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BIBUOTHECA ZOOLOGICA.
Ori^inal-^bhaiidl unpen
aus
dem G-esammtgebiete der Zoologie.
Herausge^'eben
von
Dr. Rud. Leuckart ^^^^^j Dr. Carl Chun
in Leipzig in Königsberg.
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1888 — 1889.
C A S S E L.
Vei'lag von Theodor Fischer.
Alle Rechte voiijelialten. -^^s-
Inhalt.
Heft 1.
Die pelagische Thierwelt in grösseren Meerestiefen und ihre Beziehungen
zu der Oberflächenfauna. GeschÜLlcit von Carl Chun in Königsberg.
Mit 5 Tafeln.
Heft 2.
Untersuchungen über den Bau und die Entwicklung des Rübennematoden
Heterodera Schachtii Schmdt. \'on Dr. Adolf Strubell aus Frankfurt a. M.
Mit 2 Tafeln.
Heft 3.
Untersuchungen über Semaeostome und Rhizostome Medusen. Von Dr. Ernst
Vanhöff'en. Mit 6 Tafeln und 1 Karte.
Heft 4.
Untersuchungen über die Entwicklungs- und Lebensgeschichte des Distomum
macrostomum. Von Dr. Gustav A. Heckert. Mit 4 Tafeln.
Heft 5.
Beiträge zur Kenntniss der Holotrichen Ciliaten. NOn Dr. W. SchewiakoflF.
Mit 7 Tafeln.
->^-*-
Druck von Gebrüder Gotthelft in Cassel.
BIBLIOTHECA ZOOLOGICA
Orio:iiial-^l3l:ia;iid.KT.ii oen
aus
dem Gesammtgebiete der Zoologie.
Herausgegeben
von
Dr. Rud. Leuckart Dr. Carl Chun
in Leipzig in Königsberg.
Heft 1.
Die pelagische Thierwelt in grösseren Meerestiefen und ihre Beziehungen zu der Oberflächenfauna.
Geschildert von Prof. Dr. Carl Chun in Königsberg. — Mit 5 Tafehi.
C A S S E L.
Verlaj^ von Theodor Fischer.
1888.
Die
pelagische Thlerwelt in grösseren Meerestiefen
lind
ihre Beziehungen zu der Oberflächenfauna.
Geschildert
von
Oa-rl 01:LVLrL,
Prof. in Königsberg i./Pr.
Mit fünf Tafeln.
C A S S E L.
Verlag von Theodor Fischer.
1887.
PRINTED IN GERMANY
Seinem Schwiegervater
Professor Carl Vogt in Grenf
zur
Feier des 40jälirigen Professorenjiibiläums
gewidmet
vom Verfasser.
^Hl(^J
Die Entdecknn.c;cn jener Forscher, welche es sich zur Aufgabe stellten, die Tiefen der Oceane
zw ergründen, haben unseren Gesichtskreis in grossartiger Weise erweitert. Die alte Lehre von Forb es,
dass in grösseren Tiefen organisches Leben nicht zu existiren vennöge, ist zu Grabe getragen und eine
sfeittliche Reihe von Forschern giebt uns neuerdings über die staunenswerthe FormenfüUe von Tiefsee-
thieren Aufschluss. Es liegt in der Natu^r der Sache, dass einstweilen noch das systematische und
anatomische Interesse bei Erforschung der Tiefseeformen im Vordergrund stehen und dass eine Reihe
von biologischen Fragen der Aufklärung in späterer Zeit harren. Wie fand die Besiedelung des Meeres-
grundes statt, wie vermochten sich die Thiere den monotonen Existenzbedingungen anzupassen, wie
ernähren sie sich, wie pflanzen sie sich fort? — Auf alle diese Fragen vermögen wir einstweilen nur
mit Reserve zu antworten oder noch gar keine Auskunft zu geben.
Es ist klar, dass solche Fragen erst dann der Lösung näher gcljracht wcrdi'U kiinnen, wenn wir
sicheren Aufschluss über das Vordringen von marinen pflanzlichen Organismen und pelagischen Thieren
in vertikaler Riciitung bis zu tieferen Wasserschichten i-rlangen. Hier macht sich bis jetzt eine recht
fühlbare Lücke in unseren Kenntnissen bemerkbar. Während einige Beobachter, gestützt auf das vom
„Chal lenger" gesammelte Material, der Anschauung zuneigen, dass alle Wasserschichten in vertikaler
Richtung von der Oberfläche an bis zum Meeresboden Organismen, wenn aucii nur in spärlicher Zahl,
enthalten, so stellt Agassiz, der einzige Beobachter, welcher exakte Experimente ausführte, die Möglichkeit
einer Existenz von pelagischen Thieren in grösseren Tiefen in Abrede. Nach ihm sollen die Wasser-
schichten zwischen der Obei"fläche und dem Grunde azoisch sein und jene Siphonophoren und Radiolarien,
die angeblich in der Tiefe schwebend gefunden wurden, sollen erst oberflächlich in den Netzen erbeutet
resp. von der Lothleine erfasst sein.
Als ich im .Sommer 1886 ein interessantes Material von solchen an der Lothleine haften gebliebenen
Siphonophoren zur Untersuchung überlassen bekam, da schienen mir doch die Angaben des Finders, des
italienischen Marineofflzieres Chierchia, so präcis für ihr Vorkommen unterhalb 1000 Metern zu sprechen,
dass ich die auf dem „Vettor Pisani" während seiner Erdumsegelung unter dem Commando von Palumbo
gemachten Wahrnehmungen einer exakten Prüfung zu unterwerfen bescliloss. Da ich gleichzeitig mit
einer monographischen Bearbeitung der mittelmeerischen Siphonophoren beschäftigt war und nach den
Funden von Studer und Chierchia zur Auffassung gelangte, dass eigenartige Siphonophoren den
Hauptbestandtheil einer postulirten pelagischen Tiefenfauna ausmachen möchten, so lag es in der Natur
der Sache, dass ich zu Untersuchungen, welche einem einzelnen Beobachter kaum ermöglicht sind, die
zoologische Station zu Neapel während der Monate August bis Oktober 1886 aufsuchte.
C. Chan, Die pelagiache Thierwelt. 1
i3 2 ö
loh hatte freilich aus (irüiichMi, die ich im ersten Kajiitel iIit ail^'eineinen Betrachtun.u'eii aus-
führlich darlege, gerechtfertigte Zweifel, oh Funde, die im freien Ocean gemaclit wurden, aueh für das
Mittelmecr Geltung hahen möchten.
Um so dankenswerther muss ich es anerkennen, wenn die \'erwaltung der Zoologischen Station,
trotzdem ein positives Resultat )iro))leniatiscii schien, mir den kleinen Dampfer „Johannes Müller" mit
seinem trefflich geschulten Personal zu mehreren Ausfahrten zur Verfügung stellte. Herr Dr. Eisig
üborliess mir ihn zu einer viertägigen Fahrt nach den Ponza-Inscln und Herr Professor Dohrn ordnete
nach seiner Rückkehr aus Deutschland mit bekannter Zuvorkonnnenheit z^\•ei längere Fahrten in den
Golf von Salerno und nach Ischia und Ventotene an. Meinen aufrichtigen Dank für die Liberalität des
Gründers der Station!
Mit Rath und That stand mir vor Allem mein werther Freund v. Petersen, Ingenieur der
Station, zur Seite. Er begleitete mich nicht nur auf allen, oft recht strapaziösen Fahrten und leitete die
schwierige Handhabung der schweren Netze, sondern erwies mir auch durch Construktion des sinnreichen
Schliessnetzes und des photographischen Apparates für Messung der Lichtintensität in grösseren Tiefen
einen unschätzbaren Dienst.
Den Herren Brandt, Giesb recht und Schiemenz bin ich für die Berichte üljer Radiolarien,
Copepoden und Pteropoden , welche ich zum Abdruck bringe , zu Dank verpflichtet. Ausserdem
übersendeten mir Brandt und v. Petersen auf meine Bitte hin Material \'on pelagischen Tiefseefonnen,
welches sie im .Tanuar 1887 auf einer Fahrt vor Capri sammelten. Dassell)e setzte mich in Stand, manche
Anschauungen präciser formuliren zu können, als es nach meinen lediglich auf die Monate August,
Sej)tember und Oktober l)eschränkten Befunden möglich ^^•ar.
Da meine Untersuchungen einen geradezu staunenswerthen Reichthum von pelagischen Thieren
in grösseren Tiefen kennen lehren uml hoft'entlich endgültig die Auflassung widerlegen, dass azoische
Wasserschichten zwischen Oberfläche und Meeresgrund existiren, so glaubte ich auf einigen Tafeln
charakteristische Vertreter der iielagischen Tiefenfauna im Bild vorführen zu sollen. Ausführliche Dar-
stellungen derselben M-erde ich in den „Mittheilungen der Zoologischen Station zu Neapel" veröftentlichen.
Metliode des pelagisclieii Fisehens in grösseren Jleeresüefen.
Soll der Nachweis von der Existenz einer pelaii'ischen Fauna in i^-rössercn Tiefen mit Strenge
erbraelit werden, so handelt es sieh in erster Linie um Construktion von Apparaten, die in gewisser
Tiefe in Wirkung treten und bei dem Aufwinden sich selbsttliätig schliessen. Offene Schwebnetze, wie
sie z. B. bei der Challenger-Expedition ^) als „tow nets" verwerthet wurden, bieten durchaus keine Garantie
dafür, dass pelagische Thiere, welche sie an die Oberfläche bringen, auch thatsächlich in bestimmten
Tiefen leben, da ja in vertikaler Richtung die Wass^-rmasse ebenfalls durehtiseht wird. So hat di'ini
namentlich A. Agassiz ^) gegen die Funde in den „tow nets'' des Challenger den Einwand erhoben,
dass die betreffenden Foraien gar nicht aus der Tiefe stannnten, sondern erst in der Nähe der Ober-
fläche erbeutet wurden. Allein Agassiz begnügt sich nicht mit diesem Einwand, sondern sucht selbst
den positiven Nachweis zu führen, dass zwischen der Oberflächenfauna und der auf dem (Gründe lebenden
Tiefseefauna azoische Wasserschichten, jeglichen organischen Lebens baar, sich vorfinden. Er benutzte
einen sinnreichen, von Capitän Sigsbee^) construirten Cylinder, der in bestimmte Tiefen herabgelassen,
durch ein an dem Tau nachgesendetes Gewicht zum weiteren Heraljgleiten bis zu einer Hemmvorrichtung
an dem Tauende gebracht wurde WjUirend dieses Herabgleitens um etwa 50 Faden öffnete sich ein
Ventil und das W^asser wurde dureli ein Sieb geseiht, bis der Cylinder an der Hemmvorrichtung
angelangt sich schloss.
Vermittelst des Sigsbee'schen Apparates glaubte denn Agassiz den strikten Nachweis erbracht zu
haben, dass unterhalb 150 Faden keine Organismen mehr vorkommen. Ohne seine Resultate irgendwie
anzweifeln zu wollen, so kann ich jedoch nui' zugeben, dass Agassiz lediglich die untere Grenze der
Obei-flächenfauna bestimmte. In dem Glauben, dass in grosseren Tiefen pelagische Thiere nicht existiren
könnten, wendete er den Apparat für Tiefen von 1000 Meter an überhaupt nicht an.
') The Voyage of H. M. S. Challenger. Xarrative of Wyville Thomson and John Murray. Vol. I. 1885 p. 79.
") A. Affassiz. On the dredging Operations of the U. ü. 8. „Blake". 1880. Bull. Mns. Comp. Zool. Cambr. Vol. t).
No. 8 p. 153.
^) C. D. Sigsbee, Description of a gravitatiug trap for obtaining sperimens of aninial life from intermedial ücean-
Depths. ibid. Vol. 6 No. 9 1880 p. 15.^.
1*
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Spatcrc Forscher, so Pavesi') uiul Im bot'-,) f?ebrauchtcn in Binnenseen Netze, welche in
bestimmter Tiefe naeli Beendig'ung des Fanges durcli ein naeligesendetes Gewicht zugeschlagen wurden.
So ist es weuigstens der Fall bei dem Netze von Pavesi, wiiiu'cnd ich über das von Indiof lienutzte keine
genaueren Angaben in der Litteratur erlangen konnte.
Endlich habe ich noch eines ,,Schliessnetzes", wie ich solche in bestimmter Tiefe sich schliessendc
Netze kurz nennen will, Erwähnung zu tliun, welches Palumbn, der Connnandeur des „Vettor Pisani^",
auf dessen Erdumsegelung 1882 — 1885 construirtt'. ^) Wie ich in einem Schlusskai)itel noch ausführlicher
darlegen werde, so gaben an der Lothleine hängen gebliebene Fetzen von Siphonophoren Veranlassung
zur Construktion eines Netzes, welches in grösseren Tiefen sich öffnen und schliessen sollte, um dadurch
den strikten Nachweis zu führen, dass thatsächlich Siphonophoren in Tiefen unterhalb 1000 Metern leben
und nicht erst an der ül)erfiäc]ic von der Leine erfasst wurden. Palundxi kam auf die Idee, das Netz
in Verbindung mit dem Negretti und Zambra'schen Umkippthermometer zu bringen und es wiederum
durch ein Ge\\icht bei dem Umkippen des Thermometers zuschlagen zu lassen. Thatsächlich funktionirte
dasselbe in den meisten Fällen gut, obwohl ein eigentliches Fischen in horizontaler Richtung durch die
Befestigung an der Lothleint- ausgeschlossen war.
Bei meinen ersten Versuchen bediente ich mich eines Scliliessnetzes, das nach dem Princip des
Palumbo'schen eonstruirt war. Die Resultate waren jedoch nicht befriedigend, da der Apjiarat noch
manche Un Vollkommenheiten aufwies. Nach mehreren Versuchen, diesellten zu beseitigen, kam schliesslich
mein Freurul von Petersen, Ingenieur der zoologischen Station, auf eine Idee, die in dc;r Ausführung
sich als eine recht glückliche erwies. Da ich späterhin micii ausschliesslich dieses Netzes bediente und
auf mehreren Fahrten seine Zuverlässigkeit erju'obte, so gebe ich in Folgendem unter Zuhilfenahme der
Figuren 1 — 3 auf Taf. I eine kurze Beschreibung des Petersen'schcn Schliessnetzes.
Im Princip liegt folgende einfache Idee dem Schliessnetze zu Grunde: Wird der eiserne Rahmen
des Netzes durcii zwei Scharniere zum Auf- und Zuklappen eingerichtet, so muss das Netz bei dem
Ziehen durch das Wasser sich öffnen, wenn es an z«ei Drähten angezogen Avird, die an den Scharnieren
(a Fig. 2) befestigt sind. Umgekehrt muss es sich schliessen, wenn zwei Drähte in rechtem Winkel zu
den vorigen an den Punkten b anziehen.
Gelänge es nun, einen Meclumismus ausfindig zu machen, der es ermöglicht, dass das
geschlossen in die Tiefe versenkte Netz zunächst an den Punkten a angezogen wird und dcragemäss sich
öffnet , dann aber durch Anziehen an den Punkten b zum Schliessen gebracht wird , so wäre der
gewünschte Effekt erzielt. Um dies zu ermöglichen, so ist, ähnlich wie bei dem N^egretti und Zambra'schen
Tiefseethermometer ein Propeller (p) verwerthet. Er besitzt vier Flügel und ist in der Älitte einer
langen Messingstange befestigt, die ihrerseits in einem eisernen Rahnu'U {r) aufgehängt ist. Die obere
Hälfte der Messingstange (st) ist glatt und kann in eine Hülse {f) sich völlig einschieben; die untere
Hälfte (st^) ist mit einem ftnnen SchrauJjengewiude versehen, das durch eine sehr exakt gearbeitete
Schraubeiunutter (in) läuft. Wird der Propeller vertikal gehoben oder horizontal durch das Wasser
gezogen, so drehen sich die Flügel derart, dass allmählicii der Messingstal) sich hebt (Fig. 3). Umgekehrt
') P. Pavesi Altra serie, <li ricerche e stiidj sulln fauiia pelagica di lafjlii Italiaiii. Padova 1883.
'-) Imhof. Ueber die pelagische und Tiefsee-Fanna. Tageblatt d. .'iS. Vers. d. Nafurf. in Strassburg 1885 p. 403.
") G. Chierchia, Collezioni per stiidj di scienze naturali. Kivista niarittima Sett-Ott. 1885 p. 81. Taf. 10.
— ö 5 e* —
senkt sich der Stab durch entgegengesetzte Drehung der Flügel, wenn der Apparat in die Tiefe herab-
gelassen wird. Eine Ideine, an einer Querleiste befestigte Hülse (g) verhindert ein Senken des Stabes
über diese hinaus bei dem Herablassen. Das allmähliche Heben des Stabes bietet nun die Möglichkeit,
successivc die Drähte a und ;? auszulösen.
Vermittelst kleiner Ringe ,r können die das Schliessen des Netzes bewerkstelligenden Drähte ß
auf die kleine Hülse g aufgelegt werden und ebenso kann der Dralit et, welcher das OefFnen veranlasst,
auf einer durchbohrten Platte d vermittelst eines Ringes y festgelegt werden.
Vor dem Herablassen des Netzes winde man den Messingstab mit dem Propeller völlig in die
Höhe (Fig. 3) und lege zunächst den Ring y auf die Platte d auf, drehe dann den Stab st^ durch
Ring y und die Oeffnung der Platte d so weit nach abwärts, bis das Ende des Stabes in der Nähe der
Hülse g angelaugt ist. Darauf lege man auf die Hülse die beiden Ringe x und drehe den Stab, bis er
auf dem Boden der kleinen Hülse g angelangt ist.
Das Netz ist nun geschlossen (Fig. 1), da lediglich die Drähte ß wirken und wird geschlossen
in die gewünschte Tiefe versenkt. Zieht )nan an der Leine, welche den eisernen Rahmen trägt, an, so
stellen sich Rahmen und Netz scliräg, während gleichzeitig der Propeller in Aktion tritt. Nach einigen
Minuten tritt das Ende des Stabes st^ aus der Hülse g und es lösen sich die Ringe x aus. Die Drähte ß
werden schlaff, während der Draht a, an dem jetz* allein das Netz hängt, anzieht und das Oeffnen (Fig. 2)
bewerkstelligt. Das Netz fischt nun geöffnet 15 — 20 Minuten, während gleichzeitig der Stab st^ in dem
Muttergewinde m sich durch wt'itere Drehung des Propelle^'s hebt. Schliesslicli tritt sein Ende aus der
Oeffnung der Platte d und der Ring y wird ausgehakt. Die Drähte « werden schlaff und das Netz
hängt allein in den Drähten ß, die nun ihren Zug ausüljen und das Netz zum Schliessen bringen.
Neben diesem Schliessnetze verwendete ich gleichzeitig ein offenes Netz von ansehnlichen Dimen-
sionen. Der eiserne Rahmen hatte einen Durchmesser von 1 resp. IV2 Meter und wog an dem grössten
Netze beinahe einen Centner. Das Netz, von 2,5 Meter Länge, bestand aus Sackleinewand und endete
in einen Zinkeimer, in dem die Thiere sich sammelten. Der Eimer konnte nach dem Aufwinden ab-
gebunden und in die bereit gehaltenen Gläser entleert werden. Dem Gebrauch dieses Eimers war es
vorwiegend zuzuschreiben, wenn die Thiere, ohne von den Wandungen des Netzes zerscheuert zu werden,
in tadellosem Erhaltungszustand erbeutet wurden.
Um das Schliessnetz sowohl, wie das schwere offene Netz gleichzeitig zu ziehen, bedurfte es der
vollen Dampfkraft des „.Johannes Müller", zumal wenn die Netze in Tiefen über 1000 Meter herab-
gelassen wurden.
Es versteht sich von selbst, dass die Netze trotz ihrer Schwei-e und der gelegentlich noch an-
gehäugten Bleigewichte nicht senkrecht unter dem Schiffe bei dem Ziehen standen. Ich habe indessen
die Ablenkung nicht genauer bestinnnt , aus Gründen, die sich aus den allgemeinen Schlusserörterungen
ergeben.
Wurden 1500 Meter Tau ausgelassen, so dürften die Netze in 1300—1400 Meter geschwebt
haben. Ich schliesse das daraus, dass zweimal die Netze auf dem Meeresboden schleiften und Schlamm
heraufbrachten, als 1500 Meter Tau ausgelassen waren bei einer gelothcten Tiefe von 1350 Metern.
Die Anwendung eines starken Stahldrahtes erwies sich leider nicht als vortheilhaft. So wenig
Widerstand er bei dem Dui-clischneiden des Wassers findet, so leicht reisst er, sobald durch eine in langer
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Siiiralc erfolgoiiclc üreliunn- des Netzes der Dralit bei späterer starker Spannung einen Knoten bildet.
Auf diese Weise verkiren wir bei Pnnza die beiden mit Mülie hergestellten Netze.
Das Aufwinden der Netze erfolgt ebenso wie dasjenige der Tretsehe vennittelst einer Danijif-
winde. Es ei-fordert aus einer Tiefe von 1000 Metern durchschnittlich 25 Minuten.
Die grösseren von Neapel aus dem kleinen Dampfer zugänglichen Tiefen waren theilweise rasch
zu erreichen. Die Küste von Amalti bis zu der Südseite von Capri zeigt einen ausserordentlich steilen
Abfall. Wenige Seemeilen südlich von Capri sind von dem „Washington", dessen Lothungen mir gütigst
mitgetheilt waren, Tiefen bis zu 1800 Meter gefunden worden. Weiter hinaus erhebt sich ein Plateau von
durclischnittlich 700 — 800 Meter, welches erst vor Sicilien wieder einen steilen Abfall aufweist. Grössere
Tiefen von mehr als 2000 Metern tinden sich westlich der Ponza-Inseln ; auch ist dort der Abfall gegen
das freie Meer ein minder steiler.
Die von mir erforschten Tlieile des Mittelmeeres betreffen die bis zu 1400 Äleter untersuchten
Tiefen vor Ponza, Vcntotcne , Ischia , Capri und den Sireneninseln (Galli). Ausserdem unternahm ich
häufige Ausfahrten mit der kleinen Danipfbarkasse „Balfour" in den Golf, um die geringeren Tiefen von
50 — 250 Meter zu durchfischen.
Indem ich nun zu einer Darlegung meiner Ergebnisse mich wende, so schildere ich zunächst in
einem speziellen Theile die verschiedenen in den einzelnen Tiefen beobachteten Formen ^), um dann in
einem allgemeinen Theile die Zusammensetzung der pelagischen Tiefen-Fauna, ihre Existenzbedingungen
und ihr Verhalten zu der Oberflächen-Fauna klar zu legen. Zum Verständniss des speziellen Theiles
führe ich lediglich das Hauptergebniss an, dass nämlich sämmtliche Tiefen des Mittelmeeres
in den von mir untersuc ii ten Strecken einen geradezu erstaunlichen Reich thum von
]) elagisc hen T liieren aufweisen.
') Wenn Arten in dem Schliessnetz gefunden wurden, so habe ich dies stets ausdrücklich erwähnt.
II.
Specieller Tlieil.
I. Badiolaria.
Dr. C;ii'l ßrauilt hat die Frcundliclikeit gehabt, das Material an Radiolarien und (Jrljidinen
einer genauen Durehsielit zu uuterwert'rn und mir folgenden Bericlit zulvomnien zu lassen.
,,In der nachstehenden Uebersicht sind in systematischer Reihenfolge die Radiolarien, welche
sich iu dem ]\Iaterial der 12 Züge mit dem Tiefennetz fanden , zusammengestellt. Die Liste ist unvoll-
ständig, weil auf die Erhaltung der kleineren Arten nicht besonders Rücksicht genommen ist. Sie wurden
nur conservirt , wenn sie zufällig an grösseren Tliieren hängen oder klelien blieben. Die Anzahl der
kleinen Radiolarien ist deshalb in der nachstehenden Uebersicht viel geringer, als sie in Wirklich-
keit sein dürfte. Bei jeder Species ist die Zahl der Exemplare, welche ich im conservirten Materiale
fand, angegeben worden, um die relative Häutigkeit der einzelnen Arten zu bezeichnen. Von den 12
Zügen fanden nur 5 mit dem offenen und dem verschliessljaren Netz zugleich statt, die anderen 7 mit
dem offenen Netz allein. Der Inhalt des verschliessbaren Netzes, auf den es hier besonders ankommt
ist durch fette Zahlen und durch Cursivdruck der Spcciesnamen hervorgehoben. Eine eingeklammerte Zahl
bedeutet, dass leere Skelete beobachtet wurden. Das Vorkommen solcher leerer Skelete in bestimmten
Tiefen beweist natürlich durchaus nielit, dass die Thiere sich auch im lebenden Zustande in den be-
treffenden Regionen aufgehalten haben , denn Skelete von Spongosphaera und anderen Radiolarien bleiben
selbst in einem G-lase Wasser mehrere Tage, ja Wochen lang in der Schwebe wegen des Reibitngs-
widei'standes, den die zahllosen feinen Kieselfäden dem Wasser entgegensetzen.
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26.
Xijihacantha serrata . .
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3
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—
1
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—
—
—
—
1
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4
3
<j
27.
23.
29.
30.
, quadridentata
„ spbiuJosa .
Halio>iunatidium Müllerl .
Dorataspis sp
1
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(1)
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2
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1
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(2)
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3
1(1)
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31.
Collozoum inernie . . .
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1
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1
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32.
Sphaerozoum |iunctatum .
—
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2
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1
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33.
„ acuferum
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3
1
1
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2
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34.
CoUosphaera Huxleyi . .
—
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1
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1
ö^o
/igerina und Orbulina ....
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1
1
8(8)
1
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— -ö y £4 —
In Betreft' iler an^-ctulirtcii Spci-ics IkiIx' irli foljjende Bcinrrkuii^:cii liinzuzufüycn :
I. A'oii Dirt;/()chn mesmnensis wurden nur leere Skclete beoliaclitet , und zwar in Aulacanthn,
AuJosphnera^ Coelodendnim, Spongosphaern, in der Gallerte von Sphaeroznxn, acufrrum, an Amphiloi'.che und
anderen Acantlionietrideu , im Darm von Ostraeoden etc. Ihr ^^l^kclnlnlen in und an den iiela{:;isclien
Thieren grösserer Tiefen ist so eliai-aktcristisch . dass man nacli ilircni \"i'rliandensein oder Felilen in
zweifelhaften Fidlen entscheiden kann, oli die Thiere, die man im Ticfc-nnctz findet, wirklicli in der Tiefe
f!felel)t haben, oder ob sie erst in der X;die der Oberfläelir ins Netz i;-elangt sind. Wegen der grossen
Anzalil der DicUjocha-'^kArU- . die man im Phaeodium diT verscliiedensten Pliaeodarien und in anderen
Tiefruthieren findet, muss man annehmen, dass iliese kleine Radiolai-ie in verliiiltnissmässig sehr lieib-utender
Menge in den TiefiMi lebt. Wenn sie nie mit gut conservirtem Weieh]v(ir|iei- in ileni conservirten Tiefen-
in;iteri;d sich fanden, so liegt das wohl nur ;in der schon ol)en erwähnten Un Vollständigkeit des Materials.
3. Aulacuutlia n. sp. untersch<'id<'t sich von .-I. scohjmnntha dadurch, dass die grossen Radial-
staclieln 5 am äussersten Emb' des Staclieis (|uirlfrirniig angeordnete Seitenstaciieln besitzen, dass die Zahl
dieser gi-ossen Radialstacheln nur gering ist (6 — 8, höchstens 20> uml iLiss die feini'U Tangentialstacheln
K'änzlich oder doch fast vf)llkounnen fi'hlen.
Ausser den 2 angeführten AuJncaiitJi(i-X\-ii^-\\ beobachtete ieh zuweilen Exemiilare, die vielleicht
der einen von beiden Sjiecies angehören. Sie besassen nur Tangentialstacheln, g;ir keine Radialstacheln.
5. Coelodendnim n. s|i. hat nicht, wie C'. ramofiis.simfim, dichotomisch verzweigte Stacheln,
sondern nur 6 einfache Hanptstacheli). die je 2 Quirle von Seitenstachi'ln tragen: einen am Ende des
Stachels, bestehend aus 3 Seitenstacheln, den andern am Ende des ersten Drittels, bestehend aus 4
feineren itnd längeren Seiteustaeheln.
Ferner fanden sieh melireri' riruchstücke vin\ Coelodi'udriden, die gegenwartig noch nicht,
hoffentlich al)er nach dem Erscheinen von Haeckel's Radiolarienwerk sieh werden bestiiumen lassen.
C), 7. Zwei Siiecies V(}n Pliaeodarien gehören in die Familie der (astanelliden. Welcher Gattung
sie zuertheilt werden müssen, lässt sich nach Haeckel's vorläufiger Uebersicht des Systems nicht an-
geben. Höclistwahrseh<-iidich sind b<Mile Arten auch von Haeckel gid'unden worden, so dass ich,
ebenso wie bei den anderen neuen Arten, mit di^r Benennung warten werde, liis das ^^ erk über die
Challenger-Radiolarien erschienen ist. Beide Arten besitzen eine dickwandige (-iitti^rschale mit zahlreichen
Oefl'nungen und vielen auf der Schale sich erhebenden radialen Stacheln. Die Skelettheile sind nicht
hohl. Die Schale wird oft fast vollständig erfüllt von der Centi'alka])sel und dem mächtigen Phaeodium.
Die beiden Arten unterscheiden sich dadurch, dass Species 1 eine viid dickere Schale hat als Species 2,
und dass die erstere Art zahlreiche kleine (.)efi'nungen und ein sehr grosses Loch besitzt, während die
letztere Species grosse Oeffnungen mit sclnualen, überall gleich breiten Zwischenbalken aufweist.
8. Nicht alle hier als Aidoiiphaera elegantissima aufgeführten Exemplare stimmten mit der von
Haeckel angegebenen Diagnose überein. Es scheint jedoch, als ob diese Species stark variirt.
II. Heliosphaera n. sj). ist H. adinotn ähnlich; doch sind alle radiären Stacheln gleich lang.
22. Die als Acanthmnetra tetracopa bezeichneten Radiolarien gehören vielleicht theilweise der
Species A. Claparedei an. Beide Arten sind im conservirten Zustande schwer zu unterscheiden.
31 — 34. Die Arten CoHozouni inerme, Sphaerozouin punctatuin und Collospthaera Hiixlej/i, von
denen zusammen 8 Exemplare in das offene Netz gelangten, waren zur Zeit der Tiefeufischerei so
C. Cbun, Die pelagische Thierwelt. 2
K 10 ö
massenhaft an der Oberfläche vertreten, dass sie unvermeidlicli in das Netz gerathen mussten. Sie
stimmten in jeder Hinsicht, z. B. anch im Vorhandensein zahh-eicher Zooxanthellen und im fjänzliclien
Mangel von Dictyoclicn, mit den übrigen an der Oberfläche geflscliten Exemjilaren überein. Anders
verhält es sich mit den 8 Kolonien von Spluu'rozdvm uciiferum, von denen eine sogar im Eimer des ver-
schliessbaren Netzes gefunden wui-dc. Sowohl dieses Exenii dar. als auch Ij mit dem offenen Netz getischte
entbehrten . ganz der gelben Zellen und enthielten mehrere oder sehr viele i)ic^?/oc/i a-Skelete. Nur in
einer Kolonie, die mit dem offenen Netz gefischt war i Solaro, 11. X., 1200 m.), konnte ich zahlreiche
gelbe Zellen und nur ganz vereinzelte Dictyochen constatiren.
Aus den vorliegenden Untersucliungen ergel)en sich folgende Resultate:
Vorläufig kann man nur von drei Radiolarien mit Siclierheit behau j)ten, dass
sie v.ährend des Sejitember und (Jktoljer in Tiefen von (500 m. im Mittelnieer leljen.
Es sind Aulacantha scolymautha, Coelodendrum ramosissimum und SjJongosphaera streptacantha. Die beiden
ersten Arten scheinen nach der Tiefe zu (bis 1200 m.) nur wenig abzunehmen; Spoinjosphaera dagegen
sclieint in gi'össereu Tiefen als 600 m. nicht mehr, oder nur ganz vereinzelt vorzukommen. Das Vor-
kommen mehrerer Siiongosphaereu im Material aus 1000 und 1200 m. Tiefe hat liei näherer Prüfung
wenig zu bedeuten. Die betreffenden Exemplare wurden nur mit dem offenen, niclit aber mit dem
verschliessbaren Netz gefangen. Man darf aber nicht vergessen, dass das Netz mindestens ebenso lange
in vertikaler Richtung von 1()::0 bezw. 1200 m. liis zur Oberfliiclie gezogen ist, als vorlier in horizon-
taler Richtung lin 1000 oder 1200 m. Tiefe). Während der hallx-n Stunde, die das Aufziehen des Netzes
in Anspruch nahm, mussten in Tiefen von 600 m. und näher der Oberfläciie die dort nachweisbar vor-
handenen SiKjnti'osphaeren in das Netz gelangen.
Wahrsche i n 1 ic li gehen auch folgende Arten Itis in Tiefen von meiir als GOO m.
hinunter: Castanelliden-Species 1, Aulotiphnera elcffcintissima, Aidacnnthn n. sp. Acantliomefra tetracopa,
Amphüonche ouata, Xiphacantlia quadrldentata, X. serrata, X. spinidosa und idphaei-ozoum acuferum. Sie
sind sämmtlich in mehreren Exemplaren (3 — 20) mit dem offenen und in 1—2 Exemplaren auch mit
dem verschliessbaren Netz gefischt worden. Leider reicht das Vorkommen von nur 1 — 2 Exemplaren
einer Radiolarienspecies nicht hin. um das Vorkonunen der betr. Species in einer bestimmten Tiefe zu
beweisen. Das Netz hat den Ueljclstand, dass selbst in geschlossenem Zustande ein etwa einen Finger
breiter Spalt bleibt, in den beim Heraufziehen des Netzes recht wohl nocli einige kleine Radiolarien
gelangen können.
Es ist trotzdem in iioiiem Grade w,'i hrscheinlich, dass die angeführten Arten in Tiefen von 600
bezw. 800 etc. m. leben, und zwar aus folgenden Gründen: Die gelben Zellen köimen ebensowenig
wie andere Algen in grösseren Tiefen als 200 m. assimiliren. Sie werden daher in Radiolarien, die in
erheblich gi'össeren Tiefen wochen- oder monatelang leben, gänzlich fehlen, während sie in denjenigen
Exemplaren derselben Species, die in geringerer Tiefe als 200 m. sich finden, vorkommen. Da wir nun
im Tiefennetz Radiolarien-Arten finden, die gar keine gelben Zellen führen, während die nahe der
Oberfläche vorkonnnenden Exeniidare derselben Species sehr zahlreiche gelbe Zellen enthalten, so weist
schon das gänzliche Fehlen der Zooxanthellen auf einen längeren Aufenthalt der Radiolarien in dunkler
oder dämmeriger Tiefe hin. Am deutlichsten zeigt sich das an Sphaerozoum. acuferinn. Nur in einem
Exemplar, das mit dem offenen Netz gefisciit war. fanden sich vieh> gtdbe Zellen, in den anderen 7
— ö 1 1 ö —
<;';ir keine. leli li.ilie früliei' iiu'lir ;ils 100 Ki)liiiiirii viui dieser S|iecies, die in Tiefen von 0 — SO ni.
gotisclit waren, untersuclit uiul stets sein' zalilreiclie f;-elbc Zellen an jeili'ni Inili\iiluinn j;-efunden. Die
Walirselieinliclikeit, dass die erwälniton 7 alj;enfreien Kolonien wirklieli in Tiefen von mehr als 200 m.
gelebt lialien, wird dadurch noeli vernieln't, dass sich selir zahh-eiehe Skelete von Dictyocha in ilnien
fanden, während das aclite Exemplar, das iidhe Zelh^i enthii-lt. nur \'en'inzelte Dictyochen aufwies und
weder in, noch an den Railiolarien, die in 0 — 60 m. Tiefe im ()kti)ber getischt wurden, Dictyochen
nachgewiesen werden konnten. Die eben erwähnte Kolonie war nicht, wie die anderen 7, darauf ange-
wie.sen, andere Organismen, die in ihren Bereich kamen, festzuhalten und zu verdauen, sondern konnte —
wie die anderen nahe der Oberfläche lebenden Kolonien — aus der Assimilationsthätigkeit der ein-
gemietheten Zooxanthellen Nutzen zic'lien. Die Dictyochen. deren Skelete sie zur Zeit des Fanges
enthielt, waren wohl Wochen oder jMonate vorher aufgenommen und verdjiut worden, als die Kolonie
uoch nicht so nahe der Oberfläche lebte und die Algen noch nicht hatten einwandern können. — Ich
hatte früher M auf Grund ausgedehnter Beobachtungen die Behau] itung aufgestellt, dass die kolonie-
liildenden Radinlarien echte pelagische Thiere sind, welche ihre ganze Entwickelung in der Nähe der
Meeresoberfläche durchmachen'' und „nie mehr als einige Hundert ^Nieter von der Obei-fläche sich ent-
fernen". Die neueren Untersuchungen an dem von Cliun und von Chierchia gesammelten Material
hallen diese Behaujitung im xVUgemeinen bestätigt; doch zeigt das hier näher ausgeführte Beispiel von
SphaerozoKin acuferum, dass manche Species auch in etwas grössere Tiefen, als ich angenonnnen hatte,
hinabsteigen können.
Ausser den bisher aufgezählten Radiolarien müssen auch clie Dictyochen in
den Tiefen des Mittelmeeres sehr häufig vorkommen; sie scheinen sogar die Haupt-
nahrung für die in der Tiefe lebenden pelagischen Thiere zu bilden. DictjjochaSkelete
fanil ich sowohl in Radiolarien, als auch im Darm von einigen Ostracoden, die mit dem versch Hess-
baren Netz in 1200 ni. Tiefe gelangen waren. Nach den vorliegenden, allerdings unvollkommenen
Untersuchungen möchte ich fast vermuthen, dass die massenhaft vorkommenden kleinen Dictyochen in
den Tiefen des Mittelmeeres die Challenger iden der Oceane ersetzen. Dass ich von den letzteren
kein einziges Skelet in dem Material des Tjefennetzes fand, ist leicht verständlich, da nach den Unter-
suchungen der Challenger-Expedition die Challengeriden die einzige Ordnung von pelagischen Thieren
sind, welche erst unterhalb 300 Faden in den Oceanen vorkommen. In das Mittelmeer können sie
vom Atlantischen Ocean nicht gelangen, weil der Rücken, der beide Meeresabschnitte trennt, nur Tiefen
von höchstens 150 Faden aufweist.
Diese Eigenthümliclikeit des IMittelmeeres bildet wohl auch die Ursache der innnerhin auffidlenden
Erscheinung, dass selbst in bedeutenden Tiefen nur solche Rad i o ia ri enspecies häufig
sind, die auch an der Oberfläche des Mi ttelmeer es beobachtet worden sind. Von
dtm am häufigsten in dem Material der Tiefennetze constatirten Radiolarien — - Coelodendrum ramosissimum,
Aidosphaern elegantissima, Aulacantha scolymantha und Spongosphaera streptacantha sind die 2 ersten
nach Haeckel's, die beiden anderen auch nach meinen Beobachtungt^n .,häuflg" oder „sehr häutig"
*) K. Brandt, Die Sphaerozoeen. XIII. Monographie der Fauna und Flora des Golfes von Neapel. Berlin 1885.
p. 201 und 203.
2*
— ö 12 & —
an der OherHäolu- des Mittelmeeres. I)ie bcidrn 0;i>t;iiirlli(l(ii-Si)efics und AulacanfJut n. sp. sind zwar
bisher noch niciit im Mittehiieer beobachtet worden; es bleibt nber abzuwarten, ol) nicht alle drei Arten
von Haeckel in dem Oberflächenma ter ia 1 der Challenger-Expedition gefunden sind. Heliosphaera
n. sj). habe ich wiederholt an der Obei-flache des Golfes gefunden. Von jenen in der Tiefe häutigen
Radiolarien tritt Aiihtcanthn scolymnntha besonders im Winter an der Obei-fläche des Golfes, zuweilen in
grosser Anzalil auf, widirend Spoiujiiiiphafra streptacantha zu jenen wenigen Radiolarien gehört, die fast
in jeder .Talii'eszeit an der (.diertläche des (jolfes angetroffen werden können.'"
II. Coelenievatd
1. Anfhozon.
Freischwimmende Aktinienlarvi'u, wahrscheinlich der (iattung Cerianthus resp. Edwardsia zugeiiörig,
kommen in grösseren Tiefen nicht selten vor. Es sind offenbar dieselben Larven, welche Kowalewsky*)
abbUdet. Unter den zahlreichen kugeligen uml eiförmigen milchweissen 1, 5 — 2,ö mm grossen Larven
fand ich nur einmal eine Larve mit angelegten Tentakeln und zwar waren es deren fünf. Während der
Nacht tischte icli sie Ende Sej)teml.)er bei Iscliia an der (_)ljertlä(die. docli fehlt sie nicht bis zu den grössten
untersuchten Tiefen. In dem .Schliessnetz famlen sich Exemplare aus (300 und aus 1000 m. Tiefe.
-. Hi/drnmedtisae.
Viele craspedoten Medusen suchen während des .Sonnners grössere Tiefen auf. Unter den Autho-
niedusen tischte ich Lizzia iRatlikeai Köllikeri Ggbr. aus 1200 m. vor Capri in einem Exemplar und Cytaeis
})usilla Anfang Sejitember vor Ponza aus 1300 AI. Letztere hatte eine Radiolarie der Tiefsee, nändich
Coelodendrum ramosissimum , im Magen. Von Trachomeilusen ist Sminthea ( Trachynenia) eurygaster
Ggl>r. ziemlich liäutig in der Tiefe. In dem Schliessnetz fand sie sich in 1300 M. (Ende September) und
in 1200 M. (II. Oktober) vor Capri: Aglaura hemistoma P. et Lt's. war ebenfalls in dem Schliessnetz
aus 1300 M. vertreten. Rhopalonema velatum ^^■ar häutig von 100 M. bis 1300 M.; von Ende September
an erschien sie auch an iler ( )bertiäclie. Von GerYi>niden fand sich (_ieryi:)nia iCarmai'inai hastata Haeck.
in jugendlichen Exemiilaren aus 1200 und 1300 M.. während erwachsene Thiere Ende September in
der Nacht an dei' Obertläcl'.e getischt wurden. Liriope eurybia fand sich in ÜOO M. am 11. Okt. Am
häutigsten unter allen Craspedoten trat Cunina (Solmissusi albescens Ggbr. in der Tiefe auf. Bei zwei
nächtlichen Zügen aus 800 M. (30 Sept. vor Ischia"! und 600 JI. '11. (.)kt. vor Capri i waren die grossen
Netze und .Schliessnetze vollgepfropft von Cuninen. Auch bis zu 1300 M. wurde sie vereinzelt beob-
achtet. Ziemlich häutig ist fernerhin Aeginopsis i Sohnundella i mediterranea Müll. In dem Schliessnetz
fand sie sich aus 600 M., doch war sie in dem Inhalt des grossen Netzes bis zu 1300 M. zahlreich vertreten.
3. Acalephae.
Auffällig war der [Mangel er\\achsener Seheibencjuallen in der Tiefe. Nur ehnnal war euie Ephyra
in dem grossen Netze aus 1200 ]\I. vertreten.
4. Üiphiinophorae.
Kaum ein pclagisches Thier ist gemeiner von der ()berfläcbe an bis zu loOO M. Tiefe,
als Diphyes Sieboldii Köll. Sie fehlt in keinem Scliliessnetz luid macht stets den Hauptbestandtheil
') A. Kowalewsky, KiitvvicUlinig der Cölentevaten (nissisch), l'rotok. Mosk. Naturf.-Ges. 1873, Tat'. 6.
— ö 13 a —
■lies j;'ctif;oiitcii Materials aus. Hiiutifi' timlct man auch i;'l<'i*^l'Z<'iti-- iliiv Eudoxieiii;TuiJ|icu. Audi Abyla
pentagona Esehsch. ist von der Obei-Haclic an, wo ich sie zur Naclitzeit Ende September fischte, bis in
die grossen Tiefen nachweisbar, obwohl .sie nicht so häufig auftritt wie Diphyes. Die zahlreichsten
Exemplare und Eudoxiengrupi>en stammen aus einer Tiefe von 80 — 100 M. Ebenfalls in geringerer
Tiefe von 100 'Sl. fischte icli Ende August und Anfang Septendier Dijihyes sul)tilis Ch., Galenlaria auran-
tiaca Vogt und Monophyes gi-acilis Claus. Die letztgenannten di-ei Arten erscinenen von Jlitte Srjiteinlter
und Anfang Oktober i C4aleolaria i an der Obei-fläche.
Von Phvsophoriden traf ich Ende August in 100 M. Tiefe jugendliche und eiwachsene Exem-
plare des Halistennna ' StejiliaiKmiia i pictuni IMetschn. an. Die Larven desselben waren gleichzeitig iiäufig
an der Oberfläche und lieferten ein willkommenes Älaterial zum Studium drv bisher unliekannten
postembrvoualen Metamorphose. Erst vom 23ten September an zeigten sich die erwachsenenen Thiere
an der ObeiHäclie. Apolemia uvaria Eschsch. ist für die grossen Tiefen wiederum charakteristisch. In
dem Schliessnetz fanden sich Grupjienanhänge des Stammes aus 600 M., während grössere Bruchstücke
derselben sowohl Anfang Sejitendier Ijei Ponza, wie Mitte Oktober vor Oapri und Ischia bis zu 1200 M.
Tiefe in das grosse Netz gei'iethen. An der Oberfläche fing ich sie Ende September während der Nacht
und Anfong Oktober bei Tage. Vnn einer neuen Forskalia-Art, deren Beschreibung ich in einer mono-
graphischen Bearbeitung der Sipl.onophoren geben werde, fand ich Bruchstücke vor Prmza aus 1300 M.
am 9. September. Einen Monat später beoliachtete ich sie aus derselben Tiefe vor Ischia. An der
Oberfläche erschien sie im Winter 1884; sie zeichnet sich, abgesehen von der ansehnlichen Grösse ihrer
Magenschläuche und ziegelrothen Fäi-bung der Batterieen und Polypen, durch ihre grossen rechtwinklig
abgestutzten Deckschuppen aus.
So hat sich denn meine Erwartung, die den Ausgangsjiuidvt zu den vurliegcnden Untersuchungen
allgab, dass nändieh in grösserer Tiefe eigenartige Siphonophoren leben miichten, füi- ilie von mir
erforschten Theile des Mittehneeres nicht bestätigt. Alle Siph<nioj)horen aus grösseren Tiefen erscheinen
zu gewissen Zeiten auch an der Oberfläche. Dass trotzdem der pelagische Fang in den Tiefen auch für
die Siphonophoren manche interes.sante biologische Aufschlüsse gi<'bt, will ich an zwei Beispielen darzu-
legen versuchen.
Im Wintei- und Frühjahre ist im Golfe kaum eine Siphonophore gemeiner, als Hippopodius
luteus. So häufig er auch erscheint, so selten sind junge Stadien mit nur vier bis sechs Sehwimmgloeken.
Vergeblich suchte ich jedoch nach Larvenformen, welche über die postembryonale Entwicklung desselben
Aufschluss gegeben hätten. ScIkiu Metschnikoflf M hebt hervor, dass es ihm ei-st nach vielen missglückten
Versuchen gelang, einige befruchtete Eier zu erhalten, an denen er die frühesten Stadien der Entwicklung
beobachtete. Ich selbst habe mich ijfter vergeblich abgemüht, eine künstliche Befruchtung vorzunehmen.
Da nun der Hippopodius mit lieginn des Sommers von der Oberfläche verschwindet, so durfte ich darauf
gefasst sein, ihn in grösserer Tiefe wieder aufzufinden. Thatsächlich gelangten denn auch bei meiner
ersten Ausfahrt, Ende x\ugust, einige isolirte Schwimmglocken aus 100 M. Tiefe in das Netz. Später
fand ich sie verehizelt bis zu 120(> M. Tiefe. Gleichzeitic; entliielt aber aiudi das Netz die schon längst
') E. Metschnikoff, Studien über die Entwickehiug der Medusen und Sip]iouo|ihoren. Zeitsclir. f. wiss. Zool.
Bd. 24 p. 4i;.
ö 14 ES
gesuclitcn juj;'('ndlit'hen Formen mit 2 oder 3 Glocken und j;-clej?cntlicli auch junn'e Si|)lionoplioren von
Monophves iihnlichem Habitus. Sie besassen eine völlig' runde Schwimmjjjlocke mit relativ sein- kleinem
Schwimmsack und erreichten die immerhin ansehnliche Grösse von 7 mm. Ich t^laubte bei oberflächlicher
Betrachtung, dass ein neues grosses Monophyes vorliege, doch brachte die genauere Untersuchung mich
auf die Veniiuthung, dass diese Wesen in genetischer Beziehung zum Hippopodius stehen möchten.
Durch meine fräheren Untersuchungen lag ja die Erwartung nahe, dass die Larven der Calycophoriden
einen vom ausgebildeten Tiiier sehr differenten Habitus zur Schau tragen würden.
Thatsächlich repräsentiren denn auch die originellen in Fig. 1 und 2 auf Taf. H dargestellten
Wesen die Larven des Hip}iopodius, und der Grund, dass wir bisher über die postembryonale Entwicklung
eines der gemeinsten pelagischen Thiere des Golfes keine Nachrichten haben, liegt wohl haui)tsächlich
darin, dass die monop liy esa rtigen Larven des Hip})i)podius in grösseren Tiefen leben.
Zur Erläuterung der beiden Figuren bemerke icli noch Folgendes. Die primäre lieteronior])lie
Schwinnnglocke des Hipi)opodius ähnelt der Glocke von Monophyes gracilis und M. irregularis nicht nur
durch ihre rundliche Form, sondern auch durch den Besitz eines Saftbeliälters (s) und einer grossen
Seheide (v). Der bilateral-symmetrische Schwimmsack ist relativ klein und kehrt seine Mündung schräg*
nach oben ülie schlitzförmige Oeffnung der Scheide als nach unten gewendet gedacht). Die 4 Radiär-
gefässe desselben und namentlich das grosse untere Gefäss sind breit. Ein bogenf(irmig verlaufendes
Gefäss stellt die Verbindung mit dem Ende des Saftbehälters her. Letzterer bildet den dorsalen
Abschluss der grossen mit einer schlitzförmigen Oeffnung (Fig. 2i ausmündenden und seitlich compri-
mirten Scheide. Nur das Ende derselben ragt frei in die Umbrellargallerte. Der scldanke und durch-
sichtige Magenpolyp mit seinem noch kurzen dem Sehwimmsack zugekehrten Fangfaden sitzt am Anfangs-
theil des Saftbehälters. Er ist ausserordentlicli delmbar und kann seine Mundöffnung aus der Scheide
hervorstrecken. Schon auf diesem frühen Stadium tritt schräg oberhalb des Polypen die Anlage einer
Knospe auf, welche sich späterhin zu der ersten definitiven pferdehufähnliclien Scliwimmglocke des
Hippopodius ausbildet.
Ueber die weitere Entwicklung giebt Fig. 3 Auskunft, welche Schwimmsack (h) und die Knospen-
gruppen einer älteren Larve schräg von oben gesehen darstellt. Neben dem ersten Magenjiolyj) (/?') ist
ein zweiter (p~) hervorgeknospt und hinter diesem liegt die Knospe für einen dritten (p^). Die dorsale
Anlage der ersten definitiven Glocke (c') hat sich vergrössert und ilir sitzt bereits die Knospe für eine
zweite Glocke (c^i an. Icli konnte diese Larve zwei Tage lebend erhalten, wälirend deren die provisorische
primäre Glocke abgeworfen wurde und gleichzeitig der Saftbehälter {s) schrumpfte. Der zwischen
Schwimmglockenknosjjen und Magenpolypen gelegene Theil des letzteren streckte sich bedeutend zu
einem Stamme, an dem auf der ventralen Seite drei Magenschläuche und die Knospe für einen vierten
sich inserirten. Der älteste am Ende des Stammes sitzende Magenpolyp hatte seine deflnitive Grösse
eiTcicht und ebenso war der Fangfaden mit 6 ausgebildeten nierenförmigen schwefelgelben Batterien,
wie sie für Hippoiiodius charakterisch sind, ausgestattet. Von den am Anfang des Stammes dorsal
gelegenen Glockenanlagen Hess die älteste bereits den für die definitiven Glocken typischen Gefässverlauf
erkennen. Dasselbe Stadium fischte icli auch freilebend; nur waren die beiden ersten definitiven Glocken
weit entwickelt und von der charakteristischen pferdehufähnlichen Form. Sie vermittelten durch lebhaftes
Pumpen die Ortsbewegung und ilnien sassen wiederum zwei weitei-e (! lockenknospen an.
<3 15 DJ
Durch die hier ini t ft- e t h o i 1 1 !■ ii B o o ha c h t u n ge ii i s t u u ii a u c h fit i- il i e Polyi'li v iil rii,
wie ich die duich mehr als zwei ile {'in it i v c S c li w i m in f;l o c ken e h a ra k teris ir t en Caly-
copliorid (• II l)('nciiiic. der Nachweis erbracht, dass den definitiven Glocken eine
he t e r 0 ni <i r |i h I' in on o |i li y c s;i ii n li c h r ]irini;ii'o (_Tli:)ck(' vo ra u Si;' eh t , weiche abgeworfen
wird. Die ei-ste Anlage derselben hat bereits Metschnikoff beobachtet; er deutet sie, wie dies nach dem
damaligen Stande der Kenntniss von der iiostend)i'yoiialen Entwicklung der Calycoiihoriden erklärlich
scheint, als die erste di'tinitive (xlocke.
An einer anderen Steile werde icii nocli darlegen, dass der Organismus der Polyphyiden in
mehrfacher Hinsiclit ieiirreicli ist füi- das Verständniss der Piiysoiihoriden. Nur soviel sei liier liervor-
geiioben, (hiss dieselbe (.)j)j)osition von Scliwimmglockenknospen und Magenschläuchen auch bei den
Physophoi-iden wiederkehrt. An den Larven des Haiistemma rubrum sowohl wie an jenen der Forskalia
(Apolemia) contorta liegen die Knospen für Taster, Älagenschläuclie und Geschlechtspolypeu ventral, während
die Schwinnnglocken am Anfangstheii des Stanunes (hirsal gestellt sind. Hierdurcli erklärt sicli aut'li die \(in
Claus ' ) zuerst naciigewiesene Umkehrung der Spiraldrehung des Stammes in der »Säule der Sch^^■immglockeu.
Ein zweites Beispiel, welches den Werth der pelagisclien Tiefseetiscliei-ei für Erkenntniss der
Biologie niederer Thiere illustriren mag, entnelime ich der postembryonalen Entwicklung von Physophora
hy drosta t ica. Bekanntlicli iiat Haeclvel-j zuerst die Emln-yonaientwicklung der pompösen Physophora
magnitica kennen geielirt uml den Nachweis gefülirt, dass zmiächst ein kappenförmiges provisorisciies Deck-
stück angi'iegt wird, welches Luftflasclie und Polyp aufliegt und später abgestossen wird. Auch wies
Haeckel nacii, dass der primäre Tentakel mit Nesseiknüpfen besetzt ist, die eine von der späteren Bildung
abweiciiende (Jestalt besitzen. In diesem Stadium tischte ich wälirend des Früiijahres 1886 meiirmals
die freilel)enden Larven der Piiysopiiora Iiydrostatica. Sie besassen ausser jirimärer Deckschuppe, Polyp
und larvalem Fangfaden drei bis vier lange grünlich schillernde Taster, welche durcii energische
Bewegungen auffielen. Andere hatten bereits die Deckschuppe abgeworfen und mehrere Schwimmglocken-
knospen angelegt. Auf letzterem Stadium sind diese Larven bereits von C. Vogt') beobachtet und
richtig auf Physophora bezogen worden. Icii verweise daher auf dessen Schilderung und Abbildung und
bemerke nur, dass ich im Frühjahre vergeblieh nach späteren Stadien mit ausgebildeten Schwimmglocken
suchte. Da nun die im Golf seltene Physophora mit Beginn des Sommers von der Oberfläche verschwindet,
so war ich wiederum angenehm überrascht, als icli am 10 Oktober aus einer Tiefe von 900 M. eine
Larve derselben tischte, welche ein interessantes Zwischenstadium ih'i- von Vogt beschriebenen Jugend-
fonnen und des erwachsenen Thieres repräsentirt. Die in Fig. 4 abgebildete Larve war voiikommen
durclisiclitig, 8 mm gross und Ijewegte sich lebliaft in dem Gefässe durch Pumpbewegungen zweier
ausgebildeter Sciiwimmglocken. Unterhall) der Luftflasche sind noch mehrere Sciiwimmglocken angelegt.
Der Stamm [tj ist kurz und an seiner Basis bereits flaschenförmig erweitert. An letzterer sitzen vier
Taster (a), welche je nach der Beleuclitung bald grünlich. l)aiil in i\rv zarten rothen Complenientärfarbe
schillern. Ihre der Batterieen entbehrenden Angelfädeu (/) sind schon von ansehnlicher Länge. Zwischen
den ausgebildeten Tastern sitzen einige, zum Theil weit entwickelte Anlagen neuer Taster (a'i. Neben
') C. Cl.aus. Ueber Halistenima Tergestiuum. Arh. zool. Inst. Wien Bd. 1. 1878 p. 7.
'') E. Haeckel. Zur Entwicklungsgeschichte der Siphonophoren. Utrecht 1869. p. 17 ff. Tat. 1 — 5.
•') C. Vogt. Les Siphonophores de la mer de Nice. Mem. Inst. Nat. Genevois T. I 1853 p. 58, Taf. 6, Fig. 24.
ra 16 £>
dem grossen M;ii;'cnpiilyin'n (jui mit seiner wcitrn Miuulöffnunj;' (fijelegcntlich saugte er sicli, dieselbe zu
einer seeliseckigen Sclieilx' verln-eiternd, an die (Jefässwandungen an) sprosst die Anlage eines zweiten
hervor. Der Fangfaden hat die orange pigmentirteu , körbehenförmigen und nn Centrum mit langen
Sinneshaaren ausgestatteten larvalen Batterieen verloren und weist an seiner Basis die Knospen für die
definitiven Xessclknöiife auf.
So lehrt denn dieses Stadium, (hiss ausser der frühzeitig ahgc'Worfenen Deekseliujipe und den
lai'valen Batti'rieen ailc ül)rigen (■iruj)iienanhänge in das definitive Tliicr aufgenommen werden. Ende
November erschienen denn aueli di<' jungen Piiysophoren an der Oberfläche. Durch Salvatore lo
Bianco wurden mir drei mit bekannter Virtuosität eonservirte junge Exemplare übersendet, welche
4 — 6 entwickelte Schwimraglocken und 2 — 3 mit den für die erwachsene Phj'sophora charakteristischen
Knöpfen besetzte Fangfäden aufwiesen.
So geht denn aus diesen Mittheilungen hervor, dass die im Frühjahr an der Ober-
fläche auftretenden jugendlichen P h y soj) hora-Lar ven mit Beginn des Sommers
grössere Tiefen aufsuchen, um dann nach Vollendung ihrer Metamorphose mit Be-
ginn des W i n t e rs a u f z US t e i g !■ n und zu ge seli \ec h tsr eif en Tliieren sich zu eu t w i e k <■ 1 ii.
Wenn es auch niclit in meiner Absicht liegt, an dieser .Stell«' ai\f morphiihigische Betrachtungen
mich einzulassen, so will ich doch hervorheben, dass für Physophora der frühzeitige Schwund (h'r larvalen
Nesselknöpfe charakteristisch ist. Die Larven des Haiistemma besitzen den larvalen Faugfaden noch, wähnend
bereits an den oberen Magenschläuchen die definitiven Batterieen angelegt werden. Noch länger ist der
bisher unbekannte larvale Fangfaden an dem untersten centralen Pelypen beider Fi)rskälia-Arten nach-
weisbar. Dass er auch bei den Agalmen lange Zeit nel)en den späteren heteromorphen Fangfäden sich
erhält, haben schon frühere Forscher hervorgehoben. Sehr eigenthümlich verhält sich in dieser Hinsicht
Ehizopliysa. Gegenbanr^) wies bekanntlieh nach, dass an dem Fangfaden derselben drei Formen von
Batterieen auftreten, von denen soncb-rbare mit einem schmibelfiirmigen F'ortsatz versehene Nesselknöpfe
(Gegbr. Fig. 9) in der Minderzahl entwiekelt sind, (lerade diese Nesselknöpfe treten jediich ausehliess-
lich an den jüngsten von mir beol)achteten Fangfäden auf. An idteren Exemplaren erscheinen an dem-
selben Fangfaden allmählich die beiden anderen Ftu'men von Batterieen. Sii besitze ich jugendliche
Rhizophysen, an deren Fangfadenende bis gegen lö vogelkopfähnliche Batterieen sitzen, ehe die anderen
auftreten. Allmählich werden sie häutiger angelegt, um dami siiäterhui etwa die Hälfte der Nesselknöpfe
auszumachen. An Exemplaren von mittlerer (irösse kehrt sich ilas Verhältniss zu Gunsten der sjiäter
auftretenden Batterieen mn und Gegenbaur gibt richtig an, dass zwisejien etwa 10 Batteriei'U je eine
vogelko]:ifähnliche beobachtet wird. An den iütesten Rhizojihyst'U eiullich vermisste ieh in der oberen
Hälfte (h's P^ingfadens die genannten Nesselknöpfe. Hier steht zwischen \'2 — 14 mit 2 St'iteiiästen aus-
gestatteten Batterieen ((jregbr. Fig. 1} je ein gi'osser N^esselknnpf mit dii'lintom verästelten fingerförmigen
Ausläufern. So spielen il e n n offenliar die v o ge 1 k o p f ä h n 1 i e h e n X e s s elk n li p f e die Rolle
V o n 1 a r v a 1 e n (t e Ii i 1 d e n u n il R h i z o ji h y s a ist ins i> f i' r n 1 e Ji r r e ich, a 1 s > i e zeigt,
dass an ein<'m und demsellie'U Fangfaden der 'Wechsel d ei- i>atterit'en sich vollzieht.
') C. Cie genbau r. Bciitrag /.. Kenntniss der Srhwimmiiolypen. Zeitschr. f. wiss. Zool. WA. b. p. 3-'y. Tat'. 18. Fig. 7 — 9.
ö 17 E*
Ich vcrmuthe denn aucli , tlass der dem idtesten ilagenschlauch ansitzende Fangfaden von Physophora
nicht neu gebildet wird , sondern dass nacli Verhist der larvalen Nesselknöpt'e lediglich die Neu-
bildung der definitiven Batterieen an dcnisellten Fangfaden anhebt.
5. CtenopJiorae,
AVie ieli im allgemeinen Theile ausführen werde, so ist es mir schon vcjr Jahren gelungen, ül)er
den Verbleib einiger Ctenophoren während des Sommers Aufschluss zu erhalten. So tischte ich im Sommer
1877 aus etwa 100 Meter Tiefe Beroli ovata und Larven des Cestus Veneris. Ich kann diese Beobachtungen
nach meinen jetzigen Erfahrungen bestätigen und erweitern. Aus einer Tiefe von 150 Meter wurde am
17. September eine kleine Beroe ovata erbeutet und am 9. September ein junger Vcnusgürtel. Ende
September fand ich einen solchen in 50 Meter und gleichzeitig wurde auch das erste Exemplar an der Ober-
fläche beobachtet. Ueberraschend war es mir jedoch, dass Cestus Veneris auch die grösseren Tiefen aufsucht.
Schon bei den ersten Zügen vor Ponza in 1200 Meter Tiefe gelangten Bruchstücke alter Exemplare an die
Oberfläche und späterhin waren fast regelmässig Theile desselben in dem grossen Netze enthalten. Auch jüngere
Exemplare und Larven (von letzteren aus 800 Meter vor Ischia das Stadium mit je einem Schwimmplättchen
in den 8 Rii»penj sind in der Tiefe vertreten. Von sonstigen Ctenophoren erwähne ich eines Exemplares
von Hormijphora jjlumosa aus 150 Meter am 17. September, die bisher nur während des Winters und
Frühjahres an der Oberfläche beobachtet wurde. In auffälligem Gegensatz zu den bisher
angeführten Arten steigen die gelappten Ctenophoren nie in die Tiefe. Ihre Larven
sowohl, wie die ausgebildeten Tiiiere bevölkern in enormen Schwärmen die oberflächlichen Schichten bei
Tag und Nacht. AVelch' eigentiiümliche Erscheinungen in der Fortpflanzung von Eucharis und Bolina durcii
den ständigen Aufentlialt in den oberflächlichen, der vollen Einwirkung von Licht und Wärme ausge-
setzten Schichten bedingt werden, soll am Schlüsse der allgemeinen Betrachtungen noch dargelegt werden.
III. Echinodertnata.
Die Larven der Echinodermen vermisste ich durchaus in grösseren Tiefen; unterhalb 100 Meter
gelangten sie nicht mehr in die Netze.
IV. Veruies.
1. Turhellarii.
Ein einziges Mal war in dem grossen Netz aus 600 Meter Tiefe eine rhabdocöle Turbellarie von
2,5 mm Länge enthalten. Sie war milchweiss und besass einen roth durchschimmernden Darm. In dem
Uhrschälchen begann sie alsbald unter lebhaften Contraktionen an den Wandungen zu kriechen. Bei
dem Versuch, sie in Sublimat zu conserviren, contrahirte sie sich dermassen, dass röthliche Fetttropfen
ausgestossen wurden iind eine nähere Bestimmung nicht vorgenommen werden konnte.
2. Chaetognatha.
Die Sagitten bilden gemeinsam mit den Radiolarien, Tomopteriden , Diphyes Sieboldii und den
Crustaceen die häuflgsten und constantesten Bewohner der grösseren Tiefen. In zahllosen Mengen
gerathen sie sowohl in das offene, wie in das Schliessnetz von 100 ]\I(tci' an bis zu 1300 Meter. Am
gemeinsten ist die grosse Sagittn kexaptera d'Orbigny , die man in allen Stadien regelmässig im
C. Chun, die pelagische Thierwelt. 3
<i 18 £>
Schlicssiictz Miitrift't. Wälireml der Nacht tisclite ich sie iibi'i,i;'eiis auch Ende September an der (Jber-
Häche. Fast ebenso häutii;; ist S. servatoJentafa , die von der Oberfläche an (wahrend der Nacht Ende
Heptember) l)is zu 1300 Meter in allen Schliessnetzen beobachtet wurde. Dagegen scheint die gemeine
S. hipundata Quoy u. Gaim. in der Tiefe zu fehlen und auf die oberflächHchen Schichten beschränkt zu
sein, da ich sie in keinem Schliessuetz vorfand. Auch noch im Januar bildeten die Sagitten einen
charakteristischen Bestandtheil der Tiefenfauna.
3. Tomojtteriden. (Taf. III.)
Ausserordentlicli cliarakteristisch für die gn'isseren Tiefen von 500 Metern an })is zu 1300 Meter
sind zwei Arten von Tomopteriden. ]Man findet sie regelmässig sowohl in dem Schliessiictz , als auch
in ansehnlicher Zahl in dem grossen Sclnvebnetz. Wenn sie auch leicht von einander zu unterscheiden
sind, so vermag ich sie doch nicht mit jenen Arten zu identificiren, welche bisher von der Oberfläche
beschrieben w'urdeu.
Die kleinere Art, welche ich Tnmo-pferis elegans (Taf. III. Fig. 4) nenne, erreicht eine (Trosse
von nur 5 — 6 mm. Sie besitzt 13 — 14 ziemlicli sclilanke Parapodienpaarc. Die mittleren stehen senkrecht
vom Körper ab, die vorderen sind gegen den Kopf geneigt, während die hinteren allmählicii an Grösse
abnehmend gegen das Schwänzende convergiren. Ein stunnnelförmiger Scliwanzanhang fehlt. Der Kopf
ist durch das Auftreten eines kleinen Fühlereirrenpaares (c'j ausgezeichnet, an dessen Ende eine feine
Borste sich inserirt. Die Kopffühler sind ansehnlich und breiter als der Basaltheil des zweiten grossen
Fühlereirrenpaares (c^j. Letzteres erreicht zwei Drittel der Körperlänge; die Borste mit ihrer zelligen
Scheide (s) wird an ihrer Basis von mehreren fächerförmig ausstrahlenden Muskeln bewegt und an ihrer
vorderen (den Kopffühlern zugekelu-ten) Seite von einer ziendich breiten Lamelle umsäumt. Die rücken-
ständigen Wimperepaulettcn {w), welche vielleicht als Geruchsorgaue fungiren, sind lang oval ausgezogen.
Das Gehirn {g) ist o^'al oder stum})f dreieckig und entsendet zwei starke Nerven zu dem zweiten Fühier-
cirreupaare, die vor der Borste \erlaufen. Nacli abwärts geht es in die breiten seitlich mit Ganglien-
zellen belegten Commissuren über. Die Augen besitzen braunrothes Pigment und scheinen eine vier-
theilige Linse aufzuweisen. Der kräftig muskulöse Pharynx (^j/(), welchen man bisw'eilen vorgestülpt
flndet, mündet ^'or dem ersten Parapodium in den Darm ein. Bei manchen Exemplaren entsendet letzterer
(und zwar meist in der hinteren Körperhälfte) kurze, aber breite Divertikel in den Basaltheil der Para-
podien. Ein ventrales und ein dorsales Mesenterium halten ihn in der Leibeshöhle aufgespannt. Ueber
die Geschlechtsverhältnisse der in Rede stehenden Art werde ieli im Zusammenhang mit jenen der
grösseren Tomopteris eingehender berichten; nur so viel sei erwäimt, dass unter den 11 von mir gefangenen
Exemplaren sich kein einziges Männchen befand.
Tomopteris elegans unterscheidet sich von der durch Vejdovsky ') aus der Adria beschriebenen
T. vitrina durch die Persistenz des ersten Fühlereirrenpaares und durch den Mangel eines wurmförniigen
Anhanges am Hinterleibe. Ausserdem sind die Kopffühlcr breiter und die Parapodien schlanker als bei
der adriatischen Form. Von T. Kefersteinüj welche von Greeff ^) an den Canaren entdeckt und neuer-
') F. Vejduvsky, Beiträge zur Kenntniss der Tomopteriden. Zeitschr. f. wissensch. Zool. Bd. 31. p. 81. T.if. 6 u. 7.
■) K. Greeff, Ueber pelagische Annelideu von der Küste der Canjirisclien Inseln. Zeitschr. f. wissensch. Zool.
Bd, 3-2. p. 276. Taf. 15.
IG 19 £4
clings diireli Vi.^^uicr'i in der Bai von Algier beobachtet wunle , unterscheidet sie sich bei gleicher
Grösse durch die schlanken, langen und in geringerer Zahl auftretenden Parapodien.
T. elegans ist seltener als die grössere Art; in dem Schliessnetz fand sich je ein Exemplar aus
600 Meter und aus 1300 Meter.
Unter den Anneliden ist keine Furni für die Tiefsee so charakteristisch und typisch wie die zweite
grössere Art von Tomoptevis. Ich würde dieselbe gern mit der T. scolopendra, welche Keferstein'-)
von Messina beschrieb, identiticii-en, wenn nicht einige seiner Angaben dem entgegenständen. Jedenfalls
ist die grosse und ausgezeichnete Tomojiteris euchaeta (Fig. 1), wie ich die in Rede stehende Art benenne,
der 2\ scolopeiidra nahe verwandt. Die vollkommen durchsichtigen Thiere fallen in den Gefässen sofort
durch ihre lebhaft schlängelnden und raschen Bewegungen auf und das umsomehr, als die grösseren
Exemi)lare die ansehnliche Länge von 30 nun erreichen. Die stattlichen Fühlerborsten sind stets länger
als der Körper; gelegentlich übertreft'en sie ihn um das Doppelte, bei jüngeren Exemplaren sogar um
das Dreifache. In der Ruhe stehen sie horizontal ab, bei der Scliwinnnbewegung schleifen sie wie Fang-
fäden nach. Trotz der (xrösse der Thiere ist die Zahl der als Ruder fungirenden Parapodien eine
beschränkte, insofern auch die längstt'u Exemplare nicht mehr als 15 Paare aufwiesen. Dagegen ist eine
ungefähr gleiche Zahl vi in rudimentjiren Fussstunnneln an dem wurmförmigen Anhang ausgebildet, den
T. euchaeta mit 2\ scolopendra., vitvina und der nordif-chen onisciformis gemein hat. Da dieser Anhang
entsprechend der Grösse der Thiere sich verlängert (er erreicht eine Länge von 10 mm) , da weiterhin
die Zahl der rudimentären Parapodien sich vermehrt und ungefähr jener der vorderen ausgebildeten
Flossen gleich kommt, so stimme ich Keferstein bei, wenn er die erwähnten Tomopteriden als Anne-
liden betrachtet, bei denen der vordere und hintere Körper verschieden gebildet ist (p. 366 1. Ein 30 mm
messendes Exiniiilar von T. euchaeta besitzt z. B. 15 ausgebildete und 14 rudimentäre Paare von Fussstunnneln.
Vejdovsky spricht sich freilich gegen eine solche Auffassung aus und nimmt an, dass die
rudimentären Paare als gleichwerthig mit den vorderen zu erachten seien (p. 94). Das würde jedoch
nur dann Geltung haben , wenn eine allmähliche Entwicklung der rudimentären Fussstummel zu aus-
gebildeten erfolge. Da in solchem Falle eine Abnahme, nicht aber eine Zunahme der rudimentären
Paare mit dem Alter zu erwarten wäre, so dürfen wir das hintere Körperdrittel, ohne eine Homologie
der vorderen und hinteren Parajiodien in Abrede zu stellen, als difFerent gebildet in Anspruch nehmen.
Die vorderen Parapodien sind relativ kurz und plump und dabei gelegentlich an ihrer Basis derart
aufgedunsen, dass sie sich nahezu berühren.
Der Kopf ist durch die relativ schlanken und mit dem Basaltheil der grossen Fühlercirren gleich
langen Kopffühler charakterisirt. Dagegen fehlt dem entwickelten Thiere das kleine erste Fühlercirren-
paar. Ob es in der Jugend vorhanden ist , vermag ich nicht zu entscheiden ; das kleinste Exem})lar mit
6 Parapodienpaaren von nur 2 nnn Länge liess dieselben nicht erkennen. In dieser Hinsicht dürfte sich
T. euchaeta wesentlich von T. scolopendra unterscheiden, bei der nach Keferstein (p. 362) dii' kleinen
Fühlercirren auch am ausgebildeten Thier persistiren.
') Camille Viguier, Aiiimiuix inferieures de la Baie d'Alger, Arch. Zool. Exper. de Laoaze-Duthiers 1886. 2. Sdr.
Bd. 4. p. 412. Taf. 25.
Es ist möglicli, dass die von Viguier auf T. Kefcrstemii bezogene Art zu T. elegans gehiJrt.
") W. Keferstein, Einige Benierkuui'en über Tomopteris, Ari.-h. f. Anat. ii. Physiologie. 18151. p. 300. Taf. 'J.
3*
¥3 i.'0 ES
Trotzdem die Tomopteridcn von einer j^-rossen Zahl ausgezeichneter Forsclier eingehend studirt
wurden , so bedarf doch der feinere Bau derselben mehrfiich der Aufklärung. Ich werde mich bei der
Schilderung der einzelnen Organsysteme kurz fassen und nur solche Punkte ausführlicher Ijerücksichtigen,
wo ich wesentlich Neues zu bieten vermag.
Das zweilappige Gehirn (Fig. 2) liegt zum grössten Theil liinter den Cirrenborsteu und entsendet
an seinem Uebergang in die mit Ganglienzellen seitlich belegten Commissuren jederseits einen starken
Nerven (n) zu den Borstenmuskeln. Offenbar rückt es erst mit fortschreitendem Wachsthum in die
Mitte des Kopfes, da es bei jugendlichen Exemplaren vor den Borsten gelegen ist, entsprechend der
Lagerung bei T. elegans. Die Augen besitzen ein rothbrauiies Pigment und, soweit ich es an den con-
servirten Exemplaren zu beurtheilen vermag , eine viertheilige Linse. Auch ist die Pigmeutlage vier-
lappig ausgebuchtet, wie dies an jiarallcl der Medianlinie geführten Schnitten deutlicli hervortritt. Die
beiden ansehnlichen dorsalen Wimpere))auletten {w) sind bei jüngeren Thieren kreisrund, bei idteren lang-
oval ausgezogen.
Unter dir Sinnesorgane des Kopfes ist vielleiclit auch ein merkwürdiges Organ zu zählen, dessen
kein Beobachter der Tomopteridcn Erwähnung thut, wie es denn iilierhaujit unter den Anneliden kein
Homologen zu haben scheint. Auf der Dorsalseite des Kopfes zwischen den beiden Wimperepauletten
liegt nämlich die Oeffnung einer tiefen Grube, die trichterförmig sich verengernd schräg nach unten
und hinten an dem Gehirne endigt (Fig. 2 und 3 gr.) Ob dieselbe im Leben flinnnert, vermag ich
nicht anzugeben. Dagegen verläuft an ihrem vorderen, den Kopfla})peu zugewendeten Rande ein
starker unpaarer Nerv (Fig. 3. n), der feinere Aeste an die KoitHappen abgiebt. Ich habe diese
Kopfgrube bei keinem der zahlreichen erwachseneu Exemplare vermisst, welche ich
untersuchte; liei den jüngsten Exemplaren von 2 — 3 mm Länge fehlt sie, während sie bei raittelgrossen
Individuen kaum halb so tief erscheint, als bei den erwachsenen.
lieber die morphologische Deutung dieser Kopfgrube vermag ich micli nicht auszusiirechen.
Phantasievollere Beobachter, die stets bedauern, dass man die tiefe phjdogenetische Bedeutung eines
Organsystem nicht erkannte, mögen in ihr ein Homologon der Epij)hysis oder der Cyclostomennase oder
gar des su))]jonirten primären Wirbelthiermundes erkennen. Ich habe mir freilich eine recht nüchterne
Vorstellung ül)er die Entstehung der Grube gebildet. Da sie nämlich den jüngsten Thieren fehlt, deren
Hirn bis an die Rückenseite des Kopfes ragt, so dürfte mit dem allmählichen Zurückweichen des grossen
Ganglions ein Zug ausgeübt werden, der zur Bildung der Grube Veranlassung gäbe. Das Nerven-
system wahrt zudem zeitlebens seine Beziehungen zum Ektoderm, insofern es nicht in die Tiefe rückt,
sondern, Avie Vejdovsky und Greeff richtig hervorheben, zwischen der Haut und Hautmuskulatur (Fig. 3 nm)
gelegen ist.
Dass bei der ansehnlichen Entwicklung der Fühlerborsten die zur Bewegung derselben dienenden
Muskeln besonders kräftig entwickelt sind, ist erklärlich. Sechs breite Muskelbänder (m?«' — mu^ Fig. 2)
inseriren sich in gleichen Distancen an der Basis je einer Borste und strahlen fächerförmig sich verbreiternd
zur Körperoberfläche aus. Ein siebentes Paar von Mviskcln (mit") durchsetzt neben den Connnissuren
dorsoventral den Kopf, ohne an die Borsten heranzutreten.
Der vorstülpbare Pharynx mündet weit vor dem ersten Parapodium in den Darm ein, welcher
bald gerade gestreckt verläuft, bald kurze Divertikel in einige der hinteren Parapodien entsendet, bald
ö 21 E>
auch (Fifj. 1) eine kurze Schleife in einem der letzteren Ijildet. Er hiin^t in der voluminösen Leibes-
höhlc (7) vermittelst eines dorsalen und eines ventralen Mesenterialbandes (Fig. 3 me). Letzteres
rcpräsentirt keine coutinuirliehe Lamelle, sondern zerfasert sich gegen die Körpenvandung. Das Auf-
treten der beiden Mesenterien, die Auskleidung der Leibeshöhle durch eine Epithellamelle (Fig. 3 ep)
und die Entstehung der Geschlechtsproducte aus dem Epithel der Leibeshöhlc deuten darauf liiu, dass
die Tomopteriden Enterocoelier repräsentiren.
Obwohl die Geschlechtsprodukte der Tomopteriden als Paradigmata für eine Entstehung aus dem
Leibeshöhlenepitel mit einer gewissen Vorliebe seit längerer Zeit angezogen werden, so ist doch den früheren
Beobachtern eine Reihe, wie mir dünkt, nicht unwichtiger Verhältnisse entgangen. Zunächst sei bemerkt,
dass icli wie bei T. elegans so auch unter den zahlreichen geschlechtsreifen Exemplaren von T. euchaeta
keine Männchen auffand. Worauf dieser Mangel, oder vorsichtiger gesagt, diese Seltenheit der Männchen
während der Monate August bis Oktober beruht, müssen spätere Untersuchungen lehren. Was nun die
Lage der Ovarien in den Parapodien anbelangt, so finde ich nicht erwälmt, dass dieselbe eine streng
fixirte ist. Sie finden sich nämlicli bei beiden Arten constant an der Dorsalseite der Parapodien in der
Höhe der Gabeltheilung letzterer. Bei T. elef/ans fehlen sie in den beiden ersten und in den 3—4
letzten Parapodieupaaren, bei T. euchaeta vermisse ich die Ovarien lediglich im ersten Parapodienpaar
und in den stummeiförmigen Anhängen des wurmförniigen Körperendes. Dass die reifen Eier in die
Leibeshöhle fallen und dass ihnen noeli eine Anzahl kleinerer Zellen anhängt, heben fast sämmtliche
Beobachter hervor, lieber die Bedeutung der letzteren und über ihre Herkunft gehen freilich die
Ansichten weit auseinander.
Leuekart und Pagenstecher ') nehmen an, dass die Eier vor ihrer Reifung sich in 4 und mein'
Ballen klüften , die jedes ein Keimbläschen enthalten und dann einer nach dem anderen zu einem Eie
heranreifen. Auch Keferstein ist der Ansicht, dass der Eierhaufen sich weiter entwickelt, während er m
der Leibeshöhle flottirt, „indem ein Ei nach dem anderen zur vollständigen Grösse heranwächst" (1. c. p. 364).
Greeff (1. c. p. 276) spricht ebenfalls von Keimzellenballen in der Leibeshöhle, während Vejdovsky
(1. c. p. 91) glaubt, dass in den flottirenden Zellgruppen „eine dieser Zellen auf Kosten der übrigen
Geschwister sich bis zur völligen Reife entwickelt". Am ausführlichsten sprechen sich Carp enter und
Claparede-j über die flottirenden Zellen aus, obwolil ilu-e Anschauung im Wesentlichen die Ansichten
von Leuekart und Pagenstecher wiedergiebt. Sie schildern den Ursprung der Keimzellen in den Para-
podien; „these cells multiply by self-di\-isu)n after tlie ordiuary mode, and it is only after their number
has thus been considerably augmented, that they begin to increase in size an to assume the characteristic
appearancc of ova".
Es lassen sich also die Anschauungen der früheren Beobachter kurz dahin resumiren, dass die
losgelösten Eier sich klüften und dass die Furchungszellen entweder als NiUn-zcllen fungiren (Vejdovsky)
oder sich ebenfalls zu Eiern entwickeln (alle übrigen Beobachter).
') R. Leuekart und A.P.n ge nste eher. Untersuchungen über niedere Seethiere, Müller's Arch. f. Anat. und Physio-
logie 1858 p. 592 Taf. 20.
-) W. Carpenter and E. Cl aparede, Further Researches on Tomopteris oniseiformis. Transaet. Linneau Soc.
Vol. 23. 1862 p. 64. Taf. 7.
— ra 22 e* —
Icli kann keiner dieser beiden Anschauungen ln-ipfliclitcn. Vor Allem ist es sämmtliehen Beobachtern
entgangen, dass die Zahl der kleineren den einzelnen Eiern ansitzenden Zellen eine durchaus constante
ist. Stets und ohne Ausnahme haften der Eizelle sieben kleine Zellen an. Man möchte
nun zunächst der Ansicht zuneigen, dass sie Nährzellen repräsentiren, welche von dem wachsenden Ei
resorbirt werden. Dagegen spricht jedoch ihr Verhalten Ijci jugendlichen und bei ausgebildeten Eiern.
In Fig. 7 bilde ich einen im distalen Ende des Parapodiums gelegen und gerade aus dem Ovarium
losgelösten Zellenhaufen ab, an dem die Eizelle sich durch ansehnlichere Grösse vor den übrigen 7 Zellen
auszeichnet. An anderen Ovarien desselben Thieres findet man bei gleicher Grösse der Eizelle die
sieben Zellen noch im Contakt mit dem Ovarium. Fig. 8 repräsentirt ein älteres, bei gleicher Ver-
grösserung gezeichnetes Ei desselben Thieres. Es bcsass 39 in der Leibeshöhle flottirende Eier von
gleicher Grösse, an denen ohne Ausnahme die 7 kleinen Zellen festhafteten. Sie haben sich abgerundet
und da sie kaum kleiner erscheinen, als bei dem eben losgelösten Ei, so liegt auf der Hand, dass die
merkliche Volumzunahme des von einer zarten Membran umgebenen Eies nicht auf Kosten der sieben
Zellen erfolgt sein kann. Fig. 9 endlich stellt ein völlig reifes Ei eines anderen in Fig. 1 abgebildeten
Exeniplares dar. Die 7 Zellen sind zwar kleiner als in Fig. 8, aber das Ei hat so beträchtlich an Vulum
zugenommen, dass der Eikern nahezu die Grösse des eben losgelösten Eies erreicht.
Die Ernährung und das Wachsthum der grossen und schönen Eier kann also nur durch die in
die Leibeshöhle diffundirte Nährflüssigkeit erfolgen. Es ist freilich nicht leicht, an allen ausgebildeten
Eiem die 7 ansitzenden kugligen Zellen nachzuweisen, da die ersteren durch die Conservirung undurch-
sichtig werden und da die zahlreichen Dotterkörner bei Behandlung mit Ueberosmiumsäure geschwärzt
erscheinen. Bei genauerem Zusehen lassen sie sich indessen bei vielen Eiern nachweisen, während sie
anderen fehlen. Dagegen bemerkt man noch hie und da in der Leibeshöhle kuglige Zellen, ja sogar
noch zusammenhängende Gruppen von 7 Zellen, die früher den Eiern ansassen. Manche derselben
schienen in deutlichem Zerfall begriffen, wie denn auch an den ausgebildeten Eiern gelegentlich ein Zerfall
einzelner ansitzender Zellen zu beobachten war. Die ausgebildeten Eier sind bei T. euchaeta rund, bei
T. elegans passen sie sich in den schlanken Parapodien den Conturen der Wandung an. Sie erscheinen
bald oval (Fig. 4), bald würfelförmig mit abgerundeten Ecken, bald auch liegt ein Ei bisquitförmig
gestaltet in den beiden Endzipfeln der Parapodien. Die grossen Kerne sind mit einem glänzenden
Kernkörperchen ausgestattet.
So geht denn aus den liier mitgetheilten Beobachtungen hervor, dass die 7 kleinen Zellen weder
als Nährzellen zu betrachten sind, noch dass sie sich successive zu Eiern entwickeln. Freilich bedarf
das definitive Schicksal derselben noch weiterer Aufklärung an lebenden Thieren. Ich kann indessen die
Vermuthung nicht unterdrücken, dass bei manchen Beobachtern gelegentlich der Erwähnung der in der
Leibeshöhle enthaltenen Blutkörperchen eine Verwechslung mit den losgelösten kleinen Zellen unterlief.
Die constante Achtzahl der losgelösten Zellgruppen musste Veranlassung geben, den Bildungs-
raodus der Eier in den Ovarien genauer zu eruiren. Ich stiess hierbei auf Verhältnisse, die meines
Wissens bisher unter den Anneliden noch nicht nachgewiesen wurden und welche lebhaft an die Eient-
wicklung bei Phyllopoden und Insekten erinnern. Die Ovarien der Tomopteriden setzen sich
aus Fächern von je 8 Zellen zusammen; in jedem Fache entwickelt sich eine der
urs j) rünglich gleich grossen Zellen zu der Eizelle.
— ö 23 et —
Zur Demonstration dieses Verhaltens verweise icii zunächst auf Fig. 5. Sie stellt ein älteres
Ovariuni der T. elegans dar, aus dem bereits eine Anzahl von Fächern sich losgelöst hat. Sehr
deutlich heben sieh zwei Fächer (1 und 2) ab, in denen je eine grosse Zelle als Eizelle wohl erkenntlich
ist. Zwei weitere Fächer (3 und 4) bestehen aus je acht gleich grossen Zellen, welche indessen merklich
kleiner sind, als diejenigen der zuerst erwähnten Fächer. Ein fünftes endlich wird wiederum von acht
kleineren Zellen gebildet. Sämmtliche Zellen sind nicht nur durch deutliche und scharf hervortretende
Membranen von einander abgegrenzt, sondern auch mit einem ebenso ))rägnant hervortretenden Kerne
und Kernköriierchen ausgestattet.
Dass übrigens diese Struktur nicht nur an älteren Ovarien, sondern auch an jenen, aus denen
sich noch keine Fächer loslösten, deutlich hervortritt, mag ein junges Ovarium der T. euchaeta, das ich
bei schwächerer Vergrösserung mit dem Prisma entwarf, demonstriren. (Fig. 6.)
Scharf heben sich jüngere wie ältere Ovarien von dem zarten Epithel der Leibeshöhle ab und
bei genauerer Analyse fällt es nicht schwer, die einzelnen Fächer von den anliegenden abzugrenzen.
Ich habe die Contouren der 18 Fächer, welche das abgebildete Ovarium enthält, der Uebcrsichtlichkeit
halber stärker augegeben, bemerke jedoch, dass an den mit einem Gemenge von Chromsäure und
Ueberosmiumsäure behandelten Thieren durch die verschieden intensive Bräunung die emzelnen Fächer
sich um so dcuthciier abzeichnen, je mehr der Grössenunterschied der 8 Zellen ausgeprägt ist.
Da weiterhin die Ovarialzellen in zwei Ebenen über einander gelagert sind, so sind von den
tiefer liegenden Zellen gelegentlich nur die Kerne, an den jüngsten Fächern nur die glänzenden Kern-
körpercheu angedeutet. Nur in 3 Fächern tritt je eine durch dunklen Ton angedeutete Zelle durch
geringen Grössenunterschied als spätere Eizelle deutlich hervor, widirend in allen übrigen die 8 Zellen
gleich gross erscheinen. Die Lagerung der betreffenden Zelle scheint für ihre spätere Ausbildung zur
Eizelle nicht massgebend zu sein; bald ist sie randständig, bald wird sie allseitig von Zellen umgeben.
In den jüngsten Fächern konnte ich die Contouren der einzelnen 8 Zellen nicht deutlich erkennen,
obwohl die Kerne in regelmässigen Abständen gelegen sind. Wenn zufällig in einem Ovarium die heran-
reifenden Eizellen derart gelagert sind, dass zwei oder drei mit den zugehörigen Gruppen der 7 kleinen
Zellen alterniren, tritt frappant eine Analogie mit den Eiröhren der Insekten hervor.
Es liegt auf der Hand, dass die 7 kleineren Zellen morphologisch den Nälu-zellen (Dotterbildungs-
zellen) der Phyllopoden und Insekten gleich zu setzen sind, obwohl sie in physiologischer Hinsicht nach
dem oben Mitgetheilten nicht dieselbe Rolle spielen. Lnmcrhin ist es möglich, dass sie bei dem ei'steu
Heranwachsen des Eies im Ovarium Niün-material abgeben und dass sie nur deshalb nicht völlig von
dem Ei resorbirt werden, weil dasselbe durch frühzeitiges Loslösen unter sehr günstigen Ernährungs-
verhältnissen in der Leibeshölde flottirt.
Auf eine Thatsache, die nicht ohne Interesse ist, möchte ich zum Schlüsse noch hinweisen. Xur bei
jüngeren Thieren, in deren Leibeshöhle noch keine Eier Hottiren, setzen sich die Ovarien aus einer grösseren
Zahl von Fächern zusammen. Je grösser die Weibchen werden, je mehr freigewoi'dene Eier in der Leibes-
höhle ihrer vollständigen Ausbildung entgegengehen, desto geringer ist die Zahl der Ovarialfächer. Bei
den grössten Exemplaren reducu-ten sich dieselben bis auf drei, zwei und schliesslich nur noch auf ein
Fach. Endlich schwinden die Ovarien vollständig in den einzelnen Parapodien. Da nun die Ovarien
von ihrem ersten Auftreten an sich scharf von dem Epithel der Leibeshöhle abheben, da in umgekehrtem
i3 24 Ci
Verlialtniss zu der Grösse der Thicre eine Abnalime der FUelier .stattfindet, so scheint eine Neubildung
letzterer ausgeschlossen zu sein. Die Zahl der Eier, welche während einer Periode der Geschlechtsreife
abgelegt werden, wäre demnacli von vornlierein tixirt. Würde man z. B. annehmen, dass ein erwachsenes
Weibchen je 15 Keimfitcher in je einem Ovariuni anlege und dass in 13 Parapodienpaaren die Eibildung
stattlinde, so ergäbe dies für eine Brunstperiode die inimcrliin beträchtliche Zahl von 390 Eiern und
2730 denselben ansitzenden kleinen Zellen.
Die beiden von Leuckart und Pagenstecher entdeckten und neuerdings von Greeff'j bei
T. Eolasi und T. Mariana wieder aufgefundenen Paare von Genitalspalten, welche zur Entleerung der
Eier dienen, konnte ich an den conservirten Exemplaren nicht naciiweisen.
Um über das Vorkommen der Tomopteris euchaeta noch einige Worte hinzuzufügen, so sei bemerkt,
dass sie erst von 500 JI. an auftrat und von da an constant in zahlreichen Exemplaren aus den grösseren Tiefen
erhalten wurde. In dem Schliessnetz fehlte sie nie und zwar Hsclite ich sie vermittelst desselben aus 600,
800, 900 und 1000 ]\I. Tiefe. Auch im Januar ist sie ebenso zahlreicli in der Tiefe vertreten wie im Sonnner.
4. Alciopidae.
Nicht minder charakteristisch als die Tomopteriden sind für die Tiefsee die Alciopiden. Der
Reichthum an solchen in allen Tiefen von 100 Meter an ist geradezu überraschend und es gewährt einen
fesselnden Anblick, wenn die prächtigen durchsichtigen Würmer oft zu Dutzenden lebhaft schlängelnd
in den Gefässen sich durch das Gewimmel der sonstigen Formen drängen.
Am häutigsten tritt Älciopa Cantrainü Clap. auf. Ich fischte sie wälu-end der Naclit am 29. Sept.
an der Oberfläche und zu derselben Zeit auch in allen Tiefen bis zu 1300 M. Ende August traf ich
sie in 80 — 100 M. Tiefe regelmässig an, doch lässt sich eine Abnahme in der Zahl der Individuen bis
zu den grössten Tiefen nicht nachweisen. In dem Schliessnetz fand sie sich aus 800 M. Tiefe Ende
September vor Ischia. Manciic Exem])lare erreichen recht ansehnliche Dimensionen ; so mass ich eines,
welches 115 nun lang war, also doppelt so lang, wie von Greeff^) in seiner bekannten Monographie
angegeben wird. Gelegentlich waren manche Exemplare resp. Bruchstücke dei'selben an einzelnen Seg-
mentgruppen blasig aufgetrieben, offenbar in Folge des verminderten Druckes.
Asterope Candida Clap. war in der Tiefe seltener als Älciopa; in 100 M. gelangte sie mehrmals
zur Beobachtung.
Häufiger kommen dagegen in allen Tiefen die F«n(tfZ('s-Arten vor. Offenbar sind auch sie gegen
die raschen Druckändei'ungen niciit unempfindlich, da meist nur Bruchstücke, selten intakte Individuen
beobachtet wurden. Vanadis pelagica Greeff fischte ich gemeinsam mit Älciopa Cantrainü Nachts Ende
September an der Oberfläche und gleiclizeitig aucli in allen Tiefen. Auffällig grosse WeibcJicn von
8 cm Länge wurden mehrmals aus 600 M. erbeutet. Zweimal waren offenbar Vanadis pelagica zugehörige
Bruchstücke aus 600 M. im Schliessnetze vorhanden. Die zierliche Vanadis crystallina fischte ich in zwei
Exemplaren aus 150 M. Tiefe Mitte September im Golfe. Endlich gelangte das Vorderende einer neuen,
der Vanadis ornata nahe stehenden Art aus 800 M. zur Beobachtung. Bei ilir ist das vierte Paar von
') R. Greeff, lieber die pelai^ische Fauna an den Küsten der Guinea-Inseln. Zeitschrift f. Wissenschaft!. Zoologie,
Bd. 42, pag. 446.
'') R. Greeff, Untersuchungen über die Alciopiden. Nova Ai'ta d. Leop.-Carol. Akad. d. Natnrf. Bd. 39, No. 2, 1876.
— ß 25 e^ —
FülilcrciiTcii zu kuii'elii;-oii (icliildi-n iuu,i;T\v;iiidrlt , ;iliiilicli wie es Groctf') iieuerdinf>'s von Alciopa
loii.ijirhfjHcIia Ijeschrcil )t.
Eine C;iIlizoii;i-Art, ilic der Callizonn Gnihci Greff nahe, steht, fischte ich aus 900 M. am 10. Oktbr.
vor Iscliia. Sie besitzt 4 breite Kopffülder und 4 Paar Fühlercirren, von denen das letzte, 4. Paar, am
Ijiiiji'stcn ist.
Endlieii lielie ich noeli eine im .^eiiiiessnetz aus (iOO ]M. am 11. Oktlir. vor Capri .i^-etischte Älcio-
plda iievvor, welche duieh ilire ji,To.ssen rotlien Auii'en, die ijei auffallendem Lichte in der grünlichen
(\)miilementärfarbe schillerten, sofort auffiel. Offenbar ist sie identisch mit der von (ireeff an den
caiiarischen Inseln beobachteten Alciopa cirrata.
Die Älciopideu bevölkern nicht nur im Sonnner die Tiefe, sondern sie sind auch Mitte .lanuar
t'benso zalilrcich in derselben vertreten.
5. PhjUodocea.
Lnp((dorhynchiis brevis (irube fischte ich am 10. (Jktbr. aus 1000 M. Tiefe vor Ischia in einem
jungen Exemplar von (3 nnn. und in einem erwachsenen Individuum. Auch im .Jauxiar fehlte er nicht
in der Tiefe und schien sogar <liirt liiiufiger vorzukommen als im Sommer. Ein Exemplar fand sich am
13. .lanuar in dem Schliessnetz aus 1200 M. Tiefe.
r. Ci'Hsfarea. (Taf. IV.)
Die pelagischen Crustaeeen liildeu einen tyiiischen Bestandtlieil der Tiefenfauna. Ihre Massen-
haftigkeit und Furnienfülle in grösseren Tiefen ist geradezu erstaunlich; Larvenformeii festsitzender oder
auf dem Grunde lebender Arten mischen sich mit den .lugendformen und geschlechtsreifen Stadien
eupelagischer Arten bunt durcheinander. ^Manche Arten, die bisher als Raritäten galten, sind häufig in
der Tiefe vertreten; mehrere Genera, deren Existenz in dem Mittehneer hier zum ersten Mal nachgewiesen
wird, sind geradezu typisch für dieselbe und endlich hoffe ich, dass manche im Nachfolgenden beschriebene
neue Gattungen und Arten durch die in Anpassung an das Leben im Dunkel erfolgte übermächtige Aus-
bildung der Tastorgane einiges allgemeine Interesse beanspruchen.
1. ('irripedia.
Der von Dohrn") als ArcliizoM güjas beschriebene grosse C'irrijjedlennaujjlius konunt gelegentlich,
wenn auch nicht häufig, in Tiefen von 80 — 100 Metern vor. Ein Exemplar war in dem Inhalt des grossen
Netzes aus 1000 M. vorhanden.
2. Copepoda.
Dr. Gicsbrccht, der mit der monographischen Bearbeitung der mittelmeerischen Copepoden
beschäftigt ist, hat die Freundlichkeit gehabt , das massenhafte Material von Copepoden einer Durchsicht
zu unterwerfen. Ueber das Vorkommen der Copepoden in der Tiefe berichtet er Folgendes :
') R. Greeff, Ueber die pelagische Fauna an den Küsten der Guinea-Inseln. Zeitst-lir. f. wissenschaftl. Zoologie,
Bd. 42, 1885, pag. 453.
'') A. Dohrn, Eine neue Nauplius-Forin, Zeitschr. f. wissenschaftl. Zoologie, Bd. 20, pag. 097, Taf. 28.
C. Chun, Die peUgische Tliierwelt. 4
i3 26 Qi
„Aus aclit Zügen, bei denen das Schliessnetz angewendet wurde, ergiebt sich ein unzweifelhaftes
Vorkinniuen in der Tiefe für folgende Genera
1-1 *-
C a l a n i d e n :
Aetidius Bdy 600— 900 ]\I.
Calane/Ia 800 „
Candace 600— 1300 „
Cetochilus 600—1300 ,,
Euchäta 600—1300 .,
Hemicalanus 600 — 1300 ,,
Heferochäta 600—1300 „
Leuckartia 600—1200 „
Pleuromma 600- -1300 „
Scolecithrir Bdy 600— 800 „
Temora 600—1200 ,,
Undina 600 ,,
C 0 r y c a e i d e ii :
Antaria 600—1300 ,,
Corycaeus 600—1200 „
C y c J 0 p i d e. n :
Oitlwnn 600—1200 „
Genera, die im offnen Tiefen -Netz enthalten waren, ohne zugleich im Schliessnetz vertreten
gewesen zu sein, sind :
Calanops 100— 800 M.
Dias 100—1300 ,,
Ichthyophorba 100—1200 „
Phaennia 800—1200 „
RhincalmiHs U 600—1200 „
Copilia 800—1300 .,
Pachysomn 900—1300 ,,
Saphirinella {Hyalophylhon) 100 — 1300 ,,
In welelier Tiefe diese Genera (von denen Calannps, Dias. Ichthyopliurha. Cnpilia aucli an der
Oberfläche gefangen wurden) in das Netz gelangten, ist zweifelliaft ; ieli selie dalier von ilnien ab.
Vür den Vergleich der Ticfenfonnen mit denen der Oberfläche liegt OberflacluMimaterial von
3 Punkten (28/9 15occa piccola, 29/9 Ischia Nachts, 11/10 P. Campanella Nachts) vor, an welciieu zu-
gleich auch in der Tief(> gefischt wurde, und es ergaben sicli daraus als Olierfläclienformen :
I'unteUiden : C(daiiops, Pontellina. — Calaniden: Cetochilus, Dias, Euchäta, Ichthyophorba, Temora.
— Corycaeiden: Antaria, Copilia, Corycaeus. — Cyclopiden : Oithona.
<3 27 E>
Aus (lern Vcriilfirli dieses ()l)ci-ri;ielii-iiiii;iteri;ils mit dciti unzwcitelli.-it'teii Tiet'ciiinaterial ;;'elit nun
zunächst liervdr, dass jenes ärmer ist; t'ernei- dass ein grosser Tlieii der OberHäcIiengenera {Cetochäus,
üuchäta, Temora, Aiifarhi, (hrj/cafiis. Oithonn) siclier auch in der Tiefe vorkommt (ein ander(^r Theil
vielleicht auch in der Tiefe, nändich Calanops, Dins-^ fchthjojjhorha, Co2)iUa), widnvnd eines der Ober-
Hächenu'enera, Pontdlina, nicht in der Tiefe, weder im ott'ncn noch im verscliliesshai'cn Netz, j^'efunden
\vurd<'. Daraus i-esultireii nun foli^'ende Fraj^'cn :
Ij Ist der grössere Kcichtluim eine beständige Eigenschaft des Tiefenauftriebs V
2) Sind dit' nicht an der OberHäche gefundenen Genera wirkliche Tiefseegenera, d. Ii. kunnnen
sie niemals an (b-r ( )b(M'f];iche vor?
3) Ist das nicht in der Tiefe angetroffene Oberflächengenus völlig von der Tiefe ausgeschlossen ?
Es liegt auf der Hand, dass zur Beantwortung dieser Fragen das voi-liegende Material aus dem
.Schliess- und (_)bertlächennetz. das in einem Zeitraum von zwei Monaten gesammelt ist, nicht genügt.
Andauernde, durch mindestens ein .lain- fortgesetzte Beobachtungen wären hierfür nöthig. Für die Ober-
fiächen-CopeiKiden derjenigi'n Kegion des (lolfes von Neapel, die für das gewöindiclii', täglich ausfahrende
Auftrieb-Boot der Station erreichbar ist, besitze ich allerdings mehrjähriges Mateiial : über die Fauna der
Tiefe aber, und aiTcli nur bis zit 100 M.. liegen nur noch die Untersuchungen vor, die im Juli und
August von der Staticm angestellt wurden. Das ist Alles, und man wird nicht die Hoffnung hegen
können, dass auch mit Zuhilf(.'n;ihme dieser Beobachtungen die Beantwurtung der aufgeworfenen Fragen
mit einiger Sicherheit und Vollständigkeit zu geben sein wird.
ad. 1) In Ansehung des grössten Theilcs der pelagischen Copejioden ist der (Jberfiächcn-Auftrieb
etwa der ersten Hälfte des .Jahres viel reicher als der der zweiten, wo er oft genug nur ganz vereinzelte
Individuen (Temorn arimita, Diaa longireniii, kleine C'alanus-Arten) enthält: ein ganz idmliches Resultat
erhielt ich früher für ilie Kieler I'uclit. Aljer wenn nuinnehr constatirt ist, dass zwischen .luli und r)kt(iber
der Tiefseeauftrieb weit reicher ist als der der Oberfläche, so wäre es doch verfrüht, anzunehmen, dass
in der ersten Hälfte des .Jahres das umgekehrte Verhältniss stattfände ; möglich ist das allerdings, aber
andererseits ist keineswegs ausgeschlossen, dass, mit Anfang jeden .lahres etwa, der Reichthum aller
Tiefenzonen an C'opepoden zu wachsen Ijcgänne, iTud lU'r relative Reichthum der Oberfläche in den
Jlonaten März bis Mai könnte innnerliin nur der Ueberschuss sein, den die überfüllte Tiefe an die Ober-
fläche abgiebt. Diese Annahme erscheint mir nicht unwahrscheinlicher als die einer Saison-Migration auf-
und abwärts. Zur Entscheidung aber ist die Durchforschung der Tiefe im Frühjahr nrithig.
ad. 2) Die in den ^lonaten .Juli — Oktober nicht an der ()bertläclu" gefundenen Tiefengenera
kommen zu anderen Zeiten sä mint lieh auch an der Oljerfläche vor, und zwar nicht blos sporadisch.
ad. 3) In der Zeit vom .luli bis Oktober dieses .Jahres war Pontdlina bei keinem einzigen Zuge
im Tiefnetze vertreten, während sie an der Oberfläche vorhanden war, gelegentlich in grosser ilenge,
und während andere Formen, die mit ihr zusammen an der Oberfläche gefundi'H wurden, sich zui- selben
Zeit auch im Tiefennetz zeigten. .Man würde zu weit gehen, hier einen Zufall anzunehmen, obwohl die
^löglichkeit eines solchen durch die Eigenthümlichkeit von Pnntellina (und der verwandten Pontelln und
Irenüus), in Schwärmen aufzrttreten, vergr<issert wird; man kann viebnehr mit zieudich<'r Siclierheit Ijehaujtten,
dass sie zwischen .Juli und r)ktiil)er nicht die Nähe der Oberfläche verlassen; ob das auch für den ülirigen
Theil cb's .Jahres gilt, ist nach den vorliegenden faunistischen Daten nicht zu entseheicb'U. wenn auch die
4*
¥3 28 Qi
auftalloiiilc Fähigkeit dieser Thiere, sieii eine zienilielu' Strecke au?; dem Wasser sehnellen zu könneu,
und ilu'c ji'rosse Vorliebe für das Lielit t'üi' einen dauciMidi-n Aufentliait an der (.)l)erH;ielie des Meeres spricht.
A'iin f'aunistiselien Resultatiui erf^'iet)t sieh demnach betreffs der Copepoden Fol,i;'eudes :
In den Jfonaten Juli bis Oktober konnnt in der Tiefe eine Reilie von Formen vor, die an der
Oberfläche felilen, \\ährend das Umgekehrte nur für eine Art gilt; jenc' Tiefenformen erscheinen jedoch
zu anderen /eiten des .laiu'cs ebenfalls an der ( )bertläelie.
Zum Schluss -will ich noch hinzufügen, dass ich liei di'r Durchsicht des Materials den Eindruck
hatte, als ol) manche Fcmnen darin in relativ grösserer Zahl vertreten wären, nicht blos als zur selben
Zeit an der Oberfläche, sondern als ich sie auch in der besten Jahreszeit je an der Oberfläche angetroffen ;
es gilt dies für das I\Iaterial vom Juli — August besonders von HijaJojilii/lhiiii , für das vom Septendjer —
Oktober besonders von Hemicahtnus Jonr/icornis und loiigicatuhitus. Ferner l)rac!ite das TietV-nnetz, und
zwar besond(!rs das offene, l)ei den Zügen vom September und Oktober von einigen Arten, di(^ ich im
Laufe der letzten Jahre nur in 1 — 2 Individuen erhalten hatte, eine grössere Zahl von Exemplaren her-
auf, d. h. im Ganzen etwa ))is zu einem lijdljen Dutzend vim jeder Art; ja e> waren sogar vereinzelte
Individuen von ca. einem halben Dutzend dal)ei. die mir bisher aus dem (4oIfe nicht liekaniit wai'en und
vielleicht neu sind. Sn interessant nun diese Funde neuer Arten auch für mich sind, so sind sie doch
zu vereinzelt, um t'ine (irundlage für faunistisclie Schlüsse zu bieten; ist es doch zweifelhaft, ob man
sie der grösseren Tiefe oder der grösseren Nähe des offenen Meeres oder selbst dem grösseren Durch-
messer des angewandten Netzes zu (Linken hat."
3. (Jutracocld.
Die Osfracoden sind zahlreich in der Tiefe vertreten. Ich halie diesellien zwar noch nicht be-
stinnnt, alx'r ich will doch nicht unterlassen daraufhinzuweisen, dass der Inhalt des Schliessnetzes aus
900 M. (Ischiaj, 1200 M. und 1300 M. iCt\[m) Tiefe regelmässig einige Üstracoden aufwies.
4. Amplnpnda Hijperitia.
1. Vibi/iidac. Vibili.a ./ran Gerurdi Luc. fand sich in einem Exemplare aus üOO M. Tiefe wahi'end
eines nächtlichen Zuges am 11. Oktolier.
2. Hyperidac. Drei Arten von Ht/peria, die von den liisher aus dem Mittclmeer l)t'kannt ge-
wordenen Hyperia pupa und H. mediterranea verschieden sind, A\aren in der Tiefe hautig vertreten. Da ich
über dieselben späterhin noch bcirichtcn werde, so erwähne ich, dass die Schliessnetze aus Tiefen von 600 M.
(Golf von Salerno), 900 M. (Ischia) und 1300 M. (Cai)ri) diese Hyperiden enthielten. In dem Inhalt des
(iffenen Netzes fanden sie sich gelegentlich sehr z;ddreich, namentlich aus Tiefen von 800 M. vor Ischia.
3. Phronimidae. Der Reichthum der Tiefe an interessantem, zum Theil für das Jlittelmeer neuen
Phronimiden ist sehr bemerkenswerth. Am zahlreichsten war Phronimella elongata Cls. von 100 Metern
an bis zu 1300 M. vertreten. Grosse erwachsene AVeil)chen und Männchen fand ich regelmässig bei
jedem Zugi> au^ 100 M. Tiefe. Dass sie aber auch in der Tiefe geradezu genunn >inil. geht daraus
hervi.r, dass l)ei einem Zuge am 30. September aus 800 Meter 21 Exemi)lare erbeutet wurden, von denen
allein 7 (4 9, 3 5) im Schliessnetze enthalt<m waren. Da ich zu derselben Zeit während der Nacht auch
zwei Exemjilare an der 01)crHäche fing, so scheint PhronimeUa eine sehr ausgedehnte Verbreitung in
vertikalei- Riciitung zu Ix'sitzen.
¥3 29 E» — --
l'ln-(iiii)tia s(i(lii)itaria wnv willircnd des Suinmers seltener als J'hvonimelld in der Tiefe vertreten
(ich tischte nur ein Excnijilar aus «00 M.), da^'e^en fand sie sicli wjdirend des .lanuars luiuti.i;- vim der
Olierfläelie liis zu lOOO 1\I.
Die inerkwürdij^t- v(ni Claus') als Phronimopais spinifer beschriebene und in Messina in
2 Exeniiilareii lebend beoljaclitete I^hroniniide ist für die Tiefe so charakteristisch, dass ich sie geradezu
für eine ;iehtc Tiefentunn halte, die nur selten an dei- r>lierH;icIie erscheint. In den Schlicssiictzen fand
ich j<' ein Exenijilar aus 900 M. (Iscliia) und aus 1000 M. (Caprii. In den oft'eneii Netzen fehlte sie
niemals liei Zügen imlerhall) 600 M., doch waren selten mehr als drei Exeni])lare vorhanden. Auch im
Januar wurden sowohl männliche wie weibliche Individuen in dem Inhalt der Netze aus 900 und 1200 M.
vorgefunden.
Nicht minder tyinseh für die Tiefe ist tlie von Claus (1. c. [i. (1) nach ;J S|)iritusexeiniilai-en
aus dem Mittelmeer und Atlantischen Ocean beschriebene Paraplironhna crassipes. Ich fand sie selten
und vereinzelt in 6 Exeniiilaren bei Ponza, Ischia und Capri aus Tiefen von 800 — 1300 M. Im .Januar
wurde sie nahe der Oberfläche in 40 M. Tiefe, gleichzeitig aber auch in 900 M. erbeutet.
Endlieh erwähne ich das \'(irki>nnnen einer neuen Art dei- liisher im Mittelmeer noch nicht
bcdbachteten (Gattung Anchylovieni M. Edw. In dem Schlicssnetze fand sich ein Exemplar aus 600 M.
und zwei Exem})lare aus 1000 M. Tiefe vor Capri. Sie war auch im .Januar liäufig in dem oftenen
Netze aus grösseren Tiefen vorhanden.
4. PlatysceUdai'. Von (Jxycepludiden fand sich eine grosse, otfeidjar mit OxycephaIut> Idtiruntris
eis. ^) identische Art im offi-nen Netz aus 1200 M. Tiefe. Eine neue zweite Art, auf die icli schon früherhiu
als Constanten Commensalcn der geiapjiten (Henojiluu'en autinerksam m;iehte, fand ich aucii jetzt regel-
mässig in den Mantell<q)pcn der Bolina an der Ubc^rfläclie. Die Charaktere derselben stimmen noch am
besten zu der Gattung Thaniyris 8p. B. (Cls. iJjid. p. 32). Auch diese kommt in der Tiefe vor, da ein
Exemplar im Schliessnetz aus 800 M. Ende Septendjer gefunden wurde.
