten Räumen
hielt, sie auch Fleischnahrung erhielten.
Nach der Milzexstirpation gingen die Tiere fast immer in kürzester
Zeit, meist unter tetanischen Erscheinungen zugrunde.
Uber das morphologische Verhalten der transplantierten
Schilddrüse ist bei gutem Gelingen folgendes zu sagen: Die Einpflan-
zungsstelle in der Milz ist gewöhnlich an der Netzbekleidung sogleich
zu erkennen. Am Durchschnitte durch Milz und implantiertes Schild-
drüsenstück ist die Abgrenzung zwischen der dunkelroten, an Milz-
körperchen etwas reicheren Pulpa und dem graurötlichen oder grau-
gelblichen Drüsenstück eine deutliche. Die Größe des eingepflanzten
Stückes ist wohl fast immer vermindert, meist um 1/,—1/3 seiner ur-
sprünglichen Dimensionen. Bei Überpflanzung von Kolloidstrumen ist
die Größenabnahme eine viel erheblichere, dagegen das Aussehen dem
einer normalen transplantierten Drüse entsprechend. Die Form der
eingeheilten Stücke ist fast immer rund oder elliptisch. Zuweilen sieht
man auf der Drüsenschnittfläche braunes Pigment.
Alle durch Sektion der Tiere oder durch Splenektomie gewonne-
nen Implantationspräparate wurden einer genauen histologischen
Untersuchung unterzogen.
Das wesentliche der dabei erhobenen Befunde ist, daß die primäre
zentrale Nekrobiose des überpflanzten Stückes viel weniger ausgedehnt
ist, als bei dem bisher gebrauchten Modus der Transplantation; manch-
mal scheint sie fast ganz auszubleiben. Die Regenerationsvorgänge
Shee, YO. pa
von seiten des erhalten gebliebenen Schilddriisengewebes sind sehr be-
deutende.
Der Kolloidgehalt der nach langerem Zeitraum untersuchten ein-
gepflanzten Driisen ist ein sehr wechselnder; manchmal, wie es auch
andere Untersucher (Enderlen, Sultan) fanden, speziell in der Peri-
pherie ein sehr bedeutender, in anderen Fällen ein geringer, aber
gleichsam über den ganzen Querschnitt gleichmäßig verbreiteter.
Viele Untersuchungsobjekte bieten selbst nach längerer Zeit,
3—6--9 Monate, in jeder Beziehung vollkommen das Aussehen
eines normalen, kolloidbildenden Schilddrüsengewebes dar.
(Demonstration einer größeren Anzahl histologischer Bilder.)
P. berührt im Anschluß an seine Tierversuche noch kurz die
Frage der Organtransplantation überhaupt und betont, daß nach den
Ergebnissen der verschiedenen Bearbeiter dieser Frage (u. a. Ales-
sandri, Lubarsch, Ribbert) und der eigenen Untersuchungen die
einzelnen drüsigen Organe bei der Transplantation ein recht verschie-
denes Verhalten aufweisen; bei manchen gelingt die Überpflanzung
relativ leicht, bei anderen mißlingt sie immer. Die Ursache dieser
eigentümlichen Differenzen sucht P. in den verschiedenen physiologi-
schen Aufgaben der betreffenden Organe. Besonders jene mit aus-
gesprochen »innerer Sekretion« scheinen für die Transplanta-
tion viel geeigneter zu sein, als jene mit vorwiegend äußerer
Sekretion.
Seit Kocher, 1883, ist die Schilddrüsentransplantation
auch beim Menschen ausgeführt worden, und zwar wegen postopera-
tiver Tetanie, Oachexia strumipriva, Myxödem und Kretinis-
mus. Der Erfolg war meist negativ, oder doch nur vorübergehend,
selbst wenn die anfängliche Besserung eine sehr bedeutende war
(Bircher). Gerade Enderlen’s Tierversuche haben eine Erklärung
für die Unbeständigkeit derselben gegeben.
P. berichtet nun über einen Fall von Transplantation von
Schilddrüsengewebe in die Milz bei einem Kinde mit schwe-
rem, infantilem Myxödem.
Das 6jährige, vollständig verblödete Kind, mit allen typischen
Erscheinungen schwersten infantilen Myxödems behaftet, war
schon 3!/, Jahre vergebens mit verschiedenen Schilddrüsenpräparaten
erfolglos gefüttert worden.
Der Eingriff wurde in der Weise begonnen, daß der Mutter des
Kindes in Narkose die Schilddrüse freigelegt wurde und ein un-
gewöhnlich großer, ganz normales Schilddrüsengewebe enthaltender
Processus pyramidalis exstirpiert wurde.
Gleichzeitig wurde dem Kinde durch einen mit dem linken
Rippenbogen parallel verlaufenden Schnitt die Bauchhöhle geöffnet,
die Milz vorgezogen, in den unteren Pol nahe dem vorderen Rande
des Organes ein Einschnitt gemacht, von diesem aus eine entsprechend
große und geformte Tasche gebildet und in diese das durch Sektions-
schnitt fast durchtrennte und mit den Schnittflächen nach außen ge-
— ——
kehrte Schilddriisenstiick eingefiihrt. Die Milzwunde wurde durch
Naht geschlossen und durch einen Netzzipfel gedeckt, kleine Gaze-
streifen eingelegt und nun die Bauchhöhle geschlossen.
Der Verlauf war bei Mutter und Kind ein befriedigender.
Der Erfolg beim Kind ist jetzt nach 5 Monaten sowohl soma-
tisch als intellektuell ein ausgezeichneter. Besonders hervorzuheben
ist, daß das Kind in kurzer Zeit das Gehen und Stehen gelernt hat,
selbst essen kann, und sehr bedeutendes Wachstum (12 cm) eingetreten
ist. Ob dieser Erfolg anhalten wird, läßt sich natürlich nicht mit
Sicherheit behaupten, doch ist es auffallend, daß nach dem fast völligen
Versagen der internen mit größter Sorgfalt in einer pädiatrischen
Klinik durchgeführten Schilddrüsentherapie die Transplantation so
Hervorrades geleistet hat. Darauf möchte P. das Hauptgewicht legen.
P. betont ausdrücklich, daß er aus diesem bisher ja sehr erfreu-
lichen Erfolge durchaus keine irgend weitergehenden Folgerungen für
die Zukunft ziehen will, und daß weitere Beobachtungen nötig sein
werden, um über die Berechtigung dieser Art von Schilddrüsentrans-
plantation zu urteilen.
P. belegt seine Ausführungen durch Demonstrationen von Prä-
paraten (der die Schilddrüsenpfropfungen enthaltenden Milzen) zahl-
reicher histologischer Bilder derselben, von Tafeln, welche die Technik
der Einpflanzung in die Milz und solchen, welche die günstige Um-
wandlung im Aussehen des Kindes darstellen. 'Selbstbericht.)
Diskussion.
Kocher (Bern) hatte auch einzelne merkwiirdige Erfolge, nament-
lich bei Implantation der Schilddriise zwischen Bauchfell und Bauch-
wand. Alle möglichen Organe sind von ihm zur Implantation benutzt,
z. B. Venen, Arterien (Femoralis). Aber die Mehrzahl der Kranken
geht zugrunde. In letzter Zeit ist ein Verfahren, das sich am Tiere
sehr bewährt hat, statt großer, ganz kleine Stücke zu implantieren
(Christiani), vielfach zur Anwendung gekommen.
Goebel (Breslau).
Payr bemerkt, daß er ja selbst schon sich mit aller Vorsicht
über die praktische Bedeutung des Verfahrens geäußert habe.
Die Verwendung ganz kleiner Gewebsstücke zur Transplantation
halte er nach seinen zahlreichen Versuchen für weniger gut, da durch
das Trauma des Zerschneidens, der Uberpflanzung immer ein Teil des
zu transplantierenden, Gewebes zugrunde geht und das erhalten ge-
bliebene im Verhältnis zur Größe des ganzen Stückchens gering ist.
'Selbstbericht.)
44) Noetzel (Frankfurt a. M.). Experimentelle Unter-
suchungen über die Infektion und die Bakterienresorption
in der Pleurahöhle.
Die praktische Erfahrung, daß auch nach aseptischen Operationen
in der Pleurahöhle infolge der unvermeidbaren Unvollkommenheiten
— 80 —
der Asepsis meist Eiterung eintritt, hat zu der Anschauung geführt,
daß die Pleurahöhle im Gegensatz zur Peritonealhöhle eine außer-
ordentlich geringe Widerstandskraft gegen Bakterien besitzt. Dem-
gegenüber hat Redner durch Tierexperimente nachgewiesen, daß die
natürliche Resistenz der normalen Pleurahöhle eine sehr große und der-
jenigen von Haut- und Muskelwunden überlegen ist. So z. B. ver-
trägt die Pleurahöhle desKaninchens anstandslos !/, ccm und bei großen
Kaninchen 1 ccm einer Bouillonkultur von Staphylokokken, von welcher
0,3 ccm bei intravenöser Impfung die Tiere tötet und von welcher
bei der intrapleuralen Impfung die minimalen an der Impf-
kanüle haftenden Mengen noch Abszesse in der Thoraxmuskulatur
machen. Diese natürliche Restistenz, welche derjenigen der Peri-
tonealhöhle analog, wenn auch wohl quantitativ geringer ist, wird aber
vollkommen gebrochen, wenn durch Eröffnung der Pleurahöhle ein
Pneumothorax zustande kommt, wie es bei den intrapleuralen Opera-
tionen ohne Anwendung der Sauerb ruch’schen Kammer oder des
Brauer’schen Überdruckverfahrens der Fall ist. Die Versuchstiere,
bei welchen ein Pneumothorax gemacht wurde, erkrankten nach
Impfung derselben und auch noch kleinerer Staphylokokkendosen regel-
mäßig an schwerer fibrinös-eitriger Pleuritis.
Redner prüfte ferner die Schnelligkeit der Bakterienresorption aus
der Pleurahöhle und fand, daß, ebenso wie früher von ihm für die
Peritonealhöhle nachgewiesen wurde, auch von der Pleurahöhle eine
sofortige Resorption der Bakterien stattfindet, so daß 5 Minuten nach
der intrapleuralen Impfung die Bakterien (Pyocyaneus) bereits im Blut
und in den inneren Organen durch das Schimmelbusch’sche Ver-
fahren nachgewiesen werden können. Diese Resorption ist aber ebenso-
wenig wie in der Peritonealhöhle die Ursache der Resistenz, sondern
die Bakterienvernichtung erfolgt in der Pleurahöhle selbst. Diese
reagiert auf die Infektion zunächst mit einem leukocytenhaltigen Exsu-
dat, welches dann in der Folge wieder verschwindet. Man kann diese
Vorgänge in allen Stadien an den getöteten und sezierten Tieren be-
obachten. (Selbstbericht..)
45) Goebell (Kiel). Über Herzschußverletzungen.
G. stellt einen 23jährigen Kellner vor, bei welchem er am
21. Juni 1905 eine Stunde nach einem Tentamen suicidii mit 7 mm-
Revolver wegen Herz- und Lungenschusses zu operieren durch bedroh-
liche Symptome veranlaßt war.
Vortr. machte einen Wehr-Pagenstecher’schen Lappen, fand
den Lungenzipfel durchschossen und nähte die Lungenwunde Aus
der Schußwunde des Herzbeutels floß reichlich Blut in die Pleura-
höhle. Nach breiter Eröffnung des Perikards fand sich ein Streif-
schuß des linken Ventrikels, Einschuß fast 2 cm lang, Ausschuß etwa
3 cm nach hinten ebenso lang, mäßige Blutung (100 cem Blut im
Herzbeutel). Naht der Einschußwunde mit vier J odcatgutknopfnähten,
der Ausschußwunde mit fünf. Danach blutete es noch im Strahl aus
— 81 —
dem hinteren Wundwinkel der vorderen Wunde; durch eine fünfte
schräge, tiefgreifende Naht stand die Blutung. Naht des Perikards
und der Pleura. Naht des zurückgeklappten Türflügellappens.
Nur je ein dünnes Drain blieb 12 Stunden in der Perikard- und
in der Pleurawunde. Nach 24 Stunden wurde der Pneumothorax mit
Potain’schem Apparat entleert. Heilung ohne Komplikation. — Pat.
ist jetzt vollkommen arbeitsfihig. Das Herz ist völlig gesund.
Vortr. bespricht die diagnostischen Schwierigkeiten bei gleich-
zeitiger Lungen- und Herzverletzung. Er empfiehlt, bei Schußverlet-
zungen dieser Art nur, wenn die Erscheinungen bedrohlich sind, zu-
nächst durch den Explorativschnitt sich zu vergewissern, ob das Herz
verletzt ist oder nicht. Ist das Herz getroffen, so muß es so frei-
gelegt werden, daß man zur Herzwunde guten Zugang hat. Dabei
kann man je nach Lage des Einschusses und der Richtung des Schuß-
kanales den Explorativschnitt benutzen. Es ist nicht zu empfehlen,
sich auf eine bestimmte Methode festzulegen. (Selbstbericht.)
46) Wendel (Magdeburg). Zur Chirurgie des Herzens.
Nachdem die auf rund 100 Fille angewachsene Kasuistik mit
Naht behandelter Falle von Herzverletzung eine Heilungsziffer von
44% ergeben hat, kann die prinzipielle Berechtigung, jeden Fall von
Herzverletzung operativ zu behandeln, nicht mehr bestritten werden.
Uber die Technik der Operation, vor allem über die Methode der
Freilegung des Herzens gehen aber die Ansichten noch erheblich aus-
einander. Verf. hat in einem Falle von perforierender Stichverletzung
des linken Ventrikels bei einem 19jährigen Knechte mit Erfolg die
Herznaht ausgeführt, und zwar, soweit aus den früheren Publikationen
ersichtlich, zum erstenmal nicht in dem Öperationssaale mit seinen
günstigen Verbältnissen, sondern auf dem Lande, am Orte der Ver-
letzung, in der Gesindestube eines hessischen Bauerngutes, bei äußerst
primitiver künstlicher Beleuchtung (Laterne) und mit sehr beschränkter
Assistenz. Die Operation wurde 5 Stunden nach der Verletzung aus-
geführt. Während 4 Stunden war ununterbrochen von dem erst kon-
sultierten Arzte mit dem durch die erweiterte Stichwunde eingeführten
Finger komprimiert worden. Die Pleura war nicht verletzt. Infolge
der vorhandenen, im vierten linken Interkostalraum gelegenen, er-
weiterten Wunde war eine der angegebenen Lappenmethoden für die
Freilegung des Herzens nicht anwendbar. Vielmehr wurde die vor-
handene Wunde präparando noch mehr erweitert, und als die Herz-
verletzung sichergestellt war, ein atypischer Lappen mit unterer Basis
gebildet.
Der glatte Verlauf des Falles ist nicht zum wenigsten auf die
fehlenden Komplikationen seitens Pleura und Lunge zurückzuführen.
Wenn daher überhaupt eine typische Operationsmethode für die Frei-
legung des Herzens empfohlen werden soll, so darf sie nicht trans-
pleural, sondern muß extrapleural sein, und zwar auch für diejenigen
Chirurgen-Kongreß 1906. 6
un BI —
Fälle, bei denen die Pleura verletzt ist. Denn fast die Hälfte der
Fälle ist an septischen Prozessen gestorben, die von der verletzten
oder eröffneten Pleura auf den Herzbeutel iibergriffen. Es ist daher
vorzuziehen, bei vorhandener Pleuraverletzung nach extrapleuraler
Freilegung des Herzens die Pleurawunde ebenso wie die Herzbeutel-
wunde zu nähen und beim Auftreten eines Pleuraempyems dieses, wie
sonst üblich, durch Rippenresektion an tiefster Stelle, hinten, zu er-
öffnen. Nach Besprechung der in der Literatur vorhandenen Opera-
tionsmethoden empfiehlt daher Verf. die Methode von Kocher unter
der Voraussetzung, daß überhaupt ein schematisches Vorgehen am
Platze ist. (Selbstbericht.)
47) C.Sultan (Leipzig). Über Herzverletzungen und Herznaht.
Vorstellung eines geheilten Pat., bei dem 5 Tage nach einer
Stichverletzung der Brust Zeichen von Hämoperikard, Kollaps, ver-
breiterte Herzdämpfung, leiße Töne auftraten. Der im übrigen ganz
zugenähte Herzbeutel wurde durch ein dünnes Drain drainiert. Pleura
nicht drainiert.
Ein zweiter, von S. operierter Pat. ist 48 Stunden später gestorben,
und zwar an einer Nachblutung aus der verletzten, aber zunächst
thrombosierten Art. mammaria interna. Der genähte Herzstich saß
hier auch wie im ersten Fall im linken Ventrikel, außerdem wurde
aber hier bei der Autopsie ein zweiter, in den rechten Ventrikel führender
und durch einen parietalen Thrombus verschlossener Stich gefunden.
Demonstration des zu dem letzten Falle gehörenden Herzpräparates.
Außerdem eines Photogrammes von einem Herzen, in dessen linken
Ventrikel eine Nähnadel eingedrungen und eingeheilt ist (Leipziger
pathol. Institut). Ferner wird ein Präparat demonstriert, das einem
ö3jährigen Mann entstammt, der eine Etage hoch: herabgesprungen
ist und schwere Verletzungen erlitt, denen er 5 Tage später erlag.
Man sieht einen langen Riß im Herzbeutel, das Herz ist völlig in
die linke Pleurahöhle herausluxiert. (Leipziger pathol. Institut.)
S. hält die extrapleuralen Operationsmethoden für nur recht selten
anwendbar. Meist ist die Pleura mit verletzt. Sodann läßt sich häufig
die Diagnose einer Herzverletzung gar nicht bestimmt stellen, man
muß sich bei Beginn der Operation mit der Feststellung einer intra-
thorakalen Blutung begnügen. Oft wird die Situation so dringend
sein, daß man sich auf eine sorgfältige, methodische Schonung der
Pleura im Interesse der gebotenen Schnelligkeit des Vorgehens nicht
wird einlassen dürfen. (Selbstbericht.)
Diskussion.
Brackel (Libau) berichtet über einen Fall von Granatsplitter-
verletzung der Herzgegend, welcher zu eitriger Herzbeutelentzündung
führte. Der Granatsplitter wurde nebst Kleiderfetzen aus dem Herz-
beutel entfernt und auf die Stelle der Herzspitze, an welcher sich ein
kleiner Muskelriß befand ein Tampon gelegt. Der Mann erlag nach
14 Tagen einer Pneumonie.
— 83 —
‘Borchardt (Berlin) stellt einen Knaben vor, bei welchem er vor
einigen Jahren die Naht einer penetrierenden Herzwunde ausgeführt
hatte. Herhold (Altona).
Jaffe (Posen): Redner schließt sich Herrn Sultan an, insofern
auch er während der Versorgung einer Herzstichverletzung die Be-
obachtung gemacht hat, daß bei Gelegenheit der Eröffnung des Peri-
kardialsackes und bei Gelegenheit der Naht noch große Blutverluste
eintreten können, so daß die bisher leidliche Herztätigkeit versagt.
In solchem kritischen Momente nutzt nach der Erfahrung des Redners,
solange das Herz, überhaupt noch lebensfähig ist, folgendes Mittel:
Man füllt mittels einer Pravaz’schen Spritze nach der schnell an-
gelegten Naht den linken Ventrikel mit physiologischer Kochsalzlösung:
das nicht mehr schlagende Herz fängt sofort wieder zu schlagen an.
| (Selbstbericht.)
v. Zawadzki (Warschau): Ein junger Mann von 19 Jahren
bekam vor kurzem aus unmittelbarer Nähe auf einer der Straßen
Warschaus zwei Revolverschüsse. Einen in den linken Vorderarm,
einen zweiten in den vierten Interkostalraum, zwischen der linken
Parasternal- und der linken Mammillarlinie. Keine Ausgangsöffnung.
Einige Minuten nach der Verletzung sah ich den Kranken, er
befand sich wohl, nur war seine Gesichtsfarbe etwas blaß, aber der
Puls regelmäßig. Nach dem übligen Verbande habe ich Überführung
des Kranken nach dem Warschauer Praga-Hospital angeordnet, was
erst nach Ablauf von 2 Stunden ausgeführt werden konnte. Bei der
Aufnahme ist der Kranke etwas blaß, Puls regelmäßig, aber be-
schleunigt (120 pro Minute). Bei der Durchleuchtung bemerkte ich
auf dem Schirme ganz deutlich einen Schatten in der Herzgegend, der
den Durchmesser einer gewöhnlichen Revolverkugel übertraf.
In den Nachtstunden und im Laufe der folgenden Tage befand
sich der Kranke recht wohl, kein Bluterguß in das Perikard und in
die Pleurahöhlen, keine Hämoptoe; trotz des Verbotes spazierte der
Verletzte im Krankensaal herum.
Nach 14 Tagen machte ich zwei Röntgenaufnahmen, die eine in
der Brustlage, die andere in der Rückenlage.
Auf der ersteren sehen wir zwei kleine, dicht nebeneinander
liegende Projektile, auf der zweiten ebenfalls zwei Projektile, aber
viel größere. Da die Entfernung der Röhre von der Platte in den
beiden Aufnahmen 45 cm betrug, so glaube ich nicht irre zu gehen,
daß die Kugel näher der Brustfläche zu liegen kam.
Angesichts nur einer Einschußöffnung ist es doch merkwürdig,
daß wir an den beiden Röntgenplatten zwei Projektile menu
finden.
Da es unmöglich ist, anzunehmen, daß in unserem Falle zwei
Kugeln durch eine einzige Hautöffnung in die Tiefe drangen, so
glauben wir annehmen zu dürfen, daß wir es mit einer Längs- oder
Querspaltung der Kugel zu tun haben. Da die Offnung recht klein
gi
ey. N, „es
ist, die Ränder derselben glatt und die beiden Kugelhälften dicht
nebeneinander liegen, so folgern wir daraus, daß die Zweiteilung der
Kugel erst innerhalb des Körpers erfolgt ist. Ein Fehler bei der
Herstellung der Kugel mag hier die Ursache abgegeben haben.
Bei der Röntgenaufnahme habe ich an der verletzten Stelle auf
der Brust ein kleines Stück Draht angelegt, in der Mitte dieses
Drahtes liegt die Einschußöffnung. Bei der Durchleuchtung sah ich, daß
die Kugelbewegung nicht vom Herzen, sondern vom Atmen: abhängt.
Auf dem Schirm ist es deutlich bei der Atmung wahrzunehmen, daß
die obigen zwei Kugelhälften sich immer zwischen drei Rippen bewegen,
ohne ihre wechselseitige Lage zu ändern. (Selbstbericht.)
48) Kölliker (Leipzig) und Glücksmann (Berlin). Ösophago-
skopische Bilder.
Die Demonstration erstreckt sich auf eine Anzahl farbiger Dia-
positive, welche das Gebiet der Speiseröhrenerkrankungen, gesehen
durch das G.’sche Osophagoskop, darstellen, und zwar wurden vorgeführt:
die normale Speiseröhre, Veränderung der Lumenweite derselben im
Sinne der Dilatationen und Verengerungen aus verschiedenen Ursachen,
traumatische Vorgänge in Form von Narben und Fremdkörpern, die
Infektionskrankheiten der Speiseröhre (Diphtherie, Herpes), sowie eine
etwas größere Reihe der verschiedenen Manifestationen des Karzinoms
in seinem ersten wandständigen und seinem zweiten zirkulären Stadium.
Die Bilder sind sämtlich durch das Instrument nach der Natur ge-
zeichnet. Der Vortr. (G.) schließt mit dem Hinweis auf die praktische
ösophagoskopische Demonstration, welche die beiden Vortr. gemein-
schaftlich während der folgenden Kongreßtage abzuhalten beabsichtigen.
Bei diesen praktischen Demonstrationen zeigte K. einen von ihm
neu angegebenen doppelten ösophagoskopischen Tubus mit besonderer
Einführvorrichtung, G. einen besonders für Auswärtsuntersuchungen
geeigneten leichten (3 Pfund) und billigen (27 Mk.) Akkumulator
für Licht und Kaustik, erhältlich bei G. Härtel (Berlin/Breslau).
(Selbstbericht.)
49) Kölliker (Leipzig). Ösophagoskopische Demonstrationen.
K. nahm am 5., 6. und 7. April in der Klinik des Herrn
Dr. Glücksmann ösophagoskopische Demonstrationen mit
seinem QOsophagoskop vor. Sein ösophagoskopischer Tubus ist ein
Doppelrohr; im inneren Rohre befindet sich ein Bougie mit oliven-
förmigem Knopfe, das je nach der Stärke entweder im Tubus festsitzt
oder beliebig weit vorgeschoben werden kann. Bei Einführung des
Ösophagoskops wird das Bougie erst fest, sobald der Tubus den Ring-
knorpel passiert hat, der zweite röhrenförmige Mandrin dagegen erst,
wenn der Tubus ganz eingeführt ist. Die Vorteile dieses Ösophago-
skops sind: |
ur BR Zum
1) Das Abbrechen oder die Ablösung des Nelaton’schen Bougies,
wie es sich am Rosenheim’schen Tubus befindet, ist vermieden.
Außerdem erschweren die weichen Mandrins häufig die Einführung
des Ösophagoskops, indem sie sich seitlich umlegen.