Im .Januar fanden sich weiterhin noeh im Inlialt des grossen Netzes aus 300 M. Tiefe Eutyphis
ovoides Risso in zwei Exem]»laren (,5 u. 9i '■i'^'i eine neue Art von Enprnno\l in einem männlichen
Exem])lar.
5. Stomatopoda.
Die Jugendformeu der Squilla [Alima) sind sehr häufig in geringeren Tiefen von 40 — 100 Metern,
I vei
zu merklich al).
dagegen vermisste ich sie durchaus in den grösseren Tiefen. Ihre Zahl nimmt nach dem freien Meere
6. Schizopoda.
1. Eitphausidue. Dii' kosmopolitische Euphausia pellucida Dana ist sowohl an der Ol^erfläche
wie in der Tiefe häutig. Sie meidet die Nähe der Küste und wird im (iolfe an der Oberfläche auch
bei Tage um so häutiger wahrgenommen, je nu'hr man sich dem otfenen Meere näiiert. Bei Nacht gerieth
') C. Claus, Der Oijfanismus der Plironimiden. Arb. Zool. Inst. Wien, Bd. ü, p. 5, Taf. 1, Fig. 1.
") C. Claus, Die Gattungen und Arten der Platysceliden. Arb. Zool. Inst., Wien, Bd. 2, p. 47.
« 30 ö
sie in zalilrcifiien p]xcin|il;iri'ii iu das Oberflächciinetz. Das sprosse Tietbimetz cntliii-lt bis zu Tieten von
700 M. constant finij;-c Individuen ; in dem Schliessnetz fand sich je ein Exemplar aus zwei Zügen von
600 M. und eni Exemplar aus 800 M. In den .t^-rösseren Tiefen wird Hitjjhauxia jjellHcid'i durch zwei
Genera vertreten, deren Kenntniss wir der trefflichen Bearbeitung der Challengur - Sclüzopoden von
G. 0. Sars*) verdanken. Sfylocheiron und Kematoscelis, wie Sars jene Schizopodengenera benannte,
die sich elurch eine iingewöhnliciie Verlängerung des zweiten (Nematoscelis) resp. dritten {Styloclieiron)
ßeinpaares^) auszeichnen, fehlen durchaus in den obertlächliehen Schichten und treten erst von 500 JM.
an auf, um dann bis zu den grössten untersuchten Tiefen einen sehr charakteristischen Bestandtheil der
Tiefenfauna abzugeben.
Am häufigsten konnnt iu der Tiefe von Ponza an bis zu den .Sireneninseln eine Stylocheiron-Art
vor, die an ungewöhnlicher Ausbildung ihrer Antennen Alles überbietet, was Sars uns über das interessante
Eu})hausien-JIaterial des ChalUnger berichtet. Bei keiner der von ihm untersuchten Stylocheiren scheinen
die Antennen vollständig erhalten gewesen zu sein und wenn er bei Schilderung des Styloclieiron longicorne
„the prodigious length of the antennal flagellum" hervorhebt , so wird es wohl nicht unerwünscht sein,
wenn ich in Fig. 1 zum ersten Mal ein Styloclieiron abbilde, an dem. Dank der schonenden Fangmethode,
die Antennen mit ihren merkwürdigen langen Wimiiern in ganzer Ausdehnung erhalten sind. Was nun
die in Rede stehende Art anbelangt, so war ich um so mehr geneigt, sie zu Styloclieiron longicorne zu
rechnen, als Sars selbst angiebt (p. 145), dasselbe in Messina beobachtet zu halben. Allein in mehrfacher
Hinsicht weicht doch Styloclieiron mastigophoriun^ wie ich die neue Art benenne, von St. longicorne ab.
Die Bewimperung der Antennen ist zwar von Sars bei St. longicorne nicht erwähnt und abgebildet,
dürfte jedoch an intakten Exemplaren nachweisbar sein. Dagegen sind die Endopoditen der beiden
ersten Brustfüsse lang und schlank bei St. mastigojjliorum, nur halb so lang bei St. longicorne. Ersteres
ist weiterhin durch einen langen Endopodit des sechsten Fusspaares, der sogar etwas grösser als der vor-
hergehende erscheint, ausgezeichnet, während letzteres einen kleinen und bedeutend kürzeren als den
vorhergehenden aufweist. Endlich ist als charakteristisch für St. nmstigoplioriun die ansehnliche Länge
der oberen Corneafacettcn hervorzuheben.
Den Artunterschieden füge ich noeli einige Bemerkungen über die äussere Körperforni iiinzu.
Das Rückenschild ist sehr sehwach gekielt und läuft in ein Rostrum aus, dessen Form Fig. 1 veran-
schaulicht. Die Augen sind gross, nnregelmässig birnförmig, rothbraun })igmentirt mit deutlich abgesetztem
gelbem Ganglion opticuni. Die inneren Antennen (antennulae) sind beinahe so lang wie der Körper.
Ihre Basaltlieile, an Stärke und Länge abnehmend, sind verlängert und durch eine charakteristische
Bewimperung ausgezeichnet. Am ei-sten Glied zähle ich neun lange wimperähnlichc mit seitlichen Fieder-
ästen besetzte Borsten, von denen die mittleren fast doppelt so lang als die Augen sind. Am Ende des
zweiten Gliedes sitzen zwei Wimpern. Die langen Flagella enden ebenfalls mit je zwei langen Wimpern,
die ihrerseits wiederum mit Fiederästen besetzt sind. Charakteristisch für die Weibchen sind an dem
') G. O. Sars, Report on the Schizopoda. Voy. Chall. Zool. Vol. 13.
*) Sars unterscheidet den vordersten der acht Sp.iltfUsse ;ils Maxillarfuss von den übrigen und charakterisirt dem-
geinäss Stißochciron durch Verlängrerung des zweiten, Nematoscelis durch Verlängerung des ersten Fusspaares (p. 5, 126 u. 136).
Da indessen d:is erste Fusspaar bei den Euphausien keine Beziehung zu den Kauwerkzeugen aufweist, sondern durchaus den
n«chfolgenden Paaren gleicht, so ziehe ich vor, diese Unterscheidung fallen zu lassen.
i3 31 £i — -
unteren Flaji'clluni 4 kräftiy'c, ;iii der S])itze <;-(;lK)f^-ene Borsten, wälireml hei ilcn Rlänncheu ein ilicliter
Wald feiner Haare dem verdickten l^asaltlieile des Flaj^ellunis aufsitzt. Die äusseren Antennen sind
doppelt so lang- wie der Körper und verdanken ihre Grösse einer auffälligen Verlängerung der beiden
vorderen Basalglieder und der Glieder des Flagellunis. Letzteres ist scliarf gegen dm etwas angeschwollenen
Basaltheii aligesetzt. Fast niöciite man glauben, dass das Flagelluni gegen die Antennenbasis eingeschlagen
werden könnte. Fünf Wimpern sitzen den f) Gliedern der Geissei auf, während das sechste wiiMleruni
mit 2 "\A'inipern endet. Die Sehupijc ist lang, schlank und am Ende mit langen Borsten besetzt.
Am 1., 'J. und 4. Fusspaar ist di'v Innenast von relativ Ijeträchtlicher Länge, am 5. kürzer, am
6. etwas länger, am 7. l)edeutend verkürzt und am 8. rudimentär. Die Strudeläste (Exopoditcn) uehnu'u
von vorn n;ieh hinten eontinuirlieh an (4r(isse ali. In der Figur erscheinen sie etwas verkürzt, da sie
(h'm Beschauer zugewendet sind. Die Kienu'u sind, wie bei allen Sh/locheh-en von massiger Entwicklung ;
nur der achte Büschel mit seinen tingerf(irmigen Kiemenblättchen ist kräftiger ausgebildet. Von erstjiun-
licher Länge ist der Innenast des dritten Fusspaares, insofern er bei der Streckung den Körper um das
anderthalbfache an Grösse üliei-tritft. Im übrigen zeigt er die gewohnte Gliech-rung: ein kurzes Basal-
glied, ein kräftiges drittes Glied (ischial Joint), die verlängerten und gegeneinander eiuschlagbaren 4. und
5. Glieder (meral and carpal joints) und das zur Greifhand umgebildete 6. Glied (propodal jointj, dessen
Dornen gegen die dorsalen Dornen iles Termhialgliedes eingeschlagen werden können. Die Bildung der
Hand (Fig. Ibi ähnelt derjenigen von tSt. t'Suhmü. Zwei starke an der Innenseite fein gezähnelte Dornen,
ein ch^rsaler und ein ventraler, bilden eine Pincette, deren AA'irkung ergänzt wird durch vier dorsale und
drei ventrale Dornen von mittlerer und geringerer Grösse.
Die Abdominalfüsse zeigen die gewöhnliche Form; dcu' Mangel von Begattungsanhäugen an den
vorderen charakterisii-t das abgebildete Individuum als Weibchen. Uebrigens fischte ich zwei weibliche
Exemplare, welche i'inen Haufen abgelegter Eier zwischen den Endopoditen der mittleren Bi'ustfüsse
trugen. Das Telson ist lang und schlank; seine beiden Endtlornen sind sanft leierförmig gebogen. Die
Uropoden überragen die Spitze des Telsons; der innere schlanke und längere ist an beiden Seiten mit
laugen Borsten besetzt, der äussere, kürzere und breite weist nur au der Innenseite und Spitze Borsten
auf. Durch Sars ist man darauf autinerksam geworden, dass die Zahl und Anordnung der Leuchtorgane
wichtige systemati^chi' Merkmale abgeben. Für Sfylocheiron sind 3 Organe, ein paariges am 7. Abdo-
minalsegment und ein unpaares zwischen den vorderen Abdoniinalfüssen , charakteristisch. Es würde
gewiss eine dankbare Aufgabe sein, den feineren Bau dieser Leuchtorgane zu eruiren. Dass sie trotz
der Bedenken Patten 's') mit Augen nichts gemein haben, sondeni intensiv leuchten, dürfte wohl nach
den eingehenden Mittheilungen vonSai's, die zu (h'ni noch durch G i e s li re c h t und P. Ma yt' r bestätigt
wurden^), ausgemacht sein. Ich brauche wi>hl kaum hinzuzufügen, dass das Leuchten der Euphausien
bei jedem Individuum, das man \\ähreiiil der Nacht zu couserviren versucht, i)rächtig hervortritt.
Stylocheiro)! nntstigojjhDViiin erreielit (cxclusive der Antennen i eine Länge von 6 — 10 nun. Die
Männchen sind seltener als die \\'eibeheii ; nur ein weibliches Individuum, welches ich der Abbildung
zu (irumle legt<'. hatte vollstäuilig die Ha^-eila der grossen Antennen erhalten. Wie schon oljen hervor-
') \V. P.itteii, Eyes <il' MoUiisi-s aiid Aitliio|jüils Mittli. Zuol. Stat. Neapel. Bd. 6, p. Gis6.
-) ihiilem \\. 7.->s Aum.
tl
i3 32 E>
gehoben wiirde, so ist St. mastigoph. typisch für die j;,-rösseren Tiefen; fast nie felilten einige Individuen
in dem grossen Netze. In dem Schliessnetze fand sieh v'm weibliches Exemplar aus 900 M. und ein
männliches aus 600 JM. Dagegen fand ich zwei Exemplare in dem aus 300 M. Tiefe im Januar getischten
Material, ausserdem auch zahlreiche Individuen gleichzeitig aus 900 M.
Ausser der eben geschilderten Ai't tischte- icli aus 600 ]M. Tiefe ein titylocheirou, welches dem
iSt. abbreviatum Sars naiie verwandt ist. Es l)esitzt indessen ausser dem Endzahn drei Zähne an der dor-
salen Klaue der Greifhand, während St. abbreviatum deren zwei aufweist. Ob dieser Charakter hinreicht,
eine neue Art aufzustellen, lassen ich unentschieden, da ich nur zwei Exemplare zur Verfügung habe.
Eines derselben wurde im Januar aus 1200 M. Tiefe getischt.
Auch die durch Verlängerung des zweiten Beinpaares charakterisirte Gattung Nematoscelis fehlt
nicht in der Tiefe. In dem Schliessnetz aus 1 300 M. faml ich Ende September ein Exemplar derselben,
welches Xematoscelis tenella durch seine schlanke Körperform ähnelt. Es unterscheidet sich indessen von
letzterer durch 5 Borsten am Ende des zweiten Beinpaares (iV. tenella hat nur 4) und durch eine kurze,
nur bis zur Mitte des Basalgliedes der inneren Antennen reichende Schuppe. Cliarakteristisch ist ein
dem Ende derselben aufsitzender nach oben gekrümmter starker Stachel. Ich l)cnenne diese Art dem
verdienten Kenner der Schizopoden zu Elu'en Xematoscelis Sarsü.
Eine zweite Art von Xematoscelis, die in einem Exemphir aus 600 M. vor Capri getischt wurde,
lialte ieli für identisch mit X. rostrata Sars. Wenn aucli die Schuppe länger ist, als Sars sie darstellt
(sie überragt das zweite Glied der inneren Antennenbasis), so stinnnt docii Bau des Rostrums, Kiel und
Bildung der Hand überein.
Larven von Eiqjhausiden, theils Euphausia, theils Stijlocheiron und Xematoscelis zugehörig, waren
in dem Inhalt sämmtlicher Schliessnetze von 600 — 1300 ]M. Tiefe regelmässig vertreten.
2. Mysidae. Sind schon die Stylocheiren dureli eine unter den Scliizopoden ungewöhnliche
Verlängerung ihre Antennen ausgezeichnet, so werden sie doch in dieser Hinsiclit von einem Mysideen-
genus übertroffen, das an origineller Körperform einzig dastelit.
Mir liegen drei Exem}ilare ilesselben vor, von denen ich ein männliches und ein weililiches
vor Ischia im October aus einer Tiefe von 800 M. erbeutete, während ich ein männliches unter dem eon-
servirten Materiale vorfand, das Salvatore Lo Bianco im Juni aus 60 Meter Tiefe getischt hatte. Ich hielt
diese sonderbaren Wesen bei oberflächlicher Betrachtung für bizarr gestaltete Dekaiiodenlarven im Mysis-
stadium, doch beseitigte die genauere Untersuchung jeden Zweifel an der Zugehörigkeit zu den Mysideen.
Da ich über dieselben ausführlicher berichten werde (eine Zergliederung habe icli noch nicht vorge-
nonnnen), so begnüge ich mich hier mit einer kurzen Diagnose.
Ärachnomijsis n. g. Körper schlank, cylindrisch und bedornt. Kopfabschnitt v(n-längert, Thorakal-
schild sein- klein, Abdomen des ilännchens kräftig und Ijogenförniig nach aufwärts gekrümmt. Basal-
glieder der Antennen kräftig iind gedrungen, Schupi)e der hinteren Antennen zu einem Dorn umgebildet.
Flagella von ungewöhnlicher Grösse, 3 — 4 mal länger als der Körper, Mundwerkzeuge mit erstem Kiefer-
fuss weit vor den 7 Thorakalfüssen gelegen. Endopoditen des zweiten Maxillarfusses kräftig, der übrigen
6 Brustfüss(! spinnenförmig verlängert und sehwach, von vorn nach hinten an Grösse zunehmend luid
mit klauenförniigem Endglied versehen ; Telson kurz, oval, am Ende eingeschnitten ; Uropoden schlank
und lang, die inneren mit woid entwickeltem (iehörorgan (Fig. 3 a).
13 33 ES
Arachnomysis Leuckartii (Fig. 2 — 3a), wie ich diese ausgezeichnete Art dem Altmeister biologischer
Forschung zu Ehren benenne, erreicht (exclusive der Antennen) eine Länge von 8 mm. Das Weibchen
ist nur 5 mm lang. Der Körper ist mit grossen Dornen besetzt und zwar stehen dicht hinter den Augen
5 Dornen, deren mittelster kleiner ist als die seitlichen. Dazu kommen noch zwei bei dem Männchen
kräftige, bei dem Weibchen kurze Dornen als rudimentär entwickelte Seiiujjjien. Auf dem Thorax
sitzen vor dem kleinen Brustschild zwei und auf dem hinteren Rande der Abdominalsegmente je 7
Dornen. Unter den letzteren iuseriren sich die beiden unteren vor dem Ansatz der Abdominalfüsse.
Männchen und Weibchen unterscheiden sich ziemlich auffällig. Ersteres besitzt ein kräftiges
Abdomen mit ebenso kräftig entwickelten 5 Schwimmfusspaaren, während letzteres einen schlanken,
schwachen Hinterleib mit rudimentären Abdominalfiissen aufweist. Dazu kommt noch als Auszeichnung
des Männchens (Fig. 3) ein kräftiger Schopf von Spürhaaren am unteren Rande des dritten Basal-
gliedes der vorderen Antennen und eine zarte Bewiniperung des verdickten Basaltheils des kurzen
oberen Flagellums. Endlich ist noch der für die männlichen Mysideen charakteristische, zum Begattungs-
organ umgewandelte Epipodialanhang des letzten Thoracalfusspaares hervorzuheben. Brutlamellen
vermisste ich bei dem offenbar noch jungen Weibchen, wenn auch ein dem männlichen Begattuugsorgan
entsprechender Epipodialfortsatz am 7. Thorakalfusspaar deutlich ausgebildet war. Vielleicht entwickeln
sich die Lamellen erst später.
Was die beiden Geschlechtern gemeinsamen Charaktere anbelangt , so sind die Antennen mit
erstaunlich langen vielgliedrigen und streckenweit roth gefärbten Geisselanhängen ausgestjtttet. An den
vorderen Antennen ist das obere (innere; Flagellum so lang wie der Körper, während das untere (äussere)
mindestens dreimal länger als das Thier wird. Wenigstens niisst es bei dem Jläunchen 25 nun. Bei
dem Weibchen steht es nahezu rechtwinklig von dem Körper ab, bei dem Männehen verläuft es schräg
nach vorn. Die Augen siml in beiden Geschlechtern wohl entwickelt, lang gestielt und braunroth
pigmentirt.
Charakteristisch für die Gattung ist die weite Distanz zwischen Mundwerkzeugen und den 7
Thoracalfüssen. An erstereu fällt äusserlieh der kräftige und lange palpus mandibularis mit bei dem
Männchen klauenförmig gebogenen und mit Spürhaaren besetzten Endgliede auf, während der Exopodit
des ersten Kieferfusspaares nur wenig hervorragt. Den bei der Gatfungsdiagnose erwähnten Eigen-
thümlichkeiten der 7 Thoracalfusspaare füge ich noch hinzu, dass die Exopoditen wohl entwickelt sind
und einen vielgliedrigen nach aufwärts gebogenen, an den mittleren Beinpaaren etwas längeren Geissel-
anhang tragen.
7. Decapoda.
1. Sergestidae. Am 30. September fischte ich bei einem nächtlichen Zuge vor Isehia aus der
Tiefe von 800 M. di-ei Exemplare eines Sergestes, die nicht nur wegen ihrer Durchsichtigkeit (nur
die Magengegend war rosa gefärbt) und energischen Sprungbewegungen, sondern vor Allem wegen der
exorbitanten Länge ihrer Antennen mich in Erstaunen setzten. Ein junges zu derselben Art gehörendes
Weibchen fand sich in dem Schliessnetz aus 1200 M. Von den bisher bekannten Sergestiden unter-
scheidet sich Sergestes magnißcus (Taf. 4, Fig. 4 u. 5i nicht nur durch die Länge der äusseren Antennen
C. Chun, die pelagiscbe Thierwelt. 5
K3 34 E>
(sie sind ja auch l)ci «5'. Frtf-ii und S. cornutus^j iK'träclitlich liing-er, als der Körper), sondern aueh durch
eine zarte Bewimperung derselben. Letztere beginnt au einem Knick im unteren Drittel und lässt sich
Ijis zur Spitze der Antennen verfolgen. Je 2 Wimpern sitzen divergirend den Gliedern des Flagellums
auf und sind ihrerseits mit ungemein zarten zweizeilig angeordneten Wimperborsten ausgestattet. Da
die Antennen eine Länge von 115 mm erreichen (die Maasse beziehen sich auf ein weibliches Exemplar),
so übertreffen sie den 38 mm langen Körper um das Dreifache. Die inneren Antennen (autennulae)
besitzen, ein langes Basalglied, das auf der Oberseite eine Hache mit Wimperborsten ausgestattete Grube
aufweist.
Da der bei den IMännchen als Greifapparat ausgebildete Innenast des Flagellums (fl. i.) bei den
einzelnen Arten sehr charakteristisch gestaltet ist, so bilde ich ilm in Fi.i;-. 5 a ab. Die 4 ersten Glieder
sind kräftiger als die folgenden; besonders laug ist das mit Borsten besetzte vierte. Seitlich sitzt ihnen
ein die Klaue (h) fhamulus) tragendes Glied auf. Die Basis des äusseren Flagellums (fl. e.) ist verbreitert
und trägt 15 Paare von Greifhaken. Indem ich bezüglich der sonstigen Charaktere auf Fig. 5 verweise,
so bemerke ich, dass das Telson bedeutend kürzer als die Uropoden ist und ebenso wie diese von
langen regelmässig gestellten Wimpern umsäumt wird. Auch die grossen Schuppen zeigen an dem
Innenrand eine Ausstattung langer dichtgedrängter Wimpern.
Charakteristisch für unsere Art ist weiterhin das kurze Rostrum und die mächtige Entwicklung
des letzten Abdominalsegmentes. Letzteres ist stark comprimirt und wird nahezu einen Centimcter lang.
Durch beide Charaktere unterscheidet er sich von dem ihm sonst iUndichen und ebenfalls in der Tiefe
lebenden Sergestes rohustus Smith ^).
Sergestidenlarven (Acanthosoma) fand ich ziemlich häutig im (jolfe in Tiefen von 50 bis
100 Metern.
2 Ephyrinae. Der merkwürdigen, bis jetzt noch nicht ausreichend bekannten Familie der
Ephyrinen glaube ich einen sonderbar gestalteten Decapoden zurechnen zu dürfen, welcher die Charaktere
der Gattung Miersia Kingsley (Ephira Roux) aufweist. Ich gebe von demselben eine Skizze auf
Taf. IV, Fig. 6 und beschränke mich an dieser Stelle auf eine kurze Artdiagnose. Miersia clavigera,
wie ich das vollkommen durchsichtige Thier benenne, besitzt ebenso wie die von Eis so in grösseren
Tiefen entdeckten beiden Arten und wie die neuerdings vom Blake ^j erbeuteten Formen zeitlebens
die Exopoditen an den Brustfüssen. Das kräftige Rostrum zeigt 4 Stacheln, die nach vorn au
Grösse abnehmen. Der hinterste ist ausserdem noch mit einem kleinen Dorn versehen. Der Cepha-
lothorax ist von mittlerer Grösse; das Abdomen kräftig und das letzte Abdomiualsegraent länger als die
vorhergehenden.
Das Basalglied der Autennulae ist lang; der Aussenast der Geissei ist an der Basis verdickt
und mit 7 (juastenförmigeu Borsten besetzt. Fünf derselben theilcn sich in je drei peitschenförmige
Anhänge, während die sechste zweigetheilt und die siebeute vorderste einfach erscheint.
') Henrik Kröyer, Forsüg til en monographisk Fremstilliiig af Krebsdyrslaegteu Sergeätes. Kon. Danske Vid.
Selsk. Skrifter 5 Raekke Bd. 4, 1856.
') SiJuey J. SniitL. Report on tlie Crustacea (Dredging of Blake). Decapoda. Bull. Mus. Comp. Zool Vol. X
No. 1, p. 97.
') Sidney J. Sraitli. 1. r. p. 66.
<3 35 ES
Dil' unteren Antennen siiul kürzer als der Körper: ilire Sehuppe ist selilauk und so lang wie
die Basalg'liedcr der Anti^nnulac.
Die Augen sind langgestielt unrl mit grünlich schillerndem Pigment ausgestattet. Von den
Thorakalfüssen sind die zwei vorderen als Kaufüss(! ausgebildet. Die 6 hinteren nehmen von vorn
nach hinten an Grösse gleichmässig zu. Die Exopoditen strudeln lebhaft und erreichen ansehnliche
Länge. An dem letzten Thorakaltusspaar fehlten sie bei dem mir vurliegenih/n Exemplar, doch scheinen
sie erst bei dem Fang verloren gegangen zu sein, cla die Ansatzstelle deutlich nachweisbar ist. Der
vorderste der 6 Endopoditen endet mit einfacher Klaue, der zweite besitzt eine sehr schwach entwickelte
Scheere, an dem dritten ist letztei-e kaum angedeutet, während der vierte und fünfte wieder mit einer
Klaue enden. Höchst bizarr ist der sechste Thorakalfuss gestaltet, insofern er nicht nur ungewöhnlich
verlängert erscheint, sondern ein zu i-iner ansehnlichen Platte verbreitertes vorletztes Glied aufweist, dem
als dünne Endklaue das letzte Glied ansitzt. Die Platte besitzt einen opalartigen Glanz und ist zudem
reichlich mit rothen und gelben Pigmentflecken ausgestattet. Solches Pigment tritt übrigens auch an
sonstigen Körperstellen in aus der Abbildung ersichtlicher Anordnung auf. Da der sechste Fuss sich
sehr leicht vom Körper trennt, so findet man ihn gelegentlieh isolirt bei dem Fischen ; ich hatte ihn
öfter aus 100 M. Tiefe erhalten, ehe es mir gelang, des Thieres habhaft zu werden.
Die Abdominalfüsse sind von mittlerer Grösse; bei dem abgebildeten Tliiere fehlten Begattungs-
apparate an dem ersten Paare und dürfte dasselbe demgemäss ein Weibchen repräsentiren.
Miersia davic/era misst von der Spitze des Telsons bis zur Spitze des Rostrum 10 mm. Sie ist,
nach dem häutigen Vorkommen isolirtcr sechster Beiupaare zu schliessen, in Tiefen von 100 ^M. nicht
selten, doch fand ich zwei Exemplare auch in 600 M. Ein jugendliches Exemplar, sowie ein isolirtes
sechstes Bein]:iaar waren, ebenfalls aus 600 j\I. stammend, in dem Schliessnetz enthalten. Gelegentlich
erscheint sie an der Oberfläche, wo ein Exemplar am 1. Oktober erbeutet wurde.
VI. 3Iollusca.
1. Ptei-opoda et Hderopoda.
Dr. Schiemenz, welcher mit der monograpliischen Bearbeitung der Pteropoden des Golfes von
Neapel beschäftigt ist, stellte freundlichst folgende Liste über die von mir gesammelten Pteropoden und
Heteropoden zusammen.
Pteroijoda.
Creseis acicula Rang, Oberfläche bis 1.300 M. Tiefe (häuflg in 100—200 M. Tiefe;.
Creseis conica Costa, Oberfläche bis 1300 JI. (häuflg an der Obei-flächc, aber auch zahlreich in allen Tiefen).
Cleodora subidata Quoy et Gaim, GOO M. (2 Exemplare).
Hycdea tridentatn Lam., 60 M. (1 Exemplar am 9. Oktober).
Hyalocylis striata Fol., Oberfläche bis 1300 M. (häuflg in 800 M. am 30. September).
Tiedemannia D. Chiaje, 800 M. (3 jugendliche Exemplare am 30. Se[itember).
5*
Cymbulia Per. Los., 600 — 1300 M. (sämintlieh juf;endliclic Exemplare, ein Exemplar im Schliessnetz aus
800 M. am 20. September).
Spirialis rostralis Soiileyet, 1200 M. (1 Exemplar aus der Bocca piccola am 11. Oktober).
SpiriaUs trochiformis »Souleyct, 1000 M. (1 Exemplar vor Ischia am 10. Oktober).
Sinrialh.recurvirostra Costa, 600 — 1300 M. (In 15 Zügen Avurden vom 9. Septbr. bis zum 11. ()ktbr.
im Ganzen 19 Exemplare erbeutet; eines derselben fand
sieli im Schliessnetz aus 600 M.).
Pne.umodermo» Cuv., 600 — 1200 M. (5 Larven in 3 Zügen, darunter 2 Exemplare im Schliessnetz aus
800 M. am 29. September vor Ischia).
Clio lonfjic'iitclatus (?) Suleyet, Oberfläche bis 1300 M. (häutig an der Oberfläche, selten in der Tiefe).
Cliojysis Krolviii Trosclicl, 600 M. (1 Exemplar am 9. Septeml)er bei Ventotenej.
Heteropoda.
Atlanta Pcronii Lesueur, Oberfläche bis 1200 M. (vereinzelt).
Atlanta Quoyana Souleyet, 800 M. (1 Exemplar am 9. Sej>tember vor Ischia).
Pterotrachea miitica Les., 800 — 1200 M. (4 jugendliche Exemplare).
Pterotrachea scutata Gegenb., 1300 M. (1 Exemplar am 10. Oktober vor Ischia).
Firoloida Lesnenrii Souleyet, Obei-fläche bis 100 M.
Wie aus dieser Liste hervorgeht, so steigen die Pteropoden und Heteropoden in beträchtliche
Tiefen herab, während andererseits die Spirialis-Avtcn nur sehr selten an der Obei-fläche erscheinen und
offenbar ächte pelagische Tiefseethierc repräsentireii.
2. Cephalopoda.
Schon bei den ersten Zügen fiel mir der Reichthum der Tiefe an kleinen durchsichtigen Decapoden
auf. Da Dr. Jatta eine Monographie der Cephalopoden des Mittelmeeres vorbereitet, so wird dei'selbe
noch späteriiin ül)er die von mir gesammelten Arten berichten. Ich erwähne nur, dass eine kleine,
vielleicht der Gattung Rossia nahe stehende Form, welche rosa und schwärzliches Pigment besitzt, in
allen Tiefen von 600 M. an sehr häufig gefunden wurde. Sie ^ird durchschnittlich nur einen Centimetor
gross; kleinere jugendliche Stadien kommen ebenfalls sehr häufig zur Beobachtung. Im Besitz der
zoologischen Station befinden sich zwei Exemj)lare dieser Art, welche während eines Winters auch an
der Obei-fläche erbeutet wurden.
Einen zweiten, bis jetzt noch unbekannten prächtigen Decapoden fischte ich am 30. September
vor Ischia aus einer Tiefe von 800 Metern. Da bei der Conservirung leider die Durchsichtigkeit und
die Farbe des Pigmentes verloren gehen, so reproducire ich auf Taf. 5, Fig. 8 eine Farbeuskizze, die
ich nach (b'm lebenden Thiere auf dem Schifte entwarf. Er war incl. der Arme 30 mm lang und trieb
sich mit grosser Lebendigkeit in dem Gefässe umher, ständig mit den Flossen undulirend und bei
jedem Ersciu'eck(Mi die gelben und oi-angegefarbenen Chromatophoren contraliirend. Ein kleineres Exemplar
fand ich späterhin in derselben Tiefe, auch wurde ein jugendliches, oftenbar ihm zugehörendes Individuum
in 60 M. Tiefe vor (.lern Hafen von Ischia gefangen.
— ö 37 Q^-
VII. Tutilcata.
1. Appendicularia.
Die Appeudicularien der Tiefen sind von besonderem Interesse, weil zu ilnien Arten gehören,
■die an Grösse alle bisher bekannten Formen weit übertreffen. Ehe ich indessen auf diese ansehnlichen
neuen Genera aufmerksam mache, will ich erwähnen, dass auch die bisher bekannten Arten beträchtliche
Tiefen während des Sommers aufsuchen. Besonders häutig fand ich Oikopleura coplwcerca Ggbr. in allen
Stadien der Geschlechtsreife und zwar ^■on der Oberfläche an, wo ich sie vor Capri während der Nacht
fischte, bis zu 1000 M. Tiefe. Auch Oikopleura spissa Fol. und 0. fusiformis Fol. wurden bis zu der-
selben Tiefe häufig beobachtet und fanden sich in dem Inhalt fast sämmtlicher Schliessnetzc.
Schon bei einer meiner ersten Ausfahrten gegen Ende August fiel mir in dem Inhalte des Netzes
aus 100 M. Tiefe eine grosse durchsichtige Appendicularie auf, die ich späterhin constant in der Tiefe
und zwar bis zu den grössten untersuchten Tiefen von 1.300 M. antraf. Da sie an der Oberfläche rasch
abstirbt, so war ich lediglich auf die Untersuchung der conservirten Exemplare angewiesen, von denen
jene am besten erhalten sind, die mit einem Gemisch von Chromsäure und üeberosmiumsäure vorsichtig
behandelt wurden. Eine Conservirang mit Sublimat erwies sich wenig vortheilhaft. Die genauere
Beobachtung ergab nun, dass die in Rede stehende Art einem neuen Genus angehört, welches ich
Steijosoma benenne. Die Diagnose der neuen Gattung lautet folgendermassen : „Körper rhombisch, seitlich
comprimirt. Endostyl vorhanden, von mittlerer Grösse. In den Anfangstheil des Magens mündet links
ein breiter und ansehnlicher Leberschlauch ein, über den in weitem Bogen Magen, Mittel- und End-
darm verlaufen. Genitalorgane am liinteren Kciriierende als breite, daeiifünnig gestaltete und gleich-
schenklige Lamelle angelegt." Einzige bekannte Art: Stegosoma pellucidum (Fig. 1).
Da ich von Stegosoma pellucidum eine ausführliche Darstellung des feineren Baues an anderer
Stelle geben werde, so ]>eschränke ich mich hier lediglich auf eine kurze Charakteristik der Art.
Der Körper ist je nach dem Alter des Thieres ^•erschieden gestaltet. Bei jugendlichen Exemplaren
ist die vordere Körperhälfte (die Grenze zwischen beiden Hälften würde eine von dem Anfangstheil
der Chorda zu dem Ende des gegenüberliegenden Schenkels der Genitallamelle gezogene Linie bilden)
grösser als die hintere; bei Individuen von mittlerer Geschlechtsreife (Fig. 1) sind beide Hälften ungefähr
gleich gross, bei völlig geschlechtsreifen (Fig. 2) bildet die vordere Hälfte einen unansehnlichen Anhang
an der hinteren. Ausserdem setzt sich bei diesen durch einen deutlichen Falz, der aussen von einer
konvex vorspringenden Firste CFig. 2 f) begrenzt wird, die dickwandige hintere Hälfte deutlich von der
dünnwandigen vorderen ab.
Die Muudöftnung (o) führt in eine Pharyngealhöhle {ph) von massiger Weite. Die äussere Oeffnung
der Spiracula (sp) ist oval, die innere {sp'^) ziendich eng. Vor letzterer hegen 2 Gruppen von Sinnes-
zellen (s), welche die Qualität des Athemwassers prüfen. Der Endostyl (e) ist von mittlerer Länge und
gegen die Oralseite verbreitert. Hier sitzt ihm ein ansehnliches Büschel von Flinunercilien auf, welche
in die schlitzförmige Vertiefung der Ventralfläche, an deren Grunde des Endostyl liegt, hereinragen. Zu
beiden Seiten seines Vorderendes und zwar etwas mehr der Mundöftnung genähert, finden sich zwei
runde Drüsenpackete {gl). Die beiden vom oralen Ende des Endostyles ausgehenden und zum Anfangs-
tlieil des Oesophagus verlaufenden Flimmerbögen (fl) treten auch an den conservirtcn Exemplaren deutlich
hervor. Durch eine zarte Contour begrenzt, hebt sich auf der Ventralseite das in die Pharyngealhöhle
vorspringende Gallertsegel {ve) ab. Die Grenze zwischen Pharynx und Oesophagus ist dadui'ch scharf
markirt, dass bei Behandlung mit Ueberosmiumsäure die flimmernden Darmzellen gebräunt werden,
während andererseits die Einmündung des Oesophagus (oe) in den Magen (y) durch eine Einschnürung
charakterisü-t ist.
Als besonders charakteristisch für die Gattung Stegosoma wurde oben das Auftreten eines
mächtigen Blindsackes hervorgehoben, der, links in den AnfJingstheil des Magens einmündend, von mir
als Leberschlauch gedeutet wird {h). Die Leber liegt in der Körpennitte und besitzt unregelmässige
Gestalt; indem sie gegen das hintere Körperende sich zipfelförmig auszieht, erscheint sie bei älteren
Thieren nahezu dreieckig. Auch kann sie bei letzteren eine so ansehnliche Grösse ei'reichen, dass sie
vollständig den durch die Curvatur des Darmes begrenzten dreieckigen Raum ausfüllt (Fig. 2). An
ihrem vorderen (dem Munde zugekehrten) und unteren (dem Rektum zugewendeten) Rande weist sie
eine einzige Reihe grosser Drüsenzellen auf, die bei der Betrachtung des Thieres von der Unterseite als
scharf umgrenzte Firste sich abheben. Vermittelst eines engen Leberganges (d. h) mündet sie links in
den Anfangstheil des Magens ein. Sie ist seitlich comprimirt: bei der Betrachtung von der Rücken- odei*
Bauchfläche erscheint ihr Querschnitt Hnsenfönnig.
Das- Auftreten einer selbständigen Leber scheint mir unter den Appendicularien nicht unvermittelt
dazustehen. Fol') hebt in seiner sorgfältigen Monographie der Appendicularien als charakteristisch für
die Gattung Oikopleura hervor, dass der Magen in einen linken und rechten Lappen getheilt ist, deren
ersterer von grossen Zellen ausgekleidet wird. Bei Oikopleura spissa finde ich wiederum diese grossen
Zellen zu einer ventralen Reihe angeordnet. Ich glaube daher nicht fehl zu gehen, wenn ich den linken
Lappen des Magens von Oikopleura, der auch bei Fritillaria mit mächtigen Drüsenzellen belegt ist, als
Homologon der Leber von Stegosoma betrachte. Auch der Verlauf des Nerven zwischen Anfangstheil
dfes Magens und Leber unterstützt eine solche Auffassung. Bei den kleinen Formen, z. B. bei Ajipendicidaria
sicula^), fehlt die Theilung des Magens und es scheinen die übrigen Theüe des Darmtraktus, so das
Rektum, die Funktionen der Leber gleichzeitig zu übernehmen. Dagegen ist es nicht zu billigen, wenn
Eisen') den ganzen Magen der Vexillaria speciosa als Leber bezeichnet.
Der Magen (v) verläuft, allmählich sich erweiternd, gerade nach hinten, bildet an dem hinteren
Körperende eine kuppenförmige Wölbung und geht dann an dem Pylorialabschuitt (p) in den auf der
Bauchseite nach vorn umbiegenden Darm (t) über. Letzterer ist wiederum deutlich gegen das Rektum (r)
abgesetzt, welches in der Höhe der Spiracula durch den After (a) ausmündet. Aus den Abbildungen
erhellt, dass bei keiner Appendicularie der gesammte Darmtraktus ähnlich übersichtlich gegliedert ist,
wie bei Stegosoma.
') H. Fol. Etudes sur les Appendiculaires du detvoit de Messiue. Mem. Soc. Phys. Hist. uat. de Geneve.
Bd. 21 U-, 1872, p. 22.
-) H. Fol. Sur un uouveau genre d'Appendiculaires. Arch. Zool. exp. de Lacaze -Duthiers, T. III., p. XLIX.,
Taf. 28, Fig. 1 u. 2.
■*) G. Eisen. Vexillaria speciosa. Kongl. Svenska Vet. Akad. Handl. Band 12, No. 9, Taf. 2.
ö 39 ö
Das Nervensysteiu zeigt die für alle A)iijeniliculai-icn eluirakteristische Auordnung. Das Hirn-
ganglioii ig. c) mit seinem Otolitheubläschen (ot) (der Otolith wird durch die cüiiservireiiden Flüssigkeiten
aufgelöst) liegt dicht oberlialb der Mundöflfnung und entsendet nach vorne die beiden halbkreisförmig
den Eingang' zum Pharynx umgürtenden Nerven («^). Nach hinten entspringt der grosse Nerv («) welcher
gleich uach seinem Austritt die beiden Kiemeunerven («') zu den Spiracida entsendet. Der Hauptstamm
zieht schräg uach hinten, rechts am Oesophagus vorbei, um dann links in einer scharfen Biegung über
den CardialtheU des Magens an der rechten Seite der Leber verstreichend, auf den Anfangstheil der
Chorda zu gelangen und auf derselben das langgezogene Schwanzgangliou {g^j zu bilden. Letzteres liegt
bekanntlich auf der linken Seite der Chorda und entsendet 4 — 6 stärkere Fasern zu der Muskulatur.
Von ihm geht der grosse Schwanznerv («. c) ab. Von Sinnesorganen sei die rechts neben dem Hirn-
ganglion in den Pharynx sich öffnende, als Geruchsorgan fungirende trichterförmige Grube (olf.) erwähnt,
deren hinteres Ende gelegentlich in einer Spiraltour aufgewunden ist.
Ein Herz war an den conservirten Exemplaren nicht nachzuweisen.
Der Ruderschwanz erreicht eine Länge von 12 mm; die Muskellamellen werden 1,2 mm breit.
Da der Körper bei einer Länge von 3 mm eine Breite von 2 mm erreichen kann fso bei dem in Fig. 2
abgebildeten Individuum), so übertrifft iStegosoma pellucidum an Grösse um einige Millimeter die grösste
bisher bekannte Art, nämlich Oikophura cojjhocerca.
Charaktemtisch für unsere Art ist die Anorduuug der durchsichtigen, ungefärbten Geschlechts-
drüsen. Sie bilden ein breites, in einem spitzen Winkel geknicktes Band, dessen beide Schenkel nahezu
gleich lang sind. Es liegt, wie bei allen Appendicularien, am hinteren Körperende dachförmig (dalier der
Name Stegosonia) über dem Verdauungstraktus und wird leicht mit blossem Auge bei der Betrachtung
von der Ober- oder Unterseite wahrgenommen. Bei geschlechtsreifen Thieren (Fig. 2) krempeln sich
die Ränder gegen den Darm um. An dem liinteren Körperende ist es meist eingeschnürt, doch habe
ich nur einmal einen Zerfall in 2 Hälften beobachtet. In der ]\Iitte verläuft das Ovarium (oü), während
die Ränder von den beiden Hoden {t) eingenommen werden. Die Entleerung der reifen Gesehlechts-
produkte erfolgt wahrscheinlich an dem Ende des oberen Schenkels (Fig. 2 bei x). Alle von mii- gesciilechts-
reif beobachteten Exemp)lare befanden sich im Stadium der männlichen Reife; ausgebildete Eier habe
ich zu der angegebenen Zeit nicht beobachtet.
Fol (1. c. p. 28) macht darauf aufmerksam, dass bei geschlechtsreifen Appendicularien eine hoch-
gradige Atrophie der vorderen Körperhälfte eintritt. Bei dem in Fig. 2 abgebildeten Exemjtlar von
Stegosonia ist sie sehr auffällig ausgepi'ägt, insofern die vordere Hälfte als unansehnlicher Anhang der
hinteren ansitzt. Letztere zeigt eine beträchtliche Verdickung der Körperwandung, die auf der Ober-
fläche sternförmig gezeichnet ist. Darm und Ruderschwanz werden von dieser Atrophie nicht betroffen.
Stegosonia pellucidum ist in der Tiefe nicht gerade häufig, aber einzelne Individuen gelangten fast mit
jedem Zuge an die Oberfläche. Mit dem Schliessnetz fing ich sie in 800 M. Tiefe vor den Galli im
Golfe von Salerno.
Ein Gehäuse habe ich nicht beobachtet; die Hinfälligkeit desselben und der Transport aus der
Tiefe werden einen Mangel erklärlich scheinen lassen.
S3 40 e^
Wenn schon Stegosoma eine Appendicularie von ansehnlichen Dimensionen repräsentirt, so wird
sie doch noch um mehr als das Doppelte an Grösse von einer Appendicularie übertroffen, die geradezu
eine Kiesenform unter den sonst kleinen und zierlichen Wesen aVjgibt. Ich fing diese merkwürdige
Art in drei Exemplaren vermittelst des grossen Netzes und zwar aus 900 M. Tiefe vor Ischia am
10. Oktbr. und während der Nacht aus 600 M. in der Höhe der Bocca piccola vor Capri am 11. Oktbr.
Wenn ich erwähne, dass das eine Exemplar eine Länge von 18 mm, das andere eine Totallänge von
22 mm bei einer Körpergrösse von 5 mm und das dritte 30 mm bei einer Körperlänge von 8 mm
erreicht, so wü'd man begreifen, dass die Ueberraschung über den Fang mehr als zolllanger Appen-
dicularien mit einem Körper von der Grösse einer Bohne nicht gering war. Zudem fesselte das erste
Exemplar durch die prächtige Färbung der Organe. Der Endostyl (Fig. 6) war orange, der Oesophagus
hochroth und der Darmtraktus grünlichgelb gezeichnet. Leider genügte die kurze Zeit, während deren
ich eine Farbenskizze anfertigte, um bereits die ersten Spuren eines Zerfalls zu bedingen. Ueber die
Färbixng der zwei während der Nacht erbeuteten Exemplare vermag ich keine Angaben zu machen, da
ich ]Mühe liatte, dieselben bei starkem Seegang unter dem Schein einer Laterne in einem Gemisch von
Chromsäure mid Ueberosmiumsäure zu conserviren. Eines derselben (Fig. 5) gestattet nur einen undeut-
lichen Einblick in die Lagerung der Organsysteme, da die ganze Leibeshöhle selbst bis zur Spitze des
Ruderschwanzes mit zahllosen kleinen runden Zellen erfüllt ist. Ob diese zu der Kategorie der „gelben
Zellen" gehören, wage ich nicht zu entscheiden, doch will icii nicht unerwähnt lassen, dass ein Exemplar
der Oikopleura cophocerca mir durcli schwefelgelbe Färbung auffiel und diese Färbung offenbar ganz
ähnlich gebildeten zahlreichen runden Zellen verdankte. Der nachfolgenden Beschreibung lege ich das
am besten erhaltene grösste Exemplar zu Grunde.
Alle Exemplare gehören einer neuen Gattung Megalocercus an, deren Diagnose folgendermassen
lautet: „Appendicularien von ansehnlicher Gi'össe mit weiter Pharyngealhöhle. Endostyl lang, aus
4 Reihen von Zellen gebildet. Die Flimmerbögen treten auf der Rückseite zur Bildung einer tiefen,
ziini Oesophagus verlaufenden Rinne zusammen; Spiracula weit. Oesophagus am hinteren Körperende
gelegen. Magen weit und links mit einem langen sackförmigen Lebei'schlauch ausgestattet, in dem auf
der Bauchseite eine Reihe sehr grosser Dräsenzellen liegt. Drüsenpackete am vorderen Körperrande fehlen.
Megalocercus abyssorum (Fig. 3 — 7), wie ich die Art benenne, besitzt von der Seite gesehen
(Fig. 4) birnförmige Gestalt. Die grösseren Exemplare (Fig. 4 u. 6) sind am hinteren Körperende in
Folge der Schwellung der Geschlechtsorgane aufgetrieben, während das kleinere (Fig. b) mit wenig
entwickelten Geschlechtsorganen mehr oblong erscheint. Die enge, auf der Ventralseite mit einem lippen-
förmigen Fortsatz (l) ausgestattete Mundöffnung (o) führt in eine auffällig grosse Pharyngealhöhle {ph). Die
bei der Conservirung etwas collabirten Spiraciila (sp) sind sehr weit. Ilire innere Jlündung entbehrt der
Flimmerzellen, dagegen ist der Vorderrand zu einem Gange ausgezogen, dem offenbar Flimmerbögen (y)
iiufsitzen. Der Endostyl (e) ist lang, am Vorderrande etwas verbreitert und aus 4 Reihen von Zellen,
deren runde Kerne sehr deutlich hervortreten, zusannnengesetzt. Jederseits Hegen zwei Zellreihen als Be-
gi'enzung der tiefen Rinne ; die Zellen nehmen gegen die Mundoffnung an Grösse zu. Es braticht kaum aus-
(b'ücklich erwähnt zu werden, dass die Appendicularien den einfachsten Bau des Endostyles aufweisen, insofern
die 4 Zellreihen den 4 Drüsenwülsten im Endostyl der höheren Tunicaten entsprechen. Der Endostyl wird
seitlich von zwei hohen Falten (/) überragt, welche eine Rinne einschliessen, die nnch hinten durch das zwischen.
e 41 E>
(k'ii Sjiiracula vt-rlaufrmlc laii^'c Gallertsegel (ve) bei^'rciizt wird. Auf der Firste des letzteren vei-l;iut't fast
in ganzer Lauge eine Reihe von Flinnncrzellen. Vorne biegen die Ränder der Falten beiderseits naeli
der Bauchseite um und gehen in die beiden Flimmerbögen (ß) über. Dass letztere bei der Ausdehnung
der Pharyugealhiihle eine besonders kräftige Ausbildung gewinnen, ist erklärlich, da ihnen die Beförderung
der »Speise in den weit naeii hinten gerückten Oesophagus (oe) obliegt. Sie verlaufen in rechtem Winkel
zum Endostyl (Fig. 3) an den Seitenwaudungen des v(n-dereii Pharyngealal)sclinittes, um dann auf der
Dorsalseite sich zu nähern und unter Bildung einer Rnnie in ilen Oesophagus überzugehen. Letzterer
gleicht einer Retorte, deren Rand schnabelförmig ausgezogen in die eben erwähnte Flinnnerrinne übergeht.
Der Schlund biegt halbkreisfönnig geschwungen an der Hinterseite des Körpers in den voluminösen und
nieln-faeh gebuchteten Magen (v) um (Fig. ö). linn hängt ein sackförmiger langer Leberschlauch lA) an,
der bis zum halben Rektum herabreicht und auf der Ventralseite mit einer Reihe enorm grosser Drüsen-
zellen belegt ist. Es ist möglich, dass der Lelierschlauch als Hepatopancreas fungirt und dass die ver-
schieden gestalteten Zellen verschieden wirkende Secrete abscheiden. Der Darm (ij ist weit und mündet
in das hintere Drittel des ebenfalls weiten Rektums ()•) ein. Der After (a) liegt weit nach vorne in der
Höhe des vorderen Randes der Spiracula.
Das Nervensystem zeigt durchaus die gewohnte Anordnung. Das relativ kleine Gehirn (g. c.)
ist in zwei Partieen, eine kleinere vordere und eine grössere, das Gehörl)läschen enthaltende hintere
Partie , geschieden. Von ersterer entspringen die beiden bogenförmig die Mundöffnung umfassenden
Nerven (n"), während von letzterer die beiden zu den Spiraeula verlaufenden 'nur ihr Anfangstheil war
deutlich nachweisbar) und der mediane Hauptstamm (n) abgehen. Letzterer repräsentirt eine Röhre mit
deutlich nachweisbarem Hohlraum; er verläuft auf der Dorsalseite, um dann rechts nelx'U dem Rande
des Oesophagus vorbeizustreichen und in scharfem Knick auf die linke Magenseitc umzuliiegt'n. Im
weiteren Verlauf auf die linke Seite der Cliorda übersetzend bildet er am xVnfangstheil derselben (bis
lang gezogene Caudalganglion ((/^).
Unter den Sinnesorganen ist die rechts nelten dem Nervenknoten gelegene Geruchsgrube (olf.)
als grosser' Trichter mit nach hinten gebogenem und in der Medianlinie verlaufendem zipfelfünnigen
Ende leicht nachweisbar.
Die Muskulatur (?;»() erreicht im Umkreis des Pharynx eine der Grösse der Thiere entsprechende
ansehnliche Entwicklung. Zwar fällt es an dem conservirten Material nicht leicht, die einzelnen Züge
der Fasern scharf zu erkennen, doch glaube ich auf Figur 4 die hauptsächlichsten Bänder angedeutet zu
haben. Besonders reichlich sind die Muskelzellen am vonleren Körpei-ende entwickelt.
Ein Herz konnte ich an dem conservirten Material nicht naclnveisen, wenn auch seine Existenz
sehr wahrscheinlich ist.
Der Ruderschwanz ist auffällig breit und lässt leicht mit unbewaffnetem Auge die hell durch-
schimmernde Chorda (e/() erkennen. Die beiden Äluskelplatten desselben sind vorn etwas vei-jüngt und
enden hinten (Fig. 3) scharf zugespitzt. Li der Mitte des Schwanzes sind sie 3 mm breit. Die Flosseu-
säume verbreitern sich gegen das Ende des Schwanzes. Er misst bei dem grössten Exemplar 24 mm
bei einer Breite von 5 mm.
Die Geschlechtsorgane liegen bei ib'iii jüngsten Exemjilar als relativ kleine männliche Drüse am
hinteren Kiirperende (Fig. ö t.). Letztere ist fein graiuilirt und lässt einen uvarialen Abschnitt nicht
('. ('biin. liif iMla(,MScbp Tiiiprwch. f'i
ö 42 E>
erkennen. Dasi^oji^en war das Lcrösste Exeiii|)lar (Fii;'. 3) in \-ollei' wcibliclicr Reife. Einzelne Eier hatten
sicii bereits gelöst uml lan'cn in dem das Ovariuni (ov) nnis;ebenden Abschnitt der Leibeshöhle (c.) Ein
Einblick in die feineren Details kann sich erst auf Sclniittserien ergeben, in die ich l)is jetzt die wenigen
Exemplare noch niclit zerlegt habe.
Keines der drei Individuen besass ein Gehäuse. Da dasselbe bei allen AiJjiendicularien sich
sehr leicht vom Thiei-e trennt, so kann sein Mangel bei dem langen Transport aus der Tiefe nicht auf-
fällig scheinen. Es niuss übrigens ansehnliche Dimensionen erreichen und ich vcrmuthe, dass eigen-
thümlich aussehende rundliche Gehäuse mit dicken Wandungen, in ilenen Phronima sedentaria sass, den
grossen Appendicularien angehören. P. M a y e r *) hat ja darauf hingewiesen, dass die Phronimiden
nicht gerade wählerisch mit Gehäusen sind und geschickt dieselben <lem Zweck entsprechend herrichten.
Was die morphologische Bedeutung der Appendiculariengehäuse anbelangt, so unterliegt keinem
Zweifel, dass sie dem Cellulosemantel der höheren Tunicaten homolog sind. Der Mangel zelliger Einlage-
rungen und der lockere Verband mit dem Thiore können um so weniger gegen eine solche Deutung
verwerthet werden, als ja auch bei den Dolioliden die Tunica strukturlos ist und ebenso wie bei den
Appendicularien abgestreift und neu gebildet werden kann, -j
2. Pijyosomata. Von Pi/rosoma nüanticnni i'rbeutete ich die Larven aus verschiedenen Tiefen
(100 M. im (iolfe, 600 JL vor Capri, 800 M. vor Iseliia und 1200 M. vnr Cai)ri Ende September und
Anfang October). Sie zeigten die 4 Ascidiozoide ; nur eine Ijesass deren acht. Im .lanuar waren sie
sehr häufig in der Tiefe und neben jungen Larven ti'aten aucli bereits kleine Colonien von 1 cm Grösse
auf. Es scheint demnach, dass die Pyrosomen als Larven die Tiefe bevorzugen und
dass sie im Laufe des Winters, zu jungen Colonien herangewachsen, sich an die
Oberfläche begeben. In dem Schliessnetze fanden sich junge Larven am 13. .Januar aus 300 und
aus 1200 M. Tiefe.
3. Stdjjae. ISalpa democratica-mucronata war im Sonmier nicht nur an der Oberfläche, sondern
auch in allen Tiefen häufig. In dem Schliessnetz erhielt ich mehrere Exemjjlare zweimal aus 600 M.
und einmal aus 900 und aus 1300 M. Saljxi muxima-Africana fehlte in den grösseren Tiefen. An der
Oberfläche traf ich sie häufig und vereinzelt in geringeren Tiefen von 50 M. Prof. Dohrn theilt mir
indessen mit, dass ihm während eines Sommermonats das massenhafte Vorkonunen von S. maxima in dem
Inhalt der von Fischern gezogenen Grundnetze aufgefallen sei.
4. DoUolidae. Mit dem grossen Netze fischte ich 4 Exemplare einer grossen Dolioluni-Annue
von 2,5 und 3 cm Länge aus 600 M. (Caprii 1200 JI. (Capri) und 1300 M. (Tschia). Solch' ansehnliche
Dolioliden sind in dem Golfe zwar noch niclit becibaclitct wurden, diu'li iTscheinen sie an anderen
Theilen des Mittelmeeres (z. B. bei Villafranca) g(>legentlicli an der < »bei'Häclu'. Auch im .lanuar
gelangten sie noch aus denselben Tiefen zur Bi'obachtung.
Kleinere Dolioliden fehhin ebenfalls nicht in der Tiefe. In dem Schliessnetz fand ich im
October je eine kleine Ammr in 2 Zügen aus 600 M.
') P. Mayer, C'Hrcinologische Mitth. 2. IJie Gehäuse der Phi-uniiniden. Mitth. Zuol. Station Noapel 1879 Bd 1 p. 46.
^) B. Uljanin. Doliolum. Fauna Flora d. Golfes v. Neapel 10 Mouoprr. 188i) p. 14.
— ö 43 5^-
VJTT, Pisccs.
Eiue grosso Zahl von Fisclilarvcn fand sieh in allen Tiefen von ßO Meti-rn an Ins zu loUO Kielern.
Ihre Zugehörigkeit zu einzelnen Arten wirtl sieh allerdings erst hestinnuen lassen, wenn vullkoniniene
Serien von Entwickclungsstadien vorliegen. Innnerhin erwähne ich, ilass iluri'hsiehtii;c. zart rosa
schinunernde synunelrische Larven \tm Platessen mit einem Fühlladrii in di-r Xackcngcgcnd in geringeren
Tiefi'n von 80 — 100 ]\[. iiäuHg sind. Auf diese wurden schon im .liuii Sai\-ator(^ und Dr. Raffacile,
welch' letzterer die von niii' gesannnelten Larven bearheiten wiril, autiiierk.sam. Sie seheinen übrigens
m)eh tiefer herabzusteigen, da ich eine derselben im Schliessnetz aiis 800 JL Tiefe vor Iseliia vorfand.
Ueberhaupt enthielten .lie Sehliessnetze aus (500 iL (Capri) 900 M. (Iseliiaj 1000 und 1200 iL (Capri)
kleine Fischlarveu, von dem-n eine ofiV'nbar dem merkwürdigen Kralniiiix filamentoxiis Costa, eine andere
den Pedieulaten zugehört.
III.
allgemeiner Tlieil,
Aus eleu bisher MUgefülu'teu Thatsacheu über die vertikale Verbreituuij,- der i)ela,i;-i.scli lebeudeu
Seethiere ergebeu sich folgeude allgemeiue Resultate :
1. Die untersuchten Theile des Mittelmeeres zeigen soM-ohl an der 0 berfliiche
wie in allen Tiefen bis zu 1400 Meter ein reiches pelagisches Thierlcben.
2. Pelagische T liiere, welche während des Winters und Frühjahrs an der
Oberfläche e r s e h e i n e n , -s u c h e n mit B e g i n n des >S o m m e r s die Tiefe a u f.
3. In grösseren Tiefen kommen pelagische Thiere vor, die liisher an der
Oberfläche selten oder noch gar nicht beobachtet wurden.
4. Eine Anzahl jielagischer Thiere verl) leibt auch während des Sommers an
der Oberfläche und steigt nie in die Tiefe.
Icli >\ill versuchen, in Kürze nach den hier angeführten (jesicht_spunkten die geographische
'N'erbreitung der pelagisch lebenden Seethiere in vertikaler Richtung zu erörtern.
1. Ueber die vertikale Verbreitung der pelagischen Fauna.
Unsere bisherigen Anschauungen über die Mögliclikeit einer Existenz von pelagischen Thieren
zwischen der Oberfläche und dem Meeresgrunde haben sich durchaus noch nicht geklärt. Während
man einerseits auf nachher zu erwähnende exakte Versuche hin die Auffassung vertritt, dass zwischen
der Oberfläclientimna und den am *Trunde lebenden Tiefseethieren azoische Wassei-schicliten vorhanden
seien — eine Ansicht, die mit Voriieljc in den mehr populär gehaltenen Schriften gelehrt wird — so
neigen sicli eine A)izaiil von Forsch(>.rn der Anschauung zu, tlass auch die tiefen Wasserschichten des
thierischcn Lebens nicht entbchi'cii. In der Tliat lassen vereinzelte P^imle mit ziemlicher Siclierheit
darauf schliessen, dass die grfisscreu Meei'estit^fcn von pelagischen Thieren bc\-ölkert werden.
Bei den Tiefeidothungen, welche wäiirend der Rt'isc; der Corvettc „Gazelle'" um die Erde
1874 — 1876 angestellt wurden, fanden sich wiederholt an der Lothhdne ganze Siphono|)h(iren uml Theile
K3 45 B^^
derselljcu. Wie Studcr') iu seinen interessanten Mittlieilunfi'cn über cliesellx-n berichtet, so fallen die
häutig'sten Funde auf Tiefen von 800 — 1500 Pfaden mit Temperaturen von 2 — 3 " C.
Um den Nachweis von jielaj^-isclu'U Tliicren in i^-rossi'n Tiefen zu erlirinj^-en, wendete man auf
dem Ch all enger-') die „tow-nets" an, welche anfanglich bis zu 800 Faden herabgelassen und späterhin
direkt an dem Tau der Dretsche befestigt Avurden. Sie wurden theils in horizontaler Richtung gezogen,
theils derart an dem Tau befestigt, dass sie erst liei dem Aufwinden in d(-r Vertikalen die gesammte
Wassersäule durchfurchten.
Stets enthielten sie pelagische Thiere, welche an der Oberfläche nicht beobachtet wurden, und
der "\'erwendung dieser Taimetze ist vorwiegend die Entdeckung der merkwürdigen Challengeriden
unter den Radiolarien zu verdanken. Der Uebelstand freilich, dass diese Netze die gesammte Wasser-
masse oft stundenlang in vertikaler Richtung durchziehen mnssten, ehe sie an die Oberfläche gelangten,
mag es mit sich gebracht haben, dass die einzelnen Bearbeiter des Challenger-Materiales nur mit grosser
Reserve die Vcrmuthung aussprechen, es niöehten gewisse in den Netzen enthaltene Thiere auch that-
sächlich in bestimmten Tiefen gelebt haben. Als ein Beispiel für viele l'ühre ich die Aeusserung von
Spence Bäte (Narrat. Vol. II, p. 528) an: „Before we shall be able to determine with accuracy the
relative bathymetrical distribution of the Crustacea, it is desirable th.nt we should be able to sweep thc
ocean at various dei)thB without fear of entangling specimens from other .strata than those required.
Owing to the coustruction of the apparatus in use for dredging and drawling, it is difficult to determine
whether a specmien fri>m a Station with a rccorded depth may or may not have become entanglcd in
the nets during the downward m- upward passage through the water." So mag es denn gekommen
sein, dass andere Beobachter, so z. B. Sars in seiner Bearbeitung der Schizopoden des Challenger,' auf
Tiefenangaben des in den Taunetzen gesammelten Materiales verzichten. Nur Haeckel,^; dem
allerdings das weitaus reichhaltigste und interessanteste Material aus den Taunetzen zur Verfügung
steht, bemidit sich die vertikale Verbi-eitung der Radiolarien nach Zonen zu gliedern. Er unterscheidet
1. pelagische, an der Oberfläche des Jleeres schwebende, 2. zonare, in bestimmten Meerestiefen schwebende
und 3. profunde, auf dem Boden des Meeres lebende Formen. Was seine Nomenclatur anbetrift't, so
möchte ich mit Rücksiclit auf die encn-men Excursionen, welche nicht nur von Radiolarien (s. oben
Brandt p. 10 i, sondei-n auch von sonstigen pelagischen Thieren in vertikaler Richtung unteiiionimen werden,
vorschlagen, den Ausdruck ,.pelagisch" überhanjjt auf alle flottirenden Thiere im Gegensatz zu festsitzenden
und beweglichen „profunden"' anzuwenden. Für jene pelagische Formen, welche constant nur au der Ober-
fläche vorkonunen, wende ich die Bezeichnung ,,su))erficialc" an, während für die auf bcstinnnte Tiefen-
zonen angewiesene pelagische Thiere die Benennung ..zonare" gelten lilidlitVi. Haeckel s und I\Iurray s
Darlegungen ist es wohl vorwiegend zuzuschreiben, wenn man neuerdings der Ansicht zuneigt, dass die
grossen Tiefen, wenn auch relativ arm an Thieren, so doch wenigstens von Radiolarien bevölkert werden.
') TU. Stuiler. l'eber SiiilioMoiilioreu des tiefen Wassers. Zeitschr. f. wiss. Zool. I!(l. 31, 1878 p. 1 — S.
'-) Tlie Voyage of Challenger. Xarrativc by \V. Thomson and T. Murray Vol. I, 1885, p. 79.
■■) E. Haeckel. Entwuif c-ine.s Radiolarieu-Öystems auf Grund der Challenger- Radiolarien. .)en. Zeitschr. f.
Katurw. Hd. 15, p. 422.
■•) .Jene Thiere, welche nicht an bestimmte Zonen gebunden sind, .«ondern von der Oberfläche au bis zu gro.ssen
Tiefen herabsteigen, könnten als „iuterzonare" pelagische Thiere bezeichnet werden.
¥3 46 S>
A. Agasbiz') vcrliiilt sich freilich den ]k'tuiidcii des Challcnj^-er j;'egc'iiüber sola- kritisch:
^The specimens Lrought up hy tlie „Clialleng-ei-" froni intcniiediate depths are inconclusive, since the
nets used wcre the ordinary tow-ncts, whicli were seilt dowii opcm, kept open while towiiig, and reniained
open while Coming up. It is perfectly true that Ijy differentiation of the contents of the several nets
at one locality some approximate resiilts may be obtaincsd, if the work were carried on for a long period,
but an occasional haul taken l)y itself nieans nothing." Er wendet selbt den S i g s b e e ' sehen ^) Cylinder
(cf. p. 3) in Wasserschichten von 5 — 150 Faden unter der ()lierriäclie an und kommt zur Ueberzeugung,
dass die pelagischen Thiere nicht tiefer als bis 100 Faden gehen und dass es keine eigenthüraliche Fauna
zwischen Oberfläche und Bodenfauna giebt.
Während hier also von gewichtiger »Seite zum TJieil gereciitfertigte Bedenken nicht nur gegen
die Resultate des Challenger, sondern überhaupt gegen das Vorhandensein einer pelagischen Tiefseefauna
geäussert werden, so sind es wiederum an der Lotiileine haften geblieljene Tiefseesi|iliiiniiphoren, welche
zu den ersten exakten Versuchen Veranlassung geben. Wir verdanken sie C h i e r c li i a , einem italienischen
Jlarineoffizier, der, aitf der zoologischen Station zu Nea})el in der Conservirung zarterer Formen vor-
geljüdet, in einem anschaiilichen Berichte ^) seine erfolgreiche Thätigkeit während der Erdumsegelung des
„Vettor Pisaiii" schildert. Chierchia ist nicht nur Sammler, sondern auch ein denkender Beobachter
uml so sucht er denn, als im Paciiischen Ocean wiederum Bruchstücke von Siphonophoren an der Loth-
leine von 1000 Meter Tiefe an hängen geblieben, sich Rechenschaft zu gel)en. ob sie thatsächlich in
iener Tiefe lebten. Dem Commandeur des „Vettor Pisani", Paluml)o, gelang es denn, ein Schliess-
netz zu construiren (es ist auf Tat". 10 der Chierchia'schen Beschreibung abgebildet), das in Verbindung
mit dem Tiefseethermometer von Negretti und Zaml)ra in beliebiger Tiefe geschlossen werden konnte.
Thatsächlich waren denn auch in dem Netze Siphonophoren, Copeiioden, Sagitten und Pteropoden
enthalten. Es ist immerhin auffällig, dass solche hereingeriethen, da der Natur der Sache nach das an
der Lothleine befestigte Netz nicht in horizontaler Richtung durch das Wasser gezogen wurde, sondern
an einem bestimmten Punkte ruhig stehend eine Zeit lang offen blieb und dann durch das herabfallende
Gewicht zugeschlagen wurde.
Als ich das interessante Material von Tiefseesiphonophoren, welches Chierchia erbeutet hatte, zur
Bearbeitung überwiesen bekam und in dem Mageninhalt derselben Copepoden und Sagitten auffand,
wurde der Wunsch rege, die immerhin recht spärlichen und zum Thoil angefochtenen Funde pelagischer
Tiefseethiere einer genaueren Controle durch eigene Untersuchungen zu unterwerfen.
Es lag, wie ich das in der Einleitung andeutete, in der Natur der Sache, dass ich zu Unter-
suchungen, welche einen umfänglichen Apparat von Instrumenten, einen Dampfer uml ein geschultes
Personal erfordern, die zoologische Station zu Neapel aufsuchte. Freilich crchi(ni es mir ^"on vornherein
') A. Agassiz. On de dredgiiig Operations of the U. S. Coast Survey Sr. „Blake" 1878. Bnll. Mus. Comp. Zool.
Cambr. Vol. 5 No. 1, p. 8.
■^) C. Sigsbee. Description of Gi-avitating tra]) for obtaining specimens of aiiinial life froni intermedi.al Ocean-
Depths ibid. Vol. 6. No. 9 1880 p. 155-
A. Agassiz ibid. N. 8 p. 153 „The exppriments appear to prove conrliisively that the surfaee fauna of the sea
is really limited to a comparatively narrow belt in depth, and tliat there is iio inteiniediate belt, so to speak , of animal life
between those living on the bottom, oi- c.lose to it, and tlie sui'faci^ pelagic fauna."
^) ftaetano Chierchia. Collezioni jier stndj di scienze natural!. Kivista luariftinia sett. Ott. c nov. 1885.
i3 47 D^
fraglich, ol) das Mittiliueci- liczü.u'licli i'iiuT iidstulirtcu pelagisclicn Tiefsccfauiia irgxnid eine Analogie
zum Oceau ilarliiuleii wünlc
Die ExistenzlKMliiiguugcn in ili'u tieferen Schichten des Jlittclnieeres sind durchaus verschieden
von jenen des Oceans. Was die Temperatur des Wassers in grösseren Tiefen anbelangt, so zeigt sie
mit auffälliger Cfmstanz 13" C, konniit also der durchschnittlichen niedrigsten Wintcrtemperatur des
OberHäehenwassers gleich. Diese Temperatur wird relativ rasch erreicht. Um ein Beispiel anzuführen,
so wähle ich eine typische Serie von Messungen, die von dem „Washingtim" unter dem ("unnnando
des verdienten Chefs des hydrographischen Amtes, Magnaghi, ausgeführt wunlen 'i lam 27. August 1881
39 0 20' N. L. 13» 10' E. (4r.)
OLerHäche 2()" C.
30 Meter 19 ",5 „
50 „ ...... 1G^H „
8iJ 14",9 „
100 , 14",5 ,.
150 14",3 „
200 , 14" „
300 , 14" ~
500 14",1 ,.
800 „ 13",ö ,.
1000 „ 13»,6 „
2500 „ ...... 130,3 ,.
3550 13''.3 .,
Nach den von Washingtnn im .Tuli bis September ausgeführten Temperaturseriell halie ich die
Mittel berechnet auf: ^)
50 Meter lx°A C. (6j
100 „ 15 ",3 .. (Dl
150 „ 14",1 .. 7
200 ., 14" „ (7)
300 13 ",8 „ (8)
500 „ . 13»,9 „ (3)
1000 „ 13 ",5 „ (3)
Wir wissen fernerhin durch Ca r |i e n t e r 's'^j Untersuchungen, ibiss der (jelialt an Kojih-nsäure
') E. Gig-lioli. L:i scoperta di uiui l'auna nbissale nel Mediterraneo. Atti del III Congresso Geografico Iiiteniaz. )). .'>3.
'0 Die hinter den Teniperaturgraden eingeklammerte Ziffer giebt üif Zahl der Beobachtnngeu an.
') W. B. Carpenter, Repurt. on si-ientirie researcUes carried on durins tlie niontbs of Aug., Sept., Okt. 1871 iu H.
M. siirveving-ship ,.Shp;ir»ater'' Proe. Koy. Soc. N. 138, London 1S72. p. 535.
IG 48 a
in den vdiu Wasser absorbirten Gasen in den Tiefen des Mittelmeeres bedeutend hoher ist als in dem
Oeean und unii;-ekehrt der Gelialt an Sauerstoff bedeutend geringer^).
Uer Grund zu so auffälligen Temperaturdifferenzen zwischen Mittelmeer und Oeean liegt iu der
Trennung beider durch die unterseeische Barriere iu der Meerenge von Gibraltar, welche nur eine
Mischung der oberflächlichen Schichten gestattet und den Eintritt der kalten polaren Grundströme ver-
hindert. Da die Angaben üijer die Tiefenverhältnisse in der Meerenge in den geographischen Hand-
büchern vielfach abweichen (die genauesten Daten giebt Boguslawski im Handbuch der Oceanographie
Bd. I., 1884, p. 91), so wendete ich mich an meinen Freund Colombo, der als Marineofficier an den
Lothuugen des „Washington" betheiligt war und mir bereitwillig die Befunde desselben zur Verfügung
stellte. Hiernach ergibt sich die Meerenge an einer Stelle liedeutend flacher, als man bisher angenommen.
Fast genau in der Jlitte zwischen Cap Spartel und Ca]) Trafalgar wurden nur 45 Faden (82 Meter)
gelothet. Von hier aus fällt nach beiden Seiten der unterseeische Rücken ab; in der Mitte der Meer-
enge, östlich der Linie Cap Spartel — Cap Trafalgar, l)etrug die geringste gelothete Tiefe nach jener von
45 Faden bereits 152 Faden (278 Meter).
Da also eine relativ geringe Erhebung von 90 Metern genügen Avüi'de, um das Mittelmeer voll-
ständig vom Oeean abzuschliessen, so liegt es auf der Hand, dass eine pelagische Tiefenfauna des Oceans
seit Existenz des unterseeischen Rückens keine Mischung mit derjenigen des Slittelmeercs eingehen konnte.
Es war mir somit fraglich, ob überhaupt im Mittelmccr eine pelagische Tiefenfauna existiren möchte,
denn der von mir 1877 erbrachte Nachweis über das Niedersinken an der Oberfläche erscheinender
Thiere bis in eine Tiefe von 100 Metern stinnnt ja völlig mit den Beobachtungen A. Agassiz's überein
und lässt keinen Rückschluss auf das Vorkommen einer Fauna in den tiefen Schichten zu. Wie Agassiz
eine pelagische Fauna unterhalb der Hundortfadenlinie iu Abrede stellt, so hält es denn auch Carpent er
(1. c. p. 588) für unmöglich , dass im Mittelmeer tliierisches Leben tiefer als 200 Pfaden hinabreiche.
..I am disposed to believe, that in tlie Mediterranean Basin the existence of Aninial life in any abundance
at a depth greater than 200 fathoms will be found quite exceptional ; and that, without pronouncing its
dept'hs to be absolutely azoic, we may safely assert them to present a most striking constrast, in respect
of Animal life to those marine Paradises which we continually met with in the Eastern and Northern
Atlantic at depths l)et^\'^■en 500 and 1200 Fathoms." Cari)enter drückt sich mit Recht vorsicliti.ü,- aus,
denn die Befunde des Ingenieurs .Tenking (1860) an dem Kabel zwischen Cagliari und Bona und ein-
zelne Tliierformen , welche die „Porcupinc" aus grösserer Tiefe drctschte, waren ihm nicht unbekannt.
Die Entdeckungen des „Trävailleur" und die schönen Untersuchungen Giglioli's mit dem „Washington"
haben denn auch für das Mittelmcer die alten Anschauungen von Fori» es tilier den ^Mangel des Tliier-
lelions auf dem Meeresgrunde zu Grabe getragen.
Ich glaube denn, dass nun auch der von mir erbi'achte strikte Nachweis von der Existenz einer
pelagischen Tiefenfauna einiges Interesse darbieten wird. Als ich zum ersten Male am 9. September acht
') Die Untersuelmugeu Ca r p eilte r' s (I. u. p. 5S6) liedürten (lm'cli;i\is einer Priit'iuii? iiaili l'rolmii ans versclücflciieii
Tiefen. Es scheint mir l<anm ylauljlicli, dass bei GO''/'r COa, ö'/n O und 2S"'.> S im SJittelmoer ein leivlies Tliipileben in der
Tiefe zn existiren vermag.
Uebev die procentnale Zusammensetzuns' der im Soewasser alisorbii ten Gase vergl. die Tabelle i}i Murray: Kep.
Challenger. Narrative Vol. M., p. 997.
<3 49 a
Secnu'ilon westlich von den Ponza-Iiisclii aus 1300 Bieter Tiefe das Netz y.n-^, ila war die UelxTrascliuiii;,-
üb<T den i;-eradezu erstauiilielien Reielitlnun ilei' Tiefe an |iela,t;iselien Firmen nieiit f^crinj;-. . Kleine
craspednte Medusen, Venusf^-üi'tcl. 1 )i|iliyidcn. Tniiiii|jteriden, Sa,u-itten. Aleio|iidcn. zaiillose ('o|ie]i(iden.
die.Styli'elicii-cn, Larven \-(in I )ei<aiindcn. A|i|icndiculai-icn, l'tc|-"|M.(lcn und klriin' iiin-cli>irlili;^c ( cijli.dn-
IKiden : das Alles dran;;t und tn-iljt -ieli in i-ei;cni (icwinnnel durelicinandi-i-. ürdrukl man. dass das
Netz auf das ( ieradewi.lil in dir Tiefe lii-ialii;-ela>sen wii-d, waln-c-nd inan an der ( Hn-rriaelie nur auf
eri;-iel)iii,-en Fan.i;' in den Sti-nniun,:;cii 'edi-reiiti) rechnet, m> niuss die .Massenhaiii.iikeit de> lliieri-(dien
Lehens in dei- 'l'iete in leilieni ( ir;ide ülien'aM-lien, Wer weiss, cih nicht im Laid'e der Zeit unsei-e Anschauuniiiai
einem vdlli^en Umschwunu- ent,ueucn;;c|ien und oh nicht ,::-erade die Tiele ;il> dei' ei-iaitliche M utleriicMh-n
pe!ai;-isciuai Thiei-h'hens vich her.-iusstelh. \(in dem zeitweilig- Schwärme sowi.hl an die ( >h<-i-tl;iehe. wie auf
den 3Ieeress;Tund ent>endet wc-ithai I Nur wenii;-e f^oianen sind e> j.-i. die mi vo||>t,-lndi,-' den wecliselnden
Existenziiediii-iuiucn ;in de|- • »herfhiehe ^ieh an|ia>steii. (hass sie nicht mehi- die tieferen Schichten auf>uciien.
Ich enthalte niicli all(a-ilin.;;s «-eiterer Schlüsse aus l'>eoliaclituii,L;en, die nur ilhia' zwei MdUate sied:
erstrecken, aber ich will dnch liervoi-hehen, ihiss Dr. lirandt und \-. Petersen, die auf meine 15itte
hin noch im Januar vov ('api-i in der Tiefe tischten, eine autfalli,L;-e Almalune in der (j)uantität nicht con-
statiren konnten. In dem \iin ihnen idieiseiideten Jlaterial fand ich fast durchwejj,- dieselhen Arten
wieder, die ich Ende des Summei's erli(aitet hatte.
Auch im freien < U'ean niu>s die (^>u;iutitat in iha- Tiefe- lehendi-r iielai;-ischer Tliiere eine eniirnu'
sein. Wenn man l]ei|eid<t. das^ auf lan^'en Strecken im l'acitisclien • »cean fast "hm- .\u^nahule an dci-
Lothleine Si])lioini|ilioren hafteti-n iCliierchia I.e. p. 8öi, die ihrerseits die f'oexistenz von kleineren Nälir-
thiereii voraussetzen, so lässt die H;iufi,i;-keit sujcher, mit den denkhai' uni;-ünstij;-sten ]\Iitteln erbeuteter
FiU'inen auf einen uu.i;e;dniten Heichthum schlie.ssen.
Mit solcher Erk<-initni>s tiiidet ii-eilich die Fra.i;-e nach der Lruälii-un:;- ih-r am <i runde leljenden
Tiet'seetliiere eine einfache Liisuuf;-. p]s sind ja nicht die ^-rossen 'J'iefen, in <leneu d;is thiei-ische Lehen
sich üiijii^- entfaltet, sondern im Al|t!,-eineiiu-n eim- Zone zwischen 800 — 20<t0 [Meter, welche die unter-
seeischen Paradiese hir^t, v.ui denen C'.-i r p e n t e i- spricht, und die Wiildei- vcui rrinoiden, welche die
Dretsche des „lilake" dui-chfurchte. Auch 'ihne die Resultate aus dian IMittehm-ei- c-infaeh auf den Ocean
übertraf;-en zu wollen, so deuten duch ilie eben an,i;-etuhi-ten l>euli,ii']itini;;eu daraid' hin. dass es nicht das
sciilechteste Nährniaterial ist, \\-elches den Tiefseethieren zukounut. ]n Milchei- 'i'iel'e leben i^-ewiss )ielasi,-isclie
Tliiere in derselben iMasseidiaftin'keit wie ;ni dei- Oberfläclu- und es braucht nicht <-in im Ver.^-leich zti
der staunenswerthen Fülle von Mrundthiia-en t;-erin,ü;fti,ii,'i.<;-e,i' Rei;'en von abü-est<irbiai<'n r^eibern zu sein, der,
wie das Manna d(Mi .hnleu in der ^^'üste, von oben koinnieiid zur l-a-nähi-unii- ilieut.
.Teil brauche wohl k.-ium .-lusdi-ücklich zu betoiu-n, ilass unsere Vorstelluuijen über die alhnälige
Besiedelunj;- des Meei'esurundes mit einei- stattlichen Fülle v<in Thiei'lorim-n nun aut-h eine ii-i-eifbare
Fassunj;- gewinnen. Währiaid man liisher lediglich eine langsanu- Finwand(M-uiig aus seichtem Wasser
von den Küsten aus annahm, sn dürfti- duch eine mindestens ebenso ausgiebige Bevölkerung direkt in
vertikaler Richtung \-on Seilc-n d<r pel.igisch lebenden Thiere stattget'unden haben. Pelagische Larven-
t'ormen sowohl wie ausgebildete Tlii<'re nnigeii sich dem Leben auf dem <!runde angeiiasst lial)en, da sie
ja ge!eg(>ntlich bis auf den ^Meeresgrund niedersinken, ohne abzusterlien.
C. Chnn, die pelagische Tbierwelt. 7
• — ö 50 Qi
Andererseits dürfen « ir mit Siolin-ln-it annclnuen, dass der <;TösstC' Tlicil der Larven \ini Tirund-
thicrcn pelagiselic Lebensweise führt nud da ist die Möj;licldveit durclians nicht ausj^eschlossen, dass anch
sie in Regionen gehnigen, -wo das Sonnenlielit voll auf sie einwirkt, elu! sie sicli wieder in ewiges Dunkel
zurückziehen.
Doch führen uns solche Betrachtungen bereits zur Darlegung einer sehr l)i'nierkenswerthen Lebens-
ftusserung der pelagischen Thierwelt, welche ich im folgenden Kaiiitel ausführlich eriirtern will.
2. Ueber das periodische Auf- und Absteigen pelagischer Ttiiere.
Eine der überraschendsten Wahrnehmungen war für mich die Tliatsache, dass iielagisclie Thiere,
welche während des Winters und der Früiijahi'snionate die OberHäche bevölkern, mit Beginn des Sonnners
nicht nur geringere Tiefen aufsuchen, sondern bis auf den (4rund des Oceans über 1000 Meter tief herab-
steigen. Kein Ort ist freilich günstiger zur Constatirung dieser Thatsache als der (jolf von Neapel. Seit
Jahren wird in der zoologischen Station über das Erscheinen und Verschwinden pelagischer Thiere an
der Oberfläche Protokoll geführt. Die Listen Seh m i d 1 1 ein s '; und die hoifentlich bald veröffentlichten
Aufzeichnungen von Salvatore lo Bianco ge!)en über die Erscheinungszeit einer ganz stattlichen
Reihe derselben Aufschluss. Aus diesen sowohl, wie aus den zahlreichen Erfahrungen der einzelnen
Beobachter, welche längere Zeit hindurch mit dem Studium pelagischer Thiergruppen sich beschäftigten,
geht hervor, dass etwa gegen Ende Mai die Zahl der pelagischen Thiere sich auffällig zu verringern
beginnt, dass ganze Gruppen %-on der Oberfläche verschwinden, um erst mit Beginn des Winters und im
Frühjahr wieder zu erscheinen. Nur wenige, im letzten Kajiitel zu besprechende Formen sind es, welche
man im Laufe des Sonuners an der Oberfläche antrifft.
Ich will nicht auf die mehrfach geäusserten Vermuthungen über den Verbleib der pelagischen
Fauna während des Sommers eingehen, da ja die Frage durch meine Beobachtungen eine einfache Lösung
gefunden hat. Ich war bereits 1877 auf die durch das bekannte Aufsteigen pelagischer Thiere während
der Nacht nahe liegende Idee gekonnnen, dass sie im Sonuner tue Tiefe aufsuchen möchten. Um dem
Verbleib mancher Ctenophoren nachzugehen, fischte ich in einer Tiefe bis zu 100 Metern und es gelang
mir Formen aufzufinden, so Beroe ovata und Larven des Cestiis, Avelche damals im Hochsommer an der
Oberfläche fehlten^). Auch Mosel cy^) mit seinem reichen Schatz von Erfahrungen, die er auf dem
') K. Sclimidtlei n , Vergleichende Ueljersk-lit über das Erseheineii grrisserer iiel;i>jisplipr Thiere von 1875 — 1877.
Mitth. Zool. Stat. Neapel, Bd. L, p. 119.
*) C. C'huii. Die Ctenophoren des Golfe.s von Neapel. Fiuma uml Flora des Golfes von Neapel, Bd. I, 1880,
p. 22G — •2.S9. .,Da noch andere Erklärunifsversuclie mir nicht ausreichend zu sein schienen, so kam ich auf die Verrauthung,
dass während der heisseu .I:ihreszeit die Rippenquallen in die Tiefe steigen möchten, um vielleicht im sogenannten Fnns^o ihre
Nahrung zu suchen. Es glückte mir in der That mehrmals, mit Schwebnetzen aus bedeutender Tiefe im Sommer 1877 Beroe
ovata und Larven von C'eslns zw erlangen, welche weder an der Oberfläche zu bemerken waren, noch, wie ich mich überzeugte,
io der Nacht und gegen Morgen aufstiegen. Bei der Mühseligkeit und Umständlichkeit, mit denen diese Versuche verknüpft
waren, konnte ich trotz vielfacher Wiederholung und Modification nur zu der allerdings begründeten Vermuthung gelangen,
dass nach einer Frühjahrsperiode reger Fruchtbarkeit die Larven bei Beginn der heisseu Jlon.ate in die Tiefe wandern, offen-
bar sich von den mannigfachen im Fango lebenden kleinen Crnstaccen nähren und zu ausgeliildcton Tliieren lieraugewaehsen,
bei Beginn des Herbstes in Masse aufsteigen."
■'J n. N. Mosoley, Pelagic life. Address at ihe Soutliamptou meetiug nf tl.o P.rit. .Assoc. Nature, Vol. 20. lSS-2, p rr,l.
C'liallcni;rr übrr pclagisclK's Tliii-rlclicii saiinurlti-, ■^tiiiiint lici Ki-rn'trruii^- meiner Ijt'l'uinlc der Autt'asMuii,'
bei, (lass solche perioili:selic ^\'allll(•nlll^•en das VerscliwiiRleu jielagischer Tliiere von der rjberriäclu;
erklären niüehten. leh iialie bei s|iätereni Aufenthalt in Neapel regelmässig die Fangmctliode in der
Tiefe angewendet, um mii- Formen zu verscliatt'en, «elehe an der Oberfläche fehlten. Im FriÜiJahr 188(!
gedachte ich systematisch diese Versuche zu betreiben, doch setzte liald ilie ungünstige Witterung ein
Ziel. Audi Salvatore lo Bianco, ein trefflicher Kenner der maiinen Thiere, tischte gemeinsam
mit i)r. R a f f a el e w;ihrend des .luni und .luli 1886 in einer Tiefe von (JO — 100 Bietern, mit iler Ab>iclit,
die Larven von Gritudlischen zu erbeuten. Dabei geriethen \vie<leruiii |iehigisehe Thiere — vor Aiieui
kleinere Crustaoeen und Larven von l)eka|iodeu — in das Netz, welche an der Oberfläche fehlten. Solche
Resultate bestärkten auch bei ihm, wie er mii- erzählte, die Vermuthung, dass die 01)erriächenfonuen mit
Beginn des Sonnners in die Tiefe steigen miJchten.
Darauf freilicii, dass ein Niedersinken in die grössten Tiefen statttindeu würde, war ich um so
weniger vorbereitet, als ja die Beobachtungen Murray's'j auf dem Ciiallenger uml die olien erwähnten
Experimente von Agassiz ein Absteigen über 100 Faden Tiefe in Alirede stellen. Und doch ist es im
jMittelmeer das weitaus grösste Contingent der ]telagischen Thierwelt, Avelches die Tiefen aufsucht. Ver-
tretei' aller jielagisclien Grupj>en treffen wir noch unter 1000 ^Metern an: Radiolarien sowohl, wie cras-
pedotc Medusen, Siphonophoren, Ctenophoren, Sagitten, Toniopteriden, Alciopiden, Cope])oden, Ostracoden,
Sehizopodcn, Cephalopoden, Appendicularien, Pyrosomen, Salpen und Fischlarven. Ich verweise in dieser
Hinsicht auf die im speziellen Theil enthaltenen Angaben itnd mache hier nur dar;iuf aufmerksam, dass
eine gewisse Vorliebe für einzelne Regionen bei manchen Formen deutlich her\'ortritt. .So trifft man die
i)guilla-h;\vv(}n am häutigsten zwischen 50 — 100 M. Tiefe, die symmetrischen Larven der Platesseii und
die Euphnusin jjellucila zwischen 100 — 500 M., die Stylocheiron- und Nematoscelis- XvXvn, die durchsichtigen
kleinen Cephalopoden und die drei Spiritdis- Avtcn erst unterhalb 500 Meter bis in die grösseren Tiefen.
Andere wiederum zeigen, wenn ich den Ausdi-uck gebrauchen darf, eine ex(jnisite bathymetrische Energie,
insofern sie von geringeren Tiefen an bis zu den grössten erforschten zieudich gleichmässig vertheilt sind.
Unter diese gehören die Globigerinen, manche craspedote Medusen, Apolemia tivaria, Ceshis Veneris, die
Sagitten, Toniopteriden und Alcioi)iden, I'hronimella elongata, die bisher bekannten Appendicularien und
Pyrosomen. Endlich erscheinen auch Formen, so z. B. SaJpa democratka, Diph/es Siehohlü und Enphausia
j)ellucida gleich zahlreich von rler Üljerfläch«^ an bis zu den grössten Tiefen.
Ich enthalte mich weiterer Verallgemeinerungen, da aus Beobachtungen, die sich nur auf zwei
Monate erstrecken, nicht mit Sicherheit auf die vertikale Verbreitung während eines ganzen Jahres
geschlossen werden kann. Zudem ist ja für eine grosse Zahl von charakteristischen Familien — ich erinnere
nur an die meisten Acalephen — der Nachweis über den Verbleib während des Sommers zu führen.
Die systematische Durchforschung der tiefen Wasserschichten verspricht eine wahre Fundgrube
für interessante biologi.sche Beobachtungen zu werden. So will ich nur andeuten, dass gewisse Arten,
z. B. die Pyrosomen und Physopliora lediglich im Larvenzustaud in der Tiefe erbeutet wurden, während
die weitaus überM'iegende Zahl yielagischer Thiere gleichzeitig als geschlechtsreife Formen und als Larven
in den tieferen Schichten leben. Während jedoch die jungen Pyrosomen uml Physophoren im Winter und
') .T. Murray. Voy. Chall. Nurrative, Vd. I, i.. -.'I.^.
K3 52 e*
Fi'ülijalirc auch an der ()l)tTfliiL-lie sicli zc'if:;cu, so scliciiieii die Larven und jüiiiijeren Stadien der Hijyjio-
IjiiJins die Tieft' zu hevorzuj^cn und erst der AnA\cnduni;- des Tiefennetzes ist es zu verdanken, wenn
ilic |ii»tenilirynnalr Eiit\vieklunj!,-s<;-escluciite einer der liäuH,i;sten SijjJKinnplioren des Golfes aufgeklart
werileii kniuite.
Kinc' >c'li(inc und julnicndc Aufi;'a!)e ist es für die IJearlieiter |iela,i;isc!ier 'riiicri;ru|i]ieii und für
alle Benlincliti'i-. ANi-lclien ilas heneidt'nswerthe (Jlüek zu Tlieil wird, au den ( lestaden des I\!ittehueeres
und (li'eaiis zu Iclieii, ileu liii ilo.n'ischeu Vertiältuissen der pelagiselien Fauna niciit nur an der Obertläche,
sondern auch in dei' Tiefe naclizuspiireu.
Teil kann niirli des lundruelcs iiielit crwcliren, ilass lici d<'r ]\lassenliaftii;-keit des Tliierlebt-ns in
der Tiefe die OberÜäclienfauna ;;-('wissermassen nur eine Avantgarde des Gros repräsentirt, die Itald ver-
stärkt, bald verringert geiegentlieli völlig in geseliützte Regionen sich zurückzieht. Die Mittheilungt'n
uiul das Material, welche mir Ende Januar noch von Brandt und P(>tersen aus Neapel zugehen,
lassen thatsächlich darauf schliesscu. dass ilie < lesamnitniasse pi'lagiselier Tliiere in der Tiefe auch während
des Winters durchaus keine \'enninderirng aul'ucist.
So wüi'deu wii- denn zum Schlüsse dieser r><'trac]itun,u- imeh zu der p]i-("irterung der Frage geführt:
Welche (4rüiule ^-eranlassen die pelagischen Thiei-e, sich im A\'inter und Frühjahre an die OlxM'fläche zu
begeben resp. welche Ursachen sind massgebend t ii r il ;i s N i e d e i's t e i g e n der pela-
gischen Fauna \vährend il e s Sdinmers? Dass diesen pei'iodischen A\'anderungen dieselben
Ursachen zu (irnude liegen, welche die bekannten täglichen Oscillationen , nämlich ilas Aufsteigen bei
Nacht, das Niedersinken bei Tage vi-ranlassen, dürfte um so wahrscheinlicher sein, als diese Excursionen
nicht unbedeutende sind. Wie die oben angeführten Beobachtungen von Agassiz und Murray an-
zudeitten scheinen und wie ich nach eigenen Erfahrungen schliessen darf, sd vermögen pelagische Thiere
über 100 Meter tief bei Tagesanbrm'h zu sinken und umgekehrt mit Einbruch ilrr Nacht aufzusteigen.
Alcioi)iden, Sagitten . Appendicularien und ('nelentei-aten , welche ich bei Tage erst in 100 Meter Tiefe
und darunter antraf, wurden bei nächtlichen Zügen an der ( )li,-i-tl;ic|ic i'i-beutet.
Bekanntlich haben "\^" e i s m a n u ' ', Fiire|-i und l'avesi nachgewiescu, dass dieselben
n.^rillatiouen in vertikali-r Richtung auch von der pelagischen Thierwelt der Binnenseen ausgeführt werden,
hl einem bekannten gehalt\(illen A'drtrage idier das Thierleben im Bodensee sucht Weismanu die
(iründe zu eiuiren, welche das Auf- und Absteigen bedingen (j). 18 — 20i und kommt zu dem Schlüsse,
dass die kleiui'u Urustaceen fdenn auf sie bezielien sieh "wesentlich seine Betrachtungen! nicht nur sehr
lichtem])tindlich sind, sondern auch durch daN perindisclie T^ntertauchen in ilen .'"itand gesetzt werden,
lihne i nterlii'ecliung Nahrung ;iufzum'hni<-n und zugleich .-illi' ihnen zu^änulichen A\'assei'schichteu nach
N.-ihrun.i;' zu ilui'ch^uchen. Eicliteniptindlichkeit und Nahrungsbrdürfnis> >inil alxi nach AVeismann die
massgebeiulen Faktoren für die A\'anderungen in vei'tik.-iler Hu'htung. .\uch i\liiselev adi)j)tirt
die Anschauungen Weidmann 's nml folgert ,ius meinen Angaben über das Auf- und Absteigen der
Ctemiphoren. aus jenen Agassizs über die gleiche (ie« ohulM'it der Echiuodermenlarven und Ptero-
') A. Weismimn. Das Thierleben im Bodensee. Lindau 1877.
'■) F. A. Forel. Jja Famie profoiule de.s Lacs Sui.s.ses. Mem. c-onr. Soc. Helv. Siieiu-. Nut. issi p. 88. S. ebenda
<lie 'vollständisfpn Litti'r;iturangat)en über die pelagische Fanna der Seen.
jjodcii, also aui;-cnloscr Foruirii, dass difscll)eii f^xuiütliii^'t \vci\U-ii, ihren Niilirtliicreii, iiämlieli den mit
Augi'ii ausji^estattetou Cnjupodrn, iiachzuziclicn.
Die Aiisielitcii zweier ausi;czeieliiieter Forsclier bedürfen um -so mehr einer Priituii.if, als sie auf"
sehr plausihele Gründe sich .stützen. Tnitzdc-m kann ieh Lichtemptindlichkeit und Nahrunj^sbedürtiiiss
nielit für diejenigen Faktoren halten, weiche sowohl ihis ]ieiiodisciic, wie im Laufe des Tages sich voll-
ziehende Auf- und Niedersteigen der |iel.igischen Fauna in erster Linie Ix'dingen. Weis mann hat bei
seinem Erklarungsversucii vorA\iegcnd i'ine einzelne 'rhiei-grujijie, nämlich die |ielagisclieii Crustaceen, im
Auge. Es ist immerhm nniglich, dass sie sehr lichtscheu sind, oliwdhl das nicht für alle polagischeii
Crustaceen gilt. Zu jeder Tageszeit tritt't man Copepoden an der Meeresoberfläche und au.sser ihnen
Formen, die, wie Euphausla pcUucida, durch röthliches Pigment (b'i' Augen und durch eine fast über-
reiche Ausstattung mit Leuchtorganen für die Tiefe wie geschaffen scheinen. Nicht nur im Früh-
jahre 1886, sondern auch bei allen Fahrten im Sommer tischte ich regelmässig um die ^Mittagszeit bei
grellem Sonnenschein zahlreiche Fu|)hausien an der ( )bertiäclu'.
Dazu konnut vor Allem weit<'rhin der Umstand, dass die "\\'an(b'rungen in vertikaler Richtung
von sämmtlichen pelagisclun Tliiergrup|M n. von den Radiolarieu .lufwärts bis zu den Mollusken und
Tunicaten, unternommen wenb'u. Zu diesen stellen gi'rade ilie auj;-enlosen Formen, so die Radiolarien,
Foraminiferen, vesiculate Medusen. Ctenophoren, Siphonophonn, Ecliinodermenlarven, viel(> Wurmlarven,
die Pteropoden, Appendiculari<'n und Doliolen nahezu das überwiegende Contingent. Auch nähren sich
alle diese Grui)pen durchaus nicht stets \-()n sehenden Thieren, sondern gelegentlich ausschliesslich —
ich erinnere an die Radiolai-ieu und Appt'udicularien — von augi'nlnseii resp. von pflanzlichen Formen.
Auch dürfte nicht unerwähnt bleiben. (L-iss bei den täglichen Oscillationen die pelagischen Thiere zum
grossen Theil geringere Tiefen von 30 — 50 Metern aufsuchen, in (b'Uen sie durchaus nicht der Ein-
wirkung des Lichtes sich entzielien, sonib'rn, wie dies im folgenden Oajiitel dargelegt werden soll, einem
wenig geschwäcliien Sonnenlicht .-lusgesetzt sind.
Ich kann auch nicht annehm<-n. dass das Nahrungsbedürfniss tlie pelagische Fauna von der
Oberfläche vei-treibt. So sinnreich die \'orstellung ist, dass sie durch das Niedertauchen in den Stand
gesetzt wird, alle Schichten olmi' rnterbrechung nach Nahrung zu durchsuchen, so wenig trift't sie
doch in \ ieleii Fällen mit den thatsächlichen Verhältnissen zu. ^Ver je im Winter und Sommer die
Schwärme von Sagitten und ('o])epoden wähi'end des Tages an (b'r < tbeifläche ix-obachtete, wer sich
überzeugt hat, wie massenhaft die Di.itomeen, P^lagellaten und niederen Algen meilenweit die < »jcrfläche
bedecken. 'i (b'r wird zugeben, dass andere ^Motive die grösseren pelagischen Thiere zum Verlassen solcher
Wei(b'plätze antreilien.
A\'arum steii^'en die Peroeii im Souniier in ilie Tiefe, obwohl ihre Lieblingskost, näudich die
gel;ip|iten ( 'leuophoren, an dei' < )i)crriäche bleiben, warum verlässt überhaupt mit Eintritt der heissen
Jahreszeit das weitaus grösste Contingent |ielagiseher ( )ri;anismen die Oberfläche, um sich in Tiefen zu
be,gel)en, wo die niedrigsten pflanzlichen (Organismen, auf deren Existenz doch in h'tzter Linie die
Gesammtmasse pehigischen Thiere angewiesen ist, lucht mehr zu assimilir(-n vermcigen':'
') Vergl. auch die Schilderuutjen von Moseley 1. o. p. 59'.1 und von Murray (Clisll. Nairat. Vol. II, p. 9H5) über
Pyrocystis Ceratiuni, p. 54.0 über Triiliodesmiiim.
i3 04 £>
Hit'rfür flieht es nur eine , zudem recht nahe liesencle Erklärung'. Mit den Lichtstrahlen dringen
die Wärmestrahlen in die obertliichliehen Wasserschichten V(ir ; letztere werden rascher absorbirt als
erstere. Es fällt zwar nicht leicht, die Wirkung beider aus einander zu halten, allein die Thatsachen
sprechen deutlich dafür, dass der Wechsel der Tenii)eratur die jj e r i o d ischen Wanderungen
pelagischer Thiere in vertikaler Richtung bedingt. N^ur wenige pelagische Thiergruppeu
vermögen die hohe Temperatur des Oberflächenwassers während des Sommers zu ertragen; die meisten
entziehen sich der Einwirkung derselben durch das Niedersinken und endlich existü'en ganze Gruppen,
welche ihr Leben in den kühlen tiefen Regionen verbringen, nhne je an die Oberfläche aufzusteigen.
Ich habe mit Absicht im vorigen Kapitel die genauen Temperaturniessungen des Washington aus-
führlicher vorgeführt. Aus ihnen geht hervor, dass die Erniedrigung der Temperatur in den ober-
flächlichen Schichten sehr rasch erfolgt, um bald der für das Mittelmeer typischen Constanten von 13" C.
sich zu nähern. Während der Sommermonate .Tuli Ijis Sejitendier beträgt die mittlere Temperatur in
50 Meter Tiefe 18,4» C, in 100 M. 15,3" C. und in 150 M. 14,9" C. In 150 Meter überti-ifft sie also
die Temperatur in 1000 — 3000 Meter um wenig mehr als einen halben Gi'ad. Die geringen Tem-
peraturdifferenzen von einem bis zwei Graden zwischen 100 M. und 3000 M. Tiefe
e r k 1 ä r e n d e n n a u c h a 1 Ic i n d i c a n s e h e inend auffällige T h a t s a c h e , dass im Mitte 1-
ni e e r e der weitaus g r ö s s t e T h e i 1 \> e 1 a g i s e h c r Tili e r e w ä h r e n d des S o m in e r s von
100 Metern an bis hinab zum Meeresboden verweilt.
Das rasche Absterben vcn nahezu sämmtlichen aus der Tiefe geflachten pelagischen Thieren ist
vorwiegend der Erhöhung der Tem))ei"atur zuzuschreiben. Mir fehlte es leider an Vorrichtungen, um
einen exakten experimentellen Beweis auf dem Schifte zu führen, dass nicht das Sonnenlicht ("denn das
Absterben erfolgt eben so rasch bei Nacht), sondern lediglich die Temperaturerhöhung den Tod herbei-
führe. Ich habe mir einen einfachen Apparat construirt, mit dem ich solche Versuche (zunächst an
Leptodora) anzustellen gedenke. Er beruht darauf, dass zwei Pokale mit denselben aus massiger Tiefe
geflschten Thierarten dem Sonnenlicht ausgesetzt werden. Bei dem einen haben die Lichtstrahlen einen
Glasbehälter mit Alaunlösung, also einem die Wärmestrahlen absorbirenden Medium, zu passiren, während
gleichzeitig für Erhaltung der gleichen Temperatur Sorge getragen wird. Der andere Pokal Avird ohne
Einschaltung von Wärme absorbirenden Jledien der Belichtung ausgesetzt und ein dritter wird in der
Dunkelheit massig erwärmt. Eine solche Vorrichtung würde combinirt mit Durchlüftungsapiiaraten eine
scharfe Controle über alle in den obigen Erörterungen als massgebend erachtete Faktoren bieten.
In dem freien Ocean gestalten sich die Existenzbedingungen für die niedersteigenden pelagischen
Thiere anders als im Mittelmeere. Die Temperatur sinkt in der Tiefe bis zu 0" und — 2" C; sie ist
verschieden in den einzelnen Oceanen bei gleicher Tiefe und im Allgemeinen bei gleicher Tiefe um so
niedriger, je ungehinderter die kalten polaren Strömungen in die Becken einzutreten vermögen. So
giebt z. B. Chierchia die Temperaturen für jene Stellen des paeifl.schen Oceans, an denen er Tiefsee-
siphonophoren in dem P a lumb o ' scheu Netze fand, an auf: 12,8° C. bei 300 M.; 8,7" C. bei 450 M.;
6,1" C. bei 1000 M. und 4" C. bei 4000 M. .ledenfalls sind in dem freien Ocean die Bedingungen für
eine Gliederung der pelagischen Tiefenfauna nach einzelnen Etagen, welche durch Temperatiu'differenzen
hervorirerufen werden, mannigfaltiger als im Jlittrhneere. Leider vennögrn die wenigen vorliegciulen
Beobaclitungvn keinen Anlinltepiuikt zu ,i;vlicn, wir weit im Oee.-in die pelasMSclicn Oberfljiclientliiere in
der lieissen Jaln-eszeit in die Tiefe w.indern.
Zum Schkisse möchte ieli n^eli (kiiviiil' liinwcisen, dass inanni.ufaclie Jlittel der pehi^'ischen Tliicr-
welt zur Verfügunf;- stellen, um die Srli\viiuinl)cwe<;-uu.i>-en bei dem Aufsteii^-en und Niedersinken zu unter-
stützen resp. diese OsciUationen zu ermöicHchen, wenn i^ar keine Bewegungen ausgeführt werden. Da
das speciüsclie Gewicht der meisten kk-inen Thiere naliezu demjenigen des umgebenden Mediums gleieii-
konnnt, so kann schon aüein der Ausgleicli zwisclieu der Temperatur verschieden warmer Wasserschichlen
ein Auf- und Aljsteigen der schwebenden Tiiiere begünstigen. Wird das Oberflächenwasser stark abge-
kühlt, so sinkt es, weil dichter und schwerer, in die Tiefe, wiihrend gleichzeitig die tieferen wärmeren
vSchicliten so lange aufsteigen, bis ein Ausgleich stattgefunden hat. Wirksamer noch kann die Schwinnn-
bcwegung durch Einrichtungen zur Erleichterung resji. Vermehrung des siiecitischen Gewichtes unterstüzt
werden. So besitzen die Physo))h(irideu und viele Fischlarven eine Lufttlasche resp. Schwinunltlase,
während andererseits die Ausscheidung von ätherischen (Jelen und Fetten d(.'n Kailiolarien, Calyeo))horiden,
Alciiii>iiien, den meisten Crustaceen und PteroinMlen ein Aufsti'igen erleichtert resp. allein ermöglicht.
3. Die pelagische Tiefenfauna und ihre Existenzbedingungen.
Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass in grösseren Tiefen pelagische Thiere leben, welche
entweder niemals oder doch nur in seltenen Fällen an die Oberfläche aufsteigen. Hierfür sprechen nicht
nur die Beobachtungen des Oliallenger, sondern auch meine Erfahrungen über die Mittelmeerfauua.
Wenn wir bedenken, dass seit den Zeiten von Oavolini, Delle Chiaje und .Johannes Müller
die Erforschung der i)elagischen Thierwclt des Mittelmeeres ein Lieblingsstudium für die Altmeister
biologischer Wissenschaft nicht nur, sondern auch für die jüngere Generation abgegeben hat, wenn wir
in Betracht ziehen, dass speciell der Golf v(]n Neapel zu den am intensivsten durchforschten Meeres-
abschnitten gehiirt, so können wir unmöglich annehmen, dass über einen Zoll lange Appeudicularien,
mit wunderliar gestalteten Tastorgantui ausgestattete Crustaceen und durchsichtige kleine Cephaloiioden,
wie ich sie auf den beifolgenden Tafeln darzustellen versuchte-, der Aufmerksamkeit zahlreicher Be-
obachter entgangen wären.
Ich will in Folgendem versuchen, kurz jene Thierformen nandiaft zu machen, die in der Tiefe
häufig vorkommen, w;dn-end sie an der Oberfläche selten und vereinzelt beiibaehtet wurden, oder welche
überliaujit noch nicht an der Oberfläche gesehen wurden.
Von Radiolarien sind nach Brandt's obigen Mittheilungen (|i. 10) die Phäodarien ylw^rtcrt«^/;« .vco/y-
VKUdhn und CoelodimtJrum rnmosinfiionim in ilen grösseren Tiefen von 6U0 M. an häufig. Da sie indessen
auch im Whitc-r häufig an der Oberfläche erscheuien, so ist es fraglich, ob sie typische Tiefenbewohner
repräsentiren. d. h. ob sie a.uch im Winter in grösserer Zahl in der Tii^fe, als an der Oberfläche leben.
Ob da"-eii'en die beiden neuen Castanelliden und eine neue Aulacantlia h'diglich in der Tiefe vorkommen
imd nicht an der Olieriläclie erscheinen, müssen erst weitere Untersuchungen lehren.
Unter den Anneliden ist 'rmnoptcris eiichaetn n. sp. tyiiisch für die Tiefe. Gelegentlich dürfte
.sie im Winter an der Tjberfläche erseheinen, denn ich entsinne mich, ein conservirtes Exemplar in der
K3 Ö6 £i
zoologischen .Station gesehen zu halicn. Ihr niassenliaftes Vorkonnnen in der Tiefe lialie ieli oben
erwähnt. Ob auch 7'. elegans n. ><\>. h'dij^lieli in der Tiefe h'bt. ist einstweilen noch nicht festzusti'llen ;
jedenfalls konunt sie aiich im Winter häutig' in der Tiefe vor. Unter den Crustaceen sinel einige Phroni-
niiden für die Tiefe eharakteristisch. PhronimeUa elongata C'is. ist ausserordentlich häufig-, während sie
an der (Jberfläehe nur vereinzelt erscheint. Ivielit minder typisch für die grösseren Tiefen sind die
merkwürdigen Paraplironima- und PhroHimopsls-\vX('\\. Claus beobachtete nur 2 Exemplare der
Phronimopsis Zorn in Messina und beschrieb die Paraphronlina crassipps nach einem Weingeistexeni])lar
aus dem Mittelmeer. Auch vier Arten von Hyperiden, welche unbeschrieben sind, scheinen, nach ihrer
Häutigkeit zu schliesseu, Tiefenbewohncr zu sein.
Ob unter den Cojjepoden und Ostracnden ächte Tiefenbewohner sieh tinib'u, muss einstweilen
noch unentschieden bleiben.
Dagegen muss ich unter den Euphausideu Styloclieiron mastigophorum \\. sp. und Nematoscelis
Sarsü n. sp. als ächte Tiefenfirmen in Anspruch nehmen, da die geschlechtsrcifen Thiere sowohl wie ihre
Larven einen typischen Bestandtheil der Fauna unterhall) 40(.) ]\Ieter ausmachen. Zwar giebt Sars
an, dass er in Messina Styloclieiron longicorne und Xematoscelis microjjs an der ()!)erfläche bcfibachtete
und dass ein grosser Theil der den genannten («attungen zugehörigen Arten an der OberÜäche vom
Challenger gesammelt wurden, allein er erwähnt doch, dass andere Arten, so z. B. Nematoscelis rostrata,
lediglich in den Tiefennetzen sich fVmden.
Auch die merk^\ ürdige Mysidee Arachnomysis Leuckarfii n. g. dürfte eine Tiefenform rejjräsentiren.
Unter den Dccapoden sind für die Tiefe Miersia clavigera n. sp. und der prächtige Sergastes mngnificus
n. sp. (.'haraktei-istisch. Ich entsinne mich, dass ein offenbar dem letzteren zugehöriges Exemi)lar in früheren
Jahren auch einmal an der ( Iberfiäche erschien und von Salvatore lo Bianco conservirt wurde.
Von IMollusken hebe ich unter den Pteropodeu die drei Sjni-ialis-Avten, nämlich : Sjj. rostraiis,
trochiformis und recttrvirostra, wie dies Schiemenz betont, (p. 36) als charakteristische Tiefenbewohner
hervor. Die Spirialis recurvirostra ist ziendich constant bei jedem Zuge unterhalb 600 Metern gefunden
worden und fiel mir gleich bei der ersten Ausfahrt auf, da ich noch nie einen Ptcropoden mit schnecken-
förmig gewundener Schale gesehen hatte. Wie Schiemenz hervorhebt, so ist sie an der Oberfläche
äusserst selten.
Auch die beiden Cephalopoden- (Decapoden-) Arten sind typische Tiefenbewfihncr. Die kleinere
Art wurde ziemlich häufig gefunden und erschien bis jetzt nui- in 2 Exemplaren, die im Besitze der
zoologischen Station sind, an der Oberfläche. Die grössere, durchsichtige, von nur abgebildete Form ist
noch unbekannt.
Endlich darf ich )ioch als charakteristische Tiefenbewohner die in zahlreichen Exemplaren
gefundene gro.sse Appendicularie Stegosonia pdlucidum n. g. und den in drei zolllangen Exemplaren er-
beuteten Megalocercus abyssonini n. g. bezeichnen.