2) Nach Passieren des Ringknorpels geschieht die weitere Ein-
führung des Rohres unter Beleuchtung mit dem Uasper’schen Pan-
elektroskop. Der Mikulicz’sche Trichter kann sowohl auf den inneren,
als auf den äußeren Tubus aufgesetzt werden. Beim Starck’schen
Tubus kann die Einführung auch unter Beleuchtung geschehen, aber
der abgestumpfte Mandrin des K.’schen Tubus schützt die Schleim-
haut der Speiseröhre vor Verletzungen und gleitet leicht vorwärts.
3) Ist das Ösophagoskop zu stark, dann kann auch das innere,
dünnere, Rohr allein als Tubus benutzt werden.
4) Vor dem Gottstein’schen Osophagoskop mit Hohlobturator
und Gleitsonde hat das Instrument den Vorzug, daß es unter Beleuch-
tung eingeführt wird, und daß der innere Tubus als ösophagoskopische
Röhre Verwendung finden kann. (Selbstbericht.)
Bauchhöhle und Bauchorgane.
50) Dreesmann (Koln). Zur Tampondrainage der Bauch-
hohle.
Mit Rücksicht auf die verschiedenen Nachteile der bisherigen
Methode der Drainage in der Bauchhöhle empfiehlt D. die Anwendung
von Glasröhren von 1—4 cm Durchmesser und 5—20 cm Länge, die
unten geschlossen sind und seitliche Öffnungen nicht über 0,2 cm
Durchmesser haben. Die tamponierende resp. aufsaugende Gaze kommt
in das Glasrohr und kann nach Bedürfnis mehrmals am Tage ohne
Schwierigkeit und ohne die geringsten Beschwerden für den Pat. ge-
wechselt werden. Außerhalb der Glasröhren kommt keine Gaze in
die Bauchhöhle, abgesehen von Fällen, in denen eine stärkere Nach-
blutung zu befürchten ist. Bewährt hat sich die Methode in den
letzten 3 Jahref, in denen sie konsequent durchgeführt wurde, beson-
ders bei perityphlitischen Abszessen, Abszessen im Douglas, nach
Cholecystektomie und Choledochotomie, Resektion des Magens und
des Kolon. In seltenen Fällen (3—4mal unter vielleicht 200 Fällen)
drängte sich, wenn die Öffnungen im Rohr zu groß sind oder die
Gaze dasselbe nicht genügend ausfüllt, Netz oder Granulationen durch
die Offnungen in das Rohr; durch rotierende Bewegung läßt es sich
ohne größere Schwierigkeit entfernen, im Notfall nach galvanokausti-
scher Entfernung der Granulationen bei künstlicher Beleuchtung.
Darmnekrose tritt nach den bisher gemachten Erfahrungen, die auch
von anderer Seite bestätigt wurden, nicht ein. Das Glasrohr muß
lediglich an die äußere Bauchhaut angenäht werden.
(Selbstbericht.)
— 6 —
51) Sprengel (Braunschweig). Zur Technik der operativen
Behandlung der Schenkelhernien.
Vortr. will gegenüber den bisher bekannten Methoden einen prin-
zipiell neuen Weg in der Behandlung gewisser Schenkelhernien der
Frauen einschlagen, nämlich den operativen Verschluß der inneren
Mündung des Schenkelkanals von der Bauchhöhle aus. Die Operation
setzt sich aus folgenden Akten zusammen:
1) In flacher Beckenhochlagerung Freilegung des Bruchsackes
durch Längsschnitt, Eröffnung und Revision desselben, sowie Befreiung
verlöteter Kontenta.
2) Laparotomie transrektal, der Bruchseite entsprechend. Ab-
dämmung der Baucheingeweide außer den Organen des kleinen
Beckens.
3) Einführen einer Mikulicz-Zange durch den Schenkelkanal
in den Bruchsack und Invagination desselben in die Bauchhöhle.
4) Feste Zusammenrollung des Bruchsackes und Vernähung vor
dem Ostium internum unter Heranziehen und Mitvernähen des in un-
mittelbarer Nähe zum Leistenkanal ziehenden Lig. rotundum uteri.
5) Verschluß der Bauchwunde und des Längsschnittes über dem
Schenkelkanal.
In fünf Fällen, von denen der älteste revidierte etwa 10 Monate
zurückliegt, wurde ein tadelloses Resultat erzielt.
In dem einen derselben handelte es sich um doppelseitigen
Schenkelbruch bei gleichzeitigem beginnenden Prolaps des Uterus.
Der Uterus konnte durch das geschilderte Verfahren vorzüglich ge-
hoben werden.
Die Methode findet nach S. nicht bei kleinen, frischen Brüchen,
sondern bei alten Brüchen von großem Umfang und namentlich in
rezidivierenden Fällen ihre Anwendung. Sie ist wahrscheinlich leichter
und weniger gefährlich als die prothetischen Methoden und die kom-
plizierten Plastiken. (Selbstbericht.)
52) E. Graser (Erlangen). Zur Technik der Radikaloperation
großer Nabel- und Bauchwandhernien. Fascienquerschnitt
nach Pfannenstiel-Menge.
Das Problem eines guten Dauerverschlusses bei großen Hernien
ist ein sehr schwieriges; auch nach sorgfältig ausgeführter, gut ge-
lungener Operation folgt nicht selten früher oder später ein Rezidiv.
Je größer der Bruch, um so geringer die Chancen einer Dauerheilung.
Busse berechnete aus der v. Eiselsberg’schen Klinik in Königs-
berg 1901 noch 43% Rezidive; bei großen Brüchen sind die Aus-
sichten auf Dauerheilung noch schlechter.
Auch die überaus zahlreichen Vorschläge immer neuer Methoden
und Modifikationen sprechen für die Unsicherheit der bisher geübten
Verfahren.
— 87 —
Mit den Resultaten unserer Bauchnähte nach Laparotomien bei
Verwendung der Naht in Schichten mit exakter Vereinigung der
vorderen fibrösen Scheiden können wir heute zufrieden sein. Bei
Nabelbrüchen liegen die
Verhältnisse meistens un- Fig. 1.
günstiger wegen der oft vor- —
handenen großen Spannung
der Bauchwand, besonders
bei fettreichen Pat. und na-
mentlich wegen des der Nar-
be gefährdenden Zuges der
seitlichen Bauchmuskulatur.
Einen wesentlichenFort-
schritt bedeutete die 1893
durch Gersuny eingeführte
Freilegung und Vernä-
hung der Musculi recti;
sie ist aber oft recht schwie-
rig und die Spannung bei
großen Brüchen sehr hinder-
lich.
Die günstigen Resultate,
welche Pfannenstiel in
bezug auf die Vermeidung
von Bauchnarbenbriichen mit
seinemsuprasymphysären F
| TREE N EEE
Fascienquerschnitt er-
‘elt 1 q Pf Freilegung des Bruchringes und der vorderen
zieito, egten annen- Bauchaponeurose. Andeutung des Fascienquer-
stiel selbst schon frühzeitig schnittes.
die Verwendung dieser Me-
thode zur Beseitigung der Diastasen der Mm. recti nahe. Dieser
Anregung folgend, hat Menge einige Fälle im Sinne Pfannenstiel’s
operiert (Zentralblatt für Gynäkologie 1903). Er empfahl am Schluß
dieser Mitteilung eine Modifikation dahingehend, daß das Vorderblatt
der Rectusscheiden prinzipiell vor jeder Verletzung zu sichern sei, und
riet daher, die hintere Rectusscheide einzuschneiden, um die Auslösung
und Vernähung der geraden Bauchmuskeln möglichst hoch nach oben
und unten ausführen zu können.
G. vollführte nun vier derartige Operationen bei sehr umfang-
reichen Nabel- und Bauchbrüchen und kann die Methode angelegent-
lich empfehlen.
Der Eingriff ist ein sehr großer, die Operationen dauerten bis zu
3 Stunden; es entstehen enorm große Wundflächen, die zahlreichen
versenkten Nähte bei den meist sehr fettreichen Bauchdecken sind
eine strenge Probe auf die Aseptik; aber der Verlauf und Erfolg
war bei allen vier Fällen ein über Erwarten ausgezeichneter.
Der Hautschnitt wird quer über die größte Höhe der Bauch-
— —
geschwulst gelegt; die Länge des Querschnittes betrug zwischen 35 und
50 cm.
Fig. 2.
ote pall ee Fina Ai As Daga oe
Erweiterte Linea alba mit Andeutung der Spaltung der hinteren Rectusscheide.
Verhältnis unterhalb der Linea semicircularis Douglasi.
Fig. 3. Fig. 4.
3)
Aushülsung der geraden Bauchmuskeln und Vereinigung der Mm. recti in der Mittellinie.
vertikale Peritonealnaht.
Der Bruchsack wird bald eröffnet, die Eingeweide von Verwach-
sungen befreit, Netz zum Teil reseziert, die verdünnten Teile des
— 89 —
Bruchsackes bis zum Bruchring abgetragen. Nun ist eine Trennung
der Rectusscheiden in ein vorderes und hinteres Blatt un-
bedingt nötig; da eine solche Trennung im Bereiche des narbigen
Bruchringes kaum oder doch nur sehr schwer durchzuführen ist, wird
die vordere Rectusscheide (Vorderfascie) in querer Richtung
bis an den äußeren Rand des oft recht weit seitlich verlagerten Mus-
culus rectus beiderseits gespalten und nun die ganze vordere Apo-
neurosenplatte in einem zusammenhängenden Lappen ab-
gehoben. Wo eine Trennung nicht möglich ist, muß man entlang
dem inneren Rande des Rectus die Kommissur der Rectus-
scheiden spalten; dabei soll man ängstlich darauf achten, daß das
vordere Blatt nicht ver-
letzt wird und die Trennung Fig. 5.
‘mehr in den hinteren Schich-
ten der Rectusscheiden erfolgt;
oben und unten, wo die Mus-
culi recti sich wieder in der
Mittellinie einander nähern,
jedoch ohne sich zu berühren,
macht man rechts und links
in die hintere Rectus-
scheide einen Längsschnitt
neben der Linea alba, so daß
das Fasergewebe dieser Linea
alba, als straffe, binde-
gewebige Platte mit dem
vorderen Lappen in Zusam-
menhang bleibt.
Nach Trennung dieser
Lappen vollführt man vorsich-
tig möglichst stumpf mit dem
Finger oder der Kocher-
schen Kropfsonde die Aus-
hülsung der geraden Mus-
keln. Bei den Inskriptionen Querer Verschluß der vorderen fibrösen Scheide
muß man mit der Schere nach- (vordere Bauchfascie;.
helfen. Die Auslösung muß
sehr sorgfältig sowohl von den vorderen, wie den hinteren fibrösen
Scheiden erfolgen, ohne Zerreißung der Muskelfasern, mit Erhaltung
der Nerven. Es ist oft sehr mühsam, gelingt aber bei zielbewußtem
schonendem Vorgehen, wie die Erfahrung bei den operierten schwierigen
Fällen gezeigt hat. Erst wenn die Auslösung völlig beendet ist, kann
man an den Nahtverschluß des Bauchfelles am besten zusammen
mit der hinteren Rectusscheide herangehen. Meist sind wegen der
Spannung Knopfnähte nötig. Die Vereinigung kann schon wegen der
Längsschnitte oben und unten nur in vertikaler Linie geschehen, event.
kann man rechts und links seitlich einige Quernähte zur Verkleinerung
der Spalte hinzufügen.
ee
aan G0
“33 Jetzt folgt gleichfalls in vertikaler Richtung die Vereinigung
der geraden Bauchmuskeln mit Knopfnähten, von denen einige
weitergreifen, andere darüber gelegte die Ränder etwas übereinander
schlagen. Wenn die Muskeln gut isoliert sind, geht dies meist ohne
besondere Spannung, die Muskelfasern vertragen auch eine solche sehr
schlecht, zumal sie meist atrophisch sind. Man ist aber eigentlich
mehr darüber erstaunt, wie gut und massig die Muskelbäuche erhalten
geblieben sind.
Jetzt werden die Ränder der vorderen Aponeurose (Vorder-
fascie) geglättet und mit einer recht soliden Reihe von Knopfnähten
(Jodseide oder Catgut) ganz exakt vereinigt. Wenn man Überschuß
hat, kann man ein Blatt unter das andere hereinschlagen und so ver-
doppeln, wie es Mayo gelehrt hat.
Fig. 6a. Vor der Operation.
Von der Haut samt Fettgewebe kann man gewöhnlich noch ein
handbreites Stück in glattem Schnitt abtragen, worauf gleichfalls eine
Quernaht mit einigen versenkten Nähten durch das Fettgewebe ange-
legt wird.
Die Befürchtung, es möchte die vordere Fascie zum Teil
nekrotisch werden, ist durch die Erfahrung widerlegt; auch die
Sorge, es möchten die zurückbleibenden Weichteile nicht zur Be-
——
deckung ausreichen, scheint nach dem Erfolg: in diesen besonders
schwierigen Fällen grundlos zu sein. Es wäre ja ganz unmöglich, die
Ränder des Bruchringes unter Mitfassen des Musculi recti zusammen-
zuziehen; es ist aber etwas ganz anderes, wenn die durch chroni-
nische Entzündung verdickten Fascien und Aponeurosen-
blätter wieder entfaltet sind.
Auf sorgfältigste Blutstillung wurde besonders geachtet. Ein
Glasdrain wurde nur einmal seitlich durch eine Lücke der vorderen
Bauchfascie eingeführt; die Wundhöhle ist aber so vielbuchtig, daß
man von einem Drain nicht viel erwarten kann. Stets wurde ein
breiter Sandsack aufgelegt.
Fig. 6b. 1 Jahr nach der Operation.
Bei den umfangreichen Eventrationen wurde eine bis zu 4 Wochen
dauernde Vorbereitungskur, bestehend in Bettlage, schmaler fliissiger
Kost, taglichem Purgieren, Kompression mit schweren Schrotbeuteln
und täglichen Repositionsversuchen, vorausgeschickt, jede Spur von
Bronchitis beseitigt, Digitalis gegeben.
Bis zum Eintreten der ersten Stuhlentleerung war der Zustand
der Pat. ein recht ernster; nach der Stuhlentleerung waren alle Be-
— 92 —
schwerden und Sorgen verschwunden. Der Heilungsverlauf der Wunden
war stets ein ungestörter.
Der schlimmste Fall ist nun schon seit Jahresfrist in tadellosem
Zustande geblieben; nach dem Befunde bei der letzten Untersuchung
erscheint ein Rezidiv fast ausgeschlossen. Bei Anspannung der Bauch-
presse entsteht eine kranzförmige Einziehung durch die Recti und die
Quernarbe.
Die Operation ist deswegen besonders zu empfehlen, weil sie an-
nähernd normale anatomische Verhältnisse wieder herstellt.
(Selbstbericht.)
Diskussion.
Kausch (Berlin) hat in zwei Fällen Silberdrahtnetz eingelegt und
Rezidive bekommen. Das starre Netz war später einfach zerrissen.
In diesem Falle hat K. den Rectus freigelegt, oben und unten längs
vereinigt und in der Hüfte in Sternform durch Kreuznaht (Bronze)
zusammengezogen.
Seefisch (Berlin) rät, um den Meteorismus nach der Operation
zu vermeiden, wenige Stunden nachher Physostigmin zu geben.
Heller (Stettin) bemerkt, daß man die Recti durch um sie ge-
legte Silberdrahtfäden heranziehen kann, empfiehlt ebenfalls Physo-
stigmin.
Sprengel (Braunschweig) hat den fibrösen Ring dubliert; des-
halb soll man kein fibröses Gewebe opfern.
Wullstein (Halle a. S.) hat (in Leichenexperimenten) den unteren
Teil des Pectoralis major heruntergeschlagen, es aber wegen der Schä-
digung der Innervation am Lebenden nicht versucht.
Er hat — umgekehrt, wie bei der Operation der Syndaktylie —
die eine Aponeurose vorn, die andere hinten durchtrennt und die
Blätter dann nach hinten, resp. vorn, umgeschlagen und vernäht.
Dann gingen die Recti sehr gut zusammen.
Graser warnt vor der Naht mit Spannung durch die Recti.
Die Naht, die um die Recti herumgeschlagen wird, ist unbedingt zu
verwerfen. Herr Kausch wird sicher ein Rezidiv erleben. Ebenso
verwirft G. alle Muskelplastiken, die nichts wert sind.
Goebel (Breslau).
53) Krönlein (Zürich). Die operative Behandlung des Magen-
geschwürs.
Auf Grund der Ergebnisse untenstehender Tabellen faßt Redner
seinen Vortrag folgendermaßen zusammen:
1) Es ist festgestellt, daß durch die interne Therapie das
Magengeschwür in einer beträchtlichen Anzahl von Fällen nicht
zur Heilung gebracht werden kann, und daß die unmittelbaren günsti-
gen Erfolge später häufig durch Wiederauftreten der Krankheitssym-
— 3—
ptome oder ernste Folgezustände des Magengeschwürs getrübt werden.
Diese Mißerfolge dürften sich bei genauer Berücksichtigung der
Spiitresultate auf ca. 1/, der behandelten Fälle belaufen und mit einer
Mortalität von ca: 10—13 % einhergehen.
2) Es ist ferner festgestellt, daß viele der bei interner Therapie
ungeheilt gebliebenen Kranken nachträglich durch eine operative
Behandlung geheilt oder wenigstens erheblich gebessert werden.
3) Die unmittelbaren Operationsverluste bei der chirurgi-
schen Behandlung des Magengeschwürs sind in den letzten Jahren
gegen früher ganz bedeutend geringer geworden und dürften gegen-
wartig, je nach der Wahl der einzuschlagenden Operationsmethode und
je nach der Umschreibung der Indikation, ca. 8—10% betragen.
4) Die Spätresultate bei den nach der Operation Entlassenen
sind höchst erfreuliche; vollständige Genesung wird in 61%, er-
hebliche Besserung in 24 %, im ganzen also in 85% ein sicherer
positiver Erfolg auf Jahre hinaus konstatiert. Dabei sind die
Spätverluste sehr gering und wesentlich nur bedingt durch das immer-
hin seltene Auftreten eines Ulcus-Karzinoms (3 %).
5) Die Heilung des Magengeschwiirs bei operativer Behandlung
bezieht sich einerseits auf die Vernarbung des offenen Ulcus,
andererseits auf die Wiederherstellung normaler Funktionen
des Magens in motorischer und sekretorischer Hinsicht.
6) Aus den Untersuchungen von Dr. Kreuzer (chirurgische Klinik
Zürich) ergibt sich in letzteren Beziehungen folgendes:
a. Eine vor der Operation vorhandene Dilatation des Magens
geht fast immer bis zur annähernd normalen Größe des Organes zurück,
um so langsamer, je hochgradiger die Dilatation war. — Bleibt eine
ausgesprochene Dilatation bestehen, so läßt das ÖOperationsresultat
überhaupt zu wünschen übrig.
b. Die vor der Operation gestörte sekretorische Funktion des
Magens zeigt in der Mehrzahl der operierten Fälle nach einiger Zeit
wieder normales Verhalten.
c. Die gesteigerte Azidität sinkt in allen Fällen, oftmals bis
zur Norm, in nicht wenigen Fällen unter dieselbe, um dann aber nach-
träglich wieder zur Norm zurückzukehren.
d. War die Azidität vor der Operation normal, so sinkt sie
nach derselben unter die Norm, um sich später zur Norm zu erheben.
e. War die Azidität vor der Operation vermindert, so wird
sie nach der Operation normal oder wenig gesteigert; seltener bleibt
sie gleich oder nimmt einen noch niedrigeren Wert an.
f. Freie Salzsäure ist in der größten Zahl der Fälle auch nach
der Operation vorhanden, meistens in geringerer Menge als vor der
Operation; in einer kleinen Zahl fehlt sie in der ersten Zeit nach der
Operation, um sich später wieder einzustellen.
g. In den Fällen, in denen vor der Operation keine Salzsäure
vorhanden war, ist letztere nach der Operation meistens wieder nach-
weisbar; seltener fehlt sie auch jetzt. Subnormale Azidität und
— 04. —
Fehlen freier Salzsäure brauchen keine subjektiven Beschwerden
zu involvieren und können auch nicht als Nachteile der Operation be-
zeichnet werden, da dieser Mangel nur die Folge des durch die Ope-
ration geförderten und beschleunigten Abflusses des Mageninhaltes nach
dem Darm ist.
h. Der häufig auftretende Rückfluß der Galle in den Magen
hat keine ausgesprochenen Beschwerden zur Folge und scheint nach
längerer Zeit zu verschwinden.
i. Der Rückfluß von Pankreasaft in den Magen ist relativ
selten nachweisbar.
Wahl der Operationsmethode.
7) Bei der” operativen Behandlung des Magengeschwürs handelt
es sich nicht sowohl um die Elimination des Geschwürs mittels des
Messers als vielmehr um die Herstellung günstiger Bedingungen
für eine rasche Vernarbung des Geschwürs und normale
Funktion des Magens.
8) Diese Bedingungen werden dadurch erfüllt, daß die Auf-
stauung und häufig auch die Zersetzung des Mageninhalts
verhindert wird.
9) Dieser Indikation genügt aber keine Operation so vollkommen
und in einer heutzutage so wenig gefahrvollen Weise wie die Gastro-
enterostomie, zumal die Gastroenterostomia posterior retrocolica nach
v. Hacker.
10) Die Gastroenterostomie ist daher bei der operativen
Behandlung des Magengeschwürs als das Normalverfahren zu be-
zeichnen. Die mit dieser Operation erzielten Erfolge sind um so glän-
zender, je mehr die oben genannten Störungen der Magenfunktionen
(Aufstauung und Zersetzung des Mageninhaltes, motorische Insuffizienz,
Gastrektasie) das Krankheitsbild des Magengeschwürs komplizieren,
also namentlich bei ausgesprochenen Stenosen des Pylorus, ausge-
dehnten schwieligen Verwachsungen des Magens mit Nachbar-
organen, z. B. der Leber, dem Pankreas usw.
11) Aber auch bei anderen Komplikationen hat sich die
Gastroenterostomie in vielen Fällen als wirksam erwiesen, so bei
der Ulcusblutung und speziell bei dem sog. kallösen Magen-
geschwür.
12) Die Exzision des Magengeschwürs soll nur ganz —
weise ausgeführt werden. Schon der Umstand, daß das Magengeschwür
häufig multipel auftritt, daß ferner die topische Diagnose selbst
bei freigelegtem Magen oft ganz unmöglich ist, und endlich, daß die
Operation der Exzision auf unüberwindliche Schwierigkeiten
stoßen kann, sollte von diesem Verfahren abmahnen. Zudem genügt
die Operation der Indicatio causalis viel weniger als die Gastroentero-
stomie und müßte eigentlich, um einigermaßen als rationell gelten
zu können, stets mit dieser letzteren Operation kombiniert werden.
— 95 —
13) Die Pyloroplastik und die Gastrolyse haben keine Exi-
stenzberechtigung mehr.
14) Die Resektion des Pylorus bei Pylorusstenose und Pylorus-
ulcus kann dann gerechtfertigt sein, wenn die Induration, der kallöse
Tumor, den Verdacht auf Karzinom aufkommen läßt. Sonst tritt
auch hier die Gastroenterostomie in ihr Recht.
Indikationen zum operativen Eingriff.
15) Der von v. Mikulicz schon im Jahre 1897 aufgestellte all-
gemeine Satz gilt auch noch heute und lautet:
Die chirurgische Behandlung des Magengeschwürs ist dann ins
Auge zu fassen, »wenn eine konsequente, eventuell wiederholte kur-
mäßige innere Behandlung keinen oder nur kurzdauernden Erfolg gibt
und der Kranke somit durch schwere Störungen: Schmerzen, Erbrechen,
Dyspepsie, in der Arbeitsfähigkeit oder dem Lebensgenusse schwer
beeinträchtigt ist. Die äußeren Lebensverhältnisse des Kranken können
hier unter Umständen mitbestimmen «.
Wir reihen diesem allgemeinen Satze noch folgende enger ge-
faBte an:
16) Jede sicher nachgewiesene Stenose des Pylorus, gleich-
gültig, ob erheblichen oder leichteren Grades, fällt der operativen
Behandlung anheim.
17) Bei funktioneller, motorischer Insuffizienz erheb-
lichen Grades (atonischer Gastrektasie, Gastrektasie und
Gastroptose) kann ein operativer Eingriff (Gastroenterostomie) in
Frage kommen, wenn die interne Therapie einen nennenswerten Erfolg
nicht erzielt hat, und die soziale Stellung des Kranken eine Besserung
seines Zustandes dringend verlangt.
18) Das Auftreten kleinerer, aber öfter rezidivierender
Blutungen im Verlaufe des Magengeschwürs verstärkt die sub 15)
formulierte allgemeine Indikation und verlangt die Gastroentero-
stomie. Eine andere Operationsmethode ist zu verwerfen.
19) Bei lebensgefährlichen, foudroyanten Blutungen
erscheint das Risiko des Zuwartens und der Verschiebung der
Operation bis zu dem Momente, wo der Kranke sich wieder etwas von
dem Blutverlust erholt hat, geringer als dasjenige des sofortigen ope-
rativen Einschreitens. Kommt es aber zur Operation, so wird auch
hier in den meisten Fällen die Gastroenterostomie dem Versuche
direkter Blutstillung vorzuziehen sein.
20) Die in neuester Zeit von einigen chirurgischen Seiten gefor-
derte Frühoperation des einfachen Magengeschwürs entbehrt
einer ernsten Begründung.
A. Interne Ulcusbehandlung.
1) Statistik von J. C. Warren in Boston (1899).
187 Falle im ganzen resp. 125 Fille, bei welchen die Dauererfolge durch
spätere Nachforschungen festgestellt werden konnten.
—
Dauererfolge.