Es ist selbstverständlich, dass diese Liste von Tiefenbewnhnern im I-nafe der Zeit eine wesent-
liche Bereicherung erfjihren Avird. Welch' interessante Aufschlüsse sind doch zu erwarten, wemi erst die
grossen Tiefen des Jlittelmeeres Itis zu 3000 Meter mit Schwebnetzen und Schliessnetzen erforscht werden !
i3 57 ö
Wa^ die Existi-Hzlir(liii.i;inii;vii der ty}ii.'selien Tiet'eiifiirincii sowolil, wie der in die TictV nieder-
sinkenden Oljt'rflächent'ornieii anlielanj^t, so unterliegt es ja licineni Zweifel, dass sie einen i;r(issen Tlieil
ihres Lebens in absolut dunklen Ret-'ionen zubringen. Dass tmtzdt'ni eine Rückbildung der Seli-
werkzeugc bei den mit Augen ausgestatteten Formen in keinem I-'alle zu eonstatiren war, liat seinen
Grund darin, dass sie einerseits nicht an eine bestinnnte dunkle Zone gebuiKb'u sind, wie ilie (irund-
tormen , sondern gelegentlich in stark lielichtete Schichten aufsteigen', andererseits wnUl auch darin, iL'iss
die pelagischen Thiere fast durchweg i)ho.s})liorescirendes Lieht ausstrahlen, E.s gewahrt während iler
Nacht einen magischen Anblick, wenn die Netze aus der Tiefe wie glühende' J5allons der (Jbcriiächc-
näher konnuen, Conservirt man A\;ihrend der Nacht das reiche lebende Material, so lässt sich oft schon
nach dem charakteristischen Leuchten die einzelne Hpecies erkennen. Als eine Anjiassum;' an den Aufenthalt
in der Dunlcelheit ist es wohl aufzufassen, wenn sowohl die Anneliden wie die Crustaceen der Tiefe durch
hochrothes (Paraphronirna^ Phronimojjsts, Arachnoniijsis) oder braunrothes Augen -Pigment ausgezeichnet sind.
Die übermächtige Ausstattung mit Tastwerkzeugen bei SfijJochniroii , Avachiioniysis , Sergestes
rnnr/uificiis und TomojiterU euchai'ht ist wohl wesentlich durch den Aufenthalt in der Dunkelheit bedingt,
nicht minder auch die auffällig!- Verlängerung mancher- Beinpaare zu Raubfüssen ititijlnclieiron, Xernato-
scelis) oder zu spinuenförmigen, mit zahllosen Tasthaaren und Borsten besetzten Greif- und Spürwerkzeugen,
Da weiterhin im jMitlehneere die Temperatur von 200 Jletern an Ins zu den grössten Tiefen fast
keine Sehwankungen aufweist, da Salzgehalt und, wie allerdings durch exakte Untersuchungen noch
nachzuweisen ist, der Gehalt an absorbirtem Gasgemenge sich nahezu in der Tiefe gleich bleiben, so
erklärt sich die auch oben (p. 51) bereits betonte bathymetrische Energie der pelagischen Tiefenbewohner.
Formen, welche in 150 Meter Tiefe leben, kommen auch gleichzeitig in zehnmal grösserer Tiefe vor.
In dieser Hinsicht ]>ietet die mediterrane (Trundfauna eine frappante Analogie. AA'ie (iiglioli') hervor-
hebt, so lässt sieli für die abyssale Fauna nur sclnver eine Grenze angeben, ihi bereits in 40(_) Meter Tiefe
Thiei'e leben, welche in achtmal grosseren Tiefen gefunden wurden.
Eine schwierige Frage habe ich zum Schlüsse noch zu erörtern, niünlich die Frage nach der
Ernährung der pelagischen T i e f s e e t h i e r e. Es sind ja nicht nur typische Tiefeuformen,
welche man unter 1000 Metern antrifft, sondern zugleich auch eine reiche Fülh- von Arten, die im Winter
und Frühjahr aufsteigen, Sie existiren in erstaunlicher Masse in der Tie^fe des Mittelmeeres, verrichten
ihre Lebensarbeit und pflanzen sich fort. Auch in dem freien Occan muss eine Fülle von pelagischen
Thieren in den Tiefen vorkommen. Wie ern;Ün-en sie sich, trotzdem dass eine Flora niederer pflanzlicher
Organismen, auf deren Existenz doch in letzter Linie die pelagi.schen Organismen angewiesen sind, in
solchen Tiefen nicht zti assimiliren und zu leben vermag ?
Man könnte ja auf eine bequeme Weise sich mit der Vorstellung behelfen, dass es die von der
Oberfläche niedersinkendeu abgestorbenen thierischen und pflanzlichen Organismen sind, welche die
Nahrung für die Tiefenbewohncr abgeben. So nahm man es bisher für die am Grunde lebenden Formen
an. Da ich jedoch zeigte, dass letzteren auch lebende pelagischc Thiere zur Verfügung stehen (p. 49),
') E. Giglioli, La scoperta di ima Fauna abissale nel Jletliterraneo 1881, p, Ö5,
„Meuo facile assai sareblje il dare ora un' opiuioue sui limiti iu seuso batimetrico della Fauna abissale ; certo che
il fatto, piu volte accertato durante la campagna del „Wasbington" che anche iu profondit;V relativamente piccole si pouno
tvovare auimali abbissali che abitann ancora a pnit'ouditiY o'.to volte maggioii, e di singolarc impurtanza.''
C. Chun, CUR pelagisehe Thierwelt. 8
« 58 E>
so würde nun die Frage naoli dei- Ernähruii;,^ wenn ieli nüeli so ausdrücken darf, um eine Etai^c liölier
verschoben sein.
P^lie wir indessen uns entschliessen, gewisserniasscn als. Notlibelielf, die in die Tiefe siekernden
abgestorbenen organischen Massen als einziges Nährmaterial anzusprechen, so dürfte es von besonderem
Interesse sein, eine genauere Vorstellung über die Tiefe zu gewinnen, bis zu welcher lebende pflanzliche
pelagische Organismen vordringen. Leider fehlen uns hierüber einstweilen die Daten. Ich sell)st vermag
keinen Aufschluss zu geben, da ein Schliessnetz für Untersuchungen, bei denen es sich um den Nach-
weis der kleinsten mikroskopischen Organismen handelt, nicht der geeignete Apparat ist. Der Schluss
wird kaum je ein so vollkommener sein, dass in ein Netz einzelne einzellige Algen und Flagellaten nicht
hineingerathen könnten. Man wird also darauf angewiesen sein, den von >Sigsbee construirten Ai)i)arat
anzuwenden und ein solcher stand mir nicht zur Verfügung.
Dagegen vermag ich wenigstens einige Daten über die Vorbedingung zur Existenz pHanzlieher
Organismen, nämlich über das Vordringen des Lichtes im Meerwasser, mitzutheilen. Die bekannten
Versuche von ForeP) und Fol über das Vordringen des Lichtes in den Schweizer Seen schienen mir
durchaus einer Controle für das Meer zu bedürfen. Ich hatte, als ich diese Versuche anstellte, keine
Kenntniss von den inzwischen durch F o 1 auch im Mittelmeer angestellten Experimenten, welche zeigten,
dass das Licht bedeutend tiefer wahrnehmbar ist. Immerhin glaube ich, dass eine Bestätigung und
Erweiterung seiner werthvollen Befunde durch eine von dem Forerschcn Apjjarat abweichende Construktion
niclit unwillkommen sein werden. Der von den beiden genannten Forschern verwendete A](iiarat hat
zwei Uebelstände. Einmal öffnet er sich erst, wenn (u- auf den Boden aufstösst und weiterhin nuiss w
bei Nacht an die Oberfläche gezogen werden. Gelängen es nun einen Apparat zu construiren, der uns
von der Tiefe unabhängig macht und au jeder l^eliebigen kStelle im Ocean auf jeder gewünschten Tiefe
exponirt werden kann und der weiterhin nach der Exposition sich selbstthätig schliesst, so würden die
genannten Uebelstände und etwaige Fehlerquellen beseitigt werden. Denn es lässt sich nicht leugnen,
dass die Beschaffenheit des Bodens, auf den der Apparat aufstösst, störend einzuwirken vermag und dass
weiterhin, da ja in der Nacht nicht absolute Finsterniss herrscht, eiue empfindliche Bromsilber))latte bei
dem Aufziehen des Apparates afficirt werden könnte.
Allen diesen Anforderungen entspricht ein Ajiparat v. Pctersen's, dem ich so vielfach für
seine Bemühungen zu Dank verpflichtet bin. Ich habe ihn auf Taf. 1, Fig. 4 — 6 in den verschiedenen
Phasen der Thätigkeit abgebildet und bemerke zur Erklärung der Figuren Folgendes. Die Bromsilber-
platte, welche, wie vorherige Versuche lehrten, von dem Seewasser nicht angegriffen wird, liegt in einer
aus Blei hergestellten Dose (Fig. 4 a). Der ebenfalls aus Blei bestehende Deckel der Dose kann an
einem Scharnier auf- und zugeklapfit werden und greift in einen doppelten Falz derart ein, dass seitlich
kein Lichtstrahl einzudringen vermag. Die Dose hängt excentrisch, freibeweglich in einem Rahmen und
würde demgemäss ohne weitere Vorrichtung die aus Fig. 6 ersichtliche Stellung einnehmen. Um nun in
beliebiger Tiefe ein Oeflfnen des Deckels, also eine Exposition, herbeizuführen und iiaeli beliebiger Zeit
wieder die Dose zu schliessen, ist nach dem Princiji des Negretti und Zambra'seheu Uinki|iptliermometers
') F. A. Forel, L.a f'.iun.a profouilc des laes siüsses. 1884, p. 33 — 3.5. S. olieiida die Liter.itur;ingfiU>eii ülier
frühere Versuche,
*3 59 £>
fiii PrdjHlk-r ipj vcrwiTtlict. Di^rsclln' Lc^itzt 4 Flügel iiiul hcginut rrst zu wirken, wenn der Apjiarat
in die Höhe gezogen wird. Ein feines, an dem Propeller befestigtes Sehraubengewinde greift dureli eine
Schraubenmutter in den durchbohrten Rand der Dose ein und steckt etwa einen liall)cn Centiiiietcr tief
in dem seitliehen Falz des Deckels.
Der Apparat wird nun in eine beliebige, durch das Zjihhverk der Lothleine controhrbare Tiefe
herabgelassen. Wird er, dort angelangt, in die Höhe gezogen, so hellt sieh das Schraubengewinde durch
die Drehung der Flügel des Propc'ller und tritt aus dem entsprechenden Falz des Deckels. Letzterer
klajipt auf und die Platte wird exponirt (Tig. 5). Ein dem Deckel seitlich anhängendes Bleigewicht (g)
erleichtert das Autltlappen, welches liei einei- Hebung des Ajijiarates um 2,5 Meter erfolgt. Hat man
die erforderliche Zeit hindurcli expoiiii't, so tritt bei einer weiteren Hebung das (iewinde auch aus der
entsprechenden OefFnung der Dose und letztere, weil excentrisch aufgehängt, kla|ipt zu 'Fig. 6).
Was nmi die mit dem Petersen'schen Apparate erzielten Resultate anbt'langt, so stellten wir die
ersten Versuche in Tiefen von 150 und 250 Meter am 9. Oktober ausserhalb Capri während eines wolken-
losen Tages um die Mittagszeit an. In Ijciden Fällen ergab sich eine starke Belichtung der Platte,
obwohl nur ',4 Stunde exponirt wurde. Um einen ungefähren Vergleich anstellen zu keinnen, so wurde
während der Nacht eine Platte cbensolang auf dem Schiffe exponirt. Es war mondhell, der Mond jedoch
hinter Wolken während der Dauer der Exposition versteckt. Die Platte war nach der Entwicklung
nicht so intensiv gedunkelt, wie die während des Tages in den oliigen Tiefen expomrten Platten.
Petersen hat dann nach meinem Weggang die Versuche in 500 und 550 Metern wiederholt
und tlieiit mir mit, dass auch in eliesen Tiefen nach halbstündiger Exposition eine Belichtung erzielt
wurde, welche nur wenig schwächi'r war als die früher während der Nacht erhaltene. Die Versuche
wurden wiederum um 12 Uhr Mittags bei wolkenlosem Himmel am 10. Novt'mber angestellt.
Weitere, über eine grössere Reihe von Beoljachtungen während verschiedener Tages- und .Jahres- '
zeit sich erstreckende Resultate, hoffe ich noch mittheilen zu können.
Die hier mitgetheilten Beobachtungen geben eine nicht unwillkonnnene Bestätigung und Erweiterung
der von Asper und Fol angestellten Versuche. Ersterer 'j constatirte bereits, dass in 90 und 140 Meter
eine Belichtung der Platten in den Tiefen des Zürichersees erzielt wurde und letzterer '^t wies nach, dass
auch im Genfersee in 170 M. Tiefe eine Lichtwirkung wahrnelnnbar ist. Endlich constatirten Fol und
S a r a s i n '), dass im Mittelmeer noch in 400 M. Tiefe versenkte Platten vom Lichte afticirt wurden.
Die hier mitgetheilten Versuche geben freilich nur über das Vordringen der chemisch wirksamen
Strahlen, nicht aber über die Verbreitung der gelben und rothen Strahlen Aufschluss. Lmnerhin zeigen
sie, dass die Lichtstrahlen nicht so rasch in reinem Seewasser absorbirt werden, wie man bisher annahm.
Es fragt sich nun, welche Helligkeit noch genügt, um eine Assimilation den niedrigsten Pflanzen
zu ermöglichen. Wir besitzen über die Verbreitung von Algen in grösseren Tiefen nur wenige sichere
') Asper in: F. A. Forel, La fauna jirofoude des lacs Suisses 1884, p. 34.
^) H. Fol. Compt. Reud. Acad. Sc. Paris XCIX, p. 783, Nov. 1884.
') H. Fol et Ed. Sarasin, Sur la profondeur ä laquelle la luuiieie du jour psinetre dans les eaux de la mer. Compt.
Keiid. Ao. Sc. Paris, Bd. 100, April 1885, p. 991.
8*
K? 60 SS
Daten. Wyvillc T li o ms o u '/ i;-ii'l)t an, dass nntcrhallj 200 Fa<k'n pHanzlichc ( )i-g-anisnicn felilen,
währeud Bcrtliold^i in 130 Met^jv Tiefe Lei Capri, Ventotene und Ponza im Hochsommer noch eine
reiche Ali;cnrioni vorfand. Er ist sogar der Ansieht, dass in 100 — 120 Meter die Lichtintensität noch
sehr beträchtUch sein mnss, da in 80 Meter Tiefe die Wirkungen direkter Insohition bemerkbar waren.
So sehr ich es auch bedaiiern muss, dass mir ein A])i)arat von Sigsbee nielit zur Verfügung stand, so
ghiube ich docli nicht feld zu gelien, wenn ich in Aubctraclit der (>l)en mitgetheilten Versuche üljer das
Voi'dringen des Lichtes annelmm, dass selbst in 250 — 300 Meter Tiefe den Diatomeen, Fhigelhiten und
sonstigen niedrigen pflanzlichen Organismen im Hochsommer genügendes Licht zur Assimihition geboten wird.
Ziclien wir luin in Betracht, dass die pehigische Tiefenfiiuna wegen der gleichmässigen Temperatur
bis zu 150 — 200 Meter aufsteigt, dass andererseits die an der Olierfläciie erscheineuden Tliiere ganz
beträchtliche Oscillationen in vertikaler Richtung unternehmen, so dürfte doch die Frage nach der
Ernährung der pclagischen Tiefseethiere weniger Schwierigkeiten darbieten, als es anfänglich scheinen
mag. Radiolarieu, Copepoden, Ostrakoden und Appendicularien ist der Genuss pHanzlicher Organismen
ermöglicht und bei dem ständigen Auf- und Niedc^rsteigen geben sie wieder die Nahrung für die grösseren,
auf animalische Kost allein angewiesenen Formen ab. Dass offenbar in den grössten Ti('fen des Oceans
noch Radiolarien leben, kann nicht befremden, da diese sich von anderen Radiolarien zu nähren vermögen,
welche aus den oberen Schichten zu ihnen gelangen. Brandt hat ja oben (p. 11) darauf aufmerksam
gemacht, dass die Dicftjocha Messanensis ein sehr charakteristisches Nährmatcrial iür die in der Tiefe
lebenden Radiolarien und Ostracoden abgiebt. Da ich andt'rcrseits wieder die Phäod;irien in dem Magen
der Jledusen und Tiefseeai)pendicularien auffand, so kann ich mir innncrhin vorstellen, dass auch ausser
abgestorbenen, von der Oberfläche niedersick(M-nden Tliier- und Pflanzenresten den Tiefseethieren eine
reiche Quelle lebenden Materiales zur Ernährung fliesst.
4. Die constante pelagische Oberflächeufauna.
Den wechselnden Existenzbedingungen ;iii der Oberfläche des Meeres, vor Allem der direkten
Insolation und der hohen Oberflächentemperatur während des Sonuners haben sich eine ganze Anzahl
von pclagischen Thieren angepasst. Nie fehlt an der Oberfläche auch während der heissen .Jahreszeit
völlig das thierische Leben. Radiolarien, Schwärme von gelaj)pten Rippenquallen und kleinen craspedoteu
Medusen, Copepoden und Sagitten trifft man auch an wolkenlosen heissen Sommertageu um die Mittags-
zeit an der Oberfläche au. Als ein bemerkenswerthes Ergebniss der mit dem Schlicssnetz angestellten
Untersuchungen muss ieli die Thatsache bezeichnen, dass di'r grösste Theil der wälirend des
Tages im H o c h s o m m cu' an Av.y Oberfläclie e r s c li i' i n e n d e n p e 1 a g i s c ii e ii Tliiere in
der Tiefe durchaus fehlt. Ich habe ja (iben ()j. 51) (hirauf hingewiesen, dass manche Arti'U, so
Z. B. Diphyes Sieholdä, Euphauala jjd^ucida, iSalpa democratica und die kleineren Arten von Doliohim,
gleichzeitig an der Oberfläche und in der Tiefe auftreten. Ihnen stehen nun jene Formen zur Seite,
welche die constante „superflciale iielagische Fauna" zusanunensetzen.
') W. Thomson. The Depth.s of tlie Sea \k 45.
°) G. Bertliold, Ueber die Vertheihuig der Alfreu im Golf von Neapel. Jlittti. Zool. Stiition Neapel, Hd. 3, p. 401.
i3 61 £>
Zu iliucn sind in erster Linie ilii' ;iut' der Oberfläche ri(.ittirenden Siplmninilioren, nänilieli die
Physalien. P(ir|iiten untl \'elelleii zu zählen. Ich hal«' ))ei Erörteruni;' der hurizüiitah'u g'COgTaphisclicn
Verbreitung- der pelagischen Thicre bereits die eig'euthiuuHchen Anpassungen betont '), welclie die ])assive
Bewegung durch den Wind und die expouirte Lage des Körpers bedingen.
Unter den im Wasser flottirenden Formen hebe ich in erster Linie die c(ih>niebildenden
Radiolarien hervor. Branilt-i hat in seiner trett'liclien Monographie der coh)niebildenden Radio-
hirien liereits ausdrücklich betont, dass sie trotz der Temjieraturschwankungen im Winter und Sonnner
an der Oberfläche aucli wälirend dt's Tages gefunden werden. Aus den von ihm, Bert hold und
S e ni m o 1 a geführten Aufzeichnungen ergiebt sich, dass die Temperatur des Oberflächenwassers im Wintei'
sich bis auf 13,3" erniedrigt, im Sonnner dagegen bis zu 26,7" im Golfe von Neajjel steigt. Aus seinen
oben mitgetheilten Bemc-rkungen ip. 11 1 geht weiterhin hervor, dass mit Ausnahme von Sijhaerozoum
acnferum die coloniebildenden Radiolarien in der Tiefe f-hleii, während umgekehrt die in dännneriger
Tiefe lebendoi Formen constant durch den Mangi'l gelber Zellen ausgezeichnet sind.
Unter den Cölenteraten war der Mangel der an der Oberfläche gemeinen Euco])iden ui der Tiefe
bemerkenswerth.
Unter den grösseren pelagischen Tliieren sind weiterliin die gelajjpten Cteiiophoren, nändich
Eucharis multicornis und Bolina hydatina, die tyjiischsten Bewohner der Oberfläche. Nie fanden sich in
den Tiefennetzen erwachsene Exemplare oder Larven vor — ein Umstand, der um so auffälliger erscheint,
als die nahe verwandten Cestiden während des Sommers die Tiefe aufsuchen. In gewaltigen Schwärmen
traf ich jileieh bei meinen ersten Ausfihrten die früher nur selten beobachtete Bolinn hydaiina und nicht
minder gemein die grosse Eucharis an der Oberfläche zu jeder Tageszeit an. Damit stimmen auch
meine früheren, über mehrere Jahre sich erstreckenden Beobachtungen ^} tilierein, aus denen hervorgeht,
dass lediglich Eucharis midticornis von allen Rippenquallen den ganzen Sonnner hindurch auch bei Tage
an der Oberfläche auftritt.
Unter den Würmern scheint die gemeine Sngitta bipmicfatd auf die (Jberfläche Ijeschränkt zu
sein, während die verwandten Arten, wie <S'. hexaptera und 6'. serratodi'utfifa in grossen Mengen zugleich
die Tiefe bevrilkem.
') C. Chun, Ueber die geographische Verbreitung- der pelagiscli lebenden Seethiere. Zoolog. Anzeiger 188C, No. '214,
215, p. 72. „Dagegen wird uns der eigentliümliche Bau der Velelleu erst verständlich, wenn wir die vollendete Anpassung an
die passive Bewegung durch den Wind in Betracht ziehen. Die Ausbildung eines schräg stehenden Segels, die kahnförmige
Gestalt des Mantels, die Verkürzung der Fangfäden zu tasterähnlicheu mit Nesselst.reifen besetzten Anhängen, die reichliche
Schleimsecretion am Mantelrande, welche die Wirkung der Fangfäden ergänzt und das Verkleben der Beutethiere bedingt, das
ramificirte Gefässnetz, welches ein Austrocknen der der Luft ausgesetzten Regionen des Körpers verhütet und endlich die
Reihen von Luftlncheni auf der Oberseite der Luftkammern, welche der von der Sonne stark erwärmten und ausgedehnten
Ltift den Anstritt gestatten : das Alles sind Momente, die erst durch Anpassung an ein rasches Segeln erklärlich w^erden. Selbst
die reiche Ausr.tattuiig der Velelleu mit gelben Zellen, die nesterweise in den Gefässen liegen, dürfte darin ihre Erklärung finden,
dass bei Windstille die Thiere oft lange Zeit an einer Stelle liegen und, unfähig die Beute vermittelst dehnbarer Fangfäden zu
erwerben, auf die Ernähiung von Seiten ihrer Schmarotzer angewiesen sind."
') C. Brandt, Die colouielüldendeu Radiolarien, Fauna und Flora des Golfes von Neapel. Bd. 13, p. 114 — ll'.t.
^) C. Chun, Die Ctenophoren des Golfes von Neapel, 1S80, p. Ü3fi-23'J.
« 62 £>
Von Copcpoden hebt Giesb recht oben (\>.'21) ausdrücklich den Mangel des Genus Pontellina
in der Tiefe hervor. Fortgesetzte Beobachtungen müssen weiterhin darüber Aufschluss geben, welche
sonstige Copcpoden Oberflächen formen repräsentiren.
Ich bin überzeugt, dass die hier aufgeführte Liste von superficialen Thieren durch fortgesetzte
Beobachtungen eine ebenso wesentliche Bereicherung erfahren wird, wie die früherhin mitgetheilte über
die pelagischen Tiefenbewohner. Immerhin genügen die erwähnten Formen, um mit Sicherheit die Auf-
fassung vertreten zu können, dass ein Theil der jielagischen Thierwelt während des Sommers nicht in
die Tiefe wandert, sondern in hohem Maasse gegen Schwankungen der Temperatur und gegen direkte
Insolation unemjjtindlich erscheint.
Inwiefern die Fähigkeit , ausgiebige Temperaturschwankungen zu ertragen , auf die Lcbens-
äusserungen superficialer Thiere rückwirkt, ist uns kaum bekannt. Ich glaube daher meine Darlegungen
über die Biologie pelagischer Thiere nicht besser abschliessen zu können , als indem ich auf eine Er-
scheinung im Entwicklungsleben der superficialen gelappten Ctenojihoren aufmerksam mache, für deren Ver-
ständniss vielleicht die eigenthümlichen Existenzbedingungen an der Oberfläche in Anschlag zu bringen sind.
5. Die Dissogonie der gelappten Ctenophoren.
Wie eben ausdrücklich betont wurde, so steigen die gelappten Ctenophoren während des Sommers
nicht in die Tiefe, sondern verweilen an ruhigen Tagen dem direkten Einfluss der erhrihten Temperatm'
und des Sonnenlichtes ausgesetzt an der Oberfläche. Sie zeigen auch während des Sommers eine rege
geschlechtliche Thätigkeit und so erklärt es sich, dass man gleichzeitig Larven in allen Entwicklungs-
stadien und junge Thiere in überreicher Zahl antrifft.
Nicht wenig wurde ich bei dem Studium der postembryonalen Metamorphose der Eucharis multi-
cornis während des Sommers 1877 durch die Wahrnehmung überrascht, dass die cydippenförmigen Larven
durchweg Geschlechtsprodukte in vier von den acht Meridionalgefässen entwickeln '). Es gelang mir
nicht nur befruchtete Eier von den Larven zu erhalten, sondern auch die Embryonalentwicklung zu
verfolgen und eben ausgeschlüpfte Junge aus Larveneiern zu züchten. Im Winter hingegen war eine
derartige Geschlechtsreife bei Larvenformen nicht zu beobachten.
Ich kam zu der Auffassung, dass die Fortpflanzungsweise der Eucharis unter die Erscheinungen
der Heterogonie falle, zumal nur die jungen Larven, nicht aber die zur Metamorphose sich anscliickenden
älteren Uebergangsstadien geschlechtsreif angetroffen wurden. Immerhin wäre eine solche Deutung erst
dann völlig gesichert gewesen, wenn über das spätere Schicksal der geschlechtsreifen Larven sowohl, wie
der von ihnen stammenden jungen Brut ein weiterer Aufschluss hätte erlangt werden können.
Was ich damals unerledigt lassen musste, vermag ich nun in hoffentlich befriedigender Weise
nachzuholen. Freilich zeigten die Züchtungsversuche, dass eine Heterogonie nicht vorliegt, wohl aber
lehrten sie eine cyclische Entwicklungsweise kennen, die bis jetzt einzig in der Thierreihe dasteiit. Da
ich dieselbe in einer ausführlichen Publikation noch eingehend darlegcMi werde, so beschränke ieli mich
') C. Chun, 1. c. p. U3— U7.
« 63 E>
an dieser Stelle auf eine knappe Mittlieilung und «teile liaui)ts;ieiilicli jene Momente in den Vorderj;Tund,
■welche vielleicht erst mit Rücksiciit auf die Existenzbedingungen der ständig an der Oberfläche lebenden
pclagischeu Thiere ihre Erklärung finden.
Eine Gesclilechtsieife der jüngsten Larven ist offenbar unter den gelappten Rippenquallen weiter
verbreitet, als wir bis jetzt vermuthen. Nicht nur die Larven der Eiicharis multicornis,
sondern auch jene der Bolina hydatiua werden kurz nach dem Verlassen der
Eihülle gc sc h 1 e c h t s r e i f. Ich erwähnte ja schon, dass ich Ende August und Anfang September
in grossen Sehwärmen eine gelappte Ctenophore antraf, welche ich fridierhin als Bolina hydatina beschrieben
und abgebildet hatte (1. c. Taf. 4, Fig. 5 u. 6). Es fehlten zu derselben Zeit die Eiicharis multicornit!
in jenem Theile des Golfes, der vom Posilipp begrenzt ■\\ird. Erst im freien Meere ti-af ich die auch
späterhin in den Golf vordringende Eucharis an. Gleichzeitig mit der Bolina waren ihre cydip))en-
förmigen Larven zahlreich in dem Oberflächenauftrieb vertreten und zwar waren sämni fliehe junge
Larven ohne Ausnahme geschlechtsreif. Damit bot sich mir die schon lange ersehnte Gelegen-
heit, durch systematische Züchtungsversuche einen genauen Einblick in die cyclische Entwicklung zu
erhalten. Die Larven der Bolina waren denn auch vorzüglich hierzu geeignet. Nicht nur Hessen sie
sich lange Zeit (4 — 5 Wochen) am Leben erhalten, sondern es gelang auch mehrmals, an einer und der-
selben Larve die gesammte postembryonale Metamorphose zu verfolgen. Zudem floss mir das Material
so reichlich zu, dass ich stets an fvisch eingefangenen Stadien die Entwicklungserscheinungen der in
Gläsern längere Zeit verweilenden Larven zu controliren vermochte.
Die Resultate sind nun kurz folgende : Zwei bis drei Tage nach dem Verlassen des Eies werden
die kleinen, 1 — 2 Millimeter messenden Larven geschlechtsreif. Nur vier Gefässe und zwar die vier
subventralen, schwellen, genau wie bei den Eucharis-hm-yvw, zu vier ansehnlichen Zwitterdrüsen an. Die
Larven legen Itefruchtefe Eier al) und gleichzeitig wachsen sie heran. Fig. .5 stellt eine in voller
Geschlechtsreife befindliehe junge Larve vom Sinnespol aus gesehen dar, Fig. 6 zeigt eine jütere in der
Seitenansicht von dev Magenebene aus. Die Eiablage dauert einige Tage, während deren die Larven
an Volum beträchtlich zunehmen und gegen 4 Millimeter gross werden. Allmählich sistirt die Produktion
von Samen und Ei und es beginnen di<' Larven zur Metamorphose sich anzuschicken. Eingeleitet wird
diesellje durch eine Verlängerung (b'r Meridionalgefässe und durch Vermehrung der Schwinmiplättcheu.
Ursprünglich waren es deren vier in jeder Ri})pe, späterhin nimmt ungefähr ]jro{)ortional der Grösse der
Larven auch die Zahl der Plättchen zu. Die subventralen Rippen enthalten bald mehr Schwimmplättclien
als die subtentakularen. Während gleichzeitig die Lappenanlage deutlich hervortritt und die Tentakular-
gefässe schräg nach abwärts steigen, werden die Geschlechtsprodukte in den sübventralen Gefässen rück-
gebildet. Ein Zeit lang ist noch deutlieh unterhalb di'r Rippen eine Schwellung nachweisbar, doch
schwindet sie, Ijevor die Meridionalgefässe in Communikation treten. Fig. 7 stellte eine der ältesten
Larven dar, an der die Anschwellung der Gefässe noch kenntlich ist, obwohl sie bereits die Länge von
9 mm erreicht hatte.
Es ist niclit meine Alisieht, die Details der Metamorphose zu erörtern, und daher begnüge ich
mich mit dem Hinweise, dass zunächst die subventralen Gefässe auf den Lapi)enanlagen in Communikation
treten, während späterhin die subtentakularen sich mit den Magengefässen vereinigen. Die Tentakel-
Ijasis wird nicht, wie bei Eucharis, rückgebildet, sondern persistirt, widirend der larvalc Fangfaden erst
K3 64 .£>
■nach Anlage der Tentakelriiineii seliwindet. Die vier Aurikel erscheinen als Ansbueiitungen der sub-
tentakuhiren Rippen nnd Gefässe nach Vereinigunu,- der iMeridionalgefässe.
Junge, in voHer Geschlechtsreife befindlielie Larven heclurt'tcn in den Gläsern acht bis neun Tage,
lim nach Rückbildung der Geschlechtsprodukte zu jungen Bolinen von 1,5 — 2 cm Grösse sich zu entwickeln.
Fig. 8 stellt eine Bolina in natürlicher Grösst' dar, welche nach 9 Tagen die Metamorphose aus einer
geschlechtsreifen Larve zu ih'r jungen, noch mit larvalen Fangfäden versehenen, gelappten Ctenophore
sich entwickelt hatte. Die in Fig. 7 dargestellte Larve bedurfte nur '6 Tage zur Vollendung ihrer
Metamorphose.
Durch diese Beobachtmigen ist der Nachweis erbracht, das.s die e y d ip j) en f ö rmigen
geschlechtsreifen Larven der gelap])ten Ctenop hören nach Ablage befruchteter
Eier eine R ü c k b i 1 d Ji n g der Geschlechts p r o d u k t e einleiten und s i c h z u a u s g e b i 1 d e t e n
g.elappten Ctenop hören weiter entwickeln. Die histologischen Vorgänge bei Entwicklung
und Rückbildung der Sexualprodukte werde ich an anderer »Stelle ausführlich schildern.
Da nun andererseits frei gefischte Bolinen schon bei einer Grösse von 2,5 — o em wiederum
geschlechtsreif gefunden wurden (die Sexualorgane werden in allen 8 Rippen in dem zwischen zwei
Schwimmplättchen verlaufenden Gcfässabschnitt gebildet), so liegt hier der mcn'k würdige Fall
einer doppelten geschlechtlichen Thätigkeit eines und desselben Thieres vor, die
durch eine complicirte Metamorphose unterbrochen wird.
Unter den durch eine Vermehrung im Larvenleben eharakterisirten Entwicklungserscheinungen
möchte man als analoge Fälle am ehesten noch die bekannte Geschlechtsreife des Siredon ijisciformis und
die als Paedogenesis von Baer bezeichneten Fälle anziehen. Allein die Entwicklung der Bolina deckt
sich doch nicht mit den genannten Erscheinungen. Ein geschlechtsreifer Axolotl verwandelt sich nicht
mein' in ein Amhly Stoma und andererseits beziehen sieh die Fälle von Paedocjenesis auf ungeschlechtliche
Thätigkeit von Larven.
Ich glaube indessen nicht fehl zu gehen, wenn ich liei der Fortpflanzung der gelappten Cteno-
phoren den hauittsächlichen Nachdruck auf die doppelte geschlechtliche Thätigkeit — im Larvenleben
sowohl .wie im entwickelten Zustande — lege und für diese. Fortpflanzungsform die Bezeichnung
„Dissogonie" in Vorschlag bringe. Ich freue mich, in diesei' Hinsicht mich auf die Autorität von
Leuckart berufen zu können, der mir Ijrieflich die Ansicht aussprach, dass man auch durch Schaffung
eines eigenen Ausdrucks den Unterschied von der Pädogenesis zu betonen habe. Die Fälle einer
Dissogonie sind von jenen der Heterogonie scharf dadurch geschieden, dass dasselbe Thier, welches als
Larve Samen und Ei producirte, nicht abstirbt, sondern nach Rückbildung der Sexualorgane seine Meta-
morphose zu der ausgebildeten Form durchläuft und in solcher wiederum zu geschlechtlicher Thätig-
keit sich anschickt.
Es bliebe somit nur noch das Schicksal der von »h-n Larvt'u abgelegten Ijefmchteten Eier zu
erörtern. Dass sie sich zu Embryonen entwickeln, hal)e ich Itereits von Encharis nachgewiesen und
kann es ebenso für die Bolina bestätigen. Zwei Tage nach der Ablage schlüpfen dieselben aus und
lassen bereits am dritten Tage eine chai-akteristische Schwellung der 4 subventralen Gefässe bemei'ken.
i3 65 ES
Am vierten Ta.i^'i' war es unverkt'imhar, dass die Scliwelluni;- durcii Bildung von .Sexualprodukten bedingt
wurde. Wenn es mir nun auch nicht gelang, sie zur Eiablage zu bi-ingen (es fällt schwei-, den Larven
alle Bedingungen zu bieten, denen sie im freien Meere ausgesetzt sind), so darf doch als sicher angenommen
werden, dass auch sie wiederum denselben Entwicklungsgang durchlaufen , wie er soeben geschildert
wurde. Damit stimmt es denn auch, dass von August bis Ende Oktober lediglich geschlechtsreife Larven
in zahlloser Älenge zur Beobachtung gelangten.
Bedenkt man, dass die zarten gelappten Rippenquallen das ganze Jahr hindurch an der Ober-
fläche verweilen und, ungleich ihren nächsten Verwandten, nämlich den Costiden, nie die geschützten
Tiefen aufsuchen, so liegt der Nutzen einer Massenproduktion von Larven durch Dissogonie auf der
Hand. Es fragt sich nur, welche Einflüsse die Geschlechtsreife der Larven bedingen und auf welche
Weise im Laufe der Zeit eine Dissogonie zu Stande kam.
Zur Erklärung dieser Erscheinung möchte ich zwei Thatsachen anführen, die immerhin eine
gewisse Direktive abgeben. Zunächst ist zu bemerken, dass den Cestiden eine Dissogonie
nicht zukommt. Obwohl sie ebenfalls cydippenförmige Larven besitzen, welche denen der gelappten
Ctenophoren zum Verwechseln ähnlich sehen, so war an keiner während des Sommers aus der Tiefe
geflschten Larve eine »Schwellung der Gefässe zu bemerken. Der Aufenthalt in geschützten Regionen
und vor Allem die niedrige Temperatur in der Tiefe mögen einer frülizeitigen Geschlechtsreife nicht
günstig sein. Berücksichtigt man nun andererseits den Umstand, dass geschlechtsreife Larven im Winter
nicht vorkommen, wie ich das früherhin von Eucharis nachwies, so ist klar, dass nur unter dem
Einfluss erhöhtei- Temperatur die Reife der Larven eintritt.
Es ist ja eine alte Erfahrung, dass erhöhte TemjK'ratur eine frülie Reifung der .Sexualorgane
begünstigt und speziell von Cölenteraten wird vielfach betont , dass z. B. Medusen geschlechtsreif
angetroff"en werden, während sie noch die Zald der Radialkanäle, Randbläschen und Tentakel vermehren.
Ich könnte auch von anderen Cölenteraten derartige Beispiele anführen. .So trifi't man ganz junge Beroen
geschlechtsreif neben alten Exemplaren von mehr als zwanzigfacher Grösse, so werden unter den .Sipho-
nophoren reife Geschlechtsprodukte gebildet, während sie noch larvale Fangfäden neben den definitiven
tragen. (Jugendstadicm der Forsknlia contorta und des Halisfemmd ^^'ctwn). Ich besitze jugendliche
Formen der Physalia mit kirschkerngrosser Pneumatophore, welche männliche Gonophoren mit reifen .Sper-
matozoen aufweisen — aber in all den hier erwähnten Fällen handelt es sich um frühe Geschlechtsreife,
die erst nach Ablauf der Metamorphose oder während der letzten Larvenstadien aiiftritt, ähnlich der
Geschlechtsreife von Tritmien mit äusseren Kiemen.
Bei den gelappten Cten(.)j)horen handelt es sich jedoch um eine bis zum Extrem gediehene früh-
zeitige Geschlechtsreife, die gleich nach dem Verlassen der Eihülle vor Beginn einer Metamor-
phose eintritt. Kaum ist die Larve im Stande Nahrung selbständig aufzunehmen, so beginnen auch die
vier zu Zwitterdrüsen umgewandelten Gefässe mächtig zu schwellen. Man könnte sich nun vorstellen, dass
die Ansprüche, welche durch eine tiefgreifende Metamorphose gestellt werden, die Rückbildung der Sexual-
organe bei älteren Larven bedingen. Allein dann w-äre zu erwarten, (hiss Larven, welche reichlich
Nahrung aufzunehmen vermögen — meist ist sie ihnen ja üljerreich dureh die Copepodenschwärme
C. Chun, Die pelagische Thierwelt. 9
i3 66 ES
geboten — aiieli bis zur Vollemlung der Metaniorjihose gesclileclitUeb thäti^' blieben ; ein Fall, der nie
eintritt. Wenn wir nun nicht allzuweit mit liypotlietisclu'ii Elrklärun.t;sversuelien ausholen wollen und
etwa annehmen müciiten, dass eine pliyletische Reminiscenz vorliegt, insofern ja die Larven der gekippten
Ctenophoren die Körpergestaltuug der Mertensien reeaintuliren , so glaube; ich , dass auch schon die
Existenzbedingungen hinreichend eine Dissogonie verständlich crselicinen lassen. Superficiale pela-
gisch e Thiere, welche zu den zartesten prlagischen Formen gehören und nicht die
geschützten Tiefen aufsuchen, erlangten im Intc-resse der Erhaltung der Art untt'r
dem Einflüsse der erhiihtt'U Teni ji era t iir die Fähigkeit, durch eine Dissogonie eine
e r s ta un lieh e Ver nu'h run u' einzuleiten.
Druck von Gebrüder Gotthelt't in Cas.sel.
liilia Its vei'zeichnis
Seite
Einleitung- ...................... 1
I. Methode de.s pelagisclieu Fi.seheus in grüsseren Meerestiefen .......... S
II. Specieller Tlieil ................... 7
I. ßadiolaria ........... ...... 7
II. Coelenterata . . . . . • . . . . . . . . . . . 12
■Siplionophorae ................. 12
Ctenophorae .................. 17
III. Echinodeimata .................. 17
IV. Vermes ................... 17
Tomopteriden ................. 18
Eibildimg bei Tomopteriden .............. 21
Alriopidae .................. 24
V. Crustacea ................... 2.5
Cirripedia, Copepoda ................ 25
O-straeoda, Ampbipoda Hyperina .............. 28
Schizopoda .................. 29
Decapoda .................. 33
VI. Mollusca 35
Pteropoda, Heteropoda ................ 35
Cepbalopoda ................... 36
Vil. Tunieata 37
Appendicularia ..... ............ 37
Pyrosomata, Salpae, Doliolidae .............. 42
VIII. Pisees ' 43
III. Allgemeiner Tlieil 44
I. Ueber die vertikale Verbreitung der pelagischen F.<iuua .......... 44
Befunde de.s „Chaüenger" ............... 45
Befunde des „Vettor Pisani" ............... 4(>
Temperatur des Mittelmeeres , , ............ 47
Eigene Befunde ................. 48
Ernährung der Grundthiere ............... 49
II. Ueber das periodisehe Auf- und Absteigen pelagischer Thiere ........ 50
Verschwinden pelagischer Thiere während des Sommers ......... 50
Ursachen der periodischen Wanderungen ............. 52
Einfluss der Temperatur ............... 54
III. Die pelagisehe Tiet'eutauiiii und ihre Existenzbedingun<ren
Pelagisclie Tiefset'tliiere ........
Existeozbediuguiigeu derselben .......
Ernährung derselben .........
Experimente über das Vordringen des Lichtes in die Jleerestiefen
IV. Die constante pelagische Oberfläehenfanna .....
Pelagische Obertiächenthiere .......
V. Dissogonie der gelappten Ctenophoren ......
Dissogonie von Bolina hydatina .......
Einflnss der Temperatur auf Dissogonie .....
Seite
55
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61
62
6.3
65
Tafel-Erklärung-en.
Tafel I.
Fig. 1 — 3. V. Petersen's Schliessnetz (vide p. 4).
Fig. 4 — 6. V. Petersen's photographischer Apparat zur [Messung der Liclitiutensität iii grösseren
Tiefen (vide p. 58).
Tafel II.
Fig. 1 u. 2. Larve des Hippopodim Intens Q. et G. aus 1200 M. Tiefe fvor Ponza)
Fig. 1 von der Seite, Fig. 2 von unten gesehen, (nat. Gr. 7 nnn.j
V. Scheide,
v' ^lündung derselben,
s. Saftbehälter.
f. Fangfaden.
c. Knospe der ersten detiuitiven Glocke.
Fig. 'd. Umbrella und Knospeugruppen einer älteren Larve.
c' Anlage der ersten definitiven Schwimmglocke,
c^ Anlage der zweiten definitiven Schwimmglocke,
p' erster, p^ zweiter, p'* dritter Magen poIyp,
u. Subunibrella,
V. Scheide,
w. Ektodermwulst des Polypen.
Fig. 4. Larve der Pliysopliora hydrostatica aus 800 ]\L (p. 15.)
a. Taster,
a' Knospenanlagen derselben,
c^ junge Schwimmglocken,
f. Fangfäden der Taster,
p. Polyp,
t. aufgetriebenes iinteres Ende des Stammes.
Fig. 5 — 7. Zur Dissogonic der Bolina liydatina Clnm. (p. 62 — 66.)
Fiji'. 5. .Txingc geschleclitsvcife Larve von 2 Tagen vom Siiinespol aus gesehen. Zeiss A. 1.
Fig. 6. Aeltere geschlechtsreife Lan^c v(in der Magenebene aus. Zeiss A. 1.
Fig. 7. Larve mit naliezu völlig rückgeliildctcn Gesclileelitsorganen. Louijenvergr.
Fig. 8. Junge Bolina, die aus einer gesehleclitsreifen Larve gezüchtet wurde. Nat. Gr.
Tafel in.
Tomopteriden der Tief.see. (p. 18—24.)
(Nach Chromosmiumpräparaten gez.)
Fig. 1 — ;5 Tomopteris euchaefa Ch.
Fig. L Weibliches Exemphir von der Bauciiseite gesehen. Loupcnvergr.
ov. Ova;'ien.
Fig. 2. Koijf V. T. evckaeta. Zeiss A. 1.
gr. Kopfgrube,
niu' — niu'' MuskeHamellen,
0. Mund,
]jh. Pharynx,
V. Scheide der grossen Borsten.
Fig. 3. Mediauschnitt durch den Kopf. Ziiss A. 2
ep. Epitlielhnnelle der Leibeshohki.
1. Leibeshöhle,
g. Gehirn,
n. Nerv ^-or der Kopfgrulje,
gr. Kopfgrube,
b. n. Bauchnerv,
ph. Pharynx,
nie. Mesenterien des Darmes,
niu. Muskelhimelle.
Fig. 4. Tomopteris elegans ^ Ch. Vordei'es Körperende.
c' kleine Fiihlercirren,
c^ grosse Fiihlercirren,
g. Gehirn,
w. Geruchspiatten (Wimperepauletten),
ph. Pharynx,
ov. Ovarium.
Fig. 5—9. Eibildung der Tomopteriden.
Fig. .''). Ovarium von Tomopteris elegans mit 5 Keimfächeru. Zeiss E. 1.
Fig. G. Ovarium von Tomopteris euchaeta mit 18 Keimfächern. Zeiss C. 2.
Fig. 7- — 9. P^reie Eier von verschiedener Grösse v. T. euchaeta. Zeiss C. 2.
Tafel IV.
Pela.üisc'lic S c li i zu p o de ii und Dceapodcii der Ticfseo.
Fig. 1. Stylocheiron mastigopliornni ^ Ch. (pag. 30.) (iiat. Gr. 6 — 10 nnii.)
1—8 Bi-ustfüss(>.
Fig la. Greifliand des dritten Fiisspaarcs. abd. Abduetor. add. Adduetor.
Fig. 2 u. 3. Ardchnomijsis Leuckartii ^ Ch. (pag. 32.) (uat. Gr. 8 nun.)
Fig. 2. Männchen von der Bauchseite.
Fig. 3. Dasselbe von der Seite.
p^ Zweites Paar von Kiefertusseu,
j)' letztes Paar der Brustfüsse,
t. Begattungsanhang an denselben.
Fig. 3a. Telson und Uropoden mit Otolithenbläscheu.
Fig. 4 u. 5. iSergestes viagnißciis Ch. (pag. 33.)
Fig. 4. Weibchen vom Rücken ^/i.
Fig. 5. Mänuehcai von der Seite ^/i.
at^ Antennulae,
at^ hintere Antennen,
sq. vSchuppe derselben,
II, III zweites und drittes Kieferfusspaar,
1 — 5. Thoracalt'üsse.
a^ erstes Abdominalfusspaar mit Begattuugsanhang.
Fig. öa. Basaltheil der Geisselanhänge an den Antennulae des Männchens. Zeiss A. 1
fl. e. Aeusserer, fl. i. innerer Ast des Flagellums,
h. Hamulus.
Fig. 6. Ulkrsin clavigera. Ch. (pag. 34.) fnat. Gr. 10 mm.)
Tafel V.
A p p e n d i c u 1 a r i e n u ii d C e p h a 1 o p o d e n der T i e t' s e e
(N.ich Sublimnt- und Chromosmiumpräp.'irateu.)
0. MundüfFnung,
1. Lippen derselben,
ph. Pharyngealhöhle,
sp. Spiracula,
sp' innere OefFnung derselben,
s. Sinneszellen am Rande der vSpiracula,
ve. Gallertsegel,
e. Endostvl.
f. Ränder der Falten.
Ü. Flimmerbögen.
gl. Drüsen,
oe. Oesophagus.
V. Magen,
h. Leber,
d. h. Lebergang,
p. Pylorus.
i. Dann,
r. Rektum,
a. After.
g. c. Gehirn,
ot. Otolithenbläschen,
olf. Geruchsgrube,
n. Hauptnerv,
n' Kiemennerven,
n" Nerv des Mundrandes,
g* .Schwanzganglien,
n. c. Sclnvanznerv,
mu Muskulatur,
c Leibeshöhle,
ch Chorda,
ov. Ovarium,
t. Hoden,
Steyosoma pellucidum Gh., von der linken Seite. Zeiss A. L (pag. 37.)
Stegosoma pellucidum, völlig geschlechtsreifes Thier mit rückgebildetem Vorderkörper.
Zeiss A. L
Stelle, an der wahrscheinlich die Gcschlechtsprodukte entleert werden.
-7. Megalocercus ahyssorum Ch. (pag. 40.)
Fig. 3. Grösstes Exemplar von der Rückseite ^/i.
Fig. 3 a. Natürliche Grösse.
Fig. 4. Dasselbe von der rechten Seite ^■'/i.
y Flinunerzellen am vorderen Rande des Spiracuhun.
Fig. 5. Kleinstes Exemplar von der buken Seite.
Fig. 6. Mittleres Exemplar von der rechten Seite.
Fig. 7. Färbung der Eingeweide bei den kleinsten Exe)n|ilaren.
Fig. 8. Decapode aus 900 M. Tiefe (Iselüa). «/i.
Fig.
L
Fig.
2.
X,
Fig.
3-
r. l'liiin. IVlafiischi' Thinrwclt
Tai'. 1^
('. Cliiiii. l'('lai|isili<' ThiiTWclt.
T.iril.
Arlul Ailjlv Th flactiK. (niHl
fig, 1-3. Larvp des Hippnpoiiius luleus. Fig. 4. Larve von Pliysophnra hydroslalica. Fiij. 5-7. (lesohlechtsrelfe Larven von Bolina hydatiiia. Fi(]. S. Biilina hydatma juv.
rCliiiii. l'cl.Hilsilic TliiiTWcll
Tai; III.
pk
Fi(|. l-ii, li-!l Tomiipli'ris ciichapta 9 >i- sp f'iij 1. .'). Ti)m(i|)l("ris olpqans { 11. sp.
r. Cliiin. IVI.ii|isilii' TliMM-wcll
Taf.IV
Fi(|, I. Slvloiiieiriiii iiiiisliiiiipliiirura ii sp J'iij 'i'.'t Ai'iHiiiiiiiiiy.si.s l,i'ii(i<;iilii ii i| Fii| l-'i Spri|i'sli's iiiiH|iiirii'ii,s n s|i Tii| (i Miitski rliiviiiorn ii.sp
(' (liiiii, relii;|isihi' Thjcrwelt.
T^il'V
AtihIAhiii Tk FiifJicf
Fiq 1,2 Stegosoma pellutiduin n-ä- '"I ■' ' Megalorcrciis abyssnrurii ii y.
BIBLIOTHECA ZOOLOGIC&.
Original -Abhandlungen
aus
dem Gesammtgebiete der Zoologie.
Herausgegeben
von
Dr. Rud. Leuckart Dr. Carl Chun
in Leipzig. mul iu Königsberg.
Hell 2.
Untersuchungen über den Bau und die Entwickehuig des Kübennematoden Heterodera Schachtii Öchmdt
von Dr. Adolf Strubell aus Frankfurt a. M. — Mit 2 Tafeb.
C A S S E L.
Verlag von Theodor Fischer.
1888.
UNTERSUCHUNGEN
ÜBER
DEN BAU UND DIE ENTWICKLUNG
DES
RÜBENNEMATODEN
HETERODERA SCHACHTII SCÜMDT.
VON
Dr. ADOLF STRUBELL
AUS
FRANKFUßT A. M.
C A S S E L.
VERLAG VON THEODOR FISCHER.
1888.
lEOEI LIEBEI ELTEEIf
IN DANKBARKEIT
GEWIDMET.
Unter den zahlreichen thierischen Schmarotzern, welche unsere Culturgewächse in mehr oder
minder verderblicher Weise heimsuchen, hat in den letzten Dezennien ein kleiner unscheinbarer Nematode
die allgemeine Aufmerksamkeit durch den grossen Schaden, den er der Rübenkultur und damit auch der
gesammten Zuckerindustrie zufügt, in ganz besonderem Maasse auf sich gelenkt.
Den Anguilluliden zugehörig mid unter diesen den Tylenchen am nächsten verwandt, bohrt sich
dieser Wurm vermittelst eines beträchtlich ausgebildeten Stachels bereits frühe, im Larvenstadium , in die
Wurzelfasern der Rübe ein imd bewegt sich dort mit ziemlicher Lebhaftigkeit im Pareuchym umher, bis
er an geeigneter Stelle zm- Ruhe kommt, um nun unter einer Metamorphose, die beim Männchen sehr
eigenthümlich verläuft, sich zu Geschlechtsthiereu von ganz heterogener Gestalt zu verwandeln.
Bei der massenhaften Einwanderung des Wui-mes, wodm-ch das Zellgewebe zerstört wird, und bei
der fortwährenden Saftentziehung durch die reichliche Nahrungsaufnahme ist es natürlich, dass sich sehr
bald die schädlichen Wirkungen in einem krankhaften Aussehen der PÜanze zu erkennen geben. Die Blätter
verlieren ihr frisches Grün, werden matt imd vergilben, um zum Theil zu Grunde zu gehen, zum Theil
später wieder zu ergrünen, die Wurzel zeigt ein nur geringes Wachsthum und schrumpft oft, der Zucker-
gehalt nimmt bedeutend ab, kurz es treten Erscheinungen auf, die den Landwirth zu einer Zeit, wo man
von der Existenz dieses gefährlichen Parasiten noch nichts wusste, zu der Meinung veranlassen konnten,
diiss die beträchtlichen Verluste und Missernten vor allem einer Erschöpfung des Bodens an Nähi-stolfen
zuzuschreiben seien. Diese Anschauimg, scheinbar gestützt diarch Raubbau, den man damals infolge der
sich immer steigernden Fabrikbedürfnisse beti-eiben musste, verlor jedoch mit der Entdeckung unseres
Nematoden sehr rasch ihre Geltung, so dass jetzt, nachdem Kühn auf Grund mühsamer Experimente das
winzige Wüi-mchen als vorzugsweisen Urheber der „Rübenmüdigkeit" erkannt und erklärt hat, jeder Zweifel
über die wahre Natur des Uebels ein für allemal beseitigt ist.
Angesichts dieser grossen Verheerungen, die naturgemäss bei der früheren mangelnden Einsicht in
das Wesen der Kranhheit ausserordentlich stark zunahmen, kann es uns kaum Wunder nehmen, wenn der
rüljenbauende Landwirth heutzutage diesem verderblichen Feinde das lebhafteste Interesse entgegenbringt
und Mittel und Wege sucht, sich seiner zu entledigen. Auffallen muss es uns dagegen umsomehr, dass
von Seiten der Zoologen einem Parasiten , dessen vielfache Eigenthümlichkeiten schon zu einer näheren
-D«g 8 @x:-
Untersuehung auffordern, und der dabei noch eine so hohe praktisehe Bedeutung besitzt, die gebührende
Beachtung bisher fast völlig versagt wm-de; denn ausser einigen kurzen Mittheilungen, begleitet von unge-
nügenden Abbildungen besitzen wir, wie der historische Ueberblick darthut, keine weitere Nachricht.
Dui'ch diese Thatsache veranlasst, hat die hohe philosophische Fakultät der Universität Leipzig die
Darstellung des Baues und der Entwicklung der als Rübenneraatode bekannten Heterodera Schachtii als
zoologische Preisaufgabe für das Jahr 1886 gestellt.
Ich habe es versucht in der nachfolgenden Abhandlung dieser Aufgabe gerecht zu werden, indem
ich mich nach BJräften bemühte, die mannigfachen Lücken auszufüllen, das Bekannte zu erweitern und Neues
hinzuzufilgen , um auf diese Weise ein eingehsnderes und vollständigeres Bild des Baues und der Lebens-
geschichte von Heterodera Schachtii entrollen zu können, als es von meinen Vorgängern geschehen ist.
Vor allem habe ich es mir dabei angelegen sein lassen, den biologischen Verhältnissen unseres Schmarotzers
meine volle Aufmerksamkeit zu widmen. Stets wies ich da, wo es sich erheischte, auf die engen Bezieh-
ungen zwischen Form und t\inktion der Organe hin und hob den Einfluss hervor, den die Existenzbe-
dingungen auf die Bauweise besitzen. Zeigt doch auch gerade dieser unscheinbare Wurm, gleich allen
Parasiten in ihren verschiedenen Abstufungen, wie unzureichend gar oft eine rein morphologische Betrach-
tung, wie wesentlich hingegen die stete Berücksichtigung der Lebensweise für das Verständniss der thierischen
Organismen ist.
Die Abhandlung gliedert sich in mehrere Abschnitte, deren Folge sich von selbst ergiebt. In den
ersten derselben soll neben einer historischen Uebersicht die Beschreibung der Untersuchungsmethode ihren
Platz finden, während in den anderen der Bau der Geschlechtsthiere, die embryonale Entwicklung und die
Metamorphose geschildert werden wird.
Bevor ich jedoch dazu übergehe, kann ich es nicht unterlassen, meinem hochgeehrten und geliebten
Lehrer Herrn Geheimrath Leuckart für sein Wohlwollen, das er mir in so reichem Masse unausgesetzt
schenkte, ebensosehr meinen tiefgefühltesten, aufrichtigsten Dank auszus2orechen , wie für die vielfachen
Rathschläge, mit denen er mich, wie innner, so auch bei diesen Untersuchungen unterstützte.
Historische Uebersicht.
Die ei'ste Kunde, die wir über den Rübennematoden erhielten, kam von Hermann Schachtes), dem
rühmlichst bekannten Bonner Botaniker. Beschäftigt mit eingehendei-en Studien über die Zuckerrübe,
widmete er auch den Feinden derselben seine besondere Aufmei-ksamkeit und fand dabei im Jahre 1.S59
„kleine weisse Pünktchen", wie er sich ausdrückt, von der Grösse eines Stecknadelkopfes, die den Seiten-
wurzeln in zalilreicher Menge anhafteten. Durch die rundliche Form derselben veranlasst, hielt er diese
Gebilde anfangs bei oberflächlicher Betrachtung für milbenartige Wesen, jedoch eine nähere mikroskopische
Untersuchung überzeugte ihn sehr bald von seinem Irrthume. Die Körnchen hatten danach die Gestalt eines
„häutigen Sackes", der an beiden Enden spitz zulief, und bargen in ihrem Innern zahllose, „vielleicht über
Tausend" Eier, die theils noch in Furchung begriffen waren, theils auch schon einen Embryo einschlössen.
Diese Embryonen nun waren es, welche Schacht auf den Weg zu einer richtigen Deutung leiteten; denn
ihr ganzes Aussehen Hess ihm keinen Zweifel, dass er es in ihnen mit Würmern, echten Nematoden, zu
thun habe, und der unförmige Sack nichts weiter darstelle, als das trächtige, allerdings höchst sonderbar
gestaltete Weibchen. Die beiden Helminthologen Lieberkühn und G. Wagener, an welche einige Exemplare
gesandt worden waren, bestätigten nicht nur die Diagnose, sondern sahen in diesem Nematoden auch noch
eine neu^e, bisher unbekannte Art.
Auf diese erste Mittheilung, die nur ganz kui-z gehalten ist, aber durch die darin niedergelegte
Entdeckung des gefährlichen Parasiten von grosser Wichtigkeit war, folgten in dem gleichen Jahr noch
einige kleine Bemerkungen ül)er dessen Vorkommen auf Feldern von Stassforth, im Oderbruche und in
Schlesien. Erst drei Jahre später beschenkte uns Schacht ^8) mit einer zweiten ausführlicheren Nachricht,
die imsere zoologische Kenntniss über diesen Wurm etwas erweiterte. Neben dem Weibchen, mit dem er
uns bereits früher bekannt gemacht hatte, war es ihm geglückt, auch inzwischen das ausgebildete Männchen
zu beobachten. Seine Zugehörigkeit zu den Rübennematoden schloss er ohne Mühe aus der grossen Aehn-
lichkeit mit den Embryonen. Er fand dasselbe gleichfalls in der Erde neben den Seitenwurzeln und schildert
es als ein kleines mikroskopisches Würmchen mit cylindrischem Leib, mit einem kegelfih'migen Aufsatz am
Vorderende, einem grossen Stachel, mit Darm, Zeugungsorganen und einem „gespaltenen Penis" am Hinter-
theil. Auch das Weibchen würdigt er dabei noch einer Betrachtung, doch beschränken sich hier seine An-
gaben nur auf verschiedene Maasse imd den Nachweis einer dem hinteren Ende anklebenden schleimigen
Substanz, in welcher sich häutig zahlreiche Eier in verschiedenen Entwicklungsstadien finden sollten. Die
innere Organisation, die sich weit schwieriger feststellen lässt, blieb ihm schon wegen der Opacität des
Weibchens völlig verborgen.
Obwohl nun einzelne intelligente Landwirthe die Tragweite der Schacht'schen Entdeckung gar bald
erkannten und manche praktische Winke, wie die Warnimg vor Benutzung der Rübenabfälle bei der Düngung
der Felder, zu verwerthen suchten, zeigte sich doch die Mehrzahl der Rübenbauer dem Hinweise dieses
Forschers wenig zugänglich , und ebenso gerieth der Nematode nach dem Ableben des Entdeckers in
wissenschaftlicher Beziehung fast ganz in Vergessenheit.
Denn ein Jahrzehnt musste vergehen, bis Archidiakonus Schmidt 3») in Aschex-sleben die Unter-
suchungen von Neuem aufnahm. Wenn auch bei den Beobachtungen dieses Mannes vielerlei Irrthümer mit
unterliefen, die in seinem Dilettantismus leicht eine Entschuldigung finden, so können seine Bemühungen
um die Aufklärung der Lebensgeschichte unseres Nematoden immerhin mit Recht Beachtiuig beanspruchen.
Auf das sogen. Kopffutteral, das Schmidt als ein charakteristisches Merkmal des Weibchens be-
schreibt, auf die subkrystallinische Kruste, die er flu- ein Exsudat des Thieres zu halten scheint, wie auf
die von ihm mitgetheilten anatomischen Details werden wir später bei Darlegimg imserer eigenen Befunde
zurückkommen. An dieser Stelle sei vor allen Dingen das Verdienst erwähnt, welches sich Schmidt durch
die Einreihung des Nematoden in das System erworben hat, indem er im Hinblick auf die verschiedene
Gestalt der Geschlechtsthiere das Genus Heterodera schuf und für unseren Wurm Schacht's Namen als
Speziesbezeichnung beifügte. Ebenso muss auch hier Schmidt's Entdeckimg eines höchst merkwürdigen
2
-CK<5) 10 @«—
Stadiums des Männchens hervorgehoben werden. Er beschreibt dasselbe ziemlich genau als einen häutigen,
glatten Schlauch, in dessen Innerm der männliche Wurm, wie der Embryo in der Eischale, mehrfach auf-
gewunden liegt. Das Wesen dieser Hülle hatte er verkannt; denn obwohl ihm die Aehnlichkeit bezüglich
ihrer Form mit dem äusseren Habitus des Weibchens auftiel, glaubte er doch in diesem Gebilde ein Analogon
jener bei parasitären Nematoden oft vorkommenden Cysten vor sich zu haben.
Leuckart^ä), der kurz darauf in seinem bekannten Jahresbericht den Abhandlungen Schmidt's eine
Besprechung widmete, konnte dieser Auffassung nicht beistimmen, sondern gab, gestützt auf direkte Be-
obachtungen und seine reichen helminthologischen Erfahrungen, der Vermuthung Raum, dass die vermeintliche
Cyste nichts anderes als die alte, nicht abgestossene Larvenhaut sei — eine Deutung, deren Richtigkeit ich
nach meinen Befunden völlig bestätigen kann. Auch noch einzelne weitere fehlerhafte Angaben Schmidt's
erfuhren durch denselben eine Verbesserung. So wurde die wahre Lage von Bauch und Rücken des Weib-
chens von Leuckart festgestellt und ebenso die der Vulva genauer bezeichnet.
Von da ab vergeht abermals eine geraume Zeit, ohne dass die Kenntnisse über Heterodera gefördert
worden wären. Denn der blosse Hinweis auf unseren Nematoden in Schneider's Monographie und dessen
ganz kurze Erwähnung durch Bütschli, der sich dui-ch Beobachtungen Steins in Frankfurt a. M. zu der
Meinung veranlasst sieht, dass das von jenem auch aufgefundene „Cystenstadium" vielleicht ein neuer Fall
von Parasitismus des Männchens innerhalb des Weibchens sein könnte, bedürfen wohl kaum einer ein-
gehenderen Berücksichtigung.
Erst durch Kühn ^^), den ausgezeichneten Hallenser Gelehrten, erfahren wir wieder mehr, wenn auch
nur in einer gedrängten Uebersicht, die er seinem Buche „Ueber die Ermittelung der Ursache der Rüben-
müdigkeit" einfügte. In dieser für die ökonomische Praxis so wichtigen Abhandlung beseitigt derselbe nicht
nur alle Bedenken über die Schädigungen des Nematoden, sondern er giebt dem Landwirthe auch Älittel
zur Vertilgung an die Hand, von denen die Verwerthung von sogen. Fangpflanzen sich am meisten bewährt
haben soll. Kühn scheint bei seinen langjährigen Versuchen die Lebensgeschichte von Heterodera ziemlich
genau bekannt geworden zu sein, und wir müssen deshalb um so mehr bedauern, dass gerade die dies-
bezügliche Mittheihmg einen so aphoristischen Charakter trägt. Seiner Anschauung, dass der Rübennematode
sich ausschliesslich im Innern der Wurzel als echter Entoparasit entwickele, vermag ich nicht völlig bei-
zupflichten, da ich auch öfter Thiere fand, die äusserlich festhaftend, nur mit dem Kopfende in die Wurzel
eingesenkt, ihre Metamorphose als Ektoparasiten durchmachten.
Mit diesem Berichte Kühn's haben wir alle uns näher berührenden Angaben über Heterodera Schachtii
angeführt, und wir könnten somit den historischen Ueberblick abschliessen, wenn nicht in allerletzter Zeit
eine Abhandlung über eine zweite Heteroderaart veröff'entlicht worden wäre, die eine Beachtung verdient.
Es ist dies die Dissertation von H. Müller ^i) „Ueber neue Helminthocecidien". Der Verfasser, der seine
Aufmerksamkeit längere Zeit speziell den Pflanzengallen und deren Erzeugern zugewandt hatte, fand im
Innern einer solchen Wurzelanschwellung von Dodartia, später auch an einer Clematisspezies, an Musa dacca
und rosacea und an Mulgidium macrophyllum eine Heteroderaart, die er Heterodera radicicola benennt
und die der unserigen sehr ähnhch ist. Wie er wohl mit Recht vermuthet, hatte bereits GreefF i*) früher
dasselbe Thier vor Augen, ohne sein Wesen zu erkennen. Auch die Gallenhelminthen, über die uns Licopoli,
Cornu und Jobert Nachricht gaben, scheinen mit dieser Form identisch zu sein. Von dem Rübennematoden
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weicht dieselbe dadurcli ab, dass das Hinterende des Weibchens mehr abgerundet erscheint, der Stachel
etwas verschieden gebaut ist, und der hintere Theil der Larvenhülle beim Männchen spitz zuläuft. JlüUer
schildert uns sehr eingehend die durch den Parasiten bewirkten Deformitäten an der Wurzel, widmet
aber auch ein Kapitel der zoologischen Betrachtung des Gallenerzeugers. Auf diese letzteren Mittheihmgen
jedoch liier näher einzugehen, halte ich nicht für geboten, da ich bei der Beschreibung meiner Resultate
Gelegenheit haben werde, öfter darauf zurückzukommen. Immerhin sei bemerkt, dass es ihm gelang, sowohl
Männchen wie Weibchen in verschiedenen Stadien zu beobachten und so einen Einblick in die Lebens-
geschichte zu erhalten. In der Deutung seiner anatomischen Befunde war er freilich weniger glücklich,
trotzdem aber ist seine Arbeit unter den wenigen, die wir über unser Nematodengeschlecht besitzen, sicher-
lich die vollständigste.
Schliesslich sei hier auch noch einer jüngst publizierten Mittheihuig Treub's '*) gedacht, die mir
allerdings nur in der Form eines Referates aus dem „Naturforscher" bekannt wurde. Darnach entdeckte
Treub auf den ausgedehnten Zuckerplantagen Java's an den Wurzeln des Zuckerrohres einen kleinen schma-
rotzenden Nematoden, den er zum Genus Heterodera zu stellen sich veranlasst sieht und H. javanica be-
nennt. Angaben über Bau und Lebensweise des Parasiten fehlen in dieser ktirzen Notiz. Was wir daraus
erfahren ist die allerdings bemerkenswerthe Thatsache, dass derselbe bedeutende pathologische Verände-
rungen des Wurzelgewebes hervorzubringen vermag, die sich in einer gewaltigen Anschwellung der Paren-
chynizellen zu erkennen geben. Bei dem Mangel jedweden zoologischen Details wage ich es nicht, mich
darüber auszulassen, welcher der beiden bekannten Arten die neue Spezies am nächsten steht. Möglich,
dass der Wvirm als Gallenerzeuger in seinem Habitus mehr Anklänge an H. radicicola zeigt, vielleicht auch,
dass er sich enger an H. Schachtii anschliesst, ja sogar mit einer derselben identisch ist.*) Jedenfalls sind
die Verheerungen des Parasiten, soweit wir dies aus den journalistischen Berichten scbliessen können, nicht
weniger gross, als die unseres Rübennematoden.
Methode der Untersuchung.
Gemäss meiner Aufgabe, den Bau wie die Entwicklung von Heterodera Schachtii eingehender zu
ermitteln, mu^sste ich es mir vor allem angelegen sein lassen, mii" nicht nur eme grosse Anzahl von Indi-
viduen, sondern auch möglichst alle Entwickelungsstadien zu verschaffen. Da jedoch erst im Sommer das
nöthige Material von den Rübenfeldern zu gewinnen ist, ich aber bei der Kürze der Zeit schon im Winter
♦) Die Unterschiede, die speziell zwischen H. Schachtii und H. radicicola bestehen, sind, wenn wir Müller's nicht immer
sehr prägnanter Beschreibung vertrauen dürfen, so gering, dass ich mich nicht der Verniuthung zu entschlagen vermag, es
könnten vielleicht beide eine und dieselbe Art sein. Dass die eine Gallen erzeugt, die andere nicht, scheint mir bei einer Diagnose
nicht allzusehr in's Gewicht zu fallen, da das Auftreten solcher Nodositäten doch hauptsächlich von der relativ verschiedenen
Reizbarkeit des Wurzelgewebes verschiedener Pflanzen bedingt wird. In meiner Meinung bestärken mich noch die neuen inte-
ressanten Untersuchungen von Ritzema Bos in Wageningen (Biolog. Centralblatt Bd. VTI.), der auf Grund eingehender Vorgleiche
und Experimente die als devastatrix, allii, hyacinthi, Havensteinii, Askenasyi beschriebenen Tylenchen zu einer einzigen Art vereinigt.
2*
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zur Aufnahme meiner Untersuchungen gezwungen war, griff ich zu Zuchtversuchen und benutzte zu diesem
Zwecke die bereits von Kühn zur Auffindung der sogen. Fangpflanzen angewandte Methode. Durch die
Freundlichkeit des Herrn Greheimrath Kühn, dem ich an dieser Stelle meinen besten Dank dafür sage,*)
erhielt ich, nachdem der langandauenide Frost nachgelassen hatte, ein Quantum infizierter Erde aus den
Hallenser Versuchsgärten, deren oberfl<ächliche Untersuchung schon das Vorhandensein einer reichlichen
Menge überwinternder Weibchen mit lebenskräftigen Embryonen ergab. Diese Erde wurde theils in Blumen-
töpfe, theils in Holzkästen mit durchlöchertem Boden vertheilt und darauf sowohl mit Rübenkernen als
auch mit Samen von Brassica Rapa oleifera und Lepidium sativum besät. Der Same ging bald auf, und
die jungen Pflänzchen trieben bei gehöriger Wärme und Feuchtigkeit — die meisten Zuchttöpfe wurden
in einem Mistbeet untergebracht — rasch Wurzeln. Schon nach vier Wochen, gegen Mitte April, war ich
in der Lage, eine Infektion konstatieren zu kömien, so dass ich nun nach und nach in den Besitz eines
vorläufig genügenden Materials gelangte.
Um der Thiere, die alle mit Ausnahme des ü-ächtigen Weibchens von mikroskopischer Grösse sind,
habhaft zu werden, schnitt ich einzelne Partieen von Wurzelfasern weg und schwemmte dieselben ab, worauf
ich sie einer Untersuchung mit der Lupe oder einar schwachen mikroskopischen Vergrösserung unterwarf.
Die jugendlichen Weibchen, die noch nicht durch ihre Turgescenz die Wurzelepidermis gesprengt haben,
muss man ebenso , wie die Larvenstadien des Männchens , mit Nadeln aus der Rinde herauspräparieren,
was sich bei einiger Geschicklichkeit unschwer bewerkstelligen lässt. Die freilebenden Larven fand ich
zumeist in genügender Menge in der den Wurzelfasern anhaftenden Erde. Behufs Erlangung derselben
breitete ich die Erde unter Wasserzusatz auf einer Glastafel aus, suchte die Larven zwischen den Partikelchen
heraus und übertrug sie mit einem feinen Pinsel auf einen Objektträger zur weiteren Beobachtung.
Bereits bei geringer Vergrösserung lassen sich die jungen, geschlechtslosen Würmchen durch ihre ziemlich
trägen Bewegungen von den sehr häufig neben denselben vorkommenden, äusserst agilen Rhabditisformen
unterscheiden.
Bei der Kleinheit der Objekte und ihrer Resistenzfähigkeit gegen Reagentien, die allen Nematoden
eigen ist, war ich hauptsächlich darauf angewiesen, meine Beobachtungen am lebenden Thier anzustellen.
Als Untersuchimgsflüssigkeit verwerthete ich dabei eine halbprocentige Kochsalzlösung oder Hühnereiweiss.
Um die oft störenden Bewegungen etwas aufzuheben, wurde ein gelindes Erwärmen über der Alkoholflamme
benutzt, was stets, ohne die Thiere zu tödten, eine Streckung derselben zur Folge hatte. — Während diese
Methode bei den durchsichtigen Männchen gute Dienste leistete, konnte sie bei der Untersuchung der völlig
opaken Weibchen nur wenig zur Anwendung kommen. Hier war es nöthig Quetsch- und Zerzupfungs-
präparate herzustellen und, wo diese nicht ausreichten. Schnitte anzufertigen. Warmes Wasser oder warme
Chrom-Pikiinschwefelsäure, welche ich anfänglich zur Conservierung der Weibchen benutzte, erwiesen sich
als nicht brauchbar, weshalb ich zu warmem Sublimat griff, das als das geeignetste Härtungsmittel zu
empfehlen ist. Nach genügender Einwirkung des Sublimates wurden die Thiere weiterhin, wie üblich, in
die verschiedenen Alkohole bis zum Alkohol absolutus gebracht, vermittelst sauren Karmins und Pikro-
*) Auch allen den Herren Guts- und Fabrikbesitzern, die mich theils direkt, theils durch Vermittlung des Herrn Geheim-
rath Leuckart in liberalster Weise mit Material unterstützten, sei hiev mein Dank ausgesprochen.
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karmins gefärbt und darauf nach Einbettung in Paraffin in möglichst dünne Schnitte zerlegt. — Das
Weibchen färbt sich trotz seiner dicken Cuticula ziemlich rasch, das Männchen dagegen bedarf oft eines
Zeitraumes von mehr als drei Wochen, um sich völlig zu tingieren. — Vor der jedesmaligen Schnittfdhrung
ist es räthlich , die Schnittfläche mit einer dünnen KoUodiumschicht zu überziehen , da die innei-en Theile
des Weibchens sonst leicht auseinander fallen.
Beschreibung
des äusseren und inneren Baues der Geschleehtsthiere.
Die artenreiche Gruppe der Nematoden zeigt im allgemeinen eine so geringe Variabilität in der
Gestalt ihrer Vertreter, dass es uns schon desshalb von Interesse sein muss, in Heterodera einen Nematoden
kennen zu lernen, der einen so auffallenden geschlechtlichen Dimorphismus besitzt, wie er bis jetzt nur in
ganz seltenen Fällen bei Rimdwüi-mern gefunden wurde. Denn nicht allein, dass die beiden Geschlechter
imserer Heterodera, abgesehen von dem Bau der Sexualorgane, wesentliche Verschiedenheiten in Bezug
auf ihre Grösse aufweisen — die Differenz in ihrer Gestalt ist eine so weitgehende, dass es einem auf
diesem Gebiete selbst erfahreneu Forscher kaum möglich wäre, ohne Einblick in die Lebensgeschichte
ihre Zusammengehörigkeit zu erkennen. Hauptsächlich ist es das Weibchen, welches ein so abweichendes
Aussehen hat. Während das Männchen nämlich die Charaktere der Larve im ausgebildeten Zustande im
Grossen vmd Ganzen bewahrt, schwillt das Weibchen im Laufe seiner Entwicklung zu einem kugeligen
Gebilde an, das äusserlich in Nichts mehr Ähnlichkeit mit dem männlichen Thiere zeigt. Nur den von
Lieberkühn i^) in dem Proventrikel der Ente entdeckten Teti-ameres vermöchten wir als einziges Analogen
unsei-em Geschöpfe an die Seite zu setzen, wenn nicht in neuester Zeit Leuckart 2^) uns mit jenem noch
merkwürdigeren AUantonema bekannt gemacht hätte, das als protandrischer Hermaphi-odit in Hylobius pini
schmarotzt. Deutet bei Heterodera das abgesetzte schlanke Kopfende und bei Tetrameres auch die Schwanz-
spitze noch auf nematoide Wesen hin, so vermissen wir solcherlei Merkmale bei AUantonema vollständig.
Unter der entoparasitären Lebensweise ist hier der langgestreckte Neraatodenleib zu einem wurstförmigen
Körper geworden, der mit dem Mangel eines Darmes auch der Mund- und Afteröffnung entbehrt.
Bei dieser Verschiedenheit, die hauptsächlich den äusseren Habitus unserer Heterodera angeht, theil-
weise aber auch den inneren Bau ergreift, halte ich es für angemessen, die Organisation der Geschleehtsthiere
getrennt zu beschreiben. Organe, die histologisch und anatomisch bei Mann und Weib mit eüaander über-
einstimmen, werde ich bei Besprechung des ersteren ausführlicher darstellen und bei letzterem dann nur in
Kürze berühren.
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Die Organisation des Männchens.
Das Männchen *) von Heterodera Schachtii trägt in ausgezeichnetem Maasse alle Merkmale an sich,
die den echten Nematoden charakterisieren. Im Einklang mit einer ziemlich lebhaften Beweglichkeit besitzt
es einen langen, schlanken und cylindrischen Körper. Seine Länge variiert etwas; sie misst meist 0,8 — 0,9 mm.,
kann aber in einigen Fällen auch 1 mm. erreichen. Die Dicke ist fast überall gleichmässig und der
Querschnitt beinahe kreisförmig. Dem Vordertheile sitzt eine calottenartige Erhebung auf, die sich gegen
den übrigen Leib durch eine Ringfurche abhebt, während das Hinterende in einen zapfenförmigen, flach-
abgerundeten Fortsatz ausläuft, der seinerseits sich wieder nach vorne durch eine leichte Einbuchtung
abgrenzt. Immer ist der Schwanztheil hakenförmig nach der ventralen Seite gekrümmt. Dai-m sowohl,
wie der einfache Hodenschlauch ziehen in gerader Kichtung durch die Leibeshöhle und münden mit einem
gemeinsamen Ausführungsgange aus. In der Mundhöhle gewahrt man einen Stachel von beträchtlicher Aus-
bildung, und am hinteren Ende liegen die ansehnlichen Begattungswerkzeuge als zwei gleichgestaltete Spicula.
Unterwerfen wir die Organisation einer näheren Betrachtung, so treffen wir von aussen nach innen
fortschreitend zunächst auf das Integument, das in Form einer elastischen, resistenten Membran den ganzen
Körper überzieht. Diese Cuticula, aus einer chitinösen Substanz bestehend, ist fast farblos und vollkommen
pellucid, so dass man im Stande ist, ohne viele Schwierigkeit den Bau des Wurmes durch sie hindurch zu
überblicken. Ihre Dicke ist wenig beträchtlich, fast überall gleich stark, nur an dem abgestutzten soliden
Schwänze und da, wo sie sich au der Bildung der Kopfcalotte betheiligt, nimmt sie an Mächtigkeit zu. Bei
der Kleinheit des Thieres vermag man nicht leicht ihre Zusammensetzung zu analysieren, doch gewinnt man
bei aufmerksamem Zusehen immerhin darüber einigen Aufschluss. Was vor allem sogleich in die Augen
springt, ist die schön ausgeprägte Kingelung '^) der Cuticula, die am Vordertheile beginnt und sich bis gegen
das Hinterende verfolgen lässt, wo sie undeutlich wird und schliesslich ganz verschwindet. Vorn werden
die Ringel etwas schmächtiger, während sie sonst durchgehends dieselbe Breite von ca. 0,001 mm. beibe-
halten. Sie umgreifen die ganze Circumferenz, ohne dass sie, ausser da, wo die Seitenfelder von vorn nach
hinten ziehen, irgendwelche Unterbrechung erleiden. Ein Absetzen dieser Querbänder und ein alternierendes
Ineinandergreifen vermittelst spitzer Enden, wie dies Leuckart^") bei Ascaris lumbricoides beschreibt, konnte
ich trotz sorgfältiger auf diesen Punkt gerichteter Untersuchungen niemals bemerken. — Müller hat diese
auffallenden Querlinien auch gesehen, spricht dieselben aber als Ringmuskeln an — ein Irrthum, der einer
ausführlicheren Zurückweisung kaum bedarf.
An der Cuticula selbst nun lassen sich drei verschiedene Schichten unterscheiden, deren oberster
die eben besprochene Querstreifui:g zukommt. Ausser dieser Eigenschaft zeigt dieselbe keinerlei Struktur-
verhältnisse. Sie stellt eine dünne, homogene Membran dar, die einen etwas gelblichen Ton hat, sich mit
Carmin intensiv färbt und sich sonst noch durch ein starkes Lichtbrechungsvermögen auszeichnet. Mit der
zweiten Lage ist sie ziemlich fest verbunden ; eine Trennung der beiden habe ich vergeblich versucht. —
Die zweite Schicht überragt die erste nur unbedeutend an Dicke. In optischer Beziehung zeigt sie ein
a) Tat 1. Fig. 1.
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mehr mattes Aussehen; ebenso verhält sie sich gegen Tinktionen resistenter. Was sie vornehmlich charak-
terisiert, ist ein System von zarten Streiten, die eng zusammengedrängt in radiärer Richtung angeordnet sind.
Der dritten Lage, welche die Cuticula nach innen abschliesst, thue ich hier nur Erwähnung, ohne mich über
ihre Textur auslassen zu können. Denn obwohl gerade sie vor allen die grösste Dickenentwicklung hat,
war es mir selbst bei starker Vergrösserung unmöglich, etwas über ihren feineren Bau zu erfahren.
Manchmal gewahrte ich sehr undeutliche Linien, die einen schrägen Verlauf zu nehmen schienen und die Ver-
muthung nahelegten, dass diese Schicht vielleicht eine Fasei'ung besitze. Auch ihre Fähigkeit, sich in ihren
einzelnen Theilen verschieden zu färben, deutet auf ein nicht überall gleichartiges physikalisches Verhalten hin.
Die Cuticula stellt somit ihrem ganzen anatomischen Baue nach, wie gewöhnlich bei den Nema-
toden, ein Skeletgebilde dar, dessen Biegsamkeit bei der Lokomotion sehr wesentliche Vortheile bietet,
und das durch seine Festigkeit äusseren Einflüssen grossen Widerstand entgegenzusetzen vermag.
Als ein solcher Skelettheil muss auch der schon früher erwähnte calottenförmige Aufsatz ") am
vorderen Körperende aufgeiiisst werden, umsomehr als derselbe nicht nur seiner Beschaffenheit nach der
Cuticula angehört, sondern weil er auch seiner Funktion nach als Bewegungs-, Schutz- und Stützapparat gelten
kann. Wir bezeichnen diese kappenartige Erhebung am besten wegen ihrer Gestalt und Lage als Kopf kappe.
Bei ihrer beträchtlichen Entwicklung, durch die man sie auf den ersten Blick als ein spezifisches Gebilde
erkennt, ist dieselbe natürlich den früheren Beobachtern nicht entgangen, doch haben sie sich über ihren
Bau keine ausreichende Aufklärung zu verschaffen gewusst. Schacht, dem die Existenz dieser Kopfkappe
bekannt war, enthielt sich einer näheren Schilderung, Schmidt dagegen widmet ihr einige Worte und be-
schreibt sie als einen „Gylinder, der von sechs Bügeln getragen wird." Müller endlich erblickt in ihr bei
Heterodera radicicola ein System von wulstigen, muskulösen Lippen. — Ueber des Letzteren Ansicht kann
ich ein definitives Urtheil nicht fällen , da ich keine Gelegenheit hatte , die von ihm beobachtete Art zu
Gesicht zu bekommen. Indess will es mir dünken, als ob bei der nahen Verwandtschaft der Arten, die
sich in einer grossen Aehnlichkeit der Organisations- und Entwickelungsverhältnisse ausspricht, dieser
Apparat kaum grosse Abweiclning von dem des Rübennematoden besitze. Die Stellung der Kopfkappe
am oralen Ende stützt allerdings die Ansicht MüUer's einigermassen ; eine oberflächliche Betrachtxing
unserer Heterodera überzeugt uns jedoch bald, dass wir es hier mit keinem Haft- oder Tastwerkzeug
zu thun haben.
Bei unserem Nematoden präsentiert sich die Kopfkapj)e ■'') als eine stattliche kappenartige Erhebung,
die mit dem übrigen Körper eng verwachsen, nur durch eine Ringfurche von demselben getrennt ist. Sie
besteht aus einer Verdickung der Cuticula und hat eine Höhe von ca. 0,006 mm. Betrachtet man dieselbe
von oben**), so erweist sie sich als kreisförmig im Querschnitt und zeigt eine Sternfigur, deren sechs
Strahlen radiär gegen eine centrale Öffnung , die Mundöffnung , gerichtet sind. Diese Strahlen erreichen
jedoch nie mit ihi'en divergierenden Enden die Aussenwand der Kappe, sondern lassen immer einen Raum
dazwischen. Eine Seitenansicht belehrt uns, dass die Sternfigur von einem Systeme von sechs Lamellen her-
rührt, die gegen die centrale Mund wand einspringen und mit dieser verwachsen. Sie bestehen aus einer
starren , chitinösen Membran und sind nach aussen , wie schon ihre bräunliche Farbe beweist , immer
a) Taf. 1. Fig. 2. b) Taf. 1. Fig. 2.
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stärker als nach innen zu, wo sie nach und nach ein glashelles Aussehen bekommen. An ihrer Basis sind
sie mit dem Boden der Kappe fest verbunden. Die Lamellen liegen also im Innern und die äussere
Cuticularwand zieht wie ein Mantel über sie hinweg. Der untere Rand der Calotte wird dabei stets ver-
deckt, indem die Cuticula des angrenzenden Kürpertheiles sich gleichfalls in Form von Bogen erhebt, die
mit jenen Lamellen in ihrer Lage korrespondieren. — Angesichts der Stellung, Form und Beschaffenheit
dieser Kopfkappe kann kaum über die Bedeutung dieser Einrichtung ein Zweifel bestehen, besonders dann,
wenn man auf die Lebensweise unseres Schmarotzers Rücksicht nimmt. Abgesehen davon, dass sie dem
Wurme Schutz und dem sjjüter zu besprechenden Stachel eine nicht vmwesentliche Stütze zu gewäliren vermag,
ist sie vor allem ein trefflicher Bohrapparat, der, wie eine Pflugschar, die die Ackerkrume auflockert, wirkend,
durch seine Rigidität die festen Bodenbestandtheile zur Seite schiebt und so ein leichteres Vordringen der
Wüi'mer in der oft festen Rübenerde ermöglicht. In Harmonie mit dieser Funktion findet sich denn auch
der Apparat nur bei den freibeweglichen Formen, dem Männchen und den ersten Larven, wähi'end er dem
Weibchen und den sessilen Larvenstadien fehlt.*)
Wie wir somit sehen, ist die Kopfkappe der Heterodera ein recht kompliziertes Gebilde, das an-
scheinend ganz isoliert ohne Analogen dasteht.**) Vergegenwärtigen wir uns aber noch einmal ihre Struktur
und Stellung am oralen Pole, so dürfen wir mit Recht in morphologischer Beziehung in ihr ein Aequivalent
der Lippen erblicken. Wii' brauchen uns dabei nur vorzustellen, dass mit der Ausbildmig des Stachels
die Lippen ihrer gewöhnlichen Funktion verlustig gingen, und dass sie darauf, anstatt rudimentär zu werden,
zu einem Ganzen verschmolzen, welches vermöge seiner Beschafienheit geeignet war, in den Dienst der
Bewegung zu treten. Die Lamellen würden nach dieser Anschauung als die verwachsenen Begrenzungs-
flächen der Lippen zu betrachten sein. Muskeln, von denen Müller spricht, habe ich nicht nachweisen
können, und ebensowenig gelang es natürlich, irgend eine Bewegung zu beobachten.
Anderweitige Anhangsgebilde der Cuticula kann man, abgesehen von den Spiculis, bei unserem
Nematoden nicht entdecken. Papillen, die sonst in der Gruppe der Rundwürmer so verbreitet sind, fehlen
ganz. Auch eine Bursa, nach de Man ein konstantes Merkmal der Tylenchen, wird bei Heterodera vermisst.
Die charakteristischen Längslinien , die der Cuticula theilweise angehören , wollen wir lieber mit der
dai'unterliegenden Schicht, da sie mit dieser in engerer Beziehung stehen, besprechen.
Unter der Cuticula trefi'en wir nämlich noch eine körnige Lage, die Subcutanschicht. Ist es schon
schwierig bei höheren Nematoden über den Baxi dieser Schicht in's Klare zu kommen, so stellen sich ihrer
Analyse bei einem Wurme von so minimaler Grösse noch mehr Schwierigkeiten in den Weg. Ich habe
mir dieselbe dadurch zur Anschauung zu bringen versucht, dass ich kleine Flächenpräparate anfertigte,
wobei ich die Muskeln von der Haut entfernte. Sie erscheint dann als eine sehr dünne Lage, die sich
aus Körnchen und einer faserigen Masse zusammensetzt. Die Körnchen haben eine sehr verschiedene Grösse,
sind dunkel und unregelmässig vertheilt. Ob die Subcuticula überall dieselbe Dicke aufweist und ohne
Unterbrechung unter der Haut hinzieht, vermag ich nicht anzugeben.
*) Fast unwillkürlich wird man hierbei an eine analoge Einriehtunfr im Pflanzenreiche erinnert, an die Wurzelhaube,
deren Existenz für die Ausbreitung der Wurzel von grosser Bedeutung ist.
**) Eine gleiche Bildung scheint auch bei Tylenchen vorzukommen. Wenigstens beobachtete ich denselben Apparat,
wenn auch nicht in derartiger Entwicklung, bei den männlichen Individuen eines Tylenchus, der paarweise in dem durch ihn
deformierten Fruchtknoten eines Phleum lebt.
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Mit ihr in enger Beziehimg stehen, wie bereits hervorgehoben, die sogen. Längslinien. ^) Man
unterscheidet bei ihnen gewöhnlich zwischen Seitenlinien und Medianlinien. Letztere verlaufen in der
Mitte des Rückens und des Bauches, während die Laterallinien an den Seiten entlang von oben nach unten
ziehen. Sowohl die ventrale wie die dorsale Medianlinie .sind bei Heterodera kaum angedeutet, dagegen
ti-eten die Seiteulinien auf den ersten Blick sehr deutlich hervor. Als zwei breite Bänder entspringen sie
an der Basis der Kopfkappe und gehen fast bis zum Schwanzende, wo sie erst in der Nähe der AnalöfFniuig
verschwinden. Ihre allenthalben gleiche Breite beträgt ca. 0,004 mm. Durch vier parallele Linien wird jedes
Seitenfeld in drei Abtheilungen zerlegt. Stellt man nun das Objektiv so ein, dass die äussersten Linien
scharf zu erkennen sind, so verschwimmen die inneren. Daraus wird ersichtlich, dass sie mit jenen nicht in
einer Ebene sich betinden, — wie man auch leicht an ihrem optischen Verhalten bemerkt — sondern dass
sie in Form von Leistchen gegen die Leibeshöhle vorspringen. Wie die Cuticula, so werden auch die
Seitenfelder von der Subcuticula bekleidet. Dieselbe zeigt hier, wie überall, das gleiche körnige Aussehen,
nur werden die Kerne, die sonst sehr spärlich vorhanden sind, etwas häiifiger, besonders in der mittleren
Abtheilung, die sich wulstartig erhebt.
In dem linken Seitenfeld verläuft regelmässig ein Exkretionsgefäss''). Dasselbe stellt einen dünnen
durchsichtigen Kanal dar, der in der Mitte der Bauchlini'^ eine kurze Strecke unterhalb des Bulbus mit
einer runden Oeffnimg, dem Porus excretorius, ausmündet. Vome sich ti-ichterförmig erweiternd, verengt
er sich rasch und geht in einem Bogen seitwärts zu den Laterallinien, um dann deren mittlerer Partie in
ihrem ganzen Verlaufe bis in die Gegend des Afters zu folgen.
Die Verbindung des Gefässes mit dem Seitenfelde scheint keine sehr innige zu sein, denn ein
massiger Druck genügt, um es in seiner ganzen Länge freizulegen. — Nie treten zwei Kanäle auf, sondern
stets iindet sich nur einer, dem linken Seitenfelde angehörig, so dass wir bei Heterodera ein gleiches Verhalten
vor uns haben, wie bei dem Weizenälchen (nach Davaine^^) und noch anderen Tylenchen (nach Bütschli^).
Die Medianlinien sind, wie gesagt, sehr unbedeutend entwickelt. Sie erscheinen als zwei zarte, sehr
dünne Streifen, deren nähere Struktur zu erkennen unmöglich ist. Von aussen lassen sie sich gar nicht
wahrnehmen; erst die Anordnimg der Muskulatur giebt einen Anhalt tur ihre Entdeckung.
Der Hautschlauch wird nun nach innen abgeschlossen durch einen gleichmässigen Belag von Muskeln,
der in Form eines Hohlcylinders der innersten Schicht der Sixbcuticula aufliegt. — Seit Schneider in seiner
Monographie auf den Bau der Muskelhülle sein System der Nematoden begründete, hat man gerade der
Muskulatur besondere Aufmerksamkeit zugewandt, und so scheint es denn nothwendig, dei-selben auch bei
unserer Beschreibung mit einigen Worten zu gedenken.
In Uebereinstimmung mit allen übrigen Nematoden zerfällt bei Heterodera der gesammte Muskel-
apparat in vier Felder, die getrennt durch die vier Längslinien ohne Unterbrechung vom Kopfe bis zum
Schwänzende hinlaufen. Zwei von diesen Feldern gehören der Rückenfläche und zwei der Bauchfläche an.
Alle bestehen aus einer Summe scharf ausgeprägter Muskelzelleu, die in diagonaler Riciitung gegen die
Längslinien hinziehen. Die Winkel, die sie dabei bilden, betragen ca. 35 Grad, und zwar stellen sich die-
selben immer so, dass ihre Schenkel an den Laterallinien nach voi-n, an den Medianlinien aber nach hinten
a) Taf. 1. Fig. 3. b) Taf. 1 Fig. 1.
konvergieren. Auf diese Weise kommt dann eine Symmeti'ie der Baiichfelder und der Rückenfelder zu
Stande, wie solches auch bei anderen ähnlich gebauten Nematoden der Fall ist. Die Zahl der einzelnen
Elemente in jedem Felde beträgt auf einem Querschnitte fünf, im ganzen Umkreise also zwanzig. Dieser
Anordnung nach müssen wir daher Heterodera der Gruppe der Polymyarier, der flachen Grcstalt der Zellen
wegen aber derjenigen der Platyrayarier zurechnen — ein neuer Beweis für die Unhaltbarkeit des von
Schneider aufgestellten Systemes.
Was den Bau der Muskelelemente S) selbst anbelangt, so konnte ich mir darüber am besten dadurch
Aufschluss verschaffen, dass ich sie isolierte. Ich benutzte zu diesem Zwecke mit Erfolg ein gelindes Er-
wärmen oder ganz schwache Kalilauge. Nach einer derartigen Behandlung erscheinen diese Grebilde als
glatte, schmale, mehr spindelförmige als rhombische Zellen, an denen sich unschwer zwei histologisch von
einander verschiedene Theile unterscheiden lassen. Ihre Länge ist ziemlich beträchtlich (0,003 mm), ihre
Breite dagegen weit geringer, nur 0,001 mm. Wie eine Profilansicht darthut, bestehen sie aus einer hellen,
sogen, kontraktilen Substanz und einer auf dieser aufsitzenden dunkleren Markmasse. Erstere hat eine
flächenhafte Ausdehnung und zeigt eine leichte, schi'äg ziehende Streifung, die auf eine fibrilläre Struktur
hindeutet, während letztei'e, buckelartig emporgewölbt, sich aus lauter kleinen Körnchen zusammengesetzt
erweist und im Innern einen deutlichen Kern mit Kernkörperchen trägt. Fortsätze, mit deren Hilfe sie an
die Medianlinien herantreten, wie solche bei anderen Formen vorkommen und von Leuckart ^ ") , z. B. bei
Oxyuris, und von Bütschli *) bei den kleinen Nematoden der Blatta beschrieben wurden, konnte ich nicht
auffinden. Unter sich jedoch scheinen die Zellen sowohl seitlich, wie durch ihre zugespitzten Enden
ziemlich fest vereinigt zu sein. In ihrem Zusammenhang gewähren sie durch die scharf markierten Kon-
touren das Bild eines nach diagonaler Richtung etwas gezerrten, aber sonst regelmässigen Netzwerkes.
In Betreff des Nervensystemes vermag ich nur eine ganz kurze Mittheilung zu geben. Man wird
dies begreiflich finden, wenn man bedenkt, wie schwierig gerade die Untersuchung dieses Gebildes ist, und
wie wenig befi'iedigend im Allgemeinen der Einblick ist, den man bis jetzt, selbst bei so grossen Vertretern
der Nematoden wie Ascaris, über die Struktur desselben gewonnen hat. Dass es bei Heterodera nicht
fehlt, dürfte man, glaube ich, schon aus der gesammten Organisation, insbesondere der beträchtlich ent-
wickelten Muskulatur, erschliessen. — Den Centraltheil des ganzen Systemes bekommt man bei einiger-
massen aufmerksamem Zusehen leicht zu Gesicht. Er liegt als sogen. Schlundring'') dicht hinter dem Bulbus
und stellt ein helles durchscheinendes Band dar, das den letzten Oesophagusabschnitt in seinem ganzea
Umfange umgreift. Ueberall hat er eine gleiche Breite von ca. 0,006 mm und verläuft, ohne seine Richtung
zu verändern, völlig horizontal. Betrachtet man denselben näher, so sieht man, dass er aus zarten Quer-
fasern gebildet wird, die zwischen sich hier und da kleine Körnchen und auch einige wenige grössere Kerne
fassen. Wenn der Wurm eine Rücken- oder Bauchlage einnimmt, so gelingt es manchmal bei günstigen
Objekten an den Seiten äusserst feine Protoplasmastränge wahrzunehmen, die nach oben und unten steigen,
sich jedoch dem Auge sehr bald wieder entziehen; vielleicht, dass dies eben Nervenfasern sind, die mit
den Laterallinien in Beziehung stehen. Von sonstigen nervösen Elementen, etwa einem Analganglion, lässt
sich nichts bemerken.
a) Taf. 1. Fig. 4. h) Taf. 1. Fig. 1.
— IK® 19 @X>—
Diirch den ganzen Körper hindurch, vom Kopfende bis zum stumpfen Schwänze, zieht sich, begrenzt
vom Hautmuskelschlauche, die Leibeshöhle. Ihr Lumen wird fast vollkommen von dem Darmtraktus und
den Geschlechtsorganen eingenommen, so dass nur ein enger Spaltraum übrig bleibt, der oft, hauptsächlich
in seinem oberen Theile, von einer grossen Masse dunklei', stark glänzender, bräunlicher Kügelchen erfüllt isi.
Wenden wir uns zunächst von den zwei Organsystemen, welche die Leibeshöhle einschliesst, dem Ver-
dauungsapparate zu. Derselbe hat im Grossen imd Ganzen einen geraden Verlauf und durchzieht den ganzen
Körper der Länge nach, indem er mit der in der Mitte der Kopfkappe gelegenen JMundöfl'nung beginnt und
am Hinterende mit dem bauchständigen After endigt. Die Mundöft'nung führt in die sogen. Mundhöhle, das
Vcstibulum, das, in Gestalt eines cylindrischen Rohres''), bekleidet von der äusseren Cuticularschicht, die
Kopfkappe durchbricht und gleich hinter derselben sich erweiternd birnförmig anschwillt. In diese Mund-
höhle hinein ragt ein sehr kräftiger Stachel, an dessen Aussenseite sich die unten bogenförmig umbiegende
Cuticularwand des Vestibulum noch eine kurze Strecke hinzieht. Der Stachel •*) selbst repräsentiert ein
ansehnliches Gebilde von einer Länge von 0,03 mm. Vorn in eine etwas abgerundete Spitze auslaufend,
nimmt er nach hinten an Dicke allmählich zu mid ti-ägt an seiner Basis drei knopfförmige Verdickungen,
die sich deutlich gegen einander absetzen. Sein Querschnitt ist an den einzelnen Stellen verschieden.
Während der Contour in der ersten Hälfte kreisförmig ist, hat derselbe in der anderen, bedingt diu'ch drei
von den Knöpfen aus nach oben gehende Kanten, das Aussehen eines sphärischen Dreiecks.
Bei seiner Massenentwicklung haben natüi-lich auch die früheren Autoren den Stachel beobachtet^
Allein wie Bütschli *) bei verschiedenen Tylenchusarten, Davaine i') beim Wcizenälchen, so konnten auch
weder Schmidt noch Müller darüber in's Klare kommen, ob der Stachel von Heterodera solide oder hohl
sei. Die völlige Verwachsung mit dem inneren Chitinrohr des Oesophagus legte ihnen schon die Ver-
muthung nahe, dass letzteres der Fall sein müsse, der feine Strich aber, den sie in ihrer Schilderung als
ein Lumen ansahen, ist nichts als eine jener oben erwähnten Kanten. Um mich über diesen Pimkt auf-
zidilären, griff ich zu einem einfachen Experimente. Ich bi-achte mein Objekt in eine Indigolösung. Sobald
dann der Saugapparat des Oesophagealbulbus in Thätigkeit versetzt wird, sieht man die winzigen Indigo-
partikelchen durch den Stachel wandern vmd alsbald im Oesophagus verschwinden. Wäre der Stachel solide,
so könnte eine solche Erscheinung nicht eintreten. Auch Bruchstücke beweisen, dass derselbe ein Lumen
besitzt, und zwar ein ziemlich bedeutendes.
Was die Funktionen des Stachels beti-ifft, so halte ich ihn mehr für ein Stech-, als für ein Bohr-
instrument. Seine Bewegungen sind nicht rotierende, wie die eines Bohrers, sondern geschehen immer ruck-
weise und rhythmisch. Durch einen flachen ringförmigen Wulst in seiner Mitte und den hinteren Rand der
Mundhöhle wird seine Exkursiousfähigkeit auf ein bestimmtes Maass eingeschränkt, denn meist schiebt
er sich nicht mehr als um ein Drittel seiner Länge über die Mundöffnung hinaus. Uebt man auf das
Thier einen starken Druck aus, so giebt allerdings die Chitinwand des Vestibulum nach, imd der Stachel
fällt weit vor.
Die Muskeln, die diese Bewegungen bewh-ken, umhüllen ihn in Form einer bulbösen Masse. An
Zerzupfungspräparaten lassen sich zwei Muskelpaare , die ihm direkt anliegen , deutlich unterscheiden.
a) Taf. 1. Fig. 2. b) Taf. 1. Fig. 6.
-&<<g 20 @x:—
Beide entspringen an der Basis der Kopf kappe; aber während der eine (innere) von dort unter Ver-
minderung seines Querschnittes an dem Stachel entlang läuft und sich an der Oberfläche der Knöpfe
festsetzt, umgreifen die anderen (äusseren) denselben in einem Bogen und inserieren sich unten und an
den Seiten dieser Knoten. Als Antagonisten arbeiten diesen beiden Muskelpaaren zwei schmale, oft schwer
sichtbare St^-änge entgegen, die von der Aussen wand des Stilets schräg nach unten gegen die Körperwand
ziehen. Ausserdem gewahrt mau noch ein paar weitere Muskelbänder , die von der Stachelbasis eine
diagonale Richtung nach oben einhalten und, wie es scheint, dazu dienen, durch ihre Contraktionen das
Vorschnellen des Stachels sowohl zu unterstützen, als auch seine seitliche Verlagerimg zu regeln.
Die Wandungen des Stachels bestehen aus einer bräunlichen , chitinigen Membran , die eine be-
trächtliche Festigkeit aufweist, aber doch auch sehr elastisch ist, so dass sie starke Beugungen auszuhalten
vermag. Oftmals habe ich die Spitze des Stachels, wenn derselbe auf einen festen Gegenstand stiess, mit der
nachfolgenden Partie einen Winkel von fast 100* machen sehen, ohne dass ein Bruch erfolgt wäre.
An diesen Stachel schliesst sich nun nach hinten der eigentliche Darmtraktus, der bei unserer
Heterodera in drei Abschnitte, den Oesophagus, den Darm imd das Rektum zerfällt. Der Oesophagus*)
zeigt sehr wesentliche Eigenthiimlichkeiten und spaltet sich ebenso wieder in drei Abtheilungen.
Im Allgemeinen stellt derselbe einen Schlauch dar von mehr oder minder beträchtlicher Breiten-
ausdehnung, der die Leibeshöhle eine Strecke weit dm-chsetzt und in der Höhe des Poi-us excretorius m
den Dann einmündet. Sein vorderer Theil ist ziemlich schmal, beschreibt mehi'ere Windungen, und grenzt
sich scharf gegen den darauifolgenden kugeligen Bulbus ab. Hinter letzterem wird der Schlauch wieder
eng, vor seinem Ende aber erweitert er sich nochmals und nimmt hier die Dimensionen des Darmes an.
Mit der Basis des Stachels verwachsen zieht durch den ganzen Oesophagus ein feines Chitim-ohr,
das jedoch nicht überall dieselbe Gestalt hat, und auch nicht immer in seinen einzelnen Punkten einen
geraden Verlauf einhält. Kurz nach seiner Verbindung mit der Stachelbasis nimmt es den km'zen Aus-
führungsgang einer kleinen kolbigen Drüse'') auf, woraiif es dann sogleich fast horizontal einbiegt,
um von da ab noch zwei bis drei Windungen bis zu seinem Uebergang in den Bulbus zu machen.
Seine Lage in diesem vorderen Oesophagealabschnitt ist eine excentrische. Bald ist es mehr dem Rücken,
bald mehr der ventralen Seite genähert. Nur höchst selten korrespondieren seine Windungen mit der
des Schlauches, oft übertrifft er diesen sogar beträchtlich an Länge. Dass dieser innere Chitinkanal über-
haupt einen z'emlich losen Zusammenhang mit dem Schlauche, dem er zugehört, besitzt, davon kann man
sich überzeugen, wenn der Stachel seine rhythmischen Stösse ausführt. Das Rohr folgt dann diesen Be-
wegungen, indem es sich imter Abflachvmg seiner schraubenförmigen Windungen weit ausstreckt, indess
der ihn umhüllende Schlauch nur geringen Antheil daran nimmt, sich nur wenig dehnt. Lu Bulbus
kommt es wieder zu einer centralen Lage, die es auch im dritten Abschnitt bewahrt; in letzterem wii-d
der Kanal bedeutend enger imd schwerer sichtbar.
Was den histologischen Bau des Oesophagus anbelangt, so ist auch dieser in manchen Punkten von
dem der übrigen Nematoden verschieden. In der vorderen Abtheilung besteht er aus einer protoplasma-
tischen Substanz, in welcher dunkele und grobe Körner in reichlicher Menge eingestreut sind, zwischen
a) Taf. 1. Fig. 1.
denen sich wiederum eine ziemliche Anzahl grosser Kerne findet. Eine fibrilläre Textur, wie sie sonst
diesem Abschnitt vielfach zukommt, lässt sich niemals bemerken, wie ich denn im Einklang damit auch
nie hier eine Contraktion zu beobachten vermochte. Dagegen kann man am kugeligen Bulbus Muskelfibrillen
unterscheiden und deren Thätigkeit aufs Schönste sehen. Untersucht man diesen Theil des Oesophagus
auf einem optischen Längsschnitte, so üillt neben diesen Fibrillen vor allem im Centi-um ein ansehnlicher
Chitinapparat auf, dessen drei zahnartige Vorsprünge von Zeit zu Zeit klappende Bewegungen ausführen.
Anfangs hielt ich diese Zähne für solide Körper, die in Gestalt von Kugelsektoren in Winkeln von 60" zu
einander gestellt seien; allein ein Querschnitt*) belehrte mich sehr bald, dass dieselben wie bei manchen
anderen Nematoden einfache Chitinlamellen, blose Einfaltungen des Innern, hier sich erweiternden Kanales
darstellen, die das Bild einer dreistrahligen Sternfigur erzeugen. An die etwas concav nach innen ge-
bogenen Seiten dieser Zahnleisten ti'eten nun von dem Rande des Bulbus aus die erwähnten Fibrillen heran,
und zwar so, dass die an den Kanten sich ansetzenden immer in kegelförmigen Bündeln angeordnet sind,
während die anderen Fasern mehr parallel gegen die Flächen hinziehen; ein Verhalten gleich dem bei
Sti-ongylus und anderen. Durch ihre synchronen Contraktionen erweitern sie gleichmässig das Lumen und
bewirken dadurch, dass der ganze Apparat wie eine Saugpumpe funktioniert. Der Raum zwischen den
Chitinleisten und dem äusseren Rande wird jedoch nicht völlig von diesen Muskelfasern eingenommen, in
den bleibenden Lücken finden sich vielmehr grobe Körner und, spärlich vertheilt, einige Kerne.
Wie der Vordertheil des (Oesophagus, so charakterisiert sich auch der letzte Abschnitt histologisch
durch den Maugel von Muskeln und durch körnige Beschaflenheit ; daneben aber zeichnet er sich vor
ersterem durch die Anwesenlieit von auftauend grossen (0,008 mm) Kernen aus. Die Kerne'') liegen ohne
Regel in der Plasmamasse. Soweit meine Beobachtungen reichen , übersteigt ihre Zahl nie mehr als 5,
manchmal trifi't man nur ihrer 2 oder 3. Öfter konnte ich bei einzelnen Individuen Formveränderungen
an ihnen wahrnehmen, doch blieb mir deren Bedeutung unklar. Es bildeten sich dabei Dellen, die sich
mehr oder minder tief einsenkten und nach kui'zer Zeit wieder verschwanden.
Jedenfalls ist das Auftreten solcher Kerne — Bütschli ^) beschreibt einen bei Tylenchus Askenasi
und Davaine ^^) bei Tylenchus tritici — in diesem Abschnitte des Oesophagus sehr bemerkenswerth. Es
erinnert an ähnliche Bildungen, wie sie Leuckart^") bei CucuUanus und einigen anderen Nematoden gefunden
hat. Ein Zellenbau wie dort ist bei unserer Heterodera im ausgebildeten Zustande allerdings nicht mehr
vorhanden , allein beim Embryo besteht er nachweislich , und wir brauchen uns nur , um den Vergleich
aufrecht zu erhalten, vorzustellen, dass die Zellwände im Laufe der Zeit absorbiert wurden, um die spätere
Bildung zu verstehen. Auf gleiche Weise Hesse sich vielleicht auch die Existenz der zahlreichen Kerne
im Vordertheile des Oesophagus erklären; denn auch er zeigt beim Embryo eine zellige Sti-uktur. Die
excentrische Lage des Chitinrohres mahnt ims zugleich an die gleiche Lagerung desselben Oebildes bei
den Trichoti-acheliden , speziell der Trichina. Allein ein Vergleich dieses Abschnittes bei Heterodera mit
dem jener interessanten Nematoden scheint mir desshalb gewagt, weil es kaum möglich sein dürfte, die
kernhaltige Substanz mit dem Zellkörper von Trichina physiologisch in Uebereinstimmung zu bringen.*)
a) Taf. 1. Fig. 12. b) Taf. 1. Fig. 1.
*) Müller hat den Oesophagus der Heterodera radicicola auch einer Untersuchung gewürdigt, seine Struktur jedoch
völlig verkannt. Von einem „nodulus'', einer kropfartigen Anschwellung des Oesophagus dicht hinter der Stachelbasie und
— <x@ 22 @x—
Dem Oesophagus fügt sich der eigentliche Darm oder Chylusmagen, =^3 wie er auch benamit wird,
an. Er bildet die bei weitem grösste Masse des ganzen Traktus imd verläuft in Form eines Cylinders,
ohne eine Schlinge zu machen, gestreckt durch die Leibeshühle. Seine Breite ist allenthalben dieselbe imd
kommt derjenigen des letzten Oesophagealabschnittes gleich. Wie der gesammte Oesophagus, den er fast
sechsmal an Länge übertrifft, wird er aussen von einer dünnen hellen Membran umgeben. Auf dieser sitzen
in einfacher Lage polyedrische, ziemlich hohe Zellen auf, die auf ihrer in das Lumen ragenden Fläche
wieder mit einer zarten Tunica propria, der Fortsetzimg des inneren Oesophagealkanales, überkleidet sind.
Diese Zellen sind stets von groben imd glänzenden braunen Körnchen angefüllt, so dass es sehr schwierig
ist, ihre Umrisse zu erkennen. Ich habe sie deutlich an gutgelimgenen Zerzupfiingspräparaten gesehen
und konnte auch dann den Kern als einen hellen Fleck wahrnehmen. Welcher Natur diese Körnchen sind,
vermag ich nicht bestimmt zu sagen. In Schwefeläther lösen sie sich nicht völlig auf und nach Behandlung
mit Jod nehmen sie, wie Bütschli schon bemerkte, eine violette Färbung an. Aller Wahrscheinlichkeit
nach sind sie stärke- oder eiweisshaltig, bergen wohl aber auch Fett.
An seinem hinteren Ende verjüngt sich der Darm sehr rasch und mündet in das Rektum. Letzteres
ist bei Heterodera, wie bei allen kleinen Nematoden, sehr unansehnUch. Es stellt ein kurzes und enges
Rohr dar, das schräg nach der Bauchseite läuft und sich sehr bald mit dem Ausführungsgang des männ-
lichen Geschlechtsapparates zu einer gemeinsamen Kloake vereinigt. Gleich dem Darm wird auch er von
einer festen chitinösen Membran aussen und innen bekleidet.