—————————— ———
| Fate | % |
Vollständige Heil 43. saa! bleibende Erfol
ollständige Heilung | | eibende Erfolge Ins
Rezidive | 54 a2 temporäre Erfolge
Übergang des Ulcus in Karzinom 3 24 |
Pylorusstenose mit Dilatation 13 10,4 |
Tod infolge von Perforation | 6 4,8 Unbedingte Mißerfolge 22,4%
Tod infolge von Blutung 6 | 4,8,
125
2) Statistik von J. Schulz in Breslau (1903).
291 Fälle im ganzen, resp. 157 Fälle, bei welchen die Dauererfolge durch
spätere Nachforschungen festgestellt werden konnten.
I. Unmittelbare Resultate bei der Entlassung.
a. bei den 291 Fällen.
pS — —
| Fälle | 23 |
| f
Geheilt 165 | 56,7 \ Erfreuliche Erfolge 89%
Gebessert | 9 | 323 |f
Nicht gebessert | 15 51
Gestorben | 16 | ve MiGerfolge 11%
291
b. bei den 157 Fallen.
| Fille | % |
Geheilt 97
; |
| 61,8 : |Erfreuliche Erfolge 96,8 %
Gebessert 55 35,0
Nicht gebessert 5 3,2 MiBerfolge 3,2%
— —
157
II. Dauererfolge
(nach 6 Monaten bis zu 24 Jahren).
rn
| Fälle | %
— — — —
Völlig gesund 84 | 53,5 \
Nachhalt te E
Mit geringen Beschwerden 87 | 23,5 J Ree eg a
Mit erheblichen Beschwerden 24 15,2
Gestorben (an Komplikationen MiBerfolge 23%
des Ulcus) | 12 ; |
157
za G gen
B. Operative Ulcusbehandlung (Chirurgische Klinik Zürich).
I. Unmittelbare Operationsresultate
bei 101 Fällen von 112 Operationen des Zeitraumes 1887—1906 (Anfang März),
> 8 > > 96 > > > 1887—1904 (Ende).
1887—1906 1887—1904
Ge-
heilt
Ge-
storben
Falle:
Ulcus und Ulcusstenosen 65 11
Gastrektasie 1 2 1
Gastrektasie und Gastroptose 1 2 1
Gastritis haemorrhagica — 2 —
Ulcus pepticum in jejuno — 1 —
|101 | 87 | 14 | 85 | 72 | 13
Mortalität: 13,8% Mortalität: 15,3%
Funktionelles Resultat
bei der Entlassung der 72 Fälle des Zeitraumes 1887—1904:
Fälle x%
Geheilt 65 | 76,5 Erfreuliche
Gebessert 7 8,2 || Erfolge 84,7%
Gestorben | 13 | 15,8 | Mißerfolge
1887—1906 1887—1904
Ge- | Ge- , Ge- | Ge-
heilt |storben Fälle | heilt |storben
Operationen:
Resectio pylori 4 3 1 4 3 1
Gastroenterostomie 89 79 10 14 65 9
Pyloroplastik 1 1 — 1 1
Gastrolyse 2 1 1 2 1 1
Gastrotomie 4 4 — 4 4 —
Exzision und Naht des Ulcus 2 2 — 1 1 —
Enteroanastomose 4 4 — 4 4 —
Cholecystotomie 1 1 — 1 1 —
Probelaparotomie 5 3 2 5 3 2
12 | 98 | 14 || 96 | 83 | 13
Mortalität: 125% Mortalität: 13,5%
Chirurgen-Kongreß 1906. 7
— 98 —
IL Dauererfolge
(nach wenigstens 6 Monaten bis auf viele Jahre hinaus) bei 73 Operierten des
Zeitraumes 1887—1904.
Gestorben
Kompli-
Ge- | Un- |? Unbekannt
Operation Anzahl/Geheilt bessert! geheilt — geblieben
Resectio pylori
Gastroenterostomie 6
Pyloroplastik —
Probelaparotomie —
Gastrotomie —
Exzision und Naht des Ulcus — — — —
Iajalıe|s| 2| 5
| | 57%| 22%| u| 3% | 7%
Se E ——
79% Erfolge 14% Mißerfolge
Funktionelle Dauerresultate
bei 67 Fällen, in welchen die Nachforschung erfolgreich war
Fälle | x |
i Nachhaltige
Geheilt 41 61 51 — 85%
Ungeheilt 8 12 ‘6 ii
Gestorben an Komplika- ee
des Ulcus Karzinom) 2 | 3 oz Mißerfolge
En
(Selbstbericht.)
Diskussion.
L. v. Rydygier (Lemberg) stellt die vor 25 Jahren wegen eines
Magengeschwüres gastrektomierte Pat. vor und tritt nochmals für die
Resektion beim Ulcus in geeigneten Fällen mit allem Nachdruck
ein, und zwar aus folgenden Gründen: Kein operatives Verfahren
kann mit absoluter Sicherheit eine Radikalheilung des Ulcus garan-
tieren; kennen wir ja bis jetzt leider nicht einmal die letzte und wahre
Ursache seiner Entstehung, und nur durch ihre Entfernung könnten
wir auf einen sicheren Dauererfolg rechnen. Jedenfalls hat aber die-
jenige Operation mehr Aussicht auf einen sicheren vollständigen und
radikalen Erfolg, welche Verhältnisse schafft, die den normalen am
nächsten kommen — und das ist unzweifelhaft die Resektion: Die
Gastroenterostomie schafft nur günstigere Abflußbedingungen aus dem
Magen. Die Resektion leistet dasselbe plus Eliminierung des Ulcus.
— 99 —
Auch in dem Falle, wo mehrere Geschwüre gleichzeitig im Magen
vorhanden sind, wird durch die Resektion wenigstens dasjenige ent-
fernt, welches die größten Veränderungen in der Magenwand hervor-
gerufen hat (kallöse Ulcusränder. Die Resektion des Geschwüres
schafft überdies bessere, den normalen ähnlichere Abflußverhältnisse,
wie die Gastroenterostomie, da nach der Resektion der Mageninhalt
sich an der normalen Stelle mit dem Pankreassaft und der Galle
mischt, und so wenigstens eine Entstehungsursache des Ulcus pep-
ticum vermieden wird.
Daß die Resektion der kallösen Ränder die Heilung des Ulcus
beschleunigt und sichert, wird niemand im Ernste bestreiten. Zwar
wissen wir, daß solche kallösen Geschwüre nach der Gastroenterostomie
auch ohne Exzision ihrer Ränder heilen können, aber ebensogut lehrt
uns die Erfahrung, daß sie trotz der Gastroenterostomie vor ihrer
Ausheilung den Tod herbeiführen können: Ali Krogius verlor inner-
halb 15 Monate vier Pat. nach dieser Operation (zwei an Verblutung,
zwei an Perforation) infolge des mit Absicht zurückgelassenen Ge-
schwüres.
Auch das spätere Befinden der Pat. läßt nach der Gastroentero-
stomie nicht selten viel zu wünschen übrig: infolge der nicht gelösten
Verwachsungen des Geschwüres mit dem Pankreas usw. entstehen
Schmerzen und andere Beschwerden. Clairmont veröffentlicht aus
der v. Eiselsberg’schen Praxis die Resultate nach 33 Gastroentero-
stomien: 8 sind unmittelbar nach der Operation gestorben; von den
25 Überlebenden sind 9 nach längerer Zeit gesund befunden, 8 nicht
geheilt; 6 sind noch im weiteren Verlaufe verstorben, 2 verschollen.
Also von 33 Gastroenterostomierten sind im Verlaufe von 2—5!/, Jahren
nur 9 Geheilte geblieben!
Die bisherigen Statistiken geben für gewöhnlich kein genaues Bild
von den wirklichen Erfolgen nach der Gastroenterostomie, da alle Fälle,
die einige Zeit nach der Operation sterben, und wo die Sektion ein
Karzinom nachweist, einfach eliminiert werden, weil ein Irrtum in der
Diagnose während der Operation angenommen wird und sie den wegen
Karzinom Operierten zugezählt werden; obschon es sich nicht leugnen
läßt, daß das Karzinom sich nach der Gastroenterostomie auf dem
Boden des Ulcus entwickelt haben kann. Auf diese Weise verschwin-
den diese Fälle ganz aus den Zusammenstellungen über die Erfolge
der Gastroenterostomie beim Ulcus, anstatt sie doppelt zu belasten
einmal, indem sie überhaupt nicht zur Heilung führten, und zweitens,
indem sie zur Entstehung eines Ulcus-Karzinoms Vorschub geleistet
haben.
Die Häufigkeit der Entstehung des Ulcus-Karzinoms ist bis jetzt
überhaupt noch nicht mit Bestimmtheit bekannt: einige nehmen 5%,
andere 30% an. Mir scheint, die höheren Zahlen kommen der Wirk-
lichkeit näher. Jedenfalls werden wir zur Entfernung des Magenkarzi-
noms in seinen allerersten Anfängen — gleichsam in statu nascendi —
nur dann kommen, und damit auch endlich bessere Dauererfolge nach
7”
— 100 —
dieser Operation erreichen, wenn wir häufiger die Resektion beim
Magengeschwür ausführen. Wenn man jetzt allgemein zugibt, daß in
den Fällen, wo Verdacht auf Entstehung von Karzinom im Ulcus vor-
liegt, eine Indikation zur Resektion vorliegt, so hat man zwar den
richtigen Weg betreten, aber man ist in der ersten Hälfte stehen
geblieben. Wir wissen ja, wie schwer es ist, zu sagen, wann der
Krebs angefangen hat, sich im Magengeschwür zu entwickeln — das
zeigt uns so deutlich die schöne Arbeit R. Jedlicka’s.
Der Grund, warum die meisten Chirurgen bis jetzt so ungern
sich zur Magenresektion beim Ulcus entschließen, ist in der herrschen-
den Überzeugung von der großen unmittelbaren Gefahr dieser Opera-
tion zu suchen; trotzdem z. B. R. Jedlicka nur 3% Mortalität nach
der Resektion beim Uleus in der Ma ydl’schen Klinik aufgewiesen
hat. Es läßt sich zwar nicht leugnen, daß die Resektion eine tech-
nisch schwierigere Operation ist wie die Gastroenterostomie und auch
— wenigstens bis jetzt — eine etwas gefährlichere, aber jedenfalls
nicht in dem Grade, wie es allgemein angenommen wird; denn die
Sterblichkeit nach der Resektion beim Ulcus ist entschieden viel ge-
ringer, als die nach der beim Karzinom, und die letztere schwebt den
meisten vor.
Für die etwas größere unmittelbare Gefahr nach der Operation
entschädigt uns reichlich der viel bessere spätere Erfolg und die Aus-
sicht einer wirklichen Dauerheilung, wie das so deutlich die vorgestellte
Pat. beweist, welche jetzt, 25 Jahre nach der Resektion, vollständig
gesund ist. (Selbstbericht.)
Kocher (Bern) befürwortet die Gastroenterostomia anterior, da die
Operation die besten Resultate gebe, welche sich am schnellsten aus-
fiihren lasse.
Kausch (Schöneberg) versucht erst die Pyloroplastik und macht
erst dann die Gastroenterostomie, wenn jene nicht ausführbar ist.
Herhold (Altona).
Kelling (Dresden) hat 74 Fälle von chronischem Magengeschwür
operiert mit drei Todesfällen. Er bevorzugt die hintere Gastroentero-
stomie mit Enteroanastomose. Drei Viertel der Fälle werden durch
diese Operation dauernd geheilt. In einem Teile der Fälle kommt es
zu Rezidiven, event. auch mit erheblichen Blutungen, welche aber bei
den Operierten unzweifelhaft leichter ausheilen, als vorher. Die Ur-
sache für das Magengeschwür sieht K. bei den Männern in Arterio-
sklerose, bei Frauen in nervösen Gefäßkrämpfen, die meistens von den
Genitalien aus reflektorisch ausgelöst werden. Wenn die Geschwüre
nicht spontan heilen, so sind hauptsächlich folgende Ursachen dafür
verantwortlich: ungünstiger Sitz des Geschwürs am Pylorus, un-
günstiger Geschwürsboden (Leber oder Pankreas), starke Gastroptose
und konstitutionelle Ursachen (Anämie und Neurasthenie). Die ersten
drei Kategorien können durch die Operation günstig beeinflußt werden.
(Selbstbericht.)
— 101 ——
Kümmell (Hamburg)' weist auf die Wichtigkeit der frühzeitigen
kräftigen Ernährung der Kranken hin. Er bezeichnet die Gastro-
enterostomie als das Normalverfahren; es ergab ihm 20% Heilungsfälle.
Heidenhain (Worms) rät zu sorgfältiger längerer Beobachtung
des Stuhles auf Blut.
Körte (Berlin) bespricht die von ihm wegen perforierten Magen-
geschwürs operierten Fälle; die Prognose ist hierbei nur günstig,
wenn die Operation innerhalb der ersten 24 Stunden nach der Perfora-
tion ausgeführt werden kann. Herhold (Altona!.
Katzenstein (Berlin): Für die Frage der Indikationsstellung
der Gastroenterostomie beim Ulcus ventriculi ist bisher der Einfluß,
den diese Operation auf die chemischen Vorgänge im Magen hat,
unterschätzt worden. Allerdings sind von mehreren Forschern, auch
von Herrn Krönlein, bei gastroenterostomierten Menschen durch
Verabreichung von Probemahlzeiten nach dieser Richtung hin Unter-
suchungen angestellt worden. Diese können uns aber keinen genauen
Aufschluß für die vorliegende Frage geben, da sie uns nur zu einer
bestimmten Zeit die chemischen Vorgänge anzeigen. K. hat daher,
um eine exakte Vorstellung dieser Vorgänge zu erhalten, bei Hunden
Magenfisteln angelegt und an diesen die Veränderungen des Magen-
mechanismus vor und nach der Gastroenterostomie studiert. Nach
den verschiedensten Arten der Gastroenterostomie (ant., poster., mit
und ohne Knopf) fließt regelmäßig Dünndarminhalt in den Magen ein,
und zwar periodenweise, bestimmten Phasen der Verdauung sich an-
passend. Die Folge dieses Eindringens alkalischen Darmsaftes in den
mit saurem Inhalt gefüllten Magen ist eine Herabsetzung bzw. ein
Verschwinden der Azidität, ein Vorgang, der jedoch nicht nur die
Folge dieser chemischen Umsetzung ist, sondern vor allem auch durch
nervös reflektorische Vorgänge bedingt wird.
Da das eiweißverdauende Ferment des Magens, das Pepsin, nur
in saurer Reaktion wirksam ist, so ist die erste Folge der Gastro-
enterostomie die mangelhafte Eiweißverdauung, die zeitweise durch
das Trypsin des Pankreassaftes übernommen wird. Zweitens konnte
ich im Magen nach Gastroenterostomie einen neuen Vorgang nach-
weisen, nämlich eine beträchtliche Fettverdauung, bedingt durch die
Fett emulgierende Eigenschaft der Galle und das im Pankreassaft
vorhandene Fettferment.
Es verhält sich demnach der Magen nach Gastroenterostomie
bezüglich seiner Verdauungskraft einzelner Speisen umgekehrt wie der
normale Magen: für diesen gelten übermäßig fette Speisen als schwer,
da sie im Magen eine Veränderung nicht erleiden. Der Magen nach
Gastroenterostomie verdaut reichlich Fett, und ich konnte meinen
Kranken nach Gastroenterostomie z. B. Mayonnaise in einer Menge
geben, wie sie der normale Mensch nicht vertragen kann. Dagegen
sind übermäßig viel Eiweißstoffe, die im normalen Magen verdaut
werden und daher als leicht gelten, schwer verdaulich für den Magen
mit Gastroenterostomie.
— 10 —
Wir können aus diesen Versuchen für die vorliegende Frage der
Wirkung der Gastroenterostomie auf das Ulcus ventriculi folgende
Schlüsse ziehen:
1) Die Gastroenterostomie bringt das Ulcus nicht, wie man bisher
annahm, durch eine raschere Entleerung des Magens zur Heilung, da
ich nachweisen konnte, daß die Ingesta genau so lange im Magen mit
Gastroenterostomie als im normalen bleiben. Vielmehr sind es schwer-
wiegende chemische Veränderungen, vor allem die Herabsetzung bzw.
das Verschwinden der vorher überreichlich vorhandenen Salzsäure, die
das Ulcus zur Heilung bringen. Mit der Anwendung der Gastro-
enterostomie bei Ulcus ventriculi treiben wir mithin durch-
aus eine kausale Therapie.
2) Bezüglich der Nachbehandlung empfehle ich auf Grund dieser
experimentellen und einiger klinischen Erfahrungen eine wesentliche
Bevorzugung der Fettkost (vom ersten Tage ab Sahne, dann Butter,
Speck usw... Denn hierdurch wird die im Magen vorhandene Galle
und der Pankreassaft gebunden, das postoperative Erbrechen vermieden,
und die Kranken erholen sich infolge der ausgiebigen Zerlegung des
Fettes im Magen und die rasche Assimilation sehr rasch.
(Selbstbericht.)
Hans Lorenz (Wien) präzisiert den Standpunkt der Wiener
II. chirurgischen Universitätsklinik Hochenegg’s.
Er hält die Exzision der Geschwüre sowohl in Form der segmen-
tären als der zirkulären Resektion nur in Ausnahmsfällen für berechtigt,
die segmentäre Resektion ohne gleichzeitige Anlegung einer Magen-
Darmfistel sogar für unzulänglich. Bei der Resektion sei man nie
sicher, ob man nicht noch ein versteckt liegendes Ulcus übersehe,
man sei nicht sicher vor neuerlich auftretenden Geschwüren mit all
ihren Folgen, während die Gastroenterostomie in der großen Mehrzahl
der Fälle vollkommen ausreiche, die Geschwüre zur Ausheilung zu
bringen. Dieser Standpunkt wurde von Hochenegg seit jeher ver-
treten, und L., der sich vor fast 3 Jahren gegen die prinzipielle Re-
sektion selbst bei kallösen penetrierenden Geschwüren, selbst dann,
wenn sie während der Operation einreißen, gewendet hat, konstatiert
mit Genugtuung den Umschwung, der seither zu gunsten der Gastro-
enterostomie stattgefunden hat. Die Resultate, die von Hochenegg
und an seiner Klinik mit der Gastroenterostomie erzielt wurden, sind
vorzügliche gewesen; daß die Heilung beim Ulcus nicht bloß eine
Heilung in klinischem, sondern auch eine solche in anatomischem
Sinne war, dafür sprechen die Ergebnisse der von dem Operateur
der Klinik, Herrn Fibich, vorgenommenen experimentellen Unter-
suchungen.
An der von L. vertretenen Klinik ist also die Operation der
Wahl beim Ulcus die Gastroenterostomie. Es wird womöglich die
Gastroenterostomia retrocolica posterior angelegt, mittels Naht, und
zwar in der von Hochenegg seit mehr als 1'/, Dezennien geiibten
und auf seine Veranlassung hin 1897 publizierten Weise, d. h. es wird
— 103 —
zur Anastomose das oberste Jejunum, die direkte Fortsetzung des
Duodenum verwendet und in anisoperistaltischem Sinn an den Magen
geheftet, so daß es nach der Operation gewissermaßen als Verlänge-
rung der Pars horizontalis inferior duodeni in gleicher Richtung wie
diese verläuft. Auf die Einhaltung dieser Vorschriften glaubt L. es
zurückführen zu können, daß Circulus vitiosus und Ulcus pepticum
jejuni die Fälle der Klinik Hochenegg verschont haben.
(Selbstbericht.)
Graser (Erlangen) zeigt: 1) ein Sektionspräparat von Ulcus
pepticum jejuni mit Perforation und tödlicher Arrosionsblutung
nach einer vor 4 Jahren mit Murphyknopf ausgefiihrten Gastrojejuno-
stomia posterior. Die Anastomose war bis auf Bleistiftdicke zirkulär
verengt.
Er bespricht: 2) die Tatsache, daß die klinischen Erscheinungen
einer Pylorusstenose oft auffallend gering sind; daß Retention
und Erbrechen völlig fehlen können und nur Schmerzen bestehen
unter Anführung eines besonders beweisenden, gut beobachteten und
mit Erfolg operierten Falles.
3) Die Operation mit Murphyknopf hat G. aufgegeben; die
Zeitersparnis ist sehr gering; mehrmals sah er nachträgliche Ver-
engerung der Anastomose; einmal schnitt der Kopf durch ohne eine
Verklebung erzeugt zu haben (bei Ascites).
4) G. bevorzugt die Gastrojejunostomia retrocolica poste-
rior (v. Hacker) und glaubt, daß diese Methode auch in den
Händen weniger geschulter Operateure der vorderen vorzuziehen ist,
bei der doch leichter der Circulus vitiosus vorkommt.
6) Bei gutartigen Stenosen hat G. prinzipiell immer die Y-Methode
nach Roux ausgeführt, alle 17mal mit bestem Erfolg; bei guter
Nahttechnik dauert sie kaum 1 Stunde; die Abflußbedingungen sind
ausgezeichnet.
6) Die Pyloroplastik hat G. verlassen, weil er mehrfach nach-
träglich wegen erneuter Stenose noch einmal operieren mußte.
7) bespricht er technische Neue-
rungen bei der Magenduodenal-
naht und der Gastrojejunostomie
nach Billroth II (Einpflanzung des
Magens in den Darm, nicht umgekehrt).
8) erzählt er die Operationsgeschichte
einer Gastroduodenostomie bei an-
geborener Anomalie des Darmes.
(Frei bewegliches Duodenum, Mesenteri-
um commune von Diinndarm und Dick-
darm bis zur Flexura lienalis).
‘Selbstbericht.)
Fibich (Wien) hat experimentelle Untersuchungen angestellt
über die Einwirkung der Gastroenteroanastomose auf das
Ulcus ventriculi.
— 104 —
Die Resultate derselben lauten: |
1) Durch Unterbindung einiger Aste der Arteria coronaria
ventriculi, dextra inferior, Exzision eines 1 cm großen Schleimhaut-
stückes und Atzung der Ränder des Defektes mittels Salzsäure lassen
sich beim Hunde lang andauernde, in der ersten Zeit fast jeder
Heilungstendenz entbehrende Ulzerationen im Magen erzeugen, ent-
gegen den einfachen Magenschleimhautdefekten, welche in der kürzesten
Zeit (20 Stunden bis 2 Tage) zuheilen).
2) Wird zugleich mit der Erzeugung eines solchen Ulcus eine
Gastroenteroanostomose ausgeführt, so entsteht kein Ulcus und der
Defekt verheilt wie eine einfache Schleimhautexzision.
3) Wird zu einem schon einige Tage bestehenden Ulcus nach-
träglich eine Gastroenteroanastomose zugefügt, so verliert dasselbe
die Charaktere eines Ulcus und heilt in der kürzesten Zeit zu.
4) Zu der Erklärung der Einwirkung der Gastroenteroanastomose
auf ein Ulcus genügt nicht die Annahme eines raschen und steten
Abflusses des Magensaftes, da experimentelle Gastrostomien, welche
den Abfluß des Magensaftes durch ein Glasdrain ermöglichten ohne
den Speisebrei durchzulassen, auf die Heilung der experimentellen
Ulcera keinen Einfluß hatten. (Selbstbericht.)
Clairmont (Wien) kann auf Grund des Materiales der v. Eisels-
berg’schen Klinik die Ansicht Krönlein’s nicht teilen, daß die
Spätresultate bei den wegen Ulcus ventriculi Operierten höchst erfreu-
liche waren (Punkt 4 der Zusammenfassung). Die Gastroenterostomie
kam in 91 Fällen zur Anwendung, also in ungefähr der gleichen Zahl
von Fällen, wie in der Zusammenstellung Krönlein’s. 81 Fälle
wurden geheilt, 10 erlagen der Operation (11% Mortalität). Betrachten
wir das Fernresultat, so zeigt sich, daß nur in 58% der Fälle ein
erfreuliches Resultat zu konstatieren war. Diese Zahl weicht von der
Krönlein’s, welcher in 85% einen sicheren positiven Erfolg auf
Jahre hinaus feststellen konnte, wesentlich ab. C. wendet sich gegen
die Schlußfolgerung Rydygier’s, daß die Gastroenterostomie zugun-
sten der Resektion zu verlassen sei. Die ungünstigen Resultate fordern
vielmehr auf, nachzuforschen, warum der eine Fall durch die Gastro-
enterostomie günstig, der andere nicht beeinflußt wurde. Es zeigt
sich, daB diejenigen Pat., deren Ulcus am Pylorus gelegen war, durch
die Gastroenterostomie geheilt oder gebessert, jene aber, bei welchen
das Geschwür entfernt vom Pylorus, z.B. an der kleinen Kurvatur
lag, nur in vereinzelten Fällen durch diese Operation beschwerdefrei
wurden.
In der v. Eiselsberg’schen Klinik wurde in letzter Zeit schon
der Versuch gemacht, die Operationsmethode nach der Lage des Ulcus
zu wählen. Daraus resultiert die Kombination der Gastroenterostomie
mit der Jejunostomie, der segmentären oder zirkulären Resektion, der
unilateralen Pylorusausschaltung nach v. Eiselsberg. Kausch’s
Empfehlung der Gastroduodenostomie hält C. für verfehlt, weil sie
— 105 ——
nicht der Hyperazidität durch Einleitung des alkalischen Darmsaftes
in den Magen entgegentritt.