Das zweite Organsystem nun, welches die Leibeshöhle durchsetzt, ist der männliche Geschlechts-
apparat. Bei unserer Heterodera präsentiert sich derselbe als ein einfacher Schlauch,") der an der Bauchfläche
imterhalb des Darmes bis über die Mitte des Körpers nach aufwärts zieht. Nach oben sich verschmälernd,
endigt er dort schliesslich blind, während er sich nach unten zu einem kurzen Ausführungsgange verengt,
der sich mit dem Mastdarme vereinigt. Abgesehen von seiner Verjüngung am oberen Ende besitzt er
überall denselben Querschnitt. Er verläuft stets geraden Weges, zeigt keinerlei Schlingen oder Einschnü-
rungen und bildet so ein ununterbrochenes Ganzes, das sich weder nach äusserlichen Merkmalen in ge-
sonderte Abtheilungen trennen lässt, noch auch in histologischer Beziehung grosse Verschiedenheiten aufweist.
Nur funktionell vermag man zwischen einem oberen Abschnitte, dem keimbereitenden Hoden, und einem
unteren, dem Samenleiter, zu unterscheiden.
Eine Tunica propria dient auch hier als Begrenzungswand, und ihr folgt nach innen eine Epithellage.
Die Elemente '') dieses Belages bestehen aus schmalen, langen Zellen, deren Hauptachsen den Längsachsen
des Hodens parallel laufen. Im Profil gesehen erweisen sich dieselben als schlanke Gebilde. Sie erheben
sich in der Mitte etwas buckelartig, zeigen dort in ihrem körnigen Plasma einen deutlichen Kern und
spitzen sich nach vorn und hinten zu. Ihr Zusammenhang scheint, wenigstens seitlich, ein sehr lockerer zu
sein, denn oft findet man zwischen ihnen ziemlich breite Lücken. Im Bau und in der Gestalt dieser Epithel-
zellen lassen sich an den einzelnen Regionen der Hodenröhre keine besonderen Unterschiede wahrnehmen;
sie haben überall die gleiche Beschafl"enheit. Nur muss noch hervorgehoben werden, dass man am blinden
einem „scheibenförmigen" Bulbus mit „musculus centralis" wird woU bei dieser Art ebensowenig die Eede sein können, wie bei
unserem Rübennematoden.
a) Taf. 1. Fig. 1. b) Taf. 1. Fig. 8.
-o<@ 23 @>o-
Ende eine Zelle antrifft, die diesem dicht anliegt und wohl ein Analogen der sogen. Terminalzelle des
weiblichen Geschlechtsapparates bildet. Im unteren Abschnitte scheinen die Zellen etwas dichter aneinander
zii liegen und dadurch eine mehr breite und kürzere Form anzunehmen.
Ueber die feinere Struktur des Ausführungsganges vermochte ich bei der Kleinheit des Objektes
nichts in Erfahrung zu bringen. P> ist ein kurzer Kanal mit weitem Lumen, an dem man gewöhnlich eine
Streifung bemerkt, die vom Samenleiter auf ihn übergeht und wohl auf das Vorhandensein einer Längs-
muskulatur hindeutet.
Zu beiden Seiten der KJoake, jedoch nicht in einer Ebene damit, sondern mehr gegen den Rücken
geneigt, liegen die flu- die männlichen Nematoden so charakteristischen Spicula. Bei unserer Heterodera
stellen dieselben zwei gleichgestaltete und gleich lange (0,033 mm) gekrümmte Ghitinlaraellen dar.") Sie
beginnen an ihrem hinteren Ende mit einer ziemlich breiten und tiefen Rinne, die sich in der Mitte eines
jeden Spiculum etwas abflacht und zugleich eine leichte Drehung nach aussen macht. In ihrem letzten
Viertel biegen dieselben wieder gegen die Kloake ein und verlaufen dann abermals in Form einer Rinne bis
an die eingekerbte Spitze. Ihre der Körperwand zugekehrten Flächen haben an den Rändern stets einen
verdickten Saum. Immer sind die Aussenenden einander genähert und ragen gewöhnlich aus dem warzen-
artig etwas vorspringenden After heraus. Die Vorderenden dagegen lassen einen ziemlich weiten Raum
zwischen sich, so dass die beiden Spicula meist einen Winkel von 40" bilden. Sieht man näher zu, so
vermag man auch die Penistasche zu erkennen, allerdings wenig deutlich. Sie liegt anscheinend den Spiculis
dicht an, ist glashell und hat die Form eines schmalen Sackes.
Als Bewegungsapparat'') der Spicula fungieren zwei Muskelpaare. Das eine entspringt an deren
Wurzel und geht schräg nach oben gegen die Körperwand, das andere Paar läuft eine Strecke an den
Spiculis entlang und inseriert sich gleichfalls auf dem Rücken mit breiter Basis. Ersteres Paar bewii-kt
durch seine Contraktionen ein Zurückziehen der Spicula, das zweite dagegen ein Verstössen derselben. —
Accessorische Stücke fehlen den Begattungswerkzeugen der Heterodera. Ebenso vermisst man, wie schon
früher erwähnt, Papillen und Bursa.
Was nun die Bildung der Samenelemente anbelangt, so geschieht dieselbe in dem oberen Abschnitte
der Geschlechtsröhre, die wir desshalb auch als den keimbereitenden Theil, den eigentlichen Hoden, be-
zeichnen können. In seinem äussersten blinden Ende findet sich eine zähflüssige, körnchenreiche Masse,
die eine Menge Kerne in sich birgt. Bis beinahe hinauf in die Spitze ist jeder Kern bereits von einem
mehr oder weniger mächtigen Protoplasmahof umgeben, der gegen die angrenzenden ziemlich deutlich sich
abhebt. Bringt man den oberen Hodentheil zum Platzen, so zeigt sich, dass die Ballen nicht lose neben
einander liegen, sondern durch eine centrale Masse in Verbindung stehen. Dieser axiale Strang, um den
sie sich gruppieren, ist die sogen. Rhachis. Sie besteht aus einer Säule von zähem Protoplasma mit zahl-
reichen Körnchen, und ihr haften mit breiter Basis dicht zusammengedrängt die Ballen an. Manchmal
trifft man solche Ballen in Theilung. Öfter sah ich eine Zweitheilung, aber nur selten einen Zerfall in vier
Theilstücke. Die Vermehrung scheint eine sehr lebhafte zu sein, und die Lösung der Keime sehr frühe
anzuheben; denn ausser den um die Rhachis gestellten findet man bis in das letzte obere Drittel der
a) Taf. 1. Fig. 5. b) Taf. 1. Fig. 1.
— x<3; 24 ®«—
Hodenröhre hinauf völlig freie, allerdings noch unreife Samenkörperchen in zwei oder drei Lagen. Die-
selben haben hier noch das grobkörnige Ausseben, das sie weiter nach unten rasch verlieren. Im Samen-
leiter treten sie uns dann in ihrer definitiven Form als reife Sperraatozoen entgegen. In solcher Gestalt
präsentieren sie sich als kugelige, hüllenlose Körperchen»), die an der Peripherie einen platten, ovalen,
starkglänzenden Kern tragen. Ihr Protoplasma ist völlig hyaHn, nur in der Nähe des Kernes zeigen sich
zumeist kleine, hellere Körnchen. In diesem Zustande werden sie aus dem prall gefüllten Samenleiter
bei der Begattung entleert. Wie ich mich überzeugt habe, erleiden sie auch in den Geschlechtswegen
des Weibchens keine weitere Umbildung. Ihre 'NA^inderung bis zur Samentasche und weiter bis in den
Ovidukt ist eine aktive, sie erfolgt durch selbständige Bewegungen, durch Pseudopodien. Um dieses an-
ziehende Phänomen beobachten zu können, isoliert man am besten die Spei'matozoen. Ich habe sie zu
diesem Zwecke in eine ^/aprocent. Kochsalzlösung gebracht, wobei ich zur Vei-hütimg einer stärkeren
Concentration von Zeit zu Zeit die verdampfte Flüssigkeit durch destilliertes Wasser ersetzte. Unter solchen
Kautelen gelang es mir, dieselben oft zwei Stunden lebendig zu erhalten und ihr Pseudopodienspiel
zu verfolgen. Schon bei nicht völlig entwickelten Samenkörperchen vermag man das Vorstrecken imd
Wiedereinziehen, das peitschenförmige Schlagen dieser Fortsätze wahrzunehmen; am schönsten aber zeigen
die ausgebildeten, reifen diese Bewegungen, mögen sie dem unteren Abschnitte des Hodens oder dem
Receptaculum entstammen.
Die Formverändei-ung ist eine äixsserst mannichfaltige, und mit vollem Rechte hat man sie mit der
einer Amöbe verglichen. Die Länge der Pseudopodien übersteigt nicht selten das sechs- und siebenfache
des eigentlichen Plasmakörpers (ca. 0,004 mm). Oft ragen sie dann wie starre, dünne Stäbe in gerader
Linie nach aussen vor, so dass sie z. B. von Davaine") bei Tylenchus tritici in der That als „aiguilles"
angesprochen wurden. Mitunter erscheinen sie als breite mid stumpfe Fortsätze, dann wieder sind sie spitz
und schwellen in ihrem Verlaufe oft mehrfach knotenartig an; bald befinden sie sich in grosser Agilität,
verzweigen sich sogar und bilden Anastomosen, bald ruhen sie eine geraume Zeit und erlangen erst nach
und nach ihre Beweglichkeit wieder'').
So tastend kriechen die Spermatozoen an den Uteruswänden entlang in die Samentasche und höher,
bis sie auf ein noch hüllenloses Ei treffen, um dasselbe zu befruchten.
Die Organisation des Weibchens.
Wie der umbildende Einfluss des Parasitismus sich oft nur beim Weibchen äussert, dann aber meist
in excessivem Maasse hervortritt, so hat auch wohl das Schmarotzerleben an dem weiblichen Rübennematoden
so wesentliche Veränderungen hervorgerufen, dass, wie bereits früher gesagt, auf den ersten Blick seine
Zugehörigkeit zu dem schlanken, agilen Männchen kaum wahrscheinlich erscheint. Schon am Anfang unserer
a) Taf. 1. Fig. 7 b. b) Taf. 1. Fig. 7c-g.
— c«<gi 25 ©X—
Darstellung haben wir Gelegenheit genommen, auf den Parallelismus hinzuweisen, der in dieser Beziehimg
zwischen Heterodera, Allantonema und Teti-ameres besteht. Hier wie dort hat das Weibchen im Einklänge
mit seiner parasitären Lebensweise — mid Allantonema ist als protandrischer Hermaphrodit ja die
längste Zeit seines Daseins em weibliches Geschöpf — die äusseren Ki-iterien eines Nematoden verloren.
Es ist sessil und unbeweglich zu einem wurstförmigen oder kugeligen, plumpen Gebilde geworden. Die
Ursache dieser auftallenden Turgescenz liegt bei Allantonema wie bei Tetrameres hauptsächlich in der
ausserordentlichen Massenentwicklung seines Genitalapparates, während bei unserer Heterodera noch der
Umstand, dass das Mutterthier später als Brutkapsel die Nachkommenschaft vor Unbilden zu schützen hat,
neben der gleichfalls starken Produktivität an Keimen maassgebend für die gewaltige Schwellung des
Körpers ist.
Seiner Gestalt nach kann man das Weibchen") von Heterodera Schachtii am besten, wie das Schmidt
schon gethan, mit einer Citrone vergleichen, deren beide Pole etwas ausgezogen sind. Der eine dieser
Fortsätze setzt sich ziemlich scharf gegen den übrigen Leib ab , hat die Form eines Flaschenhalses und
trägt in seiner Spitze einen deutlichen Stachel, durch den er sich sogleich als das Kojjfende des Thieres
dokumentiert. Der andere Fortsatz dagegen zeigt keine so deutliche Abschnüi-ung, sondern verjimgt sich
ganz allmählich zu einer zapfenförmigen Hervorragung, die an ilu-em Ende einen senkrecht zur Median-
ebene des Thieres gestellten Spalt, den Vulvaspalt, besitzt. Die Grösse des Weibchens variiert zwischen
0,8 mm und 1,3 mm. Die Breite misst dementsprechend 0,6 oder 0,5 bis 0,9 mm. Die Hauptmasse des
aufgeti-iebenen Leibes hat das Aussehen eines Ovoides, dessen Begrenzungsflächen jedoch nicht allenthalben
dieselben Krümmungen aufweisen. Die eine, weniger gekrümmte, Fläche ist als Bauchfläche durch den in
ihrer Mittellinie gelegenen Porus excretorius leicht kenntlich, während die andere, mehr oder minder stark
convex gebogene, die Rückenfl^äche darstellt. Sehen wir uns nach der Lage des Afters um, damit wir uns
über das Hinterende genügend orientieren, so ti-eöen wir denselben auf der dorsalen Seite ganz in der Nähe
der Vulva. Diese sonderbare Stellung ist die Folge einer Dislocation, auf die wir später eingehender
zurückkommen werden; denn ursjjrünglich befindet sich der After, wie bei allen Nematoden, auf der Bauch-
seite. Ein eigentliches Schwanzende existiert also beim Weibchen nicht; der Bauch geht kontinuierlich in
den Rücken über. Die Farbe der weiblichen Heterodera ist ein gelbliches Weiss, so dass es schon desshalb
unmöglich wird, sich ohne Zerzupfung oder anderweitige Präparationen eine Einsicht in dessen Organisation
zu verschaffen.
I>ie äussere Bedeckimg wird, wie beim Mannchen, von einer Cuticula gebildet, die in die drei
charakteristischen Schichten zerfällt''). Sie besitzt jedoch eine weit bedeutendere Dicke, imd ist infolge-
dessen auch weniger elastisch und biegsam; nur am Vorder- und Hinterende wird sie schmächtiger und
verliert dort auch ihre imdurchsichtige Beschaftenheit. Im Gegensatze zum Männchen fehlt ihr jene aus-
gezeichnete Ringelimg; dafür aber ist die Oberfläche mit feinen Vorsprüngen und Höckerchen bedeckt,
die der Haut ein eigenthümliches granuliertes Aussehen geben. Diese Protuberanzen halten meist eine hori-
zontale Richtimg ein, aber bei ihrer nicht ganz regelmässigen Vertheilung ordnen sie sich in mannig-
faltig geformte Züge; sie verschlingen sich unter einander und treten bald mehr, bald weniger dicht
a) Taf. 1. Fig. 9. b) Taf. 1. Fig. 13.
-«<§) 26 ®>«-
zusammen, so dass man auf Flächenpr<äparaten oft eine Skulptur zu sehen bekommt, die lebliaft an Arabesken
erinnert. Gegen die Pole hin weichen diese Erhebungen etwas auseinander; sie werden höher und ver-
schmelzen zu wagrecht ziehenden, scharfkantigen Leistchen, die der Quei-streifung beim Männchen dann
sehr ähneln. Der Sitz dieser Skulptur ist die äussere Lage der Cuticula, die den ganzen Körper gleich-
massig überzieht und immer dieselbe unbeträchthche Dicke und dieselbe homogene Beschaffenheit bewahrt.
Sie färbt sich gleichfalls intensiv und hat, auf Schnitten gesehen, durch ihre Spitzen und Stacheln einen
zickzackformigen Verlauf. Ihr folgt die zweite, durch die radiäre Strichelung ausgezeichnete Lage, die sich
in nichts von der gleichen Schicht beim Männchen unterscheidet. Nur die dritte Abtheilung weicht durch
ihre Entwicklung etwas ab, indem sie die beiden ersten um das Dreifache an Dicke überragt. Im
Aequator ist diese Dickenausdehnung am stärksten, an den Polen nimmt sie indessen wieder ab.
Die bei dem Männchen schon aussen an der Cuticula leicht auffallenden Längslinien lassen sich an
der Haut des Weibchens äusserlich nicht erkennen. Es nimmt auch, wie es scheint, die Cuticula an ihrer
Bildimg so gut wie keinen Antheil. Dass sie aber trotzdem, wenn auch sehr schwach entwickelt, nicht ganz
fehlen, zeigt am besten ein Querschnitt. Auf einem solchen Schnitte überzeugt man sich, dass die unter der
Cuticula hinziehende spärliche Subcuticularschicht sich an den Seiten zu einem sehr flachen, allerdings wenig
deutlichen Wulst erhebt, der nach innen etwas vorspringt. Diese kleinen Wülste haben keine Grenz-
membranen und keine besonders ausgeprägten Formen; sie lassen sich überhaupt vom Aequator des Thieres
aus nur schwer nach vorn und hinten verfolgen. Dennoch darf man sie wohl, wenigstens ihrer Lage nach,
als den Längslinien des Männchens analoge Gebilde bezeichnen.
Die Existenz eines Exkretionsorganes steht dagegen ausser Zweifel. Dasselbe stellt einen dünnen,
häutigen Kanal dar, der auch hier an der linken Seite nach aufwärts steigt, dann sich unter einem massigen
Bogen gegen die Bauchfläehe wendet und in deren Mitte mit einem runden Porus excretorius *) ausmündet.
Das vordere Ende ist dabei in Form eines Bechers erweitert und von der äusseren Schicht der Cuticula
ausgekleidet. Wie das Exkretionsgefäss beim Männchen, so hat es auch beim Weibchen nur einen losen
Zusammenhang mit der Subcuticula.
Medianlinien konnte ich nicht auffinden.
Den Hautschlauch vervollständigt auch hier eine Muskellage. Allein dieselbe hat in den verschiedenen
Altersstufen des Weibchens eine sehr verschiedene Ausbildung. Bei älteren Individuen, wo mit der
regeren Eibildung fast alle Organe zu degenerieren beginnen, findet man keine Spur von Muskeln mehr; in
einem etwas jüngeren Stadium glaube ich hier und da noch muskelähnliche Gebilde gesehen zu haben; in
ihrem ganzen Zusammenhange traf ich sie aber nur bei erst wenig turgescierenden Weibchen, obwohl auch
bei diesen schon eine völlige Bewegungslosigkeit eingetreten war. Die einzelnen Elemente , welche den
Muskelbelag zu Stande bringen, haben dieselbe Form und Gestalt, wie beim Männchen. Es sind spindel-
förmige Zellen mit einem deutlichen Kern, die eine kontraktile und eine Mark-Masse unterscheiden lassen.
Mit ihren zugespitzten Enden schieben sie sich wie dort in einander und stehen unter sich in fester Ver-
bindung. Natürlich ist die Zahl der Muskelzellen, die auf einem Querschnitt liegen, je nach der Stelle,
durch welchen man diesen gelegt hat, eine wechselnde. Auf einem Aequatorialschnitt ist ihre Zahl am
a) Taf. 1. Fig. 11.
-<x^ 27 @x^
beträchtlichsten, nach den Polen nimmt diese jedoch und, wie ich beobachtet habe, auch ihre Grösse ab.
Ihrer Anordnimg nach scheinen sie vier Felder zu bilden, von denen zwei auf der Bauchseite und zwei auf
der Rückenseite gelegen sind. Ganz klar bin ich mir aber über diesen Punkt nicht geworden. Flächen-
präparate gaben mir hierüber keinen genügenden Aufschluss.
Ueber den Schhxndring des Weibchens lässt sich nichts anderes sagen, als was schon von dem
gleichen Gebilde des Männchens mitgetheilt worden ist. Lage, Form und Bau zeigen dasselbe Verhalten.
Die Leibeshöhle ist beim Weibchen gemäss seiner kugeligen Gestalt sehr weit, doch wird ihr Lumen
noch mehr als beim ]\Iännchen von dem Digestions- und Genitalapparat in Anspruch genommen. Besonders
erfahren die Geschlechtsorgane im Laufe der Zeit eine solche Ausbildung, dass selbst der Dai-mtraktus
stellenweise eingedrückt und aus seiner Lage verschoben wird. Da, wo zwischen den beiden Organsystemen
noch kleine Spalträume bestehen, werden diese gewöhnlich wieder von Körnchen und Kügelchen erfüllt.
Der Darmtraktus folgt hinsichtlich seiner Gestalt der äusseren Form des Weibchens und gliedert
sich in die drei bekannten Abschnitte.
Die Kopfkappe, die das Vorderende des Männchens so gut charakterisiert, fehlt hier, an ihrer Stelle
befindet sich nur ein ringförmiger Chitinwulst*), der die runde Mundöfftnmg umgiebt und ohne scharfe
Abgrenzung in die Cuticula des Leibes übergeht. Die Mundhöhle zeigt wesentlich dieselben Verhältnisse
wie beim männlichen Thiere. Sie ist cylindrisch, wird von der äusseren Haut überzogen und erweitert sich
nach hinten bimförmig. Der sich in ihrem Lumen auf- und abschiebende Stachel'') wird gleichfalls von
ihr eine Strecke weit nach aufwärts begleitet. Letzterer weist beim Weibchen einige Verschiedenheiten
auf. Er ist kleiner (0,027 mm lang) und schmächtiger und verjüngt sich sehr rasch gegen seine Spitze.
Seine Wandungen sind dünner und elastischer. Ausserdem setzen sich die drei knopfförmigen Verdick-
iingeu durch ziemlich tiefe Einschnürungen seitlich scharf gegen einander ab. Von diesen Knoten gehen
auf den Stachel selbst anfangs breite und hohe, gegen das Ende hin sich aber verschmälernde Wülste über,
so dass auf der äusseren Stachelwand eine Art Kannelierung entsteht, und der Querschnitt des ganzen
Gebildes ein dreilappiges Aiissehen gewinnt. — Der Muskelapparat, der diesen Stachel bewegt, ist wie beim
Männchen angeordnet; er besteht aus vier Paar Muskelzügen, von denen zwei ihn in Gestalt einer bulbösen
Masse umhüllen, während die beiden anderen wiederum schräg, und zwar in entgegengesetzter Richtimg,
gegen die Körperwand ziehen.
An die Stachelbasis schliesst sich auch hier der Oesophagus au, der den grössten Theil des hais-
förmigen Kopfendes, das immer gegen den Rücken gekrümrat ist, mit seiner Masse erfüllt. Der vordere
Abschnitt ist gedrungener, kürzer und breiter als beim Männchen. Derselbe verläuft ziemhch gesti-eckt,
ohne besondere Windungen zu machen, zeigt histologisch aber kein verschiedenes Verhalten. Das innere
Chitinrohr ist mit dem hohlen Stachel fest verwachsen und nimmt hinter dessen Basis gleichfalls den
Ausführungsgang einer kleinen, kolbigen Drüse auf; seine Lage ist eine mehr centi-ale. — Der Bulbus
zeichnet sich ebenso wenig vor dem des Männchens aus. Er hat eine kugelige Form. In der Mitte ti'effen
wir auf die drei wohl ausgebildeten Zahnvorsprünge, und an diese treten die Muskelfasern in radiärer
Richtung von der Aussenwand heran. — Die dritte Abtheilung ist beim Weibchen geringer entwickelt und
a) Taf. 1. Fig. 11. b) Taf. 1. Fig. 14.
4*
-»<ö) 28 ®>o-
niclit immer deutlich zu erkennen. Bei denjenigen Individuen, bei denen sie sich schärfer markiert, bemerkt
man stets in ihr die grossen Kerne, meist in einer Zahl von 2 oder 3.
Der eigentliche Darm '') ist ein gewaltiger Sack von sehr beträchtlicher Weite. Meist lässt er
zwischen sich und der Körperwand einen sehr spärlichen Raum, so dass der Genitalschlauch aus Mangel
an Platz sich in ihn hineindrückt und dadurch eine Veränderung der Form hervorruft, die ihm normaler
Weise nicht zukommt. Von dem Oesophagus setzt er sich nicht scharf ab, sondern er erweitert sich ganz
allmählich trichterförmig, und erreicht seinen grössten Durchmesser in der Aequatorialebene des Thieres.
Von da ab verengt er sich wieder nach und nach, doch senkt er sich vor seinem üebergange in den Mast-
darm noch einmal in einem ziemlich starken Bogen gegen die Vulva. Diese Ausbuchtung liegt immer auf
der ventralen Fläche. — Seine histologische Struktur ist der des männlichen Darmes fast gleich. Die
äussere Hülle besteht aus einer dünnen, feinen Membran, und dieser sitzt nach innen wiederum ein Epithelium
auf, das sich aus ziemlich flachen, polygonalen Zellen zusammensetzt. Wegen des trüben körnigen Inhaltes
kann man die Contouren der Zellen und den Kern jedoch nur schwer wahrnehmen. Gewöhnlich erscheint
der Zellenbelag als ein Ueberzug von dunkelen, gehäuften Körnern.
Ueber den feineren Bau des Mastdarmes vermochte ich ebensowenig wie beim Älännchen ein-
gehendere Beobachtungen zu macheu. Er ist ein kleines, ganz kurzes und enges Rohr, das aussen und
innen von einer chitinigen Haut bedeckt ist luid mit einer ovalen Analöffnung ausmündet.
Der weibliche Geschlechtsapparat'') nun wird, wie bei der Mehrzahl der Nematoden, von zwei
Schläuchen gebildet, die kurz vor ihrer Mündung sich zu einem gemeinsamen Endstücke vereinigen. Die
beiden Röhren stimmen in ihrem Baue und ihrer Gestalt vollkommen überein. Sie sind symmetrisch und
erreichen bei unserer Heterodera eine Länge, die die Gesamnitlänge des Thieres um das sechs-, ja siebenfache
übersteigt. Selbstverständlich vermögen sie bei einer derartigen Ausdehnung eine gerade Richtung nicht
einzuhalten , vielmehr müssen sie nothwendig Biegungen und Schlängelungen machen. Nachdem sich der
Apparat in zwei Schläuche gespalten hat, gehen letztere gewöhnlich erst eine kleine Strecke nach auf-
wärts, steigen dann wieder nach unten, biegen darauf abermals nach oben, und erzeugen so in ihrem
Verlaufe eine Reihe völlig unregelmässig gelagerter Schlingen , mit denen sie die ventrale und dorsale
Seite des Darmes umspinnen. Ihre blinden Enden liegen meist nicht weit von einander entfernt, in der
Höhe des Porus excretorius, jedoch wechselnd, bald dem Rücken, bald dem Bauche zugekehrt. — An jedem
der Schläuche'') lassen sich histologisch wie physiologisch drei Abtheilungen unterscheiden, das Ovariura,
der Üviduct und der Uterus. Zwischen die beiden letzteren schiebt sich noch das Receptaculuni seminis
ein. Als unpaares Stück schliesst sich den Röhren dann noch die Scheide an.
Diese Scheide oder Vagina , um von ihr zuerst zu sprechen , beginnt mit der Geschlechtsöffnung,
einer breiten, von wulstigen Lippen umgebenen Sjjalte am Hinterende des Körpers. Sie besteht aus einem
weiten Kanäle, der von der Fortsetzung der Cuticula begrenzt wird. Meistens ist derselbe kollabiert und hat
dann ein faltiges Aussehen. Einen Epithelbelag u.nd eine Ringmuskulatur, wie sie sonst der Scheide zu-
kommen, kann man nicht nachweisen, dagegen inserieren sich äusserlich an der unteren Pai'tie der Vagina
Muskelzügs, die schräg nach oben gegen die Körperwand ziehen und durcli ihre Kontraktionen ein Offnen
a) Taf. 1. Fig. 11. b) Taf. 1. Fig. 15. u. Fig. 1(5. c) Taf. 1. Fig. 16.
-tx(g) 29 @>«-
oder Schliessen der V^ulva bewirken.") — Die Uebergangsstelle der Scheide in den Uterus ist von aussen
nicht zu bemerken, denn die Cuticularmembran setzt sich ohne Unterbrechung von der Vagina auf ihn und
die übrigen Theile des Genitalschlauches fort. Nur die auf einmal sehr deutlich auftretenden Epithelzellen
machen die Stelle kenntlich. Diese Zellen haben eine sechsseitige, langgestreckte Form. Ihr Inhalt besteht
aus einem hellen, körnchenreichen Protoplasma, das einen grossen, runden Kern einschliesst. Ihre nach dem
Lumen gerichtete Oberfläche ist stark gewölbt. Die grösste Ausdehnung besitzen die Zellen in der Quere.
Sie ordnen sich in zwei Längsreihen'') und greifen mit den spitzen Winkeln ihi'er kurzen Seiten alternierend
in einander, wie Ähnliches an den Epithelzellen des Darmes bei zahlreichen Nematoden beobachtet wird.
Das Lumen des Kanales ist dabei ziemlich weit und überall gleich. Bevor der Uterus in den Ovidukt
übergeht, kommt es noch zur Bildung einer Samentasche, die nichts als eine sackartige Erweitei-ung des
ersteren darstellt. Histologisch zeigt sie denselben Bau wie jener.
Ebenso unterscheidet sich der Eileiter'') hinsichtlich seiner Struktur nicht wesentlich vom Uterus.
Da, wo er durch das Receptaculum mit demselben in Verbindung tritt, schnürt er sich ein Wenig ein, doch
währt diese Verengung nur eine kurze Strecke, so dass er in seinem übrigen Verlaufe den gleichen Durch-
messer zeigt. Auf dem Quer.schnitte triffst man stets drei Epithelzellen, die nach aussen ziemlich stark sich
hervorwölben, und dadurch dem (Ovidukte ein eigenthümliches Aussehen geben. Im (.)varium verschwindet
der frühere Epithelbelag; statt der hohen, scharf kontoiu-ierten Zellen treten hier schmale, niedrige auf,
welche in ihrer Form denjenigen des oberen Hodenabschnittes ganz analog sind. Sie verlaufen der Längs-
achse des Eierstockes parallel und erscheinen in der Profilansicht als Gebilde mit körnigem plasmatischen
Inhalte und grossem Kerne, der mehr oder minder hügelig in das Lumen einspringt. Gegen das blinde
Ende, an das sich die sog. Terminalzelle ansciimiegt, werden sie immer flacher und flacher. Begrenzungs-
linien lassen sich nicht erkennen, wie denn überhaupt ihr Zusammenhang anscheinend ein sehr lockerer ist.
Die Eibildung erfolgt anfangs in ähnlicher Weise, wie die der Samenelemente. Im obersten Ab-
schnitte des Ovariums findet sich eine köruchenreiche , zähe Substanz, welche die in beträchtHcher Anzahl
vorhandenen Kerne in Gestalt rundlicher Ballen umhüllt. Diese Ballen stehen durch einen dünnen, axialen
Protoplasmastrang, die Rhachis, mit einander in Verbindung. Letztere hat nur einen kurzen Verlauf; denn
gegen das Ende des Eierstockes triff't man keine Spur mehr von ihr, statt dessen aber losgelöste fi-eie
Eikeime, die bereits beträchtlich an Grösse zugenommen haben. Durch die Aufnahme der bis an die
Spitze des Ovariums i-eichlich vorhandenen Dotterpartikelchen verlieren sie allmählich ihre Durchsichtigkeit.
Im Ovidukt werden sie so opak, dass man das Keimbläschen nur als einen hellen Fleck dm-chschimmern
sieht. Anfänglich dicht zusammengedrängt und von kugeliger Gestah, treten sie gegen das Ende des
Eileiters infolge ihrer Volumenzunahme hinter einander und erscheinen dann , durch Druck von oben
und unten abgeplattet, als kleine gleichhohe CyHnder. Weiter nach vorn runden sich die jimgen Eier
jedoch bald wieder ab; dabei trennen sie sich von einander und gleiten, nachdem sie noch eine ganz
zarte helle Protoplasmaschicht vim sich gebildet, m die Samentasche. Dort werden sie von den Spermatozoen
befruchtet, die das Receptaculum in grosser Menge erfüllen. Manchmal geschieht dieser Akt auch schon
früher, im Endstücke des Oviduktes, wo man nicht seiton den stets noch hüllenlosen Eiern Samenkörperchen
a) Taf. 1. Fig. 1.5 u. IH. h) Taf. 1. Fig. 16.
-•X® 30 &><>-
aufsitzen sieht. Erst wenn die Eier in den Uterus gelangt sind, kondensiert sich die erwähnte Protoplasma-
schicht zu einer dünnen, glashellen Dotterhaut, wie dies u. A. auch Natanson ^^) bei Oxyuris beobachtete.
Nicht lange nachher gesellt sich zu dieser noch die äussere bräunliche Schale als ein Produkt des
Uterusepithels. Jetzt, sobald das Ei befruchtet und von seinen beiden Hüllen umschlossen ist, beginnt
auch sogleich die Entwickelung, die wir im nächsten Kapitel eingehender verfolgen wollen.
Bevor wir aber dazu übergehen , muss ich bei der Darstelkmg der Organisation des Weibchens
noch dreier accessorischer Bildungen gedenken, die bereits Schmidt beobachtete und als „Eiersack", „Kopf-
futteral" und „subkrystallinische Schicht" beschrieb.
Die Bezeichnimg „Eiersack" •'') ist für das erste dieser Gebilde nicht ganz richtig, da wir es hier
keineswegs mit einer einen Hohlraum umschliessenden Haut zu thun haben. Dasselbe präsentiert sich
vielmehr als eine solide, fai'blose, durchsichtige Masse, die in Gestalt eines unregelmässig geformten, rimd-
lichen Pfropfens der Vulva anhaftet und oft eine solche Ausdehnung erfährt, dass sein Volumen dem des
ganzen Thieres nahezu gleichkommt. Die Substanz, aiis welcher dieser Pfropf besteht, hat eine gallertige
Beschaffenheit; sie ist elastisch und vermag jedem Drucke sich zu. fügen. Gewöhnlich liegen im Innern des
Pfropfens Eier in mehr oder minder beträchtlicher Anzahl und in den verschiedensten Entwicklungsstadien
eingebettet; doch ist dies nicht immer der Fall. Bei wenig turgescierenden Weibchen vermisst man dies
Gebilde durchgehends , erst wenn die Samentasche mit Spermatozoen erfiült ist, und die Produktion der
Eier nach der Befruchtung sehr lebhaft zu werden beginnt, sieht man an den Rändern der Vulva eine
anfangs dünne Gallertschicht auftreten, die sich nach und nach immer mehr und mehr zu jenem Pfropfe
vergrössert.
Ich vermag in dieser Gallertsubstanz nichts anderes als ein erhärtetes Seki'et zu erblicken, das aus
der Geschlechtsöffmmg für sich allein oder bei der Entleerimg der Eier ausfliesst. Selbstständige Drüsen,
die etwa in die Vagina oder das Uterusende einmündeten, imd als deren Produkt diese Absonderung an-
gesehen werden könnte, vermochte ich allerdings nicht nachzuweisen; Ladessen glaube ich nicht fehl zu
gehen, wenn ich der Epithellage des Uterusendes selbst eine Absonderungsfunktion zuschreibe. Eine direkte
Beobachtung, die diese Annahme zu bestätigen im Stande wäre, habe ich nicht gemacht; das, was ich dafür
geltend machen kann, ist das Aussehen, der pralle, kömige Inhalt der letzten Uteruszellen, der auf eine
drüsige Natur hinweist. Soviel steht jedenfalls fest, dass dieses Seki'et dem Genitalschlauche entstammt,
denn bei einer anderen Annahme wüsste ich mir das Auftreten der Eier in dem soliden Pfropfe nicht
zu erklären.
Was die Bedeutung des Gebildes anbelangt, so dient dasselbe sicherlich als eine Schutzeinrichtung,
um die entleerten Eier vor äusseren schädlichen Einflüssen zu hüten und dann wohl auch das Eindi'ingen
von Pilzsporen oder anderweitigen Feinden zu verhindern. Zuweilen findet man an oder in dem Pfropf
auch Residuen des abgestorbenen Männchens, das gewöhnlich gleich nach der Begattung zu Grunde geht.
Das Vorkommen dieser Reste bedarf nach dem oben Gesagten wohl kaum einer besonderen Erklärung.
Bei Heterodera radicicola, bei der das Hinterende des Weibchens nicht frei aus der Wurzel hervorragt,
sondern das ganze Thier von der Galle umschlossen wird, fehlt der „Eiersack."
a) Taf. 1 Fig. 10.
-&<@ 31 @x=—
Das sogen. KopfFixtter.il") besteht gleichfalls aus einer gallertigen Schichte in Form von Tropfen,
die das Kopfende des Weibchens oft derartig einiiüllen, dass nur eine kleine Öffnung an der Spitze frei
bleibt, um den Bewegungen des Stachels einen Spielraum zu lassen. Die Farbe dieser Gallerte ist je nach
der Rübe, welcher das Weibchen ansitzt, verschieden, bald röthlich, bald gelblich. Bisweilen ist die Masse
überhaupt farblos.
Schon dieser letztere Umstand genügt , um uns zu überzeugen , das dieses Kopffutteral nicht ein
Produkt des Thieres selbst ist, sondern eine Absonderung der Rübe. — Hinsichtlich seiner Entstehung meint
Schmidt, es sei nichts als überschüssiges Nahrungsmaterial, das von dem Weibchen ausgespieen worden
wäre. Allein wir brauchen gar nicht zu einer solchen Hypothese unsere Zuflucht zu nehmen, denn vermuth-
lich reicht der dauernde Reiz, den der Stachel auf das umliegende Pflanzengewebe ausübt, vollkommen
aus, die Bildung des KopfFutterals aus einer direkten Saftseki-etion der Rübe herzuleiten.
Die subkiystallinische Schicht'') endlich ist ein dünner Ueberzug, der die Körperoberfläche regellos
mit mehr oder weniger gi'osser Unterbrechung bedeckt. Bald liegt er derselben ziemlich fest auf, bald
hängt er in Fetzen lose an ihr herunter. Untersucht man seine Struktur näher, so ergiebt sich, dass
er aus kleinen oder grösseren Schüppchen oder Plättchen zusammengesetzt ist, die bezüglich ihrer Be-
schaÖenheit eine auffallende Aehnlichkeit mit der äusseren Cuticularbekleidung des Thieres besitzen. Sie
sind glashell und tragen oft Höckerchen und Leistchen. Schmidt hält diese Schicht für ein Exsudat des
Weibchens; aber abgesehen davon, dass zur Bestätigung dieser Anschauung erst ein Nachweis von drüsigen
Elementen des Integumentes geliefert werden müsste, ist es gar nicht nöthig, zu solchen Erklärungsversuchen
zu greifen. Die Sache liegt viel näher. Ihrem ganzen Aussehen und ihi-er Lage nach ist diese Schicht
nämlich nichts als die alte Larvenhaut des Weibchens, die infolge der Bewegungslosigkeit des letzteren
nicht abgesti-eift werden konnte und nun so lange dem Körper anhaftet, bis sie sich durch äussere
mechanische Einwirkungen stückweise loslöst.
Die Embryonalentwicklung.
Der klare Einblick, den man bei vielen Nematodeneiern in diu ersten Entwicklungsvorgänge ge-
winnt, hat schon frühe die Forscher veranlasst, sich gerade ihrer bei embryologischen Untersuchungen zu
bedienen, so dass wir über diesen Gegenstand eine ziemlich beträchtliche Reihe von Arbeiten besitzen.
Lisbesondere ist es die Fm-chung gewesen, die von vornherein näher studiert wurde, während wir über
die Organogenie erst in den letzten 15 Jahren durch die Abhandlungen von Bütschli,') Goette^*) und
Hallez^^J einige Kunde erhielten.
Wie sich schon aus der verschiedenartigen Beschaffenheit der Eischale und dem mehr oder minder
grossen Dotterreichthum erschliessen lässt, eignen sich übrigens nicht die Eier aller Spezies zu derartigen
Beobachtungen, und leider gehört auch das Ei von Heterodera, trotz seines relativ bedeutenden Umfanges,
a) Taf. 1 Fig. 17. b) Taf. 1. Fig. 9.
-IX® 32 ©>«-
zu den für entwicklungsgeschichtliclie Studien sehr wenig günstigen Objekten. Wähi-end bei den meisten
Nematoden die Dotterelemente sehr bald unter einander verschmelzen, und der Eiinhalt sich dadurch auf-
hellt, behalten erstere bei Heterodera während des ganzen Klüftungsprozesses luid der Anlage der Keim-
blätter ihre sehr ansehnliche Grösse. Infolge dieses Umstandes wird man nicht nur verhindert, die so
interessante Kernmetamorphose zu verfolgen, es werden auch schon nach kurzer Zeit die Kontouren der
Furchimgszellen so undeutlich, dass man sich über deren ferneres Schicksal kaum genügenden Aufschluss
verschaffen kann.
Meine Mittheilungen wären desshalb in diesem Abschnitte auf ganz spärliche Daten beschränkt ge-
blieben, wenn sich mir nicht Gelegenheit geboten hätte, die Entwicklung von Ascaris nigrovenosa und
theihveise von Strongylus paradoxus zu verfolgen, imd so durch Vergleiche einige Punkte in der Embryo-
logie von Heterodera festzustellen, die mir früher bei der Ungunst des Objektes entgangen waren.
Alle Eier von Heterodera, mit Ausnahme der wenigen, die mit dem Gallertpfropfe entleert werden,
durchlaufen ihre Entwicklung innerhalb des mütterlichen Körpers. Wir können demgemäss imsere Heterodera
als einen viviparen Nematoden bezeichnen , denn auch die in dem „Sacke" eingeschlossenen bleiben durch
diesen normaler Weise immer mit dem Slutterleibe in Verbindung.
Nachdem das Ei befruchtet worden ist mid sich mit einer festen Schale umgeben hat, nimmt so-
gleich, wie schon erwähnt, die Entwicklung ihren Anfang, so dass man im ganzen Verlaufe des Uterus
Eier in den verschiedensten Stadien der Umbildung antrifft. Wie es den Anschein hat, platzt der Uterus
an seinem unteren Ende schon sehr frühe; denn sobald die Produktion der Eier sehr lebhaft wird, und ein
Theil seinen Weg nach aussen genommen hat, linden sich schon einzelne Eier in der Leibeshöhle, die au
Zahl nun so rasch zunehmen, dass sie die Eingeweide durch ihre Masse aus der Lage rücken. Darm
und Muskulatur degenerieren schliesslich, und das Thier stirbt, wenn der Genitalapparat sich erschöpft
hat, ab, so dass es mit seiner Chitinhülle nm* noch eine Bx'utkapsel darstellt, die in ihrem Innern eine
wechselnde Zahl von Eiern (im Dui-chschnitt 300 — 350) birgt. ■'')
Wemi man die ausserordentliche Fertilität der meisten Parasiten in Betracht zieht, so muss bei
unsei'em Schmarotzer, der so grosse Verheerungen anzurichten vermag, die relativ geringe Menge der
Eier auf den ersten Blick üben-aschen. Vergegenwärtigt man sich jedoch die Lebensweise der Heterodera,
so findet diese Erscheinung in den günstigen natürlichen Existehzbedingungeu leicht eine Erklärimg.
Denn nicht nur, dass die mütterliche Hülle die jungen Keime vor allen Unbilden schützt und dadurch
die Wahi'scheinlichkeit , dass die meisten ihre definitive Ausbildung erreichen, eine grosse wird; auch das
Leben der Larven wird kaum von bedeutenden Gefahren bedroht, da die Wanderung durch die Erde bei
der reichlichen Menge von Nährpflanzen schon an und für sich eine kurze ist. Während sich bei den
meisten Parasiten jene oft enorme Fruchtbarkeit durch die Verminderung der Brut, eine Folge der vielfach
störenden Zufälle, wieder ausgleicht, wird hier die geringere Menge von Eiern durch die günstigeren
Bedingungen für das Fortkommen kompensiert.
Im ausgebildeten Zustande hat das Ei von Heterodera'') die Form einer Bohne oder Niere Es
misst 0,08 mm in der Länge und 0,04 m der Breite. Die eine Seite, die spätere Bauchseite des Embryo,
a) Taf. 2. Fig. 30. b) Taf 2. Fig. 33.
— o-c<g) 33 @>o—
ist schwach konkav nach innen gebogen, die andere etwas konvex nach aussen emporgewölbt. Die beiden
Pole besitzen gleiche Gestalt und haben eine starke Rundung. Stets lassen sich zwei Eihäute deutlich
unterscheiden, einmal die dem Inhalte eng anliegende Dotterhaut und zweitens die wesentlich festere Schalen-
haut. Erstere ist eine sehr dünne glashelle Membran, letztere ist etwas derber, gelblich gefärbt, sonst aber
homogen und ohne irgendwelche Skulptiiren. Der Inhalt selbst besteht aus grossen, bräunlich-gelben
Dotterkugeln, die so dicht zusammengedrängt sind, dass man die Umrisse des Keimbläschens nicht zu
sehen vermag.
Da das Ei im Mutterleibe oder in dem anhängenden Gallertpfropfe sieh entwickeU, ist seine geringere
Widerstandsfähigkeit gegen direkte äussere Einflüsse von vorn herein begreiflich. Setzt man das dem
mütterlichen Körper entnommene Ei der Kälte aus, wie ich es gethan, so geht es ebenso unfehlbar zu
Grunde, wie wenn man eine Wärme von mehr als 25« Gels, direkt auf dasselbe einwirken lässt. Es stü-bt
schon nach kurzer Zeit in verdünntem Alkohol (107o), m einem Gemisch von Glycerin und Wasser, in einer
3procent. Salzlösung oder in einer schwachen Pikrin- und Chromsäurelösung. Auch im Wasser verliert es
sehr bald seine Entwicklungsfähigkeit, und ebensowenig ist es im Stande, ein Austi-ocknen auf dem Objekt-
träger zu überdauern. Hinsichtlich des Wassers scheinen sich übrigens die verschiedenen Altersstufen ver-
schieden zu verhalten. Eier, die noch in Furchuug begriffen sind, gehen darin sehr bald zu Grunde,
solche, die dagegen schon ältere Embryonen einschliessen, entwickeln sich normal, bis die jungen ^^ ünner
ausschlüpfen.
Etwas mehr Resistenzfähigkeit zeigen die Eier, wenn die mütterliche Hülle sie noch umschliesst,
allein schon eine geringe Kälte, höhere Wärme und alle oben angeführten Reagentien und noch andere, wie
Kalkwasser, Alaunlösung, führen, wenn sie eine längere Zeit direkt einwirken, zu demselben Resultate, dem
Tode. Unumgänglich nothwendig ist ihnen eine bestimmte Menge von Feuchtigkeit imd Wärme, die sie
unter natürlichen Verhältnissen auch kaum entbehren. Ein Austrocknen vermögen die Eier weder innerhalb
noch ausserhalb der Brutkapsel zu ertragen.
Um zu meinen Untersuchungen die Eier möglichst lange lebendig zu erhalten, brachte ich dieselben
in eine ä/4procent. Kochsalzlösung, in der die Entwicklung völlig normal von Statten ging.
Die ersten Veränderungen, die am Eie vor sich gehen, bestehen, nachdem die Dottermasse sich von
der Schale etwas zurückgezogen hat, in eigenthümlichen amöboiden Bewegungen des Eiinhaltes, wobei sich
bald hier, bald dort, meist in der Nähe der Pole, kleine unregelmässige Erhebungen zeigen, welche die
anliegende Dotterhaut vor sich hertreiben. Sind diese Protuberanzen wieder verschwvmden, und das währt
nicht lange, dann begimit die Metamorphose des Kernes.
Bei der Grobkörnigkeit und vollkommenen Undurchsichtigkeit des Dotters ist es mir aber trotz
Anwendung von Glycerin und Essigsäure nicht möglich gewesen, diesen Vorgang klar zu Gesicht zu be-
kommen; doch ist es mir nicht zweifelhaft, dass der Vorgang in der gleichen Weise ablaufen wird, wie bei
anderen Nematoden, wo er so eingehend von Auerbach und Bütschli studiert wurde.
Das, was ich bei Heterodera hierüber ermitteln konnte, ist folgendes. Der Kern, der als heller Fleck
bis dahin sichtbar war, verschwindet sehr bald, und statt seiner erscheint ein schmaler Sti-eifen, der in der
Längsachse des Eies hinzieht und an seinen beiden Enden jetzt gleichfalls eine lichtere Stelle zum Vorscheine
kommen lässt. Hat man ein günstiges Objekt vor Augen, so bemerkt man, dass sich dieser Sti-eifeu aus einer
5
—c-dctl 34 ©X—
Anzahl dünner plasmatischer Fäden zusammensetzt, die in der Mitte etw;is auseinanderweichen, während
sie nach vorn und hinten konvergieren. Eine Verdickung der Fäden im Aequator zu einer Aequatorialplatte
nnd eine Strahlenligur an den Enden der Kernspindel Hess sich der Undeutlichkeit der ganzen Erscheinung
wegen nicht nachweisen, obwohl ich davon überzeugt bin, dass sie, die nie fehlen, und die ich bei Ascaris
wie Strongylus sehr hübsch beobachten konnte, auch hier vorhanden sind. Sehr klar sieht man aber
immer nach diesem Prozesse ein Richtungskörperchen'') auftreten. Dasselbe, von ovaler Gestalt, liegt nie
an einem der beiden Pole, sondern stets an der konkaven Seite des Eies, da, wo nunmehr sich die erste
Furche zeigt. Zu derselben Zeit entsteht nämlich an jener Stelle eine kleine Grrube, die, anfangs seicht,
sich immer mehr vertieft, bis sie mit einer Einbuchtung auf der entgegengesetzten Seite sich vereinigt und
ringförmig zuletzt die gesammte Dottermasse in zwei Theile zerfällt. Die beiden so entstandenen Furchungs-
kiigeln haben beinahe stets dasselbe Volumen, oder weichen in ihrer Grösse doch so unbedeutend von
einander ab, dass die diesbezügliche Differenz erst bei ganz genauem Zusehen autfällt.'') Goette'*) sowohl
wie Hallezi5) haben neuerdings die Behauptung aufgestellt, dass die beiden ersten Furchungs kugeln nicht
nur quantitativ, sondern auch qualitativ verschieden seien, dass mit ihrem Auftreten schon eine mor-
phologische Differenzierung zu Stande gekommen sei, indem aus der einen, gewöhnlich der grösseren, sich
das Ektoderm, aus der anderen, meist der kleineren, das Entoderm hervorbilde. Habe ich auch nicht
häufig Gelegenheit gehabt, der Segmentation des Eies unserer Heterodera soweit folgen zu können, als es
für die Beurtheilung dieses Punktes noth wendig erscheint, so vermag ich doch nach diesen wenigen Fällen
und mit Bezugnahme auf meine Beobachtungen bei Strongylus die Richtigkeit dieser Anschauung zu be-
stätigen. Hier wie dort geht nicht nur aus dem einen Theilstücke das Ektoderm und aus dem anderen das
Entoderm hervor, sondern beide stimmen auch in topologischer Hinsicht insofern überein, als das eine durch
seine Lage das spätere Kopfende, das andere das spätere Schwanzende des Embryo bezeichnet.
Weniger jedoch vermag ich Hallez^^) beizupflichten, wenn er meint, die Furchung erfolge bei allen
Nematoden, ja bei allen Thieren, nach einer Schablone, insofern ah die Furchungskugeln zu einander
immer ein imd dieselbe Stellung einnähmen. Gewiss leuchtet es Jedermann ein, dass, wenn in einem
gegebenen Räume eine fast gleich grosse Masse allmählich in eine Summe von Theilstücken zerfällt, imd
diese darnach wieder in mehrere Schichten sich gruppieren sollen, noth wendig eine Dislokation derselben
stattfinden muss; dass aber dieser Zerfall immer und überall in der gleichen Weise vor sich gehen müsse,
lässt sich ohne Weiteres nicht einsehen. Würdigt man bei den Nematoden die Begrenzungswände des
Eies einer Berücksichtigung, so kann man sich angesichts der daran zu beobachtenden Mannigfaltigkeit in
Gestalt, Grösse und Festigkeit nicht der Meinung entschlagen, dass diese Hüllen, je nach Form und Rigidität,
die Lagerung der Furchungskugeln zu beeinflussen vermöchten. Und in der That sprechen unbefangene
Beobachtungen ganz zu deren Gunsten. Die Gestalt der Eischale bei Heterodera ist nicht rund oder oval,
wie beispielsweise bei Ascaris lumbricoides und mystax, sondern beträchtlich in die Länge gestreckt; dadurch
ist der Raum seitlich hier weit mehr beschränkt als dort, und infolge dessen ist auch die Lagerung der
Kugeln nicht die gleiche, wie bei jenen Rundwürmern. — Schon bei dem nächsten Stadium, das auf den
Zerfall in 2 Blastomeren folgt, bei der Dreitheilung'=), zeigt sich dies ganz deutlich. Hallez behauptet, dass
a) Taf. 2. Fig. 33. h) Taf. 2. Fig. 34 u. 35. c) Taf. 2. Fig. 36.
— oc@ 35 ©wo-
nach diesem \'orgauge die drei Theilstücke sich derart zu einander stellten, das» eine T-formige Figur zu
Stande komme. Bei Heterodera ist dies nie der Fall; -immer sind die beiden Furchungsebenen senkrecht
zu der Längsachse des Eies gerichtet. Die Grösse der drei Kugeln ist natürlich, da sich nur eine der zwei
ursprünglichen getheilt hat, verschieden. Eine Orientierungsperiode findet auch nicht statt; denn die
Lagerung derselben bleibt solange konstant, bis durch eine erneute Einschnürung eine Viertheilung eintritt.
Li diesem Stadium") kann die Stellung eine sehr wechselnde sein. Gewöhnlich läuft die dritte Ebene dann
wieder parallel mit den beiden anderen, manchmal jedoch kommt es vor, dass die mittlere der Kugeln sich
senki'echt zu den andern zwei theilt; nicht selten sogar rücken eine oder auch zwei aus ihrer axialen Lage
und schieben sich seitlich über die anderen hinüber. Alle diese Fälle bestehen selbstständig neben einander,
ohne dass der eine die Folge des anderen wäre, und ich kann, da ich die Bildung der Kugeln zu be-
obachten vermochte, in keinem _ der Bilder ein bloses Stadium der Orientierung erblicken. — Wie sich
schon aus der mannigfachen Gruppierung der vier Theilstücke ergiebt, geht die Variation in der Lagerung
der Kugeln mit fortschreitender Klüftung noch weiter. Meist theilen sich jetzt die den Polen zunächst
gelegenen Stücke, und zwar beide zugleich oder die eine vor der anderen. Ebenso begegnet man auch
Eiern, in denen nur die eine der Polkugeln und die ihr benachbarte eine Klüftung eingeht, während die
beiden anderen noch eine Zeitlang ihre frühere Gestalt und Grösse bewahren. Kurz es treten bei der
Sechs-, Acht- und Zehntheilung so verschiedene Stellungen auf, dass es zu weit führen wlü'de, alle Modi-
fikationen eingehend zu schildern. In den beistehenden Abbildungen'') habe ich einige solcher Stadien
darzustellen versucht.
Ist nun die gesammte Dottermasse durch eine inaequale Segmentation in eine Reihe Furchungs-
baUen zerfallen, so zeigt es sich, dass die gegen die konvexe Schalenseite hin gelagerten an Zahl die der
konkaven Seite zugekehrten wesentlich überwiegen. Erstere, Derivate der primären Ektodermkugel, sind
infolge ihrer lebhafteren Proliferation bedeutend kleiner geworden, während letztere, Abkömmlinge der er.sten
Entodermkugel , sich langsamer theilten und dadurch einen beträchtlicheren Umfang bewahrten. In ihrer
Beschaffenheit gleichen sich nocli alle vollkommen; noch immer ist der Reichthum an Dotterpartikeln überall
so gross, und das zwischen diesen eingeschlossene Protoplasma so spärlich, dass durch die noch weiter-
schreitende Theilung der Inhalt des Eies immer dunkler und die Contouren der Segmente undeutlicher wei'den.
Unterwirft man ein solches Ei, das seine Klüftung nahezu vollendet hat, einer Betrachtung bei auf-
fallendem Lichte, so gewahrt man, wie die grösseren Blastomeren nach und nach in dem Maasse verschwinden,
als die kleineren sich über dieselben von der dorsalen Seite aus ausbreiten. Wie bei Ascaris nigrovenosa
und Sti'ongylus paradoxus sind es auch hier , bei Heterodera , zuerst die gegen das spätere Kopfende ge-
legenen ektodermalen Kugeln, welche sich gegen den Bauch hin umschlagen, und erst diesen folgen von
den Seiten und dem entgegengesetzten Pole her die anderen nach. Der ganze Vorgang der Umhüllung
verläuft in der Regel so rasch, dass es schwer hält, die V^erwachsung der die Ektodermkappe begrenzenden
Ränder auf der Bauchfläche zu beobachten. Soweit ich diesen Prozess verfolgen konnte, beginnt derselbe
am hinteren Ende des Keimes und rückt von da in der ventralen Medianlinie nach vorn vor, wo zuletzt
eine Lücke zurückbleibt, die, anfangs keilförmig und ziemlich gross, nachher zu einer kleinen, rund-
a) Taf. 2. Fig. 37—40. b) Taf. ± Fig. 41—50.
— !X<§) 36 ©xj—
liehen Oeffniing sich verengt. Dass es übrigens wirklich der aborale Pol ist, an dem der Verschluss der
äusseren Schicht zuerst stattfindet, beweisen jene durch eine stärkere Hervorwölbung charakterisierten
Zellen, die Groette**) bereits bei Ascaris nigrovenosa beschrieb und, ohne ihnen mit Recht eine besondere
morphologische Bedeutung zu vindicieren, „Schwanzzellen" benannte.") Allerdings zeigen sich, wie ich mich
ziu' Genüge überzeugen konnte, auch an dem Vorderende ähnliche Gebilde, allein ihre Prominenz ist keine
so beträchtliche wie dort, und ausserdem sind sie nie wie jene in der Mehrzahl, sondern stets nur zu
zweien vorhanden.
Das Stadium, welches der Embryo nach solchen Umformungen präsentiert, ist nichts anderes,
als eine epibolische Gastrula oder, wie wir sie als solche besser bezeichnen können, eine SteiTogastrula.
Jener rundliche Spalt bildet den Ueberrest des Prostoma, das ursprünglich, wenn auch niu- ganz vorüber-
gehend, sich über die gesammte ventrale Fläche ausdehnte.'')
Deutlicher als früher lassen sich jetzt auch die beiden Keimblätter erkennen. Denn nicht niu-, dass
die Elemente der äusseren und der inneren Lage ihrem Volumen nach wesentlich verschieden sind, und in
den Ektodermzellen das Protoplasma über die Dottertheilchen mehr und mehr prävaliert, auch die Art
ihrer Zusammentiigung trägt bestimmte Unterschiede zur Schau. Während die Ektodermzellen eine poly-
gonale Form angenommen haben und somit bereits einen epithelialen Charakter aufweisen, ist der grössere
Theil der Entodermzellen in zwei Reihen angeordnet und zeigt eine bedeutende Streckung nach derjenigen
Richtung, die parallel mit der Längsachse des Keimes verläuft. Eine Ausnahme hiervon machen in
Bezug auf Aussehen und Lage ein Paar Zellen, die am Hinterende des Entoderms zwischen dieses und die
Aussenschicht sich drängen, indem sie dadurch zugleich die ausserordentlich schmale Leiheshöhle an jener
Stelle etwas erweitern. Ursprünglich in derselben Ebene gelegen, wie die übrigen Entodei'melemente, haben
sie sich bald, schon während des ektodermalen Umwachsungsprozesses, von diesen losgelöst und somit
frühe eine gewisse Selbstständigkeit erlangt. Sie stellen die Urmesoblasten") dar, die bestimmt sind, die
mittlere Keimlage zu liefern. Goette war der erste, der dieselben bei Nematoden nachwies, doch sind sie
bei anderen Thiergruppen bereits bekannt gewesen. Neuere Untersuchungen haben dargethan, dass dieselben
überhaupt eine weite Verbreitung besitzen. Von Bedeutung und Interesse scheint es, wie das von anderen
Forschern schon hervorgehoben wurde, dass sie von vornherein eine seitlich-symmetrische Stellung ein-
halten, die schon frühe eine Orientierung über die Körperebenen gestattet. Ueberall, wo sie auftreten,
haben sie eine relativ gleiche Lagerung; immer lässt sich zwischen ihnen die Medianebene hindurch legen,
die den Embryo in zwei spiegelbildlich adäquate Hälften spaltet.
Sobald mit der Anlage der Keimblätter die Bedhigiuigen für die Ausbildung der einzelnen Organ-
systeme gegeben sind, geht deren Differenzierung sehr rasch vor sich. Das Prostom, '^) das wir noch am
Ende der Gastrulaperiode als eme kleine spaltartige Oeffnung beobachteten, schliesst sich schon nach
kurzer Zeit durch Zusammenrücken seiner Ränder. Gleich danach kommt es am vorderen Theile des
plumpen, walzenförmigen Embryo zur Bildung des Mundes. Der Ort, wo dieser in Gestalt eines flachen
Grübchens erscheint, fällt mit der Verschlussstelle des Prostoms fast völlig zusammen. Die Ektodermzellen
stülpen sich hier ein, indem sie diejenigen ihrer Elemente die das Prostom zuletzt begrenzten, vor sich
a) Taf. 2. Fig. 53. b) Taf. 2. Fig. 51. c) Taf. 2. Fig. 53. d) Taf. 2. Fig. 52. u. Taf. 2. Fig. 51.
herschieben; sie wuchern gegen die grösseren, gelben, durchsichtigen Entodermzellen und erzeugen so einen
Theil des Stomadaeum , die beiden vorderen Abschnitte des Oesophagus. Auch an dem Hinterende, das
bereits durch eine stärkere Rundung sich vor dem Kopfende auszeichnet, und die charaiiteristischen Schwanz-
zellen nicht mehr erkennen lässt, zeigt sich eine kleine, wenig tiefgehende Invagination , die zur Bildung
des Afters und des Rectum oder Proctodaeum führt. Die beiden ersten Abschnitte des Schlundrohres und
der Mastdarm sind also bei Heterodera, und ebenso bei Strongylus, Derivate des Ektoderms, wie ich in
Uebereinstimmung mit Natanson ^^) und Ganin i*) gegen Goette betonen möchte, während der letzte Oeso-
phagealabschnitt und der Mitteldarm dem Entoderme entspringen.
Die Leibeshöhle, die vorher kaum sichtbar war, und nur da, wo die Mesoblasten sich einlagerten,
als ein feiner Spalt wahrzunehmen war, erhält nun gleichfalls, in dem Grade, wie die mittlere Keimschicht
sich ausbreitet , ein beträchtlicheres Lumen. Zu dieser Zeit vermag man nämlich , weniger deutlich bei
Heterodera, sehr klar dagegen bei Strongylus, zwei einreihige Streifen*) zu ei-kennen, die von den beiden
Mesoblasten ausgehen und sich dicht an das Entoderm anschmiegen. Ihre Elemente haben eine grob-
körnige Beschaffenheit, sind dunkel und anfangs nur in geringer Zahl (meist zu 6 oder 7 auf beiden Seiten)
nachzuweisen.
Die Art und Weise, in welcher diese Streifen bei den Nematoden aufti-eten, imd ihre Lagerung zu
den beiden primären Blättern hat eine grosse Aehnlichkeit mit den Verhältnissen, die wir bei einigen Anne-
liden nach den Untersuchimgen von Kowalevski, Hatschek u. A. kennen lernten. Wie dort, nehmen dieselben
hier ihren Ursprung von zwei Zellen, die sich bald von der mittleren Keimschicht abspalten, um dann in der-
selben Gruppierung von hinten gegen den Mundpol vorzurücken. Allein gemäss dem wesentlich verschiedenen,
metameren Baue der Gliederwürmer, ist das weitere Schicksal des Mesoderms ein anderes, als bei den
Nematoden. Es liegt mir desshalb auch fern, mit diesem Hinweise mehr als eine gewisse Uebereinstimmung
in dem ersten Entstehen der Streifen hervorheben zu wollen, zumal die gleiche Erscheinung auch bei ganz
fernstehenden Thierklassen und Ordnungen nachweisbar ist.
Mit der Anlage des Mesoderms in Form zweier Stränge , des Darmes , dessen Zellen sich durch
Quertheilung wesentlich vermehrt haben, und der aus dem Ektodermüberzuge bestehenden äusseren Körper-
wand, vertauscht der Embryo nun seine plumpe Form allmählich mit einer mehr schlanken, cylin-
drischen Gestalt. Er wächst zusehends, infolge der Proliferation des Ektodenus und einer gleichzeitigen
Streckung der Entodermzellen, in die Länge. Da aber die Eischale ihm einen Widerstand entgegensetzt,
wird er gezwungen, sich zusammenzuknicken. Die Biegung erfolgt immer nach der Bauchfläche, indem
das Schwanzende sich gegen die Ventralseite umschlägt, während das noch keulenförmige Kopfende seine
Lage an dem einen Pole beibehält. Je weiter die Längsdehnung fortschreitet, um so zahlreicher werden
die Krümmungen, bis endlich der junge Wurm, nach Abschluss seiner Wachsthumsperiode, in drei oder vier
Windungen aufgerollt in seiner Hülle liegt.'') Die Stellung, die diese Schlingen zu einander und zur
Eischale einehmen, ist ziemlich konstant. Trotz der unterdessen eingetretenen regen Beweglichkeit, wobei
sich Kopf und Schwanz wechselnd bald nach oben, bald nach unten verschieben, laufen die Windungen
meist mit der Längsachse des Eies parallel.
a) Taf. 2. Fig. 54. b) Taf. 2. Fig. 55.
-«@ 38 @«-
Hand in Hand mit diesen allgemeinen Wachsthumsvorgängen geht die Sonderung im Innern
immer weiter. Wenn die verschiedenen Abschnitte des Darmes unter sich in Verbindung getreten sind,
verschwmden auch die Mesodermstreifen, indem sie durch Vermehrung und Verschmelzung ihrer Elemente
einer dicken Zellenmasse Platz machen, welche schliesslich die ganze Bauchfläche zwischen der äusseren und
inneren Schicht einnimmt, und von da auf beiden Seiten gegen den Rücken vorrückt. Nach Analogie der
entsprechenden Verhältnisse bei anderen Thierklassen könnte man mit einigem Rechte der Vermuthuug Raum
geben, dass sich dieselbe in die gesammte Muskulatur umbilde. Da jedoch der junge Wurm bereits mehr
oder minder kräftige Bewegungen zeigt, wenn die Mesodermstreifen erst aus wenigen Zellen bestehen, so
scheint die Annahme einer Betheiliginig auch des Ektoderms am Aufbau des Muskelapparates nicht ausge-
schlossen, schon desshalb nicht, weil wir noch jüngst durch Kleinenberg's Untersuchungen über Lepado-
rhynchus erfahren haben, dass bei diesem Anneliden, aller herkömmlichen Anschauung zuwider, das äussere
Blatt au der Bildung der Muskulatur einen sehr wesentlichen Antheil nimmt. Den strikten Beweis freilich
kann ich ebensowenig dafür beibringen, wie Goette, wenn dieser die Lokomotionsfähigkeit auf amöboide
Bewegungen des primitiven Ektoderms zurückzuführen sucht.
Die einzelnen Elemente der Mittelschicht entziehen sich mit deren grösserer Entfaltimg fortan
einer weiteren Beobachtung. Dagegen erscheinen jetzt zwei eigenthümliche Gebilde schärfer und deutlicher,
die nahe der Mitte der Bauchwand zwischen Ekto- und Entoderm sich finden. Es erinnern diese Köi-per
an ähnliche Zellen, die Ganin^^) bei Peloderes und Goette^*) bei Ascaris nigrovenosa ei'wähnen. Wie dort
haben sie bei Heterodera und auch bei Strongylus eine symmetrische Lage, und ebenso besitzen sie einen
hellen granulierten Inhalt. Anfangs blieb mir das Wesen derselben verborgen, doch hat mich später ihre
Genese wie ihr ferneres Schicksal belehrt, dass wir es in ihnen mit den Geschlechtszellen zu thun haben.
Betrachtet man die Mesodermstreifen kurz nach ihrem Erscheinen mit einiger Sorgfalt, so bemerkt man,
dass gewöhnlich auf beiden Seiten eine ihrer Zellen, meist die dritte oder vierte von den Mesoblasten aus,
durch Rundung und Grösse vor den anderen sich auszeichnet. Diese beiden Gebilde scheiden sehr bald
aus dem Verbände der Stränge aus, und kommen dann an die oben bezeichnete Stelle zu liegen, ohne dass
sie zunächst eine weitere Veränderung erleiden. Nach und nach aber rücken sie näher an einander.
Nicht lange darauf trift't man daselbst einen ovalen Körper, der in seinem hellen Protoplasma zwei deutliche
Kerne einschliesst. ■■") Sowohl nach seiner Lage, die mit derjenigen der Genitalanlage des fertigen Thieres
vollkommen identisch ist, wie im Hinblick auf den Umstand, dass ich auch in den jüngsten Stadien der
letztern dieselbe Kernzahl vorfand, wird die Richtigkeit meiner Deutung kaum bezweifelt werden können.
Die mittlei'e Keimschicht ist also, wie wir sehen, als sekundäres Blatt nicht nur ihrer Entstehung
nach die letzte, sondern auch diejenige, die sich am spätesten und am langsamsten diflerenziert. Hat sich
aber auch an ihr einmal die Sonderung der lu-sprünglichen Bestandtheile bis zu einem gewissen Grade
vollzogen, dann beruhen die Vorgänge, die sich weiter noch am Embryo abspielen, hauptsächlich in der
histogenetischen Ausbildung seiner Organe.
Was zunächst den Darmti-aktus anbelangt, so grenzt dieser sich nunmehr schärfer ab. Ealls die
in der Leibeshöhle in Menge vertheilten dunkeln Körnchen es erlaul)oii, lassen sich bei unserer Heterodera
a.) Taf. 2. Fi»
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die drei Abtheilungen des Oesophagus sehr gut unterscheiden. ]\Iau gewahrt dann deutlich , duss das
Oesophagealrohr keinen geraden Verlauf mehr hat, sondern einen geschlängelten, und erblickt in seinem
Innern den korkzieherartig gewundenen, dreikantigen Chitinkanal. Am Vorderende tritt bald darauf der
charakteristische Stachel auf. Anfangs bildet derselbe eine blose Verdickung des Chitinrohres, allmählich
aber trennt er sich von diesem ab, indem er sich an seiner Basis kugelig verdickt. Diese Anschwellung
spaltet sich dann wieder in drei Knöpfe, die hakenförmig nach oben, wie die Arme eines Ankers, gebogen
sind. Der zweite Abschnitt des Oesophagus nimmt mit dem ersten zugleich seine bleibende Gestalt an;
er erweist sich als ein kugeliger Bulbus mit centralem Zahnapparate und radiärgestellten Muskeln. In der
dritten Abtheilung erscheinen nach vind nach in der körneligen Masse die grossen Kerne, während die
Zellwände, wie im Vordertheile, zu Grunde gehen. Der eigentliche Darm verändert sich im Verlaufe der
Entwicklung sehr wenig. Seine Zellen werden kleiner, behalten aber ihre Farbe und Gestalt bei. Wie das
gesammte Verdauungsrohr, umgiebt sich derselbe aussen mit einer hellen, chitinigen Membran. Auch der
Mastdarm bewahrt im Ganzen seine Form; er bekleidet sich mit einer Chitinhaut und wird wesentlich
enger, wobei sich seine Epithelelemente so sehr verkleinern, dass man sie nicht mehr nachweisen kann.
Mittlerweile hat auch die Ektodermlage eine glatte elastische Cuticula um den immer schlanker
werdenden Wurm abgeschieden. Man sieht dieselbe schon dann, wenn die Schwanzspitze sich eben erst um-
geknickt hat, als eine äusserst feine, homogene und sehr nachgiebige Hülle der Körperwand anliegen.
Nach und nach nimmt sie an Festigkeit zu. Nachdem die Differenzen im Körperdurchmesser sich ausge-
glichen haben, tritt nicht nur ihre Querringelung deutlich hervor, sondern es erscheinen an den beiden Seiten
auch die breiten Lateralfelder. Das Hinterende verändert sich zu einem konischen , ziemlich spitzen
Schwänze, während am Vorderende, das seine keulenförmige Gestalt verloren hat, durch Einfaltung der
Cuticula eine Kuppe , die Kopfkappe mit der in der Mitte gelegenen Mundöffnung , zu Stande kommt,
Durch die pellucide Leibeshöhle kann man sich jetzt auch leicht von der Anwesenheit eines Exkretions-
gefässes mit dem Porus excretorius auf der Medianlinie des Bauches überzeugen. Ebenso bemerkt man
bei einiger Aufmerksamkeit den Schlundring dicht hinter dem Bulbus des Oesophagus. Ueber die Ent-
stehung des ersteren Gebildes hat>e ich mir leider keinen Aufschluss verschaffen können; das letztere
dagegen scheint aus einer ektodermalen Wucherung hervorzugehen, die sich kurz nach der Invagination
der äusseren Schicht in Form eines ringförmigen breiten Wulstes um das vordere Darnirohr herumschlingt.
Was schliesslich die Genitalanlage betrifft, so habe ich mich über deren Zustandekommen schon aus-
gesprochen; ich will hier nur noch einmal bemerken, dass sie eine ovale Protoplasmamasse dai'stellt, die
dem Tractus intestinalis auf der ventralen Seite aufliegt und im Profile eine flache Wölbung gegen die
Körperwand hin zeigt. Sie besitzt anfänglich zwei Kerne und ist von einer dünnen, aber deutlich sichtbaren
Membran umschlossen.
Nachdem der Embryo auf diese Weise seine volle Ausbildung erlangt hat und mit allen Organen
ausgerüstet ist, die ihn zu einem selbständigen Leben befähigen, wirft er zunächst noch, wie das auch bei
anderen Arten beobachtet ist, die alte Cuticula ab, die oft am Kopfe und Schwänze wie ein Futteral hervor-
ragt. Sind Feuchtigkeit und Wärme, die Hauptbedingungen für sein Fortkommen, vorhanden, so sprengt
er unter lebhaften, schlängelnden Bewegungen die Eischale imd gelangt darauf in das Innere der Mutter,
die während seines Entstehens bereits über ihm abgestorben ist und ihn jetzt nur noch als Schutzhülle
-»^ 40 ©XI-
umgiebt. Hier verharrt der junge Wurm nur kiu-ze Zeit; er schlüpft sehr bald durch die Vulva aus und
macht dann als echter Schmarotzer innerhalb der Wurzel eine zweite Entwicklungsphase durch, vermöge
deren er sich von der geschlechtslosen Larve zum Geschlechtsthiere umwandelt.
Die postembryonale Entwicklung.
Die postembryonale Entwicklung unserer Heterodera geschieht, wie die der meisten Nematoden,
vermittelst einer Metamorphose. Allein während dieser Bildungsprozess gewöhnlich in ziemlich einfacher
Weise verläuft, indem die geschlechtslosen Formen unter mehr oder minder zahlreichen Häutungen direkt
in die geschlechtlichen Individuen übergeführt werden, gestaltet sich hier die Metamorphose wesentlich
komplizierter. Denn nicht nur, dass wir aus den freilebenden beweglichen Larven eine weitere sessile und
parasitäre Form hervorgehen sehen, auch die Art und Weise, wie sich aus dieser letzteren die Geschlechts-
thiere hervorbilden, ist eine so eigenthümliche, dass wii- uns vergeblich nach einem Analogen bei den übi-igen
Rundwürmern umschauen. Wie die nachfolgende Darstellung zeigt, entwickelt sich das Weibchen unserer
Heterodera niemals über die zweite Jugendform hinaus. Es behält deren Charaktere in Bau und Lebens-
weise bei, und kann demgeuiäss als ein Geschöpf aufgefasst werden, das bereits auf einer larvalen Stufe
zui- Geschlechtsreife gelangt und sich fortpflanzt. Beim Männchen vollzieht sich die Metamorphose anders
und weniger einfach. Hier folgt auf die zweite Larve noch em der Insektenpuppe vergleichbares Ruhe-
stadium, und erst daraus entsteht das agile, schlanke Geschlechtsthier.
Die ei'ste freilebende Larvenform, ■'') der wir uns zunächst zuwenden, stellt ein kleines, ca. 0,36 mm.
langes und 0,16 mm. dickes Würmchen dar, das die gewöhnliche cylindrische Nematodengestalt besitzt.
Sein hinteres Ende läuft in eine ziemlich lange, hinten etwas abgerundete, kegelförmige Schwanzspitze aus;
dem Vorderende hingegen sitzt die Kopfkappe auf, die in ihrem Baue mit derjenigen des Männchens völlig
übereinstimmt. Die Cuticula ist schön geringelt und zeigt zwei breite Lateralfelder, deren linkes das ein-
fache Exkretionsorgan aufnimmt. Durch die weite Leibeshöhle, die jedoch die Schwanzspitze nicht erreicht,
sondern bereits in einer Entfernung von etwa 0,04 mm. davor endet, zieht gestreckt der Darmtraktus mit
seinen drei Abschnitten, dem Oesophagus, dem eigentlichen Darme und dem Rectum. An seinem Anfange
trägt derselbe einen Stachel,") der hier, bei der Larve, gemäss seiner Aufgabe eine sehr bedeutende Aus-
bildung erfahren hat. Er hat durchschnittbch eine Grösse von 0,023 mm., ist hohl, verjüngt sich nach vom
und verdickt sich an seiner Basis zu drei deutlichen knopftormigen Anschwellungen, die durch ihre haken-
artigen Krümmungen nach oben von den entsprechenden Gebilden am Stachel des Männchens und Weibchens
deutlich verschieden sind. In seinem morphologischen, wie histologischen Verhalten zeigt der Digestions-
apparat sonst keine wesentlichen Differenzen von dem des männlichen Geschlechtsthiei-es. Nur mag hier
hervorgehoben werden , dass das innere Chitinrohr des ersten Oesophagealtheiles noch mehr als beim
a) Taf. 1. Fig. 18. b) Taf. 1. Fig. 20.
— <x® 41 @«^
Männchen spiralig aufgewunden erscheint, und der Darm, wie bei anderen kleinen Nematoden, aus zwei
Reihen Zellen zusammengesetzt ist, die durch das in ihnen angehäufte Dottermaterial ein glänzendes, gelbes
Aussehen haben. Meist ist auch die Leibeshöhle mit runden, bräunlichen Körnchen erfüllt, so dass oft
durch diese Trübung die Analyse der inneren Organisation erschwert wird. Besonders anselmUch ist
dieser Körnerreichthum, wenn die Larve eben erst die EihüUe verlassen hat; später dagegen verlieren sich
die Körnchen mehr nnd mehr. — Was die Muskulatur anbelangt, so bestehen deren Elemente, wie später,
aus spindelförmigen Zellen mit Mark- und kontraktiler Substanz, die in vier Feldern sich anordnen, und zu
fünf in je einem solchen Felde auftreten. Der deutliche Schlundring liegt in Form eines gleichmässig breiten
Bandes direkt hinter dem Bulbus. Den Porus excretorius trifft man in der Mittellinie des Bauches
imgefähr in der Höhe des hinteren Oesophagealendes. Ebenso findet sich auch die Genitalanlage auf der
ventralen Seite des Darmes etwas hinter der Körpermitte. Sie hat, wie schon früher bemerkt, eine ovale
Gestalt imd erweist sich als eine Protoplasmamasse mit ursprünglich zwei Kernen, die sich sehr bald zu
einer grösseren Anzahl vermehren.
Die Larve hat somit eine grosse Uebereinstimmung mit dem ausgebildeten Männchen, wie denn
überhaupt bei den dimorphen Nematoden das letztere gewöhnlich die Charaktere der geschlechtslosen Form
weit mehr bewahrt, als das Weibchen. Nehmen wir von dem Genitalapparate Abstand, so bestehen die
Unterschiede hauptsächlich in der Grösse, der Form des Schwanzes luid der Gestalt des Stachels.
Die Zeit, in der unser so organisiertes "\\'ürmchen der mütterlichen Brutkapsel entschlüpft, hängt
nicht allein, wie selbstverständlich, von der Ausbildung desselben ab, sondern auch von äusseren Um-
ständen. Wärme und Feuchtigkeit scheinen die Hauptfaktoren für sein Wanderleben zu sein. Erst wenn
diese Bedingungen erfüllt sind, verlässt es die schützende Hülle und windet sich unter schlängehaden Be-
wegmigen, beständig den Stachel vor- und rückwärts stossend, diu-ch die Erde, um eine geeignete Nährpflanze
zur Weiterentwicklung aufzusuchen. — Bei dem hohen Interesse, welches man schon seit langer Zeit
den Existenzbedingungen der Anguilluliden geschenkt hat, insbesondere auch der Fähigkeit einzelner Arten,
nach dem Austrocknen wieder aufzuleben — eine Erscheinung, die zuerst von Baker 1775 bei Tylenchus
ti-itici entdeckt wurde, und die Davainei^) später einer eingehenden Untersuchung unterwarf — hielt ich es
für angemessen, auch den Rübennematoden auf diese merkwürdige Eigenschaft zu prüfen.
Unsere Heterod«ra ist im Gegensatz zu vielen kleinen Rundwürmern, die an Pflanzen schmarotzen,
ein echter Wurzelparasit, der nur ganz kurze Zeit bei seiner Wanderung in der Erde verweilt, also nie
direkt dem wechselnden Feuchtigkeitsgehalte der Atmosphäre ausgesetzt ist, vielmehr gewöhnlich in
einem Medium lebt, dem eine gewisse Wassermenge zukommt. Wohl schon daraus lässt sich a priori
erschliessen, dass, wenn dieselbe überhaupt dem Mangel an Feuchtigkeit zu trotzen vermag, diese Fähigkeit
bei ihr an weit engere Grenzen gebunden sein wird , als bei ihren Verwandten. Und die Versuche
scheinen das zu bestätigen.
In der "N'oraussetzung, dass die Anwendung einfacher Mittel mir schon genügende Aufklärung über
diesen Punkt zu geben vermöchte, stand ich von der Benutzung einer Luftpumpe ab, zumal sehr ein-
gehende derartige Untersuchungen eine längere Zeit erfordern, als die war, über welche ich verfügen konnte.
Wie Pouchet bereits bei früheren anderweitigen Experimenten, bediente ich mich zimächst bei meinen
Versuchen eines einfachen Objektträgers. Auf diesen brachte ich das sich lebhaft schlängelnde Würmchen
6
— xig; 42 (5)x:—
mit einem Tropfen Wasser und Hess die Flüssigkeit nun langsam so weit verdunsten , bis auch mit dem
Mikroskope schliesslich keine Spur davon mejir nachzuweisen war. Würmchen, denen solcherart die Feuch-
tigkeit auf längere Dauer entzogen wurde, gelangten nie mehr zum Leben zurück. Bald stark gekrümmt,
bald lang gestreckt lagen sie regungslos da; die Haut war gefaltet, an Stelle der Darmzellen war eine
stark lichtbrechende, fettähnliche Substanz getreten. Dabei zeigten die Thiere infolge der allgemeinen
Schrumpfung eine solche Brüchigkeit, dass es nur eines gelinden Druckes bedurfte, um sie in eine Anzahl
Fragmente zei-fallen zu sehen. Um den etwaigen Einfluss der Zeitdauer zu kontrollieren, bewahrte ich
solche Präparate drei Wochen, selbst einen Monat auf; ich imtersuchte sie nach 6, 4, 2 und 1 Stunde; immer
konnte ich nichts, als den Tod der betreffenden Würmer konstatieren. Nur wenn ich nach kürzerer Frist
das verdampfte Wasser durch neues ersetzte, kehrte Beweglichkeit und Leben allmählich wieder zurück.
Einige weitere Experimente, in deren Verlauf ich die Larven theils in Uhrschälchen mit Erde setzte,
theils in kleine Cylindergläser brachte , die eine Erdschicht von verschiedener Höhe enthielten , ergaben,
sobald die Erde nach Wochen oder Tagen eine solche Trockenheit erlangt hatte, dass sie in pulverigen
Staub zerfiel, dasselbe negative Resultat.
Ich vermag demnach, diesen Beobachtungen zufolge, für Heterodera die Fähigkeit, nach einem
längeren Austrocknen wieder aufzuleben, nicht zu bestätigen; vielmehr erblicke ich in unseren Würmern
Anguilluliden , für die nicht nur ein bestimmter Wassergehalt der Umgebung nothwendig ist, sondern bei
denen das Minimum des Feuchtigkeitsbedürfnisses sogar ziemlich hoch gelegen ist.*)
Ebensowenig wie der Feuchtigkeit, können die Larven der Wärme entbehren; natürlich darf dabei
eine gewisse Grenze nach oben und unten nicht überschritten werden.
In meinen Zuchttöpfen fanden sich immer junge, lebenskräftige Würmer in Menge, obwohl die-
selben meist einer ziemlich beträchtlichen Insolation ausgesetzt waren. Auch directe Versuche bewiesen mir,
dass die Würmchen ohne irgendwelchen Schaden unter der Einwirkung einer Temperatur von 15 — 20" Geis.
fortzuleben vermögen, während eine Wärme von 35° Gels., ganz wie jeder Kältegrad, dieselben tödtet.
Gegen verschiedene Reagentien, deren Einfluss auf sie ich zu ermitteln suchte, verhielten sie sich gleichfalls
sehr wenig resistent. Mineralsäuren, wie verdünnte Schwefel- und Salzsäure (1:100) brachten ihnen den Tod,
nicht minder schwache Pikrinsäure-, Essigsäure- und Chromsäurelösungen, Lösungen von Kalk und Alaun
und Gemische von Glycerin. Am besten ertrugen sie reines Wasser. Ich hielt sie darin über 5 Wochen
lebendig, ohne dass sich ihre Zahl wesentlich vermindert hätte, wenn auch ihr Wachsthum aus Mangel einer
anderweitigen Nahrungsquelle als der früher angehäuften Reservestoffe, keinen Fortschritt machte. In
gleicher Weise gediehen sie in 1, 2 und selbst SVo Kochsalzlösung gut; in b"!» dagegen starben sie bereits
nach 2 Tagen ab.
*) Es wäre gewiss eine ebenso dankbare, wie interessante Arbeit, die Untersuchungen über das Desiccationsvermögen
einzelner Tbiere (Nematoden, Tardigraden und Rotatorien) von neuem und auf breiterer Basis, als es bisher geschehen ist,
zu wiederholen. Bei der grossen Rolle, welche das Wasser im Haushalt der Organismen spielt, ist es wohl selbstverständlich,
dass ein absolutes Austrocknen ebenso tödtlich ist, wie ein totales Einfrieren. Es kann sich desshalb natürlich nur um eine
periodische Trockenstarre handeln, in Correspondenz mit den ähnlichen Erscheinungen des Winter- und Sommerschlafes. Bis jetzt
ist es noch nicht versucht worden, unter Berücksichtigung aller Nebenumstände, die Grenzen der unumgänglich nothwendigen
Feuchtigkeitsmenge sowohl für die verschiedenen Arten, wie für die verschiedenen Altersstufen der Individuen genau festzustellen
und etwa vermittelst eines Curvensystems anschaulich zu machen.
-o«S) 43 @>o-
Wie sich hieraus ergiebt, besitzt also die Larve von Heterodera eine weit geringere A\'iderstandski-aft,
als z. B. das Weizenälchen, welches Davaine in dieser Hinsicht sehr eingehend untersuchte. Dieser Umstand
hat jedoch nichts auffallendes, wenn man die verschiedene Lebensweise beider Würmer vergleicht. Anguillula
tritici schmarotzt nicht wie Heterodera unterirdisch, sondern bewohnt bekanntlich die Aehren des Weizens.
Zwar bieten die Aehrenhülsen ihm sicherlich einen wesentlichen Schutz vor mancherlei Unbilden, aber
gerade dieser Aufenthaltsort bedingt eben auch wieder eine grössere Abhängigkeit von der Nährpflanze.
Er setzt eine höhere Accomodationsfahigkeit an die Periodicität des Pflanzenlebens voraus, und diese besitzt
das Aeichen in seinem beträchtlichen Desiccationsvermögen.
Ich selbst habe bei meinen Versuclien hinsichtlich des liübennematoden vor allem den direkten
Einfluss der oben erwähnten Reagentien vor Augen gehabt, und ich betone das, um einer etwa irrigen
Meinimg diesbezüglich vorzubeugen. Wenn ich mich gegen die Fähigkeit eines längeren Austrocknens
aussprach, so habe ich nicht damit gesagt, dass jedwede Verminderung des Feuchtigkeitsgrades den Tod
der Würmer herbeiführen müsse. In der Natur liegen ja auch die Verhältnisse anders, als bei unserem
Experiment. Hier kommt es nie zu einer so hochgradigen Wasserentziehung, wie wir sie künstlich erzeugten.
Stets von einer beträchtlich hohen Erdschicht bedeckt, sind die jungen Larven dem Wechsel von Feuchtigkeit
und Wärme weniger ausgesetzt. Sie finden dort ein doppeltes Schutzmittel in der mütterlichen Chitin-
kapsel, die sie bis zum günstigsten Zeitpunkt für die W^auderung birgt, und in der sie umhüllenden Erde
selbst. Beide sind im Stande die unmittelbaren Einwirkungen mancher Schädlichkeiten zu verhindern, so
dass es uns auch nicht W^under zu nehmen braucht, wenn selbst starker Frost und grosse Hitze die
Thiere wenig oder gar nicht berühren.
Doch verfolgen wir noch diesem Exkiu's , den wir zur Eruirung der allgemeinen Lebenseigen-
schaften unternahmen, das fernere Schicksal miserer Larve!
Wenn dieselbe kürzere oder längere Zeit in der Erde sich aufgehalten hat, wobei sie ihre Nahrungs-
bedürfnisse theils von dem aus dem Eie mitgebrachten Dottermaterial, theils von der aufgenommenen
körnigen, zähen Innenmasse des Mutterthieres bestritt, wandert sie endlich in die Nährpflanze ein. Meist
ist es die ZuclvCiTübe , die unser Wm-m wählt, wie aber Kühn''') nachgewiesen hat, giebt es noch
eine sehr grosse Menge anderer Pflanzen , die mit mehr oder mmder grosser Vorliebe gleichfalls heim-
gesucht werden. Sobald eine geeignete Seitenwurzel gefunden ist — gewöhnlich werden Wurzeln von
1 mm. Dm-chmesser, seltener solche von geringerer Dimension dazu benutzt — bringt die Larve durch die
unausgesetzten Stossbewegungen des Stachels die derbe Epidermis der Pflanze zum Reissen, und nimmt
dann ihren Weg fast stets in tangentialer Richtung diu'ch das saftige, grosszelUge Parenchym. Das centrale
Leitbündel, das die Rübeiiwurzel der Länge nach durchzieht, bleibt dabei immer intakt, nur mit der Grössen-
zunahnie des Thieres wird es aus seiner normalen Lage etwas auf die Seite gedrängt. Meist geschieht
der Angriff in Masse, so dass die Wurzelfasern oft wie gespickt mit eindringenden Larven erscheinen.")
Sind letztere nach kurzem Wandern dicht unter der Rinde zur Ruhe gelangt, so machen sich schon nach
kurzer Zeit sehr wesentliche Veränderungen geltend, die mit einer zweiten Häutung anheben. Die alte Chitin-
a) Taf. 2. Fig. 32.
6*
—'X® 44 @x;—
hülle wird abgestreift"), und der Wurm verliert seine schlanke Gestallt; er schwillt zu einem plumpen
Gebilde an, das keinerlei Bewegungen mehr zu erkennen giebt.
Im Allgemeinen hat diese zweite Larvenform'') das Aussehen einer Flasche mit abgerundetem
Boden und einem halsartig verjüngten Vordertheile. Der Durchmesser des Flaschenkörpers ist bis gegen
das Hinterende beinahe überall derselbe, doch hält letzterer nicht immer einen geraden Verlauf ein, sondern
biegt sich bald nach links, bald nach rechts; nicht selten findet sich sogar gegen die Mitte eine starke Ein-
knickung"). Häufig sieht man auch dem Hintertheile die alte Larvenhaut noch anhaften, so dass es zuweilen
den Anschein hat, als ob derselbe spitz zulaufe. — Mit dem äusseren Habitus ist auch die Organisation
in manchen Stücken eine andere geworden. Die Kopfkappe ist geschwunden und an ihre Stelle ist ein
kleiner Chitinwulst getreten, der die Mundöffnung ringförmig umgiebt. Die Cuticula hat mit der Turgescenz
ihre Querringelung verloren und diese mit einer zarten Längsstreifung vertauscht. Von den breiten Lateral-
feldern ist keine Spur mehr sichtbar. Auch am Darmtraktus haben sich einige Umbildungen vollzogen.
Der alte Stachel ist zunächst durch einen neuen ersetzt worden, der an Stärke und Grösse hinter dem
früheren zurücksteht , und sich weiter auch durch den Besitz von kugeligen , nicht mehr hakenförmig
gekrümmten Verdickungen an der Basis au.szeichnet. Der Oesophagus hat seinen Bau im wesentlichen
beibehalten, dagegen ist der Darm zu einem weiten Sack geworden, der auf seiner Wandung nunmehr an
Stelle der grossen glänzenden Zellen, kleinere körnchenreiche Zellen von polyedi-ischer Gestalt trägt. Die
Chitinbekleidung des Mastdarmes hat sich, wie der vordere Theil des Exkretionsgefässes , gleichfalls
erneuert. Der After ist endständig geworden , und der Poi'us excretorius hat die Gestalt eines Trichters
angenommen. Die Muskeln lassen sich auf der Innenseite noch allenthalben nachweisen , aber bei der
Sessilität hat ihre Funktion vollkommen aufgehört.
Nach und nach bauscht sich der Larvenkörper unter der reichlichen Nahrungsaufnahme immer
stärker auf, sodass die Epidermis der Wurzel durch den wachsenden Druck allmählich nach aussen vor-
gewölbt wird, und das Thier als eine Art Cyste umhüllt. ■*) Als Galle lässt sich diese Bildung wohl kaum
auffassen , da es niemals an derselben zu einer Gewebswucherung kommt , sondern immer nur zu einer
starken Spannung der Zellenmembranen.
Bis zu dieser Zeit gleichen sich alle Individuen, sowohl in ihrer äusseren Gestalt, wie in ihrer
Organisation. Die Genitalanlage hat freilich inzwischen eine merkliche Ausdehnung erfahren; sie hat, wie
die Larve, an Länge und Breite zugenommen, aber eine wesentliche Umformung ist nicht eingetreten. Erst
wenn die Anschwellung ein bestimmtes Maximum erreicht hat, beginnen sich bei beiden Geschlechtern Unter-
schiede nach aussen und innen geltend zu machen Während bei einem Theile der Würmer — denjenigen,
die sich zu Männchen umwandeln — das Wachsthum sistiert, schreitet bei den anderen die Turgescenz
weiter fort. Bei diesen letzteren, welche sich sehr bald durch das Auftreten einer Vulva als Weibchen zu
erkennen geben, geht die gestreckt bauchige Form jetzt rasch in eine kugelige über. Dabei setzt sich
das halsförmige Vorderende gegen den übrigen Körper ziemlich schai'f ab, indem es sich zugleich nach
dem konvexeren Rücken hinkrümmt. Die Vulva") stellt anfangs einen kleinen, halbmondartigen Spalt dar,
der sich auf der ventralen Seite ganz in der NäJie des Afters findet. Mit der Grössenzunahmc rückt
a) Taf. 1. Fig. 19. b) Taf. 1. Fig. 21. c) Taf. 1. Fig. -22. d) Taf. 2. Fig. 28. e) Taf. 1. Fig. 17.
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dieselbe jedoch immer mehr an das Hintereade, wo sie nach und nach bedeutend sich aufwulstet und
zapfenförmig vorspringt. Der After ist dieser Dislocierung gefolgt und liegt schliesslich auf dem Rücken.
Hand in Hand damit nimmt die Genitalanlage auch ihre definitive Gestalt an. Sie streckt sich in die
Länge imd spaltet sich in ihrem oberen Theile durch eine tiefe Einsenkung in zwei Zipfel, die, zuerst gerade
gesti-eckt, in kiu'zer Zeit zu vielfach gewundenen Genitalschläuchen auswachsen. Ursprünglich besteht der
Inhalt dieser Zipfel aus einer Anzahl Kerne, die von einem hellen Protoplasma umschlossen werden. Mit der
Längsdehnung indessen tritt bald eine Differenzierung dieser Elemente ein, und nicht lange, so lassen sich
die drei Abschnitte, das Ovarium, der Eileiter und der Uterus, histologisch deutlich von einander unter-
scheiden, während der mit der Vulva in Verbindung stehende unpaai-e Theil jetzt als Vagina die Communi-
kation des Geschlechtsapparates mit der Aussenwelt herstellt. Auch die anderen Organe haben theilweise ein
verändertes Aussehen erhalten und ihre definitive Form erlangt. So hat sich die dünne Cuticula wesentlich
verdickt und auf ihrer Oberfläche mit querziehenden bald hohen, bald niedi-igen Höckerchen versehen, die
regellos in einander übergehen. Gewöhnlich ist dieselbe noch mit der alten Haut bedeckt, die in Fetzen
an ihr herabhängt und nichts anderes rej)räsentiert, als die Schmidt'sche subkrystallinische Schicht. Der
Darm hat sich gleichfalls in Uebereinstimmiuig mit der kugeligen Form des Körpers zu einem gewaltigen
Sacke erweitert und mit Nährmaterial derartig prall gefüllt, dass er das Lumen der Leibeshöhle fast gänzlich
in Anspruch nimmt. Die übrigen Organe, der Stachel, der Oesophagealtheil des Darmtraktus, das Exkre-
tionsgefäss, sind von diesen Veränderimgen nicht berührt worden; nur hinsichtlich der Muskeln sei bemerkt,
dass dieselben bei dem Mangel jeglicher Lokomotion degenerieren und schliesslich völlig zu Grunde gehen.
Bei der ausserordentlichen Turgescenz des weiblichen Thieres platzt nun auch sehr bald die Wurzel-
epidermis, die obwohl derb und elastisch, doch dem starken Drucke auf die Dauer nicht widerstehen kann.
Das Weibchen tritt dann mit seinem Hinterende aus der Wurzel heraus , während der Kopftheil noch in
dem Parenchym eingesenkt bleibt.") In dieser Lage wird an demselben aller Wahrscheinlichkeit nach der
Befruchtungsakt vollzogen, den zu beobachten mir leider nie geglückt ist.
Später, wenn die gesammten Organe zerfallen sind, und das Innere nur noch Eier und Larven birgt,
fällt das zu einer bräunlichen, pelluciden Brutkapsel gewordene Mutterthier '' ) von der Wurzel ab, um in
der Erde die Nachkommenschaft noch eine Zeit lang zu schützen.
Nicht selten kommt es übrigens gar nicht zu einem eigentlichen Entoparasitismus, besonders dann
nicht, wenn die angegriffenen Würzelchen einen sehr geringen Umfang besitzen. Die Thierchen dringen in
einem solchen Falle nur mit dem Kopftheile ein imd machen ihi-e Umwandlung ausserhalb als Ektoparasiten")
durch. Die schädlichen Einwirkungen auf die Pflanzen bleiben, was kaum erwähnt zu werden braucht,
natürlich dieselben.
Dass die Einwanderung nicht immer eine nothwendige Bedingung für die Entwicklung der Larven
ist, glaube ich daraus schliessen zu dürfen, dass es mir gelungen ist, Larven, die ich in ein Gefäss mit
humusreicher Erde ohne Pflanzen brachte, gleichfalls in ihre späteren Stadien überzuführen; ich fand in
solchen Zuchtapparaten sowohl Weibchen von völlig kugeliger Gestalt, wie Männchen, die, fast fertig aus-
gebildet, in der flaschenartigen zweiten Larvenhülle eingeschlossen lagen.
Taf. 2. Fig. 29. b) Taf. 2. Fig. 30. c) Taf. 2. Fig. 32.
—^c@ 46 ©>«-
Während die weiblichen Thiere nun, wie wir sahen, unter dauernder Vergrösserung ihres Vohimens
und ohne je die Nahrungsaufnahme zu unterbrechen, durch eine einfache Häutung aus der bewegungslosen,
zweiten Larve dkekt in die Geschlechtsform übergehen, verläuft der Bildungsprozess beim Männchen
wesentlich anders. Zu einer bestimmten Zeit sistiert hier nämlich nicht blos das Wachsthum der Larve,
sondern auch die weitere Zufuhr von Nahrimgsmaterial. Anstatt dass aber jetzt, wie man nach der Ent-
wicklung des Weibchens vermuthon könmite, die alte Hülle abgestossen wird, zieht sich der durch fettartige
Kugeln stark getrübte Inhalt von der Chitinwand zurück, nachdem er sich selbst mit einer neuen dünnen
und sehr nachgiebigen Membran umgeben hat. ") Anfangs besitzt dieses im Innern liegende Grebilde noch
eine plumpe Keulenform, gar bald indessen nimmt die Länge desselben auf Kosten der Breite zu, und die
ganze Masse formt sich in kurzer Zeit zu einem ziemlich schlanken cylindrischen Wurme von allenthall^en
gleichem Körperdiirchmesser. *>) Mit diesem Wachsthume hat auch die Verdunkelung durch die zahlreichen
Kügelchen nachgelassen, so dass man im Stande ist, den Bau unseres Thieres unschwer zu überbUcken vnid
die Neubildungen zu verfolgen.
Zunächst bemerken wir, dass die Cuticula dicker geworden ist und ihre glatte Beschaffenheit ver-
loren hat, indem sich nach und nach eine deutliche Querringehmg ausprägte. Gleichzeitig bemerkt man
das Auftreten der beiden Seitenfelder. An dem Vorderende bildet sich durch eine ringförmige Einschnürung
die Kopfkappe, und an dem Hinterende trennt eine seichte Furche die Schwanzpartie von dem übrigen
Körper. Was den Darmti'aktus anbelangt, so hat sich der vordere Abschnitt desselben kaum verändert, nm-
der Stachel ist durch einen neuen, kräftigeren ersetzt worden. Derselbe stellt auch hier, wie ich schon bei
der Larve hervorgehoben habe, anfangs eine blose Verdickung des inneren Oesophagealrohres dar. Seine
Wandungen werden allmählich fester, und an seiner Basis erscheinen dann die drei charakteristischen Knöpfe.
Der eigentliche Darmabschnitt hat mit der Längenausdehnung sein sackartiges Aussehen mit einer schlanken
Cylinderform vertauscht. Natürlich haben sich damit auch die Zellen seines Epithels auf eine geringere Zahl
reduciert. Mastdarm und der vordere Theil des Exkretionsgefässes sind wie der Stachel eine Häutung
eingegangen.
Die wesentlichste Umbildung hat aber der Geschlechtsapparat erfahren. Die vu'sprüngliche Genital-
anlage, die sich in nichts von der des Weibchens unterschied, ist unter lebhafter Vermelu'ung der Kei'ne,
gleich dem Darme, zu einer schlanken Röhre ausgewachsen, die oben blind endet und unten sich mit dem
Mastdarme vereinigt, wo in Form zweier anfänglich glaslieller Chitinlamellen '^) die beiden Spicula sichtbar
"werden. Der Inhalt der Genitalröhre differenziert sich sehr rasch. Im oberen Abschnitte unterscheidet man
rundliche, gekernte Protoplasmaballen, während weiter unten sich helle, kugelige Gebilde finden, die bereits
ausgebildeten Spermatozoon.
Je distinkter nun aber die Gestalt imseres Wm-mes geworden, und je weiter die Ausbildung seiner
Organe fortgeschritten ist, umsomehr hat auch seine Längenausdehnung zugenommen. Anfangs hält der
Wm-m innerhalb der alten Larvenhaut — demr als solche müssen wir die äussere Hülle deuten — noch
eine völlig gestreckte Lage ein, allein sehr bald beginnt er sich unter lebhaften Conti-aktioneu seiner Mus-
kulatur zu schlängeln; er krümmt sein Schwanzende um"*) und biegt sich, bis er schliesslich in 3 oder
a) Taf. 1. Fig. 23. b) Taf. 1. Fig. 24. c) Taf. 1. Fig. 24 u. 25. d) Taf. 1. Fig. 25.
— ix@ 47 <§p<—
4 Schlingen, die unter den lebhaften Bewegungen eine sehr wechselnde Stellung zu einander einnehmen,
gleich dem Embryo im Ei, in seiner Hülle aufgerollt liegt.'')
Dieses Stadium des jMännchens trifft man, wie das des Weibchens, im Innern der Wurzel.'') Allein
während das Weibchen durch seine Turgescenz die Epidermis zerreisst, bleibt liier die cystenartige, weit
flachere Erhebung immer intakt und kommt nie infolge eines Druckes von Seiten der Puppenhülle zum
Platzen. Erst wenn das fertige Männchen seine neue geringelte Haut abgestossen und darauf die schützende
Larvenhülle an der Spitze gesprengt hat, wird die Epidermis der Wurzel von ihm durch die stetigen
Bewegungen des Stachels durchbohrt. Das freigewordene Thier gelangt dann in die Erde und nimmt
seinen Weg zum Weibchen, um dasselbe zu befruchten. Ist dieser Akt vollzogen, so geht es sehr bald zu
Grunde. Dass man seine Ueberreste nicht selten später an oder in dem sogen. Eiersacke findet, ist schon
oben erwähnt worden. Schmidt, der zuerst ein ausgebildetes Männchen in der alten Larvenhaut beobachtete,
ohne seinen Bildungsprozess zu kennen, glaubte in dieser Hülle ein Aequivalent der bei vielen Nematoden
vorkommenden Cystenbildung vor sich zu haben. Nach unserer Darstellung bedarf es kaum einer eingehen-
deren Zurückweisung dieser irrthümlichen Ansicht. Was Leuckart schon annahm, konnten Müller*) und
ich nur bestätigen.
Die Dauer der Umwandlung des Männchens beträgt gewöhnlich (unter günstigen Bedingungen)
0 — G Tage, manchmal auch nur 4 Tage. Die ganze Entwicklung vom Eie bis zu den geschlechtsreifen
Thieren verläuft, soweit ich feststellen konnte, meist in 4 — 5 Wochen, so dass, da dieselbe bereits im Früh-
jahre anhebt, im Zeiträume eines Jahres eine ganze Reihe von Generationen (6—7) auf einander folgen.
Während der Fortpflanzungsperiode ist das numerische Verhältniss von Mann und Weib dasselbe; man
trifft dann beide in gleicher Zahl. Später dagegen finden sich die Männchen nur noch vereinzelt, da sie
nach dem Begattungsgeschäfte, wie gesagt, bald absterben, — ein Umstand, der er es auch erklärlich macht,
dass bei vielen kleinen Nematoden letztere noch unbekannt geblieben sind.
Die Nachkommenschaft, welche ein einziges Pärchen innerhalb eines Jaln-es hervorzubringen ver-
mag, ist, wie eine einfache Berechnung lehrt, eine ganz ausserordentlich grosse. Nimmt man an, dass
von einem Weibchen durchschnittlich 300 Embryonen erzeugt werden, und dass letztere sich zur Hälfte
^vieder zu weiblichen Thieren entwickeln, so resultiert nach .^ Generationen eine Descendenz von 151
Milliarden Individuen, nach 6 Generationen eine solche von 22781 Milliarden. Allerdings ist hierbei der
den natürlichen Verhältnissen kaum entsprechende, günstigste Fall vorausgesetzt: dass alle Individuen zur
Geschlechtsreife gelangen und sich fortj^flanzen. Aber selbst wenn, theils schon während des Embryonal-
lebens, theils später, soviele Individuen zu Grunde gingen, dass die von einem Pärchen nach 6 Generationen
abstanmiende Nachkommenschaft nur die Hälfte der oben angegebenen Zahl beti-üge, so würde diese Ziffer
die so grosse imd rasche Verbreitung,- des gefährlichen Parasiten zu illusti'ieren.
a) Taf. 1. Fig. 26. b) Tat". 2. Fig. 27.
*) Wenn Müller Leuckart's Beobachtungen an Trichosoma crassicauda als unrichtig hinzustellen und den hier von dem-
selben nachgewiesenen Parasitismus der Männchen im Uterus des Weibchens auf ein bloses Häutungsphänomen zurückzuführen
sucht, so fehlt ihm für diese Behauptung jedwede Begründung. Ganz abgesehen davon, dass Linstow und Bütschli die Befunde
Leuckart's bestätigten, hätte schon ein Einblick in des Letztern Parasitenwerk (Bd. IL p. 462) genügt, um jeden Zweifel an der
Richtigkeit der Beobachtung zu beseitigen.
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Werfen wir nun zum fSchluss noch einmal einen Rückblick auf die Lebensgeschiclite unserer
Heterodera, so steht es wohl ausser Zweifel, dass wir es hier mit einer Metamorphose zu thun haben, und
zwar mit einer solchen, die weit komplizierter als sonst, auch für einen Nematoden einen ganz ausser-
gewöhnlichen Charakter trägt. Beim Weibchen lassen sich hierbei nach unseren Beobachtungen zwei,
beim Männchen drei Stadien unterscheiden.
Auf die erste Larve, die äusserlich noch ganz den Habitus eines Nematoden besitzt, beweglich ist
und frei in der Erde lebt, folgt eine zweite sexuell gleichfalls noch indifferente, sessile imd parasitäre
Jugendform von abweichendem plumpen Aussehen. Die weiblichen Geschlechtsthiere entwickeln sich nie
über diese letztere hinaus. Sie bleiben, indem sie alle die Eigenthümlichkeiten derselben bewahren, zeitlebens
auf einer larvalen Stufe stehen. Beim Männchen hingegen schiebt sich hinter die zweite Larve noch
ein Ruhestadium ein, aus welchem, unter theilweiser Neubildung der Organe und Weiterentwicklung der
Genitalanlage, die bewegliche geschlechtliche Form hervorgeht.
Wenn wir auch durch Leuckart's ^^) neueste Untersuchungen über Allantonema, Sphaerularia und
Atractonema wissen, dass dem Nematodentypus eine ganz vmerwartete Biegsamkeit zukommt, auch schon
früher dui-ch desselben Forschers hervorragende Entdeckung der Heterogenie erfahren haben, dass bei den
Rundwürmern das Entwicklungsleben nicht überall so einfach verläuft, wie man vordem annahm, so ist uns
doch bis jetzt kein Vertreter dieser artenreichen Gruppe bekannt geworden, der einen ähnlichen Bildungs-
jirozess durchläuft, wie wir ihn bei Heterodera antreffen. Unter den Würmern bieten die Echinorhynchen
vielleicht in dieser Beziehung noch die meisten Anklänge dar, da sich bei ihnen, wie bei Heterodera, auch
ein Puppenstadium findet, während dessen die alte Larvenhaut den jungen Wurm wie eine Cyste umschliesst.
Allein es fehlt hier die zweite Larvenform, denn der Embryo geht nach kurzer Wanderimg in den Ruhe-
zustand über. Ebenso wie bei den Kratzern zeigt auch die Metamorphose der den Anguilluliden nahe ver-
wandten Gordiiden wesentliche Abweichungen von derjenigen unserer Würmer. In der That stände der
Rübennematode bezüglich seines Entwicklungsganges völlig isoliert, wenn nicht emige Insekten in ihrer
Lebensgeschichte eine Parallele böten. Es sind dies insbesondere die zu der Abtheilung der Rhynchoten
gehörigen Cocciden, die gleich Heterodera auch ein phytoparasitäres Dasein führen. Ihre Umwandlung
erinnert insofern an diejenige unseres Schmarotzers, als auch bei ihnen zwei Larvenstadien mit ähnlichen
biologischen Merkmalen auf einander folgen. Wie bei Heterodera ist die erste Jugendform freibeweglich
und schlanker gebaut, während die zweite eine plumpere Gestalt aufweist vmd der Lokomotionsfähigkeit
entbehrt. Auch bei den Cocciden bewahrt das weibliche Geschlechtsthier die larvalen Charaktere, indem
es sessil an demselben Ort verharrt und zuletzt sogar zu einer blosen Brutkapsel wird, welche die Nach-
kommen schützt. Und auch der Mann zeigt in seiner Entwicklimg ein durchaus analoges Verhältniss.
Wir sehen auch bei ihm ein Puppenstadium auftreten, in welchem die Nahrungsaufnahme sistiert, und daraus
ein agiles Geschöpf entstehen, ausgerüstet mit allen Attributen, die eine Begattung ermöglichen.
Wenn ich diese Arthropoden hier zum Vergleiche heranzog, so geschah das übrigens nur um auf
die Aehnlichkeit in ihrer Verwandlung hinzuweisen. Ferne lag es mir natürlich, damit irgendwelche nähere
Beziehungen zu unserem Nematoden andeuten zu wollen. Wie die Gleichartigkeit der Lebensverhältnisse
oft bei Thieren, die durch ihre Organisation scharf von einander getrennt sind, eine AehnHchkeit in ihrem
äusseren Habitus und ihrem Entwicklungsgange hervorruft, so haben hier auch ähnliche LTrsachen analoge
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Wii'kuDgen zur Folge gehabt. Beide Fonut n führen ein parasitäres Leben , und beide haben sich den
Anforderungen, die dadurch an sie gestellt wurden, angepasst. Allenthalben tritt ja die Natur überleitend
ein, und nie arbeitet sie nach einer Schablone. Mit tausenderlei Mitteln ausgestattet und fähig diese in's
Unendliche zu kombinieren, geht sie die mannigfaltigsten Wege, um so auf verschiedener und doch
bestimmter Bahn bald die verschiedensten Wirkungen zu äussern, bald ungeahnt ein und dasselbe Ziel
zu erreichen. „Lebensäusserung und Bau verhalten sich zu einander wie die beiden Glieder einer Gleichung.
Man kann keinen Faktor , auch nicht den kleinsten , in dem einen Gliede verändern , ohne die Gleichimg
zu stören."*)
Die Wahrheit dieses Ausspruches zeigt sich, wie überall, so auch bei unseren Nematoden. Würde
Heterodera, wie das Weizenälchen, ihre Metamorphose innerhalb einer schützenden Samenhülse durchlaufen,
dann wäre auch der Gang derselben ein einfacherer, dann hätte vielleicht das W^eibchen eine andere
Gestalt, und wohl kaum hätte es beim Männchen eines Puppenstadiums bedurft. So aber sind die Existenz-
bedingungen nicht gleich, und die Formen bei beiden in verschiedener Weise angepasst.
*) Leuckart, der Bau der Insekten in seinen Beziehungen zu ihren Leistungen und ihren Lehensverhältnissen. Archiv
für Naturgeschichte. 17. Jahrg. 1852. pag. 19.
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33. Treub. Quelques mots sur les effets du parasitisme de l'Heterodera javanica dans les racines de la canne ä sucre ; Ann. du
Jardin bot. de Buitenzorg. VI. (n. d. „Naturforscher.-' Jahrg. 19. No. 39.)
Figuren -Erklärungen.
Allgemei[ie Bezeichnungen.
k. Kopfkappe.
m. Mundhöhle.
st. Stachel
ms. Stachehnuskeln.
oe. Erster Oesophagealabschnitt.
bulb. Bulbus.
06. Dritter Oesophagealabschnitt.
ex
Excretionsgetäss.
d.
Darm.
h.