Die Gastrolyse und die plastischen Operationen am Magen sind
zu verlassen. Ebenso hat die Jejunostomie allein keine guten Erfolge
gezeitigt. Als einzige absolute Indikation zur Resektion des Ulcus
muß nach den schlechten Resultaten, die mit konservativen Methoden
erzielt wurden, die schwere unmittelbar lebensgefährliche Ulcusblutung
gelten. C. möchte schließlich noch darauf aufmerksam machen, daß
den Fällen von Perigastritis, wo ein Ulcus ventriculi oder eine Chole-
cystitis nicht vorhanden ist, meist ein Ulcus duodeni zugrunde liegt.
In der v. Eiselsberg’schen Klinik wurden unter 172 Geschwüren
10 im Duodenum beobachtet. (Selbstbericht.)
Braun (Göttingen) verwirft die Resektion bei Magengeschwür.
Herhold (Altona).
Noetzel (Frankfurt a. M.): Von 13 perforierten Magen-
geschwüren wurden 7 durch Operation geheilt. 2 Fälle wurden
innerhalb der ersten 4 Stunden operiert und zeigten noch keine
Peritonitis; davon starb 1 an Kollaps. Die übrigen Fälle hatten
bereits Peritonitis. Von diesen wurden operiert innerhalb der ersten
10 Stunden 3 mit ebensoviel Heilungen, nach 24 Stunden 3 mit
1 Heilung und 2 Todesfällen, nach 48 Stunden 2 mit ebensoviel
Heilungen, nach 3 Tagen und darüber 3 mit ebensoviel Todesfällen.
Die Behandlung bestand in Exzision des Geschwüres, drei-
schichtiger Naht des Magens, auf welche ein Tampon gelegt wird, und
gründlicher Ausspülung und Drainage der Bauchhöhle mittels zweier
seitlicher Kontrainzisionen, auch wenn noch keine Peritonitis bestand.
Von den geheilten Fällen wurden fünf nachuntersucht und
beschwerdefrei befunden, davon zwei nach mehr als 21/, Jahren.
Eine Pat. starb 3 Monate nach der erfolgreichen Operation an anderer
Ursache und zeigte bei der Sektion eine ideale lineäre Narbe des
Magens. (Selbstbericht.)
Barth (Danzig) weist auf die Schwierigkeit der Diagnostik des
Ulcus duodeni hin, welches wegen seiner schlechten Prognose dringend
der chirurgischen Behandlung bedarf. Er selbst hat 5mal Gelegenheit
gehabt, dabei einzugreifen. In einem Falle handelte es sich um eine
Perforation in die freie Bauchhöhle, die sich klinisch in nichts von
der Perforation des Ulcus ventriculi unterschied. In einem anderen
Falle kam es zu einem lokalisierten Abszeß unter der Leber, der
zweizeitig eröffnet und zur Heilung gebracht wurde. 3mal wurde
wegen chronischer Beschwerden die Gastroenterostomie gemacht und
Heilung erzielt. Sitzt das Geschwür in der Nähe des Pylorus, so
können die nämlichen Erscheinungen bestehen wie beim Ulcus ventri-
culi (Hyperazidität, Schmerzen, Erbrechen, wie B. in einem Falle fest-
stellte, während in einem anderen nur Schmerzen in der Pylorusgegend
vorhanden waren ohne objektiven Befund. Ebenso fehlten alle ob-
jektiven Symptome in einem Falle von Ulcus im absteigenden Teile
— 106 —
des Duodenum, der sich durch zeitweise auftretende rasende Schmerzen
rechts von der Wirbelsäule auszeichnete und einfach hierdurch der
Diagnose getrotzt hatte, bis eine heftige Darmblutung Aufklärung
brachte. Die Gastroenterostomie, in extremis ausgeführt, brachte
Heilung und völlige Genesung, wie nach 1!/, Jahren festgestellt wurde.
Da die Mehrzahl der Fälle von Ulcus duodeni an Verblutung oder
Perforation zugrunde gehen, und da diese Ereignisse in etwa 2/, der
Fälle ohne alle vorherigen Symptome eintreten (nach der Statistik von
Perry und Shaw), so bleibt nichts übrig, als auch bei unsicherer
Diagnose auf subjektive Beschwerden hin einzugreifen und event. die
Gastroenterostomie zu machen, die nach den bisherigen Erfahrungen
gute Resultate ergibt. (Selbstbericht.)
Brodnitz (Frankfurt a. M.) demonstrierte vor 3 Jahren ein Prä-
parat eines Ulcus pepticum, das sich an der 2 Jahre zuvor wegen
Pylorusstenose ausgeführten vorderen Gastroenterostomieöffnung ent-
wickelt hatte; nach der Resektion wurde Pat., um einem Rezidive
vorzubeugen, andauernd unter Bismut gehalten; trotzdem 5 Monate
später Rezidiv; wegen zunehmender Beschwerden Jejunostomie; trotz-
dem keine merkliche Besserung. Hierbei zeigte es sich, daß bei
Nahrungseinführung in die Fistel eine sehr starke Magensaftsekretion
auftrat. Es ist also ein Irrtum, wenn man glaubt, durch die Jejuno-
stomie die Magenfunktion ausschalten zu können.
Die Ursache des Ulcus pepticum liegt sicherlich in einer uns
bisher unbekannten individuellen Disposition. Wenn das Geschwür
auch äußerst selten auftritt, so soll man doch an seine Möglichkeit
denken und deshalb die vordere Gastroenterostomie bevorzugen. Die
hintere schützt nicht vor dem Ulcus, die Gefahr der Perforations-
peritonitis ist jedoch entschieden größer, als bei der vorderen, bei der
es zu flächenhaften Verwachsungen mit den Bauchdecken kommt.
(Selbstbericht.)
54) Neugebauer (Mahrisch-Ostrau). Zur Diagnostik der
Hirschsprung'’schen Krankheit.
Im vergangenen Jahre hat N. zweimal Gelegenheit gehabt, diese
Krankheit zu beobachten. Die anamnestischen Angaben und der
Untersuchungsbefund ließen mit großer Wahrscheinlichkeit die Dia-
gnose machen. Doch schien es erwünscht, ein Verfahren zu besitzen,
welches imstande wäre, mit unumstößlicher Sicherheit diese seltene
Krankheit zu erweisen. Die bisherigen Methoden, Aufblähung und
Wismutfüllung, sind hier nicht gut anwendbar; erstere wegen des oft
von Haus aus schon bedrohlichen Zwerchfellhochstandes, letztere wegen
der enormen Ausdehnung und starken Kotfüllung des Darmes.
Das Mittel, um die abnorme Ausdehnung der hauptsächlich in
Betracht kommenden unteren Dickdarmteile sichtbar zu machen, ist
ein höchst einfaches. Es wurde eine Metallspiralsonde nach Kuhn
hoch in den Darm hinauf eingeführt, was in beiden Fällen sehr leicht
— 107 —
gelang, dann wurden die Kranken durchleuchtet und photographiert.
Im Röntgenogramme sieht man in beiden Fällen mit ganz auffälliger
Übereinstimmung die durch den Mastdarm aufgestiegene Sonde in
einem großen Bogen die Nabelgegend nach rechts umgehen, bis ans
Zwerchfell aufsteigen und dann nach links umbiegen. (Demonstration.
Die Bilder lassen keinen Zweifel darüber, daß es sich in beiden
Fällen um eine ungeheuer große Flexura sigmoidea und im Zusammen-
halt mit dem übrigen Untersuchungsbefund um die Hirschsprung-
sche Krankheit handelte.
Der Wert dieser Untersuchungsmethode liegt auch darin, daß
man sich in zweifelhaften Fällen sofort Gewißheit verschaffen kann;
denn die Sonde wird mit dem Durchleuchtungsschirme sehr deutlich
gesehen, und es bedarf keiner Photographie. Das negative Ergebnis
einer solchen Untersuchung, bei welcher der Kuhn’schen Sonde der
vielfach bezweifelte Weg durch die S-Schlinge ins Colon descendens
und transversum bis zum Colon ascendens gelungen war, wird vor-
‚gezeigt.
Das 9monatige Kind starb an Darmkatarrh, das 11jährige wurde
-operiert. In beiden Fällen war das S und das Colon transversum
betroffen, im letzteren auch der Mastdarm. Ein Klappenverschluß
‚konnte in keinem Falle nachgewiesen werden. Beim letzgenannten
Kranken wurde der nicht erweiterte Anfangsteil des Colon transver-
sum mit dem stark erweiterten Mastdarm knapp über dem Serosa-
umschlage anastomosiert. Der Knabe, welcher bis zu seinem 11. Lebens-
jahre fast nie von selbst Stuhl hatte, ist nun seit 6 Monaten völlig
geheilt. Ein Ausdruck der Heilung ist auch die Wiederherstellung
der Leberdämpfung, welche vor der Operation fehlte. (Demonstration.)
Der volle Erfolg durch eine einfache, noch im Bereiche der
..Erweiterung gelegene Anastomose spricht schon allein mit großer
Wahrscheinlichkeit gegen die Anwesenheit eines Klappenverschlusses.
(Selbstbericht.)
55) P. Kraske (Freiburg i. B.). Uber die weitere Entwick-
lung der Operation hochsitzender Mastdarmkrebse.
Der Vortr. beschränkt sich auf eine Besprechung der kombinierten
‘Operationen, die es ermöglichen, auch in den Fällen von Rektum-
karzinom, die durch keine der gewöhnlichen Methoden zu operieren
sind, den Tumor noch zu entfernen. In vereinzelten Fällen ist schon
früher von verschiedenen Operateuren, die bei der Operation von
unten auf unerwartete Schwierigkeiten stießen, die Laparotomie zu
Hilfe genommen und dadurch die Exstirpation erst möglich gemacht
worden. Diese »Notoperationen« ergaben sehr schlechte Resultate,
und nach des Vortr. Ansicht können die Resultate auch nur besser
werden, wenn die Laparotomie nicht mehr als letztes Mittel nach
vorausgegangenen vergeblichen Exstirpationsversuchen vorgenommen
wird, sondern wenn sie planmäßig ausgeführt und wenn mit ihr die
— 108 —
Operation begonnen wird: Die kombinierte Operation soll keine
perineo- oder sacro-abdominale, sondern sie muß eine abdomino-
sacrale oder -perineale sein. Vortr. hat die abdomino-sacrale Opera-
tion in zehn Fallen gemacht, und zwar hat er dabei stets die Re-
sektion des erkrankten Mastdarmteiles mit nachfolgender Naht und
Wiederherstellung der Kontinuität des Darmes und der Erhaltung
der Sphinkterfunktion ausgeführt. Das namentlich von Quénu aus-
gebildete Verfahren der Totalexstirpation des ganzen Rektums mit
Anlegung eines definitiven Anus iliacus verwirft er. Die Mortalität
der bisher ausgeführten kombinierten Operationen ist noch ziemlich
hoch; nur etwa die Hälfte der Kranken sind durchgebracht worden.
Von des Vortr. eigenen zehn Kranken sind sechs gesund geworden.
Die hohe Mortalität erklärt sich, wenn man bedenkt, daß es ausnahms-
los die schwersten, sonst überhaupt nicht operablen Fälle waren, in
denen die kombinierte Operation gemacht wurde. Die Erfolge wer-
den sicher besser werden, wenn man die Operation nicht bloß auf die
verzweifelten Fälle beschränkt und die Technik der Operation, die
doch sicherlich große Vorzüge hat, noch weiter vervollkommnet.
(Selbstbericht.)
Diskussion.
Kümmell (Hamburg) ist bei beweglichen, nicht zirkulären Karzi-
nomen mit beweglichem Mastdarme für Sphinkterdehnung und Her-
unterziehen der Geschwulst durch denselben. Sechs Fälle mit gutem
Resultat: einer seit 10 Jahren geheilt, einer nach 8 Jahren an anderer
Krankheit gestorben. Für höhere, weit ins Bindegewebe gehende Kar-
zinome wird der parasakrale Schnitt, höchstens mit Steißbeinresektion,
empfohlen. Bei höher liegenden Geschwülsten Bauchschnitt: Meso-
rektum abbinden, aber nicht durchtrennen, Ablösen des Mesenterium,
event. bis zum Anfangsteile des Colon transversum, Umschneiden des
Bauchfelles und so weit wie möglich tiefes Hineinwühlen in das Becken-
bindegewebe, dann entweder Trendelenburg’sches Verfahren (In-
vagination), drei Fälle, oder Schluß der Laparotomiewunde, pararektaler
Schnitt und Resektion der Geschwulst außerhalb der Wunde; 14 Fälle
mit sechs Todesfällen.
Kocher (Bern) glaubt, daß man sich vorher klar sein muß, wie
man operieren soll, ob von oben oder von unten; und zwar soll man
ersteres machen, wenn die Geschwulst im Bereiche des Bauchfelles
liegt und man den Sphinkter schonen kann, aber dann nur von oben;
ebenso bei tiefer liegendem Krebs nur von unten; die gefährlichen
Methoden empfiehlt K. nur ganz ausnahmsweise. In einem Falle
machte er bei sicherer Krebsdiagnose die Operation von unten und
fand kein Karzinom, dann von oben und fand ein Karzinom des Colon
pelvinum, das durch den Kot nach unten gedrängt gewesen war. In
einem anderen Falle, der von gynäkologischer Seite an Ovarialkystom
operiert war, war das Karzinom von unten nicht zu erreichen. K.
machte von oben die Resektion mit Murphyknopf und führte, um Kot-
stauung zu vermeiden, ein Drain durch die Knopföffnung.
— 109 —
Rehn (Frankfurt a. M.) hält die kombinierte Methode für sehr
gefährlich; seine Resultate sind schlecht. Es handelt sich um Fragen
der Technik. Man soll zwischen die Blätter des Mesorektum ein-
gehen, wodurch man rasch bis zum Mastdarme kommt. Man soll
rasch operieren, deshalb event. in zwei Zeiten, da dann die beiden
Hauptgefahren vermieden werden: Kollaps und Darmgangrän. Näht
man das proximale Darmende oben ein und wartet, bis sich die Ge-
fäße erholt haben, so wird letztere vermieden. Eine Frau, die so
operiert wurde (nach 8 Tagen zum zweiten Male), wurde gesund.
Goebel (Breslau).
Hans Lorenz (Wien) spricht an Stelle seines Chefs, Prof.
Hochenegg, der in letzter Stunde in Wien zurückgehalten wurde.
Die abdominalen bzw. kombinierten Methoden müßten als wesent-
licher Fortschritt der Mastdarmchirurgie freudig begrüßt werden,
1) wenn sie uns in die Lage setzen würden, Karzinome noch zu exstir-
pieren, deren Sitz und Ausdehnung die Operation auf dorsalem Wege
bereits verbietet, 2) wenn die Gefahr der Operation vom Bauche her,
bzw. der kombinierten Operation geringer wäre als jene der Operation
von rückwärts, 3) wenn die kombinierte Methode technisch leichter
ausführbar wäre, als die rein dorsale Methode und 4) wenn die neueren
Methoden wenigstens größere Radikalität und dadurch bessere Dauer-
resultate verbürgen würden.
Das alles haben die neueren Methoden bisher noch nicht erreicht,
Ihre Gefahr ist noch immer beträchtlich größer, als jene der dorsalen
Methode; schönere Dauerresultate, als die letztere uns beschieden hat,
wurden bisher nicht erzielt, und technisch leichter ist die kombinierte
Methode doch auch nicht. Namentlich beim Manne mit seinem engen
Becken ist die Ablösung der tieferen Partien des Colon pelvicum vom
Bauche her ein sehr schwieriger Akt; beim Weibe ist es freilich viel
leichter, aber gerade bei diesem stößt wegen des weiteren Beckens
auch die Auslösung selbst sehr hoch sitzender Karzinome von rück-
wärts her meist auf keine übermäßigen Schwierigkeiten.
Der abdominale Weg wurde von Hochenegg zum erstenmal
1889 eingeschlagen (behufs Entfernung eines kongenitalen Sakral-
tumors; vgl. Wiener klin. Wochenschrift 1839 Nr. 26 u. ff.). Seither
hat Hochenegg ihn wiederholt betreten; er hat auf diesem Wege
5 hochsitzende Mastdarmkarzinome exstirpiert (3 davon starben infolge
der Operation, 1 später an der Grundkrankheit, 1 lebt rezidivfrei seit
1%2), und auch L. hat ihn benutzt. Obwohl also an der Klinik
Hochenegg dieser Weg kein ganz ungewohnter ist, so wird doch die
Eröffnung des Bauches per laparotomiam beim Mastdarmkrebs nur
als äußerster Notbehelf angesehen, z. B. in dem seltenen Falle, daß
eine hoch oben am Mesosigma angelegte Ligatur reißt und durch
Retraktion des Gefäßes eine von rückwärts her nicht mehr stillbare
Blutung auftritt. Deshalb verfügt auch die Schule Hochenegg trotz
ihrem großen Mastdarmmaterial nur über wenige abdominodorsale
Operationen.
— 10 —
Solange die Resultate der abdominodorsalen Methode nicht weit
bessere sein werden, wird die Klinik an dem skizzierten Standpunkte
festhalten und als Normalverfahren auch für die hochsitzenden Krebse
die dorsale Methode beibehalten, die Hochenegg und seinen Schülern
bei keineswegs engherzig gezogenen Indikationsgrenzen sich aufs beste
bewährt hat. Unter den 220 von Hochenegg selbst exstirpierten
Mastdarmkarzinomen befinden sich sehr viel hochsitzende; dazu kämen
dann noch die vielen von seinen Assistenten operierten Fälle, so daß
die Klinik über Zahlen verfügt, die allein schon zum Mitreden in der
zur Diskussion gestellten Frage berechtigen.
Die abdominodorsale Methode dürfte erst dann bessere Resultate
ergeben und erst dann häufiger indiziert sein, wenn wir erst einmal
jene fatal situierten Krebse, denen man weder von oben her noch
von rückwärts her allein operativ gut beikommt, häufiger als bisher
in ihren Anfangsstadien zu sehen bekommen werden. Die Früh-
diagnose dieser Krebse ist mittels der Rektoromanoskopie, die an der
Klinik Hochenegg in ausgedehntestem Maße verwendet wird, möglich ;
wir bekommen diese Fälle aber so gut wie niemals frühzeitig in die
Hand; und das hängt in erster Linie davon ab, daß die kleinen,
wandständigen Karzinome hoch oben im Mastdarm und im untersten
S romanum lange Zeit so geringe Symptome machen, daß die Mehr-
zahl der Kranken erst dann zum Arzt geht, wenn schon Stenosen-
symptome aufgetreten sind.
Mit dem Auftreten von Stenosensymptomen rücken aber diese
Karzinome erfahrungsgemäß tiefer und damit in den Machtbereich der
sakralen Methode. Um die Diagnose der hochsitzenden Karzinome
frühzeitiger stellen zu können, muß somit erst das Publikum erzogen
werden, auch geringen Mastdarmbeschwerden und namentlich dem
geringsten Blutabgange weit größere Bedeutung beizumessen als bisher.
(Selbstbericht.)
Poppert (Gießen). Im Hinblick auf die größere Gefährlichkeit
und die angeblich unbefriedigenden funktionellen Erfolge der Resektion
mit Erhaltung des Sphinkters haben sich in letzter Zeit mehrfach Ope-
rateure gegen die Resektion ausgesprochen (Schuchard, Wiesinger
und Witzel); auch bei dem nach Qu&nu genannten Verfahren der sog.
kombinierten Amputation wird ebenfalls auf die Erhaltung des Schließ-
muskels grundsätzlich verzichtet.
Vortr. zeigt an der Hand der in der Gießener Klinik gewonnenen
Erfahrungen, daß dieser Standpunkt durchaus zu verwerfen ist. Wenn
auch zugegeben ist, daß die Resektion mit nachfolgender Darmnaht
im Durchschnitt eine größere Sterblichkeit aufweist wie die einfache
Amputation mit Opferung des Sphinkters, so beweisen die Zahlen der
Gießener Klinik, daß die Art der Darmversorgung, d.h. die Wahl der
Amputation oder der Resektion, die Mortalität doch nicht in dem
Grade beeinflußt, wie dies von vielen Seiten behauptet wird. So hat
Vortr. bei 35 Amputationen 3 Todesfälle zu beklagen gehabt (je
ein Fall an Herzschwäche, Pneumonie und Jodoformintoxikation), was
— 111 —
einer Mortalität von 8,6% entspricht; unter 28 Resektionen hat er
aber nur einen Todesfall (an Herzschwäche) zu verzeichnen, was 3,6%
Mortalität ergibt.
Auch die Behauptung, daß der Versuch der Darmvereinigung
gewöhnlich fehlschlage, ist nach den Erfahrungen des Vortr. nicht
zutreffend: von 20 Resektionsfällen mit nachfolgender zirkulärer Naht
heilten 10 per. prim., 6mal kam es zu einer vorübergehenden Kot-
fistel, die sich spontan oder infolge einer Nachoperation wieder schloß,
und in nur 4 Fällen wurden die Kranken mit einer kleinen Fistel
entlassen. °
Vortr. glaubt daher die Vorschlige derjenigen Chirurgen, welche
eine Verringerrung der Mortalität durch grundsätzliche Opferung des
Schließmuskels erstreben, zurückweisen zu müssen, um so mehr, als
weder die Drehung des Darms nach Gersuny, noch die Bildung
eines Anus glutaealis nach Witzel einen einigermaßen befriedigenden
Ersatz für die verlorengegangene Sphinkterwirkung zu bieten vermögen.
(Selbstbericht.)
Hackenbruch (Wiesbaden) empfiehlt die Entfernung des Mast-
darmes unter Rückenmarksanästhesie (vier Fälle).
Meyer (Brüssel): Die Hauptgefahr ist die lange Dauer. Depage
nimmt eine Steißbeinresektion mit stumpfer Ablösung des oberen Teiles
des Mastdarmes nach Bardenheuer vor und zieht den Stumpf ohne
Naht durch. Dauer 1/, Stunde. Bei Bauchlagerung ist das Opera-
tionsgebiet viel zugänglicher, besser zu sehen, die Blutung viel geringer,
die Narkose gut. Diese Lage ist überhaupt bei allen Operationen an
«en hinteren Körperteilen zu empfehlen.
Küster (Marburg) spricht für zweizeitige Operation, für Resek-
tion, wenn sie möglich ist; er hat die lumbale Anästhesie in einer
ganzen Anzahl Fälle angewandt.
Bardenheuer (Köln) hat mit der peritonealen Operation schlechte
Resultate gehabt, aber nach der alten Methode 60—70 cm Darm unter
stumpfer Ablösung fortgenommen. Es dauert nie länger als 1/, Stunde,
meist kommt man in 1/, Stunde zum Ziele: Stumpfes Vorgehen, dop-
peltes Unterbinden des Darmes, kein zu starkes Zerren; event. mobili-
siert er bis zum Colon transversum.
Braun (Göttingen) hat bei einem Karzinom des Colon pelvinum
zuerst einen künstlichen After angelegt und dann Resektion mit
Murphyknopf gemacht.
Schlange (Hannover) hält die Fälle für sehr selten, wo man
nicht entweder vom Bauch aus oder vom Kreuzbein her das Karzinom
entfernen kann. Wo man dieses von unten fühlen kann, kann man
sakral vorgehen. S. empfiehlt Kunstafter — nicht Kotfistel —, ziem-
lich hoch oben über der Geschwulst. Dann 8—14 Tage Abführen.
Dadurch wird die Operation sauberer und das Karzinom beweglicher.
Für tiefsitzendes Karzinom ist die Durchziehmethode sehr gut.
— 112 —
Jaffe (Posen): Redner meint, daß über die Zweckmäßigkeit der
Erhaltung des Sphinkterenabschnittes, wenn eine solche Konservierung
überhaupt möglich sei, keine Frage sein könne. Nur müsse man
diesen zu erhaltenden unteren Abschnitt ganz genau im Auge behalten
in Rücksicht auf die Möglichkeit des Vorhandenseins von sog. Im-
plantationsmetastasen. Solche können entstehen durch Herunterfallen
von Geschwulstbestandteilen aus dem manche Male weit entfernten
primären Karzinom; sie bevorzugen die Afterportion. Redner hat
solche Fälle selbst erlebt. Man ist alsdann natürlich genötigt, den
gahzen unteren Abschnitt sekundär zu opfern. (Selbstbericht.)
König (Jena) warnt vor zu schnellem Operieren, vor der lokalen
Operation Kümmell’s, bei der man die Drüsen nicht entfernen kann.
Die kombinierte Methode hat K. für das Karzinom aufgegeben, da-
gegen hält er sie für,ausgezeichnet bei der Mastdarmsyphilis, weil man
sich nur dadurch vor der Fistel retten könne.
Körte (Berlin) glaubt, daß wir bei dem hochsitzenden Mastdarm-
karzinom an der Grenze sind. Kraske wolle die Grenze hinaus-
schieben, aber es sei ihm doch lieber, daß jemand, der sterben muß,
ohne ihn stirbt.
Kraske (Freiburg i. Br.) spricht nochmals für die kombinierte
Methode. Die Bedenken, daß die Funktion des Sphinkters bei der
sakralen Methode leide, möchte er zerstreuen. Von der Kolostomie
Schede’s hat er keinen wesentlich anderen Wundverlauf gesehen,
den späteren Schluß des Afters findet er nicht so einfach.
Goebel (Breslau). ;
56) Jaffé (Posen). Uber den Wert der Milzexstirpation bei
Banti’scher Krankheit.
Redner gibt kurz eine Darstellung von der Entwicklung der
Banti’schen Krankheit. Im Symptomenkomplex (Milzvergrößerung
mit sklerotischen Veränderungen an der Milzvene, eine gewisse Form
der Anämie, Ascites, Lebercirrhose) ist als höchst bedeutungsvoll der
Umstand hervorzuheben, daß der Milztumor den übrigen Symptomen
zeitlich vorauszugehen habe. Es beginnt ferner die Auffassung des
Ascites als eines mehr selbständigen Symptoms. Und so erscheint die
Beseitigung dieses Ascites (sonst aufgefaßt als symptomatische Therapie),
in einer ganz anderen, viel bedeutungsvolleren Gestalt.
Andererseits ist auch die Lehre von der atrophischen Lebercir-
rhose in einer Art Umwandlung begriffen insofern, als die Bedeutung
des regelmäßig vorhandenen Milztumors und des Ascites als reiner
Stauungssymptome nicht mehr ganz anerkannt werden; also die Vor-
stellung von mehr aktiven Prozessen in der Milz (auch bei Lebercir-
rhose) tritt hervor.
Redner schildert alsdann kurz einen von ihm operierten ausge-
sprochenen Fall von Banti’scher Krankheit, und zwar einen Fall
— 113 —
im letzten Stadium mit ungeheurem Ascites, in welchem gegen alles
Erwarten die Splenektomie einen außerordentlich bessernden, vielleicht
heilenden Einfluß ausgeübt hat. Nach der Operation ein Umschwung
des ganzen Befindens mit einer Erholung des Organismus trotz außer-
ordentlich vorgeschrittener, bei der Operation konstatierter atrophischer
Lebercirrhose!
So tritt fiir gewisse Formen der atrophischen Lebercirrhose die
Splenektomie in Konkurrenz mit der Talma’schen Operation, welch
letztere Operation vielleicht mehr durch eine Beeinflussung der erkrank-
ten Serosa, als durch Eréffnung von Kollateralbahnen wirkt. Die
Splenektomie könnte für manche Fälle von Lebercirrhose, .falls die
Forschung solche Fälle zu charakterisieren imstande sein wird, der
Indicatio causalis genügen. ‚Selbstbericht.)
57) v. Stubenrauch (München). Über plastische Opera-
tionen am Grallensystem. Mit Demonstration.
Der Vortr. demonstriert zunächst einen Mann, an welchem
vor fast einem Jahre wegen Choledochusstenose infolge Pancreatitis
chronica eine Drainage der Gallenwege nach außen ausgeführt worden
war. Eine Cystoenterostomie oder Cystogastrostomie war damals wegen
abnormer Kleinheit und ungiinstiger Lage der Gallenblase, sowie
wegen Fixation des großen Netzes in zwei Leistenbruchsäcken nicht
durchführbar. Da die Pankreasschwellung sich nicht zurückbildete,
wurde aus der temporären Fistel eine permanente. Es wurde dann
ein Serosa-Muscularis-Mucosalappen mit oberer Basis aus dem Pylorus-
teil des Magens und Dünndarmes geschnitten, um 180° umgeklappt, mit
der Serosafläche auf den Choledochusdefekt gelegt. mit seinem Schleim-
hautende an den Schleimhautrand der kleinen Gallenblase angenäht
und schließlich Duodenum und Magen bis auf einen kleinen, zur Auf-
nahme eines Drains bestimmten Zwickel an der Basis des Lappens
straff zugenäht. Der Kranke ist nunmehr von der kompletten Gallen-
fistel mit Bauchbruch geheilt.
Im Anschluß an die Demonstration berichtet der Vortr.
unter Vorzeigung von Präparaten über Tierversuche, welche die Mög-
lichkeit erwiesen, noch andere Wege zur operativen Heilung einer
kompletten Gallenfistel einzuschlagen, so z. B. einen Depage’schen
Kanal in die Gallenblasen-Cysticus- oder Choledochusfistel zu implan-
tieren oder ein ausgeschaltetes Darmstück subkutan in die Umgebung
der Gallenfistel einzupflanzen. (Näheres im Original.)
Vortr. betont, daß bei Choledochusstenose infolge chronischer
Pankreatitis in erster Linie eine Cholecystenterostomie oder Cysto-
gastrostomie, in zweiter Linie, wenn die erwähnten Methoden unge-
eignet sind, eine Neueinpflanzung des Choledochus in den Darm oder
Magen ‚ausgeführt werden solle. Nur dann, wenn auch letzteres Ver-
fahren nicht durchführbar ist, darf eine plastische Operation gemacht
werden. Vor einer einfachen temporären Ableitung der Galle nach
Chirargen-KongreB 1906. 8
— 114 —
außen ist bei der durch Pankreasschwellung bedingten Choledochus-
stenose nach der vom Vortr. gemachten Erfahrung abzuraten.
(Selbstbericht.)
58) Blecher (Brandenburg a. H.). Demonstration einer durch
Laparotomie geheilten Pankreasruptur.
23jähriger Mann erhielt am 31. Januar d. J. einen Hufschlag
gegen die Magengegend. In den nächsten Tagen allmählicher Kräfte-
verfall, Schmerzen im Epigastrium, starkes Erbrechen. Am 4. Februar
bestand starke Anämie, kein freier Erguß in der Bauchhöhle, kein
Zeichen einer Peritonitis, dagegen eine undeutliche Resistenz im Epi-
gastrium, dortselbst fünfmarkstückgroße Dämpfung zwischen Magen
und Kolon. Es wurde danach die Diagnose auf umschriebene Blutung,
ausgehend vom Pankreas, gestellt. Bei der Laparotomie fand sich
hinter dem Kolon, das nach oben geschlagen wurde, eine retroperito-
neal und zwischen den Mesokolonblättern gelegene Höhle mit Blut
und Gerinnseln. Ursprung der Blutung war ein Riß auf der Rück-
seite des Pankreaskörpers, der tamponiert wurde. Ziemlich glatte Hei-
lung; im Urin 3 Tage p. op. Zucker. Zurzeit völliges Wohlbefinden.
(Selbstbericht.)
59) Doberauer (Prag). Über die Todesursache bei der akuten
Pankreatitis.
Bei der akuten Pankreaserkrankung, deren Kenntnis eines der
modernsten Gebiete der Chirurgie darstellt, haben wir in letzter Zeit
sowohl was das Verständnis der Atiologie und Pathogenese der Krank-
heit betrifft, sowie in Hinsicht auf die Diagnose und auf die erfolg-
reiche operative Behandlung recht erfreuliche Fortschritte gemacht.
Die wissenschaftliche Erforschung dieses Gebietes wurde bekanntlich
durch Balser’s Entdeckung der abdominellen Fettgewebsnekrose er-
öffnet, und sie hielt sich auch bis in die jüngste Zeit vorwiegend an
diese merkwürdigste und sinnfällige Begleiterscheinung der akuten
Pankreatitis. Dabei geriet eine Frage etwas außerhalb des Gesichts-
kreises der Forscher, nämlich die nach der eigentlichen und letzten
Ursache des Todes, welcher im Gefolge der akuten, gemeinhin mit
Fettgewebsnekrose vergesellschafteten Pankreatitis so häufig und ver-
hältnismäßig rasch eintritt. Es ist bekannt, daß die Krankheits-
erscheinungen der akuten Pankreatitis außerordentlich schwere und
stürmische sind, wie sie nur den ganz ernsten, gemeinhin letalen ab-
dominellen Erkrankungen eigen sind. Wir sehen, daß kräftige, robuste
Körper, welche ja vorwiegend von der Krankheit befallen werden, in
wenigen Tagen, oft Stunden erliegen können. Die Pankreatitis leistet
da gelegentlich mehr als die schwerste innere Inkarzeration. Dabei
steht der durch Autopsie in vivo oder post mortem erhobene Befund
in auffallendem Mißverhältnis zu diesen schweren klinischen Symptomen:
— 11 —
Es findet sich disseminierte Fettgewebsnekrose bei ganz akutem Tode
ohne jegliche Reaktion. Die kann bei unseren Erfahrungen iiber ihre
relative Benignität den Tod nicht verschuldet haben. Es geht wohl
‘eine Auffassung dahin, eine durch Fettspaltung erzeugte Seifenver-
giftung als Ursache des Todes zu beschuldigen. Doch kann man, ab-
gesehen von den wiederholt durch Autopsie gemachten Erfahrungen
über die Ausheilung von Fettgewebsnekrosen, nur schwer an eine
solche Seifenvergiftung glauben in Fällen, wo bei bestehender tödlich
verlaufender Pankreaserkrankung nur Spuren von Fettgewebsnekrose
gefunden werden.
Wir finden bei der Autopsie ferner im Bauchraume regelmäßig
mehr oder minder reichlichen serös-hämorrhagischen Erguß; es ist
naheliegend, zunächst als Todesursache eine Peritonitis anzunehmen;
allein in sehr akuten Fällen bietet sich fast nie makroskopisch das
Bild einer solchen. Die Serosa ist meist ganz zart. Wo dieselbe
gerötet ist, beruht dies nicht auf Entzündung, sondern auf subserösen
Blutungen. Es finden sich keine Beläge und in vielen Fällen keine
Bakterien, weder in dem Exsudat noch in den Fettnekrosen, noch im
Pankreas. Selbst wenn diese gefunden werden, ist damit durchaus
nicht gesagt, daß ihre Anwesenheit mit dem Tod in kausalem Zu-
sammenhange stehe. Bakterienfunde in Leichen können auf postmor-
taler Auswanderung aus dem Darme stammen. Und wenn auch sicher
schon intra vitam das Exsudat bakterienhaltig war, so müßte doch
zunächst eine lokale Reaktion, also eine Peritonitis mit eitrigem Ex-
sudat, Trübung und Entzündung der Serosa usw. entstehen. Selbst
dann aber braucht es eine gewisse Zeit, ehe die Resorption der Bak-
teriengifte den Organismus tötet.
Man nahm nun seine Zuflucht zu den nervösen Reflexwirkungen,
dem abdominalen Chok und glaubte, daß infolge der räumlichen
Nachbarschaft des Pankreas zum Plexus solaris Blutergüsse im Pan-
kreas oder akute Vergrößerungen des Organes eine mechanische Reizung
des Plexus verursachen, welche den schweren, zum Tode führenden
Kollaps bedinge. Die große Bedeutung des abdominalen Choks ist
unanfechtbar; wir wissen, daß Menschen in demselben rapid zugrunde
gehen können, ehe noch anatomische Veränderungen sich entwickelt
haben. Ich erinnere nur an den raschen Tod bei schwerer innerer
Darmeinklemmung, wo gelegentlich die Katastrophe so furchtbar schnell
eintritt, daß weder Peritonitis, noch Intoxikation die Zerstörung des
Lebens bewirkt haben können. Da handelt es sich aber um sichere
schwere mechanische Insultationen des Bauchfelles, beziehungsweise
der Intestina mit ihren sympathischen Nervenapparaten. Beim Pan-
kreas aber kann man nur ausnahmsweise einen Befund feststellen,
welcher wirklich eine mechanische Einwirkung des Krankheitsprozesses
in dem Organ: auf den Plexus solaris darstellt, z. B. eine Apoplexie
im Pankreaskopf. Ein solcher Zusammenhang fehlt vollständig, wenn
der Krankheitsherd im Schwanzteile des Pankreas sitzt, oder wenn
die Erkrankung überhaupt nicht eine Vergrößerung des Organes be-
gr
—— 116 ——
dingt. Das Exsudat im Bauchraume, welches die akute Pankreas-
erkrankung begleitet, kann diese mechanische Einwirkung nicht haben;
denn dasselbe ist in der Mehrzahl der Fälle frei und kann den Plexus
nicht mehr und weniger belästigen, als irgendeine andere Form des
freien Ascites. Gerade aber, wenn es abgesackt ist und zu Tumoren-
und Cystenbildungen im Oberbauchraume führt, wie es in den, das
akute Stadium überwindenden Krankheitsfällen so häufig der Fall ist,
bestehen die schweren Allgemeinerscheinungen nicht.
In der Ausschaltung lebenswichtiger Funktionen des erkrankten
Pankreas kann die Ursache des schweren Verlaufes gleichfalls nicht
gesehen werden; zumindest können Ausfallserscheinungen, die wir mit
unseren Untersuchungsmethoden (Harn- und Stuhluntersuchungen) nach-
weisen können, gerade bei den schweren akuten Fällen der Pankrea-
titis nur ausnahmsweise oder doch keineswegs regelmäßig gefunden
werden.
Per exclusionem der erwähnten Möglichkeiten und durch das
eigentümliche klinische Bild der Erkrankungen mit ihrem rapiden
Verlaufe gewinnt die Annahme einer Vergiftung an Wahrscheinlich-
keit, und zwar nicht durch Bakterientoxine, sondern durch eine spezi-
fische, dieser Pankreaserkrankung eigentümliche Schädlichkeit. Mi-
kulicz (‘Mitteilungen aus den Grenzgebieten der Medizin und
Chirurgie Bd. XII) spricht die Meinung aus, daß die schädliche
Wirkung des Pankreassekretes nicht nur auf den Fermenten desselben
beruht, sondern auch auf den Zerfallsprodukten der abgestorbenen
Pankreaszellen. Auf dem vorjährigen Kongresse deutscher Natur-
forscher und Arzte in Meran behandelten von Bergmann und Gu-
leke (seither ist von Guleke die bezügliche Publikation im » Archiv
für klin. Chirurigie«e Bd. LXX VIII erschienen) diese Frage auf Grund
experimenteller Untersuchungen. Dieselben führen sie zu der Über-
zeugung, daß das Pankreas als solches toxisch wirke, wenn es von
einem Hund entnommen und einem anderen in die Bauchhöhle ge-
bracht werde, und daß die Ursache dieser toxischen Wirkung wahr-
scheinlich das Trypsin sei, da gegen Trypsin immunisierte Hunde die
Einverleibung vertragen.
Ich ging im vorhinein von der Idee aus, daß durch die Erkran-
kung des Pankreas eine Substanz produziert werde, welche giftig wirkt,
und suchte die Existenz derselben dadurch nachzuweisen, daß ich den
eventuellen Unterschied der Wirkung feststellte, welche das gesunde
Pankreas einerseits und das durch bestimmte Vorbehandlung krank
gemachte Pankreas andererseits bei seiner Applikation auf Versuchs-
tiere ausüben würde.
Es gelingt, mit verschiedenen Mitteln bei Tieren — ich verwendete
zu den betreffenden Versuchen Hunde — eine Erkrankung zu erzielen,
welche unter den Erscheinungen der Fettgewebsnekrose, des hämor-
rhagischen peritonealen Ergusses, subseröser Blutungen im Bauch-
raum usw. zum Tode der Versuchstiere führt, also eine sichere Ana-
logie mit der menschlichen Pankreatitis erkennen läßt. Ich erreichte
— 117 —
dieses Ziel mit absoluter«Regelmäßigkeit durch ein Verfahren, welches im
Prinzip auch Hildebrand, Katz und Winkler und Körte geübt
haben, nämlich durch die doppelte Ligatur und Durchtrennung des
Pankreas. Es konkurrieren da bei der Erzeugung der Pankreatitis die
Sekretstauung, die Zirkulationsstörung und die Gewebsläsion, und ich
lasse es dahingestellt, welchem von diesen drei Faktoren der Haupt-
anteil zukommt.
Ich habe 21 Hunde so behandelt und stets das gleiche Bild:
Fettgewebsnekrose, hämorrhagischen Erguß ins Peritoneum, subseröse
Blutungen an Darm und Mesenterien bekommen. Das Pankreas selbst
war vielfach sukkulent und mißfarbig, oft aber makroskopisch nicht
wesentlich verändert. Die Tiere starben nach 24 Stunden oder waren
doch um diese Zeit so elend, daß der bevorstehende Tod mit Sicher-
heit zu erkennen war; einzelne gingen auch einige Stunden früher zu-
grunde; einer lebte 30 Stunden. Die meisten ließ ich nicht verenden,
sondern tötete sie, wenn die Krankheitserscheinungen ausgesprochen
waren, um das Pankreas frisch entnehmen zu können und nicht mit
dem Einwande der Leichenfäulnis rechnen zu müssen. Wenn ich nun
dieses Pankreas anderen gesunden Hunden in die Bauchhöhle brachte,
so erkrankten dieselben und verendeten gleichfalls in 24 Stunden. Die
Obduktion ergab denselben Befund wie bei den mit Ligatur behan-
delten Hunden. Die Applikation des Pankreas nahm ich in der Weise
vor, daß ich das Organ aseptisch in einer Reibschale soweit zerrieb,
daß der Brei durch eine starke Kanüle mit einer gewöhnlichen Spritze
den Tieren in die Bauchhöhle injiziert werden konnte. Ich wollte
damit einerseits das Öperationstrauma der Laparotomie vermeiden,
andererseits das Pankreas rascher zur Resorption bringen. Tatsäch-
lich fand sich bei dem am Tage darauf verendeten oder getöteten
Tiere wenig oder nichts mehr von dem injizierten Pankreas im Bauche
vor. Es wurden drei Hunde mit intraperitonealer Injektion von
Pankreas behandelt. Die näheren Details dieser Experimente habe
ich schon im letzten Hefte der »Beiträge zur klinischen Chirurgie«
veröffentlicht und will darauf nicht weiter eingehen.
Nun behandelte ich sechs Hunde mit Injektionen von ebenso zu-
bereitetem frisch und steril entnommenem Pankreas von gesunden
Hunden. Kein einziges dieser Tiere ging zugrunde. Meistens reagierten
sie auf den Eingriff überhaupt nicht und blieben ganz gesund und munter.
Es wirkt also nicht die Substanz des gesunden Pankreas tödlich,
sondern nur die des in bestimmter Weise erkrankten Organes. Die Zer-
fallsprodukte des erkrankten Pankreas sind nicht identisch mit den
bei Nekrose eines beliebigen Organes entstehenden Eiweißspaltungs-
produkten. Denn dieselben sind auch in dem normalen, dem Körper
entnommenen Pankreas enthalten und ebenso in anderen der Nekrose
verfallenden Organen, ohne daß dieselbe schädliche Wirkung eintritt.
Wenn ich einem Tiere den Milzstiel unterband und tags darauf die
kolossal vergrößerte, sukkulente und fast nekrotische Milz exstirpierte,
zerkleinerte und dieselbe einem anderen Hunde in die Bauchhöhle
— 118 —
brachte, so blieb derselbe ganz gesund. Wenn tatsächlich eine spezi-
fische Giftwirkung des kranken Pankreas besteht, so müßte ein Zu-
sammenhang zwischen der Schwere der Krankheitserscheinungen und
den einverleibten Dosen des Giftes bestehen und eine Gewöhnung der
Tiere an steigende Dosen möglich sein. Ich habe drei Hunde in der
Weise behandelt, daß ich ihnen zunächst normales Pankreas intra-
peritoneal einverleibte, nach einem kürzeren oder längeren Intervall
ca. ein halbes Pankreas eines mittelgroßen, krank gemachten Hundes
subkutan (die betreffende Quantität wurde ohne Abszeßbildung resor-
biert) und schließlich eine geringe Menge, etwa !/,—!/, eines ganzen
kranken Pankreas intraperitoneal. Unter dieser Vorbehandlung magerten
die Tiere etwas ab, erholten sich aber ziemlich schnell wieder. Etwa
1 Woche nach der letzten Applikation bekamen die Hunde eine ganze,
sonst tödliche Dosis krankes Pankreas (im breiigen Zustande ca.
20 ccm) intraperitoneal. Alle drei Tiere überstanden die Injektion
ohne schwere Erkrankung; sie waren einen Tag etwas matt, am zweiten
schon munter und nahmen Nahrung. Bei einem dieser Tiere machte
ich, nachdem alle diese Prozeduren überstanden hatten, den Versuch,
ob es auch die sonst in allen Fällen tödlich verlaufene Unterbindung
und Durchschneidung des Pankreas überstehen würde, und der Ver-
such fiel im positiven Sinne aus; das Tier blieb gesund.
Somit ergeben die Versuche bisher. folgende Resultate:
1) Das gesunde und frisch dem lebenden oder eben getöteten
Tier entnommene Pankreas wird von den Tieren bei intraperitonealer
Applikation gut vertragen.
2) Durch Unterbindung und Durchtrennung des Pankreas läßt
sich eine nach ihren Symptomen der menschlichen Pankreatitis ähn-
liche Erkrankung erzeugen, welche das Versuchstier tötet.
3) Das auf diese Weise erkrankte Pankreas wirkt, auf andere
Tiere übertragen, tödlich, und zwar in derselben Weise wie die Unter-
bindung des Pankreas. Es muß somit in dem unterbundenen Organe
durch den besonderen Krankheitsprozeß eine Substanz produziert
werden, welche das pathogene Moment darstellt.
4) Diese Ansicht findet eine weitere Stütze darin, daß es durch
allmähliche Einverleibung immer größerer Dosen von derartig erkranktem
Pankreas gelingt, Tiere gegen dasselbe immun zu machen. Sie sind
damit immun nicht gegen Pankreassubstanz als solche, sondern gegen
einen in derselben enthaltenen giftigen Körper; denn auch die Unter-
bindung und Durchtrennung des Pankreas, welche denselben giftigen
Körper produziert, ist für solche Tiere unschädlich.
Aus diesen Versuchsresultaten läßt sich bei der sinnfälligen Ana-
logie der künstlich erzeugten Erkrankung der Hunde mit der mensch-
lichen Pankreatitis der Schluß ziehen, daß auch bei letzterer eine
spezifische Giftwirkung des erkrankten Pankreas die Ursache der
schweren klinischen Symptome bzw. des Todes der erkrankten Indivi-
duen darstelle. (Selbstbericht.)
— 119 —
Harnorgane.
60) Neumann (Mainz). Behandlung der intraperitonealen
BlasenzerreiBung ohne Blasennaht.
Die schlechte Prognose der intraperitonealen Blasenzerreißung
scheint zum Teil dadurch bedingt zu sein, daß die Verletzten schon
mit einer manifesten Peritonitis zur Operation kommen. Ein Teil
der Pat. stirbt aber auch an einer postoperativen Bauchfellentzündung
und ein weiterer nach Ansicht der beteiligten Operateure an Operations-
chok. So kommt es, daß in der Literatur erst etwa 40 Fälle von
Heilungen bekannt sind. Bei diesen unterblieb nach der Laparotomie
nur fünfmal die Blasennaht, und der Blasenriß heilte unter Tam-
ponade. Vortr. verfügt über den sechsten so geheilten Fall:
Ein Unteroffizier erhielt durch den Stiel eines schweren Holz-
hammers, mit dem er einen Pfahl einrammen wollte, einen heftigen
Stoß gegen die Blasengegend. Die Laparotomie, 23 Stunden nach
der Verletzung ausgeführt, ergab einen breiten intraperitonealen Riß
an der hinteren linken Seite der Blase. Als zur Blasennaht ge-
schritten werden sollte, trat ein schwerer Kollaps ein. Daher wurde
von der Naht Abstand genommen und auf den Rif ein faustgroßer
Tampon gedrängt und dessen Ende aus der Bauchwunde heraus-
geleitet. 20 Stunden danach ließ der Kranke zum ersten Male wieder
Urin in geringen Mengen, stark mit Blut vermischt. In der Folge
wurden sehr häufig geringe Urinmengen willkürlich entleert, deren
Blutgehalt sich bald verringerte und dann ganz aufhörte. Am 9. Tage
wurde der Tampon entfernt. Der Blasenriß war geheilt. Nach Ent-
fernung des Tampons wurde sofort seltener Urin gelassen. Es trat
völlige Heilung mit Dienstfähigkeit ein.
Der Fall lehrt, daß man auf die Blasennaht verzichten kann,
wenn besondere Umstände dazu nötigen. Es scheint dann aber Wert
darauf zu legen sein, daß der Tampon so groß ist, daß er die Blase
stark komprimiert und dadurch ein Anstauen des Urins sowie seinen
Abfluß in die Bauchhöhle unmöglich macht. — Die Frage, ob man
einen Dauerkatheter einlegen solle oder nicht, ist prinzipiell nicht zu
. erledigen. Ist der Pat. imstande, häufig willkürlich Urin zu lassen,
so dürfte der Dauerkatheter erübrigen. (Selbstbericht.)
Gliedmaßen.
61) Lexer (Königsberg). Zur Behandlung der typischen
Radiusfraktur.
Demonstration eines einfachen Flanellbindenverbandes für
Radiusfrakturen, welcher gleichzeitig die Retention garantiert und
— 120 ——
doch alle Bewegungen gestattet mit Ausnahme derjenigen, welche eine
abermalige Dislokation herbeiführen könnten. Der Verband wird
5—7 Tage lang getragen, aber täglich zur Vornahme von Massage,
passiven und aktiven Bewegungen und zum Gebrauch eines warmen
Armbades gewechselt. In 20 so behandelten Fällen ist die Heilung
mit guter Funktion und guter Stellung schon in 2 Wochen einge-
treten. (Selbstbericht.}
62) Rosenberger (Würzburg). Über konservative Behand-
lung eiternder Fingergelenke.
R. erkannte den Grund für die Tatsache, daß eiternde Finger-
gelenke eine sehr geringe Neigung zur Heilung haben, in den unver-
meidlichen Bewegungen des Gelenkes beim Verbandwechsel. Deshalb
war er bestrebt, das Gelenk so zu fixieren, daß das Verbinden mög-
lich war, ohne das Gelenk zu bewegen. Durch eine schmale Papp-
deckelschiene stellte er den Finger in der Weise ruhig, daß er mit
einem 11, bis 2 cm breiten Gazestreifen eine Umwicklung vornahm,
das Geschwür bzw. die Fistel aber freiließ. Die Gazestreifen wurden
dann mit Kollodium bestrichen und dadurch ein ganz fester, ge-
fensterter Verband erzielt. Polsterung war nicht nötig. Die Schiene
muß selbstverständlich an einer Seite angelegt werden, wo kein Ge-
schwür und keine Fistel vorhanden ist.