Hoden.
sp
Öpicula.
sm.
Muskeln zur Bewegung
dr.
Drüse.
ni.
Mastdarm.
a.
Anus.
ov.
Ovarium.
od.
Ovidukt.
rs.
Receptaculum seminis.
ut.
Uterus.
va.
Vagina.
vm.
Vaginalmuskeln.
vu.
Vulva.
schl.
Schlundring.
der Spicula.
Fi?.
1.
Fig.
2.
Fig.
3.
Fig.
4.
Fig.
5.
Fig. ü.
Fig. 7.
Fig. 8.
Fig. 9.
Fig. 10,
Fig. 11.
Fig. 12.
Fig. 13
Fig. 14.
Fig. lö.
Fig. IG.
Fig. 17.
Fig. 18.
Fig. 19.
Fig. 20.
Fig. 21.
Männclieu von Hetevodera Schachtii. Stark vergr.
Kopf kappe, a. im Profil, b. von oben.
Linkes Seitenfeld. Man sieht die körnige Substanz und eine Anzahl grösserer Kerne durchschimmern.
Muskelzelle, a. von oben, b. im Profil.
Linkes Spiculum.
Stachel des Männchens.
Spermatozoen. a. noch unreife, das eine von ihnen in Zweitheilung, b. ausgebildete Spi:rii:atozoen, c-
in verschiedenen amöboiden Bewegungszuständen.
Blindes Ende des Hodens mit seinem Epithel.
Weibchen von Heterodera Schachtii mit der „subkrystallinischen Schicht".
Weibchen mit dem sogen. „Eiersack", in dem sich einige Eier befinden.
Längsschnitt durch das Weibchen letwas schematisirt), um Gestalt und Vorlauf dos Darmes zu zeigen.
Querschnitt durch den Bulbus.
Querschnitt durch die Cuticula des Weibchens, a.
c. dritte Schicht
Stachel des Weibcliens.
Weibchen von Heterodera Schachtii. Die eine Hälfte der Körjierwand ist weggenommen, um
schlingen zur Anschauung zu b.ingen.
Linke Hälfte des weiblichen (jeschlechtsapparates.
Weibchen, noch wenig angeschwollen, mit dem „Kopffutteral" und dem halbmondförmigen Vulvaspalt
Erste bewegliche Larve.
Dieselbe im Begriff sich zu häuten; man sieht innerhalb der Larvenhülle die zweite Larvenform.
Stachel der ersten Larve.
Zweite, unbewegliche, parasitäre Larve
g. Spermatozoen
oberflächliche Schicht, b. zweite Laj;e mit der Radiärstreifiing,
den Verlauf der Genital-
Fig.
•20
Fig.
23.
FiR.
24.
Fig.
2.5.
Fig.
2Ö.
Dieselb(\ Dor Kiirper ist in der Mitte stark eingeknickt.
Pupijenstadium des Männchens. Stadium I. Im Momente der Häutmig. Der Inhalt hat sich von der alten Hülle, die
nun zur „Cyste" wird, zurückgezogen. Mastdarm und Vordertheil des Excretionsget'ässes stossen eben die alte Cuticula ab.
do. Stadium II. Die ursprüngliche Keulenform ist einer mehr schlanken, cylindrischen Gestalt gewichen,
do. Stadium III. Der Wurm ist bedeutend gewachsen und liegt zusammengeknickt in der Hülle,
do. Stadium IV. Das ausgebildete Männchen in der alten Larvenhülle.
Fig. 27. Puppe des Männchens innerhalb der Wurzel, noch von deren Epidermis bedeckt_
Fig. 28. Weibliche Heteroderen innerhalb der Wurzel, noch von der Epidermis derselben umhüllt.
Fig. 29. Weibchen zum grossen Theil aus der Wurzel, durch Sprengung der Epidermis, hervorgetreten; nur der Kopftheil
steckt noch im Wurzelparenchyra,
Fig. 30. Abgestorbenes Weibchen. Man erblickt durch die braune, pelludde Cuticula, welche nunmehr als Brutkapsel dient, die
im Innern eingeschlossenen Eier und bemerkt ausserdem zwei Larven, von denen die eine eben durch die Vulva
die mütterliche Sehutzliülle verlässt, während die andere sich bereits ausserhalb befindet.
Fig. 31. Theil einer jungen Rübenwurzel, an deren Wurzelfasern weibliche Heteroderen in grosser Anzahl haften.
Fig. 32. Larven im Momente dor Einwanderung in die Wurzel. Rechts (b) eine Larve der zweiten, unbeweglichen Form, mit
der alten Haut am Hinterende, als Ektoparasit aussen an der Wurzel haftend.
Fig. 33. Ei von Heterodera mit den grobkörnigen Dotterelementen und einem Richtungsbläschen auf der rechten Seite in der
kleinen Vertiefung.
Fig. 34-35. Eier in Zweitheilung.
Fig. 36. Ei in Dreitheilung.
Fig. 37—40. Eier in Viertheilung.
Fig. 41—43. Eier in Fünftheilung.
Fig. 44 — 40. Eier in Sechstheilung.
Fig. 47. Ei in Siebentheilung.
Fig. 48. Ei in Achttheilung.
Fig. 49. Ei in Neuntheilung.
Fig. 50. Ei in Zehntheilung.
Fig. 51. Embryo im Gastrulastadium, mit dem Prostom, das noch eine ziemlich weite Lücke darstellt.
Fig. 52. Embryo kurz nach dem Gastrulastadium. Das Prostoni hat sich auf eine kleine Oeifnung reduzirt.
Fig. 53. Embryo mit den beiden Urmesoblasten (um) am Hinterende des Entoderm (en). sw. die 4 sogen. „Schwanzzellen" und
kz. die „Kopfzellen" des Ectodenns (ec).
Fig. 54. Etwas weiter fortgeschrittener Embryo mit den beiden Mesodermstreifen (ms.), in welchen die beiden GenitalzeUen (gz.)
bereits zu erkennen sind. en. Entoderm. ec. Ectoderm.
Fig. 55. Embryo, bereits gekrümmt; man bemerkt die grossen Darmzellen im Innern und (a.) die zwei Genitalzellen.
Fig. 56. Ausgebildeter und aufgerollter Embryo im Begriff, sich innehalb der Eischale zu häuten.
Fig. 57. Entwicklung der Genitalanlage.
a die beiden Genitalzellen liegen noch symmetrisch und getrennt auf der Bauchseite des Entoderm.
b. dieselben sind bereits in Verbindung mit einander getreten und haben sich diagonal gelagert.
c. Genitalanlage einer eben ausgeschlüpften Larve, gz. GenitalzeUen. d. Darmzellen.
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Drnfk von Leopold & Bär in Leipzig.
Sirulicll. Hau und Enl\nckliiTU| von llflermlfia .Srliarlitii.
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BIBLIOTHEC& ZOOLOGICA.
Original-Abhandlungen
dem Gesammtgebiete der Zoologie.
Herausgegeben
Dr. Rud. Leuckart Dr. Carl Chun
in Leipzig. unj in Königsberg.
Heft 3.
Untersuchungen über semäostome und rliizostome Medusen von Dr. Ernst Vanhöflfen.
Mit 6 Tafeln und einer Karte.
C A S S E L.
Verlag von Theodor Fischer.
1888.
UNTER8UCHUiNGEN
ÜBER
SEMAEOSTOME und RHIZOSTOME
MEDUSEN.
VON
D« ERNST VANHOFFEN.
Mit 6 Tafeln und 1 Karte.
C A S S E L.
Verlag von Theodor Fischer.
1888.
w.
älireml dei- Jahre 1S82 — 1885 unternahm auf Befehl der italienischen Regierung die Corvette
„Vettor Pisani", geführt von Capitain Palumbo, eine Reise um die Welt, zum Zweck wissenschaftlicher mariner
Untersuchungen. Lieutenant Gaetano Chierchia''') sorgte für die Conservirung der gefangenen Seethiere, nach-
dem er sich vorher einige Zeit in der zoologischen Station zu Neapel auf diese Thätigkeit vorbereitet hatte.
Durch diese Expedition wurden reichhaltige Sammlungen vorzüglich conservirter Seethiere aller Gruppen
des Thierreichs erbeutet, welche zum Theil in der zoologischen Station zu Neapel und in verschiedenen
anderen zoologischen Instituten noch der Bearbeitung harren.
Die werthvoUe Sammlung der Medusen, vermehrt durch einige seltene von Lieutenant Orsini**)
conservirte Exemplare aus dem rotheu Meer, kam an das zoologische Museum zu Königsberg durch Ver-
mittelung von Herrn Professor Chun, welcher mir die reiche Ausbeute der Semaeostomen und Rhizostomen
gütigst zur Bearbeitung überliess. Ich freue mich, meinem verehrten Lehrer Herrn Professor Dr. Chun an
dieser Stelle meinen innigsten Dank sagen zu können, nicht allein für die freundliche Ueberlassung des
vorzüglichen Materials, sondern weit mehr für die mir i'ederzeit gegebene Anregmig und das meinen
Studien und Arbeiten in hohem Masse bewiesene Interesse.
Zur Vorbereitung für meine Untersuchungen und zur allgemeinen Orientirung über die genauere
Organisation der Discomedusen erhielt ich von Neapel eine grössere Anzahl von Pelagia noctiluca, ferner
verschaffte mir Herr Professor Chun Gelegenheit, in der transportabeln zoologischen Station, welche im
Sommer 1886 in Neukrug auf der frischen Nehrung, im Sommer 1887 auf der Westerplatte bei Neufahr-
wasser etabUrt war, Am-elia aurita und Cyanea capillata zu beobachten imd zu conserviren und so die
Einflüsse der Conservirungsmethoden auf diese zarten Organismen kennen zu lernen.
Es liegt mii- daran, in dieser Arbeit einen Beitrag zu liefern zur Kenntniss der Verbreitung der
Medusen, die Diagnosen der bekannten Arten zu prüfen, resp. zu vervollständigen, die neuen Formen zu
beschreiben und im System unterzubringen. Eine Revision des Systems, die für den letzten Punkt uner-
*) A. Dohrn, Bericht über die zoologische Station wiihreiul der Jahre 1882 — 1884. pag. 138.
**) A. Dohrn, 1. c. pag. 140.
— c^ 6 o®o—
lässlich ist, wird durch das ausserordentlich reiche Material ermöglicht. Es soll daher nur eine äussere
Beschreibung der verschiedenen Arten gegeben werden; von einer genaueren Untersuchung der' Gewebe
musste ich absehen, da das Material in der Form meist vorzüglich erhalten, aber für histologische Unter-
suchungen nicht geeignet war.
I. Semaeostomata.
Unter den von Herrn Lieutenant Chierehia gesammelten und conservirten Semaeostomen fanden
sich eine grosse Anzahl Pelagien von mehr als 20 Fundorten, ferner Chrysaora von 4 und Desmonema und
Aurelia von je einem Fundorte mit folgenden Arten:
Pelagia noctiluca Peron et Lesueur. Chrysaora mediterranea Peron et Lesueur.
Pelagia neglecta. Vh. n. sp. Chrysaora Blossevillei Lesson.
Pelagia crassa. Vh. n. sp. Chrysaora plocamia Haeckel.
Pelagia phosphora Haeckel. Chrysaora chinensis. Vh. n. sp.
Pelagia minuta. Vh. n. sp. Desmonema Chierchiana. Vh. n. sp.
Pelagia placenta Haeckel. Aurelia dubia. Vh. n. sp.
Pelagia ponopyra Peron et Lesueur.
Von den hier angeführten 13 Arten sind G neu und eine von ihnen, Chrj'saora Blos.sevilIei, war
bisher nur durch ungenügende Beschreibung bekannt, so dass man in Betreff ihrer gewissermassen auf
Vermuthungen angewiesen war. Dieses für die Gruppe der Semaeostomen ausserordentlich günstige Resiütat
gestattet uns einen Schluss auf die bedeutende Bereicherung unserer Kenntniss der Thierwelt durch die
Reise des „Vettor Pisani" im speciellen, wie auch im Allgemeinen durch jede mit genügenden Mitteln aus-
gerüstete zoologische Expedition.
Pelagia. Peron et Lesueur.
Bei der Bestimmung der Arten machten besonders die Pelagien Schwierigkeit. Die meisten Charac-
tere, auf welche dabei Gewicht gelegt wurde, wie Wölbung des Schirms, Verhältniss von Mundarmen zum
Mundrohr, Länge der Tentakeln und Form der Randlappen erwiesen sich bei Betrachtung einer grösseren
Anzahl von Thieren als schwankend. Alle diese Organe zeigen ebenso wde die Gonaden bei derselben
Art verschiedene Ausbildung je nach der individuellen Entwicklung und dem Alter der Thiere und die
ihnen entnommenen Merkmale sind nur brauchbar, wenn eine grössere Anzahl von Exemplaren zu Gebote
steht. Von der Unzuverlässigkeit der meisten früher als charakteristisch angegebenen Merkmale überzeugt,
bemühte ich mich neue zuverlässigere zu finden. Zu diesem Zwecke wurden Rhopalien, Randlappen und
Nesselwarzen genauer untersucht, auch Schnitte durch Exumbrella und Randlappen angefertigt. Die Rho-
palien ergaben dabei keine branehbaren Untei'scliiede , wenigstens war ich bei den \'crsciiiedenlieiten der-
selben nicht sicher, wie weit sie dnrcli die Conservirung beeinflusst wurden. Von Randlappen Hessen sich
nur zwei Formen unterscheiden , eine quadratische und eine rechteckige , die doppelt so breit als hoch ist.
Beide wurden schon früher bei den Artdiagnosen der Pelagien berücksichtigt. Am besten scheinen mir die
Nesselwarzeu geeignet, die Arten der Pelagien untei'scheiden zu lassen. Sie werden bei allen Beschrei-
bungen derselben erwähnt. Es lassen sich daher nach den Diagnosen von Haeckel auf Grund der ver-
schiedenen Form und (Irösse der Nesselwarzen mehrere Gruppen bilden:
1) Pelagien mit grossen resp. sehr grossen, länglichen Nesselwarzen.
2) Pelagien mit rundlichen, kleinen Nesselwarzeu.
3) Pelagien mit sehr kleinen, rundlichen Nesselwarzen.
4) Pelagien ohne deutliche Nesselwarzen.
Augenscheinlich beziehen sich die Ausdrücke ,,gross''' und „klein" auf die bekannten Verhältnisse
der leicht aus dem Mittelmeer zu beschaffenden Pelagia noctiluca. Haeckel nennt die Nesselwarzen der-
selben gross, sehr grosse Nesselwarzen, wie sie der Pelagia flaveola Eschsch. zukommen, müssen daher die
Grösse jener verhältnissmässig übertreffen, kleine dürfen dieselbe der älehrzahl nach nicht erreichen. Sehr
kleine Nesselwarzen endlich heissen solche, die noch nicht halb so gross als diejenigen der normalen
P. noctiluca sind. Die allgemeine Form der Nesselwarzen aber ist zur Classification der Pelagien noch
nicht geeignet, da es zuweilen zweifelhaft ist, ob rundliche oder längliche Nesselwarzen vorliegen. Deshalb
untersuchte ich die Nesselwarzen genauer auf dünnen Stückchen der Exumbrella bei schwacher micro-
scopischer Vergrösserung und erhielt folgende Resultate: Alle von mir untersuchten, gut erhaltenen Exemplare
zeigten stets eine für die betreffende Art characteristische Faltung der Nesselwarzen. Bei länglichen sowohl
wie bei rundlichen Nesselwarzen sind zwei Formen zu unterscheiden: solche die einen Längskamm besitzen,
der von Querfalten durchbrochen wird (Taf. VI, Fig. 1 — 5), und andere, denen bei Jlangel des Längskamms
allein Querfalten zukommen (Taf VI, Fig. 6 — 12). Ist der Schirm in Folge mangelhafter Conservirung stark con-
frahirt oder scheibenförmig ausgebreitet, so erscheinen die Nesselwarzen verdrückt oder verkürzt. Diespecielle
Faltung der Nesselwarzen ist nur durt deutlich zu beobachten, wo die Nesselkapseln, die die Warzen sonst dicht
bedecken, fehlen. Dieses scheint bei den meisten conservirten Exemplaren der Fall zu sein, da ich nur bei
wenigen aus der zoologischen Station von Neapel eingesandten Pelagien die Nesselkapseln noch erhalten fand-
Obwohl es mir nun aus Mangel an Vergleichsmaterial nicht möglich war, den Werth der durch
die Nesselwarzen gegebenen Merkmale bei Pelagia perla, P. cyanella, P. denticulata und P. flaveola endgültig
zu prüfen, so werde ich dennoch bei der folgenden Beschreibung der Arten die Verschiedenheiten der
Nesselwarzen zur Unterscheidung benutzen. Ich habe mich gescheut neue Arten aufzustellen, weil die Art-
berechtigung der bisher bekannten ja von Haeckel selbst angezweifelt wird. Dennoch entschied ich mich
dafür, solche Formen als besondere Arten anzusehen, die deutliche Unterschiede erkennen Hessen, da ich
mich bei dem Gedanken beruhigte, dass erst eine geschlossene Reihe vermeintlicher Arten diese als Varie-
täten einer grossen veränderlichen Art unzweifelhaft kennzeichnet. Die Frage nach der Artberechtigüng
würde ja mit Sicherheit nur durch die Entwicklung jeder einzelnen Form entschieden werden. Die Be-
obachtung derselben dürfte sich jedoch wegen der Schwierigkeit pelagische Thiere im engen Raum zu er-
halten einstweilen noch nicht ausfuhren lassen.
— ogo 8 o®o—
1. Pelagia noctiluca Peron et Lesueur. Gut entwickelte Exemplare von Pelagia noctiluca lagen
mir vor von der italienischen Küste westlich Neapel (gesammelt am 20. und 21. IV. 1882, 5 Stück), von
der Durchfahrt zwischen Sicilien und Sardinien (23. IV. 1882. 1 St.), aus dem Jlittelmeer östlich der Strasse
von Gibraltar (9. V. 1882. 10 St.), und aus der Strasse von Gibraltar selbst (12. V. 1882. 3 St.). Messungen
an diesen Thieren und an 3 verschiedenen Formen einer CoUection aus der zoologischen Station in Neapel
ergeben folgendes:
Schirmbreite.
20. IV. 82
21. IV. 82
9. V. 82
12. V. 82
Zool. Stat.
zu Neapel
53 mm
35 mm
70 mm
47
4'i mm
23. IV. 82 65 mm
\ 30
mm
25 mm
65
mm
57
mm
65
mm
60
mm
42
mm
Schirmhöhe.
Im
Verhältniss.
Mundrohr.
18 mm
3:1
17 mm
2:1
30 mm
20 mm
18 mm
28 mm
18
33 mm
18 mm
21/3:1
2V3:1
2V3 : 1
21/4:1
1%:1
34 mm 22 mm
11/3:1
10 mm
2i/s
:1
30 mm
21/6
:1
25 mm
21/3
.1
2^/5
1
l*/5
:1
21/3
:1
13
mm
25
mm
20
mm
19
mm
25
mm
10
mm
7
mm
25
mm
22 mm
25
22
15
15 mm
Mundarm.
Im
Verhältniss.
29 mm
85 mm
18 mm
80 mm
50 mm
80 mm
55
50 mm
28
1:21/4
1:3^/5
60 mm
1:3
40 mm
1:2
75 mm
1:3
20 mm
1:2
1:21/2
l:3i/ö
1
21/3
1
31/5
1
21/3
1
31/3
l:l'k
Die angeführten Zahlen beweisen für Pelagia noctiluca, dass die Höhe und Breite des Schirms,
ebenso wie die Länge von Mundrohr und Mundarmen keine constanten Verhältnisse zeigen; sie schwanken
von 1:11/2 — 3 imd 1 : l^/s — 31/3. Im einzelnen gestalten sich diese Verhältnisse noch etwas anders, da bei
jungen Thieren zuweilen der Schirm fast flach, scheibenförmig ist, also Höhe und Breite sich ungefähr wie
1 : 4 verhalten. Ferner ist das Mundrohr bei denselben relativ kürzer. Für Thiere mit gut entwickelten
Gonaden dagegen, von denen die kleinsten 25 mm breit waren, stimmt im Allgemeinen das von Haeckel
angegebene Verhältniss von Höhe zur Breite des Thieres, 1 : 2. Die Mundarme aber sind im Durchschnitt
länger, als Haeckel angiebt, nicht 2 Mal, sondern mindestens 21/3 Mal so lang, als das Älundrohr. Bei der
zweiten Pelagienart, die mir in genügender Anzahl von Exemplaren vorlag, konnte ich ähnliches Variiren be-
obachten. Ich glaube daher berechtigt zu sein, im Allgemeinen die Wölbung des Schirms imd Länge von
Mundrohr und Mundarmen bei den Pelagien für veränderlich zu halten. Angaben darüber sind also bei
der Bestimmung nur brauchbar, wenn zahlreiche Individuen untersucht werden können.
— o®o 9 ogo—
Die Gallerte der Exunibrella, welche nach Haeckel*) meist von ziemlich gleicher Dicke sein, nur
nach dem Rande zu allmählich an Dicke abnehmen soll, zeigte bei Pelagia noctiluca mit ganz vereinzelten
Ausnahmen, wie auch bei den meisten anderen der mir vorliegenden Ai'ten, in der Mitte eine zapfenartige
Verdickung. Dieselbe liegt direct über der Öffnung des Mundrohres in die Leibeshöhle; sie scheint mir
geeignet, letztere bei entsprechender Contraction zu verschliessen und eine zu starke Verdünnung der
ernährenden P'lüssigkeit durch Seewasser zu verhindern. Die Randlappen sind ebenso hoch als breit. Die
Mundarme gleichen einem schmalen zusammengefalteten Blatt mit kräftiger Mittelrippe, deren Seiten einander
fast berühren, während der der Blattspreite entsprechende, faltenreiche Hautsaum jederseits nach aussen
zurückgeschlagen ist. Den Ausdruck „cylindrische Mittelrippe" kann ich daher nicht adoptiren. Die Mittel-
rippen der Arme bilden die directe Foi-tsetzung der vorspringenden Pfeiler des Mundrohres. Ein Querschnitt
zeigt, dass die Gallerte in den Buchten zwischen den Pfeilei'n ebenso dick ist wie in den Pfeilern selbst:
der Hautsaum der Arme beginnt also erst mit dem Ende des Mundrohrs (Taf I, Fig. 5 u. 6).
Exumbrella , Randlap])en , Mundrohr und Älundarme sind von zahlreichen Nesselwarzen bedeckt.
Dieselben treten am Pol klein und weniger dicht, unregelmässig zerstreut auf, sind in der mittleren Zone
des Schirms gross, langgestreckt, meist in Längsreihen geordnet und werden nach dem Rande zu wieder
kleiner. Bei einem typischen Exemplar von 65 mm Schh-mbreite sind sie im Durchschnitt 2 mm ausnahms-
weise 3 mm lang ^ji — 1 mm breit. Die Nesselwarzen auf dem Mundrohr und den Mundarmen sind hier
wie auch bei den übrigen Pelagien bedeutend kleiner als diejenigen des Schirms. Bei allen von mir
beobachteten Pelagien des Mittelmeers mit alleiniger Ausnahme von 4 an der Ostküste Sardiniens gefangenen
Exemplaren, die als besondere Art beschrieben werden, waren die Nesselwarzen der Exumbrella länglich-
elliptisch, ungefähr 2^ji mal so lang als breit und zeigten bei genauerer Untersuchung in der Mitte einen
schmalen Längskamm , der durch zahlreiche Querfalten oft unterbrochen wurde. Ich glaube daher diese
Form der Nesselwarzen als characteristisch für Pelagia noctiluca ansehen zu müssen (Taf. VI, Fig. 1 — 5).
Fassen wir alle wesentlichen Merkmale zusammen, so erhalten wir für P. noctiluca folgende Art-
beschreibung: Schirm flach scheibenförmig bis halbkugelig, bei geschlechtsreifen Exemplaren im Durch-
schnitt doppelt so breit als hoch. Nesselwarzen der Exumbrella gross, länglich elliptisch mit Längskamm, den
zahlreiche Querfalten kreuzen, am Pol weniger zahlreich, zerstreut und kleiner als in der mittleren Zone. Rand-
lappen ebenso hoch als breit. Länge des Mundrohi-es ungefähr gleich ^/s des Schu-mradius. Mundarme kräftig
mit breitem Faltensaum. Die Schirmbreite geschlechtsreifer Thiere schwankt zwischen 25 — 80 mm.
Früheren Beobachtungen entsprechend wurde Pelagia noctiluca auch bei der Expedition des „Vettor
Pisani" nur im Mittelmeer, nicht mehr jenseits der Strasse von Gibraltar, beobachtet.
Pelagia neglecta Vh. n. sp. Von dieser der Pelagia noctiluca sehr ähnlichen Meduse wurden
am 26. IV. 1882 nahe der üstküste von Sardinien 4 und am 3. VI. 1882 im Bereich der Canarischen Insel-
gruppe 8 Exemplare erbeutet Die 4 Thiere des Mittelmeeres und ebenso 4 aus dem atlantischen Ocean
waren nicht besonders günstig erhalten, zeigten aber untereinander die genaueste Uebereinstimmung. Die
Zusammengehörigkeit aller 12 Exemplare wurde erwiesen durch die gleichartige Ausbildung der grossen
Nesselwarzen, welclie bei den weniger gut conservirten Thieren mit stark contrahirtem Schirm rundlich,
*) Haeckel, System der Medusen. Th. I. jiag. 455.
— =Sc. 10 osgo-
bei den übrigen aber länglieh elliptisch erschienen und nur von wenigen Quertalten bei gänzlichem 3Iangel
eines Längskammes durchsetzt waren (Taf. VI, Fig. 6 — 12). Diese Form der Nesselwarzen allein schon
unterscheidet P. neglecta von allen übrigen von mir beobachteten Pelagienarten. Die Masse der 4 wohl-
erhaltenen Exemplare sind folgende:
Schirmbreite.
Schirmhöhe.
Verhältnis^.
Mundrohr.
Mundann.
Verhältniss.
57 mm
28 mm
2:1 i
25 mm
68 mm
l:2-^/a
60 mm
25 mm
22/5 : 1
15 mm
85 mm
1:5%
55 mm
25 mm
2%:1
15 mm
75 mm
1:5
53 mm
23 mm
2'/3:l
18 mm
72 mm
1:4
Daraus ergiebt sich, dass die Mundarme im Vei'hältniss etwas länger sind als bei P. noctiluca, was
um so mehr auftallt, als die Mittelrippe nicht so kräftig und der Hauptsaum weniger breit als bei dieser
ist. Von den bei Haeckel aufgeführten Arten, mit denen P. neglecta verwechselt werden könnte, kommen
nur in Betracht P. noctiluca und P. phosphora. Sie unterscheidet sich, abgesehen von der speciellen Gestalt
der Nesselwarzen, von der ersteren durch die längeren schwächeren Mundarme und dm-ch kiü'zeres Mund-
rohr, von der letzteren besonders durch die quadratischen Randlappen und die grösseren Nesselwarzen, die
keineswegs flach und klein genannt werden können, wenn sie auch zuweilen rundlich erscheinen. P. neglecta
gleicht der P. noctiluca in ihrer Grösse und in den stark vortretenden Nesselwarzen; sie besitzt auch den
in die Leibeshöhle ragenden Zapfen der Exumbrella. Ihr Verbreitungsgebiet erstreckt sich vom atlantischen
Ocean bis ins Mittelmeer und daher ist es wohl möglich , dass diese Art sich unter den Synonymen der
P. noctiluca schon beschrieben tindet. Doch dürfte sich die Identität derselben mit einer früher beschriebenen
Art schwer constatiren lassen , da auf die specielle Gestalt der Nesselwarzen , die hier allein entscheidet,
bisher kein Gewicht gelegt wurde.
3. Pelagia crassa. Vh. n. sp. (Taf. I, Fig. 1 u. 2). Pelagia crassa nenne ich eine Meduse, die sich
vor allen übrigen Pelagien auszeichnet durch die auffallend dicke Gallerte der Exumbrella und sich im Besonderen
noch unterscheidet von P. noctiluca und P. perla durch die Form der Kandlappen, welche doppelt so breit als
hoch sind, von P. phosphora und P. cyanella durch die kürzeren Mundarme und die Form und Vei'theilung
der Nesselwarzen. Sie ist daher als besondere Art genügend characterisirt. Die typische Form wurde
gesammelt am 19. VI. 1882 unter 27" W. L. nach Greenwich und 7''oO' N. B. in der Mitte der schmälsten
Stelle des atlantischen Oceans zwischen Africa und Südamerika. Die kurzen kräftigen Mundarme, die nur
wenig unter dem hochgewölbten Schirm seitlich hervorragen, da das Mundrohr ebenfalls kurz ist, bedingen
ein kugelförmiges Aussehen. Die 5 vorliegenden Exemplare hatten ziemlich gleiche Grösse und Gestalt.
Die Verhältnisse deuten folgende Masse an, die dem grössten Exemplar entnommen wurden: Schirmbreite
35 mm, Schirmhöhe 13 mm, Mundrohr 8, Mundarme 34 ram. In der geräumigen Leibeshöhle wurde stets
der von der Exumbrella hervorragende Gallertzapfen bemerkt. Die Exumbrella ist im Scheitel sowohl wie
in der mittleren Zone mit Nesselwarzen bedeckt, die verhältnissmässig gross genannt werden müssen, die
aber nach dem Rande zu kleiner werden und verschwinden. In ihrer Form erinnern sie an diejenigen von
P. noctiluca, da sie einen mittleren Längskamm besitzen, doch sind die Querfalten viel weniger zahlreich,
-ogc 1 1 c^-
selir flach luul treten daher fast gar nicht liervor (Taf. VI, 13 — 15). Die Pfeiler des Mmidrohrswie auch die
Mittelrippen der Arme erscheinen durch sehr kleine im Gegensatz zu P. noctiluca rundliche Kesselwarzen fein ge-
körnelt. Als Varietät der eben beschriebenen Form betrachte ich eine Pelagia, die südlich vom Fundorte dieser
am 22. VI. 1882 unter 24°30' W. L. u. 5° N. Br. gefunden wurde. Dieselbe scheint auf den ersten Blick
wesentlich von jener verschieden, völlig glatt und noch gewölbter, mehr kugelig zu sein. Bei genauerer
Betrachtung jedoch zeigt sich in allen wesentlichen Merkmalen, Dicke der Gallerte, in der ganzen Gestalt,
der Form von Mundrohr und Mundarmen die völlige Uebereinstimmung mit der typischen P. crassa. Nur
die Nesselwarzen, welche ebenso wie dort Scheitel und mittlere Zone bedecken, ferner den Längskamm
und sehr flache Querfalten erkennen lassen, treten, obwohl sie dieselbe Form und Grösse wie bei der
typischen P. crassa haben , fast garnicht hervor und sind gewissermassen nur als Fleckenzeichnung zu
bemerken. Alle drei am erwähnten Fundort gefangenen Exemplare sind durch solche flache Nesselwarzen
ausgezeichnet: ich halte mich daher für berechtigt, diese als P. crassa var. sublaevis von der typischen
Form zu unterscheiden.
4. Pelagia phosphora Haeckel. Pelagia phosphora, sagt Haeckel,*) spielt eine dominirende Rolle
in der tropischen und subtropischen Zone des atlantischen Uceans und steht in der Mitte zwischen P. noc-
tiluca und P. cyanella. Daher rechne ich dazu jene Medusen, welche vom 21. Juni bis 29. Juli 1882'
die Tropenzone des atlantischen Oceans von 5° N. Br. — 12" S. Br. bewohnend, gefangen wurden. Sie
zeichnen sich vor P. noctiluca aus durch kleinere schwächere Form und weniger hohe Randlappen, kürzeres
Mundrohr und längere Arme, gleichen derselben aber in der Gestalt der Nesselwarzen. Diese bei den
meisten Exemplaren klein und rundlich treten bei dem grössten, 48 mm Schirmbreite messenden Thier in
ähnlicher Weise wie bei P. noctiluca hervor und erinnern in der speciellen Faltung bei allen auch an die
Nesselwarzen dieser. Sie zeigen einen von vielen Querfalten durchsetzten Längskamm, doch ist die Faltung
unregelmässig und der Längskamm häufig in mehrere unterbrochene Parallelfalten aufgelöst (Taf. VL Fig. 18 u. 1 9).
Die gleiche Faltung der Nesselwarzen liess eine von Herrn Professor Chun bei Tenerifla erbeutete Pelagia, die in
ihrer Färbung ganz der P. noctiluca glich, als P. phosphora erkennen. Der Schirm derselben war 45 mm breit
18 mm hoch, die Länge des Mundrohrs betrug 15, die der Mundarme 50 mm. Die Nesselwarzen finden
sich im Scheitel spärlicher, setzen sich aber über die ganze Exumbrella bis zum Schirmrande fort, wodurch
sich P. phosphora von P. cyanella und P. crassa unterscheidet. Von letzterer ist sie ausserdem noch wegen
der geringen Dicke der Schirmgallerte und der -weniger geräumigen Leibeshöhle verschieden. Der Jlittel-
zapfen der Exumbrella ist auch hier vorhanden. Drei wohlerhaltene Exemplare zeigten folgende Masse:
Schirmbreite.
Schirmliüho.
Verhältiiiss.j
Mundrohr.
Mundarme.
Verhältniss.
\ 48 mm
3 VIT '^'> <
25 mm
2:1 I
12 mm
60 mm
1:5
( 40 mm
15 mm
2%:1 i
11 mm
45 mm
1:4
29. VII. 82. ) 34 mm
14 mm
21/2:1
10 mm
40 mm
1:4
*) System der Medusen pag. 507
— O^ 12 0®C—
Mit P. phosphora Haeckel stimmen diese Thiere ausser in der Verbreitung in den Grössenverhält-
nissen der Organe, in der Form inid Vertheilung der Nesselwarzen überein. Dagegen tinde ich, abweichend
von den Beobachtungen Haeckels, dass die Mitteh'ippe nicht besonders dick zu nennen ist luid dass der
Hautsaum der Mundarme nur bei weniger gut erhaltenen Thieren sehr schmal erscheint.
5. Pelagia minuta. Vii. n. sp. Am gleichen Fundort mit einigen Exemplaren der oben erwähnten
P. phosphora am 2. Juli 1882 bei Pernambuco wurden ca. 60 Individuen einer kleinen Meduse erbeutet,
die ich anfangs für ein jüngeres Stadium jener hielt, nach genauer Untersuchung jedoch für eine besondere
Art ansehen musste. Icli nenne dieselbe Pelagia minuta, weil die grössten Exemplare mit wohl ausgebildeten
wenn auch noch nicht völlig reifen Gonaden nur eine Schirmbreite von 25 mm erreichten. P. minuta,
welche der P. phosphora in ihrer Gestalt gleicht und wie diese auch kleine rundliche Nesselwarzen besitzt,
zeigt folgende Verhältnisse.
Schirmbreite.
Schinnhöhe.
Verhältniss.
Mundrohr.
Mundarme.
Verhältniss.
25 mm
5 mm
5:1
7 mm
40 mm
1:5%
20 mm
6 mm
SVa-.l
6 mm
20 mm
l:3Vs
15 mm
5 mm
3:1
5 mm
17 mm
1:3^/5
12 mm
3 mm
4:1
5 mm
12 mm
1:22/5
Hier bestätigt sich die früher bei P. noctiluca aufgestellte Behauptung, dass die Verhältnisse von
Mundrohr mid Mundarmen wie Schirmbreite und Hübe des Schirmes nicht constant sind. Die Exumbrella
ist meist flach, seltener etwas mehr gewölbt. Die Leibeshöhle ist daher wenig geräumig und wii'd durch
den mittleren Schirmzapfen noch verengt. Die Kandlappen sind breiter als hoch wie bei P. phosphora.
Der Schirm wird vom Scheitel bis zu den Randlappen gleichmässig, sehr dicht von kleinen Nesselwarzen
bedeckt. Sie stehen dichter als bei P. phosphora und unterscheiden sich von den Nesselwarzen aller übrigen
von mir beobachteten Medusen durch die auifallend dichte Querfaltung. Von P. phosphora sind sie speciell
noch durch das Fehlen des Längskammes verschieden (Taf. VI, Fig. 16 u. 17). P. minuta als Jugendform
aufzufassen nehme ich Anstand, weil niemals von mir beobachtet wurde, dass jüngere Thiere enger gefaltete
Nesselwarzen als ältere, grössere besassen. Ferner lässt das verhältnissmässig lange Mundrohr schon auf
weiter entwickelte Thiere schliessen und endlich waren die angeführten Unterschiede auch nachzuweisen,
wenn man gleich grosse Exemplare von P. minuta und P. phosphora verglich.
6. Pelagia placenta. Haeckel. Unter den Medusen, welche von Dr. Sander, Stabsarzt auf S. M. S.
„Prinz Adalbert" gesammelt wurden, beschreibt Professor Götte*) 13 Pelagien, eine von Zanzibar, eine von
Callao und 11 aus dem stillen Ocean imter 37°42' S.Br. und 83°25' W.L. von der Westküste Südamerikas.
Die beiden ersterwähnten Medusen stimmten ihm mit P. denticulata Brandt, die 11 letzten besser mit
P. flaveola Eschsch. überein. Da sicli Uebergänge bedingt durch Variabilität in der Form des Schirms imd
in der Länge von Mundrohr und Mundarmen zwischen beiden Formen zeigten, zog er die später aufge-
stellte Art P. denticulata ein und bestimmte sämmtliche Exemplare als P. flaveola Eschsch. Herr Professor
*) Sitzungsberichte der Königlich Prcussischen Academie der Wissenschaften zu Berlin. XXXIX. 1886.
-o®o 13 C®0-
E. von Martens hatte die Güte mir auf meine Bitte von den erwäinaten 11 Medusen zwei aus dem Berliner
zoologischen Museum zur Vergleichung zu übersenden, wofür ich hier ihm noch einmal meinen herzlichsten
Dank sage. Diese beiden Pelagien gleichen genau einem Exemplar, welches von Herrn Lieutenant Chierchia
auf dem Wege von Panama nach den Galopagosinseln unter 82° W.L. 3° N.B. am 17. März 1884 erbeutet
wurde. Der Verbreitungsbezirk der erwähnten Art dehnt sich daher auf die ganze Westküste Süd-
amerikas aus.
Die mir vorliegenden 3 Exemplare, wenn icli die von Professor Götte beschriebenen mitzähle, zeigten
folgende Masse:
Sander 12. IV. 85.
Schirmbreite.
Schirinhöhe.
Verhältniss.
Mundrohr.
Mundarme.
Verhältniss.
52 mm
12 mm
4V3:1
10 mm
30 mm
1:3
42 mm
10 mm
41/6:1
10 mm
30 mm
1:3
36 mm
13 mm
3:1
6 mm
25 mm
1:4
Der Schirm ist demnach flach scheibenförmig, ungefähr 4 mal so breit als hoch, das Mundrohr
'/a — Vi so lang als der Schii-mradius. Dieselben Verhältnisce beschreibt Haeckel bei P. placenta. Die Mund-
arme sind dünn, 3 — 4 mal so lang als das Mundrohr und erreichen ^fi der Länge des Schirmdurchmessers.
I\Iir scheint es kein wesentlicher Unterschied wenn für P. placenta von Haeckel angegeben wird: „Mundarnie
4 mal so lang als das Mundrohr und doppelt so lang als der Schirmradius." Alle von Professor Götte
beobachteten Medusen, die er zu P. flaveola rechnet, hatten nur sehr kleine Nesselwarzen. Ich schliesse
dieses daraus, dass er bei der Beschreibung gar nicht von Nesselwarzen, sondern von einem „Zottenbesatz
der Exumbrella" spricht, von dem er angiebt, „dass er bei allen ihm vorliegenden Exemplaren der gleiche
zu sein scheint." Erwägt man nun, dass auch hier die Nesselwarzen sehr klein und zahlreich sind, nicht
besonders autfallen, so dass das Thier fast glatt erscheint und sich, wie auch bei P. placenta hervorgehoben
wird, an P. discoidea Eschsch. anschliesst, so muss man die genaue Uebereinstimmung unserer und der von
Professor Götte als P. flaveola beschriebenen Meduse mit P. placenta wohl anerkennen. Ueber die specielle
Gestalt der Nesselwarzen kann ich nichts Genaues angeben, da mir nur ein Exemplar zur Verfügung stand,
welches in dieser Hinsicht nicht genügend erhalten war. (Taf. VI, Fig. 20).
Pelagia flaveola und P. denticulata aber, die ich allerdings nur nach der Beschreibung Haeckels
kenne, können unmöglich mit unserer Pelagia von der Westküste Südamerikas identiflcirt werden. Bei
P. denticulata ist der „Schirm annähernd kugelig, ebenso hoch als breit, die Nesselwarzen sind gross, lang-
gesti-eckt, die ganze Oberfläche bedeckend. Die Mundarme sind etwa 6 — 8mal so lang als das Mundrohr
fast doppelt so lang als die Schirmbreite."*) Bei P. flaveola Eschsch. ist der Schirm flach gewölbt bis halb-
kugeHg, das Mundrohr sehr kurz, die Mundarme sind kurz, die Nesselwarzen der Exumbrella sehr gross
und dichtstehend, und Eschscholtz **) sagt selbst von ihnen, dass sie ,.grosse krystallhelle aufrechtstehende
Warzen von einer Linie Länge" bilden. P. placenta unterscheidet sich also von P. flaveola und P. discoidea.
*) Haeckel, System der Medusen pag. 508.
**) Eschscholtz, System der Acalephen ag. 76.
— o®o 14 ogo—
deren Identität keineswegs erwiesen ist, abgesehen von dei- verschiedenen Gestalt besonders durcli ihre
Kesselwärzen, welche sehr klein sind, während die von P. denticulata gross, die von P. flaveola sehr gross
genannt werden.
Ausser P. placenta könnte zum Vergleich mit unserer fraglichen Meduse nur noch P. panoi>yra
herangezogen werden, die im Tropengürtel des pacitischen Oceans von Australien bis Peru, also auch an
der südamerikanischen Küste beobachtet ^^•urde, falls nicht eine Verwechselung beider Formen vorliegt. Von
P. panopyra aber unterscheidet sich unsere P. placenta durch die bedeutend kleineren Nesselwarzen, welche
bei jener nur klein zu nennen sind, wie bei P. phosphora. Ausserdem aber sind bei P. panopyra auch
Mvmdrohr iind Mundarme bedeutend länger und die Randlappen fast quadratisch, während sie bei P. placenta
doppelt so breit als hoch und, wie auch Götte beobachtete, nicht deutlich zweilappig sind. P. placenta,
welche nach Haeckel bisher im Philippinenmeer und im Gebiet der Carolineninseln beobachtet wurde, ist
demnach die doniinirende Form an der ganzen Westküste Südamerikas.
7. P. panopyra. Peron et Lesueur. P. panopyra wurde am 4. und 5. August 1884 im paci-
fischen Ocean zwischen Handwichinseln und Carolinen unter 167" 30' östl. L. und 17" nördl. Br. in wenigen
Exemplaren gesammelt, von denen nur eines genügend entwickelt und erhalten war. Dasselbe zeigt folgende
Verhältnii^se:
Schirmbreite.i Sebirmhöhe. ] Verhältuiss. '' Mundrohr.
Mundarm. Verbältniss.
27 mm I 6 mm 41/2:! 1 15 mm ! 27 mm | l:l*/5
Wenn die übrigen Masse auch nicht genau mit der Beschreibung Haeckels stimmen, so ist doch
diese Meduse vor allen, die mir vorlagen, durch das lange Mundrohr ausgezeichnet. Die Nesselwarzen sind
klein und rundlieh wie bei P. phosphora, auch erinnern sie an die dieser atlantischen Meduse in ihrer
speciellen Faltung, welche allerdings von mir nur bei einem Exemplar untersucht werden konnte (Taf VI,
Fig. 21). Die rundlich erscheinenden Nesselwarzen, ebenso wie das küi-zere Mundrohr, die küi'zeren Mund-
arme und die flache scheibenförmige Gestalt des Schirms erkläi-en sich leicht aus dem geringen Alter
des Thiers, da dieses an Grösse um die Hälfte hinter den von Haeckel beschriebenen Exemplaren
zurückbleibt. Die Aehnlichkeit mit P. phosphora wird auch von Haeckel bei P. panopyra erwähnt und
daher glaube ich nicht zu irren, wenn ich die vorliegende Meduse mit dieser Art identificire.
Chrysaora. Perou et Lesueur.
Die Kenntniss der Gattung Chrysaora hat durch die Expedition des „Vetter Pisani" ebenfalls eine
nicht unbedeutende Bereicherung erfahren. Unter den 4 gesammelten Arten findet sich eine neue, während eine
zweite, die nur ungenügend bekannt, zu den Verschollenen zu rechnen war, wieder aufgefunden worden ist.
8. Chrysaora mediterran ea. Peron et Lesueur. Der ausführlichen Schilderung von Haeckel
ist kaum etwas hinzuzufügen. Die 6 mir vorliegenden Exemplai-e wurden bei Gibraltar gesammelt. Der
Verbreitungsbezirk von Ch. mediterranea , die ja von Haeckel bei Smyrna und Constantinopel, ferner bei
Triest, Lesina, Nizza und Marseille beobachtet wurde, ist daher über das ganze Mittelmeer ausgedehnt. Bei
der Vergleichung ergab sich in den meisten der angeführten Merkmale die £,enaue Uebereinstimmung mi
-:®o 15 ogjo-
der Beschreibung von Haeckel, doch fand ich, (Uiss einige seiner Oharactere niclit ganz constant sind. So
zeigte es sich zaweikni, dass ÖciUar- und Tentacuhirlappen gleich breit, dass die ocularen Taschen in der
Mitte ebenso breit wie die tentacuLaren und die Mundarme nur so lang als der Schirmdurchmesser waren.
Dieses aber sind nach Haeckel Merkmale für Cii. isosceles. Die Chrysaora von Gibraltar nähert sich also
in gewisser Hinsicht der Ch. isosceles Eschsch. und daher scheint es mir nicht unwahrscheinlich, dass Claus,
der beide Arten für identisch erklärt, schliesslich Recht behält.
9. Chrysaora Blossevillei. Lesson (Taf. I, Fig. 3). Chrysaora Blossevillei wurde bei der Welt-
umsegelung der „Coquille'- an der Küste von Brasilien entdeckt, 1829 von Lesson beschrieben und abgebildet.*)
Seither ist dasThier nicht wieder aufgefunden worden, hat jedenfalls nicht mit Sicherheit wiedererkannt werden
können. Mir liegen zwei Medusen vor, bei Pernambuco im Juli 1S82 gesammelt, die ich für unzweifelhaft iden-
tisch mitCh. Blossevillei halten muss. Der Schirm ist flach, -Imal so breit als hoch, die Exumbrella gleichmässig,
sehr dicht mit sehr kleinen runden Xesselwarzen besetzt. Die Mundarme sind auffallend kurz, lanzettlich
und stumpf gelappt, ähnlich wie Lesson es abbildet, obwohl er sie federartig gelappt nennt. Der flache
Schirm, die runden Nesselwarzen, welche ja nach Lesson länglich sein sollen, ebenso wie die kurzen Mund-
arme sind wol zu erklären durch das geringe Alter dieser beiden Thiere. Sie haben nur eine Schirmbreite
von 28 und 37 mm. Die Randlappen, tentaculare wie ocuiare, sind gleich, etwas höher als breit. Die Aus-
buchtung des Randes, welche der Mitte einer Magentasche ent.spriclit, und demnach entweder ein Rhopalium
oder einen mittleren Tentakel trägt, ist doppelt so tief als diejenige, welche in der Richtung der Magensepten
auftritt und einem seitlichen Tentakel zur Anheftung dient. Daher kommt es — was übrigens bei jeder
Chrysaora, wenn auch weniger deutlich zu beobachten ist, da die Rhopalien und mittleren Tentakeln immer
tiefer als die seitlichen stehen — dass der Rand aus 16 grösseren Lappen, je einer zwischen Rhopalien und
mittlerem Tentakel, zusammengesetzt ei'scheint, von denen jeder durch die weniger tiefe Einbuchtung für
einen seitlichen Tentakel wieder in zwei kleinere Lappen, die ocularen und tentacularen Randlappen getheilt
wird. Darauf beruht die Nachricht von der doppelten Reihe der Randlappen, welche Agassiz veranlasste,
die neue Gattung Lobocrocis aufzustellen**", Avährend sie Haeckel zu der Vermuthung führte, dass Lesson
eine marginale Faltung oder Zeichnung der Exumbrella für Randlappen gehalten hätte*''''"). Endlich halte
ich die Vermuthung Haeckels für zutreibend, dass auch Zygonema volutata mit Ch. Blossevillei identisch ist.
Agassiz sagt von dieser Meduse****): „All the Segments between the eyes show four larger lobes subdi^^ded
by shallow indentations from which arise four tentacles." Es finden sich hier -i gleichartige Randlappen
zwischen zwei Rhopalien, die „shallow indentations" dagegen kann ich nicht erkennen, sie treten vielleicht
erst bei älteren Thieren auf. Andererseits sind in einem Octanten statt der bei Chrysaora üblichen 3 Ten-
takeln in der That 4 vorhanden (Taf. I, Fig. 3. x.) Die darauf bezüghche Angabe von Agassiz dürfte
daher wol stimmen und es ist anzunehmen, dass demselben ein abnorm ausgebildetes Exemplar vorlag.
Erklären lässt sich diese Bildung in der Weise, dass in der Einbuchtung zwischen (_)cularlappen und dem
accessorischen Läppchen, welches das Septum der Radialtaschen von jenem abtrennt, zuweilen ein neuer
*) Duperrey, Voyage de „la Coquille". Zool. pag. 185 PI. XIII. Fig. 2. Paris 1826 u. 1830.
**) Agassiz, Contributions to the natural history of the Uniteil States IV p. 166.
***) Haei-kel, System der Medusen pag. Ü14.
****) Contributions to the natural history of the United States IV pag. 127.
— 0®0 16 0®O—
Tentakel entstehen kann. Dabei müssten allerdings iu jedem Octanten 5 Tentakeln sich finden, doch
konnten bei abnormer Ausbildung einzelne derselben unterdrückt werden.
10. Chrysaora plocamia Haeckel. Eine bei Puntas Arenas m Patagonien gesammelte Chrysaora
bestimme ich als Ch. plocamia. die von Lesson im gleichen Gebiet, an der pacifischen Küste von Südamerika
entdeckt wiirde. Sie hat halbkreisförmige Randlappeu und besitzt auch die dieser Art eigenthümlichen,
verhältnissmässig kurzen, gardinenartigen Mundarme. Die Randlappen, oculare wie tentaculare, sind ziemlich
von gleicher Grösse und anscheinend gleichweit vorspringend. Die Radialtaschen sind sämmtlich gleich breit
von ihrer Basis bis zur halben Länge, dann erweitern sich die Oculartasclien allmählich vmd erreichen ihre
grösste Breite in der Zone dicht unter den Rhopalien. Vo da ab verengern sie sich in gleicher Weise bis
zur Höhe der seitlichen Tentakeln. Die Septen wenden sich nun unter stumpfem Winkel in radialer
Richtung dem Rande zu, so dass die ocularen Taschen dort ungefähr halb so breit als die tentacularen
werden. Das vorliegende Exemplar hat eine Schirmbreite von 83 mm ; die wol nicht vollständig erhaltenen
Mundarme sind kaum so lang als der Durchmesser. Die Gallerte der ExumbreUa ist weniger fest und auch
die breiten gardinenförmigen Mundarme sind weniger kräftig als bei Ch. mediterranea. Eine Sternzeichnimg
auf der Exumbrella ist nicht zu erkennen, sie scheint durch die Conserviruug zerstört zu sein.
11. Chrysaora chinensis. Vh. n. sp. Diese bisher nicht beschriebene Art wurde im Oktober
1884 im südchinesischen Meer in der Nähe von Hongkong entdeckt. Das einzige mir vorliegende Exemplar hat
eine Schirmbreite von 70 mm bei 30 mm Höhe. Die Exumbrella ist mit zahlreichen sehr kleinen Warzen,
die schuppenartig hervorragen, vom Scheitel bis zu den Randlappen dicht besetzt. Oculare und tentaculare
Randlappen springen gleich weit vor und haben auch gleiche Breite. Beide sind höher als breit und endigen
mit stumjjfer Spitze, da ihre Ränder beiderseits weit nach innen umgeschlagen sind. Der vom Ocularlappen
durch die geschweiften Septen abgetrennte Theil ist deutlich von dem übrigen Randlappen unter stumpfem
Winkel abgesetzt und erreicht nur die halbe Höhe des ganzen. Dieser Umstand bedingt, dass die Ocular-
lappen schmäler und spitzer als die tentacularen erscheinen. Die Radialtaschen sind an ihrer Basis unter
einander gleich breit. Die Septen, welche eine oculare Radialtasche einschliessen, verlaufen fast bis zum
letzten Drittel gerade, sind dann ausgeschweift, da sich die Oculartaschen bis zur doppelten Breite der
tentacularen erweitern. Im letzten Viertel ihres Verlaufs nähern die Septen sich wieder, so dass die
Oculartaschen distal nur halb so breit als die Tentaculartaschen werden. Die Mundarme messen mehr als
250 mm, sind daher S'/oinal so lang als der Schirmdurchmesser. Nahe der Mundöftnung sind sie fast so
breit wie der Schirmi-adius und könnten gardinenförmig genannt werden, da die Mittelrippe schwach und
der Faltensaum dünn ist. Schon in der Peripherie des Schirms aber sind die Arme, wenn man sie seitlich
ausbreitet, bis zu Va des Schirmradius verschmälert und bleiben dann von gleichmässiger Breite. Eine
Sternfigur der Exumbrella ist bei dem conservirten Exemplar nicht zu erkennen ; sie scheint nur dadurch
angedeutet, dass die Warzen der Exumbrella in den Falten des Schirms besser erhalten sind.
Chrysaora chinensis unterscheidet sich nach dieser Beschreibung von den ähnlichen Arten durch die
deutlich hervortretenden Warzen, die nur noch bei Ch. Blossevillei erwähnt werden. Die sehr langen Mund-
arme, wie sie sich bei Ch. calliparea finden, machen eine Verwechslung mit Ch. melanaster unmöglich, die
ausserdem zungenförmige distal sich verbreiternde Randlappen besitzt. Vor Ch. calliparea zeichnet sie sich
durch die hohen, spitzen Randlappen aus.
-0^ 1 7 c-gjo-
Desmonema. L. Agassiz.
Das Genus Desmonema wurde 1862 von L. Agassiz flu- Cbrysaora Gaudichaudi Lesson gegründet.
Die Beschreibung und Abbildung dieser Meduse war jedoch so ungenau, dass Agassiz die Zusammen-
gehörigkeit dieser Art mit einer später am gleichen Fundorte unweit der Küste des Feuerlandes entdeckten
nicht erkannte und für die letztere eine neue Gattung aufstellte, der er nach ihrem Entdecker den Namen
Couthouyia gab. Ohne Zweifel aber bestätigt sich die Vermuthung Haeckels, dass beide Thiere nächst-
verwandt sind und höchstens verschiedene Ai-ten derselben Gattung bilden.
L. Agassiz characterisirt das Genus Couthouyia folgendermassen*): Cyanea ähnhche Medusengattung
mit 16 breiten Eadialtaschen, 8 grossen Tentakelbündeln, 4 langen Mundarmen ähnlich denen von Chrysaora.
Die Tentakeln sind in einer Reihe geordnet und stehen parallel dem Rande der 8 tentacularen Randlappen,
während sie sich bei Cj'anea um die zwischen zwei Rhopalien gelegenen Randlappenausschnitte gruppiren.
Die ocularen Lappen sind von den tentaciUaren deutlich abgesetzt. Die Radialtaschen sind untei-einander
fast gleich breit, nicht so vmgleich wie bei Cyanea, und die Gonaden hängen nicht so weit wie bei dieser herab.
Die angeführten Unterschiede genügen jedenfalls, eine neue Gattung neben Cyanea aufstellen zu
lassen. Zu dieser Gattung Desmonema gehört nun auch eine Semaeostome, welche von Lieutenant Chierchia
bei Puntas Arenas gesammelt wurde.
Haeckel aber giebt folgende Genusdiagnose für Desmonema**): „Cyanide mit 8 Sinneskolben und
mit zahlreichen Tentakeln, welche 8 adradiale Bündel an der Subumbrella bilden; alle Tentakeln eines
Bündels in einer Reihe nebeneinander. (Schirmradius mit 8 Haupt- und 16 — 32 Nebeulappen.)"
Dieselbe ist nicht brauchbar, da sie kein wesentliches Merkmal enthält. 8 Sinneskolben und 8 Ten-
takelbündel kommen in gleicher Weise jeder Cyanea zu und in einer Reihe angeordnete Tentakeln lassen
sich bei den meisten jüngeren Exemplaren von Cyanea ebenfalls constatiren. Wie ich an zahlreichen
Exemplaren von C. capillata aus der Danziger Bucht beobachtete, tritt zuerst die dem Centi-um zunächst
liegende Reihe von Tentakeln allein auf, denen sich später bei grossen Thieren zwischen dieser Reihe und
dem Schirmrande neue Reihen schwächerer Tentakeln hiuzugesellen. Dem einzigen brauchbaren Merkmal,
den 8 Hauptlappen und 16 — 32 Nebenlappen, legt Haeckel keinen Wcrth bei und stellt es daher in Klam-
mern. Dieses geschieht wol, weil es für die von ihm neu beschriebene Art Desmonema Annasethe nicht
zutrifft Desmonema Annasethe aber gehöi-t garnicht zum Genus Desmonema, sondern ist eine echte Cyanea.
Sie hat mit Desmonema niu- die einreihigen Tentakelbündel gemein, die jedoch wie oben erwähnt auch
bei jüngeren Thieren von Cyanea capillata, selbst noch bei Exemplaren von 70 mm Durchmesser sich finden
und, wie ich glaube, bei allen Cyaneaarten in gewissem Stadium beobachtet werden können.***) Im
Uebrigen besitzt sie wie Cyanea 8 grossere Randlappen, die, durch die Rhopalienbucht getheilt, in 16 kleinere
zerfallen und von denen sich die Ocularlappen nur wenig absetzen. Ferner sind auch ihre Mundarme
gardinenartig, die Gonaden tief herabhängend und die Tentakeln tief in die Musculatur der Subumbrella
*) 1. c. pag. 118.
**) 1. c. pag. 526.
***) Haaete erwähnt einreihige Teutakelbündel bei Jugemlformen von Cj'anea Müllerianthe. W. Haacke, die Syphomedusen
des S . Vincent Golfes. Jenaisehe Zeitschrift für Naturwissenschaft Bd. XX. Jena 1887. pag. 613.
3
-=ä!o 18 ofeV-
hiiiein gerückt, wo sie in hoch nach innen gewölbtem Bogen den Ausschnitt zwischen zw-ei grossen Lappen
umgeben. Desmonema Annasethe muss daher richtig Cyanea Annasethe heissen.
Aus denselben Gründen ist auch Desmonema imporcata Haeckel aus der Gattung Desmonema zu
entfernen. Auch sie hat gardinenturmige Jlundarme, herabhängende Gonaden und getheilte Tentacularlappen
wie iede Cyanea. Wir geben ihr daher den alten Namen Cyanea imporcata wieder zurück, der ihr 1865
von Norman beigelegt wurde.
Die wesentlichen Merkmale für die Gattung Desmonema dagegen gab schon Agassiz an, als er das
Genus Couthouyia beschrieb. Ich fasse dieselben in folgender Diagnose zusammen. Desmonema: Cyanide
mit 8 Sinneskolben, 8 Tentakelbündeln, 8 tentacularen und 16 ocularen, von jenen deutlich abgesetzten
Randlappen. Die Tentakeln stehen in einfacher Keihe an der Basis der Tentakularlappen. Die Mundarme sind
ki'äftig aus breiter Basis verschmälert. Die Gonaden sind kurz, hängen nicht so weit wie bei Cyanea herab
12. Desmonema Chierchiana. Vh. n. sp. (Taf. I, Fig. 4). Nachdem wir nachgewiesen haben, dass
Desmonema Annasethe und D. imporcata zur Gattung Cyanea gehören, bleiben nur noch 2 schon beschriebene
Arten von Desmonema übrig: D. Gaudichaudi L. Agassiz undD. pendula Haeckel. Die Beschreibung und Ab-
bildung der ersteren durch Lesson*) sind jedoch so ungenau und wenig deutlich, dass wahrscheinlich niemals
eine Meduse sicher mit dieser wird identiticirt werden können. Auch bei der kurzen Beschi-eibung der
letzteren, seiner Couthouyia pendula giebt Agassiz fast nur Gattungsmerkmale an. Obwohl nun die Mög-
lichkeit nicht geleugnet werden kann, dass das mir vorliegende Exemplar von Desmonema vielleicht mit
einer der beiden erwähnten Arten identisch ist, oder dass selbst alle 3 nur Varietäten einer einzigen Art
sind, so sehe ich mich doch genötliigt, auf Grund gewisser Unterschiede für dasselbe eine neue Art auf-
zustellen, die ich D. Chierchiana nenne.
D. Chierchiana unterscheidet sich von D. Gaudichaudi durch kürzere Mundarme, durch die breiten
sanft gerundeten, nicht abgerundet dreieckigen, vorspringenden Tentakellappen, die in der Abbildung der
letzteren auch höher erscheinen , und durch die deutlich hervortretenden Ocularlappen. D. pendula aber
scheint von jener besonders durch ihre ausserordentlich langen Mundarme verschieden zu sein.
Die beiden mir vorliegenden Exemplare dieser neuen Art wurden im November 1883 bei Puntas
Arenas gesammelt. Das grössere von ihnen hat eine Schirrabi-eite von 140 mm und ist 50 mm hoch. Die
Mundarme sind kräftig, ähnlich wie bei Chrysaora gebildet. Sie sind in der Nähe des Mundes schmal,
verbreitern sich dann und erreichen die grösste Breite in der Peripherie der Mundpfeiler. Von dort nehmen
sie allmählich an Breite ab, bis sie in der Peripherie der Randlappen plötzlich ganz schmal werden. Sie
überragen die Randlappen nur wenig und lu^ben eine Länge von HO mm = 1'/., Schirnn-adien. Die Gonaden
sind schwach gefaltet und treten ähnlich wie bei Pelagia nur wenig zwischen den Mundpfeilern hervor.
Die Subumbrella ist in 16 ziemlich gleichmässig breite Felder durch gerade Septen getheilt nnd durch
kräftige, gleichmässige Ringmuskulatur ausgezeichnet. Lappenmuskel senkrecht zur Ringmuskulatur wie sie
bei Cyanea, auch bei C. Annasethe sich finden, fehlen hier vollständig. Der Schirmrand wird von 8 halb-
kreisförmig liervortretenden Tentacularlappen und mit ihnen abwechselnd von 8 Paar deutlich abgesetzten,
jedoch weniger hohen Ocularlappen gebildet. Die Tentacularlappen sind ungefähr 3 mal so breit wie jeder
*) Duperrey, Voyage de „la Coquille." pag. 114. PI. XIII. Paris 1S26 u. lÖ&O.
- o©o 19 ogo—
einzelne Oculailapiien. An der Grenze zwisclien der ^Musciilatur der Suburabrella und den Tentacularlappen
stehen, die Basis der letzteren bezeiclniend, kräftige, verschieden zahlreiche Tentakeln zu 8 einreihigen
Bündeln geordnet. In jedem Bündel linden sich zwischen 10 — 14 gleichmässig starken Tentakeln zuweilen
einzelne schwächere. Bei D. Gaudichaudi scheinen nach der Abbildung Lessons nicht mehr als f) Tentakeln
in jedem Bündel aufzutreten, obwohl das Thier 100 mm Schirmbreite erreicht, also an Grösse nicht sehr
weit hinter dem mir vorliegenden zurückbleibt. Die Tentakelreihe schliesst sich hier wie bei Cyanea an
die Muskulatur der Subumbrella au, bildet aber bei letzterer, da noch Lappenmuskeln hinzutreten, einen
hohen nach aussen' geöffneten Bogen, während sie bei D. Chierchiana der Peripherie der Subumbrella folgt.
Die Exumbrella ist wie bei D. Gaudichaudi sehr glatt, hat aber weder Federstreifung noch irgend welche
andere Zeichnung.
Eine zweite kleinere Meduse vom gleichen Fundort gehört meiner Ansicht nach zu der eben be-
schriebenen Art. Der Schirm ist 55 mm breit und nur wenig gewölbt. Die Mundarme erscheinen weniger
kräftig, mehr gardinenartig als bei der grösseren Form. Muskulatur und Randlappen sind wie bei dieser
gebildet und die Gonaden sind ebenso, mu- in Anbetracht der geringen Grösse weit entwickelt. Der einzige
Unterschied, der dieses Exemplar auszeichnet ist die geringere Anzahl von Tentakeln. Es finden sich
nämlich in jedem Bündel nur 3 — 5 kräftige Tentakeln in der Mitte, an welche sich auf jeder Seite 2 — 3
schwächere anschliessen. Die verschiedene Stärke derselben deutet zeitlich verschiedenes Auftreten an, und
da wir auch bei der grösseren Meduse solche schwächere Tentakeln zwischen stärkeren beobachteten, so ist
der Schluss berechtigt, dass hier eine Jugendform vorliegt, die sich von der erwachsenen nur durch geringere
Anzahl von Tentakeln allein unterscheidet. Von Medora reticulata Couthou}- aber, in der Haeckel eine
Jugendform von C(.iuthouyia pendula vermuthet, ist unsere Meduse verschieden. Die geringere Anzahl von
Tentakeln ist allerdings unwesentlich, dagegen lässt sich die Stellung der drei Tentakeln, einer in der Mitte
vmd zwei an den Seiten des Tentacularlappens nicht mit dem Befunde bei dieser in Einklang bringen,
selbst wenn man keinen Werth auf die Angabe Agassiz's legen, dass die Tentacularlappen in zwei kleinere
Lappen getheilt seien und diese Bildung durch Zerreissimg grösserer Lapi^en erklären wollte. Bei der
jugendlichen D. Chierchiana sind die Tentacularlappen ungetheilt luid die grössten Tentakeln stehen dicht
neben einander in der Mitte des Lappens.
A u r e 1 i a.
Es ist allgemein bekannt, dass unsere so häufige A. aurita höchst variabel ist und zahlreiche Mon-
strositäten bildet. So wurden von mir ausser den regelmässig 4 strahligen Formen der Ostsee auch ein
5strahliges Exemplar und nicht selten 6strahlige Thiere beobachtet. Ferner ist das Canalnetz bei A. aurita
keineswegs immer gleichartig gebildet, sondern es finden sich statt der 3 regelmässig in jedem Genitalsinus
auftretenden Kanäle, einem interradialen verästelten und zwei einfachen adradialen, ausnahmsweise 5 wie bei
A. colpota, da die beiden seitlichen Aeste des Interradialcanals zuweilen vom mittleren Stamm abgetrennt
sind. Ausserdem beobachtete ich, dass die gewöhnlich unverästelten Adradialcanäle nicht nur dui'ch Ana-
stomosen mit den Aesten des interradialen Canals wie bei A. colpota verbuntlen sein, sondern selbst kräftige
Aeste nach der Peripherie entsenden können, die ihi'erseits wie es von A. hyalina bekaimt mit dem inter-
radialen Canalsystem communiciren. Die Unregelmässigkeit des Canalsystems bei A. flavidula, welche
3*
-o®o 20 0®C-
erwachsen 7 Canalwurzeln in jeder GenitalLuclit besitzen soll, wird von Agassiz ausführlich beschrieben und
ist auch in der Abbildung erkennbar. Unterschiede in der Verästelung des Canalnetzes sind daher als
Artmerkmale nur mit grosser Vorsicht zu brauchen. Auch die übrigen Charactere, auf welche gewöhnlich
Werth gelegt wird , wie grössere oder geringere Tiefe der Ocularbucht und Verhältniss von Mundarmen
und Genitalradius zum Schirmdurchmesser bedürfen meiner Ansicht nach genauerer Prüfung. Wie es mit
der Trennung der beiden Subgenera Aureletta und Aurelissa steht, will ich dahin gestellt sein lassen, da
ich von der letzteren Gruppe kein Original gesehen habe. Eine geringe Einbuchtung des Schirmrandes den
adradialen Canälen entsprechend ist aber bei jeder A. aurita nachzuweisen und auch bei der Abbildung der
A. flavidula bei L. Agassiz zu erkennen. Unzureichende Diagnosen allein sind, wie ich glaube, Schuld daran,
da SS einzelnen Arten eine Verbreitung über die halbe Erdkugel trotz zwischenliegender Erdtheile zuge-
muthet wird. So z. B. ist es mir sehr unwahrscheinlich, dass bei Zanzibar, wie Götte angiebt, die 3 Arten
A. colpota, A. flavidula und A. limbata zusammen auftreten sollen, von denen die erste von Japan bis zum
Cap verbreitet ist, während die zweite bisher nur an der Küste von Grönland und der atlantischen Küste
des nördlichen America, die dritte im nördlichen Theile des pacifischen Ocean bei Kamtschatka beobachtet
wurde. Richtiger scheint es mir eine für den nördlichen pacitischen Ocean characteristische Art A. limbata
eine für den nördlichen atlantischen Ocean A. flavidula und eine Aurelia des indischen Oceans A. colpata
anzunehmen; doch habe ich für diese Annahme keine Beweise.
Es ist nm- meine Absicht hier darauf aufmerksam zu machen, dass die bisher unterschiedenen Arten
der Gattung Aurelia nicht genügend praecisirt sind. Aus Mangel an Vergleichsmaterial bin ich ausser Stande
bessere Diagnosen zu geben und sehe mich genöthigt, die bisherigen Artunterschiede im vollen Umfange
gelten zu lassen. Für die einzige aus dieser Sammlung mir vorliegende Aurelia muss daher eine neue Art
gegründet werden. Vielleicht führt eine grössere Anzahl genau beschriebener Arten dazu, Uebergänge
constatiren und eine kritische Untersuchung dieser weit verbreiteten Medusengruppe vornehmen zu lassen.
13. Aurelia dubia. Vh. n. sp. Ein Exemplar dieser Meduse wurde im persischen Meer am
7. März 1885 gesammelt. Dasselbe ist 3 mal so breit als hoch und hat eine Schirmbreite von 130 mm.
Die Mundarme sind kurz , erreichen an Länge nur % des Schirmradius, sind ferner ausgezeichnet durch
einen grossen Lappen nahe der Mundöfi'nung, sonst aber wenig gekräuselt. 8 tiefe Ocularbuchten theilen
den Schirmrand in ebenso viele schwach gewölbte Lappen, wie bei A. flavidula. Der Genitalradius ist
gleich Vs des Schirmradius. Von jedem Genitalsinus gehen 7 Canäle aus, die sämmtlich durch Anastomosen
vereinigt ein dichtmaschiges Canalnetz bilden. Die Maschen sind am Rande kurz und zahlreich , in der
mittleren Zone schmal und langgestreckt. Das Thier stimmt mit A. flavidula, wie sie Agassiz abbildet,
überein im Verhältniss von Genitalradius zum Schirmradius, hat dieser ganz ähnlich gebildete Ocularbuchten,
und auch das Canalnetz zeigt im allgemeinen ähnliche Maschenbildung, wie sie bei dieser auftritt. Es
unterscheidet sich jedoch von ihr durch die kürzeren Mundarme, welche hier ^/s des Schirmradius nur er-
reichen, während sie dort mit ihren Enden den Rand der Exumbrella berühren und ferner dadurch, dass
auch die Adradialcanäle verzweigt sind und sicli am Canalnetz betheiligen. Von Aurelia colpota, in deren
Gebiet A. dubia gefunden wurde, unterscheiden sie die kürzeren ]Mundarme, die nicht in ihrer ganzen Aus-
dehnung gelappt sind, die geringere Weite des Genitalkreises, die tieferen Ocularbuchten und das Auftreten
von 7 statt 5 Canalwurzeln in iedem Genitalsinus. Uebereinstimmond sind bei beiden die langgestreckten
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Maschen des Cauahietzes und die Anastomosen der Adradialcanäle. Auf letztere ist jedoch nur weniff zu
geben, da sie wie oben gezeigt auch bei A. aurita vorkommen.
A. marginalis aber hat bedeutend grössere Genitaltaschen und A. hyalina kann desiialb nicht mit
A. dubia identificirt werden, weil sie längere, schmale, nicht gelappte Mimdarme und nur 5 Canalwurzeln
in jedem Genitalsinus besitzt , die allerdings auch sämmtlich Aeste abgeben und ein zusammenhängendes
Canalnetz bilden.
A. dubia hat demnach tiefe Ocularbuchten ähnlicli wie A. cruciata, A. flavidula und A. hyalina,
die Mundarme sind kiü-zer als der Schirmradius, wie bei A. aurita, A. cruciata, A. marginalis und A. flavidula
nnd gelappt wie bei A. cruciata, A. colpota und A. flavidula. In Bezug auf den Genitalradius gleicht sie
A. aiu-ita und A. flavidula und der verzweigten Radialcanäle wegen der A. hyalina, während die lang-
gestreckten Maschen des Canalnetzes wieder an A. colpota imd A. flavidula erinnern. Mit A. colpota theilt
sie das gleiche Verbreitungsgebiet, doch ist nach Götte auch A. flavidula dort beobachtet. Sie steht daher
in der Mitte zwischen A. flavidula und A. colpota, unterscheidet sich jedoch von beiden durch Merkmale,
die anderen Arten zukommen. Daher muss man A. dubia als besondere Art betrachten, mindestens so lange
bis genügend zahlreiches Material ein sicheres Urtheil über den Werth der einzelnen Charactere gestattet
Systematische Uebersicht über die bisher behandelten Gattungen der Semaeostomen.
Obwohl die Gattungen Pelagia, Chrysaora, Desmonema und Aurelia, welche in der Sammlung von
Chierchia vertreten sind, zusammen mit Cyanea, die ich selbst conserviren konnte, mit ihren Arten mehr
als die Hälfte sämmtlicher Semaeostomen ausmachen, so ist es mir doch nicht möglich eine Uebersicht über
diese ganze Medusenfamilie zu geben. Denn gerade die fehlenden Gattungen mit nur wenigen Arten sind
von besonderer Wichtigkeit für die Systematik, da sie zwischen jenen artenreichen Gattungen vermitteln,
gewissermassen Uebergänge von der einen zur anderen bilden. In Betrefi" ihrer aber bin ich allein auf die
Beschreibung Haeckels angewiesen, die, nur durch wenige Abbildungen unterstützt, nicht im Stande ist, die
seltenen Originalexemplare zu ersetzen. Deshalb beschränke ich mich hier darauf, die Arten der 4 erst-
genannten Gattungen übersichtlich zusammenzustellen.
Pelagia. Semaeostome mit 8 Tentakeln, 16 Randlappen, mit einfachen, breiten Radialtaschen, die
je zwei Zipfel in die Randlappen entsenden, ohne Ringcanal, mit Mundrohr und Mundarmen.
P. noctiluca. Per. et Lesueur. Schirm halbkugelig; Nesselwarzen länglich elliptisch, gross,
mit Längskamm und deutlichen Querfalten; Randlappen quadratisch; Mundrohr kaum so lang als der
Schirmradius = r, Mimdarme = 2 r. Fundort: Mittelmeer.
P. neglecta. V h. n. s p. Schirm halbkugelig; Nesselwarzen rundlich bis elliptisch, gross, ohne
Läng.skamm mit deutlichen Querfalten; Randlappcn quadratisch; Mundrohr kürzer als r, Mundarme = 2^^ r
Fundort: Mittelmeer und Nordwestküste von Afrika.
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r. perla. II;ieckel. Schirm fast kugelig, Nesselwarzen klein, flach, rundlich; Randlappen qua-
dratisch; Mundrohr = ','3 r; Mundarme = o r. Fundort: Atlantische Küste von Europa.
P. crassa. Vh. n. sp. Schirm fast kugelig, Gallerte sehr dick; Nesselwarzen gross, elliptisch,
zuweilen sehr flach, am Schirmrand fehlend, mit Längskamm und wenigen undeutlichen Querfalten: Rand-
lappen doppelt so breit als hoch; Mundrohr = % r; Mundarme = 2 r. Fundort: Atlantischer Ocean
zwischen Afrika und Südamerika,
P. phosphora. Haeckel. Schirm halbkugelig; Nesselwarzen klein, rundlich, mit Längskamm
und Querfalten; Randlappen breiter als hoch; Mundrohr ^ Va r: Mundarme = 2 r. Fundort: Tropenzone
des Atlantischen Oceans.
P. cyanella. Per. et Lesueur. Schirm fast kugelig; Nesselwarzen klein, rundlich, nur in der
mittleren Zone des Schirms ; Randlappen doppelt so breit als hoch : Mundrohr = r ; Mundarme = 3 r.
Fundort: Ostküste von Nordamerika.
P. niinuta. Vh. n. sp. Schirm flach gewölbt; Nesselwarzen rundlich, klein, dichtstehend, ohne
Längskamm, mit sehr dichten Querfalten; Randlappen breiter als hoch; Mundrohi' = ^/a r; Mundarme ^ 2 r.
Fundort: Ostküste von Südamerika bei Pernambuco.
P. dcnticulata. Brandt. Schirm kugelig; Nesselwarzen gross, länglich, am Scheitel am
dichtesten; Randlappen quadratisch; Mundrohr = 1/2 r; Mundarme fast = 4 r. Fundort: Behringsmeer.
P. f 1 a V e 0 1 a. E s c h s c h. Schirm flach gewölbt ; Nesselwarzen sehr gross und dichtstehend ; Rand-
lappen '? ; Mundrohr sehr kurz ; Mundarme kurz ; Fundort : Japanisches Meer.
P. p a n 0 p y r a. Per. et L e s u e u r. Schirm halbkugelig ; Nesselwarzen klein , rundlich-elliptisch,
mit Längskamm und Quei'falten ; Randlappeu quadratisch; Mundrohr fast = 2 r; Mundarme = 'S r.
Fundort : Tropenzone des pacifischen Oceans.
P. p a p i 1 1 a t a. Haeckel. Schirm flach gewölbt ; Nesselwarzen hoch, conisch , dicht stehend ;
Randlappen doppelt so breit als hoch, tief ausgerandet; Mundrohr = 2 r; Mundarme kaum = 2 r.
Fundort: Indischer Ocean.
P. placenta. Haeckel. Schirm flach, scheibenförmig; Nesselwarzen sehr klein und flach: Rand-
lappen doppelt so l)reit als hoch, schwach ausgerandet; Mundrolir = 1/2 •" Mundarme = 2 r. Fundort:
Philip))inenmeer und Westküste Südamerikas.
P. discoidea. Eschsch. Schirm flach, scheibenförmig; Nesselwarzen fehlend; Randlappen flach,
zweilappig, tief ausgerandet; Mundrohr sehr kurz; Mundarme = 3 r. Fundort: Gap der guten Hofi'uung.
Chrysaora. Peron et Lesueur. Semaeostome mit 24 Tentakeln, 32 Randlappen, mit breiten
Radialtaschen, von denen die ocularen je 2, die tentacularen je 4 Zipfel in die Randlappen entsenden, ohne
Ringcanal, ohne Mundrohr, mit 4 Mundarmen, die distal verschmälert sind.
Gh. medi terr anea. Per. et Lesueur. Schirm flach gewölbt; Randlappen flach abgerundet
oculare Radialtaschen in der Mitte ^U, distal 1/2 so breit als die tentacularen; Mimdarme von der Basis
nacli der Spitze verschmälert = 3—4 r. Fundort: Mittelmeer.
Gh. isosceles. Eschsch. Schirm flach gewölbt, Randlappen fast halbkreisförmig, die ocularen
weniger vorspringend; Radialtaschen in der Mitte gleich breit, oculare distal '/s so breit als tentaculare;
Mundarme an der Basis etwas eingeschnitten = 2 r. Fundort: Atlantische Küste von Europa.
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Cli. fulgida. Haeckel. Schirm halbkugelig; Randlappen knrz und breit, fast halbkreisförmig;
Radialtaschen ?; Mundarme nicht sehr faltenreich; lanzettförmig, in der Mitte 1/2 r breit, an Länge = 4 — 6 r.
Fundort : Cap der guten Hoffnung.
Ch. Blossevillei. Lesson. Schirm flach gewölbt bis halbkugelig; Randlappen eiförmig; Radial-
taschen in der Mitte ziemlich gleichbreit, ocularo distal Vä so breit als die tentacularen ; Mundarme lanzett-
förmig, gelappt, kürzer als 2 r. Fundort : Brasilianische Küste.
Ch. helvola. Brandt. Schirm flach gewölbt; Randlappen fast eiförmig, am Rande schwach
gezähnelt, die ocularen stärker als die tentacularen vorspringend; die ocularen Radialtaschen fast lanzett-
förmig, in der ]\[itte doppelt, distal ^a so breit als die tentacularen; Mundarme lanzettförmig = 4 r, in der
Mitte ^J3 so breit als r. Fundort: Nördlicher Pacitischer (_)cean
(J h. m e 1 a n a s t e r. B r a n d t. Schirm flach kegelförmig ; Randlajjpen zungenförmig abgerundet,
ihre Basis schmäler als der Pistalrand ; oculare und tentaculare Radialtaschen fast von gleicher Grösse und
Form, gleichschenklig dreieckig, Seitenränder fast gerade; Mundarme aus breiter Basis verschmälert, länger
als 2 r, in der JMitte Vs i" breit. Fundort: Nördlicher Pacifischer Ocean.
C h. p 1 o c a m i a. H a c c k e 1. Schirm fast halbkugelig ; Randlappen fast halbkreisförmig ; Radial-
taschen in der Mitte gleich breit, oculare distal halb so breit als die tentacularen; Mundarme zart und
gardinenförmig = 3 r, in der Mitte fast so breit als r. Fundort: Westküste von Südamerika.
C h. calliparea. Haeckel. Schirm flach gewölbt; Randlappen fast nierenförmig, die Basis
derselben schmäler als der Distalrand, die ocularen breiter und weniger vorspi'ingend. Oculare Radial-
taschen eiförmig, in der Mitte ebenso breit, distal ^/a so breit als die tentacularen: ]\lundarme gardinen-
förmig = 6 — 8 r. Fundort: Indischer Ocean.
C h. chinensis. Vh. n. sp. Schirm flach gewölbt bis halbkugelig; Randlappen höher als breit,
abgerundet dreieckig; oculare Radialtaschen in der Mitte doppelt, distal halb so breit als tentaculare. Mund-
arme sehr lang = 1 r, zart, fast gardinenartig, in der Mitte so breit als r. Fundort: Südchinesisches Meer.
Desmonema. L. Agassiz. Semaeostome mit 8 einreihigen Tentakelbündcln, 24 Randlappen, breiten
Radialtaschen, die verästelte Canäle in die Randlappeu entsenden, ohne Ringcanal, ohne IMundrohr, mit
4 distal verschmälerten Mundarmen.
D. Gaudichaudi. L. Agassiz. Schirm halbkugelig: Ocularlappcn schniai, in der tiefen Ocular-
bucht versteckt; Tentacularlappen hoch und spitz; Mundarme = 2 r. Fundort: Falklandsinseln, Cap Hörn,
D. pendula. H a e c k e 1. Schirm flach gewölbt, scheibenförmig ; Ocularlappen schmal, scharf ab-
gesetzt; Tentacularlappen breit; Mundarme sehr lang, länger als 2 r. Fundort: Küste des Feuerlandes,
Cap Hörn.
D. Chierchiana. Vh. n. sp. Schirm flach gewölbt bis halbkugehg; Ocularlappen Vs so breit
als Tentacularlappen, Tentacularlappen breit; Mundarme = IV2 ''■ Fundort: Küste von Patagonien,
Puntas Arenas.
Aurelia. Peron et Lesueur. Semaeo.stome mit zahlreichen kleinen Tentakeln an der esumbralen
Oberseite der velaren Randlappen, die mit kleinen Dorsalläppchen alterniren, mit verästelten engen Radial-
canälen, mit Ringcanal, ohne Mundrohr, mit 4 einfachen Mundarmen.
A. aurita. Lamarck. 8 Velarlappen vorhanden; Ocularbucht seicht; Mundarme kürzer als r
- c<§o 24 oSgc—
nicht gelappt, Genitalradius = 1/3 r; Canalnetz mit wenig Maschen, in jedem Genitalsinus 3 CanalT\nn-zeh:,
die Adradialcanäle unverästelt. Fundort: Europäische Küste.
A. cruciata. Haeckel. 8 Velarlappen, Ocularbucht tief; Mmidarme kaum länger als 1/2 i'? an
den Rändern gelappt; Genitalradius = V2 i" i» jedem Genitalsinus 5—7 Canalwurzebi; Adradialcanäle un-
verästelt. Fimdort: Atlantische Küste von Mitteleuropa.
A. c 0 1 p o t a. B r a n d t. 8 Velarlappen, Ocularbucht seicht ; Mundarme länger als r, in ganzer Aus-
dehnung gelappt, an der Basis sehr breit und tief eingeschnitten; Genitalradius ^ 1/2 i"! 5 Canalwurzeln in
jedem Genitalsinus, Maschen wenig zahlreich, langgestreckt, Adradialcanäle Anastomosen bildend. Fundort:
Indischer Ocean.
A. dubia. Vh. n. s p. 8 Velarlappen, Ocularbucht tief; Mundarme = ^k r, am Grunde gelappt;
Genitalradius = '/s i" ^ Canalwurzeln in jedem Genitalsinus, Maschen zahlreich lang gestreckt, alle Canäle
verästelt. Fundort: Arabisches Meer.
A. flavidula. Peron et Lesueur. 8 Velarlappen, Ocularbucht tief und breit; Mundarme fast
= r, am Grunde gelappt; Genitalradius = 1/3 r; 7 Canalwurzeln, Maschen langgestreckt zahlreich; Adradial-
canäle nicht verästelt. Fundort: Atlantische Küste von Nordamerika, Grönland.
A. m a r g i n a 1 i s. L. A g a s s i z. 8 Velarlappen, Ocularbucht ?; Mundarme bedeutend kürzer als r;
Genitalradius grösser als '/a r; Canaluetz ?; Fundort: Atlantische Küste der Vereinigten Staaten, Florida.
A. hyalin a. Brandt. 8 Velarlappen, Oculai-bucht tief und breit; Mundarme länger als r. Genital-
radius Va — ^U !■• 5 Canalwurzeln in jedem Genitalsinus, Maschen zahlreich; Alle Canäle verästelt. Fundort:
Nördlicher Pacifischer Ocean, Aleuten.
A. lab lata. Chamisso u. Eysenhardt. 16 Velarlappen durch tiefe Einschnitte getrennt;
Mundarme = ^/s r, an der Basis mit Sseitig pyramidalem Lippenwulst; Genitalradius = V* i" Radialcanäle ?;
Fundort: Pacifische Küste von Nordamerika.
A. clausa. Lesson. 16 Velarlappen; Mundarme schmal, dünn mit Lippenwulst, Radialcanäle ?
Fundort: Südpacifischer Ocean.
A. limbata. Brandt. 16 Velarlappen, durch tiefe Einschnitte getrennt; Mundarme etwas kürzer
als r; 9 Canalwurzeln an jeder Genitalbucht, alle Canäle durch Anastomosen verbunden. Fundort: Küste
von Kamtschatka.
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II. Rhizostomata.
Die schöne Sammlung- der mir zur Bearbeitung übergebenen Rhizostomen umfasst 8 Genera mit
folgenden 11 Arten, von denen 6 bisher nicht beschrieben wurden.
Cassiopeia Andromeda. Eschsch. Stomoloplius Ciiunii. Vh. n. sp.
Cassiopeia picta. Vh. n. sp. Rhizostoma pulmo. L. Agassiz.
Cotylorhiza tuberculata. L. Agassiz. Rhizostoma hispidum. Vh. n. sp.
Loborhiza ornatella. Vh. n. g. et sp. Mastigias ocellata. HaeckeL
Lyclmorhiza flagellata. Vh.*) Mastigias Orsini. Vh. n. sp.
Desmostoma gracile. Vh. n. g. et sp.
Nach einer Charaeterisirung der Gattimgen und einer genaueren Beschreibung der hier angeführten
Arten, benutze icli die hiei-bei gewonnenen Resultate zu einer kritischen Beurtheilung des geltenden Rhizo-
stomensystems und zur Aufstellung einer nach neuen Prinzipien geordneten Bestimmungstabelle.
Cassiopeia. Peroii et Lesiieur. Das Genus Cassiopeia wird characterisirt durch gefiederte Mund-
arme, 32 lladialcanäle und 1(J Sinneskolben. Es waren 5 Arten desselben bekannt: 2 aus dem pacitischen
Ocean, eine aus dem indischen Ocean und 2 aus dem rothen Meer. Die eine der beiden mir vorliegenden
Arten, welche aus dem Rothen Meer stammen, C. picta wurde als neu erkannt. Wir haben demnach
6 Cassiopeiaarten , von denen 3 , C. Andromeda Eschsch. , C. polypoides Keller und C. picta im Rothen
Meer vorkommen.
Cassiopeia. Peron et Lesueur. Zwei Exemplare dieser Meduse wurden im März 1885 bei
Massaua gesammelt. Sie stimmen genau mit der Beschreibung von Haeckel überein.**) Da C. Andromeda
im Gegensatz zu C. ornata dort nur mit wenigen Worten abgefertigt wird, sollen hier einige Eigenthüm-
lichkeiten dieser Art noch besonders hervorgehoben werden. Die Exumbrella ist ausgezeichnet durch 16
grosse, weisse Ocularflecken, die distal verschmälert und schwach ausgerandet sind; keiner von ihnen ist wie
bei C. ornata bisquit- oder zungenförmig, distal verbreitert. Von den 3 zwischen diesen liegenden kleineren
Flecken trägt der mittlere nie einen punktartigen Tüpfel; die ocularen Randflecken dagegen sind wie bei
C. ornata gebildet. Die Subumbrella ist ungefleckt, doch trennt ein weisser Ring Subumbrella und Arm-
scheibe. Die Anne zeigen dorsal einen weissen Fleckenstreif, der allen ihren Verzweigungen folgt. Die
Randlappen sind ähnlich wie bei C. ornata gebildet, der mittlere der 5 zwischen 2 Ocellen gelegenen Raud-
lappen springt ebenfalls etwas vor, die Ocularausschnitte aber sind breiter und tiefer. Fast Vs des Raumes
zwischen Schirmrand und Armscheibe wird von einer Ringmuskelzone eingenommen, die nach der Mitte zu
in die sogenannten Arkaden übergeht. Die 8 Arme sind breit und kraus und bedecken die ganze Subum-
brella. Den Schirmrand überragen sie um 1/3 ihrer Länge. Die Bläschen zwischen den Armzotten sind
zugespitzt, kolbenförmig bis lanzettlich. In der Mitte der Mundscheibe finden sich einige grössere Blasen,
welche sich flach verbreitern, meist zugespitzt keulenförmig, theils auch gelappt erscheinen. Die Arme haben
mindestens ebenso viele Aeste wie C. ornata nach Haeckels Abbildimg, nicht, wie angegeben wird, 2 — 3
*) Cramborhiza flagellata. Haeckel.
**) 1. c. pag. 569.
— o®c 26 ogc-
Paar statt 3 — 4 bei dieser. Sie erscheinen nur weniger schlank, weil sie dichtere Zottenbüschel und grössere
Blasen tragen. Aeltere Thiere scheinen schlankere Arme zu haben. Die Breite der Exumbrella beti-ägt
70 und 80 mm bei den vorliegenden Exemplaren. Die Arme des grösseren Thiers messen 43 mm. Gonaden
sind bei beiden äusserlich nicht erkennbar.
C. picta. Vh. n. sp. (Taf. II, Fig. 1 u. 2). Diese neue Art wurde im rothen Meer bei Beilul im
Dezember 1884 von Orsini entdeckt. Bei der Angabe des Fundortes wird erwähnt, dass dieselbe auf dem Grunde
nur wenige Centimeter unter der Oberfläche des Wassers zu liegen pflegt, doch auch in grösseren Tiefen vor-
kommt, da sie gedretscht wurde. Sie führt ganz ähnliche Lebensweise wie Polyclonia frondosa an den Küsten von
Florida,*) wie Cassiopeia Mertensi von Ualan,**) ferner wie die von Guppy***) in den Mangrovesümpfen
der Salomonsinseln beobachtete Cassiopeia, wie C. Andromeda, die von Haeckelf) im rothen Meer gedretscht
wurde und auch wie die von Keller ff) aus dem rothen Meer beschriebene C. polypoides. Alle diese
Cassiopeiaarten scheinen träge auf dem Grunde ruhende Thiere zu sein und damit hängt wohl die bei dieser
Gattung so häufig beobachtete abnorme Ausbildung des Schirms zusammen. C. picta ist in zwei Exemplaren
vorhanden die folgende Dimensionen zeigen:
Schirmbreite: 60 mm und 85 mm
Mundscheibe: 29 mm und 40 mm
]Mundarme: 38 mm und 52 mm,
letztere von der Mitte der Mundscheibe gemessen. Der Schirm ist ganz flach und bei beiden Exemplaren
unregelmässig ausgebildet. Zwischen zwei ocularen Randlappen scheinen regelmässig 5 interoculare zu liegen,
wie es die gut erhaltenen Sectoren des grösseren Thieres zeigen. Beim kleineren sind ebenfalls meist 5 aber
aiich 0, 3, 8, 10 Velarlappen zwischen zwei Ocularlappen zu beobachten. 10 Randlappen finden sich dort,
wo zwei Rhopalien nebeneinander liegen , wodurch ebenfalls die Annahme bestätigt wird , dass normal
zwischen 2 ocularen 5 volare Randlappen auftreten. Ferner hat die Sternzeichnung der Exumbrella bei
ersterem nur 14 statt 16 Strahlen und auch bei dem letzteren sind 2 von diesen nur schwer zu erkennen,
was jedoch hier durch verheilte Zerreissung des Schirmrandes bedingt zu sein scheint.
Die Zeichnung der Exumbrella besteht aus 16 grossen weissen Flecken, die über den Rhopalien
schmal und ausgebuchtet sind, nach der Jlitte zu aber sich verbreitern und bei grösseren Thieren sich zu
einem Kranz vereinigen. Ausserhalb dieses Kranzes finden sich den Randlappen entsprechend noch 32 oculare
und 80 interoculare, weisse Randflecke, von denen die ocularen am kleinsten, die mittleren interocularen die
grössten sind. Zuweilen verschmelzen einige dieser Flecke, besonders die kleinen ocularen und die grösseren
Mittelflecke mit dem Fleckenkranz. An die oben beschriebene Randzone der Exumbrella schliesst sich nach
innen eine annähernd ebenso breite dunkler gefärbte Zone, die durch deutliche Grenzhnie von der opalartig
halbdurchsichtigen Mitte des Schirmes getrennt ist. In dieser erkennen wir durchschimmernd einen dunkleren
*) L. Agassiz. Contributions to thc natural history of the United States vol. IV. pag. 140.
Fewkes. Notes on Acalephs of tbe Tortugas. Bull. Mus. Comp. Zool. CaniLridge. vol. 9. N. 7.
**) Haeckel, System der Medusen, pag. ^12.
***) Guppy, Habits of Scyphomedusae, Nature vol. 27 pag. 31.
t) 1- c. pag. 569.
+t) Untersuchungen über neue Medusen aus dem rothen Meer. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 38. 1883.
16strahligen Stern, verursacht durch weisse Fleckenzeichnung der SuLumbrella, in welchem die Gonaden,
eingeschlossen vom inneren Eand der Subumbrella, heller hervortreten. Die Zeichnung der Subumbrella
besteht aus 16 grossen eiförmigen Flecken, deren Seitenränder bei grösseren Exemplaren sich fast be-
rühren. Das stumpfere Ende derselben ist nach innen gekehrt. Entfernt man das weniger durchsichtige
Ectoderm, so zeigt sich, dass dieselben in eine weisspunktirte breite Randzone der Subumbrella überzugehen
scheinen. In der That aber sind die Flecke distal ausgerandet, und die Randzone bildet diesen Ausran-
dungen entsprechend breitere und abwechselnd mit ihnen halb so breite niedrige Lappen. In den dunklen
Dreiecken, deren Seiten die Subumbrellarflecke, deren Basis die kleinen Lappen der Randzone bilden, sieht
man durchschimmernd je einen veriLstelten Radialcanal.
Die 112 Randlappen sind stumpf, bei normaler Ausbildung gleich gross und springen alle gleich
weit vor. Die Musculatur ist wie bei C. ornata gebildet. Die Radialcanäle , in derselben Weise wie bei
jener verästelt, sind durch die Musculatur der Subumbrella hindurch zu ei-kennen. Die Ai-mscheibe nimmt
ungefiihr die Hälfte der Schirmbreite ein und verdeckt die kleinen Genitalostien völlig. Die Mundarme
sind schlank, haben kürzere Aeste wie diejenigen von C. ornata und sind durch weissen Dorsalstreif geziert.
Ausser den Saugkrausen, welche beim grösseren Exemplar spärlicher, beim kleineren dichter sind, ti-agen
die Mundarme kleine lanzettliche Saugkolben. Dieselben sind in der Nähe des Centrums grösser und stehen
dichter, während sie auf den Armen zerstreut auftreten.
C. picta unterscheidet sich nun, abgesehen von ihrer schönen Zeichnung, durch die Anzahl der
Randlappen von allen übrigen Arten. Wir kannten bisher Cassiopeiaarten mit 3, 6 imd 7 Velarlappen
zwischen zwei Ocularlappen. C. picta allein besitzt deren 5. Ferner zeichnet sie sich durch die ungewöhnlich
breite Armscheibe aus. In ihrer Zeichnung erinnert sie am meisten au C. polypoides Keller, die jedoch
des Saugnapfes der Exumlirella und der grossen keulenförmigen Blasen wegen niemals mit ihr verwechselt
werden kann.
Cotylorhlza. L. Agassiz. Rhizostome mit einfach gabeltheiligen Mundarmen, mit gefiederten
Gabelästen und gestielten Saugnäpfen.
Mit vollem Recht trennt Claus die Gattung Cotylorhiza von Versura und vereinigt sie mit Cephea
zu seiner Gruppe der Cepheiden. Sie schliesst sich an Cephea an durch ihre unzweifelhaft gabelspaltigen
Mundarme, die Radialmusculatur und die engen Subgenitalostien. Cotylorhiza wurde bisher nur in 2 Arten
aus dem Atlantischen Ocean und dem Mittelmeer beobachtet. Die letztere ist nun auch im Rothen Meer
gefunden, scheint sich also dm-ch den Suezcanal weiter ausgebreitet zu haben und aus dem Gebiet des
Atlantischen in das des Indischen Uceans vorgedrungen zu sein.
Cotylorhiza tuberculata. L. Agassiz. Ein junges Exemplar dieser bisher nur aus dem Mittelmeer
bekannten Meduse wurde am 10. Juni IS.'^.ö bei Assab im Rothen Meer von Orsini erbeutet- Es unterscheidet
sich von grossen, characteristischen Thieren dieser Art aus dem Mittelmeer, die mir in zwei schönen Prä-
pai-aten des hiesigen Museums vorlagen, nur dadurch, dass die Gallertknöpfe nur kurz gestielt sind und
dass 8 statt 16 Velarlappen zwischen zwei ocularen Lappen aufti-eten. Beide Verschiedenheiten erklären
sich durch das geringere Alter des Thiers, welches einen Schirmdurchmesser von nur 37 mm hat. Exum-
brella, Randlappen, Musculatur der Subumbrella und Canalsystem ebenso wie die Mundarme sind wie bei
den typischen Exemplai-en gebildet.
4*
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Loborhiza. Vh. li. g. Die Gattung Loborhiza schliesst sich an Lychnorhiza Haeckel an. Sie
besitzt wie diese stark gelappte, breite, dreiflügelige Mundarme, denen jedoch Peitschenfilamente oder sonstige
Anhänge fehlen (Taf. II, Fig. 5 u. 6). Auch dasCanalnetz erinnert an diese wegen der sehr breiten Anastomosen.
Im Uebrigen gleicht das Canalnetz dem von Crambessa, bei der wir ja auch die Armanhilnge vermissen.
Da alle bekannten Crambessaarten aber deutlich 3kantige Mundarme haben, die dicht von Saugkrausen
bedeckt sind, so musste eine neue Gattung gegründet werden, welche sich zu Lychnorhiza ähnlich wie
Crambessa zu Mastigias verhält.
Loborhiza ornatella. Vh. n, g. et sp. (Taf. II, Fig. 3—6). L. ornatella wurde an der Westküste Süd-
amerikas in der Nähe der Insel Puna bei Guayaquil entdeckt Sie ist ausgezeichnet durch die starkgelappten,
kurzen Mundarme, die schön geschwungenen Formen der Armscheibe und die ki-äftigen Armpfeilcr, welche der
Meduse, wenn man sie von unten betrachtet, das Aussehen eines prachtvollen Ornaments geben. Der Schirm
ist flach gewölbt und von dicker Gallertschicht gestützt. Die Exumbrella ist sehr fein und gleichmässig
granulirt, nur auf den Randlappen vereinigen sich die Körnchen zu sehr feinen Leisten. Der Rand zerfällt
in 80 Lappen; in jedem (Jctanten finden sich 4 Paar velare, die stumpf abgerundet sind, und zwei sehr
kleine oculare von lanzettlicher Form. Die beiden velaren Lappen, welche zwei oculare einschliessen,
springen etwas stärker als die übrigen hervor. Die ganze Subumbrella trägt, soweit sie nicht von der
Armscheibe bedeckt ist, eine kräftige Ringmuskelzone, welche nur undeutlich durch die ocularen Canäle
unterbrochen wird und undurchsichtig ist. Das von ihr verdeckte Canahietz ist nm- zu erkennen, wenn
man die Gallerte der Exumbrella genügend abträgt. Dann sieht man, dass alle Kanäle durch unregel-
mässige Anastomosen zu einem dicliten Netzwerk verbunden sind, welches wegen der bedeutenden Breite
der Anastomosen nur wenige und kleine Maschen hat. Der Ringcanal ist nicht deutlich unterschieden, da
er die übrigen Canäle nicht besonders an Breite übertrifft. Ein Subgenitalporticus ist vorhanden und das
Genitalkreuz gleicht dem von Lychnorhiza. Die Armscheibe besteht aus den ein Kreuz bildenden Ai-m-
pfeilern, welche durch dreieckige, vorspringende Gallertlappen mit geschweiften Seiten, die Subgenitalklappen
Haeckels, verbunden sind. Die Armpfeiler sind fast ebenso breit als die (Jstien des Subgenitalporticus,
verbreitern sich aber dann um das Doppelte, indem sie sich zu theilen und seitlich der Peripherie der Arm-
scheibe folgend umzulegen scheinen. Der Zugang zu den Ostien wird dadurch stark eingeengt. Ausserdem
ist der mittlei-e Theil der Ostien durch die Spitze der Subgenitalklappen verdeckt, so dass jene in zwei
Hälften mit gemeinsamem Zugang getheilt werden. Die Armpfeiler erscheinen durch Längsmusculatur fein
gestreift. Aus der Ebene der Mundpfeiler und Subgenitalklappen erhebt sich dann ein Sstrahliger, regel-
mässiger Gallertstern, der die Basis der 8 Mundarme bildet und nach innen zu steil trichterförmig zur
Mundkreuznaht abfällt. Die Mundarme sind kräftig aber sehr kurz, ungefähr so lang wie der halbe Schirm-
radius. Am Ende des kurzen Oberarms entspringen zwei stai'ke dorsale Flügel, welche die Länge des
Unterarms erreichen. Die beiden von ihnen ausgehenden dorsalen Saugkrausenreihen vereinigen sich mit
der ventralen unter stumpfem Winkel zu einer wenig hervortretenden dreilappigen Spitze. Die Saugkrausen
folgen in schmalen, wenig dichten Reihen den zahlreichen Lappen der breiten Arme. Peitschenfilamente
oder Saugkolben sind nicht vorhanden.
Lychnorhiza. Haeckel. Das Genus Lychnorhiza wird characterisirt durch stark gelappte, drei-
flügelige Mundarme, mit Peitschenfilamenten zwischen ihren Saugkrausen. Ich trage kein Bedenken, dasselbe
-5^ 29 0®0-
mit der Gattung Cramborhiza Haeckol zu vereinigen, obwolil die letztere sieh von jenem durch das Auf
treten eines Subgenitalporticus unterscheiden soll. Bestätigt sich diese Angabe bei weiterer Untersuchung,
so ist damit nur bewiesen, dass das Fehlen oder Vorhandensein eines Subgenitalporticus nicht als Gattungs-
merkmal betrachtet werden darf, da die zu den beiden Gattungen gerechneten Arten in allen wesentlichen
Merkmalen genau übereinstimmen, was in der folgenden Artbeschreibung gezeigt werden soll.
Lychnorhiza flagellata. Vh. (Taf II, Fig. 7,Taf.IlI,rig.l— 3). Diese von Haeckel im Nachtrage des
ersten Theils seiner Monographie als Cramborhiza flagellata beschriebene Art*) wurde in zwei Exemplaren an der
Küste von Brasilien bei Pernambuco, ihrem bekannten Fundorte gesammelt. Haeckels Speciesdiagnose ist völlig
zutreffend; die speeielle Beschreibung dieser ausgezeichneten Meduse ist jedoch sehr kurz und besteht meist aus
Hinweisen auf Lychnorhiza lucerna. Sie soll daher auf Grund des vorliegenden Materials vervollständigt werden.
Der sehr kräftige von dicker Gallerte gestützte Schirm erscheint äusserlich fein granulirt. Nach
dem Rande zu, besonders auf den Randlappen werden die Kornchen etwas grösser und gehen in kleine
leistenartige Warzen über, die sich in Längsreihen anzuordnen pflegen. Der Rand wird von 48 Lappen
gebildet, 4 grossen, gerundet dreieckigen, velaren Lappen, die ziemlich von gleicher Breite sind, zwischen
zwei kleinen lanzettlichen ocularen Lappen. Letztere erreichen kaum die halbe Länge der velaren, die daher
ums Doppelte weiter hervorragen. Die Sinneskörper gleichen denen von Crambessa. Auf der Subumbrella
fällt zimächst die ki-äftige Ringmuskulatur auf, die durch die ocularen Radialcanäle nur iindeutlich unter-
brochen wird. Dieselbe nimmt den ganzen Raum zwischen der Armscheibe imd dem Rande ein und wird
nur auf der Spitze der Randlappen etwas dünner, so dass dort die Maschen des Canalnetzes hindurch-
schimmern. Trägt man die Gallertschicht der Exumbrella ab bis sie genügend durchsichtig geworden, so
erkennt man deutlich den Verlauf der Radialcanäle. Es giebt deren 8 oculare und 8 interoculare, welche
von einem breiten Ringcanal aufgenommen werden. Dieser verläuft innerhalb der Randfurche vmd entsendet
zwischen je zwei Radialcanäle ein paar breite noch in der Ringmuskelzone blind endigende Canäle. Zu-
weilen stossen die Enden derselben auf einandei', verschmelzen dann und bilden einen Canalbogen über dem
betreffenden Abschnitt des Ringcanals (Taf. III, Fig. 2). Da Haeckel angiebt**): „Zwischen je zwei Radial-
canälen geht nur ein einziger kolbenförmiger blinder Centripetalcanal nach innen vom Ringcanal ab," so hat er
sich entweder geirrt oder derVerlaiif der Canäle ist nicht constant. Die ocularen Radialcanäle setzen sich über
den Ringcanal hinaus bis zum Rhopalium fort, während die interocularen schon dort endigen. Die ganze Rand-
zone einnehmend zwischen diesen Verlängerungen der ocularen Canäle findet sich ein dichtes , ziemlich
regelmässiges Canalnetz, gebildet von zahlreichen schmalen Canälen, die vom Ringcanal nach dem Rande
verlaufen und den senkrecht davon ausgehenden Anastomosen (Taf. III, Fig. 3). Legt man durch Abtragen
der Gallerte das Genitalkreuz frei, so zeigt sich, dass dieses ringsum von der centralen Magenhöhle wie von
einem sich eng anschliessenden Canal umgeben wird, von dem aus den Buchten des Kreuzes die langen
interradialen Canäle und von den Enden der Arme desselben 3 kurze Canäle je ein perradialer und zwei
adradiale nach dem Ringcanal entsendet werden.
Das Genitalkreuz setzt sich aus 4 einen rechten Winkel bildenden Gonaden zusammen, die dicht
gefaltet sind und das Geuitalband hell durchschimmern lassen. Gastrogenitalhöhle und Subgenitalporticus.
*) 1. e. pag. 646.
**) 1. c. pag. OiG.
— OJS<= 30 o®o—
sind sehr niedrig und wenig geräumig. Die kräftige Armscheibe, deren Durchmesser ungefähr gleich dem
Schirmradius ist, hat die Form eines Achtecks, welches 4 schmale und 4 breite Seiten zeigt; die schmalen
den Armpfeilern, die breiten den Subgenitalostien entsprechend. Letztere sind 3 mal so breit als jene.
Von der Armscheibe entspringen 8 starke Mundarme, die nur wenig länger als der Schirmradius sind.
Der Unterarm, etwas länger als der Oberarm, beginnt mit zwei verhältnissmässig grossen dorsalen Flügeln,
von denen getrennt zwei Reihen dorsaler Saugkrausen ausgehen. Diese vereinigen sich mit den ventralen
Saugkrausen erst an der Spitze des Arms. Die starke Lappenbildung und Faltung des Unterarms lässt
die 3 flügelige Gestalt erst bei genauerer Betrachtung erkennen. Die am Ende der Lappen zwischen den
Saugkrausen hervortretenden Peitschenfilamente sind bei den vorliegenden Exemplaren bedeutend kürzer als
bei Lychnorhiza lucerna, vielleicht nicht vollständig erhalten.
Sehr auffallend ist die Uebereinstimmung unserer L^'chnorhiza flagellata mit L. lucerna, die auch
Haeckel nicht entgangen ist. Leider war es mir nicht möglich, die Originale zu vergleichen,, da das einzige
vorhandene, im Berliner Museum aufbewahrte Exemplar von L. lucerna der Gefahr des Transports nicht
ausgesetzt werden durfte. Nach der ausführlichen Beschreibung Haeckels gleichen sich die beiden Thiere
auf das Genaueste, da der Hauptunterschied die IMonodemnie und Tetradenmie als imwesentlich anerkannt
wiirde. Wir finden bei beiden die körnige Exumbrella mit den feinen Leisten am Schirmrande, ferner die
gleiche Bildung der Randlappen, des Canalsystems und der Mundarme. Bei beiden sind die Subgenitalostien
mehrmals breiter als die Armpfeiler; auch halte ich es für nicht unmöglich, dass bei geschlechtsreifen
Thieren die Gonaden aus den Ostien herausti-eten, da sie bei dem von mir untersuchten Exemplar in den
Subgenitalp orticus hineinragten.
Zwischen den betreffenden Arten lassen sich ausser dem fehlenden oder vorhandenen Subgenital-
porticus nur folgende Unterschiede anführen. Der Schirm ist bei L. lucerna nach Haeckels Figur flacher
und weniger gross im Verhältniss zum Armbüschel. Die Gallerte erreicht bei L. flagellata die doppelte
Dicke, und die Peitschenfilamente sind kürzer bei dieser. Nach den Zeichnungen Haeckels ist auch das
Canalsystem etwas, wenn auch nur wenig bei beiden verschieden. Bei L. lucerna nämlich finden sich in
jedem Octanten 3 Canäle vom Ringcanal nach den Buchten zwischen den Randlappen verlaufend, die durch
ein vinregelmässiges Netzwerk schmälerer Canäle verbunden werden. Diesem letzten Unterschiede möchte
ich jedoch nicht zu grossen Werth beilegen. Haeckel hatte nur ein Exemplar, das geschont werden musste,
und konnte sich', wie ich vermuthe, nicht mit Sicherheit vom Verlauf der Canäle überzeugen. Die merk-
würdige Uebereinstimmung beider Medusen, die auch im gleichen Gebiet beobachtet wurden, macht es ti-otz
der soeben erwähnten Unterschiede mir höchst wahrscheinlich, dass sie einer gleichen Art angehören, doch
ist es klar, dass solche Identifizirung nicht ohne Vergleichung der Originale sicher geschehen kann.
Stomolopliu.s. L. Agassiz. Das Genus Stomolophus schliesst sich aufs engste an Rhizostoma an.
Beide Gattungen zeichnen sich vor allen übrigen — von der zweifelhaften Form Brachiolophus darf man
wol absehen — durch das Auftreten von Scapuletten aus; ferner sind auch Canalsystem und Mundarme
bei einzelnen ihrer Arten fast gleich gebildet. Bei Betrachtung der Mvmdarme kann man zuweilen zweifelhaft
sein, ob sie gabelspaltig oder dreiflügelig sind. Doch hilft über diese Schwierigkeit das Vorhandensein der
Scapuletten fort. Ich vereinige daher beide Gattungen, die sich nur durch verwachsene resp. freie Mundarme
— og^ 31 o®a—
unterscheiden, zur Familie der Rliizostomata scapulata. Durch die Expedition des „Vettor Pisani" wurde
eine neue Art, die vierte des Genus Stomolophus entdeckt.
Stomolophus Chunii. Vh. n. sp. (Taf. III, Fig. 4 u. 5, Tat. IV, Fig. 1\ Drei verschiedene Stadien
dieser Art wurden im Februar 1884 im Golf von Panama gesammelt. Von einer ausführlichen Beschreibung
der Gattung kann ich absehen, da Stomolophus schon von Haeckel eingehend geschildert und die wesent-
lichen Merkmale von ihm wie auch von Agassiz abgebildet wxirden. Ich will nur erwähnen, dass bei allen
drei Exemplaren, selbst bei dem grössten von fast 90 mm Schirmbreite, das Mundrohr nicht geschlossen
war, sondern dass die trichterförmige Einsenkung zwischen den ]\Iundarmeii mit der Gastrogenitalhöhle
communich't. Die Gonaden lagen, jede von der Gastrogenitalmembran eingehüllt, getrennt in der letzteren.
Stomolophus Chunii ist ausgezeichnet durch hohen Schirm, der, ungefähr so hoch als breit, ^j^ des
Armbusches einhüllt, durch 8 oculare Randeinschnitte, 12 Velarlappen zwischen zwei ocularen und durch die
scharfen Stützleisten der Scapuletten. Er unterscheidet sich von St. fritillaria durch das Fehlen der inter-
ocularen Eandeinschnitte, durch die halbkugelige nicht zonale Form des Schulterkrausenbüschels und dadurch,
dass die Scheibe der Armkrausen nur wenig breiter als die der Schulterkrausen ist. Zwischen Scapuletten
und Armen treten die Träger der Schulterkrausen als scharfe Leisten hervor. Die Arme sind kürzer als
bei St. fritillaria. 112 Randlappen sind vorhanden. In jedem Octanten finden sich 12 velare und zwei
oculai'e Randlappen; die ocularen sind spitz und ragen nicht über den übrigen Schirmrand hinaus, die
Velaren sind sanft abgerundet.