Die Weiterbehandlung gestaltet sich dann sehr einfach, denn es
kann der Finger jetzt so oft als nötig verbunden werden, ohne daß
das Gelenk bewegt wird.
Auf diese Weise hat R. bis jetzt 14 Fälle, wie sie hintereinander
im Verlaufe von 6 Jahren an den verschiedensten Gelenken vorgekommen
sind, zur Ausheilung gebracht. Der 15. Fall ist noch in Behandlung.
Die Zeit, die zur Ausheilung nötig war, schwankte zwischen
3 und 10 Wochen.
Als Ursache der Gelenkeiterung wurde 8mal Phlegmone und
6mal ein Trauma festgestellt.
Die Endresultate waren folgende: In 4 Fällen blieb das Gelenk
steif; in 2 Fällen war die Beweglichkeit eine geringe, einmal ziemlich
gut, fünfmal gut, einmal sehr gut und einmal normal. Der Enderfolg
hängt von der Intelligenz des Pat. und der Nachbehandlung ab.
Ubrigens waren alle Pat. mit dem Verfahren sowohl wie mit dem Er-
folg sehr zufrieden. R. ist der Anschauung, daß bei einem gutwilligen,
intelligenten Menschen, der fleißig Bewegungen macht und sich längere
Zeit hindurch einer Massagekur unterzieht, die Beweglichkeit immer
eine gute sein wird. (Selbstbericht.)
63) Bardenheuer (Köln). Hüftgelenkpfannenresektion.
B. sagt, daß in den Fällen, wo die Resektion ausgeführt wird,
fast ausnahmslos die Pfanne entweder primär oder sekundär meist so
—— 121 ——
stark beteiligt sei, daß die Resektion der Hüftgelenkpfanne vom
Sprengel’schen Schnitt aus mit ausgeführt werden muß.
Während der Operation nun überzeuge er sich mittels des pal-
pierenden Fingers von der inneren Fläche des Beckens aus, hinter dem
abgehobenen Psoas, ob der Beckenboden resp. die drei das Gelenk kon-
stituierenden Knochen vorgetrieben oder verdickt sind.
Bei der langen Dauer des Leidens nach der lange fortgesetzten
konservativen Behandlung ist dies meist der Fall, so daß auch gleich
bei dem erwähnten Befunde der Entschluß feststeht, die Pfanne mit
zu resezieren.
Vom oberen Ende des Femur ‚wird womöglich nur der Kopf fort-
genommen.
Als Vorzüge für die Resektion der Pfanne spricht B. an:
1} die Möglichkeit der Erzielung der Heilung in den verzweifelten
Fällen von eitriger Koxitis in dem neugebildeten Gelenke nach einer
früheren typischen Resektion, in welchen er früher das neue Gelenk
meist wiederum eröffnete, das obere Ende des Femur nachresezierte,
‚die Pfanne nochmals auslöffelte, wobei aber meist keine Ausheilung
erzielt wurde.
Er hat im ganzen seit dem Jahre 1898 37 Radon der Pfanne
ausgeführt, 29 wegen Tuberkulosis, 8 wegen sept. Osteomyelitis.
Unter diesen 29 Fällen befanden A 7 Fälle, in welchen früher
die typische Resektion ausgeführt worden war. Die Indikation zur
Operation gab in diesen Fällen das Fortbestehen der Eiterung, der
Tuberkulose und die Bedrohung des Lebens durch die letztere.
Durch die Pfannenresektion wurden sie geheilt.
Unter diesen Fällen befanden sich 3, die schon mehrmals operiert
worden waren, eine sogar 5Dmal, und zwar die Pat., welche er
vorstellte.
Als zweiten Vorzug erwähnt er, daß man durch diese Operation in
der Lage ist, alles tuberkulöse zu entdecken und zu entfernen.
Unter den 29 Fällen sind noch 5 in Behandlung, 6 sind gestorben,
die übrigen 18 Pat. sind l4mal afıstulös, 4 mit einer geringes Sekret
spendenden Fistel ausgeheilt, die sich sicher bald noch schließen wird;
das Genauere wird Herr Dr. Baum in einer statistischen Arbeit noch
mitteilen.
Als dritten Vorzug hebt B. noch hervor, daß die reale Verkürzung
in dem-Zällen, wo er nur den Kopf mit der Pfanne resezieren konnte,
eine äußerst geringe ist.
Der im Os ilium gesetzte Defekt macht sich kaum bemerkbar und
würde unter solchen Verhältnissen meist ausgeglichen durch die
Senkung des Beckens und Abduktionsstellung des Beines.
Der vierte Vorzug besteht in der Verhütung der Entwicklung der
Adduktions- und Flexionsstellung und der Wanderung des Femur am
Becken vorbei nach oben.
Fünftens entsteht in den meisten Fällen eine feste, gelenkige Ver-
— 122 —
bindung (5mal unter 7 nachuntersuchten Fällen und 2mal eine
knöcherne) und
Sechstens eine sehr gute Funktion des Gelenkes.
Was die Gefahr der Operation anbetrifft, so ist dieselbe nicht
größer als wie bei der typischen Resektion, und wenn wir das end-
gültige Resultat bezüglich der nachherigen Mortalität mit in Betracht
ziehen, so ist die Prognose entschieden weit günstiger.
8 Fälle wurden operiert wegen akuter infektiöser Osteomyelitis.
In allen Fällen handelte es sich bei der Operation um ein Indicatio
vitalis. Bei der versteckten Lage des Gelenkes wird das Leiden meist
sehr spät erkannt; es werden die Pat. meist äußerst spät dem Kranken-
haus überwiesen.
4 Pat. wurden geheilt, 4 erlagen sehr früh nach der Operation
der Sepsis.
Von den 29 Pat., bei welchen es sich um Tuberkulose handelte,
starben 6, 1 an Milztuberkulose, wie es zeitweilig nach jeder
Resektion vorkommt, 3 nach 9 bis 14 Monaten an Tuberkulose der
Lunge, während das Gelenk ausgeheilt war; 1 starb nach
13 Monaten an einer akuten Lungenentzündung, 1 nach 7 Monaten
an amyloider Degeneration der Unterleibsorgane nach einer seit einer
Reihe von Jahren bestehenden eitrigen Hüftgelenktuberkulose.
Was das Alter der betreffenden Pat. anbetrifft, so waren 10 unter
10 Jahren, 17 zwischen 10 und 20 Jahren, 8 zwischen 20 und 30
Jahren, 2 zwischen 30 und 40 Jahren.
B. glaubt hiermit den Beweis geliefert zu haben, daß in vorge-
schrittenen Fällen von Pfannentuberkulose die Pfannenresektion in
Verbindung mit der Kopfresektion, event. mit der typischen Resektion
bezüglich des endgültigen vitalen und funktionellen Resultates, die
typische Resektion der Hüfte überragt, und daß man durch dieselbe
in der Lage ist, beim Versagen der typischen Resektion noch häufig
einen Pat. zu retten, der sonst durch das Fortbestehen der Tuber-
kulose in dem neu gebildeten Gelenke der Eiterung zum Opfer ge-
fallen wäre. (Selbstbericht.)
Diskussion.
Sprengel (Braunschweig) hat die Methode von Bardenheuer
am Hüftgelenke wiederholt versucht. Bardenheuer nahm früher
auch bei relativ frischen Fällen die Pfanne fort. Das ist aber wohl
nicht richtig, da der Eingriff zu groß ist. Man soll dies also nur
bei alten Fällen tun, aber bei jüngeren Individuen, da sie bei alten
versagt.
Bardenheuer hat unter 23 Fällen 8, die 20—30 und 3, die
30—40 Jahre alt waren. Unter 29 Fällen sind 6 gestorben, davon
einer nach der Operation an Miliartuberkulose. Goebel (Breslau).
— 123 —
64) H. Braun (Göttingen). Über willkürliche Luxationen
des Hüftgelenkes.
B. sprach über willkürliche Luxationen des Hüftgelenkes, weil
über dieses Leiden, von dem nur einige 20 Beobachtungen in der Lite-
ratur verzeichnet sind, wenig bekannt ist, vor allem nichts über die
anatomischen Verhältnisse, welche das Zustandekommen dieser Ver-
renkung ermöglichen, und weil er zum erstenmal durch eine Operation
die Heilung erzielte.
Bei dem 18 Jahre alten Mädchen, das B. beobachtet hat war die Ver-
renkung plotzlich entstanden; die Kranke konnte bei der Aufnahme teils
willkürlich durch Anspannung gewisser Muskeln im Stehen die Verschie-
bung des Gelenkkopfes erzeugen, teils kam sie beim Gehen von selbst zu-
stande, so daß es sich um die Kombination einer willkürlichen mit
einer habituellen Luxation handelte. Die Verrenkung des Gelenk-
kopfes erfolgte unvollständig nach außen mit einem heftigen Schmerz
und lautem Krach. Nachdem durch Ruhe, Extensions- und Gips-
'verbände die unerträglichen Beschwerden nicht beseitigt wurden,
suchte B. durch einen operativen Eingriff die Heilung herbeizuführen.
. Bei demselben fand sich kein Antrum cartilagineum, so daß das
Fehlen desselben wohl in diesem Falle die Verrenkung ermöglichte,
da die Hüftgelenkspfanne wesentlich flacher war als gewöhnlich. Um
den Femurkopf an seinem Austreten zu verhindern, meißelte B.. von
dem oberen hinteren Rande der knöchernen Pfanne ein etwa 5—6 cm
langes und 2 cm breites Stück ab, schlug dieses nach abwärts, indem
es seitlich in seiner Verbindung mit dem übrigen Knochen eingeknickt
wurde, fixierte es in dieser Stellung und legte einen Beckengipsverband
mit Fenster an. Die Wunde heilte per prim. intent.; nach 6 Wochen
konnten die Verbände weggelassen werden, das Mädchen ging ohne
Schmerzen und ohne die geringste Verschiebung des Gelenkkopfes.
Die Heilung dauert auch jetzt, 21/, Jahre nach Ausführung der Ope-
ration, noch an. B. empfiehlt die von ihm ausgeführte Operation so-
wohl für die willkürlichen Luxationen, wenn nicht durch andere
anatomische Verhältnisse ein anderes Vorgehen rationeller erscheint,
als auch für die habituellen Luxationen des Hüftgelenkes.
(Selbstbericht.‘
65) M. v. Brunn (Tübingen). Über das Schicksal des Silber-
drahtes bei der offenen Naht der gebrochenen Patella.
v. B. hat aus dem Material der v. Bruns’schen Klinik 12 Fälle
von Kniescheibenbrüchen, welche mit Silberdraht genäht worden waren,
einer Nachuntersuchung unterzogen, un festzustellen, wie sich im Laufe
der Jahre der Silberdraht verändert. Es zeigte sich, daß er nur in
einem einzigen Falle zur knöchernen Heilung geführt hatte, ohne zu
zerbrechen oder aus den Bruchstücken auszureißen. In einem Falle
war er aus den Bruchstücken ausgerissen, in allen übrigen Fällen zer-
rissen oder sogar meist in zahlreiche Teile zerbrochen. In drei Fällen
— 124 ——
waren Drahtstiicke ins Gelenk geraten und hatten sich hier zumeist
entweder im hinteren Recessus oder in der Umschlagsfalte der Gelenk-
kapsel auf die Tibia abgelagert. Knöchern geheilt waren im ganzen
3 Fälle, bei 2 weiteren ließ sich nur noch durch das Röntgenbild
eine minimale Diastase feststellen. In allen übrigen Fällen waren
schon durch die äußere Untersuchung Diastasen nachweisbar. Die
Schäden des Drahtes hatten in der Regel nicht zu einer Beeinträch-
tigung des Heilerfolges geführt. Immerhin klagten eine Anzahl Pat.
über stechende Schmerzen, darunter auch zwei von denen, welche
Drahtstücke in ihrem Kniegelenk beherbergten. Die volle Streck-
fähigkeit war nur bei einem sehr spät und wegen Refraktur genähten
Falle bei gerissenen Drähten nicht wieder hergestellt; bei zwei anderen,
die ebenfalls beträchtliche Diastase aufwiesen, bestand eine Streck-
schwäche bei starker Belastung des Beines. Die Zerstückelung des
Drahtes geschieht wahrscheinlich nicht durch Zerreißen, sondern durch
Zerbrechen. (Selbstbericht.!
Diskussion.
Krönlein (Zürich) ist noch nicht davon überzeugt, daß die blu-
tige Methode mit Eröffnung des Gelenkes besser ist, als die unblutige
Behandlung.
Küster (Marburg) empfiehlt die perkutane Naht der Patella.
Riedel (Jena) empfiehlt die subkutane Naht der Patella mit Cat-
gut, und zwar mit 10—12 einzelnen Fäden, wodurch man die Frag-
mente sehr fest zusammenschnüren kann. R. hat seit vorigem Jahre
wieder fünf Fälle so behandelt.
v. Brunn ist auf die funktionellen Resultate nicht eingegangen.
Die gute anatomische Heilung. ist nicht identisch mit klinischer Hei-
lung. Gerade der anatomisch gut geheilte Fall hat ein schlechtes
funktionelles Resultat, weil Pat. nicht so gut beugen kann.
Bardenheuer (Köln) macht seit den letzten Jahren niemals mehr
die Naht, er erreicht durch Extension zum mindesten eine feste fibröse
Verbindung. Goebel (Breslau).
66) Kausch (Schöneberg). Über Knochenimplantation.
K. demonstriert den größten bisher implantierten toten Knochen,
der knöchern einheilte.e Das 9 cm lange, den vollen Umfang der
Tibia umfassende Stück wurde bei einer Amputation tags zuvor ge-
wonnen, ausgekocht, an Stelle des oberen Tibiaendes, welches wegen
myelogenen Sarkoms reseziert wurde, eingepflanzt; es wurde mittels
Elfenbeinstift mit dem abgesägten Femur und dem Tibiarest verbun-
den. Primäre Einheilung. Nach 3/, Jahr Amputation wegen Rezidiv.
Das implantierte Knochenstück ist vollständig fest beiderseits ver-
wachsen, ist angefressen, ist von einem neugebildeten Periost bedeckt.
Das Resultat der weiteren Untersuchung wird mitgeteilt werden.
(Selbstbericht.)
— 12 —
67) K. Lossen (Frankfurt a. M.). Über rationelle ambulante
Behandlung der varikösen Venen und Geschwüre der Unter-
schenkel.
Die Ursache des genannten Leidens ist meistenteils in der In-
aktivität oder Schwäche der Muskulatur der unteren Extremität zu
suchen.
Die bisherigen Behandlungsmethoden hatten meist nur einen sehr
temporären Erfolg und, statt das ursächliche Moment zu beachten,
stets Ruhe und Hochlagerung als Hauptsache verschrieben. Sobald
die früheren Noxen wieder anfıngen einzuwirken, kamen auch meist
die Beschwerden wieder. Statt die Muskulatur durch Ruhe in solchem
Zustande noch mehr zu schwächen, muß sie vielmehr durch Gymnastik
und Massage wieder instand gesetzt werden, so daß sie fähig wird,
den an sie gestellten Anforderungen gerecht zu werden. Ich habe
dementsprechend einige Schmiede mit geschwollenen Beinen und Unter-
schenkelgeschwüren die Arbeit nicht aussetzen lassen, sondern sie an-
gewiesen, 10—20mal während ihrer Arbeit ihre Gymnastik zu machen.
Schon nach 4—6 Wochen waren die Beschwerden verschwunden und
die Geschwüre geheilt. Auch in der Praxis elegans habe ich mit der
Methode gute Erfolge gehabt. Sie erscheint mir nicht nur vom sani-
tären, sondern vor allem vom sozialen Standpunkt aus betrachtet, ganz
besonders angezeigt zu sein. (Selbstbericht.)
68) Borchard (Posen). Ein sehr seltener Tumor des Unter-
schenkels.
B. demonstriert einen sehr seltenen Tumor des Unterschenkels,
der durch Operation bei einem 44jährigen Manne gewonnen war. Die
Geschwulst saß an der Außenseite des stark varikösen Unterschenkels,
war vor 2 Jahren entstanden und ragte in einer Länge von 20 cm
nach oben wie ein Flügel, während der Stiel etwa kindsarmdick war.
Durch häufig sich wiederholende erhebliche Blutungen war der Kranke
sehr anämisch geworden. Die Operation ergab, daß die Geschwulst
nicht über die oberflächliche Fascie hinausging, daß in den Stiel zahl-
reiche, stark erweiterte Varicen hineinzogen. Die Geschwulst selbst
sah wie ein Leberlappen aus, ein Eindruck, der noch erhöht wurde
durch die eigentümliche gelbe Farbe auf dem Durchschnitte.
Mikroskopisch ließ sich nachweisen, daß der Tumor aus von den
erweiterten Varicen ausgehenden Blutgefäßen bestand, die zum Teil
erst einfache Endothelstränge darstellten. Das Gewebe zwischen den
neugebildeten Gefäßen war sarkomatös degeneriert, zum Teil verfettet
und trug die Spuren älterer und frischerer Blutungen (daher die gelbe
Farbe). Es handelte sich also um ein von Varicen ausgehendes sar-
komatös degeneriertes Angiom. (Selbstbericht.)
— 126 ——
69) Brodnitz (Frankfurt a. M.). Osteoplastische Resektion
des Fußgelenkes und Unterschenkels.
B. berichtet über eine osteoplastische Resektionsmethode des
Fußgelenkes, durch welche man größere Teile der Tibia durch den
senkrecht gestellten Fuß ersetzen kann.
Die Schnittführung ist aus der Zeichnung zu ersehen: Längs-
schnitt im Verlaufe der Tibia und Fibula bis in die Höhe des Talo-
navicular-Gelenkes, Verbindung der oberen Schnittenden durch
einen hinteren bogenförmigen Schnitt, der durch die Wadenmuskulatur
Fig. 3. Fig. 2. Fig. 1.
-
—
—ñN ⸗
Na
bis auf die Knochen geführt wird, und der unteren Schnittenden
durch einen ovalären Schnitt, welcher dicht über der Tuberositas cal-
canei verläuft und bis auf den Knochen dringt; schräge Durchtrennung
der Tibia und Fibula mit der Gigli’schen Säge und des Calcaneus
mit der Stichsäge, dem Weichteilschnitt entsprechend. Ausschälung
der Tibia, Fibula, Talus und vordere Fläche des Calcaneus an den
vorderen Weichteilen, Adaption der Sägefläche des Calcaneus an die
der Tibia. -
— 127 7° —
Die Operation wurde mit Erfolg ausgeführt bei einer ausgedehnten
Tuberkulose im unteren Drittel der Tibia und des Fußgelenkes. In
geeigneten Fällen, besonders bei Tumoren im mittleren und unteren
Drittel der Tibia, ist die Methode empfehlenswert.
(Selbstbericht.)
70) Samter (Königsberg i. Pr.) Zur plastischen Deckung
von Exartikulationsstiimpfen.
S. stellt ein 6jähriges Mädchen vor, dem beide Füße abgefahren
waren, die Weichteildefekte jedoch noch höher über die Malleolen
reichten. Um die unteren Tiljaepiphysen zu erhalten, wurden die
Malleolen abgesägt, die überknorpelte Epiphyse der Tibia beiderseits
Defekt nach
der Lappen-
bildung
Rest des
traumatischen
Defektes
Steigbügellappen
im übrigen erhalten und an der Hinterfläche der Tibia ein Brücken-
lappen gebildet, der über den Stumpf wie ein Steigbügel herüber-
gezogen wurde. Der Rest der Stumpfbedeckung wurde per granula-
tionem gebildet.
— 128 —
Es resultierten bewegliche Weichteilbedeckungen und tragfähige
Stiimpfe. Das Kind belastet dieselben seit geraumer Zeit.
Im ganzen ist dreimal auf diese Weise ein gutes Resultat erzielt
worden; daher dürfte dieses Verfahren in ähnlichen Fällen zur Er-
haltung von Epiphysen dienen. (Selbstbericht.
Diskussion.
Helferich (Kiel) verfügt über zwei Fälle. Die ziemlich starken
Weichteilverletzungen wurden durch Thiersch’sche Implantationen
gedeckt. Die Stelle blieb aber sehr vulnerabel; schon Sandkörnchen
machten Verluste.
In dem anderen Falle nahm in mit gutem Endergebnis vom
linken Unterschenkel einen gestielten'Lappen auf den Stumpf.
Goebel (Breslau‘.
71) Draudt (Königsberg). Ein seltener Fall von Extremitäten-
mißbildung.
Das bis jetzt 4mal beobachtete Vorkommen eines eigentümlichen
Knochenzapfens am Femur bei gleichzeitigem kongenitalen Mangel
der Tibia an der normalen Stelle verleiht der Auffassung von Erlich
eine Stütze, nach welcher dieser Auswuchs als eine heterotop verlagerte
Tibia aufzufassen ist. Bei einem in der Königsberger Klinik zur Be-
obachtung gekommenen ganz gleichen Falle konnte gelegentlich der
Wegnahme dieses Knochenzapfens als weiterer Beweis für eine der-
artige Annahme das Verhalten der Muskulatur in Anspruch genommen
werden. Sämtliche, normalerweise an der Tibia ansetzenden Muskeln
ziehen nach diesem Auswuchs hin. Bezüglich der Atiologie muß wohl
zu einer sehr frühzeitig stattgefundenen Keimverlagerung gegriffen
werden. (Selbstbericht.)
72) Joachimsthal (Berlin). Über Fußdeformitäten.
J. zeigt am Projektionsapparat eine Reihe von Bildern, die die
verschiedenen Formen, der angeborenen Fußdeformitäten und
ihre verschiedenartige Atiologie vor Augen führen.
Die gelegentliche mechanische Entstehungsweise des Klum p-
fußes lassen zwei Fälle als wahrscheinlich annehmen, in denen neben
vorhandenen Pedes vari congeniti amniotische Schnürfurchen vor-
lagen. Das eine Mal bestand neben einem linksseitigen von J. erfolg-
reich redressierten Klumpfuß eine tiefe Schnürfurche an der Grenze
des mittleren und unteren linken Unterschenkeldrittels; in dem zweiten
Falle neben einem rechtsseitigen Klumpfuß eine Schnürfurche an der
Grenze des rechten mittleren und unteren Unterschenkeldrittels, weiter-
hin eine solche im Bereiche des ersten rechten Zeigefingergliedes und
endlich eine tiefe Schnürfurche an der Grenze des rechten mittleren
und unteren Oberarmdrittels. Die Ernährung des peripheren Körper-
teiles hatte durch diese letztere zirkuläre Einschnürung nicht gelitten,
— 129 —
es fehlten auch die sonst zuweilen beobachteten Ödeme, dagegen be-
stand eine offenbar mit der amniotischen Schnürfurche in Verbindung
stehende, nur den Triceps verschonende Radialislähmung.
Zwei weitere Fälle zeigen eine Kombination des Klumpfußes mit
einem angeborenen Tibiadefekt, wobei das Röntgenbild das eine
Mal gleichzeitig eine Spaltbildung am unteren Oberschenkel-
ende aufdeckt.
In zwei weiteren Fällen ist der ein- resp. doppelseitige Klumpfuß
Begleiterscheinung einer Spina bifida, während in einer anderen
Beobachtung neben Spina bifida ein rechtsseitiger Varus und ein
linksseitiger Valgus bestehen, und die Planta des Valgus genau in die
Konkavität des Varus hineinpaßt. Endlich liegen bei einem Kinde
mit Spina bifida lumbalis beiderseitige höchstgradige Calcanei vor.
Ein neugeborenes Kind, dessen Bilder J. weiterhin projiziert,
zeigt an beiden ineinander verschränkten Klumpfüßen über den äußeren
Knöcheln offenbar mechanisch entstandene Hautnekrosen.
Interessante Verhältnisse bietet ein Kind mit höchstgradigem Pes
valgus congenitus duplex, dessen Bilder J. im Alter von 4 Wo-
chen und von 5 Monaten (hier nach vollkommener Heilung durch re-
dressierende Verbände) demonstriert.
Betrachtete man vor der Behandlung die unteren Extremitäten
bei nach vorn gerichteten Kniescheiben, so fiel eine sehr hochgradige
Abduktionsstellung beider Füße auf, welche nicht nur die Gegend des
Fußgelenkes betraf und hier namentlich in dem starken Hervortreten
der inneren, dem Verschwinden der äußeren Knöchel und einer Falten-
bildung über den letzteren ihren sichtbaren Ausdruck fand, sondern
auch die vorderen Abschnitte beider Füße. Es gewährte den Ein-
druck, als ob sowohl in der Ohopart’schen, als auch in der Lisfranc-
schen Gelenklinie weitere Abduktionen eingetreten wären. Höchst
auffallend waren dabei die Längenverhältnisse der Jahre. Während
die 2.—4. Zehe ungefähr die gleiche Länge aufwiesen, und die kleine
Zehe nur wenig hinter ihren Nachbarn zurückblieb, war die große
Zehe auffallend kurz und erweckte den Eindruck, als ob nur ihr
Endglied sich frei entwickelt hätte. Daß es sich hierbei lediglich um
Gelenkverschiebungen, keinesfalls um reelle Verkürzungen ge-
handelt hat, erhellt aus der Tatsache, daB nach erfolgreicher Be-
handlung der Fußdeformitäten auch dieZehen ihre richtigen
Längenverhältnisse wieder erlangt haben. Diese letzterwähnte
Anomalie verdient namentlich mit Rücksicht auf den Umstand unser
Interesse, daß wir bei der entgegengesetzten Deformität, am Klump-
fuß, wie J. an dem Beispiel eines 6jährigen Knaben mit doppel-
seitigem hochgradigem Pes varus zeigt, das entgegengesetzte Verhalten,
nämlich eine scheinbare Verlängerung der großen Zehe finden.
Die in dem speziellen von J. demonstrierten Falle 2 cm betragende
Verlängerung beider großen Zehen hat sich auch hier mit der Rück-
bildung der übrigen Formstörungen im Verlaufe der Behandlung zu
dem normalen Längenverhältnis zurückgebildet.
Chirurgen-Kongreß 1906. 9
==: . 130: —
Exquisit vererbt hat sich die Klumpfußbildung in einer Familie,
die J. im Bilde vorführt. Vater und drei Kinder zeigen hier
die schwersten Formen von doppelseitigem Pes varus.
Zum Schluß demonstriert J. Photographien und Rontgenbilder
eines Pat. mit der von Cramer neuerdings beschriebenen als Meta-
tarsus varus bezeichneten angeborenen Störung an beiden Füßen,
einer Verbiegung der Mittelfußknochen nach innen und unten ohne
andere Mißstellungen des Fußes, sowie je eines Falles von Hallux
valgus und varus congenitus bei neugeborenen Kindern.
(Selbstbericht.)
Zentralblatt
CHIRURGIE
herausgegeben
von
E. von Bermann, F. König, E. Richter,
in Berlin, in Jena, in Breslau.
Dreiunddreißigster Jahrgang.
eee ee ree
Wöchentlich eine Nummer. Preis des Jahrganges 20 Mark, bei halbjähriger
Vorauszahlung. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postanstalten.
Nr. 38. Beilage. 1906.
Nachtrag
zu dem
Bericht über die Verhandlungen
der
Deutschen Gesellschaft für Chirurgie,
XXXV. Kongreß,
abgehalten vom 4.—7. April 1906
im Langenbeck-Hause.
‘Beilage zu Nr. 28 d. Bl.)
Druck und Verlag von Breitkopf und Härtel in Leipzig.
1906.
Inhalt.
I. Wullstein, Experimentelles aus der Magenchirurgie.
II. Wulistein, Eine neue Operationsmethode der kongenitalen Luxation der Patella.
III. Wullstein, Eine neue Operationsmethode der Leistenhernie.
IV. Wullstein, Demonstration von pathologisch-anatomischen Präparaten, welche
nach der Eisler’schen Methode konserviert sind.
V. Wullstein, Diskussion zum Vortrag Graser: Zur Technik der Radikaloperation
großer Nabel- und Bauchwandhernien.
Da Herr Dr. Wullstein durch unüberwindliche Verhältnisse verhindert war,
seine Selbstberichte rechtzeitig einzuliefern, folgen dieselben hier als Nachtrag.
Red.
I.
Wullstein (Halle a. S... Experimentelles aus der Magen-
chirurgie.
W. berichtet über seine seit Jahren unternommenen zahlreichen
Experimente, welche den Zweck hatten, speziell der Therapie des Ul-
cus ventriculi zu dienen.
Er hatte, die Resektion als das Idealverfahren beim Ulcus ven-
triculi betrachtend, dieselbe ohne Eröffnung des Magen- und Darm-
lumens, d.h. durch Invagination zu machen versucht.
Am Pylorus gelang ihm das erst, nachdem er sich nur auf den
Pylorusring als solchen beschränkte und unmittelbar oral- und aboral-
wärts von diesem die Serosa und Muscularis mit dem Paquelin durch-
schnitt und die Mucosa zur Verschorfung brachte.
Bei größeren Invaginationen in der Kontinuität hatten die Ex-
perimente erst dann ein positives Resultat, als er begann, den zu in-
vaginierenden Teil nicht nur in seiner Serosa und Muscularis mit dem
Paquelin zu umschneiden und die Mucosa in dieser Schnittrinne zu
verschorfen, sondern als er von der ganzen so umschnittenen Partie
in der Schicht der Submucosa in ganzer Ausdehnung die Serosa und
Muscularis mit dem Paquelin abtrennte und die Submucosa und Mu-
cosa möglichst tief zur Verschorfung brachte. Wenn so dem ganzen
zu exstirpierenden resp. invaginierenden Teile mit dem Paquelin die
Serosa und Muscularis genommen und die Mucosa verschorft war,
überstanden die Tiere ohne nennenswerte Störungen die Operation.
Bei dem Versuche, die Pyloroplastik von Mikulicz durch Ein-
nähung einer uneröffneten Darmschlinge in die Pylorusschnittwunde
zu komplettieren, gewann W. interessante Resultate über die Selbst-
verdauung. Er beobachtete nämlich, daß, wenn er irgendeine Darm-
schlinge, ohne ihre Zirkulation irgendwie zu schädigen, mit ihrer dem
Mesenterialansatz entgegengesetzten Seite in das Magenlumen einnähte
und so der Wirkung des Magensaftes aussetzte, schon nach wenigen
Tagen die eingenähte Partie der Darmwand verdaut wurde, der Darm
sich also öffnete und die Schleimhaut der der eingenähten Partie gegen-
überliegenden Seite der Darmschlinge frei vorlag.
4 — 134 —
Gleiche Versuche bei künstlich neutral gemachtem Magensafte der
Hunde hatten bisher noch kein einwandsfreies Ergebnis.
Diese durch den Magensaft bewirkte Selbstverdauung des Darmes
hat W. dann dazu benutzt, die Gastroenterostomie ohne Eröff-
nung des Magens und Darmes in der Weise herzustellen, daß er
das Stück in der Magenwand durch Durchschneidung der Serosa und
Muscularis mit dem Paquelin und flächenhafte Verschorfung der Mu-
cosa zur Abstoßung brachte, und nachdem diese in 2—3 Tagen statt-
gefunden, den nun vorliegenden Darm der verdauenden Wirkung des
Magensaftes überließ.
Die nach der Literatur häufig beobachteten Verengerungen
der Anastomose bei der Gastroenterostomie haben W. veranlaßt, auch
in dieser Richtung Experimente zu unternehmen. W. unterscheidet
eine primäre, d.h. sofort nach der Operation auftretende Verenge-
rung bei der Gastroenterostomie und nimmt an, daß dieselbe teils durch
ein infolge der Operation entstandenes Odem, teils durch zu weit
stehen gebliebene Schleimhaut bedingt würde. Er hat deshalb bei
mehreren Patienten sowohl mit Gastroenterostomie als mit Resektion des
Pylorus ein Dauerschlundrohr! eingelegt, welches, in 120 cm Länge
nach seinen Angaben gefertigt, in den unteren 50 cm die Circumferenz
eines starken Schlundrohres, in den oberen 70 cm dagegen so schwach
ist, daß es, durch die Nase geführt, irgendwelche Druckusuren an
der Nasenschleimhaut, dem Larynx oder Bronchus nicht verursacht.
Er hat dieses Schlundrohr, welches noch ca. 20 cm in den Darm
hineinreicht, so lange, bis die Pat. das Bett verließen, d.h. ca. 10 bis
12 Tage, liegen lassen und dadurch erstens sofort nach der Operation
mit forcierter Ernährung — die Pat. bekamen schon am Operations-
tage bis zu 1 Liter Flüssigkeit in das Dauerschlundrohr injiziert —
beginnen können, zweitens aber bildete sich an der Stelle der Ana-
stomose, der Circumferenz des Dauerschlundrohres entsprechend, ein
weites, rundes Lumen, welches nach Entfernung des Dauerschlundrohres
weit klaffte, und unter dem sich der Darm senkrecht einstellte; drittens
aber hatte in den 10—12 Tagen der zumeist ja dilatierte Magen bei
der langen, absoluten Leere Zeit, sich stark zu kontrahieren, so daß
nach Entfernung des Dauerschlundrohres von einer eigentlichen Dila-
tation entweder überhaupt nicht mehr die Rede sein konnte, oder
dieselbe doch bedeutend verringert war.
Gegen die sekundäre Verengerung, welche ja, wie in der
Literatur beschrieben, zuweilen Monate nach der Operation zum völli-
gen Verschwinden der ursprünglich angelegten Anastomose geführt
hatte, will W. eine Gastroenterostomie in Anwendung bringen, welche
er als trichterförmige Gastroenterostomie bezeichnet. Dieselbe,
an Hunden erprobt, bietet die Vorteile der Roux’schen Y-Methode,
— — —— — —
1 Das Dauerschlundrohr kann von dem Instrumentenmacher Fr. Baumgartel
in Halle a. S. bezogen werden.
— 135 — [5
d. h. die Unmöglichkeit des Circulus vitiosus, aber im Gegensatze zu
Roux ohne Kontinuitätstrennung des Darmes. Dabei hat der Darm,
an der großen Kurvatur des Magens angenäht, ebenso wie bei der
Y-Methode einen völlig senkrechten Abgang vom Magen. Diese Me-
thode hat aber im (segensatz zur Roux’schen den Vorteil, daß, wäh-
rend bei der Roux’schen Y-Methode die Circumferenz des Darmes an
der Annähungsstelle durch die Annähung als solche notgedrungen eine
gewisse Verengerung erleiden muß, W. bei seiner Methode diese An-
nähungsstelle beliebig groß, d. h. talergroß, Smarkstückgroß und größer
gestalten kann. Diese Trichterbildung, bei welcher der weite Teil
des Trichters zur Annähung an den Magen kommt und der spitze
Teil des Trichters durch den abführenden Teil des Darmes gebildet
wird, wird dadurch herbeigeführt, daß der Darm zu einer Schlinge
eingeschlagen und so vernäht wird. Wie diese Schlingenbildung und
somit die Flächenvergrößerung herbeigeführt wird, erklärt vielleicht
noch besser ein Vergleich dieser Art der Gastroenterostomie in ihrer
Form mit einem Schneckenhaus; dabei würde der weite offene Teil
des Schneckenhauses gebildet von dem zuführenden Teil und der
schlingenförmig eingeschlagene und schließlich sich zur Spitze verjüngende
Teil des Schneckenhauses von dem abführenden Teile der verwandten
Darmschlinge.
Das gleiche Prinzip der Flächenvergrößerung hat W. auch be-
nutzt, um Defekte nach umfangreichen Resektionen aus der Kontinui-
tät des Magens dadurch zu decken, daß er ein Stück des Dünndarmes
mit seinem Mesenterialansatz aus der Kontinuität herausnahm, entspre-
chend schlingenförmig vereinigte, dadurch eine beliebig zu vergrößernde
Darmfläche gewann und diese in den Defekt der Magenwand einnähte.
Die Beschreibung dieser Plastik ist ebenso wie die der trichter-
förmigen Gastroenterostomie in einem kurzen Referat ohne Abbildun-
gen nur schwer möglich.
Zum Schluß erwähnt W. ganz kurz, daß er die Operationen, so-
weit der Darm in Betracht kam, ebenso wie andere Experimente an
der Milz, Leber usw. unter Blutleere ausführte, und diese Blutleere
wurde in möglichst schonender Weise durch ein Instrument bewirkt,
welches W. demonstriert und als pneumatische Klemme bezeichnen
möchte.
6) — 136 —
II.
Wullstein (Halle a. S.). Eine neue Operationsmethode der
kongenitalen Luxation der Patella.
W. beschreibt, nachdem er die bisher üblichen Operationsmethoden
der habituellen und kongenitalen Luxationen der Patella erwähnt hat,
kurz eine Methode, welche unter all den bisher üblichen einzig und
allein als »Kapselplastik« bezeichnet werden kann. Angewandt hat
W. dieselbe bei einer völlig irreponiblen kongenitalen Luxation der Pa-
tella, bei der die Patella fast gänzlich unverschiebbar an der Außen-
seite des Kniegelenkes stand.
Von der Ansicht ausgehend, daß bei solchen Luxationen die Zir-
kumferenz der Kapsel nicht vergrößert ist, sondern nur ein großes
Mißverhältnis zwischen innerem und äußerem Kapselteile besteht, hat
W. den Überschuß des inneren Kapselteils, der nach Umschneidung
der Patella und Reposition der Patella an ihre normale Stelle zurück-
blieb, benutzt und in den gleich großen Defekt, welcher nach der
Reposition an der Außenseite der Patella resultieren mußte, eingenäht.
Die Möglichkeit der Deckung dieses großen Kapseldefektes war in
diesem Falle die unbedingte Voraussetzung für jede operative Maßnahme.
Zu diesem Zwecke machte W. einen hufeisenförmigen Hautschnitt,
welcher ca. handbreit oberhalb des einen Epicondylus begann, nach
unten konvex über die Tuberositas tibiae verlief und wiederum ca.
handbreit oberhalb des anderen Epicondylus endigte, und präparierte
den Hautlappen nach oben zurück. Darauf mobilisierte er (s. die Ab-
bildungen) Patella (P), Quadricepsansatz — M. vastus externus (M.
v. e.), M. rectus femoris (M. r. f.) und M. vastus internus (M. v. i.) —
und Ligamentum patellae (Lig. pat.), indem er den Quadricepsansatz
und das Lig. patellae stumpf von dem oberen resp. unteren Recessus
der Kapsel abpräparierte, und umschnitt die Kapsel, und zwar den
aponeurotischen und synovialen Teil, an der äußeren Hälfte
der Patella ca. 6—7 mm vom Patellarrand entfernt in der Linie ab ab.
In gleicher Weise wurde, nachdem die Insertion des M. vastus
internus (M. v. i.) um einige Zentimeter zurückpräpariert und temporär
zurückgelegt war, die Kapsel an der Innenseite der Patella durch-
schnitten in der Linie cd cd, und zwar so, daß dieser Schnitt oben
hinter der Mitte des Rectusansatzes und unten hinter der Mitte des
Ligamentum patellae in die Endpunkte der äußeren Umschneidung
ab ab auslief. Dann legte W., dem Überschuß des inneren Kapsel-
teiles entsprechend, einen dritten Kapselschnitt ef ef an, welcher dieser
eben erwähnten inneren Umschneidung cd cd parallel verlief, oben und
unten bis zur Ansatzstelle der Kapsel reichte und mit nach innen ge-
richteter Konvexität über den Condylus internus femoris (C. i. f.) verlief.
24.437 [7
So stellte der aus der Kontinuität gelöste Überschuß des inneren
Kapselteiles einen konvex nach innen gerichteten Lappen dar, welcher
eine obere (O. B.) und untere (U. B.) Basis hatte. Dieser Lappen,
welcher genau in seiner Breite der Breite des Kapseldefektes an der
Außenseite nach Resposition der Patella entsprechen mußte, ließ sich
nun leicht hinter dem vorher mobilisierten Streckapparat, d. h. Patella,
Quadricepsansatz und Ligamentum patellae hindurchziehen und darauf
an der Außenseite der jetzt normal in ihrer Fossa patellae (F. p.) ge-
legenen und dort durch entsprechende Kapselnaht fixierten Patella
einnähen. Dabei kamen — selbstverständlich unter strenger Vermei-
dung der inneren endothelialen Kapselschicht — zur Vernähung (s. Ab-
bildung 2) der Schnittrand aa mit dd, der Schnittrand ce mit bb und
schlieBlich der Schnittrand ce mit ff.
Um den bisher gleichmäßig mit dem M. biceps femoris (M. b. f.)
als Beuger funktionierenden Quadriceps in seiner neuen Funktion als
8] =. 438. &=
Strecker zu unterstützen, nahm W. den M. sartorius (M. s.) aus seiner
Scheide und nähte ihn (vgl. die Abbildungen) tangential am inneren
Rande der Patella an.
Da diese Kapselplastik sich enorm leicht ausführen ließ, irgend-
eine nachweisbare Blutung im Kapselraum — es wurde unter Blutleere
operiert — nicht entstand und das funktionelle Resultat sowohl in
bezug auf Extension als auch auf Flexion ein durchaus gutes ist, so
empfiehlt W. diese Operationsmethode für alle Fälle von kongenitaler
irreponibler Luxation der Patella und überhaupt immer dann, wenn
ein nennenswertes Mißverhältnis zwischen innerem und äußerem Kapsel-
teile besteht.
Ill.
Wullstein (Halle a.S.). Eine neue Operationsmethode der
Leistenhernie.
So sehr auch die Therapie der Leistenhernien von Bassini und
Kocher gefördert ist, und so viele Modifikationen dieser grundlegen-
den Methoden angegeben sind, immer bestehen noch die Worte von
v. Bergmann zu Recht, die er auf dem Chirurgenkongreß 1891 in
der sich an die Vorträge von Landerer und Escher anschließenden
Diskussion äußerte, daß die Radikaloperation der Leistenhernie bei
Frauen zwar die besten Resultate liefere, daß seines Erachtens
aber eine Methode der Radikaloperation der Leistenhernie beim
Manne, die absolut vor Rezidiven schützt, nie gefunden würde. Es
bliebe beim Manne, man möge die Operation modifizieren, wie man
wolle, immer eine Lücke am Bauchfell, an der Durchtrittstelle des
Samenstranges übrig, die leicht ausgebaucht und damit von neuem
zur Bildung eines Bruchsackes Veranlassung geben könnte. Dieser
Übelstand lasse sich nur durch gleichzeitige Kastration vermeiden.
Und in der Tat ist die Kastration ja auch von den radikalsten Opera-
teuren zur definitiven Beseitigung des Leistenbruches empfohlen wor-
den. Andere wiederum, die sich das Ziel gesetzt, den Leistenkanal
völlig zu beseitigen, um damit gleiche Verhältnisse wie bei der Frau
zu schaffen, wollten den Hoden zurücklagern in das properitoneale
Gewebe. In bezug auf die Kosmetik ist diese Operation gleich zu
erachten der völligen Kastration, und nur wenige Pat. werden für die
eine oder andere dieser Operationen zu haben sein.
Auch bei dem von mir geübten Öperationsverfahren ist die völlige
Beseitigung des Leistenkanales das Ziel der Operation.
Unter den vielen Modifikationen, welche die Bassini’sche Opera-
tion erfahren hat, waren es Bommarito, Nélaton und Ombré-
danne, Frank und Wölfler, welche in gleicher Weise den Leisten-
kanal völlig zu beseitigen sich bestrebten.
Bommarito beseitigt den Leistenkanal dadurch, daß er das
Lig. Pouparti spaltet und den Samenstrang in den Schenkelkanal
— 139 — [9
verlagert. — Wohl kaum wird dieses Verfahren von anderen geübt wer-
den, denn zweierlei Mängel sind es, die ihm anhaften. Erstens wird
sicherlich der in den Schenkelkanal verlegte Samenstrang eine Prä-
disposition zum Schenkelbruch abgeben, und zweitens würde es kaum
ein Operateur unternehmen, das Lig. Pouparti, hen Strang, der das
Bauchdeckensegel straff gespannt erhält, in seiner Kontinuität und
Resistenz zu schädigen.
Frank einerseits und Nelaton und Ombredanne andererseits
wollten die Beseitigung des Leistenkanales dadurch herbeiführen, daß
sie nach Zurückklappen
des medialen Teiles des Fig. 1.
Poupart’schen Bandes
resp. Zurückpräparieren
des Periosts in der Ge-
gend des Tuberculum
pubicum im horizontalen
Schambeinast eine Kno-
chenlücke resp. -Rinne
schufen, die sie, um der
Entstehung einer direkten
Leistenhernie vorzubeu-
gen, so knapp bemaßen,
daß sie den Samenstrang
nur gerade hineinzwängen
konnten. — Daß diese
Methode, abgesehen von
ihren Autoren, noch von
anderen geübt wurde, habe
ich aus der Literatur
nicht ersehen können; und
in der Tat, die Frank-
sche Knochenrinne muß
nach meinem Dafürhalten
durch Proliferation von
seiten des Periosts in
kurzer Zeit illusorisch
werden, und bei der Né-
laton’schen Knochen-
liicke umgibt den Samen-
strang von allen Seiten eine Spongiosawundfliche, die ihrerseits zu
weiteren und voraussichtlich verhängnisvollen Verengerungen führen
muß.
Wölfler nahm bei seiner ersten Methode den Hoden mit seinen
Häuten aus dem Scrotum heraus, schob ihn hinter dem Rectus durch,
leitete ihn in der Linea alba heraus und an seine Stelle ins Scrotum
zurück. — In dankenswerter Weise ließ Wölfler schon nach wenigen
Füllen durch seinen Assistenten v. Frey publizieren, daß er bei dieser
10) = 140: ==
Operationsmethode üble Folgezustände, wie Hodenatrophie usw., bemerkt
hätte, und er gab infolgedessen dieses auf völlige Beseitigung des
Leistenkanales ausgehende Verfahren zugunsten seiner ungefährlichen
Verlagerung des Rectus wieder auf.
Gleichwohl das Ideal muß sein: ein völliges Verschwinden
des Leistenkanales, ein kompletter Verschluß der seitlichen
Bauchdeckenwand heran bis zum Tuberculum pubicum und
zum Rectusrand und dabei ein absolut zwangloser Verlauf
des Samenstranges ohne jede auch nur irgendwie beab-
sichtigte Einengung desselben.
Fig. 2.
M. obl. int.
Aponeurosis 0 ae —
M. obl. ext. Daccus h. Inguin.
* Fascia transversa
Lig. Poupart. — A. u. V. epigastr.
Das Verfahren, das ich geübt habe, gestattet eine komplette
Vernähung des abdominellen Leistenringes und des ganzen
Leistenkanales in seinen sämtlichen vier Schichten, d. h. der Apo-
neurose des Externus, Internus, Transversus und der Fascia trans-
versa mit dem Poupart’schen Bande. Diese Methode, sie gewährleistet
dem in die Schicht des properitonealen Fettgewebes gelagerten Samen-
strang \s. Fig. 2 und 3) einen Verlauf, frei von jeglicher Einengung.
Wie er mit seinem Vas deferens von der Blase und mit seinem Plexus
= 4 11
von den Gefäßen in der Schicht des properitonealen Fettgewebes
kommt, so verläuft er, nachdem er sich um die epigastrischen Ge-
fiBe herumgeschlagen hat, in der gleichen Schicht des lockersten Ge-
webes, welches wir ihm zur Verfügung stellen können, hinter der Fascia
transversa weiter, frei von jeder Einengung. |
Ich mache einen Hautschnitt, der am Tuberculum pub. (s. Fig. 1)
beginnt resp. endet, in leichtem Bogen nach oben und ca. 1—2 Quer-
finger breit vom Poupart’schen Band entfernt demselben ungefähr
parallel bis zur Gegend des abdominellen Leistenringes verläuft. Der
so umschnittene Hautlap-
pen wird bis zu seiner Basis Fig. 3.
am Poupart’schen Bande |
zurückpräpariert. Darauf ES *
wird der Bruchsack isoliert BE
und der Leistenkanal ge- —
spalten bis zum abdomi- 2° —
nellen Leistenring. Der bis 7
zum abdominellen Leisten-
ring freipräparierte Bruch-
sack wird möglichst stark
hervorgezogen und in der
gewöhnlichen Weise abge-
tragen, aber so hoch, daß
ein nennenswertes Infun-
dibulum nicht bestehen
bleibt. Vom Samenstrange
werden weiter die Crema-
sterfasern abpräpariert und
mit dem am Poupart’schen
Bande befindlichen Lappen
der Aponeurose des M.
obliquus externus in Ver-
bindung gelassen. Oberhalb
des den JLeistenkanal eröff-
nenden Schnittes bleiben } J—
die drei Schichten — Apo- G: f
neurose des Externus, In-
ternus und Transversus —
in festem Zusammenhang. Jetzt wird unter Schonung der epigastrischen
Gefäße auch die Fascia transversa gespalten, vorläufig bis zur Gegend
des subkutanen Leistenringes, und der Samenstrang in die nun vor-
liegende Schicht des properitonealen Fettgewebes (s. Fig. 3) hinein-
gelegt und die Bauchdecken in allen ihren vier im Zusammenhange
gebliebenen Schichten, d. h. der Aponeurose des M. obliquus externus,
des Internus, Transversus und der Fascia transversa unter völligem
Verschluß des abdominellen Leistenringes mit dem hinteren Rande
des Poupart’schen Bandes bis fast zur Gegend des subkutanen Leisten-
ù e Se í X N x Y
` ENAA WA TA a"
“rn u
12} — 142 —
ringes hin vernäht. Bei der Anlegung dieser Nähte steche ich bei
jeder einzelnen Naht am Poupart'schen Bande etwas weiter medial-
wärts aus, als ich an den Bauchdecken eingestochen habe; auf diese
Weise werden selbst schlaffe seitliche Bauchdecken nach der Mittel-
linie hin scharf gerafft und gespannt.
Dann schreite ich zur Bildung eines plastischen Lappens, wie ihn
die Fig. 4 darstellt, d. h. ich lasse den medianen Hautschnitt durch
den Assistenten möglichst weit über den Rectusrand nach innen ziehen,
durchschneide quer die vordere Rectusscheide unmittelbar oberhalb
der Symphyse über den
Fig. 4. äußeren zwei Dritteln
des betreffenden Rec-
— tus, bis dieser resp.
— der M. pyramidalis in
J seinen Fasern sichtbar
BOSS wird, und von dem
F bi medianen Ende dieses
ae Horizontal -Schnittes
ss führe ich weiter einen
bogenförmigen Schnitt,
der am äußeren Rectus-
rand ungefähr 4 cm
oberhalb des Tuber-
culum pubicum endigt,
nach oben und außen.