Bei St. meleagris ti'eten 10 spitze Velarlappen (in einem Octanten bildet Agassiz 11 ab) statt der
12 stumpfen auf und die ocularen Randlappen sind länger, nicht kürzer als die velaren. Die Schulterkrausen
bilden zusammen bei St. Chunii eine Halbkugel, nicht wie bei St. meleagris einen Cylinder; ausserdem
sind die Leisten des Mundrohrs bei letzterem gerundet. Stomolophus agaricus Haeckel, welcher im gleichen
Gebiet mit St. Chunii, an der pacifischen Küste Südamerikas, gefunden wurde, ist von diesem am meisten
verschieden. Bei ihm werden von dem halbkugeligen Schirm nicht einmal die Scapuletten bedeckt, femer
sind 16 tiefe Randeinschnitte und 16 Velarlappen in jedem Octanten vorhanden. Die jüngeren Stadien, von
denen das kleinste 20 mm Schirmdurchmesser hat, unterscheiden sich von dem älteren nur durch etwas
flacheren Schirm, kürzere Scapuletten und davon abhängig durch längeres Mundrohr, die Canalnetzarcaden
sind nicht so hoch wie bei alten Thieren imd die Mundarme weniger ausgebreitet. Von unten gesehen
bilden die letzteren ein deutliches Kreuz, da die Zusammengehörigkeit von je zwei hier noch besser er-
kennbar ist.
Rhizostoma Cut. Die Gattung Rhizostoma ist ausgezeichnet durch freie, nicht verwachsene
Mundarme, die Schulterkrausen und Gallertknöpfe ti-agen. Ich sehe nicht ein, weshalb der alte gebräuch-
liche Name Rhizostoma Cuv. gegen Pilema Haeckel vertauscht werden soll und behalte daher dem Bei-
spiel von Claus folgend Rhizostoma als Gattungsnamen bei. Zudem hat man häutig in der Systematik
einer grösseren Gruppe einen Namen gegeben, der einer kleineren, besonders tj'pischen entlehnt wurde.
Wir haben demnach im System die Ordnung Rhizostomata den Semaeostomen entsprechend und die
Gattung Rhizostoma zu unterscheiden. Es liegen mir zwei Arten dieser Gattung vor, von denen sich die
eine, Rh. hispidum, als neu erwiesen hat.
Rhizostoma pulmo. L. Agassiz. Es wurde in zwei kleinen Exemplaren im Mittelmeer, Mai 1882,
-ogSo 32 oÄo—
gesammelt. Das grössere hat eine Schirmbreite von 45, das kleinere von lO mm. Ich bin weder im Stande
Haeckels Beschreibung des ausgewachsenen Thiers noch der ausführlichen Darstellung der Entwicklungs-
geschichte durch Claus*) etwas wesentliches hinzuzufügen. Daher constatire ich nur, dass das kleinere
Exemplar, dem die Gallertkolben macroscopisch betrachtet noch fehlen, schon erkennbare Schulterkrausen
trägt und zwischen 2 ocularen nur 2 velare Eandlappen besitzt. Beim grösseren treten G — 8 velare Rand-
lappen zwischen zwei ocularen auf. Die Saugkolben desselben sind in ihrer ganzen Länge ziemlich gleich
breit, einige jedoch sind distal, dort wo der Centralkanal sich zu verästeln beginnt, etwas verdickt. Dieses
noch nicht völlig entwickelte Exemplar macht daher eine Ausnahme von der Regel Haeckels, dass bei
Rh. pulmo stets der Terminalknopf der Mundarme an der Basis am breitesten, von da gegen die Spitze
verdünnt ist. Im Uebrigen stimmt dasselbe völlig mit einem zweiten aus der Sammlung des hiesigen
zoologischen Instituts überein.
Rhizostoma hispidum. Vh. n. sp. (Taf V, Fig. 1 u. 2). Im October 1S84 wurden 9 Exemplare
dieser Meduse bei Hongkong gesammelt. In ihrer Grösse differiren sie von 20 — 90 mm Schirmbreite. Der
Schirm der grösseren Thiere ist flachgewölbt bis halbkugelig: bei den kleineren ist er scheibenförmig mit einge-
schlagenem Rande. Die Exumbrella ist ausgezeichnet dm-ch einen ziemlich dichten Besatz von niedrigen, spitz
kegelförmigen Warzen, die bei den grösseren Thieren kurzen Stacheln ähnlich hervortreten und ein rauhes Aus-
sehen bedingen. Der Schirm ist nur von dünner Gallerte gestützt. Am Rande finden sich zw^ischen zwei
Paaren kleiner zurücktretender Ocularlappen 8 abgerundet dreieckige velare, also im Ganzen 80 Lappen.
Bei jüngeren Thieren sind noch je zwei von ihnen vereinigt, so dass dort nur 40 Randlappen auftreten.
Die 16 Arcaden des Canalnetzes berühren wie bei Stomolophus die Armpfeiler bei den grösseren Exem-
plaren, doch schliessen sie sich nicht so eng an die Radialcauäle an, so dass jederseits von ihnen noch ein
freier Raum bleibt. Diese Zwischenräume schimmern hell durch die Exumbrella hindurch und rufen eine
IGstrahlige Steruzeichnung hervor. Ein breiter Ringcanal, wie bei R. octopus, ist nicht vorhanden. Die
adradialen Canäle verhalten sich zu den Arcaden anders als die perradialen und interradialen. Die
letzteren beiden sind nahe der Mitte des Schirms schon nach einem Viertel ihrer Länge mit den Arcaden
durch seitliche Anastomosen verbunden, die nach den Rändern zu in immer Ideiner werdenden Abständen
sich wiederholen. Die adradialen Canäle dagegen zeigen in der Mitte ihres Verlaufs eine Erweiterung, von
der erst die Anastomosen beginnen. Die Gonaden sind auch bei den grösseren Thieren noch klein und
treten wenig aus den breiten Ostien zwischen den um ^/s schmäleren Armpfeilern heraus. Die Scapuletten
finden sich schon bei Exemplaren von 20 mm Durchmesser — den kleinsten, die mir vorlagen — sind dort
im Verhältniss zu den Mundarmen kurz, während sie bei den grösseren ebenso lang wie der Oberarm sind.
Jede Schulterkrause trägt zahlreiche kleine Peitschenfilamente und zwischen ihren äussersten Lappen ein
grösseres Filament. Thieren von 65 mm Schirmbreite fehlen diese Anhänge noch. Ferner treten 4 stärkere
perradiale Peitschenfilamente in der Mitte der Mundscheibe auf, je eines zwischen den proximalen Enden zweier
Mundarme, die auch bei Thieren von nur 30 mm Durchmesser noch deutlich erkennbar waren. Die dieser
Gattung eigenthümlichen Gallertknöpfe am distalen Ende der Mundarme sind gestielt. Sie fehlten nur bei dem
kleinsten vorhandenen Exemplar. Der Stiel derselben erreicht höchstens die Länge des Endknopfes. Aehnliche
*) Studien über Polypen und Quallen der Adria. Denkschriften der Kaiserlichen Academie der Wissenschaften. Math.-
Nr.turw. Cl. XXXVIII. Wien 1878. pag. 47.
—3^ 33 ogo—
Saugkolben, nur verhältnissmässig kleiner, finden sich bei den grösseren Thieren auch am Ende der Arm-
zweige. Zuweilen sind dieselben durch einfache Filamente ersetzt, woraus hervoi-geht, dass diese Peitschen-
filamente und Saugkolben gleichwerthige Gebilde sind. Wäre dieses nicht der Fall, so müsste R. hispidum
von den übrigen Arten der Gattung Rhizostoma als einzige Art einer neuen Gattung getrennt werden.
Aus der oben gegebenen Beschreibung geht hervor, dass das Auftreten von Endkolben an den
Armzweigen nicht als Gattungscharacter aufgefasst werden darf, sondern allein als Altersunterschied zu
betrachten ist. Daher ist es nicht weiter wunderbar, dass Haeckel solche Gallertknöpfe auch bei R. octopus
antraf. Das Genus Rhopilema muss also eingezogen werden.
Man könnte nun vennuthen, dass R. hispidum mit R. clavigerum identisch ist, welches ebenfalls bei
Hongkong gefunden win-de. An Grösse bleibt das von Haeckel beschriebene Exemplar von 80 mm Schirm-
breite nur wenig hinter dem grössten unserer Meduse zurück. Daher kommt die geringere Zahl der Rand-
lappen 48 bei R. clavigerum gegen 80 bei R. hispidum auch in Betracht: Die Exumbrella, bei letzterem
stachelig, wird bei dem ersteren grobkörnig genannt. Peitschenfilamente fehlen jenem vollständig und die
Stiele seiner Gallertkolben sind ebenso lang, „kaum länger" als der Oberarm, während sie bei R. hispidum
noch nicht halb so lang sind.
Rhizostoma (Rhopilema) rhopalophorum aus dem Indischen Ocean, das seiner zahlreichen Gallert-
kolben wegen ebenfalls in Betracht zu ziehen ist, unterscheidet sich durch die doppelte Zahl der velaren
Randlappen von R. hispidum, ferner durch seine längeren Gallertknöpfe, die ebenso lang wie die Unterarme
sind. Da ausserdem nichts erwähnt wird vom Stachelbesatz der Exumbrella und von Peitschenfilamenten,
was bei einem Thier von 100 mm Schirmdurchmesser nicht zu übersehen ist, so muss man die vorliegende
Meduse als neue Art anerkennen.
Mastigias L. Agassiz. Zum Genus Mastigias rechne ich im Sinne von Agassiz alle Rhizostomen,
deren äkantig pyramidale Mundarme Gallertknüpfe tragen, wobei es gleichgültig ist, ob die Gallertknöpfe
nur am Ende der Mundarme oder auch seitlich zwischen den Saugkrausen avifti'eten. Auf das letztere
Vorkommen gründete Haeckel das Genus Eucrambessa. Dieses ist jedoch aus den bei R. hispidum angeführten
Gründen ebenso wenig haltbar wie Rhopilema. Von Mastigias liegen zwei Arten vor: M. ocellata, die
bisher nur ganz kurz beschrieben wurde, iind M. Orsini, die neu ist. Bei beiden finden wir seitliche und
terminale Gallertknöpfe.
Mastigias ocellata Haeckel. (Taf V, Fig. 3 — 6). Dieser Art gehören zwei Medusen an, welche im
October 1884 bei Hongkong gesammelt wurden. Die Exumbrella ist von zahlreichen braun gerandeten hellen
Augenflecken mit brauner Pupille bedeckt. Die Zwischenräume zwischen den Flecken sind dicht braun punktirt.
Der Schirm ist flach, scheibenförmig, mit eingeschlagenem Rande und hat beim grösseren Exemplar einen
Durchmesser von 50, beim kleineren von 25 mm. Bei beiden Thieren finden sich zwischen zwei vor-
springenden ocularen Randlappen 6 velare, die stumpf abgerundet sind und paarweise verschiedene Grösse
haben. Die beiden den Ocularlappen zunächst liegenden sind die kleinsten, die diesen benachbarten etwas grösser
und die beiden mittleren am grössten. Ausnahmsweise bemerkt man, dass einzelne Randlappen sich theilen.
Auf der Unterseite zeigt sich vom Rand bis zum Beginn der Mundpfeiler ausgedehnt eine kräftige Ring-
muskelzone, die nur durch die 8 ocularen Radialcanäle imterbrochen wird. Diese ocularen Canäle beginnen
mit schmaler Oeffnung, sind dann nahe ihrem Ursprung flaschenartig erweitert und verlaufen allmählich
— ofgo 34 0®0-
sich verschniälernd dem Rande zu. Zwischen ihnen liegen lö— 20 Radialcanäle , welche mittelst ihrer
Anastomosen ein dichtmaschiges Netzwerk bilden. Dasselbe steht mit den breiten ocularen Canälen nur
durch den Ringcanal in Verbindung. Der Rand wird von einem noch dichteren Canalnetz durchzogen.
Das Genitalkreuz ist durch eine dünne häutige Membran von dem Subgenitalporticus getrennt. Der Durch-
messer der Armscheibe ist gleich dem Radius des ausgebreiteten Schirms und die Ostien des Subgenital-
porticus sind mehr als doppelt so breit als die sie trennenden Armpfeiler. Die Mundarme sind kräftig und
kurz. Der ungetheilte Oberarm ist imgefähr ebenso lang als der Unterarm, der durch die abstehenden
dorsalen Flügel ums Doppelte verbreitert wird. Erst in der Mitte des Unterarms werden die Arme stumpf
pyramidenförmig, da die Saugkrausen der 3 Kanten dort einander berühi-en. Die Pyramide erscheint jedoch
zusammengedrückt; die den Radien entsprechenden Seiten derselben sind breiter als die tangentiale Seite,
welche zwischen den beiden Dorsalflügeln liegt. Zwischen den Mundarmen des grösseren Exemplars finden
sich 4 Peitschenfilamente an den perradialen Pfeilergabelu und ein centrales Peitschenfilament. Am distalen
Ende jedes Mundarms finden wir einen gestielten Skantigen Nesselknopf, der bei einigen Armen des
grösseren Thiers nebst Stiel die Länge des Schirmradius ei-reicht. Beim kleineren Thier tragen sämmtliche
Arme nur ganz kurz gestielte Nesselknöpfe. Zwischen den Armkrausen zerstreut endlich ti-eten kleine, kurz
gestielte, runde, knopfartige Bläschen auf.
Die soeben gegebene Beschreibung stimmt mit der Diagnose Haeckels überein bis auf die Anzahl
der Randlappen und die knopfartigen Bläschen zwischen den Saugkrausen. Dass hier nur die halbe Anzahl
der Velarlappen auftritt, 6 statt 12 scheint mir kein Hinderniss diese Meduse mit M. ocellata zu identificiren
obwohl das von Haeckel erwähnte Exemplar sie nicht viel an Grösse übertrifft, besonders da einzelne Rand-
lappen schon eine Theilung erkennen lassen. Die zwischen den Saugki-ausen zerstreuten Bläschen aber
werden von Agassiz*) als „small, sparse, white papillae" bei Hidroticus rufus erwähnt, dessen Identität mit
M. ocellata Haeckel selbst für höchst wahrscheinlich hält.
Mastigias Orsini. Vh. n. sp. (Taf. IV, Fig. 2 — 4). Diese schöne Rhizostome wurde am 10. Juni
1884 von Orsini bei Assab entdeckt. Es liegen davon 3 Exemplare vor; doch fehlen den beiden kleineren
sämmtliche Mundarme. Das gi'össte wohl erhaltene Exemplar hat eine Schii'mbreite von 65 mm. Der Schirm
ist flach gewölbt mit eingeschlagenem Rande, die Exumbrella glatt, halbdurchsichtig, das Genitalkreuz matt
durchschimmern lassend. Der Rand ist in 144 zugespitzte Lappen getheilt, 16 volare zwischen zwei etwas
schmäleren nur w-enig vorspringenden ocularen. Die Sinnesorgane treten etwas aus der Ebene der Rand-
lappen hervor. Die Subümbrella zeigt eine tiefe Randfurche, innerhalb welcher der breite Ringcanal verläuft
Eine kräftige Ringmuskelzone bedeckt die Innenseite des Randes und den halben Raum zwischen Randfm-che
und Armscheibe. Durch sie hindurch ist undeutlich der Verlauf der Radialcanäle erkeimbar. Es treten
16 derselben auf, 8 oculare und 8 interoculare. Zwischen ihnen, bis zum inneren Rande der Muskelzone
reichend, findet sich ein niedriges Canalnetz mit wenigen Maschen, das nur mit dem Ringcanal in Verbindung
steht und dessen Canäle ungefähr die halbe Breite der Radialcanäle haben. Der Durchmesser der Arm-
scheibe ist gleich dem Schirmradius. Die Armpfeiler sind breiter als die Ostien des Subgenitalporticus,
Der Oberarm der Mundarme, der nur venti-ale Saugkrausen trägt, ist sehr km-z, ungefähr ebenso lang wie
*) Contributions ... IV. pag'. 15S.
— o^ 35 o®o—
die beiden kurzen, ersten dorsalen Aeste. Dabei ist er verhältnissmässig sehr dünn, so dass die schweren
Skantigen Unterarme leicht abbrechen. Der Unterarm mit dem ungestielten Terminalknopf ist dreimal so
lang als der Oberarm und im eigentHchsten Sinne des Worts dreikantig (Taf. IV, Fig. 4). Alle 3 Seiten der
Pyramide sind gleich breit und unterscheiden sich nur dadurch, dass auf der äusseren, tangentialen Seite der
Gallertknopf höher, ungefähr bis zur halben Höhe des gesammten Unterarms hinaufreicht, während derselbe
auf den beiden radialen Seiten nur '/s des Unterarms einnimmt. Ausserdem steigt jederseits zwischen den ven-
tralen und den dorsalen sonst die Arme dicht bedeckenden Saugkrausen eine tiefe Furche vom Oberarm herab.
Dicht über dem sehr grossen Terminalknopf finden sich besonders auf den dorsalen Kanten des Unterarms
einzelne längliche, schmale, ungestielte Gallertknöpfe, die sich zuweilen längs der ganzen Kante heraufziehen,
gleichsam als wollten sie die Saugkrausen der tangentialen Seite einrahmen. An einem Quei-schnitt erkennt
man die bedeutende Dicke der Schirmgallerte und der Armscheibe mit den Mundpfeilern. Die Gastro-
genitalhöhle ebenso wie der Subgenitalporticus sind wenig geräumig. Von dem Gastralraum entspringen
8 mächtige Armkanäle, die an die Saugkrausen Aeste abgeben nnd bis zur S])itze des Termmalknopfes
verlaufen. Im Gallertknopf geben sie ebenfalls nach den 3 Kanten senkrechte Stämme ab, die, im Bereich
der Kanten dm-ch Anastomosen verbunden, ein wenigmaschiges Netzwerk bilden.
DesmOStOlHii. Vh. U. g. Das Genus Desmostoma wird für eine Rhizostome gegründet, welche
bei Assab im Rothen Meer durch Orsini entdeckt wurde. Es schhesst sich an das Genus Mastigias an,
hat wie dieses 8 dreiseitig pyramidale Mundarme mit Terminalknopf, zwischen denen vom Centrum der
Mundscheibe ein Büschel starker Peitschenülamente herabhängt.
Desmostoma gracile. Vh. n. sp. (Taf IV, Fig. 5 — 7). Diese zierliche Meduse liegt in 3 Exemplaren
aus dem rothenMeer bei Assab vor, wo sie im September 1884 von Orsini entdeckt wurde. Alle drei sind ziem-
lich gleich gross, haben ungefähr 35 mm Schirmbreite. Der Schirm ist flach bis hutförmig gewölbt, mit ab-
stehendem oder nach innen eingeschlagenem Rande. Die Exumbrella ist von sehr dicker Gallerte gestützt und
äusserlich von kleinen Warzen, die zu unregelmässigen Flocken zusammentreten, dicht bedeckt. Der Rand
ist unregelmässig gelappt, da zwischen zwei kleinen lanzettlichen Ocularlappen wenigstens 5 Velarlappen
liegen, die sich wieder zu theilen pflegen, so dass 5 — 10 Velarlappen in den verschiedenen Octanten zu
beobachten sind. Dazu kommt noch, dass die Rhopalien ebenfalls unregelmässig auftreten, so dass bei dem
einen Exemplar drei nebeneinander ohne dazwischen liegende Velarlappen gefunden wm-den. Der hoch-
gewölbte Schirm schliesst eine geräumige Gastrogenitalhöhle und einen sehr niedrigen Subgenitalporticus
ein. Verdünnt man die Schirmgallerte, so sieht man die Gastrogenitalhöhle mit dem Gonadenkreuz und
das von ihr ausgehende Canalnetz durchschimmern. Das Canalnetz wird von 4 langen interradialen,
4 kurzen perradialen und zahlreichen zwischen diesen entspringenden schwächeren Canälen gebildet, die
sämmtlich vei'ästelt und dm-ch Anastomosen verbunden sind. In der Randzone nimmt sämmtliche Canäle
der Ringeanal auf Ausserhalb desselben setzen sich nur die starken ocularen Canäle fort, während zwischen
ihnen ein von sehr schmalen Canälen gebildetes, enges Netzwerk auftritt. Die Subumbrella wird von einer
breiten und kräftigen Ringmuskelzone bedeckt, welche jedoch nicht bis zur Peripherie der Armpfeiler
heranreicht. Die Subgenitalostien sind breiter, zuweilen doppelt so breit als die Armpfeiler. Aus ihnen
treten die äusseren Schenkel je zweier Gonaden paarweise heraus, welche mitunter durch den zwischen
diesen liegenden Gallertbalken völlig getrennt sind, so dass scheinbar 8 Subgenitalostien entstehen.
— ofto 3G og->-
Die Mundarme sind kurz, kaum so laug als der Scliirmradius und bestehen aus einem stark ver-
kürzten Oberarm und einem 3 — 4 mal so langen gerundet 3kantigen Unterarm, der dicht mit Saugkrausen
bedeckt ist und ausser dem terminalen noch zuweilen einzelne zerstreute, kleinere Gallertknöpfe zwischen
den Saugkrausen trägt. Zwischen den Mundarmen endlich, die ganze Mundscheibe einnehmend, hängt ein
starkes Büschel von mehr als 20 Peitschentilamenten herab, die ungefähr l^/» mal so lang als der Schirm-
durchmesser sind. Bei dem einen mir vorliegenden Exemplar jedoch, welches weniger kräftig ist als die
beiden anderen und flach gewölbten Schirm hat, finden sich nur 8 solcher Peitschenfilamente.
Das System der Rhizostomen.
Unter den oben beschriebenen Rhizostomen sind Vertreter der Toreumiden, Pilemiden, Versuriden
und Crambessiden vorhanden, d. h. alle 4 Familien, in welche Haeckel die Rhizostomen theilen zu müssen
glaubte. Da sich mir ausserdem vorzüglich conservirtes Vergleichsmaterial bietet aus der Sammlung des
hiesigen zoologischen Museums, darunter zwei Haeckel'sche Originale von Rhizostoma octopus und Cram-
bessa Pictonum und da dieses Material ergänzt wird dui'ch die vorzüglichen Abbildungen von Haeckel,
Agassiz, Claus, Grenacher und Noll, so bin ich im Stande, mir ein allgemeines Urtheil über die gesammte
Gruppe der Rhizostomen zu bilden. Ein solcher Ueberblick berechtigt mich, eine kritische Beurtheilung
und Verbesserung des alten Systems der Rhizostomen zu versuchen. Die Nothwendigkeit eines neuen
Systems der Rhizostomen wurde von Claus*) schon 1883 dargethan, indem er nachwies, dass das Haupt-
eintheilungsprinzip Haeckels, das Aufti-eten oder Fehlen eines Subgenitalporticus nicht einmal als Art-
character gelten könne, weil sonst ältere und jüngere Thiere derselben Art getrennt werden müssten.
Dem zweiten Einwui'f, den Claus dem System Haeckels macht, muss ich ebenfalls zustimmen. Es lässt
sich keine deutliche Grenze zwischen Unicrispaten und Multicrispaten ziehen. Das von Claus, der Phyllo-
rhiza und Cotylorhiza vergleicht, gewählte Beispiel scheint mir nicht recht geeignet, dieses Verhalten zu
demonstriren, Phyllorhiza besitzt nach den allerdings zu kurzen Bescbreibimgen deutlich dreilappige Arme,
während Cotylorhiza einfach gabelspaltige Arme, wie die übrigen Cepheiden, hat, die nur gezwungen als
dreilappig gedeutet werden können. Mehr erinnert die Armbildung der Cotylorhiza an die Unterarme der
Stomolophiden, wo man allerdings zweifelhaft sein kann, ob Gabeltheilung oder dreiflügelige Bildung vor-
liegt. Die Zweifel werden aber einfach gelöst, wenn man andere Eigenschaften in Betracht zieht. Die
Stomolophiden schliessen sich an die Gattung Rhizostoma durch die Ausbildung der Scapuletten au, Coty-
lorhiza jedoch darf nicht von den Cepheiden getrennt werden, der Radialmusculatur, die sonst nur bei
Cepliea und Archirhiza zu beobachten ist, und der kleinen Subgenitalostien wegen.
Nachdem Claus dann noch auf die Verästelung der Arme bei den Unicrispaten emgegangen und
L. Agassiz auch hierbei wieder gegen Haeckel zu seinem Recht verholten hat, giebt er eine „vorläufige
*) Untersuchungen über die Organisation und Entwicklung der Medusen. 1883 pag. 57 — 61.
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Orientiruug" der Medusen, die in der That, um seinen eigenen Ausdruck zu gebrauchen, gegenüber den
künstlichen Categorien des Haeckel'schen Rhizostomensystems geradezu ein Bedürfniss war. Zum Vergleich
mit der später vorzuschlagenden Gruppirung lasse ich die von Claus gegebene Eintheilung hier folgen.
Rhizostomae*).
1. Farn.: Archirhizidae.
Archirhiza, Haplorhiza, Cannorhiza.
2. Fam.: Cassiopeidae.
Toreuma, Polyclonia, Cassiopeia, Versura, Crossostoma-
'^. Fam.: Cepheidae.
Cephea, Polyrhiza, Phyllorhiza, Cotylorhiza, Stylorhiza.
. Fam.: Lychnorhizidae.
Toxoclytus, Lychnorhiza.
5. Fam.: Stomolophidae.
Brachiolophus, kStomolophus.
6. Fam.: Rhizostomidae.
Eupilema, Rhizostoma, Rhopilema.
7. Fam.: Catostylidae.
Catostylus (Crambessa), Mastigias, Eucrambessa.
8. Fam.: Leptobrachiidae.
Thysanostoma, Himantostoma, Leptobrachia, Leonura.
Claus vermeidet es das Prinzip flu- seine Eintheilung der Rhizostomen anzugeben; wir können
dasselbe nur aus den Diagnosen seiner 8 Familien vermuthen. In diesen Diagnosen finden sich aber so
viele überflüssige und relative bei der einzelnen Bestimmung nichts entscheidende Begriffe, dass die wesent-
lichen Merkmale nicht genügend hervortreten. Die Familien stehen ausser aller Beziehung zu einander und
man weiss nicht, ob eine Eigenschaft die einer derselben zukommt bei einer anderen fehlt oder nicht.
Mit einem Wort die Diagnosen sind nicht präcise genug, daher ist es bedeutend erschwert, nahezu unmöglich
gemacht, einzehie Thiere in diesen Familien unterzubringen. Als Beweis für meine Behauptung führe ich
an, dass bei den Archirhiziden „geringe Körpergrösse" als Merkmal angeführt und dass bei allen übrigen
Gruppen die Beschaffenheit der Armscheibe, welche entweder „breit und flach", „stielförmig verlängert"
„sehr breit und stielförmig verlängert" oder „sehr breit" ist, an erster Stelle erwähnt wird. Das Canalsystem
oder Gefässnetz wird uns als „einfach", „sehr eng und dicht", als „relativ einfach" und als „eng" geschildert.
Alle diese Ausdrücke sind doch ohne genaue Definition oder Hinweis auf eine normale Form nicht zu ver-
stehen und solche wie „meist" oder „relativ" müssen unbedingt aus jeder Diagnose fortbleiben. Bei der
7. und 8. Familie, den Catostyliden und Leptobrachiiden hebt Claus endlich noch die Ausbildung eines
Subgenitalporticus hervor, ohne zu bedenken, dass dieses Merkmal zu Irrungen führen muss, weil dasselbe
auch einigen Gattungen anderer Familien zukommt, wo nichts davon erwähnt wird.
*) Die Pluralform von Rhizostoma heisst Rhizostomata.
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Die Diagnosen der Familien können demnach, da sie zur Bestimmung nicht geeignet sind, nich
beibehalten werden. Dagegen muss ich anerkennen, dass die (xruppirung der Gattungen im Allgemeinen
der natürlichen Verwandtschaft entspricht. Nur im Einzelnen habe ich einige Ausstellungen zu machen.
So halte ich es für nöthig, Versura von den Cassiopeiden zu trennen, da jene durch die dreiflügeligen
Mundarme, ferner durch die breiten Subgenitalostien und durch die Musculatur der Subumbrella sich von
diesen unterscheidet. Ob Crossostoma ebenfalls von Cassiopeia getrennt werden und mit Versm'a vereinigt
bleiben muss, kann ich nicht entscheiden, da die kurzen Beschreibungen ihrer Arten keine selbstständige
Beurtheilung gestatten. Ich schliesse mich in dieser Frage an Haeckel an, der doch wenigstens eine Art
dieser Gattung gesehen hat. Ferner kann ich Claus darin nicht beipflichten, dass er Phyllorhiza zu den
Cepheiden rechnet. Obwohl ich diese Meduse nicht gesehen habe, scheint es mir klar, dass dieselbe deut-
lich Sflügelige, nicht gabelspaltige Mundarme besitzt. Phyllorhiza muss daher zu Lychnorhiza gestellt
werden, wo sie auch Haeckel unterbringt, der sie aus eigener Anschauung kennt.
Vergleicht man endlich die Diagnosen der Stomolophiden und Rhizostomiden bei Claus, so ergiebt
sich, dass beide Familien wesentlich nur durch verwachsene resp. freie Mundarme sich unterscheiden. Da
derselbe Unterschied nun nach Claus nicht hinreicht, die Gattungen der Archirhiziden in zwei Familien
zu ti-ennen, so liegt auch kein Grund vor, Stomolophiden und Rhizostomiden als besondere Familien zu
betrachten.
Nachdem ich einige der Momente hervorgehoben habe, welche eine Aenderung des Systems wünschens-
werth erscheinen lassen, will ich die Prinzipien entwickeln, die mich bei der Aufstellung des neuen Systems
leiten. Jedes natürliche System hat den Zweck, möglichst scharf begrenzte Gruppen durch \^erwandtschaft
zusammengehöriger Arten zur leichteren Uebersicht zusammenzustellen. Die beiden Anforderungen aber,
dass das System den natürlichen Verhältnissen Rechnung tragen und gleichzeitig übersichtHch sein soll,
widersprechen einander, denn in der Natur giebt es kein System, d. h. die verschiedenen Arten sind durch
verwandtschaftliche Beziehungen verbunden, jede Gruppirung derselben ist jedoch mehr oder weniger will-
kürlich und nur durch practische Rücksichten geboten. Deshalb werden sich immer Beziehungen und Ueber-
gänge unter den sogenannten natlü'lichen Gruppen finden, die als Mängel des Systems hervortreten. Um
solche auffallende Mängel möglichst zu vermeiden, wählte ich als Haupteintheilungsprinzip der Rhizostomen
die Beschaffenheit der Mundarme, deren Bedeutung für die Classification ja in allen früheren Systemen
schon anerkannt wiirde. Die Mundarme sind nächst dem Schirm die auffallendsten Organe der Medusen.
Sie sind es, die das ganze Aussehen, den Habitus derselben im höchsten Grade beeinflussen, während die
Verschiedenheiten des Schirms weniger characteristisch sind.
— o^ 39 0^—
Rhizostomata.*)
1. Rhizostomata simplicia. Mundarme einfach, ungetheilt.
Archirhiza Haeckel. Mundarme frei, Subgenitalpoi-ticus fehlt.**)
A. pr imor dialis. Haeckel. 48 Randlappen; Arme cylindrisch, so lang als der Schirmradiws
Adradialcanäle unverästelt. Fundort: Bassstrasse.
A. aurosa. Haeckel. 80 Randlappen; Arme conisch, 1 1/2 mal so lang als der Schirmradius = r
Adradialcanäle verästelt. Neuseeland.
Haplorhiza. Haeckel. Mundarme frei; Subgenitalporticus vorhanden.
H. simples. Haeckel. 48 Randlappen, Ocularlappen vorspringend; Subgenitalostien so breit
als die Armpfeiler. Bassstrasse.
H. punctata. Haeckel. 176 Randlappen, Ocularlappen eingezogen; 'Subgenitalostien 3mal so
breit als die Pfeiler. Küste von Nordaustralien, Arnheims Land.
Cannorhiza. Haeckel. Mundarme verwachsen.
C. connexa. Haeckel. 80 Randlappen; Subgenitalostien so breit als die Pfeiler. Südpaeifischer
Ocean bei Neuseeland.
2. Rhizostomata dichotoma. Mundarme gabeltheilig.
Cephea. Peron et Lesueur. Mundarme einfach gabeltheilig***), mit zahlreichen Peitschenfilamenten ;
Exumbrella mit Höckern bedeckt.
C. Forskale a. Haeckel. Gabellappen der Arme doppelt so lang als der Obei-arm; Ocular-
einschnitte der Exumbrella sehr tief; Velarlappcn rechteckig; zwischen den Armbasen 16 grosse
und starke Peitschenfilamente imd zahlreiche kleiuei-e. Rothes Meer bei Djedda.
C. fusca. Peron et Lesueur. Gabellappen der Arme dreimal so lang als der Oberarm; Ocu.lar-
einschnitte der Exumbrella seicht; Peitschenfilamente zahlreich, von der Armbasis an Grösse distal
abnehmend; Velarlappen stumpf abgerundet. Lidischer Ocean, Malabar, Nordwestküste von
Australien.
C. diplopilus. Haeckel. Gabellappen der Arme so lang als der Oberarm; zahlreiche Peitschen-
filamente, 24 — 32 stärkere darunter; Velarlappen zugespitzt, fast eiförmig dreieckig. Sandwichinseln.
*) In der hier folgenden Zusammenstellung fehlen die Arten Phyllorhiza punctata, v. Lendenfeld, Pseudorhiza aurosa.
V. Lendenield und Monorhiza Haeckelü Haacke. Es ist mir nicht möglich, nach den vorhandenen Abbildungen und Beschrei-
bungen ein sicheres Urtheil über die Gestalt ihrer Mundarmo zu gewinnen. Die Familie der Chaunostomiden, in welcher die
beiden letzteren vereinigt wurden, characterisirt durch die bleibende centrale Mundöflnung, ist jedoch meiner Ansicht nach un-
haltbar, da auch bei anderen Rhizostomen, z. B. wie ich beobachtete bei Stomolophus, die Mundöffnung persistirt. Monorhiza
Baeckelii scheint einige Aehnüchkeit mit Leptobrachia und Leonura zu zeigen. Dafür spricht die übereinstimmende Täfelung der
Exumbrella und die analoge Bildung der Mundarme. Wenn wir nämlich die Arme als rudimentär und das von Haacke nur
einmal beobachtete Auftreten von Armkrausen an dem Terminalknopf als Rückschlag betrachten, so lassen sich an diesem am
wenigsten rückgebüdeten Mundarm 3 Abschnitte ähnlich wie bei jenen Gattungen erkennen: 1) obere Saugkrausen; 2) ein mittlerer
Skautiger Theil ohne Saugkrausen, der sogenannte Terminalknopf, und diesem anhängend 3) untere 3flügelige Saugkrausen.
**) Nur hier habe ich das Fehlen resp. Auftreten eines Subgenitalporticus als Gattungsmerkmal gelten lassen, weil keine
wesentlichen Unterschiede erwähnt werden.
***} Xur bei C. conifera sind die beiden GabeUappen distal in zwei kleine Läppchen gespalten.
-o®o 40 ogc—
C. conifera. Haeckel. Gallertlappen dei- Arme doppelt so laug als der Oberarm, an ilurer
Spitze in zwei kleine Läppchen gespalten, 'Velarlappen rechteckig, Peitschenfilamente sehr lang
und zahlreich, ungefähr 100 von ilmeu länger als der Schirmdurchmesser, darunter 4 sehr dicke
an den perradialen Pfeilergabeln. Carolinen, Samoainseln.
Polyrhiza. L. Agassiz. Mundarme wiederholt gabeltheilig, mit zahlreichen Peitschenfilamenten; Exum-
brella ohne Höcker, von Eadialfurchen durchsetzt.
P. vesiculosa. L. Agassiz. 32 dichotome Radialfurchen der Exumbrella; Velai-lappen recht-
eckig; Arme den Schirmrand wenig überragend; Peitschen zahlreich, laug, länger als der Schirm-
durchmesser. Rothes Meer.
P. h 0 m opneusis. Haeckel. 16 einfache Radialfurchen; Velarlappen kurz, spitz dreieckig;
Arme den Schirmrand um mehr als die Länge des Schirnn-adius überragend; Peitschen kurz und
zahlreich. Neuguinea, Waigiouinseln.
P. Orithyia. Haeckel. 16 — 32 verzweigte Eadialfurchen; Velarlappen kurz und stumpf; Arme
den Schirmrand übeiTagend; Peitschen zahlreich und kurz, 4 (oder 8) grössere im Centrum.
Mollukkensee.
Cotylorhiza. L. Agassiz. Mundarme einfach gabeltheilig, Gabeläste gefiedert mit gestielten Saugnäpfen
C. t u b e r c u 1 a t a. L. Agassiz. Velarlappen stumpf; Arme kürzer als r, den Rand wenig über-
ragend, Gabeläste ungefähr so lang als der Oberarm; die längsten Saugrölu'eu au der Gabel-
theilung der Arme länger als der Oberarm. Mittelmeer und Rothes Meer.
C. ambulacrata. Haeckel. Velarlappen rechteckig; Arme länger als r, Gabeläste fast doppelt
so lang als der Oberarm; die längsten Saugröhren kürzer als der Oberai-m. Atlantischer Ocean.
Stylorhiza. Haeckel. Mundarme wiederholt gabeltheilig mit langgestielten Saugnäpfen.
St. octostyla. Haeckel. Velarlappen abgerundet; Subgeuitalostien fast doppelt so breit als die
Pfeiler; Arme so lang als r; 8 lange und zahlreiche kürzere gestielte Saugnäpfe. Rothes Meer,
Arabische Küste.
St. polj-styla. Haeckel. Velarlappen rechteckig, abgestutzt; Subgeuitalostien kaum so breit als
die Pfeiler; Arme doppelt so lang als r; zahlreiche Saugröhren, darunter 16 lange. Lidischer Ocean.
3. Rhizostomata pinnata. Mundarme gefiedert.
Toreuma. Haeckel. 16 Radialcanäle; 8 Sinneskolben.
T. theophila. Haeckel. 96 Randlappen; Exumbrella grobkörnig, warzig; Arme so lang als r;
grosse kolbenförmige Blasen; an C. Andronieda im Habitus erinnernd. Lidischer Ocean, Nord-
westküste von Australien.
T. thanino Stoma. Haeckel. 120 — 160 Randlappen; Exumbrella feinkörnig; Arme fast doppelt
so lang als r; kolbenförmige Blasen klein, so gross wie die Randläppchen. Lidischer Ocean.
T. Gegenbauri. Haeckel. 80 Randlappen; Exumbrella papillös; Arme = l'/a r: an der Basis
jedes Arms eine sehr grosse, sonst kleine kolbenförmige Blasen. Tropenzone des Lidischen Oceans
Polyclonia. L. Agassiz. 24 Radialcanäle: 12 Sinneskolben.
J*. frondosa. L. Agassiz. Exumbrella mit 12 hellen Radialstreifen: Armscheibe ''3 — '/< r breit;
-o®o 41 o®>-
Arme ungefähr ^ r, mit zalilreicheii kleinen kolbenförmigen Blasen zwischen den Zottenbüscheln.
Westindien, Küste von Florida.
Cassiopeia. Peron et Lesueur. 32 Radialcanäle, IG Sinneskolben.
C. A n d r 0 m e d a. E s c h s c h o 1 1 z. 80 Randlappen; 96 weisse Radialfleeken auf der Exumbrella; Sub-
umbrella nngefleckt; Arme kaum so lang als r; Armscheibe ^/a r breit; Arme mit zahlreichen
kleinen, neben zerstreuten grossen kolbenförbigen Bläschen zwischen den Zotten. Rothes Meer
und Sundaarchipel.
C. o r n a t a. H a e c k e 1. 80 Randlappen ; 96 Radialflecke der Exumbrella, 32 auf der Subumbrella;
Arme etwas länger als r; Armsclieibe ^\i r breit; zahlreiche kleine kolbenförmige Bläschen. Küsten
von Neuguinea und Australien.
C. Mertensii. Brandt. 128 Randlappen; 32 Radialflecke der Exumbrella; Arme l'/s r lang,
mit zahlreichen sehr grossen keulenförmigen Blasen. Carolinenarchipel, Ualan.
C depressa. Haeckel. 144 Randlappen; Exumbrella ohne Radialflecke; Arme kürzer als r;
keulenförmige Blasen zahlreich und sehr klein. Südwesten des Indischen Oceans bei Madagascar
und den Querimbainseln.
C. p olyp 0 i de s. Keller. 80 Randlappen; 64 Radialflecke (die 16 grossen Flecke sind mit zwei
kleinen Flecken der ocularen Randlappen verschmolzen); Subumbrella mit 16 lanzettlichen weissen
Radialflecken; Arme so lang oder länger als r; grosse und kleine kolbenförmige Bläschen; Exum-
brella mit Saugnapf. Südlicher Theil des Rothen Meeres.
C picta. Vanhöffen. 112 Randlappen; 128 Radialflecke (zuweilen die grösseren mit einigen
kleineren verschmolzen); Subumbrella mit 16 grossen, eiförmigen weissen Flecken; Arme kürzer
als r; Armscheibe so breit als r; nur kleine kolbenförmige Bläschen. Rothes Meer bei Beilul.
4. Rhlzostomata triptera. Mundarme dreiflügelig. (Die ventrale Saugkrausenreihe und die der dorsalen Flügel
berühren sich erst am distalen Ende des Arms.)
Loborhiza. Vanhöffen. Mundarme 3flügelig, ohne besondere Anhänge.
L. ornatella. Vanhöffen. 80 Randlappen; Exumbrella fein granulirt; Velarlappen stumpf ab-
gerundet; Arme sehr kurz, vom Centrum gemessen = ^/s r. Westküste Südamerikas, Insel Puna
bei Guayaquil.
Phyllorhiza. L. Agassiz. Die Mundarme endigen mit 3 kleeblattähnliclien getrennten Lappen. Zwischen
den Saugkrausen Peitschenfilamente.
P. trifolium. Haeckel. 96 Randlappen; Exumbrella feinkörnig; Arme mit 3 halbkreisförmigen,
fiederspaltigen getrennten Lappen, mit 24 sehr langen (länger als 2 x) und zahlreichen kurzen
Peitschenfilamenten. Japanisches Meer.
P. chinensis. L. Agassiz. 80 Randlappen; Exumbrella papillös; Arme 31appig gefranzt; zahl-
reiche lange Peitschenfilamente. Chinesisches Meer.
Lychnorhiza. Haeckel. Arme mit 3 breiten stark gelappten Flügeln und Peitschenfilamenten.
L. lucern a. Haeckel. 48 Randlappen; Arme fast so lang als die Schirmbreite: Exumbrella
femkörnig; 120 — 160 Peitschenfilamente, länger als die Arme; Subgenitalporticus fehlt. Brasilia-
nische Küste, Rio de Janeiro.
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L. flagellata. Vanliüffen. 48 Randlappen; Exumbrella fein granulirt; Arme so lang als der
Schirmradius; Peitschenfilamente kürzer als die Arme; Subgenitalporticus vorhanden. Brasilia-
nische Küste bei Pernambuco.
Versura. Haeckel.*) Arme mit 3 breiten tief gelappten Flügeln und keulenförmigen Blasen zwischen
den Saugkrausen; ohne centrale Zottenrosette.
V. palmata. Haeckel. 112 verwachsene Randlappen; Oculareinschnitte seicht; Velarlappen
schmal rechteckig; Subgenitalostien doppelt so breit als die Pfeiler; Arme kürzer als r, so lang
als breit. Simdasee, Java.
V. pinnata. Haeckel. 144 verwachsene Randlappen; Oculareinschnitte tief; Velarlappen qua-
dratisch; Subgenitalostien so breit als die Pfeiler; Arme etwas länger als r, doppelt so lang als
breit. Indischer Ocean, Cocosinseln.
V. vesicata Haeckel. 208 Randlappen; Oculareinschnitte tief; Velarlappen schmal rechteckig;
Subgenitalostien halb so breit als die Pfeiler; Arme so lang als r, so lang als breit; die kolben-
förmigen Blasen am Ende der Mundarme gross, '/< r lang. Australische Küste.
Crossostoma.**) L. Agassiz. Arme mit 3 breiten tiefgelappten Flügeln und keulenförmigen Blasen;
centrale Zottenrosette vorhanden.
C. c 0 r 0 1 1 i f 1 0 r u m. H a e ck e 1. 96 Randlappen; Velarlappen halbkreisförmig; Oberarm kurz, »/s des
Unterarms; 8 quastenförmige Zottenbüschel bilden die Mimdrosette. Canarische Inseln. Teneriffa.
C. frondiferum. Haeckel. 112 Randlappen; Velarlappen abgerundet; Obei-arm sehr kurz, kaum
angedeutet; Zottenbüschel im Centrum. Chinesisches Meer zwischen Macao und Canton.
5. Rhizostomata scapulata. Mundarme mit Schulterkrausen.
Brachiolophus. Haeckel. Mundarme nur an der Basis verwachsen.
B. collaris. Haeckel.***) 16 seichte Randeinschnitte; 80 Randlappen, Velarlappen quadratisch:
Armbusch um die ganze Schirmhöhe vom oberen Rand der Scapuletten an aus dem Schirm
herausragend. Galopagosinseln.
.Stomolophus. L. Agassiz. Mundarme bis zu den Endästen verwachsen.
S t. fr iti Ilaria. Haeckel. 16 seichte Randeinschnitte; 208 Randlappen, Velarlappen stumpf
rechteckig; Armbusch um '/4 der Schirmhöhe herausragend; Scapuletten ganz vom Schirm be-
deckt. Küste von Surinam.
St. meleagris. L. Agassiz. 8 tiefe Ocidareinschnitte; 96 Randlappen, Velarlappen spitz; Arra-
biisch nur Vs der Schirmhöhe herausragend; Unterrand der Scapuletten in der Höhe des Schirm-
randes. Atlantische Küste von Nordamerika.
*) Die Zusammengehörigkeit von Versura und Lychnorhiza ergiobt sich aus den unzweifelhaft Sflügeligen Armen (vergl.
Haeckel, Syst. d. Medusen, Taf. XXXX Fig. 9 u. 11), den sehr breiten Subgenitalostien und der Ringmusculatur.
** Crossostoma Dubreuillei Haeckel gehört nach der AbbUdung in Lesson „Centurie zoologique" zu urtheilen zu Cram-
bessa. Gölte, „Verzeichniss der Medusen, welche von Dr. Sander, Stabsarzt auf S. M. S. Prinz Adalbert, gesammelt wurden", erwähnt
zwe neue Arten von Crossostoma, nhne sie zu benennen. Sitzungsberichte der königl. preussisclien Academie der Wissenschaften
zu Berlin XXXIX. 1886.
**•) Wahrscheinlich Jugendform zu St. agaricus.
-O®0 43 0®0-
8t. agaricus. Haeckel. IG tiefe Randcinschnitte: 144 Randlappen, Velarlappen rechteckig ab-
gerundet; Armbuscli um mehr als Schirmhöhe herausragend; Scapuletten ganz ausserhalb der
Schirmhöhle. Pacifische Küste von Central- und Südamei'ika.
St. Chunii. Vanh offen. 8 tiefe Oculareinschnitte ; 112 Randlappen, Velarlappen gerundet
rechteckig; Armbusch um V4 der Schirmhöhe hervorragend; Scapuletten ganz innerhalb der
Schirmhöhle. Pacitischer Ocean, Golf von Panama.
Eupilema. Haeckel. Mundarme frei, nicht verwachsen, ohne besondere Anhänge.
E. s c a p u 1 a r e. Haeckel. 144 Randlappen, Velarlappen rechteckig; Arme so lang als der Schirm-
radius; der freie Theil der Oberarme etwas kürzer als die Unterarme. Sundaarchipel. Sumatra.
E. c 1 a u s t r a. Haeckel. 64 Randlappen, Velarlap])eu breit 3eckig ; Arme 1 '/a mal so lang als r;
der freie Theil der Oberarme etwas länger als die Unterarme. Marquesasiuselu.
Rhizostoma. Cuvier. Mundarme frei, Gallertknöpfe vorhanden.
Rh. capeuse. Haeckel. 64 Randlappen, Velarlappen breit halbkreisförmig; Oberarm imgefähr
so lang als der Unterarm; Terminalknöpfe sitzend, halb so lang als der Oberarm, 3kantig pjra-
midal. Südafrika, Tafelbay.
Rh. pulmo. L. Agassiz. 80 Randlappen; Exumbrella feinkörnig; Velarlappen gross, halbkreis-
förmig; Oberai-m etwas länger als der Unterarm; Terminalknopf kürzer als der Oberarm, 3kantig
ungestielt, an der Basis am breitesten. Mittelmeer.
Rh. octopus. Okeu. Ü6 — 112 Randlappen; Velai'lappen gxoss, abgestutzt; Exumbrella feinkörnig;
Oberarm etwas kürzer als der Unterarm; Terminalknopf länger als der Oberarm, Skantig, un-
gestielt, an der Basis aber verdünnt. Atlantische Küste von Europa.
Rh. Corona. Haeckel. 140 — 180 Randlappen; Velarlappen schmal, abgestutzt; Oberarm fast
doppelt so lang als der Unterarm; Terminalknöpfe sitzend, viel kürzer als der Oberarm, 3kantig.
Rothes Meer.
Rh. luteum. Eschscholtz. 80 Randlappen; Exumbrella rauh; mit leistenförmigen , radiären
Wärzchen; Velarlappen spitz eiförmig; Oberarm etwas länger als der Unterarm; Terniinalknopt
keulenförmig, gestielt; Stiel länger als der ganze Arm. Meerenge von Gibraltar.
Rh. clavigerum. Haeckel. 48 Randlappen; Exumbrella grobkörnig; Velarlappen eiförmig,
3eckig; Oberarm ungefähr so lang als der Unterarm. Terminalknopf keulenförmig, langgestielt;
Stiel so lang als der Oberarm. Chinesisches Meer, Hongkong.)
Rh. r hop aloph 0 ru m.*) Vanhöffen. 144 Randlappen; Velarlappen schmal i'echteckig; Ter-
minalknopf 3kantig, so lang als der Unterarm; Oberarm halb so lang als der Unterarm. In-
discher Ocean, östlich von Madagascar.
Rh. hispidum Vanhöffen. 80 Randlappen; Exumbrella mit conischen Stacheln besetzt; die
Mundarme tragen Peitschenfilamente ; Velarlappen abgenmdet dreieckig; Oberarm ungefähr so
lang als der Unterarm ; Terminalknopf nebst Stiel so lang als der Oberarm. Hongkong.
♦) Ehopilema rhopalophora. Haeckel.
6. Rhizostomata trigona. Mundarme dreikantig pyramidal, dicht mit Saugkrausen bedeckt.
Crambessa. Haeckel, Mundarme ohne besondere Anhänge.
C. triptera. Vanh offen.*) 48 Randlappen; Velarlappen fast quadratisch; Arme etwas länger
als r; Oberarm doppelt so lang als der Unterarm. Westküste des tropischen Afrika.
C. Dubreuill). Vanhöff en.**) 48 Eandlappen; Velarlappen stumpf abgerundet; Arme ungefähr
so lang als r; Oberarm halb so lang als der Unterarm. Indischer Ocean, Pondichery.
C. cruciata. Haeckel. 48 Randlappen; Velarlappen gleichseitig 3eckig; Exumbrella mit Radial-
furchen; Mundarme IV2 r lang; Oberarm V« so lang als der Unterarm. Brasilianische Küste,
Rio de Janeiro.
C. palmipes. Haeckel. 64 Randlappen; Exumbrella fein granulirt; Velarlappen quadratisch ab-
gestutzt; Arme etwas kürzer als r; Oberarm halb so lang als der Unterarm. Küste von Nord-
austr allen.
C. T a o- i. H a e c k e 1. 80 Randlappen; Exumbrella mit dendritisch verzweigten Furchen; Velarlappen
gleichschenklig dreieckig; Mundarme länger als 2 r. Küste von Portugal und Senegambien (Greeff.).
C. Pictonum. Haeckel. 80 Randlappen; Velarlappen gleichseitig Seckig; Exumbrella qua-
dratisch getäfelt: Muudarme kürzer als der Schirmdurchmesser. Küste der Bretagne.
C. mosaica. Haeckel. Gegen 200 Randlappen; Velarlappen schmal, Mundarme kürzer als 2 r;
Exumbrella papillös. Ostküste von Australien,
Mastigias. L. Agassiz. Die Mundai-me tragen Gallertknöpfe.
M. papua. L. Agassiz. 80 Randlappen; Exumbrella mit zahkeichen weissen, grossen Flecken;
Velarlappen halbki-eisförmig; Arme etwa so lang als r, Oberarm so lang als der Unterarm; End-
anhang äkantig prismatisch, etwas länger als 2 r. Küste von Neuguinea, Chinesisches Meer.
M. ocellata. Haeckel. 112 Randlappen; Exumbrella mit weissen, braun gerandeten Augen-
flecken; Velarlappen stumpf abgerundet; Arme kürzer als r, Oberarm etwas länger als der
Unterarm; Endanhang keulenförmig, Skantig, nicht länger als r. Ostlicher Theil des Indischen
Oceans, Sundastrasse, Hongkong (Chierchia).
M. p a n t h e r i n a. Haeckel. 144 Randlappen ; Velarlappen schmal i-echteckig abgestutzt ; Arme
fast = 2 r lang, Oberarm kaum halb so lang als der Unterarm; Endanhang dünn, prismatisch,
Skantig, 2 — 3mal so lang als 2 r; Exumbrella dunkelbraun mit weissen Augenflecken. Tropisch-
pacifischer Ocean, Samoainseln.
M. Mülleri. Vanhöf f en.***) 80 Randlappen; Velarlappen gross, quadratisch; Arme so lang als
2 r. Indischer Ocean, Madagaskar.
M. Orsini. Vanhöffen. 144 Randlappen; Velarlappen schmal, zugespitzt; Unterarm 3mal so
lang als der Oberarm; Mundarme mit Endknopf ungefähr = r; Endknopf sehr gross, imgestielt,
tetraedrisch. Rothes Meer bei Assab (Orsini).
*) Toxoclytus tripterus. Haeckel.
**) Crossostoma Dubreuilli. Haeckel.
***) Eucraiubessa Mülleri. Haeckel.
— o®o 45 o^ —
^[. roseus. V anh ö 1 1 cii.*) ÖG — G4 Rancllappen; Velarlappen schmal, lang, abgerundet; Arme
kaum so lang als r, Oberarm ungefähr so lang als der Unterarm; Exumbrella mit Radialfurchen;
Terminalknöpfe klein, ungestielt. Tropengürtel des Atlantischen Oceans.
Desmostoraa. Vanhöffen. Mundarme mit Gallertknöpfen; Mundscheibe mit einem Büschel kräftiger
Peitschenlilamente.
D. gracile. Van hoffen. 5 — 10 stumpfe Velarlappen zwischen 2 lanzettlichen Ocularlappen;
56 — 96 Randlappen; Exumbrella mit kleinen Warzen, flockig bedeckt; Subgenitalostien breiter
als die Armpfeiler; Mimdarme kaum so lang als r; Unterarm 3 — 4mal so lang als der Oberarm;
Terminalknopf allseitig abgerundet, sitzend; Peitschentilamente bis 3 r lang. Rothes Meer bei
Assab. (Orsini.)
7. Rhizostomata lorifera. Mundarme dreikantig, riemenförmig (sehr lang und dünn mit 3 Saugkrausenreihen).
Thysanostoma. L. Agassiz. Die Mundarme tragen in ihrer ganzen Länge Saugki-ausen; Terminal-
knöpfe fehlen.
T h. thysanura. Haeckel. 9G Randlappen; Velarlappen stumpf gerundet; Exumbrella unregel-
mässig getäfelt, die polygonalen Felder mit Wärzchen bedeckt; Subgenitalostien 4 — 6 mal so breit
als die Pfeiler; Arme 4 — 6 mal so lang als r. Australische Küste.
Th. melitea. Haeckel. 80 (?) Randlappen; Velarlappen abgestutzt, rechteckig; Exumbrella
regelmässig getäfelt; Arme mehrmals länger als 2 r. Neu Guinea.
Himantostoma. L. Agassiz. Die Arme tragen ihrer ganzen Länge nach Saugkrausen und endigen
mit einem Gallertknopf.
H. Lesueurii. L. Agassiz. 56 Randlappen ; Velarlappen durch seichte Buchten getrennt; Ter-
minalknopf zugespitzt. Chinesisches Meer.
H. loriferum. Haeckel. G4 Randlappen ; Velarlappen abgestutzt, eingekerbt zweilappig; Ocular-
lappen rudimentär, stumpf; Subgenitalostien 3 — 4 mal so breit als die Armpfeiler. Arme so lang
als 4 r; Gallertknopf eiförmig. Rothes Meer bei Tur.
H. flagellatum. Haeckel. 80 Randlappen; Velarlappen seicht, stumpf, abgerundet; Ocular-
lappen spitz; Subgenitalostien 2 — 3mal so breit als die Armpfeiler; Arme ^ 3 r lang. Nord-
pacitischer Ocean, Sandwichinseln.
Leptobrachia. Brandt. Mundarme im oberen Drittel mit ventralen, in der Mitte ohne und im unteren
Drittel mit ventralen und dorsalen Saugkrausen. Gallertknopf vorhanden; ohne Zottenrosette im
Centrum der Mundscheibe.
L. leptopus. Brandt. 48 (?) Randlappen; Velarlappen rechteckig; Subgenitalostien doppelt so
breit als die Pfeiler; Arme ungefähr = 4 r lang; Terminalknopf spitz Skantig. Tropengürtel
des pacifischen Oceans, Radackinseln.
Leonura. Haeckel. Mundarme im oberen Drittel mit ventralen, in der Mitte ohne luid im unteren
Drittel mit ventralen und dorsalen Saugkrausen. Gallertknopf vorhanden; mit Zottenrosette im Centrum
der Armscheibe.
*) Toxoclytus roseus. L. Agassiz. Aus der Beschreibung und Abbildung dieser Meduse in Lesson „Centurie zoologiqae"
ergiebt sich, dass nicht nur am Bistalende der ilundarme, sondern auch swischen den Saugkrausen Gallertknöpfe auftreten. Sie
muis daher zu Mastigias gerechnet werden.
— 5gC 46 0®0—
L. ieptiira. Haeckel. 80 Randlappen; Velarlappen rechteckig; Ocularlappen spitz 3eckig; Sub-
genitalostien 3mal so breit als die Pfeiler; Arme fast = 6 r lang; Terminalknopf spitz Skantig.
Südpacifisclier Ocean bei Neuseeland.
L. terminalis. Haeckel. 80 Randlappen; Velarlappen spitz Seckig; Subgenitalostien 3mal so
breit als die Pfeiler; Mundarme = 2 r lang; Terminalknopf spitz Skantig. Pacifischer Ocean
unweit Juan Fernandez.
III. Geographische Verbreitung der Semaeostomen und
Rhizostomen. (Dazu eine Karte.)
Es scheint bisher ausser durch von Lendenfeld,*) welcher die Vertheilung der 14 australischen
Rhizostomen bespricht, kein Versuch gemacht zu sein, die geographische Verbreitung der Medusen festzu-
stellen. Der Grund dafür liegt wol darin, dass man einmal diese pelagischen Thiere nicht an engere Gebiete
gebunden hielt in dem Gla^xbeu, die weite Verbreitung einzelner Arten, resp. vermeintlicher Arten constatirt zu
haben, dann auch in dem Umstände, dass man unsere Kenntniss der Medusen als nicht ausreichend für
derartige Zwecke ansah. Auch ich hoffte kaum durch Zusammenstellung der Semaeostomen und Rhizo-
stomen nach ihren Fundorten zu allgemeinen Resultaten zu gelangen, sondern wollte mich hauptsächlich
über diejenigen Gebiete orientiren, von denen uns nur wenige oder keine Medusen bekannt sind, deren
Erforschung daher wahrscheinlich zur Entdeckung neuer Arten führen würde. Dennoch stellten sich dabei
noch einige andere interessante Ergebnisse heraus , die ich hier nicht unberücksichtigt lassen will , da sie
Anregung zu weiteren Beobachtungen geben, obwohl ich überzeugt bin, dass neue Entdeckungen jene nicht
imwesentlich modifiziren werden.
Medusen des Atlantischen Oceans.
Semaeostomata. Rhizostomata.
1. Mittelländisches Meer.
Pelagia noctiluca. Cotylorhiza tuberculata.
Pelagia neglecta. Rhizostoma pulmo.
Chrysaora mediterranea. Rhizostoma luteum.
Drymoneraa ■väctoria.
Drymonema dalmatina.
Cyanea Lamarcki.
Umbrosa lobata.
Undosa stelligera.
Phacellophora sicula.
Aurelia aurita.
*) R. V. Lendenfeld , The geographica! distribution of the Auatralian scyphomedusae. Proceedings of the Linno n socioty
of New South Wales. Vol. IX. part. 2.
Semaeostomata.
2.
Pelagia perla.
Chrysaora icosceles.
Cyanea capillata.
Cyanea Lamarcki.
Cyanea imporcata.
Aurelia aurita.
Aiirelia cruciata.
-dga 47 o®o-
Rhizostomata.
Westküste von Europa.
Rhizostoma octopus.
Crambessa Tagi.
Crambessa Pictonum.
3.
Pelagia neglecta.
Pelagia discoidea.
Chrysaora fulgida.
Cyanea Annasethe.
Undosa undulata.
Westküste von Afrika.
Rhizostoma capense.
Crarnbessa triptera.
Crambessa Tagi.
4. Ostküste Nordamerikas.
Pelagia cyanella. Polyclonia frondosa.
Dactylometra quinquecirra. Stomolophus meleagris.
Stenoptycha dactylometra.
Cyanea versicolor.
Cyanea arctica.
Phacellophora ornata.
Aurelia flavidula.
Aurelia marginalis.
5. Ostküste Südamerikas.
Pelagia minuta. . Lychnorhiza lucerna.
Chrysaora Blossevillei. Lychnorhiza flagellata.
Dactylometra lactea. Stomolophus fritillaria.
Stenoptycha Goetheana. Crambessa cruciata.
Drymonema Gorgo.
Desmonema Gaudichaudi.
Pelagia crassa.
Pelagia phosphora.
Patera cerebriforrais.
Ulmaris prototypus.
Offener Ocean.
Crossostoma corolliflorum.
Mastigias roseus.
Cotylorhiza ambulacrata.
-0®C 48 ogc-
Medusen des indischen Oceans.
Semaeostomata. Rhizostomata.
1 . R 0 1 h e s Meer.
Cassiopeia Andromeda.
Cassiopeia polypoides.
Cassiopeia picta.
Cepliea Forskalea.
Polyrhiza vesiculosa.
Cotylorhiza tuberculata.
Stylorhiza octostyla.
Rhizostoma Corona.
Mastigias Orsini.
Desmostoma gracile.
Himantostoma loriferum.
2. Westlicher Theil.
Pelagia papillata. Cassiopeia depressa.
Chrysaora calliparea. Cepliea fusca.
Procyanea protosema. Rhizostoma rhopalophorum.
Aurelia dubia. Crambessa Dubreuillii.
Aurelia colpota. Mastigias MüUeri.
3. Oestlicher Theil.
Pelagia papillata. Toreuma theophila.
Chrysaora calliparea. Toreuma thamnostoma.
Chrysaora chinensis. Toreuma Gegenbauri.
Floscula promethea. Cassiopeia Andromeda.
Aurosa furcata. Cephea fusca.
Sanderia malayensis. Polyrhiza Orithyia.
Versura p ahn ata.
Versura pinnata.
Versura vesicata.
Rhizostoma clavigerum
Rhizostoma hispidum.
Medusen des Pacifisclien Oceans.
Semaeostomata. Rhizostomata
1. Küste von Nordamerika.
Pelagia denticulata.
Chrysaora helvola.
— c^go 49 o^o-
Semaeostomata. Rhizostomata.
Chrysaora melanaster.
Cyanea Postelsii.
Phacellophora ambigiia.
Phacellophora camtschatica.
Aurelia hyalina.
Aurelia labiata.
2. Küste von Südamerika.
Pelagia placenta. Loborhiza ornatella.
Chrysaora plocamia. Brachiolophus collaris.
Medora reticulata. Stomolophus agaricus.
Desmonema pendula. Stomolophus Chunii.
Desmonema Chierchiana. Leonura terminalis.
Melusina formosa.
3. Küste von Asien.
Pelagia denticulata. Phyllorhiza trifolium.
Pelagia flaveola. Phyllorhiza chinensis.
Chrysaora melanaster. Crossostoma frondiferum.
Dactylometra pacifiea. Himantostoma Lesueurii.
Cyanea ferruginea.
Patera donacostoma.
Sthenonia albida.
Phacellophora camtschatica.
Aui'elia limbata.
4. Australische Küste und Inselgebiet.
Pelagia panopyra. Archirhiza primordialis.
Pelagia placenta. Archirhiza aurosa.
Stenoptycha rosea. Haplorhiza simplex.
Cyanea Annaskala. Haplorhiza punctata.
Cyanea Müllerianthe. Cannorhiza connexa.
Floscula pandora. Cassiopeia ornata.
Floresca parthenia. Cassiopeia Mertensi.
Floresca palladia. Cephea diplopilus.
Aurelia clausa. Cephea conifera.
Auricoma Aphrodite. Polyrhiza homopneusis.
Eupilema claustra.
Crambessa palmipes.
Crambessa mosaica.
- oJBo 50 0^-
Semaeostomala. Rhizostomata.
Mastigias papua.
Mastigias pantherina.
Thysanostoma thysanura.
Thysanostoma melitea.
' Himantostoiua flagellatum
Leptobrachia leptopus.
Leonura leptura.
Phyllorhiza punctata.
Pseudorhiza aurosa.
Monorhiza Haeckelii.
Aus dieser Zusammenstellung ergiebt sich , dass Semaeostomen und Rhizostomen, die in ziemlich
gleichei- Artenzahl vorhanden sind, in verschiedener Weise sich über die Meere vertheilen. Es fällt zunächst
auf, dass im Rothen Meer die Semaeostomen und an der Paeifischen Küste Nordamerikas die Rhizostomen
völlig fehlen, während dort Rhizostomen hier Semaeostomen reichlich vorhanden sind. Wir finden ferner
im Atlantischen Ocean und an der Asiatischen und Amerikanischen Küste des Paeifischen Oceans mehr
als doppelt so viele Arten von Semaeostomen als Rhizostomen, im Indischen Ocean dagegen an den Austra-
lischen Küsten und im Inselgebiet des Stillen Oceans zeigt sich das umgekehrte Verhältniss. Diese ursprüng-
lich befremdende Thatsache findet ihre einfache Erklärung darin, dass Rhizostomen im Allgemeinen warme
Meere lieben, während die Semaeostomen in gemässigten Zonen stärker vertreten sind. Damit hängt wol
zusammen, dass jene reich gegliederte Küsten, diese mehr das freie Meer bevorzugen. Den Beweis für diese
Behauptung finde ich in folgendem. Betrachtet man die Fimdorte der einzelnen Medusen, so ergiebt sich,
dass die Rhizostomen nach unserer ji-tzigen Kenntniss nicht über 50" nördlicher Breite und 50" südlicher
Breite hinausreichen, während die Semaeostomen zwischen 750 nördlicher und 60" südlicher Breite beobachtet
wurden. Von den ersteren finden sich aber nur 3 ausserhalb der Zone von 40" n. Br. — 40" südl. Breite.
Es sind dieses Crambessa pictonum und Rliizostoma octopus an der Westküste Europas und Stomolophus
agaricus an der Paeifischen Küste Patagoniens. Doch braucht man nicht anzunehmen, dass diese Thiere
besonders sich an kältere Zonen gewöhnt hätten; das weitere Vorrücken derselben nach Norden resp. nach
Süden erklärt sich aOein schon dadurch, dass beide Gebiete durch aequatoriale Strömungen erwärmt werden.
Auch indirect lässt es sich leicht zeigen, dass die Rhizostomen an warme Meere gebunden sind, da sie überall
fehlen, wo kalte Strömungen die Küsten berühren. Sie fehlen daher der Küste von Californien und Mexico,
treten an den Galopagosinsehi und im Busen von Panama, die von aequatorialer Strömung bespült werden auf
und verschwinden wieder im Bereich des Perustroms. An der Atlantischen Küste Amerikas vermissen wir
Rhizostomen, soweit Labrador- und Falklandstrora die Küste bestreichen. Ebenso finden sich keine Rhizo-
stomen südlich vom Aequator an der afiükanischen Westküste , die der Benguelastrom abkühlt , und im
Gebiet des Nordafricastroms bei den Canarischen Inseln tritt nur das seltene Crossostoma coroUiflorum auf.
-o®o 51 c®o-
Eine grosse Anzahl von Rhizostomen bevölkert dann die Küsten des Indischen Oceans und des indisch-
australischen Inselgebiets. An der Westküste des Pacifischen Oceans steigen sie nur bis zum 40° nördlicher
Breite herauf, da dort kältere Strömungen beginnen.
Bei den Semaeostomen ist irgend welche Abhängigkeit von der Meerestemperatur nicht so klar
nachzuweisen. Sie sind von 750 nördlicher Breite bis 60' südlicher Breite über alle Zonen vertheilt, er-
scheinen allerdings zahlreicher in den gemässigten von den ßhizostomen gemiedenen Gebieten. Die kräf-
tigen Formen der Cyaniden, im Norden durch Cyanea, im Süden durch Desmonema vertreten, dringen am
weitesten gegen die Polarkreise vor. Die Tropenzone wird von der Gattung Pelagia beherrscht, deren
Arten P. phosphora, P. crassa, P. minuta, P. panopyra, P. placenta und P. papillata in grösseren Schwärmen
den offenen Ocean beleben. P. denticulata aus dem Behringsmeer jedoch finden wir noch unter ÖO" nörd-
licher Breite und P. placenta und P. discoidea scheinen am weitesten nach Süden, bis 40" südl. Breite verbreitet.
Genauere Untersuchungen über die Verbreitung der Medusen, die interessante Resultate versprechen,
sind erst möglich nach einer rationellen Durchforschung der Meere. Es giebt noch weite Gebiete, aus denen
uns nur wenige oder keine Medusen bekannt sind, die aber, nach der Analogie mit anderen Meeren zu
urtheilen, zahh-eiche Arten beherbergen müssen.
Als solche führe ich an den Meerbusen von Mexico mit dem Antillenmeer imd den persischen Meer-
busen, die reich gegliederte Küsten und hohe Temperatur wie die medusem-eichen Gewässer des mittel-
ländischen und rothen Meeres haben. Ferner scheinen mii- der Californische Meerbusen ebenso wie die
Nordküste des Arabischen Meeres, die zahlreichen Buchten von Vorder- und Hinterindien und das Ocho-
tskische Meer genauerer Berücksichtigung werth. Die Untersuchung dieser Gebiete würde nicht allein zur
Entdeckung neuer Arten fülu-en, sondern liesse auch durch Beobachtung und Sammeln bekannter Arten die
Ausdehmmg des von ihnen bewohnten Gebiets constatiren imd den Werth der Artmerkmale prüfen.
7*
Benutzte Literatur.
Duperrey, Voyage de „la CoquUle", Zoologie. Paris 1826 u. 1830.
Lesson, Centurie zoologique. Paris 1830.
L. Agassis, Contributions to the natural history of the United States vol. III. u. IV. Boston 1860 u. 1862.
Grenadier und NoU, Beiträge zur Anatomie und Systematik der Rhizostomen. Abhandlungen herausgegeben von der Senken-
bergischen naturforschenden Gesellschaft. Bd. X. 1876.
Claus, Studien über Polypen und Quallen der Adria. Denkschriften der Kaiserlichen Academie der Wissenschaften. Math.-Naturw.
Cl. Bd. XXXVIII. Wien 1878.
Haeckel, Monographie der Medusen. Theil I. u. II. Jena 1880 — 1881.
Fewkes, Studies of the jelly-flshes of Narragansett Bay. Bulletin of the museum of comparative zoology at Harvard coUege
vol III. No. 8. Cambridge 1881.
C. Lendenfeld, üeber Coelenteraten der Südsee. Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. Bd. XXXVTI. Leipzig 1882.
V. Lendenfeld, üeber eine Uebergangsform zwischen Semostomen und Rhizostomen. Zoologischer Anzeiger Jahrg. V. Leipzig 1882.
Fewkes, Notes on acalephs of the Tortugas. Bull. mus. comp, zool Cambridge 1882. vol. 9. No. 7.
Claus, Untersuchungen über die Organisation und Entwicklung der Medusen. Prag und Leipzig 1883.
Keller, Untersuchungen über neue Medusen aus dem rothen Meere. Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. Bd. XXXVIIl.
Leipzig 1883.
Gwppij, Habits of scyphomedusae, Nature vol. 27. 1883.
V. Lendenfeld, The geographica! distribution of the Australian scyphomedusae. Proceedings of the Linneau society of New South
Wales, vol. IX. part. 2.
V. Lendenfeld, The Scyphomedusae of the southern hemisphere. Proceedings of the Linnean society of New South Wales,
vol. IX. part. 2.
Wagner, Die Wirbellosen des weissen Meeres. Leipzig 1885.
Chierchia, Collezioni per studi di scienza naturali fatte nel viaggio intorno al monde dalla R. corvetta „Vettor Pisani" (comman-
dante G. Palumbo) anni 1882—1885. Rom 1885.
Goette, Verzeichniss der Medusen, welche von Dr. Sander, Stabsarzt auf S. M. S. „Prinz Adalbert" gesammelt wurden. Sitzungs-
berichte der königl. Preussischen Academie der Wissenschaften, xx XTY Berlin 1886.
Haacke, Die Scyphomedusen des St. Vincent Golfes. Jenaische Zeitschrift für Naturwissenschaft. Bd. XX. Jena 1887.
V. Lendenfeld, Neue Arbeiten über australische Polypomedusen. Biologisches Centralblatt. Bd. Vlll. Erlangen 1838.
Erklärung der Tafeln.
Taf. I.
Fig. 1, 2. Pelagia crassa n. sp. 1. Ansicht von unten; "2. Längsschnitt.
Fig. 3. Chrysaora Blossevillei. Lesson.
Pig. 4. Desraonema Chierchiana n. sp. In einem Octanton sind die Tentakeln entfernt um die Musculatur am Kando der Sub-
umbrella zu zeigen.
Fig. 5. Querschnitt durch das Mundrohr von Pelagia noctiluca Peron et Lesueur.
Fig. G. Querschnitt durch einen Mundarm von Pelagia noctiluca.
Taf. II.
Fig. 1, 2. Cassiopeia picta u. sp. 1. Exumbrella: ein Theil des Epithels ist entfernt um die Zeichnung der Subumbrella,
Canalsystem und Gonaden deutlicher hervortreten zu lassen. 2 Subumbrella.
Fig. .'i-(3. Loborhiza ornatella n. sp. 3. Ansicht von unten; nur zwei Mundarmn sind erhalten, die Lage der (Jonaden ist
durch Abtragen eines halben Arnipfeilers kenntlich gemacht 4. Läugschnitt. 5. Querschnitt durch denMundarni dicht
über den dorsalen Flügeln. G. Querschnitt durch die Mitte des Unterarms.
Fig. 7. Lychuorhiza flagellata Vanhoffen. Unterseite des Schirms nach Entfernung der Mundarme.
Taf. IIL
Fig. 1—3. Lychnorhiza flagellata Vanhöffon. 1. I,ängsschnitt. 2. Gonaden und Canalsystem, freigelegt durch Abtragen der
Schirmgallerte bis zur üastrogenitalhühle. 3. Boden des Subgenitalparticus und Canalsystem des Randes.
Fig. 4, 5. Stomolophus Chunii n. sp. 4. Längsschnitt durch ein junges Exemplar, 5. Fuss des ausgewachsenen Thieres von unten
Taf. IV.
Fig. 1. Stomolophus Chunii. n. sp. Der vordere Theil des Schirms entfernt, Gonaden und Armbusch freigelegt.
Pig. 'J— 4. Mastigias Orsini. n. sp. 2. Ansicht von unten: vier Mundarme und ein Theil des Schirmrandes sind weggeschnitten,
3. Längsschnitt durch Schirm und Mundarme. 4. Querschnitte durch einen Mundarm: a. Schnitt dicht über dem Be-
ginn der dorsalen Saugkrausen; ß. Schnitt durch die ersten dorsalen Zweige; y. Schnitt durch die Mitte des Mund-
arms; 6. Schnitt durch den Gallertknopf.
Fig. 5— 7. Desmostoma gracile n. sp. 5. Längsschnitt, (j. Seitenansicht des Thiers. 7. Canalsystem.
Taf. V.
Fig. 1, 2. Rhizostoma hispidum n. sp. 1. Längschnitt. 2. Ansicht von unten, ein Theil des Randes ist zurückgeschlagen um
den Stachelbesatz der Exumbrella zu zeigen.
Vig. 3—6. Mastigias ocellata Haeckel. 3 Längsschnitt. 4. Ansicht der Subumbrella nach Entfernung der Mundarme.
5. Exumbrella. 6. Canalsystem und Gonaden nach Abtragung eines Tlieils der Schirmgallerte erkennbar.
Taf. VI.
1, 2. vom 23. IV. 82, Tyrrhenisches Meer. 3, 4 Buclit von
9—12 vom 3. VI. 82, Atlantischer Ocean.
Fi!;. 1—5. Nesselwarzen von Pelagia noctiluca Pt'ron et Lesueur.
Neapel. 5. vom 12. V. 82, Mittelmeer bei Gibraltar.
Fig. 6 — 12. Nesselwarzon von Pelagia neglecta n. sp. G— 8 vom 26. IV. 82, Mittelmeer
Fig. 13—14. Nessolwarzen von Polagia crassa n. sp.
Fig. 15. Nesselwarzen von Pelagia crassa var. sublaevis.
Fig 16, 17. Nesselwarzen von Pelagia minuta n. sp.
Fig. 18, 19. Nesselwarzen von Polagia pbosphora Haeckel. 18. vom 2. VII. 82. 19. vom 29. VII. 82
Fig. 20. Nesselwarzen von Pelagia plaeenta Haeckel.
Fig. 21. Nesselwarzen von Pelagia panopyra P^ron et Lesueur.
Bedeutung der Buchstaben.
a. br. (1. Annflügel mit dorsaler vSaugkrausenreihe.
a. br. V. Armflügel mit ventraler Saugkrausenreihe.
ap. 1. Seitlicher Gal!crtkuo])f.
ap. t. Torminalknopf.
asch. Armscheibe.
b. br. Armbasis,
br. Mundarm
br. inf. Unterarm,
br, sup. Oberarm.
b. sgp. Boden der Subgenitalporücus.
bs. 1. Lappentasche.
b t. Tentakelbasis.
c. ar. Adradialcanal.
c. br. Aimcanal.
c. c. Eingcanal.
c. ir. Interradialcanal.
c. pr. Perradialcanal.
c. pt. Centi-ipetilcanal.
c. sc. Schulterkrausencanal.
exu. Exumbrella.
f. Peitschenfilament.
f. rh. Rhopaliengrubo.
g. Gonaden.
gb. Geni talband.
ggh-
Gastrogenitalhöble.
ggm.
GastrogenitalmoMibrau.
1. mg.
Eandlappen.
1. 0.
Ocularlappen.
1. V.
Velarlappen.
mm.
Ringmuskulatur.
m. exu.
Radialfleck der Exumbrella.
m. 0.
Ocularfleck.
mr.
Mundrohr.
m. sbu.
Radialfleck der Subumbrella.
m. V.
Velarfleck.
p. br.
Armpfeiler.
r. c.
Radialcanal.
s.
Septum.
sc.
Schulterkrausen, Scapuletten.
sgo.
Subgenitalostien.
sgp-
Subgenitalporticus.
st.
MuudOfi'nung.
t.
Tentakel.
V. s.
Keulenförmige Blasen.
V. sg.
Subgcuitalklappo.
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Abnorm ausgebildeter Tentakel
z.
Gallertzaiifen der Exumbrella.
Taf. 1.
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BIBLIOTHECA ZOOLOGICA.
Original -Abhandlung en
aus
dem Gesammtgebiete der Zoologie,
Herausgegeben
von
Dr. Rud. Leuckart Or. Carl Chun
in Leipzig. und in Königsberg.
Heft 4.
Untersuchungen über die Entwicklungs- und Lebensgeschichte des Distomum macrostomum
von Dr. Grustav A. Heekert.
Mit 4 Tafehi.
C A S S E L.
Verlag von Theodor Fischer.
1889.
LEUCOCHLORIDIUM PARADOXUM.
MOIOGEAPHISCHE BAESTE1LUI&
DER
ENTWICKLUNGS- UNI) LEBENSGESCHICHTE
DES
DISTOMUM A4ACROSTOMUM.
VON
m- GUSTAV A. HECKERT
AUS
BERLIN.
CASSEL.
VERLAG VON THEODOR FISCHER.
1889.
Unter einer grösseren Anzahl im Sommer 1885 eingesammelter und behufs anatomischer Unter-
suchung in (las zoologische Institut zu Leipzig gebrachter Individuen von Succinea amphibia, befand sich
auch ein Exemplar, das bereits auf den ersten Blick sich als mit Leucochloridium paradoxum behaftet
erwies: in den stark aufgetriebenen Fühlei'n zeigten sich die grün und weiss gefärbten Schläuche in lebhaft
pulsierender Bewegung.
Begreiflicher Weise erregte diese Entdeckung im Institute das allgemeinste Interesse, denn bis dahin
war von einem Vorkommen des Parasiten in der Umgebung von Leipzig noch nichts bekannt gewesen,
und Alles wanderte hinaus, um womöglich weitere Exemplare zu erbeuten. Das wollte nun zwar nicht
jedem gelingen, immerhin aber wurde durch diese vereinten Bemühungen festgestellt, dass das Vorkommen
des Leucochloridium paradoxum in den sumpiigen Waldungen der Umgebung von Leipzig ein gar nicht
seltenes ist. Da also gegründete Aussicht vorhanden wai-, es werde an dem nötigen Material Mangel nicht
eintreten, beschloss ich auf Anraten des Leiters imseres Institutes, des Herrn Geheimrat Leuckart, die
Anatomie und Entwicklungsgeschichte des interessanten Parasiten einer eingehenderen Untersuchung zu
untei-werfen. Es ist mir eine angenehme Pflicht, auch an dieser Stelle meinem hochverehrten Lehrer für
die wohlwollende Anleitung, sowie für das nie ermüdende Interesse und die stetige Förderung, welche er
meiner Arbeit während ihrer -ganzen Dauer zu Teil werden Hess, meinen herzlichsten Dank auszusprechen.
Desgleichen kann ich nicht umhin, Herrn Professor Dr. Fraisse für die freundliche Ueberlassung seines
Gartens, sowie für die gern gestattete Benutzung seiner Bibliothek wärmsten Dank zu sagen.
Da die vollständige Kenntnis der eigentümlichen und complizierten Entwicklungs- und Lebens-
geschichte der Saugwürmer erst eine Errungenschaft der letzten Jahrzehnte ist, so kann es nicht Wunder
nehmen, wenn die älteren Forscher, die über die Natur von einzeln auftretenden Entwicklungsstadien jener
Würmer noch völlig im Dunkeln waren, dieselben als Repräsentanten nicht nur besonderer Arten, sondern
sogar eigener Gattungen und Familien auftassten. So verdankt unter vielen anderen auch unser Leuco-
chloridium paradoxum , das wir heute als die Jugendform des Distonuun _ macrostomum kennen , diesem
Umstände seinen Namen als besondere Form, einen Namen, in dem der Namengebei-, C. G. Carus, selbst
deutlich genug ausdrückt, dass er mit dem sonderbaren, grün-weissen Dinge nichts rechtes anzufangen
wusste. In um so höherem Grade aber musste es in Folge dessen bei seiner auflalligen Gestalt imd
— o®o 6 o®o—
Lebensweise das Interesse seiner Beobachter in Anspruch nehmen, und das um so mehr, als infolge des
spärlichen und sporadischen Auftretens es nur wenige Begünstigte waren, welche aus eigener Anschauung
das seltsame Wesen lebend beobachten und einer genaueren Untersuchung unterwerfen konnten.
Aus diesem Grmide finden wir denn auch in der älteren Litteratur nur verhältnismässig wenige
und durch lange Zeiträume getrennte Mitteilungen über das Leucochloridium vor; diese enthalten neben
vielem ungenügend Beobachteten und Irrigen, was durch die herrschenden wissenschaftlichen Anschauungen
der Zeit bedingt war, doch auch manches richtig und gut Erkannte und trugen so zur endlichen Erkenntnis
des wahren Sachverhaltes und der eigentlichen Natur des merkwürdigen Wesens das ihre bei. Jedenfalls
diu-fte es sich verlohnen, vorerst in kurzen Zügen ein Bild von der Entdeckimgsgeschichte unseres Leuco-
chloridium zu geben.
Ohne Zweifel hat man die von dem Leucochloridium hervorgerufene Auftreibung der Schnecken-
fühler schon seit langer Zeit gekannt: auf einem sehr alten Hallenser Kupferstiche fand Carus'), der denselben
von Nitzsch zur Ansicht erhielt, in freilich etwas roher Abbildung unter anderem auch eine Bernsteinschnecke
gezeichnet, deren Fühler in der charakteristischen Weise durch mehrere der lebhaft gefärbten Schläuche des
Leucochloridium entstellt waren, so dass ein Zweifel an der wahren Natur dieser Abnormität sofort als
ausgeschlossen erscheinen musste. Das Alter dieses Bildes festzustellen war allerdings nicht ausführbar,
immerhin dürfte es doch kein allzu geringes gewesen sein.
Der erste, welcher von einer eigenen Beobachtung des Leucochloridium Mitteilung machte, war
August Ahrens«). Derselbe fand 1810 in der Dollnitzer Aue bei Halle, einer von der Elster durchflossenen_
sumpfigen Waldniederung, wie er erzählt, eine Erdschnecke, Helix puü-is (Succinea put., Succ. amphibia),
in deren Fühlern vier dicke, buntgefärbte Schläuche in fortwährender, lebhaft stossender Bewegung sofort
in die Augen fielen. Ahrens nahm die Schnecke mit nach Hause, um sie dort weiter zu beobachten. Hier
erkannte er zunächst, dass die Schläuche nicht in den Hörnern des Tieres, wohl aber am Halse, gleichsam
am Rücken desselben ihren Wohnsitz haben.
Bei der nach dem bald erfolgten Tode der Succinea vorgenommenen Untersuchung der Schläuche
vermisst unser Gewährsmann zunächst die Anwesenheit von Apparaten zur Nahrungsaufnahme: weder Fress-
noch Saugwerkzeuge kann er mit seinen Sehgläsern auffinden, dagegen constatiert er die Anwesenheit eines
kleinen Schwänzchens am hinteren Leibesende.
Den Inhalt der Schläuche bilden Eier von blassgrünHcher Farbe, die etwas durchsichtig und mit
einem augenfönnigen Flecke versehen sind. Ein Platzen des einen Schlauches in Folge des Druckes, sowie
darauffolgendes Hervorquellen des Inhaltes glaubt er als Eierlegen in Anspruch nehmen zu müssen; ob aber
das ganze Individuum für eine Insectenlarve oder für einen Intestinalwm-m zu halten sei, darüber kann er
sich nicht klar werden, obgleich ihm das Eierlegen an sich, sowie der Gegenwart der Eier überhaupt, mehr
für die Wurmnatur des fraglichen Gebildes zu sprechen scheint.
Zur genaueren mikroskopischen Untersuchung sandte Ahrens zwei Schläuche an RamdohrS), der
das Ergebnis dieser seiner Untersuchung als Nachtrag zu der Ahrens'schen Beschreibung veröfl'entlicht.
') C. G. Carus. Nov. Act. Curios. Vol. XVII. P. 1. 1837, pag. 91. Beobachtung über Leucochloridium par. etc.
») August Ahrens, Magazin der Gesellschaft uaturf. Freunde. Berlin 1810. pag. ^93. Tab. LX. Fig. 19.
") Ramdohr, Mag. der Gesellsch. naturf. Freunde. Berlin 1810. pag. 295.
Auch er konnte an dem Sclilauehe weder Nerven, Darm, noch sonstige Organe, eben so wenig wie Mund-
resp. Fresswerkzeuge auffinden, überzeugte sich aber, dass derselbe keine Insectenlarve sei, sondern ein
Wurm. Die im Inneren enthaltenen Gebilde werden von ihm ebenfalls für Eier erklärt. Den neuen Wurm
zu benennen, sowie ihm einen Platz im System anzuweisen, überlilsst Ramdohr Ahrens als dem Entdecker:
doch scheint letzterer dies nicht gethan zu haben, da sich ein Jahr später in einem Referate Okens^) über
den Fund Ahrens' kein Name für das Tier findet, welches nach Okens Ansicht wahrscheinlich in die Sipp-
schaft von Echinorhynchus gehören soll.
Dementsprechend führt auch Rudolph!-) in seiner Entozoorum Synopsis den Wurm ohne Namen
unter der Rubrik Entozoa vel generis dubii vel fictitia auf.
Seine Taufe als Leucochloridium paradoxum erhielt unser Parasit erst von Carus'), welcher im
Jahre 1833, ohne von dem Ahrens'schen Funde Kenntnis zu haben, auf einer bewaldeten Eibinsel eine
infizierte Succinea entdeckte, die er einer näheren Untersuchung unterwarf.
Die Resultate, zu denen Carus gelangte, waren schon weitergehend und genauer, als die seiner Vor-
gänger. Zwar hielt er noch immer den Inhalt der Schläuche für Eier, erkannte aber, dass die Embryonen
in denselben Distomen waren, sowie, dass diese sich auf verschiedenen Stadien der Entwicklung befanden;
an den älteren und ausgebildeteren Individuen wurden bereits deutlich das Excretionssystem, sowie im
hinteren Körperteile rundliche Organe erkannt, über deren Natur (es sind Geschlechtsdrüsen) Carus jedoch
im Zweifel blieb.
Des weiteren wurde constatiert, dass die jungen Distomen von ihren angeblichen EihüUen nicht
blos umgeben waren, sondern mit ihnen sich in einem entschiedenen genetischen Zusammenhange befanden.
Als Keimstätte für die Eier glaubte Carus den vorderen Teil des Schlauches in Anspruch nehmen
zu müssen, da er dort, wo die grünen und weissen Bänder zusammenstossen , kleine sannnetartige, weisse
Wülste beobachtete, die als pilzartige Körperchen der Wand aufsitzen sollten. Ausserdem stellte er fest,
dass der Schlauch nicht mit einem Schwänzchen endigte, wie Ahrens glaubte, sondern in Verbindung stand
mit einem „Convolut imregelmässiger Rühren mit ästigen Enden", welche ebenfalls Eier enthielten und ver-
mutlich Entwicklungsstadien der grossen Schläuche repräsentierten.
Bei der Beurteilung der eventuellen Abstammung und Entstehung jenes parasitischen Convoluts von
Schläuchen in der Leber der Schnecke M'ird Carus von der zu jener Zeit herrschenden Theorie der Generatio
aequivoca beeinflusst; nach seiner Ansicht entsteht jenes Gebilde aus der Leber, wie er sich ausdrückt, „durch
parasitische Selbstzeugung in Folge eines Uebermasses von bildender Kraft im Schneckenkörper."
Bemerkenswert ist es übrigens, dass in Bezug auf die Systematik Carus dem Leucochloridium,
trotzdem er die unzweifelhafte Distomennatur seiner Brut erkannt hatte, in der Nähe der Echinorhynchen
eine Sonderstellung anwies, an einem Orte also, wohin bereits Oken unseren Wurm gestellt wissen wollte.
Einen bedeutsamen Schritt weiter thut Wiegmann*), der in einem Referate über die Fortschritte der
Zoologie im allgemeinen diesen Carus'schen Ansichten sich anschliesst, aber gewichtige Bedenken dagegen
') üken; Isis. Encyclopädische Zeitschrift. Jena 1818. 1. Bd. pag. 1467.
-) Rudolphi, C. Ä. Entozoorum Synopsis. 1819. pag. 568.
^) Carus, C. G. Xov. Act. Natur. Cur. Vol. XVU. P. 1. 1837. pag. 87.
*) Wiegmanns Archiv für Naturgeschichte. Bd. I. pag. 334. 1835.
— o®o S oCgo—
äussert, Gebilde von der Natur und BeschaflFenheit des Leucochloridium als selbstständige Tiere mit Gattungs-
namen zu belegen und in das System aufzunehmen, da dieselben doch nur vorübergehende, zu dem Ent-
wicklungscyklus einer bestimmten Tierart gehörige Formen seien, welche sich dereinst aus dem System als
eigene Arten verlieren müssten.
Diesen Auseinandersetzungen "Wiegnianns pflichtet Nordmann \i völlig bei und nimmt deshalb auch
Anstand, das Leucochloridium als selbstständige Form in das Helminthensystem einzureihen.
Vollständiges Licht über die wahre Natur des eigentümlichen Schneckenparasiten und anschliessend
daran über den Ort, wohin derselbe im System einzig und allein gehört, wurde durch Steenstrups^) Unter-
suchungen verbreitet, die er in seiner epochemachenden Schrift über den Generationswechsel darlegte.
Danach wird die Möglichkeit einer ürerzeugung, entgegen den Carus'schen Ansichten, mit Bestimmt-
heit in Abrede gestellt; der sonderbare Wurm Leucochloridium paradoxum ist vielmehr nichts anderes, als
eine Amme, deren Inhalt aus einer Menge entwickelter Distomen, nicht aber aus Eiern besteht.
So grundlegend und einleuchtend aber die Steenstrup'schen Resultate waren, dauerte es doch immer-
hin noch einige Zeit, ehe sie zu allgemeiner Anerkennung gelangten.
Während in der Folge Dujardin^) das Leucochloridium in gleicher Weise als Amme auffasst, und
diesen »sac, contenaut de jeunes trematodes analogues aux distomes«, im Anschluss an die K. E. v. Baer'sche*)
Bezeichnung der Keimkörner als sporae, mit dem Namen Sporocyste belegt, ist es Diesing^), der, wie er
überhaupt den Ergebnissen der neueren Trematodenforschung gegenüber eine längere Zeit hindurch eine
ablehnende Haltung einzunehmen für gut fand, mit den Cerkarien auch dem Leucochloridium wiederum
eine selbstständige Stellung einräumt und dasselbe in seinem Systema helminthum als Subordo 1 der Cer-
karien aufführt. Erst später erkennt auch er die Zusammengehörigkeit von Distomen und Cerkarien an
und gibt dieser Erkenntnis auch in seiner Revision der Cerkarien^) Ausdruck.
Eine ebenfalls unrichtige Ansicht über den Bau der in dem Leucochloridiumschlauche enthaltenen
Gebilde finden wir in Carl Vogts') Bildern aus dem Tierleben; derselbe beschi-eibt diese als Cerkarien mit
blasenformigem Schwanz, in den sich der Körper der Tiere zurückstülpt, so dass es aussieht, als ob dieser
in einer Eihülle läge, eine Anschauung, die nicht unwahrscheinlicher Weise von den Finnen der Blasen-
würmer herübergenommen ist. Dass dies völlig unzutreffend ist, dürfte sich wohl von selbst verstehen.
So war es erst v. Siebold") vorbehalten, die Frage nach der wahren Natur der Organisations- und
Lebensverhältnisse des Leucochloridium ihrer endgültigen und richtigen Lösung entgegen zu führen. Durch
thatsächliche Beobachtung stellt w zunächst fest, dass das gesammte Schlauchwerk des Parasiten mit der
Leber der Schnecke in keinerlei organischem Zusammenhange steht, also auch wohl kaum aus demselben
') Nordmann; Lamark; Hist. nat. d. anim. s. vert. 1840. T. III. pag. 592.
') Steenstrup; Über den Generationswechsel oder die Fortpfl. etc. Copenhagen. 1845. pag. 105.
') Dujardin; Hist. nat. des heim. Paris 1845. pag. 479.
*) K. E. V. Uaer. Nov. Acta .4cad. Nat. Cur. T. XIII. pag. 645. 1827. Vergleiche auch v. Siebold. Art. Parasiten
in Wagner's Handwörterbuch der Physiologie.
*) Diesing. Systema helminthum. Vindob. 1850—51. pag. 303.
*j Diesing. Revision der Cerkarien. Wiener Sitzungsberichte. 1855. Bd. XV. pag. 377.
') C. Vogt. Bilder aus dem Tierlebon. 1852. pag. 183 u. 191.
»j von Siebold; Zeitschrift für wissenschft. Zool. 1853. IV. Bd. pag. 425.
— o®o 9 o®o—
durch Urerzeugung hervorgegangen sein kann. Während er dann weiter in Bezug auf den feineren Bau
der grossen Schläuche die Angaben der älteren Forscher im allgemeinen bestätigt, tritt er mit aller Ent-
schiedenheit der Auflassung entgegen, welche in den Inhaltskörpern der Schläuche Eier erblickt. Nicht
Eier sind diese Gebilde, sondern Keimkörper, wie sie bereits Steensti'up in den Ammen anderer Trematoden
vorgefunden hatte, die sich durch Wachstum und Weiterentwicklung in die den Cerkarien entsprechenden
Formen umwandeln. Gegen die Einatur jener Keimkörper sprechen auch die beiden thatsächliclien Gründe,
dass einmal die von Carus als solche angesprochene Keimstätte weiter nichts ist, als eine Anhäufung weisser,
körniger Pigmentzellen, und dass anderenteils auch diese Pseudoeier selbst weder mit einer der Eihülle ent-
sprechenden Haut, noch mit Keimbläschen und Keimfleck ausgestattet sind. Im Laufe ihrer Weiterent-
wicklung, die von v. Siebold genauer verfolgt wird, legen sich nach und nach die verschiedenen Organe
des Trematodenleibes an; den Schluss derselben bildet die Encystierung, nach v. Siebold ein reiner Häutungs-
prozess, bei dem die abgeworfene Haut aber nicht verloren geht, sondern als elastische, durch Flüssigkeit
prall aufgeti'iebene Hülle den Körper auch weiterhin umgibt. Das Vorhandensein von geschwänzten, durch
active Wanderung an den Ort ihrer Bestimmimg gelangenden Cerkarien ist somit nicht für alle Trematoden
charakteristisch: völlig richtig erkennt von Siebold in dem Leucochloridium eine Trematodenamme, deren
Brut bis auf die Wanderung dui-ch den Stiel nach den grossen Schläuchen passiv bleibt, während die Amme
selbst durch ihre auffällige Färbmig und Bewegung für die Weiterbeförderung ihrer Nachkommenschaft
Sorge trägt. Die fertig gebildete Larve mrd dem Distomum holostomum ähnlich, darum vermutet auch
von Siebold den Wirt fiü" den geschlechtsreifen ^^'urm unter den Vögeln, am wahrscheinlichsten unter den
Ralliden. Fütterungsversuche an Fröschen ergaben ein negatives Resultat.
Anschliessend an die Untersuchungen von Siebolds beschäftigt sich auch Wagener^) mit dem Leuco-
chloridium und spricht im Anschluss an dessen Mutmassungen geradezu das Distomum holostomum als
Geschlechtsform desselben an.
Durch die umfassenderen Untersuchungen Zellers 2) endlich werden die Vermutungen der früheren
Forscher experimentell durch Fütterungs- und Zuchtversuche geprüft und zum Teil bestätigt.
Entgegen der Vermutung von Siebolds wurde constatiert, dass vor allem auch Singvögel die in
Thätigkeit begrifi'enen Leucochloridiumschläuche begierig verzehrten, imd dass im Darme namentlich junger
Nestvögel die in den Schläuchen eingeschlossene Bi'ut nach Verlauf von 6 Tagen sich zu geschlechtsreifen
Individuen von Distomum macrostomum umbildete, ein Umstand, der Zeller bewog, das Distomum macrostomum
mit dem auch sonst wenig von ihm unterschiedenen Distomum holostomum völlig zu identifizieren.
Die durch die Vögel ihrer Insassen beraubten Succineen gingen nicht nm' nicht zu Grunde, sondern
es entwickelten sich von dem in der Leber gelegenen Schlauchwerk aus nach nicht allzu langer Zeit neue
Schläuche, welche an die Stelle ihrer Vorgänger traten imd deren Thätigkeit fortsetzten.
Somit erhalten wii- durch die Zeller'sche Arbeit zum ersten Male eine wenigstens in der Hauptsache
vollkommen abgeschlossene Kenntnis von dem Entwicklungscyklus des Wm-mes, dem das Leucochloridium
als Jugendform angehört; die weiteren Vermutungen, dass der aus dem reifen Distomumei hervorgehende
M Wagener. Beiträge zur Entwickl. der Eingeweidew. Naturk. Verhaudl. etc. 1857. pag. 107.
») E. Zeller. Zeitschrift für wiss. Zeel. 1874. Bd. 24. pag. 564—578.
-oäßo 10 o®o-
Embryo auf irgend eine Weise wiederum in die Schnecke gelangen müsse, um da zu dem Leucochloridium
auszuwachsen, ergab sich dann von selbst.
Mit Ausnahme einiger Referate über die Zeller'sche Arbeit sind nun bis heutigen Tages keine
weiteren Mitteilungen erschienen, welche thatsächlich Neues zu dem bereits Bekannten hinzufügten.
Meine eigenen Untersiichungen nun, zu deren Darstellung ich jetzt übergehe, haben vor allem den
Zweck gehabt, das bis jetzt Bekannte einer erneuten Kritik zum Teil mit Hülfe ausgebildeterer Unter-
suchungsmethoden zu unterwerten, das bis jetzt nur Vermutete aber durch Experimente und Versuche zu
begründen, und so unseren Parasiten auf seinem gesamraten Lebenswege zu verfolgen. Wenn über einige
Punkte hierbei die völlige Klarheit noch nicht erzielt werden konnte, so hat das seinen Grund in der zum
Teil ausserordentlichen Kleinheit und Zartheit der Objecte, welche die Beobachtung allenthalben erschwerten,
Lücken, die aber durch spätere Beobachtungen noch auszufüllen sein werden.
Bei der Darstellung werde ich im allgemeinen chronologisch vorgehen, d. h. nach einander zunächst
das Leucochloridium, das geschlechtsreife Tier, darauf Embryonalentwicklung, Entstehung der Sporoyste
und schliesslich Keimballenbildung behandeln.
Die gesammte Untersuchung nahm mit kleinen Unterbrechimgen die Zeit vom November 1885 bis
zum Dezember 1887 in Anspruch, nachdem Sommer und Herbst 1885 fast ausschliesslich zu biologischen
Beobachtungen, sowie zur Beschaffung von Material verwendet worden waren. Letztere wurde zuerst so
betrieben, dass möglichst viele Schnecken gesammelt und zu Hause die infizierten ausgesondert wurden; da
bei diesem Verfahren jedoch die Gefahr nahe lag, durch zu starke Verminderung der Zahl der Succineen
ein häufiges Fortbestehen des Parasiten in Frage zu stellen, so wurden später die Schnecken gleich an Ort
und Stelle angesehen und nur die infizierten zurück behalten, ein Verfahren , welches zwar langwieriger
war, bei einiger Übung aber immerhin genügende Resultate ergab.
Von den anfänglich eingesammelten Schnecken erwies sich unter ungefähr 500 Stück eine als mit
Leucochloridium behaftet; auf einem kleinen sumpfigen Terrain, das nachmals von mir hauptsächlich als
Jagdrevier benutzt wurde, fand sich dagegen schon unter 50 — 70 Individuen der Schnecke ein infiziertes
Exemplar.
Es erübrigt nun noch, einiges über die von mir angewandten Methoden zu sagen; wohl von selbst
versteht es sich, dass die Beobachtung intra vitam den ersten und hauptsächlichsten Platz einnahm; erst wo
diese im Stiche liess, sowie zur Controle der auf diese Weise erlangten Resultate wurde zur Behandlung
der Objecte mit Reagentien, sowie zur Conservierungs- und Schnittmethode geschritten.
Die Abtötung und Conservierung der Tiere geschah vermittelst einer kaltgesättigten Sublimatlösung
von Stubentemperatur; nach ausgiebiger und sorgfältiger Auswässerung des Quecksilbersalzes wurden die
Objecte in 96 "/o Alkohol aufbewahrt. Die Färbung geschah vermittelst verschiedener Färbeflüssigkeiten;
die besten Resultate hatte ich mit Hämatoxylin, sowie mit nicht saurem Boraxkarmin, welches mit Säure-
alkohol ausgezogen wurde. Das Einbetten geschah nach der Entwässerung mittelst Alkohol, nach Über-
führung der Objecte dm-ch Nelkenöl und Terpentin, zumeist in Paraffin.
Da die zarten Elemente unseres Tieres nach dem Schneiden jedoch nicht immer in einheitlich guter
Weise erhalten wurden, so verwendete ich Celloidin zur Fixierung derselben. Ich brachte die Objecte dann
aus dem absoluten Alkohol in ein Gemisch von gleichen Teilen Alkohol und Äther, darauf in reinen Äther
— 0®C 11 o^—
und aus diesem in eine dickflüssige Lösung von Celloidin in Äther. Nachdem dieselben hier mehrere Tage
gelegen, überführte ich sie in Origanumöl und dann in Paraffin.
Die so eingeschmolzenen Objecte wurden jedoch, wahrscheinlich in Folge der Behandlung in der
Wärme, so hart und spröde, dass ein Schneiden derselben vmmöglich ausführbar war. Es wurden deshalb
die Präparate in reinen Äther von dem 10 — 20 fachen Volumen zurückgeführt und so das Celloidin bis auf
wenige Reste völlig ausgezogen. Diese geringen Überbleibsel aber genügten, um ein Schrumpfen sowohl,
wie ein Keissen der zarten Gewebselemente zu hindern und so recht brauchbare Bilder zu liefern.
Die Schnitte wurden zuerst nach der Giesbrecht'schen Schellackmethode auf dem Objectträger ge-
ordnet und befestigt: da man hier jedoch vor einem schliesslichen Davonschwimmen der Schnitte nie ganz
sicher ist, so verwendete ich später mit recht gutem Erfolge das Mayer'sche Eiweissglycerin ; dasselbe bot
vor allem neben der absolut sicheren Wahrung der Lageruugsverhältnisse selbst der kleinsten Teilchen die
Möglichkeit des Nachfärbens auf dem Objectträger.
Weim übrigens gewisse Resultate mittelst einer besonderen Methode erlangt wurden, so wird dieses
Verfahren an der betreffenden Stelle eingehend geschildert werden; es ist wohl kaum nötig, zu erwähnen,
dass dies flu- die objective Beurteilung und Controlierimg einer Arbeil und ihrer Resultate von entschiedenster
Bedeutung ist.
Vorkommen und Verbreitung.
Das Vorkommen des Leucochloridium paradoxum ist unseren jetzigen Erfahrungen zu Folge an
das Vorhandensein der Succinea amphibia gebunden; bis heutigen Tages wenigstens liegen keine Mitteilungen
vor, däss eine andere Schneckenart als Träger unseres Parasiten beobachtet worden wäre: auch hat es mir
trotz verschiedener Versuche nicht gelingen wollen, eine andere der bei ims häutig vorkommenden Gasteropoden-
arten künstlich mit Leucochloridium zu infizieren.
Keineswegs ist aber da, wo die Succinea vorkommt, überall auch das Leucochloridium zu Hause;
im Gegenteil scheint dieses keine allzu weite Verbreitung zu haben. Eine weitere Existenzbedingung für
dasselbe ist natüj'licherweise auch das Vorkommen der beti-eö'enden Vogelarten, welche die Träger des aus-
gebildeten Distomums sind; dies können andererseits wiederum nur solche sein, welche wie die Succinea
in feuchten und sumpfigen Wäldern vorzugsweise ihren Aufenthalt haben. Nur an derartigen Stellen sind
die Bedingungen für die Weiterentwicklung der Distomenbrut gegeben, ganz abgesehen davon, dass nur
an dem Wohnort der Schnecke selbst die Infection der Vögel stattfinden kann. Es können nämlich,
wie sich durch mehrfache Versuche ergeben hat, die Eier des Distomum macrostomimi" ein Ein-
ti-ocknen nicht vertragen; in je höherem Maasse also an einem Orte die mit dem Kote der Vögel abge-
gangenen Eier der Eventualität des Austrocknens ausgesetzt sind, um so geringer wird für sie die AA'ahr-
scheinlichkeit sein, in lebens- und entwicklungsfähigem Zustande in die Schnecken übertragen zu werden.
In Folge dessen werden feuchte Laubwaldungen, wie sie vielfach die Niederungen von Flussthälern
begleiten, die vorzüglichsten Fundorte des Leucochloridium sein, da sie einerseits den Schnecken passende
Aufenthaltsorte, den Vögeln aber gute Nistplätze, sowäe reichliche Nahrung gewähren, so dass hier Existenz-
und Entwicklmigsbedingungen für dasselbe in denkbar günstigstem Maasse zusammentrefiTen. Dass dies in
2*
— o®o 12 oSo—
der That der Fall ist, bestätigte sich vollkommen bei meinen Excursionen für Leipzig und seine Umgebung.
Füi- die übrigen, bis jetzt bekannten Fundorte des Leucochloridium paradoxum scheinen die Verhältnisse
ganz ähnlich zu liegen.
So hat Ahrens') die intizierte Succinea amphibia in der sumptigen, mit Laubwald bestandenen Elster-
niederung der Döllnitzer Aue bei Halle gefunden; unter gleichen Verhältnissen wiu-de sie Elsteraufwärts
von mir bei Gaschwitz an den der Elster und Pleisse zufliessenden Gewässern beobachtet. Saaleabwärts
war es Pieper^), dem es gelang, bei Bernburg wiederholt infizierte Bernsteinschnecken aufzufinden. Im
Eibgebiet traf sie Carus^) auf einer Eibinsel bei Pillnitz; an der Oder fanden von Siebold und HenseH)
ihrer viele bei Breslau. Sodann hat man sie in neuerer Zeit auch in der Weichselniederung bei Danzig
beobachtet*), wo sie von Siebold früher vergeblich gesucht hatte.
Aus den gebirgigen Teilen Deutschlands, dem Süden und Westen, sind die Beobachtungen weit
spärlicher. So hat man bei Würzburg das Leucochloridium gesucht, aber ohne Resultat, ebenso bei Pi-langen
und Freibiu-g im Breisgau. Dagegen verfügte Zeller^) in Winnenthal in Württemberg über reiches Material,
Leydig') fand es bei Bonn.
Aus alledem scheint hervorzugehen, dass, soweit unsere gegenwärtigen Kenntnisse reichen, das
Leucochloridium zwar räumlich eine ziemlich ausgedehnte geographische Verbreitung besitzt, dass es aber
immer nur an einzelne, mit ganz bestimmten Qualitäten ausgestattete und örtlich eng begrenzte Gebiete
gebunden ist. Es scheint mir jedoch nicht zweifelhaft, dass bei genauerem und sorgfältigerem Nachsuchen
dasselbe noch an manchen Orten entdeckt werden wird, an denen sein Vorkommen bis jetzt noch nicht
constatiert ist. Freilich ist das Suchen des Leucochloridium, wenigstens in der Umgebung von Leipzig
eine Aufgabe, zu deren Losung ein gewisse Dosis Heroismus gehört. Neben vielen sehr interessanten und
harmlosen Dingen beherbergen die zahlreichen Lachen und Tümpel der Niederung auch Tausende von
Stechmückenlarven, die, so lange sie im Wasser sind, keinerlei üble Eigenschaften verraten, deren geflügelte
Angehörige aberj>^ dem genus Homo ohne Ansehen der Person blutige Feindschaft geschworen zu haben
scheinen und dem friedlichen Spaziergänger in gleicher Weise wie dem strebsamen Forscher den Aufent-
halt in ihrem Revier nach Kräften verleiden.
Über den Bau des Leucochloridium.
Wie bereits durch die früheren Untersuchungen festgestellt wurde (Carus*), setzt sich der gesammte
Complex des Leucochloridium aus zwei Hauptteilen zusammen; das ursprüngliche, primäre an demselben
•) Ahrens. 1. c. pag. •293.
') Pieper. Wiegmanns Archiv für die Naturgeschichte. 1851. Bd. I. pag. 313.
') Carus. 1. c. jiag. 87.
*) von Siebold. 1. c. pag. 425.
^) E. Schumann. Zur Kenntnis der Weichtiere Westpreussens. Naturforschende Ges. zu Danzig. N. P. VI. Bd. 4. Heft,
pag. 8. Sep.-Abd. Der Parasit wird als Eristalislarve bestimmt.
«) Zeller. 1. c. pag. 561.
') Leydig. Berichte der niederrhein. naturf. Gesellsch. Bonn.
') cf. Einleitung, pag. 10.
-:«o 13 o®o-
ist das „Netzwerk feiner Fäden mit ästigen Enden'", in dem die jungen Cerkarien ihren Ursprung nehmen;
wenn die Keimlinge dann eine gewisse Grösse und Ausbildung erreicht haben, werden sie, um weiteren
Keimproducten Platz zu machen, in besondere Reservoire oder Depots gebracht, Teile des Fadenwerkes,
die in Folge dieser Anfüllung mit der Distomenbrut an Umfang nach und nach immer mehr zunehmen,
und schliesslich in völlig fertig gebildetem Zustande die grossen, lebhaft gefäi-bten Schläuche darstellen,
welche die älteren Beobachter allein von dem gesammten Leucochloridium kannten und nach denen das
Ganze benannt wurde. Wir finden in Folge dessen an einer alten Sporocyste ausser einem oder mehreren
ausgewachsenen und ausgefärbten Schläuchen auch eine Anzahl jüngerer auf verschiedenen »Stadien der
Füllung, deren Färbung ebenfalls alle möglichen Übergänge zeigt, (cf. Fig. i.)
Was nmi zunächst die eigentliche Keimstätte anlangt, so repräsentiert dieselbe eine mehr oder
minder grosse Masse reich verzweigter Fäden, die wie die Äste eines Baumes von einem gemeinsamen
Mittelpunkte aus ihren Ursprtmg nehmen und mit abgerundeten Spitzen endigen. Sie durchsetzen die L.eber
ihres Trägers nach allen Richtungen, so dass es so gut wie unmöglich ist, eine ältere Sporocyste in toto
unvei'letzt aus derselben heraus zu präparieren. Diese Fäden besitzen eine durchschnittliche Dicke von
0,06 — 0,034, sind aber in ihrem Verlauf nicht überall gleich stark, sondern zeigen allenthalben Einschnürungen,
vielfach auch seitliche buckelartige Auftreibungen, die später zu den Seitensprossen des Hauptfadens sich
weiter entwickeln und eine reichere Entfaltung des gesammten Schlauchwerkes bedingen. Im Inneren sind
diese Fäden hohl; sie sind mit einer lymphatischen Flüssigkeit gefüllt, in der die verschiedenen Stadien
der Keimkörper frei suspendiert gefunden werden. Diese innere Höhlung setzt sich naturgemäss auch in
die dem Nestwerk anhängenden Schläuche fort.
Einige der freien Enden des Sporocystenfadenwerkes wachsen etwas länger aus und erhalten an ihrer
Spitze eine an Grösse immer mehr zunehmende Auftreibung, die nach hinten aber noch ganz allmählich
bis zur normalen Dicke der Genisttaden abnimmt. Die grösseren unter diesen jungen Schläuchen zeigen
bereits einen Beginn der späteren Färbung, doch scheint deren definitive Ausbildung erst von dem Zeitpunkt
an einzutreten, wo die Schläuche bereits soweit mit Brut gefüllt sind, dass sie nach vorn in den Schnecken-
fühler einzutreten beginnen. Erst von dieser Zeit an datiert auch die eigentümliche rhythmische Bewegung
der Schläuche, auf die wir weiter unten ausführlicher zurückkommen werden.
Die völlig ausgebildeten reifen Schläuche erinnern in ihrer ganzen äusseren Erscheinung augen-
fällig an gewisse Dipterenlarven, ein Umstand, der es erklärlich macht, dass die älteren Forscher im Un-
klaren über das Wesen derselben bleiben konnten. Sie besitzen einen cylindrischen, nach vorn sich etwas
konisch zuspitzenden Leib von 1,5 mm Dicke und 10 mm durchschnittlicher Länge, der sich gegen den
Communikationsschlauch, der diese mit der Sporocyste verbindet, ziemlich scharf absetzt, (cf Fig. 1.)
Das eigentümlich geringelte, au die segmentierten Fliegeularven erinnernde Aussehen der Schläuche
ist nicht der Ausdruck einer inneren Gliederimg, sondern wird lediglich bedingt durch die Färbung. Es
finden sich nämlich auf der Schlauchoberfläche in ziemlich regelmässigen Abständen von einander pigmen-
tierte Ringe von nur geringem Durchmesser, zu denen sich am Vorderteil des Schlauches zwei breite nach
hinten noch durch eine Reihe schwarzer Punkte begrenzte Ringe von viel dunklerer Färbung gesellen. Die
Spitze des ganzen ist dunkelbraunrot gefärbt und mit einer Anzahl mehr oder minder regelmässig gruppierter
schwarzer, buckelartiger Erhebungen ausgestattet.
-o«c 14 0^-
In weitaus den meisten Phallen min ist das Pigment, welches die oben beschriebene ringförmige
Zeichnung bedingt, lebhaft grün, nach hinten mehr in blasses Gelb abnehmend; in seltenen Fällen jedoch
auch braun. Es kommt sogar vor, dass man in ein mid derselben Schnecke sowohl grüne als braune
Schläuche vorfindet; ich überzeugte mich aber dann, dass dieselben verschiedenen Sporocysten angehörten,
so dass es scheint, als könne eine Sporocyste entweder nur grüne oder nur braune Schläuche bilden.
Unter gewöhnlichen Umständen findet man in den frei lebenden Schnecken nur einen oder zwei
reife Schläuche entwickelt, die dann meist beide, seltener zusammen niu" den einen der beiden Fühler er-
füllen. Wenn jedoch für Entfernung der reifen Schläuche sich keine Gelegenheit findet, dann wächst deren
Zahl bedeutend an; so habe ich mehreremale Schnecken gefunden, die bis zu 8 Schläuchen entwickelt
zeigten, von denen dann je einer in jedem Fühler völlig ausgestreckt pidsierte, während die anderen auf
jede mögliche Weise tastend und drückend so weit wie möglich nach vorn zu gelangen suchten, (cf Fig. 2.)
Wie schon ei-wähnt, dienen diese grossen Schläuche gleichsam als Reservoire, in denen die jungen
Distomen, deren Entstehung m den Fäden des Genistes ihren Anfang nahm, gesammelt und zu weiterer
geeigneter Verwendung aufbewahrt werden. Bereits ehe der erste Schlauch mit der grösstraöglichen Anzahl
junger Individuen gefüllt ist, hebt schon die Bildung mid Füllung eines zweiten an. Gar nicht selten gelingt
es übrigens, die jimgen Larven auf ihrer Wanderung durch den Stiel zu ertappen; einmal fand ich deren
sogar drei hinter einander in ein und demselben Stiele, ein Umstand, der einen weiteren Beweis für die
rege Production in der Sporocyste abgibt.
Der junge grosse Schlauch beginnt dann zuerst an der Spitze, später immer weiter nach hinten zu
anzuschwellen; zugleich dehnt und streckt er sich nach vorn zu, in einer Richtung, welche durch die von
dem Ösophagus der Schnecke freigelassenen Teile der Leibeshöhle vorgezeichnet ist, und in der noch am
meisten Raum für den immer mächtiger schwellenden Teil des Parasiten bleibt. Die ihrer völligen Aus-
bildung sich nähernden Schläuche dringen dann unter der Atemhöhle hin bis in die Fühler vor, mid schieben
dabei Bindegewebe und Muskulatur auf die Seite. Durch diese im Verhältnis immerhin kolossale Auf-
treibung wird die gesammte Fühlerwand natürlich ausserordentlich gedehnt und dadui'ch oft so dünn,
namentlich wenn mehrere Schläuche in ein imd denselben Fühler eingedrungen sind, dass diese von selbst
reisst und die Insassen dann nach aussen hervortreten. Doch bleibt ti'otz dieser Dehnung und Schwächung
die Muskulatur der Fühler immer noch stark genug, um bei einem vorkommenden Sichzurückziehen der
Schnecke den Parasiten ohne weiteres mit dem B\ihler zurückzuziehen.
Ich machte mir übrigens diese Beobachtung zu nutze, indem ich später, wenn ich frische Schläuche
zui- Untersuchung resp. Verfütterung brauchte, einfach die ausgestreckten imd mit Insassen versehenen
Fühler der Schnecken vorsichtig anschnitt und mich so in den Besitz lebenden Materials setzte, ohne die
Schnecke resp. ihren Parasiten opfern zu müssen; denn erstere regenerierte binnen kiu'zem den ihr zugefügten
Schaden >ind der Parasit ersetzte den verloren gegangen Schlauch durch einen neuen.
Obgleich nun der auf diese Weise befreite Schlauch von dem Stiel, durch den er mit dem Geniste
in Verbindung steht und durch den die junge Brut in ihn einwandert, abreisst, und trotzdem er mit der-
selben prall gefüllt ist, tritt sein Inhalt doch dui-ch die Rissstelle des Stieles nicht nach aussen hervor, und
zwar wird dies durch einen ganz besonderen Mechanismus verliindert. Wie wir schon oben bemerkten,
setzt sich der grosse Schlauch an seinem Hinterende gegen den Stiel sehr scharf ab. An dieser Übergangs-
— 0®0 15 OgjCr-
stelle findet sich im Inneren ein Polster eigentümlich gebauter Zellen vor, dessen genauere Bekanntschaft
wir bei der Besprechung des histologischen Aufbaues des Leucochloridium machen werden; dasselbe scheint
vor allem die Function eines elastischen Sicherheitsventiles zu haben, indem es nach dem Durchpassieren
einer Larve sich sofort wieder schliesst imd ein Zurückti-eten des einmal in den grossen Schlauch gelangten
Tieres unmöglich macht. Naturgemäss hat auch diese Abschnürung ihre besondere Bedeutung. Wäre die
hintere Öffnung des Schlauches in beiden Richtungen in gleicher Weise durchlässig, so würde der ganze
Inhalt desselben im Momente des Abreissens austreten und der fressende Vogel höchstens einen kleinen
Teil der Brut in sich aufnehmen, die grösste Menge derselben somit flu- die Erhaltung der Art verloren
gehen. Die Zahl der in einem Schlauch enthaltenen jungen Distomen ist natüilich nach dem Alter desselben
sehr verschieden, bei alten und ausgewachsenen Individuen zählte ich deren in einem einzigen über 160.
Von dem Zeitpunkt an, wo der Schlauch unter der Atemhöhle der Schnecke hinweg nach vorn
getreten ist, wo also der Schlussmechanismus gegen den Stiel hin sich völlig ausgebildet hat, beginnt auch
die Bewegung desselben. Ist der Schlauch jung, so zeigt er eine von der Spitze nach der Basis sich fort-
pflanzende peristaltische, ist er älter, eine rhythmische Bewegimg. Diese besteht in einem in regelmässigen
Zeitabschnitten wiederkehrenden Zusammenziehen und Wiederausdehnen, so dass man das Ganze mit einem
Pulsieren vergleichen kann. Dasselbe findet eigentlich nur in der Gegend der beiden vorderen, dunkel
gefärbten Ringe statt; es verringert sich an dieser Stelle der Umfang ganz bedeutend, und die durch diese
Contraction verdrängten Inhaltsmassen ti-eten nach dem hinteren, nicht activ beteiligten Teile des Schlauches
über, ohne aber in Folge des dort angebrachten Verschlussmechanismus in den Stiel mid die Sporocyste
zurücktreten zu können, so dass dessen Querschnitt sich etwas vergrössert. Lässt in dem darauf folgenden
Momente die wirkende Kraft im Vorderteile nach, so tritt vermöge der Elastizitätsverhältnisse die verdrängte
Masse wieder nach vorn, und der Schlauch erhält seine ursprüngliche Form zuräck. Es tritt also bei diesen
pulsierenden Bewegungen eine active Contraction der Längsrichtung fast gar nicht oder doch nur in unter-
geordnetem Maasse auf, eine Beobachtung, die man sehr gut au Schläuchen machen kann, die man aus
der Schnecke befreit und auf einer Glasplatte oder dergleichen sich bewegen lässt. Die Geschwindigkeit,
mit der diese Bewegimgen erfolgen, ist eine wechselnde; im Sonnenlicht ist sie grösser als im Schatten.
Zelleri) gibt für die Dauer einer Minute 90 Contractionen an. Diese Bewegungen werden von dem Schlauche
selbst ausgelöst; daher mag es auch kommen, dass die Schläuche einer Sporocyste selten im Takte, ja,
nicht selten niclit einmal im gleichen Rhythmus pulsieren.
Auch bei der Betrachtimg des
histologischen Aufbaues des Leucochloridium
findet man zwischen dem Fadenwerk der eigentlichen Keimstätte und den ausgebildeten reifen Schläuchen
derartige Verschiedenheiten vor, dass man ohne Kenntnis der Übergangsformen leicht versucht sein könnte,
beide Teile für völlig von einander unabhängige und verschiedene Bildungen zu halten. Es wird sich des-
halb auch hier empfehlen, erst den Aufbau der Fäden genauer abzuhandeln, um dann durch Vergleichung
der Übergangsformen die abweichende Structur der grossen Schläuche verständlich zu machen.
») Zeller. 1. c. pag, 565.
IG
Der ganze Parasit zeig-t sich in der Schnecke eingehüllt von einer nicht sehr dicken faserigen
Bindegewebslage, die nur aus den bindegewebigen Stützen der von demselben verdrängten Organe zu be-
stehen scheint und zugleich njit dem zunehmenden Schwellen des Schmarotzers an Mächtigkeit zunimmt.
Einen aus zahh-eichen Blutkörperchen gebildeten Paletot, wie ihn Biehringeri) von den Limnaeen um ihre
Parasiten (Cercaria arniata) herum abgeschieden vorfand, differenzieren die Succineen nicht.
Was nun unsere Sporocyste selbst anlangt, so besteht ihre ^^'andung aus einer Anzahl mehr oder
minder schai-f von einander getrennter, ursprünglich aber in allen Teilen ganz in gleicher AVeise angelegter
Schichten, die den inneren, mit einer serösen Flüssigkeit erfüllten Raum einschliessen.
Die äussere Grenze der Sporocyste -nörd von einer zarten Membran (0,001 — 0,002 mm) gebildet,
die auf conservierten Präparaten doppelt contouriert, stark lichtbrechend und meist dunkel tingiert erscheint;
steilenweise verdickt sie sich etwas, und man bemerkt dami an diesen Stellen flache kleine Kerne (0,003 mm)
mit meist deutlich hervortretendem Kernkörperchen. Biehringer^), der zuerst das Vorhandensein von Kernen
in der äusseren Bedeckung der Sporocysten nachwies, kommt durch theoretische Gründe zu dem Schluss,
es müsse die in Rede stehende Haut die Epidermis der Ammen darstellen. Ziegler *) nennt die entsprechende
Schicht der Cerkarien „Hautschicht", 'da sich die Art der Entstehung, sowie ihr definitives Aussehen nicht
mit den Begriffen vertragen, welche wir gewöhnlich mit dem Worte Epidermis verbinden, und ihm schliesst
sich Schwarze*) vollkommen an. Da die Verhältnisse, wie sie bei unserer Sporocyste auftreten, vollkommen
mit den von diesen Forschern gefundenen übereinstimmen, werde auch ich aus denselben Gründen den
Namen „Hautschicht" für diese äusserste Lage benutzen.
Auf diese Hautschicht folgt nach innen zu eine nicht gerade stark ausgebildete Muskellage, die
überall aus feinen, mitunter mit den benachbarten anastomisierenden Fasern und Faserzügen sich zusammen-
setzt. Dieser Muskelschlauch besteht aus zwei getrennten Systemen, von denen das eine, äussere aus ring-
förmig um den Sclilauch herumlaufenden, das imiere aus solchen Fasern besteht, die in der Längsausdehnung
der Oberfläche parallel laufen. Diese beiden Faserschichten liegen nicht unmittelbar unter einander, sondern
sind durch eine helle, sehr feinkörnige und sich nur schwach färbende Substanzlage getrennt, in die sich
nicht selten auch blasse Kerne (0,005 mm) eingelagert finden. Die Mächtigkeit dieser Schicht ist eine wechselnde;
wähi-end sie bei ganz jungen, noch nicht lange Zeit gebildeten Proliferationen der Sporocyste die grösste
Ausdehmmg (im Mittel 0,008 mm) besitzt, reduziert sie sich mit dem zmiehmendcn Alter der Schläuche
immer mehr, um schliesslich so weit zu schwinden, dass sie fast nicht mehr nachweisbar ist; bei den völlig
reifen Leucochloridiumschläuchen dagegen tritt sie wieder auf und zwar zugleich in ganz charakteristischer
Ausbildung, wie wir später sehen werden, (cf Fig. 10, 11, 14.)
Unter dieser Muskellage findet sich endlich nach innen zu noch eine dritte Schicht von wechselnder
Mächtigkeit, der es in Folge der allmählich erfolgenden Umbildung ihrer Elemente vor allem zuzuschreiben
ist, dass Querschnitte durch verschiedene Altersstufen der Sporocystenfäden ein so abweichendes Bild dar-
') Biehringer. Beiträge zur Anatomie und Entwicklungsgeschichte der Trematoden. Arbeiten aus d. zool.-zoot. Institut
Würzburg. Bd. VII. pag. 12 d. Sep.-Abdr.
^) Biehringer. 1. c. pag. 6. S.-A.
") Ziegler. Bucephalus und Gastorostomum. Zeitschr. f. w. Zool. 1883. 39. Bd. pag. 547.
*) Schwarze. Die postembryonale Entwicklung der Trematoden. Zeitschr. f. w. Zool. 1885. 41. Bd. pag. 10. S.-A.
— o®o 1 ( 0®0 —
bieten. Es wird sich in Folge dessen am besten ein Einblick in den gegenseitigen Zusammenhang und die
Beziehung der einzelnen Structuren zu einander gewinnen lassen, wenn wir dem Gewebe auf seinem Ent-
wicklungsgange schrittweise folgen.
Zum besseren Verständnis des ganzen müssen wir hier in etwas vorgreifen und erwähnen, dass das
Wachstum der jungen, eben nur hervorsprossenden Proliferationen nicht so erfolgt, dass etwa die Spitze
zuerst gebildet und dann durch weiteres Wachsen von der Basis aus voi-geschoben wird, sondern dass ganz
so, wie es z. B. bei den Pflanzenwurzeln der Fall ist, nur in der Nähe der Spitze das noch nicht differen-
zierte, proliferierende Gewebe zu suchen ist, und dass^demnach die der Ursprungsstelle des sich bildenden
Schlauches am nächsten gelegenen Gewebe zugleich die ältesten und am weitesten veränderten sind.
So treffen wir zunächst in dem blinden Ende eines wachsenden Schlauches unter der Muskelhülle
eine ziemlich mächtige Lage von Zellen an, die für das Lumen im Inneren nur einen ganz unbedeutenden,
spaltförmigen Raum übrig lassen. Diese Zellen scheinen in lebhafter Vermehrung begriffen, sie liegen ausser-
ordentlich dicht gedrängt zu mehreren um-egelmässig übereinander und sind in Folge des von den Seiten her
wirkenden Druckes in der Längsrichtung nach dem Schlauchinneren zu am meisten ausgedehnt. Ihr Plasma
ist körnig, der Kern gross und rund, deutlich sichtbar und mit ein oder zwei Kernkörperchen ausgestattet.
Gegen das Lumen zu ist diese Zellenlage abgegrenzt durch eine feine, mitunter spärliche, flachgedrückte
Kerne zeigende Haut, die Binnenmembran (cf. Fig. 9). Schon kurze Zeit später, d. h. also, nachdem die Spitze
ein wenig über die in Rede stehende Stelle hinausgewachsen ist, hat vor allem der innere Hohlraum nicht
unbedeutend an Weite zugenommen, indem die vorher in mehreren Lagen vorhandenen Wandzellen etwas
auseinandergewichen sind mid sich unter gleichzeitiger Abrundimg in eine etwas geringere Zahl unrcgel-
mässiger Lagen gruppiert haben. Es beginnen auch schon jetzt vereinzelt, später in immer wachsender
Anzahl, helle Räume aufzutreten, anscheinend dadurch veranlasst, dass das Protoplasma der beti'eflenden
Zellen aufquillt imd eine etwas andere optische und chemische Beschaffenheit annimmt. Es wird blass und
trübe, verliert seine Färbbarkelt immer mehr und sammelt sich vor allem in dem oberen, nach dem Hohl-
raum des Schlauches zu gelegenen Ende der Zelle an, indem es zu gleicher Zeit dieses kugelförmig nach
aussen hervortreibt. Ein immermehr schwindender Rest imveränderten Protoplasmas, der zugleich den normal
gebliebenen Kern enthält, bleibt im Grunde der so veränderten Zelle liegen. Wenn mm dieser Auflösimgs-
prozess, denn als ein solcher ist die eben beschriebene Umwandelung wohl ohne Zweifel aufzufassen, auch
den bei weitem grössteu Teil der im Umkreis der Schlauchwand gelegenen Zellen ergreift, so finden wir
doch immer noch eine gewisse Anzahl von Zellen, welche davon verschont bleiben. Diese unverändert den
früheren embryonalen Typus bewahrenden Elemente liegen stets zu grösseren oder kleineren Nestern ver-
einigt, unregelmässig an der inneren Schlauchwand verteilt; sie zeigen sich anfangs in der Aufsicht unter
einander noch verbimden durch ein Netzwerk von Strängen, die aus reihenweise gruppierten und ebenfalls
ihren fi-üheren Habitus unverändert beibehaltenden Zellen zusammengesetzt erscheinen; diese Brücken ver-
schwinden jedoch ebenfalls nach kurzer Zeit. Die Binuenmembran zieht über alle diese Zellen noch con-
tinuirlich hinweg.
Im weiteren Verlaufe des Auflösungsprozesses scheinen nun die aufgequollenen Zellen zu platzen;
sie entleeren ihren blassen Inhalt; während sie zusammenfallen, ü-eten zugleich neue von unten her an ihre
Stelle. Der nach und nach immer reichlicher entleerte Inhalt, der auf conservierten Präparaten, wie alle
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lymphatischen Flüssigkeiten, eine fein granulierte, trübe Masse darstellt, beginnt nun die Binnenmembran von den
darunter gelegenen Zellen abzuheben und blasenartig vor sich herzutreiben. Da dieselbe aber an allen den
oben erwähnten Stellen, wo die darunter liegenden Zellen sich unverändert erhalten, auch fest an denselben
haften bleibt, so erhalten wir jetzt im Inneren des Schlauches einen unregelmässigen blasigen Belag, der
ungefähr dasselbe Bild darbietet, wie es dicht an einanderstossende Luftblasen auf der Oberfläche einer
dünnen Gummi- oder Eiweisslösung geben.
Schliesslich ist auch die aufgetriebene Binnenmembran nicht mehr im Stande;, dem Drucke der
immer mehr zunehmenden Flüssigkeit unter ihr zu ^widerstehen; sie platzt und das Umwandlungs-
prodiict der früheren Wandzellen tritt jetzt, wahrscheinlich als Nährflüssigkeit für die junge Brut, in das
Innere des Schlauches über. Die so ihrer Stütze beraubte Blasenhaut fällt nunmehr zusammen und legt
sich dicht avif die ebenfalls mehr oder minder veränderten untersten Wandzellen, die nun in einfacher Lage
den Innenraum des Sporocystenschlaviches auskleiden; da inzwischen auch die Zellen, welche das oben be-
schriebene Netzwerk zusammensetzten, in das Niveau der übrigen Wandzellen herabgesunken sind, so erhalten
wir jetzt als innere Auskleidung der Schlauchwand eine von einer Membran überzogene einfache Schicht
von Zellen, in der nur von Zeit zu Zeit die ebenfalls oben erwähnten Inseln und Nester embryonal ge-
bliebener Zellen auftreten, deren Bedeutung wir später kennen lernen werden. Die Elemente dieser am
Ende der Umwandlung auftretenden einfachen Zellenlage zeigen unter sich nicht allenthalben die gleiche
Beschafi'enheit. überragt schon in der Regel ihre Höhe um nichts oder doch nur um ein weniges den
Durchmesser des Kernes, so kommen auch zahlreiche Stellen vor, wo die ganze Scliicht fast vollkommen
geschwunden erscheint, so stark haben sich die Elemente wahrscheinlich in Folge der Dehnung der Schlauch-
wand abgeplattet. Auch ihr Inhalt zeigt nicht überall gleiche Beschaffenheit; während das Protoplasma
einzelner Zellen sich noch völlig normal zeigt, scheinen andere von dem früher besprochenen Degenerations-
prozesse befallen worden zu sein, ohne dass dieser jedoch zur Perfection gelangt ist; kurz, das ganze Gewebe
macht einen mehr oder minder weit zerstörten, trümmerhaften Eindruck, überhaupt geht auch der ganze
Umbildungsprozess niemals in der Regelmässigkeit vor sich, wie wir ihn eben beschrieben haben; selbst an
gleichalterigen Stellen finden wir ihn bald schneller, bald langsamer fortschi-eiten, so dass die Erkenntnis
des ganzen Vorganges mit mannigfachen Schwierigkeiten verbunden war.
Dass während dieser ümwandlungsvorgänge der inneren Zellenlage auch die die Muskeln enthaltende
äussere Substanzlage nahezu ganz geschwunden ist, wurde bereits früher hervorgehoben.
Was nun die vorhin erwähnten Nester und Inseln embryonal gebliebener Zellen anbelangt, so haben
wir in ihnen die Ursprungstätte der sogenannten Keimballen vor uns, die auf den verschiedensten Entwick-
lungsstufen die Innenräume des gesammten Schlauchwerkes erfüllen, jener Gebilde, die, auf ungeschlechtlichem
Wege entstanden, sich allmählich zu den Distomenlarven umbilden und so den Ausgangspunkt einer neuen
Descendenz darstellen. Es sind die wandständigen Keimlager unserer Sporocyste, meistens nicht sehr gross,
aiich nur selten scharf und bestimmt gegen den übrigen Wandbelag sowohl, wie gegen die unter ihnen
liegende Substanzlage abgegrenzt. Nur in jüngeren Schläuchen, in denen die Differenzierung des Wandbe-
lages noch nicht in dem Maasse vorgeschritten ist, wie bei den älteren, heben sie sich durch ihr homogenes
Aussehen und ihre etwas dunklere Färbung mehr von der Umgebung ab. In älteren Schläuchen dagegen
sind sie nur daran erkennbar, dass das Protoplasma ihrer Zellen stark mit feinen Körnchen (wahrscheinlich
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Reservestoft'en) erfüllt ist, ein Umstand, der aber andererseits einen genaueren Einblick in ihre Structur
nicht zulässt. In der Peripherie dieser Keiralager nun liegen die jungen Keimballen, welche sich meist erst
durch eine besondere Membran, von der sie umgrenzt sind, als gesonderte Elemente zu erkennen geben.
Etwas deutlicher treten sie hervor auf Präparaten, die mit Fette extrahierenden Flüssigkeiten behandelt
sind; es zeigen sich dann neben diesen fertigen Ballen noch anderweitige mehr oder minder gesonderte
Zellcomplexe, welche jüngere Zustände der fertigen, durch eine Membran allseitig abgeschlossenen Ballen
darstellen, (cf. Fig. 13.)
Diese letzteren liegen alle peripherisch und treten bei ihrer ferneren Entwicklung immer mehr und
mehr aus dem übrigen Keimlager heraus gegen die Binnenmembran vor, so dass sie zuletzt nur noch von
dieser in der Nähe ihrer ürsprungsstelle festgehalten werden.
Es kann keinem Zweifel imterliegen, dass auch Biehringer^) diese Keimlager bei den von ihm be-
obachteten Sporocysteu der Cercaria armata imd macrocerca gesehen hat, Avenn sie auch von ihm nicht als
spezifisch ausgebildete Teile der Schlauchwand erkannt wurden; denn er fand bei Sporocysten von Cercaria
macrocerca „die Keimkörner an der Peripherie eines körnigen einige Kerne enthaltenden Gerinnsels, welches
dem innerhalb der Epithelzellen befindlichen vollständig glich. In einem anderen Falle schien von einer
Stelle der seitlichen Wandung aus eine starke Zellwucherung stattzvifinden, welche ebenfalls an ihrer Peri-
pherie kleine Keimkörper aufwies". Dass diese Wuchermigen den schon beschriebenen, mit Nahrungsmaterial
stark erfüllten Keimlagern unserer Sporocyste vollkommen analoge Gebilde sind, glaube ich ohne weiteres
annehmen zu können. Da nun Biehringer aber vorher bei jungen Sporocysten von den Kiemen von Cyclas
beobachtet hatte, dass „eine Zelle an einer beliebigen Stelle des Epithels" sich teilt und einen Keimballen
bilden kann, da er auch Zwischenstadien nicht untersuchte und „das Theoretisieren''^) hasst, so vermochte
er natürlich nicht, beide Bildungsweisen mit einander in Einklang zu bringen.
Die undeutliche und wenig scharf markierte Abgrenzung der Keimlager gegen den angrenzenden
inneren Wandbelag der Sporocyste, in Verbindung mit der bei zunehmendem Wachstum des Schlauches
immer grösser werdenden Zerstremmg derselben macht es begreiflich, dass namentlich bei ältei-en Sporocysten
ihre Auffindung und Erkennung lange Zeit nicht gelingen wollte; erst das Studium der Entwickhmgs-
geschichte konnte hierüber definitiven Aufschluss geben. Da ich nun erst gegen das Ende meiner Unter-
suchungen hin in der Lage war, auch die jungen Sporocysten des Distomum macrostomum untersuchen zu
können, würde es mir wahrscheinlich sehr schwer gefallen sein, die Entstehung der Keimballen aus diesen
wandständigen Keimlagern ausser Zweifel zu stellen, hätte ich nicht zufällig Gelegenheit gefunden, an einer
noch nicht näher untersuchten, wahrscheinlich noch unbekannten Sporocyste aus der Leber von Liniax
agrestis die gleichen ^'erhältnisse klar und deutlich erweisen zu können. Weiter wurden diese Beobachtungen
in überzeugender '\\'eise bestätigt gefunden in Präparaten von den Sporocysten des Distomum hepaticum,
') 1. c. pag. -20 u. •>2. Fig. 25— •_'«.
2) Bern. „Denn mit blossem Theoretisiereu ist man noch selten besonders weit gekommen." (pag. 23.) Natürlich,
denn es müssen für jede Speculation ja immer bestimmte, durch Beobachtungen festgestellte Grundlagen vorerst vorhanden sein,
auf Grund deren theoretisirt werden kann; was ist demnach „blosses Theoretisieren?" — Oder meint Biehringer vielleicht, dass
man durch blosses Beobachten und recht peinliches und ausführliches Beschreiben des Beobachteten „weiter" kommen
wird? — „Lasst uns auch diesmal doch nur die Mttelstrasse betreten."
3*
— o®o 20 o®o-
die ich der Güte des Herrn Geheimrat Leuckart verdankte; es waren hier jedoch meist nur einzelne Keim-
zellen, welche der Wand noch auflagerten, während die übrigen aber in grösserer Mehrzahl frei in jenen
befindlich waren.
Ich möchte hier übrigens hervoi'heben, dass ich völlig selbstständig und unbeeinflusst zu diesen
Resultaten gelangte, da mir damals weder die Ai-beit von Thomas i), noch die von Biehringer bekannt war.
Bemerken will ich an dieser Stelle noch, dass es mir trotz eingehender Untersuchung nicht gelungen ist,
bei unserer Sporocyste Spuren eines Excretionsgefässsystems aufzufinden, wie solches bei anderen Sporocysten
in einer den ausgewachsenen Plattwürmern ganz analogen Bildung aufgefunden worden ist. Weder von
Gelassen noch von flimmernden Endtrichteru war das Vorhandensein zu constatiei-en.
Die Leibeshöhle der Sporocyste ist, wie schon einmal erwähnt, von einer serösen Flüssigkeit
erfüllt, die zum Teil wahrscheinlich ein Product des Zerfalles der die Sporocyste im Inneren auskleidenden
Wandzellen ist. Diese Nahrungsflüssigkeit ist von hellem, wässerig trüben Aussehen und führt neben vielen
granulierten Körperchen 0,014 mm grosse Zellen mit hellem Plasma, in dem ein 0,008 mm grosser, durch-
sichtiger Kern mit starkcontouriertem Kernkörperchen liegt. Sie sind amöboid beweglich, bewegen sich
aber bei gewöhnlicher Temperatur auf dem Objectträger nur langsam, lebhafter dagegen, sofern man den
Objecttisch auf mehr als 20" Gels, erwärmt. Auf Schnittpräparaten sind sie leicht nachzuweisen; es zeigt
sich hier der Kern homogen hell, das Plasma intensiv dimkel gefärbt. Eine Vermehrung derselben scheint
durch Teilung zu erfolgen; wenigstens konnte ich wiederholt lebende Exemplare mit vier Kernen beobachten.
Über die Natur dieser zelligen Gebilde (cf. Fig. 17) vermag ich bestimmtes nicht anzugeben.
Trabekeln, welche die Leibeshöhle von einer Wand zu.r anderen gehend durchziehen, wie sie Thomas*)
und andere bei ihren Untersuchungsobjecten beobachteten, finden sich bei unserem Tiere nicht.
Was nun die grossen, beweglichen Schläuche anlangt, so haben wir in ihren Wandungen
naturgemäss, da sie ja nur in besonderer Mächtigkeit entwickelte Sporocystenschläuche sind, dieselben
histologischen Bestandteile vor uns, wie wir sie auch in den Sporocystenwandungen fanden, nur dass in
Folge der lebhaften Färbung und Beweglichkeit teils neue Elemente hinzugeti-eten, die früher nicht vor-
handen waren, teils aber die alten einer progressiven oder regressiven Metamorphose anheim gefallen sind.
Die äussere Bedeckung der grossen Schläuche bildet die directe Fortsetzung der Sporocystenhaut
als eine Schicht von cuticulaartigem Aussehen, die sich durch Druck leicht von der unterliegenden Wand
ablöst und so leicht studiert werden kann. Sie erscheint doppelt contouriert und stark lichtbrechend; ein
zelliger Bau ist in ihr nicht wahrnehmbar, höchstens sind bei noch nicht völlig ausgewachsenen Schläuchen
noch Kerne aufzufinden.
Unter dieser Hautschicht liegt die Körpermuskulatur, die sich ebenfalls aus einer Ring- und Längs-
faserlage zusammengesetzt, und namentlich im vorderen Teil des Schlauches, den wir bereits früher vor-
zugsweise als den Sitz der pulsierendexi Bewegung kennen lernten, eine ganz enorme und exquisite Ent-
wicklimg erreicht. Beide Muskellagen treten nicht mehr als einzelne Fasern auf, sondern gruppieren sich
') Thomas. The Life History of the Liver-fluke. (Pasciola hep.) Quarterly Journal of Micr. Science 1883. Vol.
23. pag. 99-134.
-) 1. c. pag. 124.
-0®0 21 0^'>-
zu Bündeln von grösserer oder geringerer Stärke, die in wechselnder Entfernung einander parallel laufen
und nicht selten mit den benachbarten Bündeln einen Austausch einzelner Fibrillen bewirken.
Ganz augenfällig tritt dies bei der Ringmuskulatur hervor. AVährend dieselbe im Stiel und dem
unteren Teil des Schlauches sich nicht über eine Stärke von 0,010 mm hinaus erhebt, erreicht sie im vorderen
Schlauchende eine ganz gewaltige Entwicklung. Sie stellt hier nicht mehr eine einfache Faserlage dar,
sondern eine Anzahl starker und breiter Ringe vielfach neben- und übei-einander liegender Muskelzüge.
Zum Teil verlaufen dieselben als einheitliche Schicht, die der cylindrischen Oberfläche des Schlauches im
grossen und ganzen parallel liegt und bei einer Stärke der einzelnen Fasern bis zu 0,004 mm eine Mächtig-
keit von ungefähr 0,04 mm erreicht. An den Stellen jedoch, wo die buckelartigen Auftreib ungen vorhanden
sind, spaltet sich diese Ringfaserschicht in eine schwächere innere und eine stärkere äussere Lage, von
denen die letztere in einer Fläche verläuft, welche der äusseren Oberfläche des Buckels parallel geht,
während die innere ihr ixrsprüngliches Verhalten beibehält. Es entsteht so unter diesen Erhebungen jedes-
mal ein Hohlraum zwischen den Faserlagen, der mit einer Oewebsmasse gefüllt ist, die wir weiter unten
kennen lernen werden.
Die Zwischenräume, welche die einzelnen RingfaserbUndel zwischen sich lassen, werden da, wo
äusserlich die breiten dunkel gefärbten Ringe vorhanden sind, ausgefüllt von einer Unzahl kleiner Pigment-
zellen (0,006 mm), die so stark mit kleinen oder gröberen Pigmentkörnchen von grüner Farbe erfüllt sind,
dass der Kern in ihnen nicht mehr sichtbar ist. In den Buckeln selbst, die durch ihre fast schwarze Farbe
sich noch mehr hervorheben, ist die Pigmentmetamorphose des Zelleninhaltes womöglich in noch stärkerem
Maasse aufgeti-eten; die Färbung ist hier dunkel schwarzbraun.
Die Längsmuskulatur bleibt hinter dieser Ringmuskulatnr bedeutend an Stärke zurück; es treten
hier höchstens 10 Fasern (je 0,001 mm) zu einem Bündel zusammen; doch werden diese letzteren auch hier
breiter und kräftiger im vorderen Teil des Schlauches, über dessen Spitze sie in fast doppelter Breite hin-
ziehen, um auf der anderen Seite wieder nach hinten zurückzulaufen.
Während nun in dem vorderen Teile der grossen Schläuche diese beiden Muskellagen dicht über
einander hinziehen und keinerlei Zwischensubstanz zwischen sich nehmen, tritt am Schluss des ersten Körper-
drittels zwischen beiden eine Gewebslage auf, die von da ab bis an das Hinterende in gleicher Mächtigkeit
vorhanden bleibt. Es ist dies die schon früher, bei Besprechung der histologischen Zusammensetzung der
jiingen Sporocyste erwähnte, blasse Substanzlage mit eingelagerten Kernen, die später allmählich verschwindet
und erst in diesen grossen Schläuchen wieder auftritt.
Bei zwar noch nicht völlig erwachsenen, aber schon durch einen Stiel gegen die Sporocyste abge-
setzten Schläuchen ti'efi'en wir sie noch ganz in der oben beschriebenen Art und Weise entwickelt an; mit
der zunehmenden Ausbildixng der Schläuche jedoch treten in derselben Umwandlungen auf, die dem früher
mehr gleichartigen und indifferenten Gewebe ein Aussehen geben ganz ähnlich dem, wie es das Körper-
parenchym der ausgebildeten Distomen aufweist. Es treten in der homogenen Grundmasse nach und nach
immer zahlreicher grosse blasse Zellen auf, welche die letztere immer (mehr verdrängen und die Dicke
des gesamniten Gewebes nicht unbeträchtlich erhöhen. Auf Flächenschnitten kann man dann am besten
die Zusammensetzung desselben, sowie dessen Ähnlichkeit mit der Gnmdmasse des Distomenkörpers erkennen.
— <xgo 22 o^-
In den Zwischenräumen, welche die grossen hellen Zellen zwischen sich lassen, finden sich vielfach ver-
ästelte kleinere, aber mit Färbeflüssigkeiten dunkler sich tingierende Elemente vor.
Ob aber dieses neu entstandene Gewebe lediglich ein Umwandlungsproduct der ursprünglich vor-
handen gewesenen, indifierenten Substanzlage ist, oder ob an der Bildung desselben noch andere, neu hinzu-
getretene Elemente sich beteiligt haben, muss ich unentschieden lassen.
Auch der innere Wandbelag, den wir bei den jungen wachsenden Schläuchen des Fadenwerkes der
Sporocyste vorfanden, erstreckt sich in die grossen und abgeschnürten Schläuche hinein. Er bewahrt hier
noch eine längere Zeit völlig seinen indifferenten Character und kleidet dieselben in ganzer Ausdehnung in
fast gleicher Mächtigkeit ringsherum aus. Doch behält auch dieses Gewebe während der definitiven Aus-
bildung des Schlauches seinen früheren Habitus nicht bei, sondern es erfahren alle oder nur einzelne seiner
Bestandteile Umbildungen in verschiedener Weise, in Folge deren auch hier wieder das vordere Schlauch-
drittel ein anderes Aussehen erhält als die beiden hinteren.
Was zunächst das erstere anlangt, so sieht man bald in der hier 9 — 10 schichtigen Lage indifferenter
Zellen um einzelne Kerne herum blasse, helle Hohlräume auftreten, die nach der Oberfläche des Schlauches
zu sich lang ausziehen und durch Auseinanderweichen der benachbarten Zellen entstanden zu sein scheinen.
Später gewahrt mau jedoch, dass diese scheinbaren Hohlräume nichts anderes sind, als das etwas gequollene
und blass gewordene Zellprotoplasma, das noch allseitig von einer deutlichen, sich auch auf den Ausführungs-
gang fortsetzenden Membran umgeben ist, während der Zellkern nur wenig verändert dem Hinterende der
Zelle genähert liegen geblieben ist. Diesen ersten so veränderten Zellen folgen bald alle übrigen nach
und wir sehen dann aus dem ursprünglichen Wandbelag eine Anhäufung äusserst zahlreicher, flaschenförmiger
Drüsenzelleu hervorgehen, welche ihr Sekret nach aussen ergiessen und namentlich da, wo an der Aussen-
fläche die Buckel hervorragen, so dicht gedrängt stehen, dass sie ebenfalls buckeiförmig in den Innenraum
des Schlauches hineinragen. Auch die bereits oben erwähnten Zwischenräume zwischen den auseinander-
weichenden ßingfaserzügen werden von diesen Drüsenmassen erfüllt, (cf. Fig. 16.)
Während nun in dem vorderen Drittteile des Schlauches der gesammte Wandbelag in der eben be-
schriebenen Weise einer Umbildung zu Drüsenzellen anheimfällt, ist in den hinteren Dritteln der Meta-
morphosierungsprozess nicht ein so einheitlicher, indem neben den flaschenförmigen Zellen auch Pigmentzellen
gebildet werden und das übrig bleibende Gewebe eine Structur annimmt völlig gleich der, welche das
zwischen den beiden Muskelschichten gelegene aufweist. Wie schon aus dem soeben Gesagten ersichtlich,
können dann auch in diesem Körperabschnitte die Drüsenzellen, obwohl sie vorhanden sind, doch bei
weitem nicht die Mächtigkeit und die bedeutende Anzahl der im Vorderteile gelegeneu erreichen; sie treten
nach hinten zu immer spärlicher auf und verschwinden zuletzt ganz. Diese Anhäufung der Drüsenzellen
namentlich an jenen Stellen des Schlauchkörpers, an denen vorzugsweise die Bewegung stattfindet, scheint
darauf hinzudeuten, dass das nach aussen ergossene Sekret derselben wahrscheinlich dazu dient, den Para-
siten sowohl, wie namentlich die umgebenden Weichteile des Schneckenfühlers vor den verderblichen Ein-
flüssen der starken Reibung in etwas zu schützen.
Neben diesen Drüsenelementen finden sich in dem hinteren Schlauchabsclmitte weiter Pigmentzellen
vor, die bedeutend grösser sind, als die zwischen den Kirgmuskeln gelegenen. Sie scheinen membranlos
zu sein, besitzen einen Durchmesser von 0,015 — U,02 mm, einen Kern von 0,00ü mm und ein Kernkörperchen.
— o®o 23 o^—
Die in ihnen enthaltenen Pigmentkörnehen von grüner oder branner Farbe sind niemals so dicht abgelagert,
dass sie, wie in den mehrfach erwähnten kleineren Pigmentzellen, den Kern der Zelle völlig verdecken, imd
finden sich gewöhnlich an der Peripherie der Zelle am dichtesten angehäuft, während sie nach der Mitte zu
dünner gelagert sind, ein Verhalten, das sie in gewisser Beziehung den Dotterzellen ähnlich erscheinen lässt.
Nicht unerwähnt möchte ich hier lassen, dass dies grüne Pigment in Alkohol ziemlich schnell verblasst.
Die ganze übrige, nicht in Drüsenzellen und nicht in Pigment verwandelte Masse des ursprünglichen
Wandbelags nimmt während derselben Zeit die Stnictur des zwischen den beiden Muskellagen befindlichen
Gewebes an, so dass beide Bildimgen dann eine scheinbare Einheit darstellen. Ausschliesslich diese Ausbildung,
ohne jede Einlagerung, weder von Drüsen, noch von Pigment, besitzt die Wandschicht an der Übergangsstelle
in den Stiel, wo sie allein es ist, die den schon früher erwähnten Verschluss des Schlauches gegen die
Keimstätte hin bewirkt. Wir finden hier in mächtiger Ausbildung die grossen, hellen, mit deutlichem
Kern und Kernkörperchen versehenen Zellen, die in das Netzwerk der kleineren verästelten Zellen ein-
gelagert sind imd durch ihre beträchtliche Volumenzunahme die ganze Gewebslage so verdickt haben, dass
unter gewöhnlichen Umständen das Lumen ganz verschwindet und nur dann sichtbar wird, wenn eine Larve
durch dasselbe ihren Weg nimmt.
Gegen den inneren Hohlraum zeigt sich die Siiorocystenwand, deren histologischen Aufbau wir
soeben genauer besprochen haben, diirch eine einfache Zellenlage abgegrenzt, deren Dicke von der Spitze
aus nach dem Stiel zu von 0,006 auf 0,0005 mm abnimmt; während sie vorn aus deutlichen, 0,006 mm
dicken, auf Flächenschnitten als Platten erscheinenden Zellen mit grossen Kernen (0,004 mm) besteht, stellt
sie im Stiel nur noch eine doppelt contourierte jMeinbran dar, aus der sich einzelne flache Kerne heraixs-
wölben. Sie hat also hier schon ganz das Aussehen, wie die Binnenmembran der Spoi'ocyste, in die sie
auch ohne deutliche Abgrenzung übergeht. In gleicher Weise, wie die Sporocyste, ist auch der Schlauch
mit der hellen lymphatischen Flüssigkeit erfüllt, in der sich jedoch fast duixhgängig nur erwachsene, von
einer doppelten Hülle bedeckte Larven vorfinden.
Was nun diese letzteren anbelangt, so weisen dieselben schon jetzt vollkommen den Bau der aus
ihnen hervorgehenden Distonien auf; es sind meist regelmässig ovale Gebilde (0,8 mm laug, 0,5 mm breit,
0,3 mm dick) mit hellem, durchscheinenden Körperparenchym, in dem die Lagerung der Organe darum
leicht zu constatieren ist.
Die Tiere sind, wie schon Carus gesehen, echte Distomen: Die Saugnäpfe, nahezu gleich gross
(0,18 mm), treten scharf hervor; an den Mundsaugnapf setzt sich der kugelige Pharynx an, der fast un-
mittelbar in die zwei Darmschenkel übergeht. Diese letzteren verlaufen zuerst wagerecht gegen die Körper-
wand hin, biegen dann um und ziehen nach dem hinteren Körperende, in dessen Nähe sie endigen.
Die Excretionsgefässe mit ihren zahlreichen Windungen scheinen in ihrem ganzen Verlauf klar und
deutlich durch die Körpermasse hindurch. Sie zeigen sich schon völlig so entwickelt, wie sie beim ausge-
bildeten Tiere gefimden werden und sollen dort eine eingehendere Beschreibung finden.
Unterhalb des Bauchsaugnapfes liegen die Genitalorgane, welche jetzt noch einen verhältnismässig
sehr kleinen Teil des Tierkörpers einnehmen. Man unterscheidet gewöhnlich vier kugelige Gebilde, von
denen zwei die Anlage der Hoden, eines die des Ovariums imd eines die der Schaalendrüse darstellt.
Am Ende des Körpers liegen die Geschlechtsöfiiiungen, vor denselben die ebenfalls als dunklerer, compacter
24
Zellencomplex sich darstellende Anlage des Cirrusbeutels mit dem Penis, und der Vagina. Die Ausfuhrungs-
wege der Geschlechtsdrüsen sind als solide Zellstränge ebenfalls nachweisbar, wenn auch selten sehr deuthch
zu erkennen (cf. Fig. 5 — 7).
Die Larve ist als völlig ausgewachsen anzusehen, wenn sie von einer doppelten, äusseren und inneren
Haut umschlossen ist. Diese Hüllen erscheinen im Jugendzustande bei auffallendem Lichte bläulich-, im
Alter gelblich-milchweiss ; die von ihnen eingeschlossenen Hohlräume sind von einer wässerigen Flüssigkeit
erfüllt; in derjenigen, welche den zwischen dem Körper und der inneren Haut befindlichen Zwischem'aum
ausfüllt, finden sich ausserdem noch mehr oder minder zahlreiche, feine körnige Abscheidungsproducte des
Tiei-es, die, wie man leicht beobachten kann, aus dem Excretionsporus hervorgestossen werden. Öfter
finden sich diese Körnchen nach der mittleren Haut zu in grösserer Menge angehäuft als an der eigentlichen
Körperwand der Larve (cf. Fig. 5). Sie erhöhen dami, im Verein mit den zwischen der ersten und zweiten Haut
auftretenden concentrischen Streifungen den Eindruck, als ob wir es hier mit einer einzigen nur bedeutend
verdickten Haut zu thun hätten (von Siebold). Dass dem nicht so ist, lehrt die Entwicklungsgeschichte
der Larve, resp. die Entstehung dieser beiden Häute.
Der geschlechtsreife Wurm.
1. Fütterungs- und Zuchtversuehe.
Um die in den reifen Schläuchen des Leiicochloridium enthaltenen jungen Wüi-mer zur vollen
Geschlechtsreife heranwachsen zu lassen, war es nötig, sie in den Darm geeigneter Träger überzufuhren.
Es wurden zu diesem Zwecke die Schläuche auf die bereits früher geschilderte Weise den Schnecken ent-
nommen und an Vögel verfüttert: in seltneren Fällen gab[,ich auch ganze, mit Parasiten behaftete Schnecken
ein. Von den Vögeln konnten, wie bereits angedeutet, nur solche in Betracht gezogen werden, die Insekten
und ihre Larven, eventuell auch Succineen als Nahrung geniessen. Ich versuchte es zunächst mit älteren
Tieren, die am leichtesten zu beschaffen waren; doch schlugen bis auf einen einzigen mit Sitta europaea
alle diese Versuche fehl, obwohl die Fütterung zu wiederholten Malen vorgenommen worden war. Auf-
fallend musste es ausserdem erscheinen, idass die Vögel fast durchgängig kurze Zeit nach der Fütterung
an Darmentzündung zu Grunde gingen: ob in Folge der Infection, konnte ich nicht constatieren; doch
scheint mir dies weniger wahrscheinlich, da ich kurz nach der Fütterung zahlreiche freie und ihi-er Hüllen
entledigte, sonst aber anscheinend nicht weiter entwickelte Würmer abgestorben in den Excrementen der
Versuchstiere vorfand. Die zu diesen ersten Versuchen benutzten Vögel gehörten den folgenden Arten an:
Turdus musicus und merula, Sitta europaea, Motacilla alba, l'arus coeruleus, major und ater, Sylvia cinerea
Luscinia rubicula, Ruticilla tithys, sowie Cotui'nix dactylisonans; Passer montanus und domesticus.
Gern hätte ich auch, um von Siebolds*) Vermutung zu prüfen, mit Pialliden| Versuche angestellt;
allein trotz der grössten Mühe, die ich mir gab, konnte^ ich nicht in den Besitz eines dieser Vögel gelangen.
Wahrscheinlich würde aber auch hier das Resultat ein negatives gewesen sein.
Belehrt dui'ch diese Misserfolge, sowie beeintiusst durch die Zellei''schenä) Fütterungsversuche, wendete
ich im Frühjahr 1886 mein Augenmerk vorzüglich auf die Erlangung von möglichst jungen Vögeln. Die
Herbeischaffung derselben war zum Teil mit rechten Schwierigkeiten verbunden. Jn Folge der mitunter
sehr grossen Entfernungen war ich ausserdem meist genötigt, Idie ganzen Nester mit mir zu nehmen und
die Jungen selbst zu füttern, ein Verfahren, welches vielfach Einbussen diu-ch den Tod^der Versuchtiere
1. c. pag.
1. c. pag .OTl u. 572.
-o^ 26 o®c-
mit sich brachte. Erst als ich eriiannt hatte, dass die Vögel sich um so besser hielten, je jünger sie dem
Nest entnommen und je öfter sie tagsüber mit Wenigem gefüttert wurden, verminderten sich diese Verluste
in vorteilhafter Weise. Wo es jedoch irgend anging, wurde die Fütterung an Ort und Stelle im Nest
vorgenommen, die Jungen dort belassen und überwacht.
Auf diese Weise versuchte ich es mit Turdus musicus und merula, Luscinia rubicula. Ruticilla tithys,
Phyllopneuste sylvicola, Sylvia garrula und cinerea, Calamoherpe pratensis und Passer domesticus. Letzterer
stellte das Hauptcontingent der Versuchstiere, da die Dachrinnen des Instituts, sowie die Staarkästen im
Garten des Herrn Professor Fraisse reichlich und ausdauernd von ihm als Brutstätte benutzt wurden. Auch
erwiesen sich die Spatzen im Laufe der Untersuchungen als ganz brauchbar, da von ihnen imgefähr jeder
zweite die Würmer wenigstens bis zur Geschlechtsreife gross zog. Als die eigentlichen und natürlichen
Träger des geschlechtsreifen Distomum macrostomum möchte ich aber meinen Erfahrungen zufolge die
Sylvien in Anspruch nehmen. Von einem Neste Phyllopneuste sylvicola nämlich, welches ich dem Orte
entnommen, an welchem ich im Sommer 1886 die meisten infizierten Succineen gefunden, hatten alle drei
Individuen nach je zweimaliger Fütterung die ganze Kloake mit Distomen besetzt, d. h. jedes Tier gegen
70—80 Stück. Einen gleich schönen Erfolg, wie mit Phyllopneuste, hatte ich im folgenden Jahre mit je
einem Neste von Sylvia garrula und cinerea. Völlig resultatlos dagegen blieben auch hier wieder die Ver-
suche mit den grossen Turdiden. Ein weiterer Versuch, ihnen noch lebende, aber nicht ganz geschlechts-
reife Distomen aus dem Darme von einige Tage nach der Fütterung gestorbenen Vögeln diu-ch den After
gleich an den definitiven Sitz, in die Kloake einzuspritzen, lieferte auch keinen Erfolg.
Ob nun eine solche Fütterung gelungen ist oder nicht, dass lässt sich natürlicherweise an den Ver-
suchstieren während des Lebens nicht sogleich constatieren, denn der Einfluss der sich entwickelnden Para-
siten auf den Wirt ist bei ihrer Kleinheit jedenfalls kein allzugrosser. Das einzig sichere Kennzeichen
ist das Vorhandensein der reifen Distomeneier in den Abgängen der Vögel. Es wurde bereits früher erwähnt,
dass das Distomum macrostomum in der Kloake seinen Sitz hat; es finden sich infolge dessen auch die
von demselben produzierten Eier nicht in den Fäces selbst, sondern nur in der dieselben umhüllenden Harn-
schicht vor. Um also die Anwesenheit reifer Parasiten zu constatieren, ohne die Vögel unnötiger Weise
töten zu müssen, brauchten nur die Abgänge derselben aufgefangen und die mit Wasser abgespülte Ham-
schicht auf Eier untersucht zu werden. Es ist diese Untersuchung der Kleinheit der Eier wegen nicht so
einfach; auch muss sie, da die Eier nicht in grossen Mengen und schnell hintereinander zur Ablage ge-
langen, öfters wiederholt werden, wenn anders das Resultat kein trügerisches sein soll. Die auf diese Weise
als infiziert erkannten Vögel wurden dann getötet und ihre Parasiten zu weiteren Untersuchungen benutzt.
2. Die Umbildung der Larve zum geschlechtsreifen
Distomum macrostomum.
Während in dem Vogelmagen der Leucochloridiumschlauch mit seinen weichen muskulösen Wandungen
ohne Verzug der Einwirkung der Magensäfte zum Opfer fällt, sind die in demselben enthaltenen jungen
Würmer mit ihi-en resistenzfähigen doppelten CuticularhüUen weit besser in der Lage, den Angriffen dieser
-o®o 27 oSio-
Säfte erfolgreichen Widerstand leisten und den Magen ihrer Träger unversehrt passieren zu können. Freilich
geht die CuticidarhüUe auf diesem Wege verloren, aber sie hat dann auch ihren Zweck erfüllt und ist
entbehrlich geworden. Man trifft so wenige Stunden nach der Fütterung schon die jungen Würmer ihrer
Hüllen entledigt, im Darme an, dessen ganze Länge sie in ziemlich kurzer Zeit durchwandern, so dass sie
schon am zweiten Tage nach der Fütterung in die Kloake gelangen, wo sie ihren delinitiveu Aufenthalt
nehmen. Sie sind dann schon beträchtlich gewachsen, vor allem aber sind es die Geschlechtsorgane und
von diesen besonders die Greschlechtsdrüseii, welche ansehnlich in ihrer Entwicklung vorgeschritten sind,
während gleichzeitig die Erzeugung der Geschlechtsstoffe ihren Anfang genommen hat. Obgleich die topo-
graphischen Verhältnisse des gesamten Geschlechtsapparates, sowie die gegenseitigen Beziehungen seiner
einzelnen Teile zu einander erst an späterer Stelle einer eingehenderen Betrachtung unterzogen werden
sollen, so mögen doch die Veränderungen, welche bis zum Eintritt der Geschlechtsreife an den Elementen
der Keimdrüsen Platz gi-eifen, hier ihre spezielle Beschreibung finden.
Zuerst macht sich dieser Umwandlungsprozess der Elemente in den centralen und denjenigen Teilen
der Geschlechtsdrüsen geltend, welche dem Ausfühi-ungsgange am nächsten gelegen sind. In ziemlich kurzer
Zeit, meist schon am 4. Tage nach der Überführung in einen geeigneten Träger, sind die ersten Geschlechts-
producte zur Reife gelangt, so dass man von jetzt ab alle einzelnen Stadien der Entwicklung der Zeugungs-
stoffe neben einander in einem Präparate zur Anschauung bekommen kann. Was nun zunächst die Hoden
anbelangt, so sind diese an dem erwähnten Tage äusserlich von 0,075:0,045 auf 0,12.5 : 0,095 mm ange-
wachsen und enthalten die ersten reifen Spermatogemmen. Die Bildung geschieht hier ganz nach der be-
reits von Schwarze') beschriebenen Art, durch Auflösung des Nukleolus mit darauffolgendem Auftreten
feiner Chromatinkörner an der Peripherie des Kernes; darauf zerfällt dieser in eine grössere Anzahl Teil-
stücke, die sich peripherisch anordnen und schliesslich ziu' Bildung des Spermatozoenköpfchen führen, ein
Modus also, der eine allgemeinere Geltung zu haben scheint. Auch die Bildung des Oirrus und seines
Beutels hat unterdessen weitere Fortschritte gemacht: Das Lumen ist fertig, der Penis durch eine Membran
bestimmt nach aussen abgegrenzt.
Das 0 V a r i u m hat während derselben Zeit eine Volumenvergrösserung von 0,072 : 0,048 auf
0,1:0,075 mm erfahren; die Reifung seiner Elemente macht sich hauptsächlich nur in einer Grössenzunahme
der Eizellen bemerkbar, vor allem in einer beträchtlichen Vermehrung des Protoplasmas. Die Zellen der
Schalendrüse haben einen deutlicher drüsenartigen Habitus angenommen und sich wahrscheinlich infolge
Vermehrung und grösseren gegenseitigen Druckes in die Länge gezogen. Auch die Dotter stocke haben
bis zum vierten Tage nach der Übertragung fast ihre völlige Ausbildung erlangt, obgleich in der reifen
Larve von ihnen noch fast keine Spur vorhanden war. An den jederseits im Tierkörper von vorn bis hinten
ziehenden Längsstämmen sitzen zahlreiche einzelne oder zu Träubchen vereinigte kleine Blindschläuche auf,
von denen jeder im Innern eine Anzahl von Zellen erkennen lässt. Diese Zellen sind die Bildnerinnen der
Dottersubstanz; im Grunde der Schläuche am kleinsten, vermehren sie sich durch Teilung und werden, je
mehr sie sich dem mit dem Längsgange in Verbindung stehenden Ende des Säckchens nähern, immer
grösser, während sie zugleich in ihrem Inneren die Dottermassen m Gestalt kleiner runder, stark licht-
') 1. e. pag. 33.
— ogc 28 oigc—
brechender und gelblich gefärbter Kügelchen luid Tröpfchen absondern. Das Protoplasma dieser membran-
losen Zellen ist hell, Kern und Kernkörperchen deutlich. Die Dotterkörnchen gruppieren sich ceatrifugal,
so dass sie zuerst einen peripherisch gelegenen Kranz in der Zelle bilden; später, wenn der Prozess fort-
schreitet, ti-eten sie auch in den centralen Partien des Zellenleibes auf, immer aber so, dass sie in der
äussersten Zone am dichtesten und massenhaftesten vorhanden sind. Sehr oft zeigen sich schliesslich die
Dottei'zellen so stark mit diesen Körnchen erfüllt, dass von dem immer noch vorhandenen Kern und dem
unveränderten Protoplasma keine Spur mehr zu erkennen ist, und die ganze Dotterzelle wie ein Ballen
zusammengeklebter Dotterkörnchen aussieht. Infolge dieses letzteren Umstandes erklärt sich auch eine
Meinungsdifferenz, die sich zwischen einigen Forschern erhoben in Bezug auf den morphologischen Wert
der Dotterballen, welche bei der Eibildung in das Innere der Eier aufgenommen werden. Während nämlich
einige Forscher (Sommer ^) etc.) glauben, dass die reifen, völlig mit Dotterkügelchen gefüllten Zellen bald
zerfallen, und nur ihre Trümmer die Leitungswege der Würmer ei-füUen, behaupten andere (Kerbert ^),
Thomas'), Lorenz^) etc.), dass es reife und immer ganze Dotterzellen sind, welche durch die Dottergänge
nach den Eibildungsstätteu geführt und dort in die jungen Eier aufgenommen werden. Meine eigenen
Erfahrungen für Distomum macrostomum, sowie die Beobachtungen Leuckarts über die Eibildung von
Distomum hepaticum und anderen, sprechen für die letztere Ansicht. Auf Totalpräparaten, die mit Häma-
toxylin oder Bismarckbraun schwach gefärbt waren, konnte man deutlich ganze Zellen in den transversalen
Dottergängen constatieren, von denen grossenteils auch noch der Kei'n zu erkennen war. In dem Lauer'-
schen Kanäle dagegen fanden sich auch nicht selten Dottermassen vor, hier jedoch augenscheinlich immer
nur einzelne Dotterkörnchen oder Trümmer von Zellen, ein Umstand, den ich mir so erkläre, dass öfters,
sei es durch Druck, sei es aus irgend einem anderen Grunde, einzelne der mit Dotterkörnchen reichlich
durchsetzten Zellen platzen und dann nicht mehr verwendet werden können. Derartig übei'flüssiges, resp.
unbrauchbares Dottermaterial wird dann durch den Lauer'schen Kanal nach aussen entfernt werden.
Es würde dies übrigens, vorausgesetzt, dass die gegebene Erklärung die richtige ist, in unserem
Falle für den Lauer'schen Kanal eine Function ergeben, ähnlich der, wie sie ihm bereits von Sommer^)
zugeschrieben wurde; nur dass es sich hier nicht um im Uberfluss produzierte und deshalb als unbrauchbar
zu entfernende, sondern um zerstörte, und deshalb für die weitere Verwendung thatsächlich nicht nutzbare
Dottermassen handelt. Dass jedoch die Entfernung dieser die alleinige Function des in Rede stehenden
Ganges repräsentieren sollte, scheint mir doch wenig wahrscheinlich.
') Sommer. Die Anatomie des Leberegels. Beiträge zur Anatomie der Plattwürmer. 111. Heft. 1880. Zeitschrift für
wiss. Zool. 34. Bd. Sep.-Abd. pag. 70.
*) Kerbert. Beitrag z. Kenntnis der Trematoden. Archiv für raikrosk. Anatomie. Bd. 19. pag. 5G6.
') 1. c. pag. 108. Thomas für Dist. hep.
*) Lorenz. Axine und Microcotyle. Arb. aus d. Zool. Inst. z. Wien. pag. 19 u. 27.
«) 1. c. pag. 79.
3. Der Bau des gesehleehtsreifen Distomum maerostomum.
Alle diese bis jetzt beschriebenen Wachstums- und Entwicklungsvorgänge spielen sich also, wie
bereits eingangs erwähnt, in den ersten vier Tagen nach der Überti'agung in den Vogel ab. Es wird dann,
nachdem die Zeugungsstoffe in genügender Menge fertig vorhanden sind, eine Begattung eintreten müssen,
doch ist es mir niemals gelungen, eine solche thatsächlich zu beobachten. Im Anschluss an diese Begattung
nimmt dann die Eibildung ihren Anfang. Zwischen dem 6. (Zeller) ^) und 8. Tage nach der Fütterung
kann man dann gewöhnlich bei unseren Würmern unter sonst günstigen Lebensbedingungen die ersten fertig
gebildeten Eier zu Gesicht bekommen; die fernere Production derselben geht dann gewöhnlich mit so
rapider Schnelligkeit vor sich, dass nach kurzer Zeit die anfangs nur spärlich entwickelten Uterusschlingen
strotzend mit den Eiern erfüllt sind und ausser den Saugnäpfen den bei weitem grössten Teil des Tier-
leibes einnehmen.
Ungefähr vom 14. Tage erfolgt schliesslich die Ablage der Eier; dieselben haben daim den
Uterus in seiner ganzen Länge passiert, während zugleich ihr Inhalt nach Ablauf des Furchungsprozesses
zu einem völlig reifen Embryo sich umgebildet hat.
Was den anatomischen Aufbau des Distomum maerostomum, sowie die Oontiguration seiner Organ-
systeme anbetrifft, so schliesst es sich in Bezug auf diese, bis auf wenige Abweichungen ganz dem Bauplan
an, wie wir ihn von der Mehrzahl der Distomen kennen, so dass mir nur wenig hinzuzufügen bleibt.
Der ausgebildete Wurm wechselt in seiner Grösse nicht unbedeutend, da er auch nach Eintritt der
Geschlechtsreife, jedenfalls infolge der bedeutenden Füllung des Uterus mit Eiern, noch reichlich wächst.
Ein 20 Tage altes Tier mass nach der Conservierung ungefähr 1,8 mm in der Länge, 0,8 mm in der Breite
und 0,45 mm in der Dicke; es ist ohne weiteres einleuchtend, dass diese Maasse durch Oontractionen Tind
Bewegungen in der verschiedensten imd mannigfachsten Weise beim lebenden Tiere modifiziei't werden
können. Im Allgemeinen sind aber unsere Würmer bei weitem nicht so beweglich, wie dies von anderen
Trematodenformen bekannt ist.
Als unter allen Umständen charakteristisch für unseren Wurm können zwei Eigentümlichkeiten an-
geführt werden; es sind dies einmal die Bildung des Kopfendes, und dann die Lage der Geschlechtsöffnung.
Was zunächst das Kopfende anbelangt, so erscheint dieses, wie schon Zeller ■^) angibt, in der Öeiten-
lage wie schief abgeschnitten, freilich nicht lediglich infolge des von Zeller angegebenen Umstandes, dass
die Körperbedeckung auf der Rückenseite kragenartig über den Mundsaugnapf emporgezogen erscheint
Der Hauptgrund dieser Eigentümlichkeit dürfte meiner Ansicht nach bei weitem mehr in der Thatsache
liegen, dass auch die dorsale Wand des Mundsaugnapfes viel länger ist, als die ventrale (0,35:0,28 mm)'),
und dass schon durch diesen Umstand die Offmxng des Mu.ndsaugnapfes eme ziemlich starke Neigung nach
der Bauchfläche zu erfährt, welche in der Seitenansicht die bereits erwähnte Eigentümlichkeit hervorruft.
Es scheint ausserdem diese Eigentümlichkeit nicht ohne Nutzen und praktischen Wert für unseren Wui-m
') 1. c. pag. 572.
«) 1. c. pag. 568.
') Auch bei anderen Arten walton ähnliche Verhältnisse ob. (Distomum hepaticum u. s. w.)
zu sein. Denn die Thatsache, dass auch der Mundsaugnapf mit seiner Öffnung nach der Ventralfläche
gerichtet ist, ermöglicht es, beide Saugnäpfe zu gleicher Zeit als Befestigungsmittel in Thätigkeit zu setzen.
Man findet sehr oft die Parasiten mit beiden Saugnäpfeu fest an der Wand der Kloake festgesogen, so
fest, dass die Tiere durch Ziehen allein nicht von ihrem Sitz entfernt werden können, sondern mit einem
Messer zugleich mit der obersten Schicht der Kloakenwand abgehoben werden müssen; bei der Untersuchung
findet man dann einen förmlichen grossen Kegel derselben in das Saugnapflumen hineingezogen. Einmal
war ein solches Distomum bei der Wahl seines Wohnortes etwas fehlgegangen imd hatte ein anderes er-
grifi^en, dessen ganzes Hinterteil dann in seinem Mundsaugnapfe ein Unterkommen gefunden hatte.
Überraschend ist übrigens bei Junseren "V^''ürniern eine derartige feste und sorgfältige Fixierung
nicht. An einem Orte mit einem so ausgiebigen und energischen Durchgangsverkehr, M-ie ihn die Kloake
der Vögel repräsentiert, wo die Parasiten leicht in die Lage kommen können, unfreiwillig mit an die Luft
gesetzt zu werden, sind natürlicherweise die mit starken und sicheren Haftapparaten ausgerüsteten Tiere
am besten imstande, den Kampf um's Dasein mit Erfolg zu bestehen.
Auch die Lage der Geschlechtsöifnung bietet ein nicht unwesentliches, charakteristisches Merkmal
unseres Distomum macrostomum, indem der gemeinsame Genitalporus nicht, wie gewöhnlich, auf der Bauch-
seite, sondern terminal gelegen, ja öfters sogar etwas nach der Dorsalseite emporgerückt erscheint, sodass
dann die hinter demselben gelegene Excretionsöffnung, die sonst am Hinterende allerdings gewöhnlich etwas
dorsal gelegen ihren Platz hat, sich völlig auf die Rückeuseite verschoben findet. Es teilt unser Wurm
diese abweichende Bildung ausser mit den Holostomen, besonders noch mit dem Genus Gasterostomum, zu
dem er auch bemerkenswerter Weise durch die sonderbar verästelte Form seiner Sporocyste in näherer
Beziehung steht. Während Gasterostomum aber auch sonst nicht unbeträchtliche Abweichungen von der
gewöhnlichen Organisation der Distomen aufweist, bewahrt unser Tier dieselbe in typischer und normaler
Weise, sodass die Diagnose des Genus völlig auf dasselbe Anwendung findet.
Obgleich unser Wurm im allgemeinen in anatomischer sowohl, wie bereits erwähnt, als auch in
histologischer Hinsicht nur wenig von dem als typisch bekannten Aufbau der Distomen abweicht, so mögen
doch der Vollständigkeit halber auch über die histologischen Verhältnisse einige thatsächliche
Angaben hier Platz finden.
Rindenschicht.
Bedeckt ist der Körper des Distomum macrostomum von einer Hautschicht (0,0015 mm), in welche
über die ganze Oberfläche des Körpers hin sich kleine Stacheln (0,0035) eingesenkt finden. An Stellen,
wo sie einer starken Abnutzung ausgesetzt ist, wächst sie zu einer bedeutenden Stärke (0,01 mm) an, so
namentlich an den Umschlagstellen in die Saugnäpfe.
Unter der Hautschiclit liegt der Hautmuskelschlauch, der sich aus einer dreifachen Muskellage zu-
sammensetzt, aber mit Ausnahme der Nackengegend nü'gends eine grosse Stärke und Leistungsfähigkeit
erlangt, ein Umstand, aus dem sich wohl die bereits früher hervorgehobene geringe Beweglichkeit unseres
Wurmes erklären mag.
Zu äusserst liegen, wie auch sonst, eine Ring- und eine Längsfaserlage, aus zwar zahbeichen, aber
schwachen Fasern zusammengesetzt, die in den einzelnen Schichten imt(!r sich anastomosieren. Die zirkulär
.-o®o 31 0®C-
verlaufenden Fibrillen erscheinen auf (»»uerschnittcn als Punkte (0,0009 mm); sie haben einen Abstand von
0,0009 mm von einander und liegen in einer sich hell und homogen färbenden Grundsubstanz. Die Längs-
fasern haben nur 0,0004 mm und stehen durchschnittlich 0,0008 mm auseinander. Als innerste Schicht trifft
man auf ein Netz zarter Diagonalzüge (0,0006), die in einer Entfernung von 0,0014 mm einander parallel
laufen und sich unter einem Winkel von 150 <" schneiden.
Auch bei unserem Wurme finden sich nun unter dem Hautmuskelschlauche in das Körperparenchym
eingelagert, aber doch zur Haut in näherer Beziehung stehend, in grösserer Anzahl zellige Gebilde vor, wie
solche bereits von anderen Forschern des öfteren beschrieben worden sind. So treffen ^ir zunächst im
gesammten Umkreise des Körpers eine Schicht von dunklen, sich stärker als die Umgebung färbenden
Kernen au (0,005 mm); dieselben sind nur von einer geringen Menge von Protoplasma umgeben; dieses
aber nimmt Farbstoffe intensiv auf und wird bei Hämatoxylinfärbung fast schwarz. Öfters sah ich auf
Schnittpräparaten feine Nervenästchen in unmittelbarer Nähe dieser Gebilde endigen; doch möchte ich ohne
directen Nachweis einer thatsächliclien Verbindung dieser Nervenästchen mit unseren Apparaten denselben
nicht ohne weiteres eine nervöse Natur zuschreiben. Übrigens haben sie auch eine nicht geringe Ähnlichkeit
mit gewissen Zellen, die wir bald bei der Beschreibung der Saugnäpfe kennen lernen werden.
Zwischen diesen Elementen finden sich weiter, jedoch in geringerer Anzahl, Zellen mit hellem, in
seltneren Fällen aber auch feinkörnigem, sich schwach färbenden Protoplasma, bläschenförmigem grossen
Kern mid stark hervorti-etendem Kernkörperchen. Auch sie sind über die ganze Körperfläche verteilt, am
stärksten jedoch in dem bereits beschriebeneu Kopflappen und dessen Umgebung augehäuft. Da sich an
ihnen nicht selten ein nach der Körperoberfläche hinführender, feiner Ausführungsgang mit Sicherheit nach-
weisen lässt, möchte ich sie als Drüsenzellen in Anspruch nehmen, obgleich sie in ihrem sonstigen Habitus
viel Ahnhchkeit mit den von Schwarze >) beschi'iebenen und als elastische Elemente gedeuteten „Blasen-
zellen" aufweisen. Auch der mehrfach beobachtete körnige Inhalt unserer Gebilde dürfte mehr für die
Drüsennatur derselben sprechen. Ganz ähnliche Elemente hat Looss^j bei Distomum palliatum gesehen
lässt jedoch unentschieden, ob sie nicht eventuell auch Ganglienzellen darstellen.
Mittelschicht.
Die Mittelschicht besteht bei unserem Tiere wie bei allen Distomen aus dem Bindegewebe des
Körperparenchyms imd den diesem eingelagerten Organen.
Körperparenchym. Das Körperparenchym zeigt den bereits von Taschenberg beschriebenen
und dann von späteren Forschern bestätigten Aufbau aus zweierlei Elementen; den zu einem Maschenwerk
vereinigten BindegewebszeUen und den in dieses eingelagerten hellen, membranlosen Zellen. Zum Studium
dieser Verhältnisse kann man bei unserem Wurme nur jüngere, höchstens acht Tage alte Individuen ver-
wenden, da bei den älteren Distomen der ganze Körper so von den stark gefüllten Uterusschlingen durch-
setzt ist, dass die hellen Zellen fast gänzlich verdrängt werden, und nur noch die Lückenräume erscheinen,
von deren ursprünglicher Gestalt auch nur noch wenig zu erkennen ist.
') 1. c. pag. 19.
*) Looss. Beiträge zur Kenntnis der Trematoden. Zeitschft. f. wisa. Zool. 41. Bd. pag. 395.
-ogc 32 o^c—
Die kleinen Kerne dei Bindegewebszellen treten deutlicli durch ihre starke Färbung hervor, weniger
deutlich sind die Kerne der hellen Zellen, doch ei-kennt man auch sie leicht bei einiger Aufmerksamkeit.
Das System der Parenchymmuskeln zeigt wie der ganze Hautmuskelschlauch im allgemeinen
bei unserem Wurme keine besondei's mächtige Entwicklung. Die einzelnen Fasern sind dünn und schwach
und durchziehen in verschiedenen Abständen von einander die Masse des Tierleibes. Nur die nach den
Haft- und Locomotionsorganen, das ist den Saugnäpfen, hinziehenden Faserzüge zeigen eine bedeutendere
Entwicklung, namentlich was ihre Zahl anlangt. Es lassen sich hier verschiedene Gruppen unterscheiden.
Vor allem mächtige und zahlreiche Muskeln laufen von dem Vorderteile des Mundsaugnapfes aus schräg
nach hinten nach der Körperwand; durch ihre Contraction ziehen sie den Vorderteil des Wurmkörpers
lippenartig über die Ränder des Mundsaugnapfes empor.
Eine Insertion der Fasern an der Hautschicht nach vorhergehender yiinselförmiger Auflösimg, wie
dies verschiedentlich (Kerbert ^) Looss ^) ) beschrieben worden ist, scheint bei diesen Muskeln nicht statt zu
finden, während ich es bei den übrigen Parenchymmuskeln nicht selten beobachten konnte; dagegen setzen
sich dieselben mit den Längs- und Diagonalzügen des Hautmuskelschlauches in Verbindung.
Auch von dem Umfange des Bauchsaugnapfes aus geht ein Complex von Muskelfasern nach der
Rückenfläche des Körpers empor, die in der Hauptsache in der Mantelfläche eines Kegels angeordnet liegen,
ohne jedoch zu einer geschlossenen Muskelhaut zusammen zu treten. Was die Verbindung aller dieser
Parenchymfaserzüge mit den Saugnäpfen resp. deren Muskulatur anbelangt, so ist „ein directer Übergang
dieser Muskeln in die Muskulatur des Saugnapfes bei Distomen nur selten zu constatieren".^) Und das um
so mehr, als die beti-effenden Verhältnisse fast nur an Schnitten studiert werden können, auf denen natür-
licherweise die in den verschiedenen Richtungen des Raumes verlaufenden und mannigfach sich kreuzenden
Muskelzüge nicht in längerem Verlaufe getroffen werden können. Was aber durch sorgfältige Berechnung
und bewusste Absicht nicht erzielt wird, das gibt vielfach der Zufall an die Hand; so auch hier; auf einem
Schnittpräparate von Distomum hepaticum, das ich der Güte des Herrn Geheimrat Leuckart verdankte,
konnten zwei breite Muskelbänder bis weit hinein in den Saugnapf verfolgt werden, wo sie am Rande des
Lumens hin nach vorn verliefen und schliesslich zwischen den Saugnapfmuskeln endigten. Auch bei unserem
Distomum macrostomum war ein solches Verhalten der in Rede stehenden Parenchymfaserzüge nicht selten
nachzuweisen, wenngleich es mir niemals glücken wollte, ein derartig schönes Präparat, wie das von Distomum
hepaticum zu Gesicht zu bekommen.
Dass durch ein solches Eindringen in die Saugnäpfe die gegenseitige Verbindung der betreffenden
Elemente nicht unbedeutend erhöht wird, bedarf wohl kaum des Nachweises.
Der Verdauungsapparat entspricht in seinem Baue vollständig dem der übrigen Trematoden.
An den äusserst stark und kräftig entwickelten Mundsaugnapf schliesst sich ein ebenfalls ansehnlicher
Pharynx an, der fast mimittelbar in die beiden einfachen Darmschenkel überführt. In histologischer Hin-
sicht dürfte noch das Folgende erwähnenswert sein.
Der Mundsaugnapf ist, wie gesagt, ein sehr kräftiger Hohlmuskel, welcher den grössten Teil
') 1. c. pag. 544.
') 1. c. pag. 401.
") Leuckart. Die Parasiten des Menschen. 1886. II. Teil. pag. 21.
-oigo 33 oiäo-
des vorderen Körperendes einnimmt. Er ist 0,35 mm laug, 0,3 dick und besitzt ein grösstes Lumen von
0,13 mm. Seine Wandungen (dm-chschnittlich 0,09 mm dick) sind am Kücken etwas höher gewölbt als am
Bauche; es ragt auch die dorsale Wand etwas über die] ventrale vor, so dass, wie bereits an anderer Stelle
(cf. pag. 29) hervorgehoben, die (JfFnung desselben nicht nach vorn, sondern sehr nach unten gerichtet erscheint.
Nach aussen wird der Mundsaugnapf begrenzt von einer zarten Membran (0,0007), innen von einer
etwas dickeren Haut (0,0012), welche den Eindi-uck einer Cuticula macht, da zellige Elemente in ihr nicht
wahrnehmbai' sind und sie sich avisserdem mit Farbstoffen stark mid homogen färbt.
Von dieser inneren und äusseren Begrenzungshaut umschlossen finden sich dieselben Muskelgruppen,
wie sie auch sonst bereits bekannt sind; die Äquatorial- und Meridionalfasern sind schwächer ausgebildet,
während die Radiärzüge auch hier die grösste Mächtigkeit besitzen. Nur an den Lippen nehmen auch die
Ringmuskelzüge eine etwas stärkere Entwicklung (0,006 mm) an.
Die Radiärfasern stehen nicht an allen Stellen gleich dicht; namentlich da, wo sie am spärlichsten
gelagert erseheinen, tritt auch das die Grundmasse des Saugnapfes bildende Gewebe deutlich hervor; es ent-
spricht dasselbe in seiner Ausbildung völlig demjenigen, welches wir auch als die Grundmasse des übrigen
Körpers kennen; indem zwischen die Maschen des aus den kleinen und dunkel sich färbenden Zellen zusammen-
gesetzten Netzwerkes die grossen blassen und membranlosen Zellen sich eingelagert finden (cf. Fig. 18 u. 19).
Die eben geschilderten Verhältnisse gelten in gleicher Weise natürlich auch für den Bauchsaug-
napf, nur dass dieser etwas grösser ist (er misst 0,3 mm in der Länge, 0,4 in der Breite bei einem grössten
Lumen von 0,38 mm, die Wandungen sind 0,08 — 012 mm dick) und im ganzen einen etwas festeren und
kräftigeren Bau erkennen lässt.
Die Lippen des Mundsaugnapfes sind beim lebenden Tiere, so lange es keinen passenden Fixations-
pimkt hat (was ja gewöhnlich während der Beobachtung unter dem Miki-oskope der Fall ist) in einer fort-
währenden Bewegimg, die sich auch der kragenartigen Hervon-agimg der Körpermasse am vorderen Leibes-
ende mitteilt und dadm-ch wahrscheinlich das von Zeller beobachtete Undulieren desselben hervorruft.
In histologischer Hinsicht zeigt die Muskulatur dieser Lippen einen etwas abweichenden Aufbau.
Man sieht nämlich auf einem in der Meridionalebene des Saugnapfes geführten Schnitte (cf. Fig. 19) von dem
äussersten Rande desselben aus nach rechts und links unter 45 " nach der äusseren und inneren Grenzmembran
des Mimdsaugnapfes hin Muskelbündel verlaufen, von denen das nach der inneren Wand hinziehende stets
stärker ist, als das andere. Da die unteren Enden dieser Faserzüge dm-ch die ersten Radiärmuskeln ver-
bunden werden, so erblickt man gewöhnlich auf einem solchen Schnitte in dem oberen Rande des Saug-
napfes ein durch die erwähnten Lippenmuskeln und die obersten Radiärfasern gebildetes Dreieck, welches,
da sein Innenraum von Muskeln völlig frei ist, die Zellen des Grundgewebes deutlich erkennen lässt.
An dem Bauchsaugnapfe findet sich eine Lippenmuskulatur in dem ausgesprochenen Maasse, wie
bei dem Mundsaugnapfe, nicht vor, dagegen kann man auch hier des öfteren die ganz der übrigen Körper-
masse gleichende Structur des Grundgewebes erkennen.
Es scheint dieses letztere eine ganz ausgesprochene elastische Function zu haben, indem es bei
seiner augenfällig weichen Beschaffenheit bei einer Contraction der Saugnapfmuskeln zusammengedrückt
werden kann, bei einem Nachlassen der Muskelkraft aber durch seine Elastizität die m-sprüngliche Form
von selbst wieder herstellt.
5
— o®o 34 0®C—
Der P h a r y n x , der unmittelbar auf den Jlundsaugnapf folgt, scliliesst sich in Bezug auf seinen
Bau im allgemeinen diesem an. Er ist ein länglich ovales Gebilde (0,24 mm hoch und 0,25 mm breit), das
bedeutend an Grösse hinter dem Öaugnapfe zurücksteht. Ein zwischen Mundnapf und Pharynx sich ein-
schiebender Vorhof, wie er bei zahlreichen Distomen vorzukommen scheint, wie ihn bei Distomum hepaticum
Leuckart, bei Distomum Westermani Kerbert, bei Distomum palliatum Looss beobachtete, kommt bei unserem
Distomum macrostomum nicht so typisch zur Anschauung; er ist hier kaum grösser, als ihn die Schluck-
bewegvmg unseres Tieres gerade erheischt, da in der Hauptsache auch seine Thätigkeit durch die ungleich
mächtigere und ansehnlichere Ausbildung des Mundsaugnapfes entbehrlich geworden ist.
Ein eigentlicher Ösophagus ist fast gar nicht vorhanden. Nur bei der grössten Längsstreckung
des Wurmes. zeigt sieh wahrscheinlich erst infolge der Dehnimg zwischen dem Hinterende des Phaiynx
und der Gabelungsstelle des Darmes ein unpaares Rohr von höchstens 0,0ö mm Länge. Dieses ist, wie
der Pharynx und Vorhof, mit einer Haut ausgekleidet, welche die Fortsetzung der den Mimdsaugnapf be-
gi'enzenden Innenmembran bildet, die sich auch noch eine kurze Strecke in die paarigen Darmschenkel
hinein fortsetzt; sie hat eine durchgehende Stärke von 0,0018—0,002 mm.
Die Länge der einfachen Darmschenkel beträgt 1,35 mm; hiervon kommen ungefähr 0,35 mm auf
den nach den Seiten des Körpers und 1 mm auf den in der Längsrichtung nach hinten laufenden Teil; je
nach den Contractionszuständen ist natürlicherweise der Winkel, den diese beiden Richtungen mit einander
bilden, u.nd der niemals eine sehr scharfe Spitze hat, ein ausserordentlich wechselnder; bei stark zusammen-
gezogenen Tieren, wie es namentlich die conservierten fast immer sind, haben die querlaufenden Teile des
Darmes sogar eine Richtung schräg nach oben (cf. Fig. 5). Auf Querschnitten erscheint das Darmrohr
als ein Uval von 0,07 : 0,045 mm.
Was den histologischen Bau anlangt, so finden wir als äusserste Begrenzung des Darmes eine
Eigenmembran, der eine nicht unansehnlich entwickelte Muskelschicht, wie dieselbe vielfach am Darm der
Trematoden beobachtet worden ist, aufgelagert erscheint. Dieselbe besteht auch bei imserem Wurme aus
einer Ring- und Längsmuskulatur von ziemlich gleich starker Entwicklung (0,0008 : 0,0006 mm). Nach innen
folgen auf die Eigenmembran zwei Zellschichten, die sich in jeder Hinsicht scharf und deutlich von ein-
ander unterscheiden. Die unterste, direkt der Tunica propria aufliegende dieser Zellschichten ei'gibt sich
bei näherer Betrachtung als die unmittelbare Fortsetzung der Membranen, welche wir als innere Auskleidmig
sowohl des Mundsaugnapfes und des Pharynx, als auch des Anfangteiles des Darmes kennen gelernt haben.
Diese Zellenlage besteht au.s hohen Cylinderzellen, in denen die Kerne deutlich hervortreten. Dieser unteren
Zellschicht ist eine zweite von derselben Höhe und derselben Zusammensetzung aufgelagert; sie kleidet den
Darm seiner ganzen Länge nach aus, reicht aber nach vorn zu nui" bis kurz hinter den Pharynx, wo sie
ziemlich plötzlich verschwindet. Beim lebenden Tiere besitzen diese Zellen feine Strichelchen, zwischen
denen reihenweise eingeordnet Körnchen von Fettstoffen eingelagert sind; diese letzteren lassen sich mit
Äther leicht und völlig extrahieren, so dass [dann die Zellgrenzen, sowie die Kerne schön und deutlich
hervortreten.
In Bezug auf ihr chemisches Verhalten zeigen diese beiden Schichten eine ausgesprochene Ver-
schiedenheit, indem sich die eine stets anders (färbt, als die andere. Während z. B. bei Färbung mit
Bismarckbraun die untere sich stark imbibiert und die obere ganz blass bleibt, ist es bei Karmin und
— 0®O 35 0®0-
Hämatoxylin gerade umgekehrt, indem liier die untere viel heller bleibt, wälu-end die obere namentlich mit
Hämatoxylin fast schwarz wird.
Über die Natur und physiologische Bedeutung dieser beiden so differenten Epithellagen lassen sich
so natürlich positive Angaben nicht machen.
Drüsen. Neben den schon früher erwähnten zu der Haut in Beziehung stehenden einzelligen
Drüsen finden sich noch massig entwickelte Speicheldrüsen auf der Bauchseite, an der Übergangsstelle des
Pharynx in den Darm vor. Dieselben sind ebenfalls einzellig (0,02:0,016 mm), haben einen feinkörnigen,
stark lichtbrechenden Inhalt, in dem ein Kern nicht sichtbar ist und besitzen einen lang ausgezogenen
Ausführimgsgang, vermittelst dessen sie ihren Inhalt in den Ösophagus entleeren.
Das Excretionsgefässsystem zeigt weder in topographischer noch in histologischer Hinsicht
bemerkenswerte Abweichungen von dem sonst bei den Distomen bekannten Verhalten. Die betreffenden
Verhältnisse lassen sich am besten an Larven oder ganz jugendlichen Distomen beobachten, da mit der
weiteren Entwicklung und dem fortschreitenden Anwachsen der Geschlechtsorgane diese zarten G-ebilde
mehr und mehr verdeckt werden. Der Perus excretorius, der infolge der eigentümlichen Contractionsver-
hältnisse des Tieres meist in der Mittellinie des Rückens gelegen ist, führt in den Sammelraum, dessen
0,002 mm dicke Wandungen an der Aussenseite von einer feinen Längs- und Ringfaserschicht überzogen
werden. Ein Epithel war im Inneren nicht nachzuweisen. Die äussere Form der Sammelblase ist infolge
der sie von allen Seiten einengenden Uterusschläuche vielfach eine ganz unregelmässige. Von ihr aus
nimmt nun, wie bei fast allen Distomen, je ein Längsgefäss auf jeder Seite seinen Ursprung, das in mannig-
fachen Windungen nach vorn bis in die Höhe des Mundsaugnapfes zieht und von dort, nachdem es einen
kleinen Zweig nach vorn abgegeben hat, bis weit nach hinten zurückkehrt. Hier löst es sich dann in di'ei
kleinere Gefässe auf, von denen das eine noch weiter nach rückwärts in die Gegend des Oirrusbeutels
geht, die beiden anderen aber nach dem Kopfe zu zurückkehren, um sich weiter aufzulösen (cf. Fig. 4). Die
Wandungen dieser Gefässe sind devxtlich doppelt contoiu-iert (0,0007 mm), doch lassen sich Kerne nicht in
ihnen nachweisen. Eine Flimmerbewegung existiert in diesen Längsstämmen ebenfalls nicht. Kapillaren
und Flimmertrichter, die auch hier reichlich vorhanden, wenn auch nicht immer leicht aufzufinden sind,
schliessen sich völlig den bereits von anderen Formen beschriebenen Verhältnissen an.
Das Nervensystem. Was den Aufbau des nervösen Apparates bei imserem Wurme anbelangt,
so ist als abweichend von dem gewöhnlichen Verhalten nm- hervorzuheben, dass die beiden Hauptnerven-
stämme, welche von den beiden durch eine Commissur verbundenen^ Hauptgauglien nach hinten ziehen,
auf der rechten und linken Seite des Tierkörpers nicht ganz den gleichen Verlauf besitzen. Man kann
nämlich an gut gelungenen Überosmiumsäure-, ebenso wie an Hämatoxylinpräj^araten leicht sehen imd auf
Schnittpräparaten bestätigen, dass der linke Ast in der Hauptsache an den Bauchsaugnapf, der rechte da-
gegen mehr an die Genitalien und nach den hinteren Körpei-partien hinläuft.
Indessen gibt auch der linke Sti'ang nach hinten feine Astchen ab, ebenso wie der rechte an den
Bauchsaugnapf. Es stehen aber diese Faserzüge ganz bedeutend hinter den beti-effenden Hauptästen zurück
sodass thatsächlich eine ganz augenfällige Asymmetrie vorhanden ist.
Entsprechend der Mehrzahl der Geschlechtsdrüsen löst sich der rechte Stamm kurz unterhalb des Bauch-
— T®o 36 oa<—
saiignapfes in mehrei'e Zweige auf, von denen je einer an die Hoden sowohl, als auch an das Ovarium
herantritt, während ein vierter nach dem hinteren Körperende an den Cirrusbeutel sich begibt.
Natürlicherweise existieren auch bei unserem Wurme ausser den beiden Hauptlängsnerven noch eine
Anzahl anderer, hier drei, von denen einer ebenfalls nach hinten aber mehr nach der Rückenseite hin ver-
läuft und sich niemals weit verfolgen lässt, während die beiden anderen nach vorne sich wenden und an
den Saugnapf heran-, teilweise sogar in denselben hineintreten.
Aufmerksam gemacht durch die Gaffron'schen Untersuchvmgeni), der bei Distomum isostomum die
bekannte eigentümliche, an die Verhältnisse der ectoparasitischen Tristomen, sowie gewisser Anneliden und
Mollusken erinnernde Architektonik des nervösen Apparates entdeckte, wandte ich mein Augenmerk auf die
Feststelhmg etwaiger analoger Bildungen. Obwohl nun schon der Asymmetrie der Hauptnervenstränge
halber ein solches typisches Verhalten nicht wohl zu erwarten war, so gelang es mir doch, allerdings erst
nach mannigfachen Bemühungen, wenige sehr zarte und feine Nervenästchen aufzufinden, welche miterhalb
des Bauchsaugnapfes ohne allen Zweifel von einem Nervenstamme zum anderen hinüber gingen. Bei den
geschlechtlich vollkommen entwickelten und mit Eiern vollgepfropften Wüi-mern lässt sich von diesen Ver-
hältnissen natürlich nichts erkennen; es müssen hierzu am besten junge Distomen verwandt werden, die
1 — 2 Tage im Vogeldarm verweilt haben.
In histologischer Hinsicht dürften noch folgende Punkte erwähnenswert erscheinen. Die Ganglien-
zellen sind bipolar, besitzen eine nicht ganz constante Grösse, homogenes Protoplasma mit Kernen von
0,006 mm Durchmesser und sind nur in geringer Anzahl vorhanden. Einzelne Faserzüge lassen sich bei
den nach den Saugnäpfen verlaufenden Nerven mit aller Sicherheit in das Innere derselben hinein verfolgen
Bemerkenswert ist das Vorhandensein einer distincten bindegewebigen Nervenscheide, die bis jetzt entweder
geleugnet, oder doch wenigstens nicht aufgefunden wurde, deren spezifische Natur sich aber auf entwick-
lungsgeschichtUchem Wege sicher feststellen lässt (cf. Fig. 60).
Die Fortpflanzungsorgane. Nachdem wir bereits bei der Besprechung der reifen, im Leuco-
chloridiumschlauche befindlichen Larven die Anlage der Geschlechtsorgane, sowie später die Reifung der
in den Keimdrüsen sich bildenden Zeugungsstoffe näher kennen gelernt haben, wird es sich jetzt darum
handeln, den Zusammenhang, sowie den feineren Bau des gesammten Apparates, wie er sich beim völlig
erwachsenen Tiere präsentiert, noch einer etwas näheren Betrachtimg zu unterwerfen.
Die Genitalorgane behalten wie bei der Larve ihre Lage im hinteren Körperende bei, nm- der
Uterus dringt weiter nach vorn bis an die Basis des Mundsaugnapfes vor und erfüllt mit seinen zahl-
reichen Schlingen fast den ganzen, von den Saugnäpfen freigelassenen Raum des Wm'mkörpers.
Die männlichen Organe behalten ihre kugelige Form (0,14 mm) meist unverändert bei; sie
sind von einer zarten Membran (0,0004 mm) umgeben, in der die während der Larvenperiode vorhanden
gewesenen Kerne nur noch wenig nachweisbar sind. Im Inneren liegen dieser Tunica propria die pro-
liferierenden Zellen an; sie besitzen Kerne bis 0,004 mm Grösse mit Kernkörperchen; ihr Plasma ist gegen
das der Nachbarzellen nur undeutlich und unvollkommen abgegrenzt, so dass oft das Bild von Kernen in
einer gemeinsamen Protoplasmamasse vorgeführt wird.
Gaffron. Zum Nervensystem der Trematoden. Schneider's Zool. Beiträge. Breslau. 1885.
— o®c 37 OSO-
Weiter nacli innen zn liegen die Spermatogemmen in verschiedenen Entwicklungsstadien (cf. Fig. 22),
deren Entstehung bereits an früherer Stelle erwähnt Avnrde; sie erreichen bis 0,03 mm Grösse; es zeigen sich
aber innerhalb der Hoden auch bei ganz alten Tieren nur selten geplatzte Spermatogemmen, so dass nur
ganz vereinzelte Bündel reifer Spermatozoen als lockenförmige Bildungen in denselben angetroffen werden
während sonst in den Hoden der Distomen eine Unzahl solcher reifer Samenfäden sich vorfinden. Es
scheint demnach bei unserem Wurme, dessen Hoden im Verhältnis zu der gesammten übrigen Körpermasse
als relativ recht klein bezeichnet werden müssen, als Ersatz hierfür die Production eine ausserordentlich
rapide zu sein. Zugleich wird das soeben gebildete Material sofort abgeführt, um neuen Entwicklungs-
producten Platz zu machen, eine Annahme, die übrigens auch durch die rasche erste Entwicklung der
Keimstoffe wahrscheinlich gemacht wird.
Die Samenfäden haben eine Länge von 0,1 mm; 0,013 mm unterhalb der Spitze erleiden sie eine
Anschwellung in Gestalt eines Knöpfchens von 0,006.5 mm (cf Fig. 21).
Die Ausführungsgänge verlaufen von den Hoden aus ziemlich gestreckt nach der Mitte und ab-
wärts, um sich bald zu vereinigen; das gemeinsame Vas deferens, das wie die Vasa efferentia eine der
Eigenmembran aussen aufliegende feine Ring- und Längsfaserschicht besitzt, begibt sich nach hinten und
mündet nach kurzem Laufe in den Cirrusbeutel. Innerhalb desselben verläuft es dann in wenigen starren
Windungen nach abwärts als ein in allen seineu Teilen ziemlich gleichweites Rohr (0,06 mm), das im
Inneren mit einer dicken, cuticulaartigeu Schicht ausgekleidet, aussen von einer doppelten, aber nicht sehr
starken Muskelhülle umgeben ist. Der letzte Teil dieses Vas deferens kann als Penis ausgestülpt werden,
sodass dann die innere Cuticularbekleidung die äussere Wand bildet, die jetzt deutlich mit sehr zahlreichen,
aber kleinen spitzen Hervorragungen besetzt ist. Der ausgestülpte Penis hat einen Durchmesser von 0,012 mm.
Was die weiblichen Organe anbelangt, so bietet deren anatomischer Bau keine Besonderheiten
dar, ebenso schliessen sich die histologischen Verhältnisse vielfach den bekannten an.
Das Ovarium, kugelig oder von eiförmiger Gestalt (0,16:0,12 mm), ist von einer zai'ten Membran
umgeben uad im Inneren von primitiven Eizellen erfüllt, die, wie dies bereits früher hervorgehoben wurde,
nach dem Centrum zu etwas an Grösse zunehmen; dieselben besitzen keine Zellhaut, sind 0,01 mm gross
und haben einen 0,006 mm grossen Kern mit deutlich und stark hervoi'tretendem Kernkörperchen. Der
von dem Ovarium ausgehende Keimgang, in dessen Wandungen deutliche Zellen (0,004 mm) mit Kernen,
in der Regel vier auf einem Querschnitt, erkennbar sind, führt alsbald in die Schalendrüse, deren Zellen
demselben m regelmässiger Anordnimg wie ein Epithel anliegen. Sie sind von mehr oder minder länglicher
Gestalt, haben helles, homogenes Plasma, in dem nur selten körnige Elemente sichtbar sind: der Kern
(0,006 mm) ist scharf contouriert, färbt sich intensiv und zeigt kein Kernkörperchen. Eingelagert sind diese
Zellen in eine bindegewebige Grundmasse (cf Fig. 22).
Mit dem Keimgange setzt sich innerhalb des Schalendrüsencomplexes der Dottergang in Ver-
bindung. Die Dotterstöcke durchziehen als schmale, lang traubentormig ausgezogene Stöckchen von etwas
wechselnder Länge die äussersten Seitenränder des Tierleibes von vorn bis hinten; die in ihnen gebildeten
Dottermassen fli essen zunächst jederseits in den gemeinsamen Längscanal, von dem dann ein transversaler
Dottergang nach der Schalendrüse hinläuft und bei der Vereinigung mit demjenigen der anderen Seite
ein ziemlich ansehnliches, fast stets mit Dotterzellen prall erfülltes Dottei-reservoir darstellt (cf. Fig. 8 u. 22).
-oKo 38 OSO-
Aus diesem Sammelraum entspringt der gemeinsame Dottergang, der schliesslich mit dem Keimgang in
Verbindtmg tritt. Eine besondere Strvictur scheinen die Wandungen aller dieser Dotterwege nicht zu besitzen.
rxleich neben der Mündung des Dotterganges entspinngt auch der in einzelneu schwachen Windungen
nach der Rückenfläche sich wendende Lauer'sche Kanal, in dem Bruchstücke von Dotterzellen in mehr oder
minder starker Anhäufung sich vorfinden.
Die Fortsetzung des Keimganges bildet der Uterus; nachdem derselbe die Schalendrüse verlassen
hat, verläuft er noch eine kurze Strecke nach abwärts, um dann umzubiegen und fast den ganzen vorderen
Körperteil mit seinen Schlingen zu erfüllen- zuletzt kehrt er nach dem hinteren Teil zurück und mündet
endlich neben dem männlichen Ausführungsgange am Körperende.
Die Embryonalentwieklung.
Das fertige Ei des Distomum macrostomum ist von länglich elliptischer Gestalt und wie die Eier
aller Trematoden an dem einen Pole mit einem Deckel versehen; es misst in der Länge 0,03 mm, in der
Breite 0,02, doch ti-eten in der Längsausdehnung sowohl, als in der Breitenausdehnung nicht unbeträchtliche
Schwankungen auf, so dass die Eier unseres Wurmes nicht nur verschiedene Grösse, sondern auch oft
wechselnde Gestalt aufweisen. Die Eischale hat eine Dicke von 0,001 mm und besitzt eine ausserordentliche
Widerstandskraft gegen Druck sowohl, wie gegen die Einwirkung von Reagentien. Sie ist anfangs
ganz hell und durchsichtig, dunkelt später aber ohne an Dicke zuzunehmen sehr stark nach und wird
schliesslich braun und ganz undurchsichtig.
Zugleich mit dem Vorschreiten im Uterus findet nun, wie bei der Mehrzahl der Trematoden, auch
die Klüftung und Bildung des Embryo statt, sodass die nach aussen abgelegten Eier einen völlig ausge-
bildeten und zu weiterer Entwicklung fertigen Keimling einsch Hessen.
Während nun infolge des eben erwähnten Nachdunkeins der Schale bei jungen, noch nicht lange
gebildeten Eiern mit blasser vmd dm-chsichtiger Hülle die in demselben sich abspielenden Entwicklungs-
vorgänge sich verhältnismässig leicht und ohne grosse Mühe studieren lassen, ist dies ohne Anwendung
von Reagentien bei den älteren nur noch imvollkommen und schliesslich so gut wie gar nicht mehr der
Fall. Und das um so mehr, als der Eiinhalt selbst sich durch ausserordenthche Zartheit imd nur geringes
Lichtbrechimgs vermögen auszeichnet, Eigenschaften also, welche in keinem Falle ziu- Erleichterung der
Beobachtung beitragen.
Um also über die späteren Entwicklungsstadien des Eiinhaltes einigen Aufschluss zu bekommen,
musste ich danach trachten, dieselben so miversehrt als möglich aus der Schale herauszudrücken; alle Ver-
suche jedoch, so viele deren auch und so vorsichtig sie angestellt wurden, lieferten keine genügenden
Resultate, da an dem unversehrten Ei der Deckel noch so fest sitzt, dass viel eher die Eischale an irgend
einer anderen Stelle reisst, als dass der Deckel sich abhebt. Endlich entdeckte ich in der Kalilauge *) ein
Mittel, welches geeignet ist, dem erwähnten Ubelstande abzuhelfen ; eine 5 */ß ige Lösung verändert nämlich
'; Mit Eau de Javelle hatte ich keine Erfolge.
-o^ 39
nach einer einvievtelstündigen Einwirkung auf die Eier die Schale so, dass jetzt schon nach schwachem
Drucke der Deckel leicht abspringt und den Inhalt nach aussen treten .. lässt.
Aber auch an derartig behandelten Objecten ist es noch schwer und gelingt es verhältnismässig
nvu' recht selten, den Eiinhalt unversehrt zu isolieren, da derselbe fast stets an den Schalenteilen hängen
bleibt. Um denselben gegen die Wirkungen des Druckes etwas widerstandsfähiger zu machen, härtete ich die
Eier vorher mit Überosmiumsäiu-e, Sublimat oder Pikrinschwefelsäure, doch nahm infolge der geringen Durch-
lässigkeit der Eischale dieser Prozess einen nicht geringen Zeitraum in Anspruch. Die so conservierten
Objecte wiu-den gefärbt und schliesslich in Glycerin eingeschlossen; bei Anwendung von saurem Karmin,
Piki'okarmin, Hämatoxylin, Rosanilin und Bismarckbraun erhielt ich mit letzterem die besten Resultate.
Die ohne vorherige Härtung aiis den Eischalen hervoi'gedrückten Inhaltsmassen wurden, um die
Elemente deutlicher hervortreten zu lassen, mit Essigsäure behandelt oder mit Ammoniakkarmin resp. mit
Methylgrün augefärbt, ein Verfahren, welches mitunter ganz brauchbare Bilder lieferte.
Den Inhalt des eben gebildeten Eies repräsentiert die befruchtete Eizelle, die an dem Deckelpol ge-
legen und von einem Quantum Dottermaterial umgeben ist. Sie ist in fast allen Fällen kugelrund (0,007 — 0,01
im Dvu'chmesser) und besteht aus einem hellen, durchsichtigen Plasma, in dem der grosse Kern (0,004 — 0,00ü mm)
mit seinem scharf contourierten Kemkörperchen sich scharf imd deutlich hervorhebt. Das Dottermaterial
erfüllt als Nahrungsdotter den übrigen Teil des Eies ; es lässt die Eizelle meist ganz frei, so dass dieselbe
imter dem Deckel fast immer klar hervortritt. Ob dieses Dottermaterial aus noch ganzen, intacten Dotter-
zellen oder aus Bruchstücken derselben sich zusammensetzt, habe ich durch directe ßeobachtimg nicht fest-
stellen können; ich glaube jedoch behaupten zu können, dass das erstere der Fall ist, sowohl der Analogie
mit anderen Trematodenformen wegen, als auch deshalb, weil in den Dottergängen und dem Dotterreservoir
nur ganze, unversehrte Dotterzellen sich vorfuden (cf. oben pag 28).
Die Beobachtung Schauinslands '), dass Eizellen mit zwei Kernen vorkommen, ohne dass im Proto-
plasma auch mu" eine Spur von beginnender Zellteilung bemerkbar wäre, kann ich bestätigen, jedoch lagen
sie bei mir fast immer unter, nicht neben einander, ein Umstand, der noch mehr für die Wahrscheinlichkeit
spricht, dass damit der Beginn einer Teilung in zwei Zellen angekündigt ist.
Was nun die Eifiirchung selbst und den Verlauf derselben anbelangt, so entzieht sich dieser infolge
des mehrfach erwähnten Ubelstandes begreiflicher Weise sein- bald der directen Beobachtung. Mit Zuhülfe-
nahme der Bilder aber, die ich von einzelnen späteren Stadien der Klüftung nach der Oonseryierung durch
Aufdi-ücken zur Anschauung brachte, glaube ich behaupten zu können, dass im grossen und ganzen der
Prozess kaum anders verläuft, als dies dm-ch Schauinslands schöne und sorgfältige Beobachtungen für
andere Trematodenformen festgestellt worden ist.
An das bereits erwähnte Stadium, bei dem sich in der noch einfachen Eizelle zwei Kerne vorfinden,
schhesst sich zunächst das mit zwei gesonderten Eizellen an (cf. Fig. 24). Diese zwei Zellen sind nicht viel kleiner
als die ursprüngliche Eizelle; siezeigen auch unter sich keine nennenswerten G-rössendiflerenzen und liegen in der
Längsaxe des Eies hinter einander. Hierauf bilden sich drei Furchungskugeln, die aber nicht mehr in einer Linie
hintereinander liegen, sondern von denen die eine stets seitlich aus der Längsaxe heraustritt (cf. Fig. 25 u. 26);
') Schaninsland. Beitrag zur Kenntnis der Embryonalentwickl. der Trematoden. .Jenaische Zeitschft. 16. Bd. pag. 479.
-0®0 4:0 0®0-
welche der beiden vorher vorhandenen Zellen durch Teilung diese dritte Zelle liefert, Hess sich nicht fest-
stellen. Auch diese drei Furchungskugeln sind noch sehr gross und von ungefähr gleichem Umfange; dagegen
ist der Nahrungsdotter jetzt schon bedeutend aufgebraucht; derselbe liegt zwar im allgemeinen noch dem
Deckelpol gegenüber, ist aber dadurch, dass die neugebildeten Zellen sich in ihn hineindi'ücken und ihn zur
Seite drängen, vielfach seitlich an den Eiwandungen und zwischen den Keimkugeln nach vorn getreten,
so dass seine Menge bei Eiern derselben Entwicklungsstufe häufig ganz verschieden erscheint. Bei fort-
schreitender Entwicklung bilden sich nun nach und nach vier, fünf und mehr Furchungskugeln (cf. Fig.
27 — 33), deren Zahl nicht in jedem Falle leicht festzustellen ist, da sie sich häufig gegenseitig verdecken.
Zugleich beginnt von jetzt ab die Grösse der neu entstehenden Embryonalzellen allmählich abzu-
nehmen, in demselben Maasse, als das wenige, noch vorhandene Dottermaterial aufgezehrt wird. Immerhin
behalten die Bestandtheile unter sich eine nahezu gleiche Grösse bei, so dass derartig bedeutende Grössen-
unterschiede, wie sie Schauinsland von einer Anzahl der von ihm untersuchten Formen beschreibt, bei unserem
Di.stomum maci-ostomum nicht angetroffen werden,
Es beginnen jetzt auch am unteren Eipole helle, stai'k lichtbrechende Tropfen aufzutreten, die sich
während der weiteren Entwicklung des Embryos zum Teil recht stark vermehren; es sind dies Ausscheid-
imgen des sich bildenden Embryonalkörpers, Producte des Stoffwechsels, wie solche auch vielfach bei Eiern
anderer Formen am Schlüsse der Embryonalentwicklung vorgefunden wurden.')
Auch eine „Hüllmembran", wie sie Schauinsland nennt, ist bei unserem Wurme vorhanden. Dieselbe
scheint sich sehr früh anzulegen, da sie auf dem Stadium der Figur 31 fertig vorhanden ist, und zwar wii'd
die Dottermasse schon vollständig mit von ihr umschlossen. Ihre Entstehung geht höchst wahrscheinlich
ganz in der von Schauinsland angegebenen Art und Weise vor sich; bei den in den Figuren 31, 35 imd 36
abgebildeten Embryonalkörpem beobachtete ich in ihr zum Teil am Deckelpol, zum Teil an dem entgegenge-
setzten Ende zellige Elemente, die zwar eine ausserordentliche Kleinheit besitzen, aber doch in typischer
Weise dieselben Bildungen, wie die entsprechenden, von Schauinsland gezeichneten darstellen. Beim Ausdrücken
des Embryonalkörpers aus der Schale bleibt die Membran auch hier meistens ganz oder teilweise zurück (Fig. 31).
über die Bildung eines Ecto- und Entoblastes war Genaueres nicht zu beobachten; ich fand Bilder
(wie sie z. B. Figur 34 angiebt), wonach ein Ectoblast in ganz dünner Schicht den gesammten Embryo
zu überziehen scheint; mit Sicherheit konnte ich dies jedoch nicht feststellen.
Diese gesammte Embryonalentwicklung wird, wie bereits früher hervorgehoben, in derselben Zeit
durchlaufen, wähi-end welcher das Ei die Länge des Uterus passiert; doch ist bei den nach aussen abge-
legten Eiern von einer Organisation des in ihnen enthaltenen jimgen Wurmes mit Sicherheit so gut wie
nichts wahrzunehmen. Aus diesem Grunde versuchte ich die Eier längere Zeit aufzubewahren, um sie wo-
möglich zum Ausschlüpfen zu bi'ingen, wie solches von einer ganzen Anzahl anderer Arten bekannt ist.
Ich zerzupfte zu diesem Zwecke ältere Distomen, deren Uterusschlingen reichlich mit reifen Eiern erfüllt
waren, wusch die so gewonnenen Eier aus den anhängenden Uterusfragmenten aus , und brachte sie mit
Wasser zum Teil in Urschälchen, zum Teil in kurze Glasröhren von 1 — 2 cm Höhe und ^/j — */* cm Weite,
deren unteres Ende zugeschmolzen war. Um das Wasser in denselben frisch zu erhalten, setzte ich in alle
•) cf. Leuckart. 1. c. pag. 62; Thomas 1. c. ])ag. 110.
— o^ 41 o5gc—
einige Lenina. In eine Anzahl anderer Schiilchen wurde physiologische Kochsalzlösung gegeben, noch andere
wurden im Brutofen einer constanten Temperatur von ungefähr 19 " Gels, ausgesetzt. In allen Fällen erhielten
sich nun die auf die verschiedenen Weisen behandelten Eier gut, die Embryonen blieben ein Vierteljahr
lang am Leben, aber ein selbstständiges Ausschlüpfen derselben trat nirgends ein.
Infolge dieses übereinstimmenden Verhaltens lag nun die Annahme am nächsten, es möchte ein Ver-
lassen der Eischale seitens der Embryonen im Freien überhaupt nicht stattfinden, vielmehr die Eier, wie
dies von Schauinsland i) für Distomum tereticolle vermutet und von Leuckart ") für Distomum ovocaudatum
nachgewiesen ist, mit der Nahrung in den Darm der Schnecke gelangen und dort erst infolge mechanischer
oder chemischer Einflüsse die Embryonen frei werden.
Während aller der vorerwähnten Versuche jedoch, und bevor die eben ausgesprochene Vermutung
ihre Bestätigung finden konnte, strebte ich, durch das bereits früher vielfach geübte Conservieren und
Ausdrücken, so gut es ging, einen Einblick in den Bau und die (Jrganisationsverhältnisse des Embryos zu
gewinnen. Waren die auf diese Weise erlangten Resultate auch düi-ftig genug, so Hessen sich doch immer-
hin schon einige Eigentümlichkeiten erkennen, durch welche die Embrj-onen unseres Wurmes vor allen bis
jetzt bekannten Formen sich auszeichnen.
Der aus der Schale herausgedrückte Embryo erweist sich als ein sehr lichtschwacher, kleiner Körper
von elliptischer, der Form des Eies angepasster Gestalt von 0026 mm Länge und 0,019 mm Dicke, der
nach Behandlung mit ICssigsäure und Anfärben mit Ammoniakkarmin zellige Zusammensetzung zeigt, ob-
gleich deutliche Zellgrenzen nicht hervortreten. Man erkennt auf dem optischen Querschnitt gegen zwanzig
scharf begrenzte und mit Kernkörperchen ausgestatte Kerne, an denen eine weitere Differenzierung kaum
nachweisbar ist, höchstens dass einige durch bedeutendei'e Grösse sich auszeichnen (cf. Fig. 39). An
beiden Enden besitzt der Embryo je ein stachelartiges, stark lichtbrechendes Gebilde, über deren Function,
namentlich aber über die des hinteren, ich mir vorläufig keine klare Vermutung zu bilden vermochte.