Besser und sicherer
vielleicht noch ist es,
wenn man die letzt-
erwähnte bogenförmige
Umschneidung des
Lappens zuerst aus-
führt und daran erst
die quere Durchschnei-
dung der vorderen Rec-
tusscheide unmittelbar
oberhalb der Symphyse
anschließt.
Dieser so umschnit-
tene Lappen aus der vorderen Rectusscheide wird mit wenigen
Messerzügen bis an den äußeren Rectusrand zurück präparariert.
Ein kleines aus dem Muskel in die Rectusscheide übertretendes Ge-
fäß muß gewöhnlich dabei unterbunden werden. Wenn der Lappen
bis zum Rectusrande zurückpräpariert ist, und ich mit den beiden
Pinzetten auch hier am Rectus in die Schicht des properitonealen
Fettgewebes eingedrungen bin, hindert mich am völligen Hochklappen
dieses gebildeten Lappens nur noch, wie es auf der Fig. 5 sichtbar
ist, der bisher stehengebliebene innere Ringpfeiler. Nachdem derselbe
— 43 — [13
unmittelbar oberhalb des Tuberculum pubicum resp. des medialsten
Teiles des Poupart’schen Bandes mit einem entsprechend gebogenen
Instrument in der Schicht des properitonealen Fettgewebes umgangen
ist, wird er, wie die Fig. 5 (siehe die punktierte Linie) es zeigt, auf
diesem Instrumente gespalten.
Jetzt ist der gebil-
dete Lappen, welcher
innen aus der vorderen |
Rectusscheide besteht *
und nach außen vom 8
Rectusrande sich in die
aponeurotische Aus-
strahlung des Externus,
Internus, Transversus
und der Fascia trans-
versa fortsetzt, völlig
mobil, und es gelingt
selbst bei großen Brü-
chen mit großem subku-
tanem Leistenringe die
Vernähung der Bauch-
decken mit dem Pou-
part’schen Band ohne
nennenswerte Spannung.
Dieser der Vorder-
seite des Rectusrandes
entnommene Lappen
wird jetzt hinter den
stumpf mit der Pinzette
frei gemachten und vom
Assistenten mit stump-
fem Haken erhobenen
M. rectus verlagert. Mit
anderen Worten, es wird
eine plastische Verlagerung dicses Lappens vorgenommen. Bei diesem
Akt ist, wie überhaupt während der ganzen Operation, der Pat. am
besten so gelagert, daß Hüft- und Kniegelenke leicht gebeugt sind.
Bevor jedoch dieser Lappen so verlagert und an der verlagerten
Stelle fixiert wird, werden erst die drei Nähte gelegt, die zu seiner
Fixierung notwendig sind, und zwar, wie die Fig. 6 es zeigt, eine
horizontal gestellte a und zwei senkrecht resp. schräg gestellte b und c.
Zur Anlegung der unteren Naht a wird der M. rectus am medialsten
Teile seiner freigelegten Partie unmittelbar oberhalb der Symphyse
unter Leitung des Fingers von vorn nach hinten durchstochen, die
Nadel am Rectusrande hervorgeführt und nun an entsprechender Stelle
durch den unteren Rand des Lappens durchgeführt, nachdem der
Samenstrang nach oben genommen ist; darauf wird die Naht wiederum
Fig. 5.
14) ee A
von hinten her durch den Rectus geführt, und zwar von der ersten
Einstichstelle ebensoweit entfernt, wie die Entfernung des Ein- und
Ausstiches an dem Lappen beträgt. Während bei Anlegung dieser
Naht der Samenstrang oberhalb derselben liegt, liegt er bei der nun
folgenden unterhalb derselben. Die erste senkrecht gestellte Naht b
bleibt so weit von der eben angelegten horizontalen a entfernt,
daß für den Samenstrang in ganz bequemer, überaus aus-
reichender Weise Platz ist. Wir verfahren wieder so, daß
wir am Rectus am medialsten Teile der freigelegten Partie ungefähr
Fig. 6.
oO
2— 21, cm oberhalb der Symphyse einstechen, die Nadel, welche
selbstverständlich unter peinlichster Vermeidung der Blase durch den
Muskel geführt wird, am äußeren Rectusrand in Empfang nehmen
und nun in entsprechender Entfernung von der erstgelegten Naht die
Nadel durch den plastischen Lappen hindurchführen und, nachdem
sie dort hindurchgeführt ist, wieder an entsprechender Stelle von hinten
her den Rectus durchstechen. In gleicher Weise wird eine etwas mehr
a =: (15
schräg gestellte dritte Naht mehr dem Rectusrand genähert angelegt.
Diese Naht kann, wenn wir einen breiten plastischen Lappen bilden,
— und das letztere wird nie schädlich sein —, oder wenn ausnahms-
weise bei dem betreffenden Individuum die epigastrischen Gefäße weit
unten an den Rectusrand herantreten, schon im Bereiche der Arteria
und Vena epigastrica liegen; dieselben werden dann stumpf mit der
Pinzette in das properitoneale Fettgewebe zurückgedrängt und so beim
Anlegen der Naht vor dem Einstechen geschützt.
Diese drei Nähte
werden, wie es Fig. 6 Fig. 7.
zeigt, erst geknotet,
nachdem sie alle ge-
legt sind. Der Samen-
strang verläuft hinter
dem plastischen Lap-
pen, d.h. in der Schicht
des properitonealen
Fettgewebes, und zwar |
oberhalb der unteren |
horizontal gestellten
Naht a und unterhalb
der zweiten senkrecht
gestellten Naht b. So-
bald jetzt die drei ge-
legten Nähte angezogen
werden, wandert der
auf der Fig. 6 und bei
der Anlegung der Näh-
te noch außerhalb des
Rectusrandes gelegene
Lappen hinter den
Rectus, und zwar mit
. seinem medialen Rande
soweit medialwärts, wie
wir es durch die An-
legung der Nähte be-
stimmt haben. Bei die-
ser Wanderung zieht er den Samenstrang schlingenförmig mit (vgl.
auf Fig. 7 den durch die punktierte Linie dargestellten Verlauf des
Samenstranges); d. h. der Samenstrang verläuft in der Schicht des
properitonealen Fettgewebes weiter hinter der aponeurotischen Aus-
strahlung des Externus, Internus, Transversus und der Fascia trans-
versa resp. hinter dem plastisch verlagerten Lappen, schlägt sich am
Rande dieses T,appens um und kommt zwischen dem plastisch ver-
lagerten Lappen und dem M. rectus zum Rectusrande zurück. Der
Rand dieses plastischen T,appens resp. die Umschlagsstelle des Samen-
stranges hinter dem Rectus um diesen Rand liegt, wenn die Operation
16} ==, 146: =
richtig ausgeführt ist, schon hinter der medialen Hälfte des betreffen-
den Rectus, und zwar unmittelbar — jedenfalls in den untersten
2 cm — oberhalb der Symphyse hinter der Rectusinsertion. |
Jetzt ist zum völligen Verschluß des lieistenkanales nur noch
nötig, die zuerst unterbrochene Naht der seitlichen Bauchdeckenwand
(s. Fig. 7) gegen den hinteren Rand des Poupart’sches Bandes bis zum
Rectusrand hin zu vollenden, und nichts hindert uns, sie bis zum
Rectusrand hin in kompletter Weise auszuführen; ja die unterste Naht
am Rectusrand faßt den letzteren schon fest mit.
Da nach außen vom Rectusrand es den Bauchdecken an musku-
lärer kontraktiler Substanz mangelt, so nähe ich nach dem Vorgehen
von Wölfler den äuße-
Fig. 8. ren Rectusrand so weit
wie möglich noch an das
Poupart’sche Band, in-
dem ich aber auch bei
| dieser Naht dem Samen-
J strange reichlichen Platz
* belasse.
IA Jetzt restiert nur
—J noch, den unteren Lap-
| s pen der Externus-Apo-
ER». neurose nach oben zu-
— rückzuschlagen und, wie
es Girard getan, dort
am oberen Teile der
Aponeurose zu fixieren.
Zumeist gelingt es aber
auch noch, zumal wenn
durch Flexion der Beine
das Becken aufgerichtet
und die Bauchdecken
entspannt werden, den
Rand der Rectusscheide
(siehe Fig. 9) bis an die
Symphyse resp. den un-
"IS teren Lappen der Ex-
S) ternus-Aponeurose oder
F das Poupart’sche Band
heranzuziehen, so daß
also auch der vordere
Teil des Rectus wieder von einer Scheide bedeckt ist.
So also ist ein kompletter Verschluß der seitlichen Bauch-
decken bis zum Rectusrand hin und weit darüber hinaus er-
reicht und der Leistenkanal zum völligen Schwund gebracht. Dabei
erleidet der Samenstrang keinerlei Kompression oder Aerrung,
und auch im Gebiete des Rectus erfahren die Bauchdecken keinerlei
a
rad
*
4i Fi e
=. 117 i 17
Resistenzveränderung; denn die gleichen Schichten, welche die Bauch-
wand bilden, bleiben erhalten, nur mit dem Unterschiede, daß jetzt
auch im Bereiche des plastisch verlagerten Lappens der M. rectus
neben der vorderen auch eine hintere Scheide aufzuweisen hat.
Wenn wir also unter einem Leistenkanal einen die Bauchdecken
durchsetzenden schrägen Kanal verstehen, dessen Verlauf der Verlaufs-
richtung des intraabdominellen Druckes entspricht, so können wir von
dieser Operationsmethode mit Fug und Recht sagen, daß ein solcher
Kanal nicht mehr existiert, daß derselbe völlig beseitigt ist.
Jede Möglichkeit zum
Austritt einer Peritoneal- Fig. 9.
ausstülpung ist genommen: ala
Erstens, weil der zwischen —
dem plastisch verlagerten —
Lappen und dem M. rectus [I
für den Samenstrang geblie-
bene Spaltraum so absolut
unmittelbar oberhalb der
Symphyse gelegen ist, daß |
selbst die peritoneale Um- |
schlagstelle wohl nicht mehr
in Betracht kommt; und
zweitens, selbst wenn wir
noch in deren Bereich ope-
rieren sollten, so wäre das
an einer Stelle, wo von einem
Nt
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intraabdominellen Druck —
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überhaupt nicht mehr die 2
Rede sein kann. Anderer- —
seits ist diese Verlaufsrich-
tung des für den Samen-
strang gebliebenen Schlitzes
eine dem intraabddominellen
Druck gerade entgegenge-
setzte. Es wird also nicht
nur, selbst bei dem stärksten
intraabdominellenDruck und
vorausgesetzt, daß die peri-
toneale Umschlagsstelle noch als nennenswerter Faktor hier in Be-
tracht kommt, sich Peritoneum in diesen Spaltraum, obgleich wir ihn
so groß lassen, daß der Samenstrang sich in ihm beliebig tummeln
kann, nicht nur nicht hineinpressen, sondern im Gegenteil, je stärker
der intraabdominelle Druck ist, desto stärker wird der verlagerte
plastische Lappen von hinten her an die hintere Rectuswand angepreßt
und der Möglichkeit der Entstehung einer Hernie entgegengearbeitet.
— Kurz, wir haben noch idealere Verhältnisse als bei der gleichen
Operation beim Weibe, wo wir, wenn wir die Genitalorgane nicht
en
fn
en.
18) — 1488 —
event. schädigen wollen, doch immerhin dem Lig. rotundum einige
Rücksicht schuldig sind.
Und dem entsprechend sind die Resultate bei den 19 bisher —
der erste Fall wurde im März 1905 operiert — nach dieser Methode
von mir operierten Pat., welche indirekte und direkte, reponible und
irreponible, kleinere und überaus große Brüche hatten und bis auf
einen 6jährigen Knaben sämtlich Erwachsene, zum Teil alte Männer
waren.
In allen Fällen war die Heilung eine primäre und die Resul-
tate so sichere, daß ich kein Bedenken trug, die Pat. durchschnittlich
8—14 Tage nach der Operation aufstehen und in einigen Fällen schon
9—12 Tage nach der Operation nach Hause zu lassen.
Ein Rezidiv ist bei primärer Heilung eine absolute Un-
möglichkeit, eine Schädigung des Hodens oder Samenstranges bei
vorschriftsmäßig ausgeführter Operation völlig ausgeschlossen.
IV.
Wullstein (Halle a. S.). Demonstration von pathologisch-
anatomischen Präparaten, welche nach der Eisler’schen
Methode? konserviert sind.
W. demonstriert Präparate, und zwar Knochengelenkpräparate,
Hirnschnitte, Schnitte von Nierentumoren (s. Fig. 1), Pyonephrose mit
Nierensteinen (s. Fig. 2) und Medianschnitte von Becken mit den
Beckenorganen (s. Fig. 3 und 4), welche in Glyzeringelatine eingelegt
sind.
Diese Methode ist besonders geeignet zur Konservierung von
Präparaten, welche, wie das Gehirn, leicht auseinander fallen, und bei
denen es, wie bei Nierensteinen oder wie bei Hohlorganen, der Ge-
lenkkapsel, dem Blasenlumen usw. auf die Erhaltung der Form an-
kommt.
Die Präparate werden in Formalin oder in Kaiserling’scher
Lösung in toto gut gehärtet und dann in gefrorenem oder ungefrore-
nem Zustande mit Säge oder Messer in die gewünschten Schnitte zer-
legt. Die dabei auf der Schnittfläche entstandenen Verunreinigungen
durch Sägemehl usw. werden vorsichtig mit den Fingern oder einem
weichen Pinsel entfernt, und zwar am besten in 50%igem Alkohol, in
welcher Flüssigkeit die Präparate 2—3 Tage liegen bleiben. Dann
werden die Präparate ungefähr für die gleiche Zeit in Glyzerinwasser
(zu gleichen Teilen) gelegt, um schließlich in runde, möglichst plane
Glasschalen mit Glyzeringelatine eingegossen zu werden.
Wichtig ist, daß die Glyzeringelatine absolut klar ist; das er-
reicht man am besten in der Weise, daß man 100 g beste weiße
ı Eisler, Verhandlungen der anatomischen Gesellschaft, XVI. Versammlung
in Halle a. S. 1902, p. 244.
=; Wen [19
Gelatine in kaltem Wasser quellen und diese in 1000 ccm auf dem
Wasserbade erhitzten Wassers schmelzen läßt, dazu 1000 ccm besten
Glyzerins gießt, zur Vermeidung der Schimmelbildung etwas Phenol
(1:100) und zur völligen Klärung ein zu Schnee geschlagenes Eiweiß
hinzutut und das Ganze in geheiztem Trichter durch ein Faltenfilter
oder einen Wattepfropf filtriert.
Fig. 1.
Zu den weiteren Manipulationen muB die Gyzeringelatine flüssig
erhalten werden auf dem Wasserbad, und zwar genau bei 50—55° C,
wenn anders die Klarheit und Durchsichtigkeit der Gelatine nicht
leiden soll.
Mit der fliissigen Glyzeringelatine wird der auf eine eingefettete
Glasplatte gelegte Schnitt ganz langsam übergossen, bis er von
einer leicht konvexen Gelatineschicht überzogen ist. Dieses Übergießen
muß um so langsamer geschehen, je mehr Hohlräume vorhanden sind,
und dabei müssen alle Luftblasen mit einem Glasstäbchen oder Glas-
20) = 150. =
Fig. 3.
V. u. = Vesica urinaria. T. = Tumor (Sarkom) im Mesokolon.
R. = Rektum. Fi. s. = Flexura sigmoidea.
S. = Symphyse. U. = Urethra.
>
Digitized by Google
ro
=. Sal. — [21
röhrchen auf das sorgfältigste entfernt werden. Darauf wird der
Schnitt von der Glasplatte abgehoben und mit der konvex gelatinier-
ten Seite in eine plane Glasschale gelegt, welche, in Wasser von 55° C
schwimmend, entsprechend erwärmt ist. Dadurch wird die über der
Schnittfläche befindliche konvexe Gelatineschicht gelöst, und der Schnitt
legt sich dem Boden der Glasschale fest an, wobei wieder auf das
peinlichste darauf zu achten ist, daß nicht etwa Luftblasen zwischen
Präparat und Glas zurückbleiben. Zu dieser Kontrolle plaziert man
die Glasschale am besten auf einem Stativ so, daß die Unterfläche
Fig. 4.
V. u.= Vesica urinaria. R. = Rektum. S. = Symphyse.
P. = Prostata. U. = Urethra.
der Glasschale resp. des Präparates von Zeit zu Zeit der Betrach-
tung bequem zugiinglich ist. Ist dann der Schnitt durch eine geringe
zugegossene und erstarrte Gelatineschicht am Boden der Glasschale
zum Haften gebracht, so kann dann unter weiterer sorgfältiger Ent-
fernung der Luftblasen so viel Gelatine zugegossen werden, bis der
Schnitt völlig bedeckt ist.
Gewöhnlich kommt es an dem fertig gegossenen Präparate nach-
träglich noch zu einer geringen Schrumpfung der Gelatine; deshalb
ist es untunlich, die Glasschale vollständig mit Gelatine zu füllen und
einen Deckel aufzulegen, da sonst leicht bei eintretender Schrumpfung
Luftblasen zwischen Gelatine und Deckel auftreten. >
Bei der horizontal auf einem Holzstativ (s. Fig. 2—4' montierten
Glasschale läßt man infolgedessen den Deckel am besten ganz weg und
stellt die Glasschale mit ihrem freien Rand in eine ausgesehnittene Rinne
des Holzstativs; auf diese Weise ist der Deckel ganz entbehrlich; die
Oberfläche der Gelatine ist durch das Stativ vor Staub geschützt, und
eine event. nachträglich eintretende Schrumpfung der Gelatine kann
unangenehme Folgezustände nicht zeitigen.
Bei aufrecht auf Stativen (s. Fig. 1) angebrachten Glasschalen
schneidet man den Deckel so klein, daß er unter einem gewissen
Spielraum in die Schale hineingelegt und der die Schale nur unvoll-
kommen ausfüllenden Gelatine unmittelbar aufgelegt werden kann.
Sollten trotz dieser Vorsichtsmaßregeln gelegentlich mal in der
Gelatine oder zwischen Gelatine und Deckel Luftblasen auftreten, so
schneidet man das Präparat so knapp wie möglich aus der Gelatine
aus und gießt es von neuem.
Wenn die Methode auch umständlich und etwas teuer ist und
die exakteste Ausführung voraussetzt, so werden damit für den Unter-
richt doch Demonstrationsobjekte gewonnen, mit denen keine andere
Methode der Konservierung und Fixierung in Konkurrenz treten kann.
Die Medianschnitte von Becken, welche W. angefertigt hat, ver-
anschaulichen
1) die physiologische Impression der Blase durch den Uterus,
2) eine Impression der Blase durch ein Sarkom des Mesokolon
bedingt (s. Fig. 3‘,
3) eine Impression bei einer durch Retentio urinae infolge von
Prostatahypertrophie vergrößerten Blase, welche durch das
Promontorium bedingt ist (s. Fig. 4), und
4) eine doppelte Impression an der Blase, welche einerseits durch
eine linksseitige dystopische Niere und andererseits durch das
nach rechts verlagerte Rektum bedingt ist.
V.
Wullstein (Halle a.S.). Diskussion zum Vortrag Graser (52):
»Zur Technik der Radikaloperationen großer Nabel- und Bauch-
wandhernien«.
Meine Herren! Ich habe in der v. Bramann’schen Klinik in
Halle mehrere Male Gelegenheit gehabt, große Bauchwandhernien in
der Mittellinie zwischen Brustbein und Nabel zu operieren, welche
dadurch entstanden waren, daß längere Zeit nach der Operation die
Wunde tamponiert werden mußte.
Im speziellen operierte ich in einem Falle, bei dem Geh.-Rat.
v. Bramann 2!/, Jahr zuvor eine Pankreascyste operiert hatte. Die
Tamponade und die Drainage, unter der die Cyste zur Ausheilung
kam, währte mehrere Wochen. Der Endeffekt mußte natürlich eine
Bauchwandhernie sein; welche fast Handgröße hatte.
— 153 — (23
Da dieselbe dicht unterhalb der Rippenbögen begann, hatte ich
Bedenken, ob ich wohl die Mm. recti nach Mobilisierung in ihrer
Scheide zur Vereinigung bringen könnte. Und so dachte ich denn
daran, vom Pectoralis major, der ja mit dem untersten Teile seiner Portio
sternocostalis noch vom medialsten Teile des Rippenbogens seinen Ur-
sprung nimmt und außerdem eine konstante Ursprungszacke (Portio
abdominalis) an dem vorderen Blatte der Scheide des M. rectus abdo-
minalis hat, den äußeren Rand abzuspalten, den abgespaltenen Teil kurz
vor seiner Insertion am Oberarm zu durchtrennen und so den nur noch
an seiner Ursprungsstelle haftenden Teil des Muskels nach unten um-
zuschlagen und in den Muskeldefekt einzunähen. Die anatomische
Präparation an der Leiche zeigte mir jedoch, daß dieses Vorgehen
nicht zu einem funktionell guten Resultate führen könnte, weil diese
Muskelplastik nicht ausführbar war ohne Durchschneidung oder Durch-
reißung des Nerven; mithin wäre das von Hildebrand aufgestellte Po-
stulat nicht erfüllt, nach welchem ein zur Muskelplastik resp. Muskel-
transplantation verwandter Muskel, falls er als solcher nicht zugrunde
gehen soll, durch intakte Nerven mit seinem motorischen und trophi-
schen Zentrum in Verbindung bleiben muß und die mit den Nerven ein-
tretenden Gefäße erhalten bleiben müssen. Der implantierte Muskelteil
hätte mithin seine Kontraktionsfähigkeit eingebüßt, wäre also funk-
tionell nur noch einer Bindegewebsmasse gleich zu erachten gewesen,
und ein Rezidiv würde unter diesen Umständen die voraussichtliche
Folge gewesen sein.
Fig. 1.
. TE
Sn 77— nD 9 —
rattan
Ich ging infolgedessen doch daran, eine Vereinigung der Mm. recti
zu versuchen. Beide wurden in ihrer Scheide isoliert, und nachdem
diese Isolierung möglichst weit noch über den Rippenbogen hinauf bis
zu ihrem äußersten Ursprunge fortgeführt war, gelang die Vereinigung
der Muskeln unschwer.
24) — 154 —
Zur Isolierung und Mobilisierung der Muskeln in ihrer Scheide
spaltete ich die Scheide des einen und anderen M. rectus in verschie-
dener Weise, und zwar, wie es die schematischen Zeichnungen ver-
anschaulichen sollen, die des Muskels A ungefähr an der Mitte der
Vorderseite in der Linie a und die des Muskels B an der Mitte der
Hinterseite in der Linie b. Den von der Spaltungslinie a und b medial-
wärts gelegenen vorderen, resp. hinteren Scheidenteil präparierte ich
bis über die medialen Muskelränder hinweg von den Muskeln resp.
den in demselben gelegenen Inskriptionen ab und erhielt so zwei apo-
neurotische Lappen.
Am Muskel A, wo ich die Scheide vorn (s. Fig. 2) in der Linie a
gespalten hatte, erhielt ich einen mit der Hinterseite der Rectusscheide
in Verbindung bleibenden, breiten, aponeurotischen Lappen a und am
Muskel D, wo ich an der Hinterseite die Spaltung der Scheide in der
Linie b vorgenommen hatte, resultierte nach dem Zurückpräparieren
der mit der vorderen Rectusscheide in Kontinuität gebliebene aponeu-
rotische Lappen ?. Den ersteren « vernähte ich zuerst (s. Fig. 3) mit
dem gegenüber gelegenen lateralen Spaltungsrande der hinteren Scheide
des Muskels Bin der Linie d, darauf vernähte ich die in ihrer Scheide
mobilisierten und verschobenen Muskeln A und B und schließlich über
den vernähten Muskeln den vorderen aponeurotischen Lappen £ mit
dem gegenüber gelegenen lateralen vorderen Spaltungsrande a der Scheide
des Muskels 4.
Wenn wir die anatomischen Verhältnisse bei dieser Art der Bauch-
wandhernie und das dabei von mir zur Anwendung gebrachte Operations-
verfahren betrachten, so liegt ein Vergleich mit der Syndaktylie sehr
nahe; nur die umgekehrten Verhältnisse haben wir da, das U mge-
kehrte sucht Didot durch seine Operationsmethode zu erreichen.
Bei der Syndaktylie haben wir zwei miteinander verwachsene Ge-
bilde, welche der Trennung bedürfen; hier bei dieser Bauchwandhernie
haben wir zwei getrennte Gebilde (die Mm. recti), welche wir zur Ver-
wachsung bringen wollen. Bei der Syndaktylie bildet Didot aus
den die beiden verwachsenen Finger überdeckenden Hautbrücken einen
volaren und einen dorsalen Lappen, mit denen er die getrennten Finger
umkleidet; hier bei der Bauchwandhernie bilde ich bei meinem Ope-
rationsverfahren aus den die beiden getrennten Mm. recti umkleiden-
den Scheiden einen ventralen und einen dorsalen Lappen, welche nach
der Naht die zur Verwachsung bestimmten Mm. recti als Aponeurose-
brücken überdecken.
Und bei diesem Vorgehen wird die Innervation der Mm. recti in
keiner Weise geschädigt, da die Nerven ausschließlich durch den hin-
teren lateralen Scheidenteil in die Muskeln eintreten, aus diesem
Grunde muß auch an dieser Stelle die Mobilisierung der Muskeln
äußerst schonend vorgenommen werden.
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