Auf der einen, und zwar meist auf der etwas flacheren Seite, zeigt der Körper eine von einem Ende
zum anderen reichende, cristenartige Erhöhung ohne nachweislich zellige Structur, auf der gegen zwanzig
starre protoplasmatische Fortsätze stehen. Dieselben sind stark lichtbrechend, am Grunde 0,004 mm dick,
und machen mehr den Eindruck von Borsten oder Stacheln; eine Bewegvmg vor allem war an ihnen nie
zu bemerken. Ungefähr in der Mitte zeigt dieser Borstenkamm eine Einkerbung, von der aus die Fortsätze
nach den beiden Enden des Embryonalkörpers hingerichtet erscheinen und so zwei von einander getrennte
Gruppen bilden (cf Fig. 39). Das ist alles, was ich vor der Hand an den Embryonen beobachten konnte.
Da ich also zu der Gewissheit gelangt war, dass dieselben im Freien die Eischale nicht verliessen,
sondern dass es der Einführung in den Verdaimgsapparat der Schnecke bedurfte, um sie aus ihren Hüllen
zu befreien, versuchte icli, dieselben an Schnecken zu verfüttern. Diese Einführung konnte bei der Lebens-
weise der Succineen im Freien auf zweierlei Weise möglich erscheinen. Da die Schnecken sehr gerne in
das Wasser gehen und dieses trinkend aufnehmen, so lag einmal die Möglichkeit vor, dass die embryonen-
haltigen Eier, die sich ja, wie erwiesen, im Wasser gut und lange hielten, mit diesem von den Tieren auf-
1) 1. c. pag. 487.
') 1. c. pag. 66.
— 3®0 42 0®0-
genommen, anderseits war es aber auch denkbar, dass sie mit den Futterpflanzen gefressen wurden. Der
erstere Weg hat auf den ersten Blick die geringere Wahrscheinlichkeit für sich; denn kommen einmal hier
nur diejenigen Eier in Betracht, die mit dem Kote der Vögel gerade zufällig in das Wasser fallen, so werden
diese dm'cli dasselbe weiterhin in dem Maasse verteilt und auseinandergeführt, dass eine lufection auf diese
Weise als grosser Zufall beti'achtet werden muss. Anders bei den Eiern, die mit dem Futter aufgenommen
werden. Bereits bei früherer Gelegenheit hob ich hervor, dass die Eier des Distomum macrostomum sich nicht
in dem eigentlichen Kote des W^irtes, sondern in der denselben umgebenden Harnschicht vorfinden. Diese Harn-
Bchicht nun breitet sich bei dem Herabfallen der Excremente auf ein Pflanzenblatt bei ihrer nahezu flüssigen
Consistenz wie ein aufschlagender Wasserti'opfen viel flächenhafter aus , als die gröberen und trockneren
Kotmassen; sie tritt auch mit der (.)berfläche des Blattes in eine viel innigere Berührimg, welche einmal
ein rasches Abspülen durch nachfolgenden Regen verhindert, anderseits aber auch dazu beiträgt, dass selbst
bei ti'ockener Luft durch den Wassergehalt des Blattes der Eiinhalt feucht und lebensfähig erhalten bleibt.
Es kommt als förderndes Moment in dieser Hinsicht noch ausserdem in Betracht, dass der ausgebildete
Wurm namentlich in jungen Vögeln zur Entwicklung kommt, bei denen ohnehin die Excrementstofife viel
dünner und flüssiger sind, als bei den älteren Tieren.
Von diesen Erwägungen ausgehend, sammelte ich den Kot infizierter Vögel, hielt ihn feucht und
brachte ihn zum Teil in Terrarien, in denen ich Succineen hielt, zum Teil streute ich ihn an geeigneten
Stellen des Waldes aus. Von mehreren Himderten von hier nach einiger Zeit entnommener und untersuchter
Schnecken gelang es mir zweimal, in der Leber einen kleinen Ballen (0,0<S mm) zu finden, von dem vor
allem ausser Zweifel gestellt werden konnte, dass er mit der Schnecke in keinem organischen Zusammen-
hang stand und der auch in seinem Baue Ähnlichkeiten mit gewissen jungen Sporocysten aufwies , dessen
Zugehörigkeit zu dem Distomum macrostomum aber nicht zu erweisen war. Über den letzteren Punkt
konnten jedenfalls nur weitere Versuche sicheren Aufschluss ergeben; immerhin aber war doch wenigstens
die Wahrscheinlichkeit vorhanden, dass diese Gebilde dem Entwicklungscyklus unseres Parasiten ange-
hören mochten.
Bestärkt wurde ich in dieser Vermutung durch eine entsprechende Beobachtung von Wagener^).
Derselbe spricht sich nämlich dahin aus, es bilde sich der Embryo des Distomum tereticolle dii-ect in die
Amme um, weil er in einer Anodonta eine hohle kleine Blase von 0,01 mm mit zwei von ihr ausgehenden
dünnen Schläuchen gefunden hatte, die beide zusammen Vs mm Länge besassen. Vor allem aber enthielt
das Bläschen Zellen, welche in ihrem Habitus stark an die Cerkarienkeime erinnerten.
Obgleich nun die von mir in der Leber der betreffenden Schnecken beobachteten kleinen Bläschen
noch keine Schlauchbildung zur Schau trugen, so war doch nach dem eben gesagten durch ihr ganzes
Aussehen sowohl, als durch ihr Vorkommen die Annahme nicht ungerechtfertigt, dass sie in den Entwick-
lungscyklus unseres Wurmes hineingehören möchten.
Dass aber diese Art der Untersuchung, das Ausstreuen des Vogelkotes, sowie das spätere Einsammeln
von Schnecken, zu zeitraubend war, ist leicht ersichtlich, ebenso dass die Resultate dieser Methode, unsicher
und lückenhaft, wie sie uatm-gemäss waren, in keinem Vergleich zu der aufgewendeten Zeit und Mühe
') Wagener. Zeitschft. f. wiss. Zool. Bd. 9. 1858. pag.
— o®o 43 0^—
standen. So war es denn im nächsten Jahre mein Bestreben, wenige Succineen möglichst stark zu infizieren
ein Zweck, den ich durch ein einfaches Verfahren leicht und sicher erreichte.
Ich verschaffte mir zunächst möglichst viele Eier durch Zerzupfen von geschlechtsreifen Distomen,
und brachte dieselben dann mittelt Pipette und Pinsel mit möglichst wenig Wasser auf ein kleines Stückchen
Salat. Diese Salatblätter wurden dann in einem kleinen Glasschälchen mit aufgeschliffenem Deckel (Feucht-
kammer) an junge Succineen verfüttert, die vorher 1 — 2 Tage gehungert hatten.
Von diesen infizierten Schnecken wurden zur Controle, ob der Versuch geglückt, zunächst die
ersten wieder ausgeschiedenen Excremente untersucht. In diesen fanden sich denn auch zu menier grossen
Befriedigung ausser zahlreichen, unversehrt durch den Darm hindurch gegangenen noch nicht völlig reiten
Eiern auch viele abgedeckelte und ihrer Insassen entledigte Eischalen vor; ein Zeichen also, das thatsächlich
ein Ausschlüpfen der Embryonen und anknüpfend daran wahrscheinlich eine Infection stattgefunden hatte.
Bei der unmittelbar darauf vorgenommenen Untersuchung des Darminhaltes konnten jedoch trotz eifrigster
und anhaltender Bemühungen freie Embryonen niemals aufgefunden werden. Ich setzte dann den Rest
dieser gefütterten Schnecken in besondere Terrarien und untersuchte sie nach 8 — 14 Tagen genauer. Wieder-
holt fand ich nun hier die schon vor Jahresfrist beobachteten runden Ballen, die in einzelnen Fällen auch
schon einige kleine seitliche Ausbiichtimgen geti-ieben hatten , die ersten Anzeigen einer Verästelimg , wie
sie später in so ausgedehntem Maasse auftritt. Nach 14 Tagen bis 3 Wochen hatten nun die kleinen
Sporocysten ein Aussehen erlangt ganz gleich demjenigen, welches die von Wagener beobachteten Bläs-
chen aufwiesen.
Um nun die noch fehlenden jüngei-en, sowie ältere Entwicklungsstadien möglichst alle zur An-
schauung zu bringen, wurden erneute und zahlreichere Fütterungen vorgenommen. Dabei wurde ich
übrigens noch sehr vom Glück begünstigt, indem ich, trotz des vorgerückten Sommers 1887 mehrere Nester
mit jimgen Insectenfressern erlangte, die mir wieder reichliche Mengen ausgewachsener Distomen lieferten,
so dass ich später einige Hundert infizierter Schnecken zur Verfügung hatte.
Da nun, wie schon früiier erwähnt, in den Fäces der Versuchstiere die reifen Eier wohl abgedeckelt
waren, im Darm aber trotzdem freie Embryonen nicht beobachtet werden konnten, da ich ferner tand, dass
die Eier auch schon im vorderen Teil des Darmes entleert waren, so blieb nur die Annahme übrig, es ge-
schehe das Ausschlüpfen erstens ganz im Anfange des Darmtractus, und weiter es durchsetzen die Embryonen
schon ganz kurze Zeit darauf die Darmwände, um in die Leibeshöhle einzudringen. So verweilen sie nur
ganz kurze Zeit in dem Darme und können dann begreiflicher Weise im hinteren Theil desselben nicht
mehr zur Beobachtung kommen.
Jetzt nahm ich nun Schnecken, die wiederum 12 — 24 Stunden gehungert hatten, Hess sie den mit
Eiern bestrichenen Salat fressen und untersuchte bereits nach 10 — 15 Minuten den Magen sammt Inhalt.
Sofort fielen mir lebhaft flimmernde und unstät umherschwimmende, infusorienartige Tierchen auf, in denen
ich alsbald trotz ihrer lebhaften Bewegung die Embryonen des Distomum macrostomum wiedererkannte.
Ihre Natur als Distomenembryonen offenbarten sie ganz augenfällig dadm-ch, dass sie nicht um die ihnen
entgegenstehenden Hindernisse herumschwimmen, sondern dieselben unter vermehrter Thätigkeit der Flimmer-
bewegung mit dem Kopfzapfen zu durchbohren versuchten; denn es zeigte sich hier, dass die früher als
borstenartige Fortsätze beschriebenen Gebilde thatsächlich Flimmerhaare sind. Sowohl beim Schwimmen
6*
-0*0 44 O®0-
als bei diesen Bohrversuehen war der Fleischzapfen am hinteren Körperende lang und dünn ausgezogen
und diente, seinen Bewegungen nach zu urteilen, dem Tiere als Steuer (cf. Fig. ■•}7). Nach kürzerer oder
längerer Zeit lebhaften, eigentümlich taumelnden und drehenden Umherschwimmens wurden sie allmählich
matt und blieben einige Zeit liegen. Während dessen zeigten sie nicht selten Contraction des Körpers so.
wohl in der Längs-, als in der Querrichtung , Bewegungen also , wie sie beim Durchsetzen des Darmes
wahrscheinlich auch ausgeführt werden.
Nachdem ich so die Gewissheit eidangt, dass zum Ausschlüpfen des Embryos das Gefressenwerden
des Eies seitens der Schnecke notwendig war, blieb weiter noch die Frage offen, ob diese Entleerung des
Eiinhaltes ermöglicht wird lediglich durch die chemische Einwirkung des Magen- resp. Speicheldrüsensaftes,
oder ob dasselbe mechanisch eine Folge der Wirkung der Radula ist. In letzterer Hinsicht schien der
Umstand von Bedeutung zu sein, dass die Entfernmig der einzelnen Radulazähne von einander nur wenig
verschieden ist von der durchschnittlichen Länge der Eier. Directe Beobachtungen Hessen sich hier freilich
nicht gut anstellen.
Um die chemische Einwirkung der Magensäfte auf die Eier festzustellen, zerzupfte ich ein Distomum
auf einem Objectträger und setzte den Magensaft mehrerer Schnecken hinzu: nach einer Stunde waren fast
alle Embryonen ausgeschlüpft.
Hierdm'ch war klar bewiesen, dass der chemische Reiz des Magensaftes allein im Stande ist, den
Embryo zum Verlassen der Eischale zu bringen. In der Folge war ich jederzeit leicht in der Lage,
lebende Embryonen zur Ansicht zu bringen. Um bei diesen Experimenten mit möglichst reinem , durch
Nahrungsbestandteile wenig verunreinigtem Magensafte experimentiei'en zu können, warf ich Schnecken, die
längere Zeit nichts zu saufen bekommen hatten, in Wasser, nahm sie nach einiger Zeit heraus und schnitt
ihnen den Kopf ab. Den jetzt hervorquellenden, prall gefüllten Magen nahm ich vorsichtig heraus, brachte
ihn auf einen Objetträger und Hess seinen Inhalt unter ein Deckgläschen laufen, unter dem sich bereits
Eier in möglichst wenig reinem Wasser befanden. Das Ausschlüpfen ging dann schneUer von statten, wenn
der Objecttisch auf 18 — 20 " erhitzt wiirde.
Die Beobachtung des lebenden, frei schwimmenden Embryos setzte mich nun zwar nicht in den
Stand, der bereits früher gegebenen anatomischen Beschreibung wesentlich Neues hinzuzufügen, wohl aber
bekam ich über die physiologische Bedeutung verschiedener Eigentümlichkeiten den nöthigen Aufscliluss,
wie dies bei Gelegenheit schon hervorgehoben worden ist.
In der Nähe des vorderen Körperendes finden sich zwei dunkler hervortretende Stellen. Ferner
tiifft man in der Mitte des Embryonalkörpers einen Absatz, der namentlich deutlich dann hervorti-itt, wenn
der Embryo fest liegt und die oben beschriebenen Bewegungen ausführt. In der hinteren Körperhälfte
tritt femer regelmässig ein grösserer heller Fleck mit stark lichtbrechenden Köi-perchen hervor. Von einem
Gefässsystem resp. von Flimmertrichtern war dagegen niemals etwas wahrnehmbar.
Diese Thatsachen liefern überdies den Beweis, dass Steenstrup ') im Irrtum war, wenn er mehrere
ovale, sehr lebhafte, flimmerhaarige Tierchen, die er in den ersten Sommermonaten in den Tentakeln der
') Steenstrup. 1. c. pag. 105.
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Succineen auffand , und die der < )palma ranaruni Ehreiiljg. nicht unähnlich waren , für die Jugendformen
des Leucochloridium erklärte; es waren dies wirkliche Infusorien, keine jungen Würmer.
Um weiterhin festzustellen , ob die Embryonen auch längere Zeit nach der Ablage der Eier noch
lebensfähig bleiben und ihi-e Schale verlassen , wurden die Eier unter Anwendung der früher schon be-
schriebenen Vorsichtsmassregeln aufbewahrt und nach vier Wochen in gleicher Weise an hungernde Schnecken
verfiittert. Gleich beim ersten V^ersuch wurden mehi'ere ausgeschlüpfte Embryonen gefunden. Es ist mir
sonach unter Berücksichtigung der früheren Beobachtungen nicht zweifelhaft, dass auch noch nach längerer
Zeit, als vier Wochen, bei geeigneter Verfütterung ein Ausschlüpfen der Embryonen und Entwicklung des
Keimes stattfindet. Gern hätte ich diese Vermutung durch weitere Experimente geprüft, allein der in-
zwischen hereingebrochene Winter gestattete dies nicht.
Die lange Lebensfähigkeit des Embryos bei imserem Wurme ist für die Erhaltung der Art von
grösster Bedeutung, ein Umstand, der übrigens begreiflich genug erscheint, wenn man bedenkt, wie gering
doch eigentlich die Wahrscheinlichkeit einer Infection mit den Eiern für die Schnecke ist imd um wie
vieles sie noch geringer sein würde , wenn nicht die in Rede stehende Thatsache als förderndes Moment
hinzukäme.
War nun, nachdem der richtige Weg einmal eingeschlagen ward, die Auffindung der ausgelaufenen
Embryonen im Darm leicht und mit nennenswerten Schwierigkeiten nicht verbunden , so gelang es mir
trotz der eifrigsten Bemühungen, trotz wiederholter Fütterungen mit massenhaften Eiern, trotz stundenlangen
Suchens niemals , die Embryonen nach der Durchbohrung der Darmwände im Blute oder in den Organen
der Schnecken aufzufinden; bei der Kleinheit der Tiere und ihrer zarten Beschaifenheit ist dies jedenfalls
niclit zu verwundern.
Ich verliess micli deshalb , um zugleich mein Material nicht allzusehr anzugreifen , auf die Unter-
suchung mittelst der Schnittmethode. Es wurden in immer grösseren Zeiträumen nach der Fütterung je
eine Anzahl der infizierten Schnecken conserviert (V2, 1 Tag, 2, 3 und so fort bis 8 Tage, 2, 3 und so fort
bis 8, 12 Wochen), so dass mir eine ununterbrochene Entwicklungsreihe der Sporocyste von der Infection
an in conserviertem Material zur Verfügung stand.
Bei der nun folgenden Untersuchung stellte sich zunächst heraus, dass die Embryonen bei dem
Bemühen, die Darmwand zu durchsetzen, wahrscheinlich den Flimmerkamm einbüssen. Wenigstens war
bei den Individuen, welche ich in der Darmwaud auffand und die ich mit Bestimmtheit für die Embryonen
des Distomum in Anspruch nehmen kann, kein solcher mehr wahrzimehmen. Definitive Entscheidung möchte
ich hierübe jedoch nicht trefi'en, da alle die hierhergehörigen meiner Präparate aus irgend einem Grunde
zu wünschen übrig lassen, und ich nicht mehr in der Lage war, neue Infectionen machen und an besserem
Material prüfen zu können. Unwahrscheinlich ist übrigens ein solches Abwerfen der Flimmerung von vorn
hereüi nicht, da es bei mit vollständigem Flimmerkleid ausgestatteten Formen direct beobachtet worden
ist.*) Zu beachten ist aber, dass bei diesen Formen die FHmmerhaare mit den Zellen des Ectoderms zu-
gleich abgelöst werden; es müsste also bei unserem Tiere entsprechend ein Abwerfen des Ectoderms statt-
finden, wenn auch vielleicht nur partiell in Gestalt des Flimmerkammes.
') Leuckart. Zur Entwicklungsgesch. d. Leberegels. Zool. Anz. 1881. Sep.-Abd. pag. 3 und Archiv für Naturgesch.
48. Jahrgang. 1. Bd pag. 98. 1882.
Die Sporoeyste und ihre Entwicklung.
Nach der Durchwanderimg der Darmwände scheinen die Embryonen sehr bald zu ermatten; sind
sie eine grössere oder geringere Strecke in die dem Darme anliegenden Organe hineingedrungen, so bleiben
sie an Ort imd Stelle liegen. Ein Umtrieb derselben im Schueckenkörper durch das Blut findet nicht statt,
so dass jetzt die vielen vergeblichen Bemühungen, die Embryonen im Blut aufzufinden, erklärlich erscheinen.
Übrigens würde eine derartige Beförderung mittelst der Blutwelle auch nur dann als geboten erscheinen,
wenn etwa die späteren Sitze der aus den Embryonen hervorgehenden Spoi'ocysten von dem Anfangsteile
des Darmes sehr entlegen wären; hier aber, wo sämmtliche Eingeweide auf engem Räume dicht verpackt
liegen, dürfte dies von vorn herein unnötig sein.
Wie erwähnt, ist die Wanderung der jungen Würmer [niemals eine grosse; während einzelne,
vielleicht auf irgend eine Art begünstigte verhältnismässig weit sich vom Darme entfernen, gelingt es anderen
kaimi, die denselben umgebende Bindegewebshülle völlig zu durchsetzen; immer aber sind es nicht die
Organe selbst, welche von ihnen aufgesucht werden, sondern nur das diese umgebende Bindegewebe, [in
welchem jedenfalls das Vordringen ein leichteres ist. Es hängt hiermit auch zusammen, dass eine besondere
Auswahl des definitiven Wohnsitzes, resp. eine Bevorzugung eines gewissen Organes nicht stattfindet; denn
bei einer halbwegs starken Infection triff't man die jungen, sich entwickelnden Sporocysten in den Binde-
gewebszügen der Zwitterdrüse ebensowohl, als in der Leber; bemerkenswert ist nur, dass es immer
allein die dem Anfangsteile des Darmes dicht anliegenden Teile der genannten Organe sind, welche
bewohnt erscheinen.
An der Stelle nun, wo er zur Ruhe gekommen ist, wächst der Embryo zur Sporoeyste aus. Dieser
Prozess ist im grossen und ganzen ein sehr einfacher, indem er in der Hauptsache zuerst in einem Wachs-
tum durch Vermehrung der Elemente, später dann in einer weiteren Difterenzierimg derselben besteht.
In den ersten Tagen nach der Verfütterung zeigt sich die Sporoeyste als ein kleines Bläschen von
mehr oder minder der Kugelform angenäherter Gestalt, das sich nur durch die etwas bedeutendere Grösse
(0,035) und den Mangel der Locomotious- und Bohrapparate von dem Embryo unterscheidet; an die Stelle
der letzteren ist jetzt eine mit Kernen durchsetzte, distincte Hülle getreten, welche in Gestalt einer zarten
Membran die Körpermasse umgibt und dieselbe von dem umgebenden Gewebe der Schnecke scheidet.
Im Inneren ist inzwischen eine merkliche Vermehrung der Zellen eingetreten, welch letztere mehr
an den grossen Kernen mit deutlichem Kernkörperchen, als an den nicht eben deutlich hervortretenden
Zellgrenzen erkennbar sind. Diese Vermehrung scheint dm'cli eine directe Kernteilung, die leicht zu sehen
ist, eingeleitet zu werden; es treten erst zwei Kernkörperchen auf, die, nachdem sie zuerst dicht neben
einander lagen, mehr und mehr von einander wegrücken, wähi-end zugleich eine Scheidewand die Masse
des Kernes in 2 Teile spaltet; später runden sich dann auch diese neuen Kerne ab, indem sie sich zugleich
von einander entfernen. Ob auch im Protoplasma Teilungsvorgänge stattfinden, ist nicht zu sehen, da wie
gewöhnlich die Zellgrenzen nicht deutlich sind.
Diese Art der Vermehrung scheint für die jungen Sporocysten die Regel zu sein. Ich fand sie nicht
nur bei denen des Distomum macrostomum, sondern auch bei den entsprechenden Entwicklungsstadien des
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Distonmm hepaticum, tlie ich zur Vergleichimg heranzog, dessen Elemente überdies den Vorzug besitzen,
dass sie viel klarer, deutlicher und grösser sind, als die des ersteren.
Ausser der directen kommt aber auch eine Vermehrung der Zellen auf mitotischem Wege vor: bei
Distomum hepaticum wenigstens gelang es Leuckart wiederholt, schöne Kernteilungsiiguren zu beobachten
Bei Distomum macrostomum sind sie, wenn sie überhaupt vorhanden, doch nicht erkennbar.
Die äussere Hülle der Sporocyste besitzt eine Dicke von 0,0005 mm; die in ihr enthaltenen Kerne
(0,'002 mm) sind oft sehr zahlreich; auf einem einzigen Schnitte zählte ich einmal deren sieben, ein
Zeichen, dass das Wachstixm ein sehr energisches ist und mit ziemlicher Schnelligkeit vor sich geht.
Mitunter hält dieses mit dem des Inhaltes nicht ganz gleichen Schritt, indem die Hülle schneller wächst
als die Innenmasse; es bildet sich dann hier zeitweilig ein Missverhältnis heraus, welches aber nicht bestehen
bleibt, sondern beim ferneren Wachstum regelmässig wieder verschwindet. Eine analoge Erscheinung konnte
auch bei den Keimballen beobachtet werden und zwar hier nicht nur auf Schnitten, sondern auch an lebenden
in ihrer Flüssigkeit schwimmenden Objecten. War ich anfangs geneigt, diese Erscheinung als eine patho-
logische anzusehen, so blieb es doch auffällig, dass dieselbe so häufig und nahezu stets auf dem gleichen
Entwicklimgsstadium auftritt, so dass doch die Annahme einer künstlich hervorgebrachten Störung ausge-
schlossen erscheint. Was bei den Keimballen die Ursache für ein derartiges ungleiches Wachstum sein
mag, kann ich nicht sagen, bei der jimgen Sporocyste aber fällt es zusammen mit der ersten Anlage des
inneren Hohlraumes, der später bei der reifen Sporocyste das gesammte Schlaiichwerk durchsetzt: durch
verzögertes Auftreten dieser Höhlung mag vielleicht eine vorübergehende Ungleichmässigkeit im Wachstum
der Oberfläche imd des Inhaltes eintreten, die aber, wie hervorgehoben, später sich ausgleicht, sowohl bei
den Sporocysten, wie bei den Keimballen, so das.s die innere Zellenmasse der umhüllenden Haut anliegt,
ungefähr wie der Primordialschlaixch der Pflanzenzelle der Zellmembran.
Über Entstehung dieser Sporocystenhaut habe ich bestimmtes nicht beobachten können; die Kerne
in ihr beweisen, dass sie einen zelligen Ursprung hat.
Das Auftreten der bereits erwähnten inneren Höhlung des Sporocystenkörpers geschieht nicht ganz
gleichmässig, aber innerhalb der ersten 8 Tage. Die jimgen Sporocysten haben dann eine Grösse von un-
gefähr 0,035 mm im Durchmesser erreicht und in der Hauptsache ihre kugelige Form bewahrt; im Inneren
beginnen sich jetzt die Elemente, die bisher eng aneinander gedrückt, keinen zelligen Character erkennen
Hessen, zu lockern und als gesonderte, wohl gegeneinander abgesetzte Zellen erscheinen. Sie stellen sich
dann als grosse kugelige Gebilde (0,01 mm) mit feinkörnigem Plasma dar, in denen der helle Kern (0,006 mm),
meist excentrisch gelegen, mit dem scharf begrenzten Kernkörperchen zu erkennen ist. Auf einem Quer-
schnitte gewährt infolge dieses Aufbaues die Sporocyste auf diesem Entwicklungsstadium einen Anblick,
der täuschend an die Sti-uctiu- des Ovariums bei dem ausgebildeten Wurme erinnert. Diesen eizellenartigen
Character bewahren die Elemente, welche den Leibesraum der Sporocyste erfüllen, noch bis in das spätere
Leben ziemlich lange Zeit fast unverändert bei.
Nach kurzer Zeit, zuerst bei einer Grösse von 0,08:0,06 mm, begmnt der der Membran im Inneren
dicht anliegende Zellenbelag sich etwas zu verändern. Es tritt nämlich unter der Membran ein Saum
hellen, feinkörnigen Protoplasmas auf, in dem wenige, helle Kerne sichtbar sind: Das erste Auftreten
einer gesonderten Hautmuskelschicht im Gegensatz zu dem inneren Keimepithel, eine entsprechende Bildmig,
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wie sie Julin ') bei den Ortliouectiden fand. In diese Schicht finden wir später die Muskehi gebettet; die
Anlage eines Teiles derselben, die Ringrnuskiilatur, scheint schon kurz vor der Bildung des hellen Saumes
zu erfolgen; man sieht wenigstens auf Schnitten an den Stellen, wo die helle Zone noch nicht erscheint,
an der Innenseite der Membran Zellen gelegen, deren Plasma sich in lange, peripher verlaufende Fortsätze
auszieht, die mit denen der benachbarten Zellen in Verbindung treten (cf. Fig. 48 MZ). Die Kerne
dieser Muskelzellen, nur noch von wenig Protoplasma umgeben, liegen als buckelartige Hervorragungen
der Innenseite der Sporocystenwand dicht an; diese selbst erscheint deutlich doppelt contouriert.
Die Ringmuskeln, welche ihre periphere Lage dicht unterhalb der Oberhaut beibehalten, werden
im Laufe der weiteren Entwicklung immer deutlicher, wenn auch die einzelnen Fasern infolge der Streckung
einen geringeren' Durchmesser annehmen. Bei einer Sporocyste von 14 Tagen erschienen dieselben auf
Schnitten als scharf hervortretende feine Punkte oder zarte Fasern von nur 0,0005 mm Dicke. Das Tier
hat während dieser Zeit eine Grösse von 0,2:0,18 mm erreicht und in seinen Teilen eine bedeutende Weiter-
entwicklung erfahren, indess die der Kugelgestalt genäherte Form auch hier noch ziemlich vollkommen
erhalten ist. Scharf ti-itt die doppelt contourierte Membran hervor; unter ihr liegt die etwas stärker ge-
wordene Hautmuskelschicht, in der, dieser genähert, die Ringmuskeln verlaufen. Der Hautmuskelschicht
liegt das Keimepithel in hier meist dreifacher Lage von Zellen an. Dasselbe beginnt jetzt durch eine
besondere Haut, die Innenmembran, sich gegen die centrale Höhlung abzugrenzen. Diese Grenzmembran
wird wahrscheinlich in derselben Art und Weise wie alle häutigen Gebilde des Sporocystenkörpers ihren
Ursprung nehmen; sie besteht wenigstens aus Zellen, deren Plasma flächenhaft ausgebreitet ist und deren
Kerne noch später als Verdickungen und Erhebungen sichtbar sind.
Schon auf diesem verhältnismässig noch jungen Stadium machen sich nun Differenzierungen geltend,
die in ihrem weiteren Verlaufe zur Bildung einer neuen Generation von Individuen innerhalb des mütter-
lichen Sporocystenkörpers hinführen. Es beginnen aus dem Keimlager, dessen Elemente, wie wir schon
früher hervorgehoben, so auffällig den Habitus typischer Eizellen zur Schau tragen, einzelne sich heraus-
zulösen und in den inneren Hohlraum des jungen Blasenkörpers hineinzufallen und dort infolge stetiger
Teilung zu jenen Gebilden heranzuwachsen, die wir unter dem Namen Keimballen in der Entwicklungs-
geschichte, sämmtlicher Distomen wenigstens, als den Ausgangspimkt einer neuen Folge von Individuen
kennen gelernt haben.
Dass diese Keimlinge in der That dem mehrschichtigen Keimepithel entstammen, ist nicht schwer
zu erweisen; man findet an dem inneren freien Rande desselben die jungen Keimballen in allen möglichen
Stadien der Entwicklung, teils schon frei, teils noch in mehr oder weniger fester Verbindung dem-
selben anliegen.
Vor der Ausbildung der inneren Grenzmembran fallen diese mm ohne weiteres in den Binnenraum
der Sporocyste herein; ist dieselbe aber völlig entwickelt, was meist in der dritten Woche geschieht, so
geht dies nicht mehr ohne weiteres an. Sie bleiben dann so lange unter dieser Grenzhaut liegen und treiben
diese buckelartig vor sich her, bis sie dieselben durch fortgesetztes Anwachsen zum Platzen bringen und
nun frei in den Innenraum gelangen können. Infolge dieses Umstandes wird die Continuität dieser Membran,
') Julin. Recherchea sur rorganis. et le dövelop. enibry. des Orthonectides.
— 3®C 49 C®C-
zumal bei jungen Sporocysten, wo die Keimballenbildung eine sehr reichliche ist, beständig gestört und
kann bei diesen daher nm- selten unverletzt zur Beobachtimg kommen. Später verschwindet in ihr auch
die zellige Textur mehr und mehr (5 Wochen), bis zuletzt nur noch die Kerne sichtbar sind.
Da die jungen Keimballen, sowie ihre ferneren Schicksale bis zur Umwandlung in die Distomen-
larve in einem späteren Abschnitte Gegenstand spezieller und eingehender Betrachtung sein werden, lassen
wir dieselben jetzt ausser Acht und beschäftigen uns ausschliesslich mit der Sporocyste und ihrer fort-
schreitenden Entwicklung.
In der dritten Woche erfolgt auch die Bildung einer zweiten, unterhalb der früher entstehenden
Ringfaserlage gelegenen, longitudinal verlaufenden Muskelschicht. Dieselbe zeigt sich zunächst eine längere
Zeit von der Ringnuiskellage durch einen breiten Streifen der feinkörnigen, hellen Hautmuskelschicht ge-
trennt; erst später, wahrscheinlich infolge der Dehnung der Sporocystenwand, wird dieser Protoplasmastreifen
dünner, und tritt zuletzt so zurück, dass er kaum mehr als besondere Zone zu erkennen ist.
Bis gegen das Ende der zweiten Woche stellt die Sporocyste wie bereits erwähnt, noch einen kleinen
Ballen von annähernd kugeliger Gestalt dar; von diesem Zeitpunkte an machen sich nun allenthalben kleine
Buckel und Hervorragungen bemerkbar, die ersten Anfänge der später so massenhaft auftretenden Ver-
ästelungen. Diese kleinen Höcker nehmen bald an Grösse zu, so dass man in der dritten Woche schon
mit blossem Auge kleine Schläuche wahrnehmen kann; je älter dann die Sporocyste wird, je weiter sie
wächst, um so grösser wird die Zahl ihrer Ausläufer. Dass diese Proliferation erfolgt, um einerseits die auf-
nehmende Oberfläche zu vergrössern und andererseits für die massenhaft erzeugte und im Inneren verbleibende
Brut den nötigen Raum zu schatfen, ohne Ernährungsstörungen herbeizuführen, scheint unschwer erklärlich.
Bald reichen denn auch die primären Verästelungen nicht mehr aus und es beginnen die bis jetzt
einfachen Schläuche selbst wieder Seitenzweige zu treiben (5. Woche). Zuerst ist dies bei den ältesten
Schläuchen der Fall und zwar wiedenini zmiächst an ihrem ältesten Teile, der Basis.
Es hängt diese Thatsache mit dem bereits früher vorgreifend erwähnten Umstände zusammen, dass
das Wachstum des Schlauches ganz ähnlich, wie dies von den Wurzelfasern der Pflanzen bekannt ist, nur
in der Nähe der Spitze stattfindet. Man kann sich von der Wahrheit des Gesagten leicht an Schnitten
durch verästelte Schläuche von 6 — 7 Wochen Alter überzeugen, wenn man den histologischen Bau der
Spitze des wachsenden Schlauches mit dem der Basis desselben vergleicht.
So sieht man z. B. an Längsschnitten dui'ch einen wachsenden Schlauch der jungen Sporocyste an
der Basis die quergeschnittenen Ringmu.skeln als grosse Punkte auftreten. Nach vom zu werden diese aber
immer feiner, bis sie zuletzt in der Nähe der Spitze gar nicht mehr constatiert werden können, so dass also
die Ringfasern im ganzen ein Verhalten darbieten, vollkommen gleich dem, wie es die ersten sich entwickelnden
Fasern bis zu ihrer völligen Ausbildung in der jungen Sporocyste zur Schau trugen (cf Fig. 12).
Es entstehen diese Proliferationen durch lokal verstärktes Wachstum der Sporocystenwand, indem
zunächst das Keimepithel stark wuchert imd die ganze Schlauchwand buckelartig nach aussen hervorti-eibt.
Es entsteht so ein anfangs noch ganz solider, von Embryonalzellen gebildeter Zapfen, dessen Elemente ur-
sprünglich noch alle die gleiche Beschafienheit zeigen. Während nun aber die Spitze weiter wächst, machen
sich an den älteren Teilen alle die Umbildungen geltend, die wir bereits kennen, uiid es tritt zugleich durch
allmähliches Auseinanderweichen der Wandzellen eine zenti'ale Höhlung auf, die, von dem Innenraum der
-o®o 50 ojgo-
Sporocyste ausgehend, immer weiter in den sich bildenden Schlauch vordringt. Die weitere Metamorphose
der Wandbestandteile nimmt dann ganz den gleichen Verlauf, wie wir ihn bereits früher kennen gelernt haben.
Die Weiterentwicklung der Sporocyste besteht in der folgenden Zeit äusserlich zunächst und vor-
zugsweise in einer Verlängerung und Vermehrung der Verzweigungen, die nach und nach eine äusserst
reichliche Ausbildung erfahren. Mit 8 Wochen haben die ältesten dieser Ausläufer bereits eine recht be-
deutende Länge erreicht; einzelne sind bis 3,5 mm Länge herangewachsen (cf. Fig. 40 — 46).
Das Hervorwachsen der secundären Seitenäste hat dabei natürlicherweise auch Fortgang genommen,
doch schreitet die Entstehimg derselben nicht schneller nach vorn, als die Spitze des primären Schlauches
weiterwächst, so dass dabei immer die jungen eben entstehenden dieser Sprossen eine gewisse Sti-ecke hinter
der Spitze des primären Schlauches ziu'ückbleiben (cf. Fig. 46); sie hören ungefähr in der Mitte (1,8 mm) des-
selben auf, sind, wie zu erwarten, hier am kleinsten imd nehmen nach der Basis hin allmählich an Grösse
zu. Lifolge dieses Umstandes scheinen die uuverästelten Teile der wachsenden Schläuche um so länger aus
dem Gewirrdes übrigen Genistes hervorzuragen; erhöht wird dieser Eindruck noch durch die kolbige An-
schwellung, welche dieselben bald an ihrer Spitze erleiden, eine Anschwellung, die in letzter Instanz hinführt
zur Bildung jener merkwürdigen, fast selbstständigen Organe, die unsere Sporocyste vor allen übrigen bis
jetzt bekannten Arten auszeichnen.
Die gesammten Eigentümlickeiten, welche diese Organe in fertigem Zustande in anatomischer sowohl,
wie in histologischer Hinsicht aufweisen (cf pag. 13 und 15 ff.), sind nach ferneren vier Wochen in der Haupt-
sache vollendet, so dass wir sagen können, es ist ungefähr ein Vierteljahr notwendig zm* Entwicklung vom
Embryo bis zur völligen Ausbildung der ersten reifen und gefüllten Leucochloridiumschläuche. Von diesem
Zeitpunkt an beschränkt sich die Lebensthätigkeit der Sporocyste Ln der Hauptsache auf die Entwicklung
weiterer Depots füi- die produzierten Larven, die schliesslich, wenn keine davon gefressen werden, in ganz
bedeutender Anzahl nebeneinander sich finden (cf. Fig. 2). Rechnen wir hierzu weiter, dass, wie meine eigenen
Erfahrungen gelehrt haben, die eigentlichen Sporocysten nicht nur einmal, sondern zwei, vielleicht auch noch
ein drittes Mal überwintern und wahrscheinlich nur durch den Tod des Wohntieres zu Grunde gehen, so
ergibt sich daraus die Thatsache, dass ein einziges Ei unseres Distomum macrostomum im Stande ist,
natürlicherweise unter günstigen Bedingungen, eine Nachkommenschaft zu erzeugen, so enorm, dass vielleicht
niu: wenige seiner Verwandten in dieser Beziehung sich mit ihm messen kömien.
Wie aber unserer heutigen Erkenntnis entsprechend nichts in der gesammten lebenden Schöpfung
überflüssig und ohne bedeutungsvollen Grund bestehend erkannt wird, so steht auch hier die ausserordentliche
Productivität der Sporocyste in directer und augenfälliger Beziehung zu der geringen Wahrscheinlichkeit,
welche sich für die Beförderung der Brut an den rechten Ort für erfolgreiche Weiterentwicklung darbietet.
Denn es ist klar, dass die reifen Leucochloridien dadurch, dass sie so täuschend gewisse Insectenlarven
nachahmen, in hohem Maasse die Aufmerksamkeit ihrer Feinde auf sich lenken und dieselben geradezu zu
ihrer Vertilgung auffordern i); es ist weiter klar, dass in der That eine ganze Anzahl von Vögeln begierig
die Schläuche verzehren und deren Inhalt in sich aufnehmen; aber unsere Versuche sowohl, wie die früheren
von Zeller haben jedenfalls unzweifelhaft dargethan, dass von allen diesen Vögeln immer nur ein geringer
') cf. Zeller. 1. c. pag. öTti.
— o®o 51 o®o—
Prozentsatz auch in der Lage ist, die von ihnen aufgenommenen Larven zur vollen Entwicklung bis zur
Geschlechtsreife zu bringen. Schon hieraus ergibt sich, dass bei weitem nicht alle der erzeugten Keime
für die Erhaltung der Art in Beti-acht kommen können und dass es infolge dieses Ausfalles einer beträchtlich
erhöhten Productivität der Sporocyste bedarf.
Es kommt hierzu aber noch ein zweites. Wir können jetzt als ausgemacht betrachten, dass es in
der Hauptsache nur junge Vögel sind, welche vorzugsweise die Distomenbrut in ihrem Darme gross zu
ziehen vermögen. Je älter die Vögel werden, desto mehr schwindet diese Fähigkeit, desto mehr schwindet
zugleich die Fähigkeit, die bereits ausgebildeten und im Darme befindlichen Parasiten daselbst zu erhalten.
Ich habe oft genug Gelegenheit gehabt, zu beobachten, dass von Vögeln eines und desselben Nestes, die
alle mit der gleichen Anzahl von Schläuchen gefüttert worden waren, die einen, wenn sie einige Wochen
nach der Infection untersucht wurden, eine beträchtliche Menge reifer und gut entwickelter Parasiten in ihrem
Darme zeigten, während diejenigen, die länger am Leben gelassen wurden, nach kurzer Zeit fast täglich
in dem entleerten Kote abgestorbene Parasiten zeigten und schliesslich bei späterer Untersuchung nur noch
ganz wenige oder gar keine Insassen mehr besassen. Es erhellt also aus diesen Befunden, dass der aus-
gebildete Wurm jedenfalls eine lange Lebensdauer nicht besitzt, dass ebenso die günstigsten Aussichten
für seine volle Entwicklung und Ausbildung zwischen weiten Grenzen nicht eingeschlossen sind. Endlich
sind auch für die von den geschlechtsreifen Distomen produzierten Eier die Bedingungen, unter denen der
in ihnen enthaltene Embryo sein weiteres Fortkommen finden kann, wie wii- dies bereits oben hervorgehoben
haben, nicht grade die günstigsten: begreiflich, dass unter solchen Umständen die Sporocj'ste durch reichliche
und ausgiebige Production von Keimen dafür Sorge tragen muss, den Ausfall, der durch die Ungunst der
betreffenden Bedingungen für das erfolgreiche Fortkommen der Briit veranlasst wird, in der nötigen Weise
zu decken.
Über die äusserlich sichtbai-en Veränderungen, welche die jungen, eben angelegten grossen Schläuche
erfahren, bis sie zu ihrer vollen Grösse und Reife herangewachsen siml, ist bereits an li'üherer Stelle Aus-
führlicheres mitgeteilt worden (cf pag. 12 ff.), so dass wir hier darauf verweisen können. Ein Umstand er-
scheint mir aber an dieser Stelle noch erwähnenswert, dass nämlich, wie dies auch sonst im Tierreiche des
öfteren beobachtet worden ist, die Grösse des Tieres in einer gewissen Correlation steht zu der Ausdehnung
seines Wohnortes. Es zeigt sich oft ganz augenfällig, dass in noch kleinen und jimgen Exemplaren der
Succinea die grossen Schläuche, obgleich sie völlig reif und ausgefärbt sind, bei weitem nicht die^Länge
imd Dicke erlangen, wie in einer älteren und grösseren Schnecke.
Während derselben Zeit hat auch die Wandung der Sporocyste sowohl, wie die des sich ausbildenden
Schlauches eine bedeutende M^eiterbildung und Umformung erfahren, die ebenfalls schon oben (cf. pag. 15 ff.)
des näheren beschrieben worden sind. Es erübrigt hier nur noch, etwas näher auf das Keimepithel und
seine Schicksale während des Wachstums des Ganzen einzugehen.
Wir haben bereits gesehen, dass die jugendliche Sporocyste ursprünglich aus einem gleichmässigen,
embryonalen, von der Hautschicht umschlossenen Grundgewebe bestand, welches sich später in dem peri-
pheren Teile zur Hautmuskelschicht differenzierte und nach innen durch eine Membran sich gegen die vor-
her entstandene Schlauchhöhle abgrenzte. Wir sahen weiter, dass aus der zwischen der Hautmuskelschicht
und der Binnenmembran gelegenen, mehrfachen Lage embryonaler Zellen die Keimballen ihren Ursprung
-o®o 52 o^c-
nahmen; gewöhnlich zeichnen sich die am meisten nach der Höhhmg zu gelegenen, älteren Zellen durch
eine etwas bedeutendere Grösse vor denen der tieferen Schichten aus.
Während also bei diesen jugendlichen Sporocysten der gesammte, den Iniienraum auskleidende
Zellenbelag noch ein einheitliches, zusammenhängendes Keimlager repräsentiert, aus dem die Keimballen
in grosser Menge und in schneller Folge ihren Ursprung nehmen, treten bei dem weiteren Wachstum der
Schläuche die bereits früher eingehend dargestellten Veränderungen auf, infolge deren auch das Keimepithel
in seiner Continuität gestört und auf bestimmte Stellen der Wand lokalisiert wird. Ist nun schon von vorn-
herein zu erwarten, dass an diesen isolierten imd älter gewordenen Keimlagern die Production weiterer
Nachkommen nicht mehr eine so rege und lebhafte sein wird, wie in früherer Zeit, bedenkt man weiter
dass in den älteren Sporocysten jene Keimlager immer spärlicher werden und sich immer weniger aus dem
übrigen Wandbelag hervorheben', so wird begreiflich werden, dass die Erkenntnis und vor allem der
directe Nachweis des wahren Sachverhaltes sehr schwierig war.
Die Keimballen.
Die Entstehung der Keimballen aus der m-sprünglich continuirlichen, später in einzelne kleine Inseln
zerteilten Lage embryonaler Zellen in der Wand der Leucochloridiumschläuche»ist bereits mehrfach er-
wähnt worden.
Wir sahen, dass bereits nach 14 Tagen die Höhlung der jungen Sporocysten mit Keimkörpern
verschiedener Entwicklung erfüllt ist. Es wurde auch hervorgehoben, dass auf einem so fi-ühen Entwicklungs-
stadium noch leicht der Nachweis gelingt, dass jedesmal es eine einzelne, dem Keimepithel der
Sporocystenwand entstammende Zelle ist, die den Ausgangspunkt ziu- Bildung der neuen Nach-
kommenschaft liefert. Entspricht also schon in dieser Hinsicht eine solche Keimzelle fnnctionell vollkommen
der Eizelle des Geschlechtstieres, so ist auch die Übereinstimmung im äusseren Habitus beider Elemente
schon mehrfach als eine ganz augenfällige hervorgehoben worden, so dass eine Gleichstellung, wie sie von
Leuckart füi- beiderlei Gebilde in Anspruch genommen worden ist, ihre volle Berechtigung hat.
Die Keimzellen (0,01 mm) besitzen ein feinkörniges Plasma und hellen, excenti-isch gelegenen Kern
(0,006 mm) mit stark contouriertem Kernkörperchen. Eine Zellenmembran haben sie eben so wenig wie
die Eizellen. Diese erste Embryonalzelle teilt sich nun in 2, 3 und mehr Zellen, von denen gewöhnlich eine
die anderen an Grösse etwas überragt. Der so entstandene Keimballen bildet auf diesem Stadium einen
Zellenhaufen von brombeerartigem Aussehen, an dem vorläufig keine weiteren auffälligen Bildungen zu
sehen sind. Die Vermehrimg der Zellen scheint auf directem Wege zu erfolgen, denn man findet häufig
Kerne mit zwei oder mehr Kernkörperchen, sowie Zellen mit zwei oder drei Kernen. Die Teilung des zu-
gehörigen Protoplasmas ist schwieriger zu beobachten; einmal aber war ich in der Lage, eine Teilung im
Protoplasma als deutliche scharfe Linie sehen zu können.
Der erste Fortschritt in der Entwickkmg, welchen das neu entstandene Wesen erkennen lässt, ist
wiederum die Differenzierung emer Hautschicht. Schwarze*) lässt dieselbe durch allmähliche Umwandlung
.0 1. c. pag. 9.
53
der peripheren Zellen des Kcimköi-pers , die er Meristemzellen nennt, entstehen, indem „jede Zelle selbst-
ständig in diesen Umwandlungsprozess eintreten soll, so dass man selten mehr als drei in der Metamorphose
begriffene Zellen an einer Keimkugel bemerkt. Demnach hat die Hautschicht zwar einen zelligen Ursprung,
doch gruppieren sich die Zellen nie zu einem eigentlichen Epithel; man kann derartige, in der Umwandlung
begriffene Zellen noch an jungen Cerkarien, bei denen der Schwanz angelegt ist, erkennen".
Demnach will es mir scheinen, als ob Schwarze sich das mit der Grössenzunahme des Keimballens
verbundene Flächen Wachstum dieser Hautschicht so erklärt, dass von der Körpermasse aus immer neue
der Peripherie nahe gelegene Zellen sich umwandeln imd in den Complex der bereits metamorphosierten
Hautzellen, jedenfalls durch Auseinanderweicheu dieser letzteren, aufgenommen werden. Dieser Ansicht
kann ich nun nach den Beobachtungen, welche ich an imserem Tiere machte, nicht zustimmen. Schon dass
zwar alle peripheren Zellen, zu gleicher Zeit aber nicht mehr wie drei den Umwandlungsprozess eingehen
sollen, ist etwas ungewöhnliches, denn ein einigermassen plausibler Grund füi- diese Bevorzugung der Drei-
zahl scheint mir kaum erbringlich; auch konnte ich bei meinen jungen Keimballen nicht drei, sondern oft
sieben und mehr Kerne in der entstehenden Hautschicht auf einem einzigen Schnitte ringsherum zählen.
Demnach wäre es jedenfalls wahrscheinlicher, dass alle peripheren Zellen zu gleicher Zeit sich aus dem
Verbände der übrigen Keimzellen loslösen und die Membran bilden, so dass deren Flächenwachstum dann
durch allmähliche Ausbreitung dieser Zellen vor sich ginge. Aber auch dies scheint mir nicht richtig, und
zwar aus folgenden Gründen.
Schon früher ei'wähnte ich, dass es ein häufiges Vorkommen sei, dass das Wachstum des Keim-
ballens und der ihn umgebenden Haut sich nicht immer das Gleichgewicht hält, dass vielmehr die letztere
zu Zeiten eine schnellere Grössenzunahme aufweist, als jener. Ein solches Verhalten ist aber mit der
Schwarze'schen Ansicht nicht zu vereinigen, vielmehr nur denkbar, wenn beide Teile ein selbstständiges
Wachstum haben, in ihren Elementen also nicht direct von einander abhängig sind. Es würde also hieraus
hervorgehen, dass die Hautschicht, nachdem sie sich einmal als besondei-es, von den übrigen Zellen des
Keimballens gesondertes Gebilde differenziert hat, von diesem keine neuen Elemente mehi- aufnimmt, sondern
sich durch seitliche Teilung ihrer Zellen vergrössert, ganz ähnlich wie es Schauinsland für die Elemente
der HüUraembran bei den Embryonen beschreibt.
An noch ganz jimgen Keimballen, die nur ungefähr sechs Kerne im optischen Durchschnitte zeigten,
fand ich eine grosse calottenförmige Zelle mit deutlichem Kern, welche fast die Hälfte des Ballens umfasste
und deren Plasma sich stets heller als das der übrigen Zellen färbte. Nicht selten traf ich auch Hüllzellen
an, deren Kern aus zwei einander dicht angelagerten Teilen bestand, die, wenn auch das Plasma keinerlei
Teilungserscheinungen aufwies, doch als Anzeichen einer stattfindenden Spaltung aufgefasst werden konnten.
Hiernach scheint es mir, als ob auch die Anlage dieser Haut in derselben Art und Weise erfolgt
wie es Schauinsland für die Hüllmembran der Embryonen nachgewiesen hat.
Bei einer Grösse von ungefähr 0,025 mm, zu einer Zeit, wo sich imgefähr 12 Kerne im optischen
Durchschnitte zählen lassen, ist der Keimling schon völlig von der Hautschicht umschlossen.
Später, wenn derselbe auf 0,075 mm herangewachsen ist, finden wir um ihn herum unter der oberen
Hautschicht noch eine zweite Hautlage von ganz der gleichen Beschaffenheit gelegen; über Art und Ent-
stehung dieser habe ich nichts bestimmen können. Die obere ist jetzt gegen die Einwii-kung des Wassers
-o®o 54 o®o-
sehr empfindlich geworden und saugt sich stark mit demselben voll, während die untere ganz unverändert
dem Keimkörper dicht anliegen bleibt. Bemerkenswert ist hierbei, dass die Kerne, welche ebenfalls be-
trächtlich aufquellen , jvöllig frei in dem hierbei entstehenden Hohlraum zu liegen scheinen fcf. Fig. 51).
Setzt man dem Wasser noch etwas Essigsäure (1:500) zu, so sieht man grosse Blasen in ihr entstehen,
die nach einiger Zeit platzen. Bei den entwickelten Larven war eine solche doppelte Haut nicht mehr nach-
zuweisen; entweder war sie innerlich verändert und homogen, und infolge der durch das Wachstum bedingten
Dehnung sehr dünn geworden, so dass sie der unteren Schicht ganz dicht auflag und nicht mehr nachzu-
weisen war, oder sie war völlig verschwunden, so dass wir hier ein Beispiel der Häutung der Larve
während ihrer Entwicklung vor uns hätten.
Kurze Zeit nach der Bildung der ersten Haut (bei einer Grösse der Larve von 0,025 mm), kann
man unter [dieser einen hellen schmalen Saum wahrnehmen, der im deutlichen Gegensatz steht zu dem
inneren sich dunkel färbenden Teil; wahrscheinlich haben wii- hier eine der Hautmuskelschicht der Sporo-
cyste entsprechende Bildung vor uns, aus der anscheinend der gesammte Hautmuskelschlauch nicht nur,
sondern auch das Körperparenchym seinen Ursprung nimmt, während aus dem inneren Teile die verschiedenen
Organe entstehen. Doch konnte etwas Bestimmteres über die Vorgänge nicht beobachtet werden, da die
jungen Keimballen mit zunehmendem Alter bald undiu-chsichtig werden. Es kommt hierzu als ein fernerer
Ubelstand, dass die Objecto auch Wasser nicht vertragen und in Glycerin ein gleichmässig granuliertes
Aussehen annehmen. Auch Essigsäure bewirkt hier keine Aufhellung, sondern erteilt der 'ganzen Masse
ein bräunliches, ti'iibes Ansehen. Da ich schon früher erkannt hatte, dass die Ursache hiervon eine An-
häufung von Nahrungselementen in den Zellen der Keimballen war, so versuchte ich durch Hungemlassen
der Schnecken diesem Übel abzuhelfen, hatte hiermit jedoch keinen Erfolg. Auch die Anwendung mannig-
facher chemischer Agentien hatte keine bedeutende Vorteile im Gefolge. Die besten Resultate erzielte ich
noch mit Benzin und der Brass'schen Flüssigkeit, i) Wurden dann die ganzen Sporocysten mitsammt ihrem
Inhalte schwach mit Hämatoxylin oder Boraxkarmin gefärbt, in Kanadabalsam gebracht und dort erst zer-
zupft (Glycerin ist hier wieder unbrauchbar), so erhielt ich Präparate, in denen sich die Anlage und all-
mähliche Entwicklung der einzelnen Organe gut verfolgen Hess, wenn auch zui- genaueren Beobachtung,
namentlich der histologischen Details, Schnittpräparate unumgänglich notwendig waren.
Schon bei einer Grösse von 0,05 — 0,055 mm kann man im dimklen Teile des Keimballens eine zarte
Contoiu- wahrnehmen, welche einen rundlichen ZeUhaufen aus der übrigen Körpermasse abgrenzt. Während
nun der Keimkörper sich etwas zu strecken beginnt und eine mehr ovale Gestalt annimmt, folgt dieser
ersten weiter hinten eine zweite solche Linie: die Grenzmembranen der Saugnäpfe, mnerhalb deren^nach
ganz kurzer Zeit auch schon die Entstehung des Lumens zu erkennen ist.
Bei zarter Tinction kann man jetzt deutlich die helle äussere Körperschicht von grossblasigem
Aussehen von der dunklen inneren, organbildenden Masse unterscheiden, die sich in mehrere Gruppen, an-
scheinend drei, zu sondern anhebt. Doch lassen sich genauere Beobachtungen über das weitere Verhalten
'1 Brass. Biologische Stud. Hallo a/S. 1883. I. Teil. (1 gr. Chromsäuro, 1 gr. Platinchlorid, 1200 Wasser; und auf
je 100 gr. Wasser 1—3 Tropfen Essigsäure.)
— o®c 55 o®o—
dieser Zellencomplexe und namentlich über deren Beziehungen zu den später auftretenden Organen der
Undurchsichtigkeit der Massen halber mit Sicherheit nicht anstellen.
Bei einer Grösse von 0,18:0,13 mm zeigt die Larve die ersten Conti'actionen; die Saugnäpfe, sowie
der kurze Zeit nach diesen angelegte Pharynx heben sich jetzt deutlich als spezifische Gebilde hervor. Die
Anlagen£von Darm und Excretionsgefässsystem sind ungefähr bis in die Höhe des Bauchsaugnapfes vor-
geschritten und treten bei dem lebenden Tiere als gerade oder nur wenig gebogene helle, beim conservierten
und gefärbten Objecto als dunkle, gegabelte Stränge heraus. Die im Hinterkörper gelegene Genitalanlage
erscheint noch nicht gesondert; man sieht sie als noch compacte Masse der Hinterseite des Bauchsaugnapfes
dicht anliegend und nur durch eine seichte Einkerbimg von diesem getrennt. Erst später, wenn die Larve
auf 0,35:0,16 mm herangewachsen ist, hat sie sich soweit von demselben abgetrennt, dass wir sie als ein-
heitlichen rundlichen Ballen im hinteren Leibesende vorfinden. Verhältnismässig spät trennen sich aus
diesem die einzelnen Drüsen ab; es haben dann auch der Darm, die Excretionsgefässe, sowie das Nerven-
system ihre völlige Ausbildung erlangt.
Mit dem hellen äusseren Saum sind inzwischen auch Verändei-ungen vor sich gegangen; die ursprünglich
aus deutlichen, blassen und runden Zellen bestehende Masse hat sich zuerst am Kopfe, daim weiter nach
hinten fortschreitend, allmählich ganz in die typische Form der Körpergrundsubstanz verwandelt. Zur Zeit
der Isolierung der Genitalanlage haben wir nur noch im äussersten Hinterteile des Körpers die frühere
indifferente Beschaffenheit desselben vor uns.
Es erübrigt nun die bei diesen Entwicklungsvorgängen stattfindenden
histologischen Prozesse
etwas näher in's Auge zu fassen. Was zunächst die
Hautmuskelschicht anlangt, so wird die dreifache Muskulatur des ausgebildeten Tieres selbst-
verständlich schon während der Larvenperiode in ihrer späteren, typischen Form vorgebildet, doch ist es
mir nie recht gelungen, die ersten Anfänge der Muskelbildung zu Gesicht zu bekommsn. Gewöhnlich be-
merkt man erst das Vorhandensein der Muskelbildung bei verhältnismässig alten Larven (0,18 : 0,13 mm).
Ich kann daher auch nur wenig über die Bildung dieser Muskeln angeben. Die Ringzüge sind die zuerst
entstehenden und auf Schnitten nachweisbaren, wie denn auch die karz vorher erwähnten frühesten, selbst-
ständigen Bewegungen der jungen Larven in einer Contraction dieser eben gebildeten zirkulären Muskel-
züge bestehen. Da in denselben Kerne nachweisbar sind, so glaube ich, dass dieselben ganz ähnlich ent-
stehen, wie wir dies fi-üher von den Muskeln der Sporocyste kennen gelernt haben. Erst später folgt der
Bildung dieser Ringfaserschicht die der Längs- und Diagonalfaserlage.
Der Veränderungen, welche das Körper parenchym erleidet, ist schon oben kurz gedacht
worden. Es bildet urspriüiglich eine gleichmässig homogen sich färbende Masse, aus der nur helle Kerne
mit deutlichem Kernkörperchen heraustreten. Mit dem Auftreten der Parenchymmuskelzüge erhält es nach
mid nach, durch den parallelen Verlauf der Fasern bedingt, eine regelmässig säulenförmige Structur, die
sich namentlich auf Schnitten deutlich ausgeprägt zeigt. Schon Leuckart ^) beobachtete dies anscheinend
') Leuckart. Die Parasiten des Menschen, pag. 14. 11. Teil.
— o®o 56 c>ao—
eigentümliche, lamellöse Verhalten des Parenchyms, ohne jedoch zu entscheiden, ob es allem eine Folge der
Parenchymmuskelentstehung ist.
Man kann jetzt auch die Elemente des ursprünglichen Gewebes deutlicher erkennen; es besteht aus
grossen, membranlosen Zellen mit stark sich färbendem Plasma, deren Kerne gross, hell imd mit stark
hervortretenden Kernkörperchen ausgestattet sind. Auch diese Zellen haben, gerade wie die ursprünglichen
Inhaltszellen der Sporocyste, einen indifferenten, entschieden eizellenartigen Character, der erst mit dem
Wachstum und den weiteren Umbildungen, welche das Gewebe erfährt, verloren geht.
Diese Umwandlung des Gewebes schreitet, wie schon gesagt, von vorn nach hinten fort und beginnt
zuerst in der Mittellinie des Körpers, von da nach der Körperwand zu fortschreitend, so dass man im
Centrum zuerst umgewandelte, heller gewordene Partien antrifft, während die peripheren Teile noch völlig
den embryonalen Typus tragen. Ein derartiges noch in der Umwandlung begriffenes Körperparenchym
ist von Looss^) für das als Larve zu betrachtende Distomum reticulatum beschrieben worden, bei welchem
in der Körpermitte bereits umgewandeltes Gewebe zu treffen war, während die peripheren Teile noch einen
indifferenteren Character zur Schau trugen (cf. Fig. ö9).
Noch zur Zeit, wo das Tier die erste Häutung eingeht (8 Wochen), besitzt ein breiter Streifen des
Körperrandes das gleichmässige Aussehen, ja, einige Teile desselben bewahren es, bis der Wurm in den
Vogel gelangt, um sich erst hier zu einem spezifischen Gebilde, zu den Dotterstöcken, umzuwandeln.
Die Entstehung der das Parenchym durchziehenden Muskelfasern lässt sich im Gegensatz zu den
Muskeln der Haut klar und deutlich verfolgen; es entstehen dieselben durch Aneinanderlagerung von Zellen,
deren Plasma sich lang auszieht. Am klarsten sind diese Verhältnisse sichtbar an den von der Körperwand
nach den Saugnäpfen ziehenden Fasern; man kann bei jungen Stadien sogar die Anzahl der Zellen be-
stimmen, welche solch einen Muskel zusammensetzen, da die Kerne sich ziemlich stark aus dem lang und
dünn sich aufziehenden Plasma herausheben. Bei dem zunehmenden Wachstum und der damit verbimdenen
Streckung werden dieselben jedoch immer dünner und flacher, so dass sie später nur noch sehr selten als
Gebilde spezifischer Natur zu erkennen sind. Es ist deshalb auch kaum zu verwundern, dass dieselben
nicht öfter beobachtet werden; nur Kerbert*) gelang es bei Distomum Westermani, Kerne mit Sicherheit in
den Muskelfasern zu constatieren.
Der D arm tr actus. Die Bildung der die Saugnäpfe zu.erst gegen die übrige Körpermasse ab-
grenzenden Membran erfolgt in derselben Weise, wie wir es früher bei anderen häutigen Gebilden des
Tieres kennen lernten. Zuerst ist sie von Schwarze*) beschrieben worden. Das Lumen der Saugnäpfe jässt
derselbe durch Einstülpung sich bilden. War mir nun schon von vom herein eine solche Entstehung des Lumens
durch „Einstülpung" sehr unwahrscheinlich, so gelang es mir auch nicht, bei der Larve des Distomum
macrostomum auch nur die Spur eines Prozesses aufzufinden, der mit dem Namen eines Einstülpungs-
prozesses belegt werden könnte. Vielmehr fand ich, dass das Lumen durch Spaltung und allmähliches
Auseinanderweichen der central gelegenen Zellschichten entsteht. Der Vorgang ist hierbei folgender:
Nachdem die durch die Membran nach aussen begrenzten beiden Zellhaufen eine Zeit lang das
M 1. c. pag. 432.
') 1. c. pag. 544.
") 1. c. pag. 13.
—yso 57 o®o-
inilifFerente Aussehen des Ürmeristems (Schwarze) bewahrt haben, tritt in ihrem Inneren eine Differenzierung
auf, indem die Bestandteile verschiedene Tinctionsfähigkeit annehmen und zwar so, dass ein äusserer hellerer
und ein innerer dunklerer Teil entsteht, welch letzterer als solider Zapfen in die hellere Umgebung einge-
senkt erscheint. Während in der äusseren Zone vor der Hand keine Weiterbildung bemerkbar ist, meta-
morphosieren sich die Zellen des Zapfens, wobei sie heller werden und ihre Kerne sowohl wie ihre Grenzen
mehr und mehr hervortreten lassen. Bei zunehmendem Wachstum der Larve beginnt nun dieser Zapfen
in seiner Mitte allmählich von vorn nach hinten sich zu spalten, indem die Zellen auseinander weichen und
so ein Lumen zwischen sich nehmen. Auf ganz die gleiche Art, durch Spaltung, geschieht auch die Bildung
des Lumens bei dem Pharynx und dem Darme, ebenso wie bei den Hauptstämmen des Escretionsgefäss-
systems und den Geschlechtswegen, kurz, so weit ich es beobachten konnte, bei allen röhrigen Organen
des Larvenkörpers.
Dass das Lumen der paarigen Darmschenkel auf diese Weise entsteht, hat auch Schwarze') bei
seinen Cerkarien gesehen , während er für den Pharynx und den unpaaren Darm eine Entstehung des
Lumens auf noch andere ^"^eise in Anspruch nimmt, nämlich durch Zerfall der axialen Zellen. Er schreibt
hierüber: „Die axialen Zellen erfahren eine eigentümliche Metamorphose. Sowohl die Kerne wie das
Plasma werden allmählich heller und nehmen an Grösse zu. Schliesslich schwindet das Plasma durch
Resorption oder Ausleerung nach aussen, wodurch das Darmlumen entsteht." Es sind dies augenscheinlich
dieselben Umbildungsvorgänge, wie ich sie oben bei den Zellen des Zapfens in den Saugnäpfen beschrieben
habe. Schwarze fährt dann fort: „Die Zellkerne der axialen Zellen sind noch ziemlich lange innerhalb
des Lumens nachweisbar."
Anfangs glaubte ich nun diesen Zerfallprozess und die Producte desselben auch bei meinen Larven
zu sehen. Ich beobachtete auf meinen Schnittpräparaten nämlich im Mundsaugnapfe und Pharynx stets
viele Zellkerne, deren Auftreten ich mir nur mit Hülfe der von Schwarze gegebenen Deutung erklären
konnte: dass das Lumen hier durch Zerfall der axialen Zellen gebildet werde, obgleicli es mir nicht
recht plausibel erscheinen mochte, dass hier auf einmal ein so grundsätzlich verschiedener und auch sonst
kaum beobachteter Prozess der Lumenbildung statt haben sollte. Spätere Beobachtung an Objecten, die,
um jedes Kunstproduct zu vermeiden, mit grösstmöglicher Sorgfalt behandelt worden waren, ergaben denn
auch die völlige Berechtigung dieser Zweifel. Auf Präparaten, die ich vor dem Einschmelzen mit Celloidin
behandelt hatte und an denen die zartesten Verhältnisse wohl erhalten waren, fand ich, dass ein Auswerfen
von Zellenelementen nach aussen nicht statt findet, dass dieselben vielmehr der Wand aufliegen bleiben und
bei zunehmendem Wachstum der Larve allmählich alle in die das Lumen des Saugnapfes und Phaiynx
auskleidende, zuletzt einschichtige Zellenlage aufgenommen werden. Ein Loslösen einzelner Kerne und ein
Auftreten derselben innerhalb des Lumens ist auf so behandelten Präparaten bei keinem Entwicklungs-
stadium unserer Larve, weder im Pharynx, noch in dem Lumen anliegender Organe zu constatieren.
Aber auch das Bild, welches Schwarze in Fig. 7 (vh) gibt, zeigt, dass er den meinigen entsprechende
Beobachtungen gemacht hat; nur durch das Vorhandensein freier Zellelemente sah er sich dann zu dem
Schlüsse gezwungen, dass das Lumen des Pharynx und des unpaaren Darmes anders gebildet werde, als das
>) 1. c. pag. 16.
-0®C 58 0®0 -
der paarigen Darmschenkel. Ich meinerseits vermute, dass bei den von Schwarze beobachteten Cerkarien
nicht nur, sondern bei allen Formen die Bildung der Lumina lediglich durch allmähliches Auseinander-
weichen der ursprünglich central gelegenen Zellen ohne Ausstossung von Elementen vor sich geht.
Der äussere Teil der Saugnäpfe, welcher bisher sein gleichmässiges Aussehen bewahrt hatte, be-
ginnt jetzt ebenfalls sich weiter zu differenzieren. Es fangen zunächst die Radiärmuskeln an, sich zu
bilden und zwar gerade so wie die Parenchymmuskeln durch Aneinanderlagerung von Zellen, deren Plasma
sich lang auszieht; meist fand ich zwei Kerne in den einzelnen Muskelfasern; dieselben sind im jugendlichen
Alter mit einem hellen Plasmahof umgeben, sowie mit deutlichem Kernkörperchen versehen. Beim weiteren
Wachstume verschwindet beides, die Kerne sind zuletzt höchstens noch als kleine, knopfartige Auftreibungen
der Fasern bemerkbar. Die Entwicklung derselben ei-folgt nach und nach; während erst nur wenige vor-
handen sind, nehmen sie später an Zahl immer mehr zu, bis sie zuletzt in grosser Menge die Wandungen
der Saugnäpfe durchsetzen. Durch diese Muskelzüge wird der zelligen Grundmasse derselben, gerade wie
dem Körperparenchym durch die Parenchymmuskeln, das Ansehen eines lamellösen Baues gegeben; doch
hat hier wie dort diese Erscheinung mit der Bildung der Muskeln nichts zu thun, sie ist lediglich be-
gleitender Nebenumstand.
Diese Grundsubstanz behält noch ziemlich lange ihren indifferenten, zelligen Character bei; erst
nach 7 Wochen sehen wir grössere Bindegewebszellen auftreten, die bei der Färbung ein gleiches Ver-
halten zeigen, wie es Looss ^) für die entsprechenden Elemente des Distomum ti-igonocephalum angibt
(cf. Fig. 62 BG). Die Zellen treten characteristisch aus der übrigen Masse hervor, sind gross und haben
ein feinkörniges, sich dunkel färbendes Protoplasma; der Kern ist hell und mit einem stark hervorti'etenden
Kernkörperchen versehen. Je älter die Larve wird, um so mehr derartige Gebilde treten auf; jedoch nehmen
sie den ausgesprochen grossblasigen Charakter, wie wir ihn bei dem ausgebildeten Wurme kennen gelernt
haben, erst nach der Überführung der Larve in den Vogelmagen, also während der letzten Periode der Um-
bildung in das geschlechtsreife Tier an.
Des Eintrittes von Körperparenchymmuskeln in die Gewebe der Saugnäpfe ist bereits bei der Be-
schreibung des geschlechtsreifen Wurmes gedacht worden; bei den Larven sind die beti'effenden Verhältnisse
noch viel deutlicher und klarer zu erkennen, da die eintretenden Muskelfasern sich ausgesprochener gegen
die mehr zellige und erst wenige Fibrillen zeigende Masse der Saugnäpfe abheben.
Das gleiche gilt auch von den Nervenfasern. Während es bisher nie gelungen ist, mit Sicherheit
den Nachweis zu liefern, dass solche bei den Distomen in das Innere der Saugnäpfe eintreten, (Lang
beobachtete es nur bei Tristomum *) fällt es hier nicht schwer, auf Schnitten, namentlich solchen, wo die
ober-ste Fläche der Saugnäpfe getroffen ist, zu beobachten, wie Nervenäste als starke Bündel in dieselben
eintreten und sich dort verzweigen. Die Eintrittsstellen finden sich gewöhnlicli seitlich efrn'as unterhalb
der Mitte des Saugnapfes und zeigen sich als scharf gegen die Umgebung abgegrenzte Offnungen. Durch
dieselben tritt je ein Nervenstrang, der rückwärts leicht bis zu den Ganglien verfolgt werden kann und
innerhalb des Saugnapfes in schräger Richtung nach oben verläuft, indem er sich in eine Anzahl feiner
') 1. c. pag. 400. Fig. 6.
*) Lang. Mitth. a. d. Zool. Stat. Neapel. 1880. pag. 42.
-o®c 59 0®O-
Äste auflöst. Die einzelnen Nervenfasern endigen, so weit ich es verfolgen konnte, in je einer sich dunkel
färbenden Zelle, die alle in einer der inneren Wand des Saugnapfes parallelen Zone angeordnet sind
(cf Fig. 61 und 62).
Die vorstehenden Angaben beziehen sich in der Hauptsache auf den Mundsaugnapf, jedoch haben
sie im grossen und ganzen auch für den Bauchsaugnapf Geltung.
Der Bildung des Mundsaugnapfes vollkommen analog erfolgt die des Pharynx. Derselbe tritt zu-
erst als eine rundliche, durch eine Membran begrenzte Zellenmasse auf; die centi'alen Partien machen die
beschriebene Wandlung durch, welche allmählich vom Mundsaugnapfe her zur Bildung des Lumens führen.
Erst ein feiner Spalt, vergrössert sich dasselbe nach u^nd nach durch Auseinanderweichen der Zellen, indem
es sich zugleich nach hinten zu fortpflanzt.
Die Wände des Pharynx gehen denen des Saugnapfes entsprechende Umwandlungen ein, doch war
ein Übertreten von Muskeln oder Nerven hier niemals zu constatieren.
Die Schenkel des Darmes sind auf Schnitten anfangs als kurze solide Zellstränge zu erkennen, deren
Elemente, wie namentlich auf Längsschnitten deu^tlich zu sehen ist, regelmässig hinter einander gelegen und
in reger Teilung begriifen sind (cf. Fig. 56 D). Dieselbe findet nicht nur an der Spitze, sondern an allen
Teilen desselben in gleicher Weise statt. Auf Querschnitten erkennt man dann als Querschnitt der Darm-
anlage 4 dicht aneinderliegende Zellen ohne deutliche Grenzen, so dass also der ganze Darm aus vier
Längsreihen dicht gedrängt stehender Zellen zusammengesetzt ist. Später vermehren sich diese Zellen auch
in der Querrichtimg, so dass wir in der Peripherie der Darmanlage eine immer mehr wachsende Anzahl
von Kernen erhalten; der infolge dieser Ei-weiterung entstehende und dann ebenfalls sich vergrössernde
Innenraum füllt sich ebenfalls mit undeutlich gegen einander sich abgrenzenden Zellen, die wahrscheinlich
von den Wandzellen abstammen, aber sofort durch eine stärkere Neigung, Farbstoffe in sich aufzunehmen,
von diesen sich unterscheiden. Auch jetzt noch ist die Darmanlage vollkommen solide; erst wenn in der
äusseren Zellenlage 12, in der inneren Kerne bis 5 gezählt werden können, beginnt ein Lumen in Gestalt
eines feinen Spaltes avifzutreten ; es ist dann auch schon die Darmmuskulatur vorhanden. Nach dem Auf-
treten des Lumens können wir demnach an der Darmwand vier Schichten unterscheiden: zu äusserst die
Darmmuskuiatur , darauf die feine Eigenmembran und schliesslich das doppelt geschichtete imd in den
beiden Lagen different sich verhaltende Epithel. Auf diesem Stadium der Entwicklung bleibt der Darm-
apparat auch an völlig ausgebildeten Tieren bestehen.
Das Excretionsgefässsystem. Der Sammeh-aum und die Gefässstämme werden einheitlich
und zwar mit den Darmschenkeln zu gleicher Zeit angelegt, während Schwarze *) bei der Cercaria armata
fand, dass der excretorische Apparat in derselben Weise zwar, wie der Darm, jedoch später als dieser ge-
bildet wird, sowie dass das Lumen desselben durch Zerfall der axialen Zellen entsteht.
Bei unserer Larve fand ich, entsprechend der Gleichzeitigkeit der ersten Anlage, auch das Lumen
in beiden Organen meist zu gleicher Zeit vorhanden; bei einer Grösse des Tieres von 0,18:0,13 mm er-
strecken sich beide bis zur Mitte des Bauchsaugnapfes hin; es haben demnach die Schenkel des Exeretions-
gefässsystems ungefähr die doppelte Länge (0,1 mm) der Darmschenkel. Auch das weitere Wachstum
') 1. c. pag. 18.
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beider geht in gleicher Intensität vor sich, so dass, wenn der Darm seine definitive Länge erreicht hat, auch
das Excretlonsgefässsystem In der Hauptsache fertig gebildet ist, d. h. dass die Gefässstämme in ihrem
ganzen Verlaufe bis zum hinteren Leibesende vorhanden sind.
Die Längenzunahme der Gefässstämme wird herbeigeführt durch Querteilung der einzelnen Zellen,
die mit ziemlicher Lebhaftigkeit vor sich geht und, da eine Zunahme im Umfange kaum stattfindet, ein
ausgiebiges Längenwachstum im Gefolge hat. Die Bildung des Lumens findet im Sammelraum und den
diesen zunächst gelegenen Teilen der Gefässstämme ebenfalls durch vom Perus her fortschreitendes Aus-
einanderweichen der Wände statt; wie dieselbe in den hinteren Partien vor sich geht, habe ich zwar nicht
beobachten können, doch dürfte sie wohl kaum besondere Eigentümlichkeiten und Abweichungen aufweisen.
Das Plasma der Wandzellen dehnt sich bei zunehmender Grösse des Tieres immer flächenhafter
aus; die Kerne treten dann stark nach dem inneren Lumen hervor und verschwinden, wie wir schon öfter
gesehen haben, später mehr oder minder, wenn auch selten so vollständig, dass man sie nicht mehr nach-
weisen kann. Im Inneren können der Wandung mitunter noch Zellen aufliegen, wie sie Schwarze Fig 9 eo.
zeichnet. Ihr Verhalten während des ferneren Wachstums dürfte dem der im Mundsaugnapf und Pharynx
beschriebenen Zellen entsprechen. Eine Flimmerung ist in den Gefässen nicht vorhanden. Mit 8 Wochen,
also zur Zeit der ersten Häutung, konnte ich zum ersten Male Flimmertrichter in den jungen Larven
auffinden.
Das Nervensystem legt sich schon auf einem ziemlich frühen Stadium unterhalb des Mund-
saugnapfes zu Seiten des Pharynx als zwei i'undllche Massen an. Am besten lässt sich der Bau des ge-
sammten Nervenapparates zur Zeit der Bildung des Darmlumens studieren, da einmal dasselbe schon zu
dieser Zelt in seiner ganzen definitiven Ausdehnung vorhanden ist, und weil hier auch die histologischen
Verhältnisse noch klar und leicht ersichtlich zu Tage liegen.
In ersterer Beziehung kann also nur auf die Angaben verwiesen werden, welche bei der Besprechung
des geschlechtsreifen Wurmes gemacht wui-den, was die letzteren anlangt, so zeigen sich sämmtliche Nerven-
stränge umgeben von einer Schicht von Zellen, deren Plasma gering ist und deren Kerne darum eng an-
einander gelagert erscheinen. Auf Sagittalschnitten liegen sie wie Perlschnüre an den Hauptstämmen
entlang; bei feineren Nervenfasern treten sie ebenfalls, wenn auch einzelner auf, eine Eigenschaft, vermöge
deren man leicht beobachten kann, sowohl wie die Nerven sich verzweigen, als auch wie und an welche
Organe sie herantreten. Mit zunehmendem Alter und Wachstum des Tieres werden die Kerne dieser Zellen
immer weiter auseinander gerückt, so dass es bei späteren Stadien unmöglich wird, die Zugehörigkeit dieser
Elemente zum Nervensystem festzustellen (cf. Fig. 60).
Beobachtet sind diese Zellen zuerst von Ziegler i) bei Gasterostomum , der sie als Ganglienzellen
deutete, sodann von Schwarze ^), der zwischen den Zellkernen mid der eigentlichen Gehirnmasse meist einen
glashellen, ungefärbten Saum fand und aus diesem Grunde schon schliessen zu können glaubte, dass er es
hier mit einer Nervenscheide zu thun hätte. Ich habe diesen hellen Saum ebenfalls beobachtet, glaube
ihm aber keine besondere Bedeutung zuschreiben zu können; denn einmal ist sein Auftreten, namentlich
') 1. c. pag. 501.
«) 1. c. pag. 22.
— o^ 61 c^o—
bei älteren Tieren, niemals ein constantes, indem er oft auf längere Strecken ganz fehlt, dann wieder in
wechselnder Stärke auftritt, anderseits zieht über diesen Saum stets unverändert die sich dunkel färbende
Kernschicht hin und zeigt den Verlauf des Nerven an. Während ich nun der Ansicht zuneige, dass dieser
glashelle Saum nichts anderes ist als ein Kunstproduct, entstanden dadurch, dass sich die Kernschicht
stellenweise etwas von der darimter gelegenen Nervenmasse losgelöst hat, stimme ich aber Schwarze völlig
darin bei, dass diese Keralage keine nervöse Function besitzt, sondern eine selbstständige, bindegewebige
Nervenscheide darstellt.
Die Ganglien, sowie die Nervenstämme bestehen auch bei der Larve aus einer feinfaserigen Masse,
in der sparsam Ganglienzellen eingelagert sind.
Die Genitalorgane. In Folge des gleichmässigen Aussehens des Körperparenchyms gelang
es mir nicht, die Anlage der Genitalorgane bis zurück zu ihrem ersten Anfange bei der Larveneiitwicklung
zu verfolgen. Das erste Auftreten der Geschlechtsanlage als eines besonderen Zellencomplexes, sowie
dessen Zerfall in die einzelnen Zellenhaufen, aus denen die Keimdrüsen, sowie einzelne Teile der Leitungs-
wege hervorgehen, habe ich schon oben besprochen und kann darum hier gleich zur Beschreibung der
Organe selbst übergehen, wie sie sich gegen das Ende der Larvenentwicklung hin ausgebildet zeigen.
Die Hoden erscheinen als zwei rundliche oder ovale Gebilde (0,078 :(),(M5 mm), die nach aussen
durch eine zarte Membran begrenzt sind; in dieser sind viele noch wenig abgeflachte, auf die Entstehung
der Membran hindeutende Kerne (0,004 mm) nachweisbar. Das Innere der Hoden ist von einer gleich-
mässigen Zellenmasse erfüllt, in der Zellgrenzen nicht sichtbar werden; die Kerne sind gross (0,006 mm)
und besitzen ein deutliches Kernkörperchen.
Auch die Anlage des Cirrusbeutels hat sich nach aussen durch eine Membran abgegrenzt; erfüllt
ist dieselbe von gleichmässig homogen sich färbenden Zellen, in deren Mitte ein sich dunkler färbender
Strang sichtbar ist, die Anlage des Penis; ein Lumen, entstanden durch Auseinanderweichen der centralen
Zellen, ist in demselben meist schon auf eine kurze Strecke vorhanden. Die aus den Hoden ihren Ursprung
nehmenden Vasa efferentia, sowie das gemeinsame Vas deferens sind als solide Zellstränge ebenfalls leicht
zu erkennen.
Das Ovarium (0,072:0,048 mm) unterscheidet sich von den Hoden nur durch die kleineren Kerne
(0,004 mm) seiner Inhaltsmasse. Für die Schalendrüse ist eine abgrenzende Haut nicht nachweisbar; ihre
Zellen haben jetzt noch einen völlig indifferenten Charakter. Der Uterus ist als ein dicker Zellstrang vor-
handen, der sich vom Ovarium aufwärts bis zur Höhe des oberen Randes des Bauchsaugnapfes und ab-
wärts bis zur Geschlechtsöffnung erstreckt (cf. Fig. 7). Ein Lumen ist in dem Endteil der weiblichen
Geschlechtswege noch nicht zu erkennen, doch sind die Zellen in der Metamorphose so weit vorgeschritten,
dass ilu'e Grenzen sichtbar sind, und dass man auch die Linie verfolgen kann, in der die Bildung des-
selben vor sich gehen wird.
Den Schluss der Larvenentwicklung bildet die Encystierung; diese besteht in einem doppelten
Häutungsprozesse, der so vor sich geht, dass die in der Ablösung begriffene Haut als helle, zart con-
tom-ierte und structurlose Membran der darunterliegenden neuen und sich im Gegensatz zu dieser stark
färbenden Haut fest aufliegen bleibt. Die Ablösung der äusseren Hülle erfolgt zuerst an den vorderen
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Partien und zwar dadm-ch, dass wahrscheinlicli eine Flüssigkeit zwischen ihr und der Körperhaut abge-
schieden ^vird, (wodurch sie aufgebauscht und blasenartig nach aussen hervorgetrieben wird; im ganzen
erfolgt die Ablösung jedoch nie vollständig, da die Haut immer an den Übergangsstellen in die Körper-
organe mit diesen fest verbunden bleibt. In die Lumina der Saugnäpfe erstreckt sich die Häutung
übrigens hinein, wie leicht bei gelindem Druck auf das Deckgläschen zu sehen ist; es stülpt sich dann
die abgelöste Membran, die nur mit den Saugnapfrändern in festem Zusammenhange zu bleiben scheint,
sackartig nach aussen hervor (cf. Fig. 7).
Für die Ausführung der beigefügten Abbildungen fühle ich mich meinem Freunde Dr. Looss zu
wärmstem Danke verpflichtet, dem ich hierdurch wenigstens in etwas Ausdruck geben möchte.
Erklärung der Abbildungen.
Sämmtliche Äbbildnngen sind mit Anenahme der Figuren 1 — 3 und 22 nach mikroskopischen Präparaten mit dem
Zeiss'schen Zeichenapparate gezeichnet.
Tafel I.
Figur 1—3 sind mit der Lupe resp. mit blossem Auge, Figur 4 — 8 bei Objectiv A und Ocular 11, Zeiss, gezeichnet.
Fig. 1. Leucochloridium paradoxnm aus der Schnecke herauspräpariert. Man erkennt an den Spitzen der älteren
Schläuche, an deren Basalteüen die secundären Proliferationen sich mehr oder minder entwickelt zeigen, die zu den grossen
Schläuchen anwachsenden Endstücke, deren allmähliche Entwicklung und Ausfarbung hier deucUch zu sehen ist. Die Auftreibung
in dem Stiele des untersten Schlauches wird durch eine denselben passierende reife Larve hervorgerufen. Der oben in der
Mitte gelegene Schlauch ist vollkommen erwachsen und in den Fühler der Schnecke eingetreten, der Stiel aber, der Raumersparnis
halber, hier viel kürzer gezeichnet, als er im richtigen Verhältnis sein würde. Vergrösserung ungefähr dreifach.
Fig. 2. Eine Succinea amphibia, deren Parasit 8 reife Schläuche zur Entwicklung gebracht hat, die sämmtUch in die
Fühler einzutreten bestrebt sind. Natürliche Grösse.
Fig. 3, Succinea amphibia mit einem Schlauche der braunen Varietät des Leucochloridium paradoxum. Der andere
nicht besetzte Fühler zeigt die für die Anwesenheit des Parasiten charakteristische Auftreibung. Natürliche Grösse.
Fig. 4. Eine noch nicht völlig erwachsene Distoraenlarve aus einem der reifen Schläuche; unter der äusseren, in
weitem Bogen den Tierkörper umgebenden Haut sieht man die an wenigen Stellen sich eben ablösende zweite Hülle. Von den
inneren Organen ist vor allem das Excretionsgefässsystem vollständig eingezeichnet.
Fig. 5. Eine vöUig ausgebildete und zur LTbortragung reife Larve, von der doppelten Hülle umgeben; der inneren
sind viele Körnchen angelagert. Am Kopfe tritt der Kopf kragen deutlich hervor; von den inneren Organen erkennt man ausser
den Saugnäpfen mit dem Darme deutUch die Anlagen der Geschlechtsdrüsen, sowie das Nervensystem mit den beiden asymetrisch
verlaufenden Längsnervenstämmen.
Fig. 6. Eine reife Larve von der Seite gesehen, mit ihren beiden HüUen, von denen die erste sich auch in die
Lumina der Saugnäpfe hinein erstreckt.
Fig. 7. Dieselbe Larve, etwas gedrückt; infolge dessen sind die in den Saugnapf lumina gelegenen Teüe der äusseren
Haut sackartig nach aussen hervorgetreten; es sind hier ausserdem die Hauptbündel der Parenchymmuskeln gezeichnet, sowie im
hinteren Körperteile die bis in die Höhe des Bauchsaugnapfes reichende Anlage des Uterus.
Fig. 8. Geschleohtsreifes Distomum macrostomum. Die grossen Sangnäpfe machen ein Drittel des gesammten Tier-
körpers aus; die Dotterstöcke liegen ausschüesslicu in den Seitenfeldern zwischen Darm und Körperwand; von dem Darme sind
infolge der stark gefüllten Uterusschlingen nur die Endabschnitte sichtbar; die Geschlechtsorgane sind im hinteren Körperab-
schnitt, sowie die Ausmündungsstellen derselben am hinteren Körperende gelegen; cf. Fig. 22.
Tafel 11.
Figur 9 — 17 gehören zur Histologie des Leucochloridium paradoxum.
Fig. 9. Das äussere Ende eines jungen wachsenden Sporocystenschlauches auf dem Längsschnitte. Unter der von der
Cnticnla C, der Eingmuskellage BM und der Längsmnskulatur LM gebildeten äusseren Haut Uegt das innere, ans dicht gedrängt
stehenden Zollen zusammengesetzte Wandepithel , das im Inneren des Schlauches nur einen ganz schmalen Hohlraum frei lässt.
Nach rechts zu beginnen die demselben anliegenden Wandzellen bereits Anzeichen der Metamorphosierung ihres Inhaltes
aufeuweisen.
Fig. 10. Längsschnitt durch die Wand eines etwas älteren Schlauches. Zwischen den beiden Muskellagen der Haut
findet sich die mit blassen Kernen durchsetzte feinVömige Substanzlage; die Zellen des Wandbelages zeigen sich nach innen
blasig aufgetrieben, die Kerne sind grundständig geworden.
Fig. 11. Schnitt durch die Wand eines noch etwas älteren Schlauches. Der Wandbelag besteht aus einer einfachen,
unregelmässigen Zellenlage, über der hier und da Kerne der Binnenmembran erkennbar sind.
Fig. 12. Medianer Längsschnitt durch eine secundäre Proliferation eines Sporocystenschlauches, auf dem alle Phasen
der Umwandlung des Wandbelages sowie die Entstehung der Hautmuskulatur neben einander zu beobachten sind.
Fig. 13. Ein Keimlager (KL) in einem ausgebildeten Sporocystenschlauche. Aus demselben haben mehrere Keim-
ballen (KB) ihren Ursprung genommen; vier derselben auf verschiedenen Entwicklungsstufen werden von der mit Kernen durch-
setzten Membran M noch an ihrer Entstehungsstelle festgehalten; ein fünfter, noch weiter entwickelter ist bereits frei in das
Innere des Schlauches hineingetreten.
Fig. 14. Ein Stück aus dem zweiten Drittel der Wand eines ausgefärbten Schlauches. Unter der Cuticnla C in der
Ringmuskellage EM finden sich vereinzelt kleine grüne PigmentzeUen P, in dem Wandbelage der Innenseite mehrere grosse
grüne und eine braune.
Fig. 1.^. Flächenschnitt durch einen grossen Schlauch ungefähr im letzten Drittel, der infolge der Cylinderform des-
selben rechts dicht unter der Cuticula hingeht, während nach links zu die tieferen Partien des Wandbelages getroffen sind. Man
erkennt unier den Ring- und Längsfasern den Zellenbelag, bestehend aus den grossen Blasenzellen, zwischen denen die stern-
förmigen Bindegewebszellen sich ausbreiten; ein grosser Teil der Zellenmasse ti'ägt noch den Charakter der ursprünglichen
Bindegewebszellen ; auch in den BlasenzeUen findet man am Grunde (rechts) noch oft Kerne gelegen, die keine Veränderung den
anderen gegenüber zeigen.
Fig. 16. Querschnitt durch einen der grossen Buckel im Vorderteil des Schlauches. Man sieht die starke Pigmentierung,
die Teilung der Ringmuskellage und die ausserordentliche Anhäufung der DrüsenzeUen, welche ebenfalls buckelfSrmig nach
innen hervortreten.
Fig. 17. Zwei amöboide Zellen aus der Flüssigkeit des Schlauches; die eine mit einem, die andere mit vier Kernen.
Fig. 18 — 21 aus der Histologie des ausgebildeten Wurmes.
Fig. 18. Flächenschnitt durch drn Rand des Bauchsaugnapfes, auf dem man zwischen den Muskeln deutlich die reich-
liche Ausbildung des Grundgewebes erkennen kann.
Fig. 19. Meridionalschnitt durch den dorsalen Rand des Mundsaugnapfes, auf dem man bei * den dreieckigen von
Muskeln freien, aber von Grundgewebe erfüllten Raum sehen kann. C die Cuticula mit den feinen Stacheln, die beim Übergang
auf den Rand des Saugnapfes beaeutend sich verdickt. MB die Ansätze der von dem Rücken des Saugnapfes nach der Körper-
fläche hinziehenden Parenchymmuskeln.
Fig. 2U. Ein Bündel reifer Spermatozoon, das eben aus der Mutterzelle herausgetreten ist.
Fig. 21. Zwei reife Spermatozoon.
Tafel III.
Fig. '22. Die Geschlechtsorgane des ausgebildeten Distomum macrostomum. Tj und T^ die beiden Hoden, deren Vasa
efferentia zu dem gemeinsamen, hier zu einer prall mit freien Spermatozoon erfüllten Vesicula seminaUs erweiterten Vas defeens
zusammentreten, das direct in den Cirrusbeutel GB übertritt. In diesem Hegt, von Drüsen umgeben, der Ductus ejaculatorius,
dessen unteres Ende als Penis durch die Geschlechtsöffnung MGO nach aussen ausgestülpt werden kann. Ov Ovarium; KG
Keimgang, der in die hier nur angedeutete Schalendrüse SB eintritt und den Ausführungsgang des Dotterreservoirs DE in sich
aufnimmt. TDG die transversalen Dottergänge, mit ganzen Dotterzellen gefüllt; Ut Uterus, in dem mehrere eben gebildete
Eier liegen. LK Lauer'scher Kanal mit Dotterbruchstücken. WGO weibliche GeschlechtsöfEaung.
Fig. 23—30. Frisch untersuchte Eier, bei denen die Grenzen der Embryonalzellen durch Essigsäure deutlicher
gemacht wurden.
Fig. -23. Am Deckclpol liegt die Eizelle, mit Kern und Kemkörperchen ausgestattet. Den übrigen Teil des Eies erfüllt
der mit stark lichtbrochenden Elementen versehene Dotter.
Fig. 24. Ei mit zwei En\bryonalzellen.
Fig. 25 und 2(5. Eier mit drei Embryonalzellen in verschiedener Lage.
Fig. 21. Ei mit fünf Embryonalzellen.
Fig 28. Ei mit sieben Embryonalzellen.
65
Fig. 29 und 30. Eier mit mehr Embryonalzellen, bei denen der Dotter fast ganz aufgebraucht und zum Teil zwischen
den Purchunijselementen nach vorn getreten ist.
Figur 31 — 36. Eier nach Conservierung und Färbung des Inhaltes.
Fig. 31. Karminfärbung. Der Embryo hat sich durch Einwirkung von Glycerin zusammengezogen; in der hier bereits
gebildeten Hüllmembran sind zwei Kerne sichtbar.
Fig. 32 und 33. Optische Durchschnitte zweier in Sublimat consorvierter Eier auf verschiedenen Entwicklungsstadien.
Fig. 34 und 35. Zwei in Sublimat conservierte und ausgedrückte Embryonalkörper, bei denen ausser der mit Kernen
versehenen Hüllmembran im Inneren je zwei etwas dunklere Flecke wahrzunehmen sind. Bismarckbraun.
Fig. 3G. Der Embryonalkörper lässt um sich herum einen hellen Saum EK erkennen. (Ektoblast) En Entoblast.
Säurekarmin.
Fig. 37. Ein unversehrt aus der Eischale herausgedrückter Embryo ; mit Ammoniakkarmin angefärbt und im optischen
Durchschnitt gezeichnet. Vorn und hinten je ein stark lichtbrechender Zapfen; über den Kücken zieht der Borstenkamm.
Fig. 38. Lebender Embryo aus dem Magen der Schnecke während der Ruhe.
Fig. 39. Derselbe freischwimmend; der hintere Zapfen ist als Steuer lang ausgezogen.
Figur 40— 4ü. Darstellung des allmählichen Wachstums und der Proliferationen der jungen Sporocyste. (Zeiss a*, I.)
Fig. 40. Nach acht Tagen.
Fig. 41. Nach vierzehn Tagen. Erster Beginn der Schlauchbildung.
Fig. 42. Nach 3—4 Wochen. Die Schläuche haben an Zahl zugenommen.
Fig. 43. Nach 4 — 5 Wochen.
Fig. 44. Nach 5 Wochen.
Fig. 45 und 4G. Nach 7—8 Wochen. Die Sporocyste zeigt bis auf den Mangel der grossen Schläuche die volle Ausbildung.
Tafel IV.
Fig. 47. Querschnitt durch eine junge Sporocyste von ungefähr 6 Tagen. Dieselbe ist aussen von der kernhaltigen
Hülle H umgeben und zeigt im Inneren einen Haufen gleichartiger, embryonaler Zellen.
Fig. 48. Nach ungefähr 10 Tagen. Unter der Hülle H ist die Hautrauskelschicht HM aufgetreten, in der durch die
der Hülle eng anliegenden Zellen HZ die Muskeln entstehen. Auftreten des inneren Hohlraumes EB.
Fig. 49. Nach 14—16 Tagen. In der Hautmuskelschicht EM sind die Muskeln fertig gebildet; der innere Hohlraum
ist bedeutend gewachsen; der Wandbelag differenziert die ersten Keimballen KB. Auftreten der Binnenmembran BM.
Figur 50—62 zur Histologie der sich entwickelnden Larve gehörig.
Fig. 50. Keimballen, dessen Hautschicht sich von der inneren Zellmasso abgehoben hat; in der Hautschicht sind Kerne
mit geringem hellen Plasmahofe sichtbar.
Fig. 51. KeimbaUen mit doppelter Hautschicht i7, und iZj. Die oberste (fl,) hat sich infolge Einwirkung von Wasser
abgehoben; die Kerne Ä", scheinen frei in dem inneren Hohlräume zu liegen.
Fig. 52. Bildung des Lumens im Mundsaugnapfe (SN) und Pharynx (PK). Die Zellelemente der Wandungen des
Saugnapfes und des Pharynx tragen noch einen indifferenten Charakter; im centralen TeUe sehen wir die heller gewordenen,
metamorphosierten Zellen {ZW), welche durch Auseinanderweichen das Lumen (L) zu bilden beginnen. JV Nervensystem.
Fig. 53 — 55. Dasselbe. Drei zugehörige Schnitte, ein vierter, zwischen den beiden ersten gelegen, ist weggelassen.
Die Schnittführung ist diagonal zu der Flächen- und Querrichtung des Tieres. Das Lumen [L) im Saugnapfe ist etwas grösser
geworden, als es die Figur 52 zeigt; es wird nach unten zu immer enger, erscheint im Pharynx (Figur 54) nur noch als enges
Loch [L) zwischen den metamorphosierten Zellen (ZW) und ist auf dem nächsten Schnitt, Fig. 55, noch nicht vorhanden.
Fig. 56. Das Lumen {L) ist bis zu den Darmschenkeln fertig gebildet. Die heUen Zellen {ZW) liegen in ganzer Aus-
dehnung der Wand des Saugnapfes und Pharynx an. Im Darm (Z») finden wir vielfach Kerne, welche eng aneinanderUegen und
eine Teilung der darmbildenden Zellen anzeigen. Die Darmanlage erscheint auf diesem Schnitt aus zwei ZeUreihen bestehend.
Fig. 57. Die Zellen der Wandungen des Mundsaugnapfes haben begonnen MuskelfibriUen zu bilden. Aus der Grösse
des Lumens ersehen wir, dass die Larve sich auf einem weit vorgeschrittenen Entwicklungsstadium befindet; in der den Saug-
napf auskleidenden Haut sind noch grosse Kerne mit Plasmahof sichtbar; desgleichen finden sich auch in der den Sangnapf
nach aussen begrenzenden Haut viele Kerne.
Fig. 58. Bildung des Darmlumens. Wir unterscheiden die beiden Epithelien Ei und ifj und erkennen innerhalb des
letzteren das Darmlumen, welches nach hinten zu immer enger wird und, wie der nächste, hier jedoch nicht wiedergegebene
Schnitt zeigt, im Endteü des Darmes noch gar nicht vorhanden ist.
Fig. 59. Querschnitt durch die Larve. Im Bauchsaugnapfe sehen wir die Bildung der Kadiärfibrillen (MZ) durch
Zellen, deren Plasma sich lang auszieht. Desgleichen sehen wir, dass die Bildung der den Bauchsaugnapf mit der Körperwand
9
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verbindenden Parenchymmuskeln (PM) auf dieselbe Weise geschieht. Im Inneren der Larve hat sich das Körperparenchym
schon metamorphosiert, während die peripheren TeOe noch den embryonalen Typus tragen. Deutlich tritt dort, wo die Paren-
chymmuskeln vom Saugnapfe nach der Körperwand gehen, der lamellöse Bau des Körperparenchyms hervor. Im Darme (D) sind
beide Epithelien, jedoch noch kein Lumen vorhanden.
Fig. 60. Verlauf der Hauptstämnie des Nervensystems. Die Kerne der Bindegewebszellen liegen wie Perlschnüre den
Nervenstämmen an. * Eintritt je eines Astes in den Mund-, ** in den Bauchsaugnapf. Unter dem Bauchsaugnapfe sehen wir
die Commissur von einem Nerveustamme zum anderen verlaufen. Um die Larve herum, sowie in den Saugnäpfen derselben ist
die Haut (H,) zur ersten Häutung schon differenziert. GÄ Genitalanlage.
Fig. 61. * Eintritt eines Nervenastes in den Mundsaugnapf. Die Verzweigungen desselben enden in der Gegend des
Lumens in kleinen Zellen
Fig. 62. Dasselbe. Der Nervenast (NF) gibt nach und nach viele Zweige ab. von denen j'^der in einer kleinen Zelle
mit dunkel sich färbendem Plasma und hellem Kern endigt. Es sind noch mehrere derartige Zellen vorhanden, ohne dass ein
an sie herantretender Nervenzweig nachgewiesen werden kann. BG Die von Looss als durch ihre Färbung charakteristisch
beschriebenen Bindegewebszellen der ausgebildeten Distomen, welche sich bei unserem Thiere in die Blasenzellen umwandeln.
Taf. 1.
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BIBLIOTHECA ZOOLOGICA.
Original - Abhandlungen
aus
dem Gesammtgebiete der Zoologie.
Heraiisgegebeu
von
Dr. Rud. Leuckart ^ Dr. Carl Chun
und
in Leipzig in Königsberg.
Heft 5.
Beiträge zur Kenntniss der holutriclien Ciliaten von Dr. W. Sclieiviakoff. — Mit 7 Tafeln.
C A S S E L.
Verlag von Theodor Fischer.
1889.
BEITliÄGE
ZUR
KENNTNISS DER HOLOTRICHEN CILIATEN,
VON
D« W. SCHEAVIAKOFF,
Mit sieben Tafeln.
(Aus dem zoologischen Institut zu Heidelberg'.)
C ASSEL.
Verlag von Theodor Fischer.
1889.
Vor-^^^ort.
Wer sich mit deu Infusorien eingeliend beschäftigt hat, wird zugeben, dass unsere Kenntnisse ihrer
Organisation noch vieles zu wüusclien übrig lassen. Ein genaueres Studium der Bauverhältnisse der ciliaten
Infusorien erscheint erwünscht, nicht etwa wegen der Möglichkeit einer Ableitung der Metazoen von denselben,
sondern aus einem ganz anderen Grunde, welchen ich zu erörtern versuchen werde.
Wie die Säugethiere und Insekten die höchste Stufe zweier verschiedener, jedoch von gemeinsamen
Ahnen abstammender Phylen der Metazoen einnehmen, behaupten auch die Infusorien eine entsprechende
Stellung im Phylum der Protozoa. Während aber die höheren Metazoen für die verschiedenen phj'siologischen
Verrichtimgen höchst complicirte Orgaue entwickelten, übernahm bei den Protozoon, das Plasma einer einzigen
Zelle alle phj'siologischen Functionen und differenzirte sich aus diesem Grunde mannigfaltigst. So entstanden
auf der morphologischen Grundlage einer Zelle , durch fortgesetzte Differenzirung des Plasmaleibes Einrich-
tungen für Bewegung, Nahrungsaufnahme und Vertheidigung, welche besonders bei den ciliaten Infusorien
ihren Höhepunkt erreichen. Hier treten uns Organismen entgegen, deren physiologische Leistungen denen
der Metazoen gleichzusetzen wären ; dagegen behalten sie morphologisch den Werth einer Zelle bei. Letzteres
dokumentirt sich besonders deutlich zur Zeit der Fortpflanzung, welche vollkommen als Zelltheilung verläuft.
Von diesem Gesichtspunkte aus würde das Interesse der Infusorienforschung zunächst dahin gehen,
die verschiedenen, zur Verrichtung gewisser physiologischer Functionen angepassten Einrichtungen kennen zu
lernen, welche uns die zahlreichen Arten darbieten. Nun sind aber diese Organe, w'enn man sie so nennen
darf, in keiner Ordnung der cihaten Infusorien zu mannichfaltigeren Ausbildung gelangt, als bei den
holotrichen Infusorien, unter deren Vertretern wir einen allmählichen Uebergang von ganz einfach gebauten,
resp. ursprünglichen zu hoch dift'erenzirten Formen antreffen.
Die Feststellung oder genaue Kenntnis dieser Organisationsverhältnisse bildet aber nicht den Zweck
und das endliche Ziel der Infiisorienforschung; die durch Beobachtung gewonnenen Thatsachen sind blos
Mittel, welche weitere Schlüsse ermöglichen. Es entsteht zunächst die Frage, auf welche Weise diese Organe
durch fortwährende Plasmadifferenzirung entstanden sind und weiterhin vervollkommnet wurden.
Die Lösung dieser Frage ist auf zweifachem Wege zu erreichen: entweder durch phylogenetische und
ontogenetische Studien oder durch vergleichend anatomische Untersuchungen. Da wir aber bei den Infusorien,
wegen vollkommenen Mangels an paläontologischen Resten, durchaus keine empirischen Belege für die
Phylogenie besitzen und nur theilweise von einer Ontogenie reden können, so sind wir ausschliesslich auf
Bibliotheca zoologicl. Heft 3. 1
den zweiten Weg angewiesen. Selbstverständlich müssen wir wieder vun den einfachsten Formen, d. h. den
holotrichen Infusorien, ausgehen, deren Vergleichung uns nicht nur zur Feststellung ihrer verwandtschaftlichen
Beziehungen führen kann, sondern die Möglichkeit geben wird, eine Ableitung anderer Infusorienordnungen
von denselben zu versuchen.
Nun sind aber gerade die holotrichen Infusorien am wenigsten erforscht und verlangen zunächst eine
Neuuntersuchung. Alle Beschreibungen, in welchen sie in ihrer systematischen Gesammtheit betrachtet
werden , stammen aus verhältnissmässig früher Zeit und sind desshalb wenig genügend. Die Unzulänglichkeit
der Arbeiten von Ehrenberg (27), Duj ardin (24), Perty (50), Claparede und Lachmann (13) wurde
von Stein erkannt, als er sein grosses Werk (60 und 62) in Angriff nahm, in welchem er auch die bis zur
Gegenwart herrschende Classification durchführte. Leider starb dieser eminente Protozoenforscher, ohne das
begonnene Unternehmen zu Ende zu führen, sodass nur die Ordnungen der hypotrichen (60) und heterotrichen
Infusorien (62) zur Besprechung kamen.
Die in der späteren Zeit erschienenen Arbeiten von Diesing (22 und 23), Fromentel (34) und
Keut (3S) sind theils compilatorischen Characters und enthalten wenig eigene Forschungen! Bedeutend
wichtiger für uns erscheinen die genauen und schönen Untersuchungen von Balbiani(4), Cohu (20), Entz
(29 und 30), Gruber (37), Maupas (44 und 45), Wrzesniowsky (68) und anderen, obgleich in den-
selben nur einzelne Formen der holotrichen Infusorien behandelt wurden.
Aber auch in diesen Arbeiten sind gewisse Lücken nicht zu verkennen; so möchte ich z. B. bei dieser
Gelegenheit auf ein Verhältniss hinw-eisen, welches bis jetzt wenig oder sogar fast gar nicht beachtet wurde:
es ist nämlich die Körperstreifung der Infusorien. Dieselbe ist nach der Auffassung Bütschli"s, welcher
ich vollkommen beistimme, von grosser Wichtigkeit für die Erkenntnis der verwandtschaftlichen Beziehungen
einzelner Infusorien. Auf Grund derselben wäre eine hypothetische Ableitung der höher entwickelten Formen
von einfachen zu versuchen.
Von den eben geschilderten Betrachtungen ausgehend und veranlasst durch den Wunsch meines
hochverehrten Lehrers Prof. Bütschli, welcher gegenwärtig mit der Ausarbeitung der Infusorien für sein
Protozoönwerk beschäftigt ist, unternahm ich im Herbste des Jahres 1886 eine Untersuchung über die
holotrichen Infusorien.
Bei diesem Unternehmen wurde ich von Prof. Bütschli aufs freundlichste und zuvorkommendste
unterstützt, welcher einen grossen Theil meiner Beobachtungen controlirte und mich auf vieles neue auf-
merksam machte. Viele der in den folgenden Zeilen zu schildernden Beobachtungen sind daher eigentüch
das Resultat gemeinsamer Arbeit mit Prof. Bütschli; derselbe hat in seiner Beschreibung der Ciliaten die
bezügUchen Beobachtungen auch demgemäss als von ihm und mir herrührend bezeichnet. Auch die Benutzung
der von Prof. Bütschli gefertigten systematischen Auszüge, welche derselbe mir freundlichst gestattete,
gewährte mir mancherlei V^ortheile. Ich möchte desshalb Herrn Prof. Bütschli an diesem Orte nochmals
meinen aufrichtigsten und innigsten Dank für alle seine FreuiuUichkeit und Güte, welche er mir fortwährend
bezeugte, aussprechen.
Die in nachfolgenden Zeilen geschilderten Beobachtungen beziehen sich auf 25 Formen, unter denen
sich einige als neue Gattungen und Arten ergaben. Die übrigen, bereits bekannten Formen sind auf ihi'e
Organisationsverhältnisse neu untersucht worden, aus Gründen, welche wir schon oben betonten. Es möge
erlaubt sein, auf eine ausführliche Beschreibung solch' allgemein bekannter Formen, wie Coli)id!um, Olau-
coma und andere einzugehen. Es sind häufig gerade die gemeinsten Formen, deren Organisationsverhältnisse
am wenigsten bekannt sind und die desshalb auf's Neue zu untersuchen waren. Dieser Umstand rührt wohl
daher, dass die von den älteren Forschern angestellten Beobachtungen für ausreichend gehalten wurden,
wesshalb man bei späteren Beschreibungen nur auf gewisse Bauverhältnisse, wie z. B. die des Mundes und
Schlundes achtete und die übrigen wie z. B. Ectoplasmastructur und Körperstreifung ausser Acht Hess.
Indem ich mich entschliesse meine Befunde zu veröffentlichen, bin ich mir vollkommen bewusst,
dass meine Untersuchungen durchaus nicht erschöpfend und ausreichend sind. Namentlich sind es die höchst
interessanten Conjugationserscheiuungen und, die Fortpüanzungsverhältnisse, über die ich fast gar nichts mit-
zutheilen habe. Die Untersuchung der ersteren bildet eigentlich ein Gebiet für sich und wurde vorläufig auch
nicht beabsichtigt. Dagegen erschien viel wichtiger für die Zwecke, die ich im Auge hatte, das Studium der
Theilungszustände, da ja. wie bekannt, bei diesem Processe einige Organe am Körper des Mutterthieres neu
angelegt werden, so dass wir in diesem Falle von einer Ontogenie in einem gewissen Sinne sprechen können.
Wer sich aber mit diesen Untersuchungen eingehend beschäftigt hat. wird aus eigener Erfahrung wissen, dass
man dabei ebenso viel auf Ausdauer, als auf Glück angewiesen ist, was auch die hervorragendsten Infusorien-
forscher wie Stein und Bütschli behaupten.
Ich halte für verfrüht gegenwärtig auf etwaige Speculationen über die verwandtschaftlichen Be-
ziehungen einzelner Gebilde und Formen einzugehen, die erst nach der Untersuchung wenigstens sämmtlicher
Gattungen der holotricheu Infusorien sich natürlich ergehen können.
So mögen nun diese Beiträge, wenn auch in ihrer unvollkommeueu Gestalt, erscheinen und demnach
als ein Versuch betrachtet werden, unsere Kenntnisse über den Bau dieser interessanten Wesen zu ver-
mehren. Ich hoffe die dargestellten Befunde in baldiger Zeit durch Untersuchungen anderer Formen, sowie
der Theilungs- und Conjugationserscheinungeu zu ergänzen, so weit mir die Möglichkeit geboten sein wird,
meine Studien iu der bisheriaen Weise fortzuführen.
Bevor ich mich zur Schilderung der einzelnen von mir untersuchten Gattungen und Arten wende,
halte ich für angemessen, die technischen Ausdrücke und Bezeichnungen, deren ich mich bei der Beseln'eibung
bedienen werde, zu erläutern.
Zur Bezeichnung der relativen Grösse der Infusorien sind von mir folgende Ausdrücke gewählt
worden: als sehr kleine bezeichne ich die Formen, welche bis 0,04 mm messen; als kleine — die bis 0,07 mm:
als mittelgrosse — die bis 0,12 mm: als grosse — die bis 0,25 mm und schliesslich als sehr grosse, die
Formen, welche 0,25 mm überschreiten. Diese Bezeichnungen sind freilich ganz willkürlich und sollen nur
der besseren Uebersicht wegen die relativen Grössenverhältnisse iu Worten ausdrücken.
Zur Bezeichnung der Formveränderungen, die am Körper der Infusorien wahrzunehmen sind, bediene
ich mich der Ausdrücke, welche seinerzeit von Cohn (20; pag. 260 — 261) vorgeschlagen worden sind, halte
aber die Unterscheidung von retractil und contractil für unwesentlich und bezeichne in diesen Fällen den
Körper kurzweg contractil. Demnach unterscheide ich:
1) starre Infusorien, wenn der Körper gar keine Formveränderungen erleidet.
2) elastische Infusorien, wenn der Körper seine Gestalt nicht selbstthätig, sondern infolge eines
äusseren Druckes verändert und beim Aufhören desselben, die frühere Form wieder annimmt,
3) biegsame oder flexile Infusorien, wenn der Körper selbstthätig seine Gestalt wechseln kann,
ohne jedoch die allgemeine Form merklich zu verändern,
4) contractile Infusorien, diejenigen, welche eine Dimension auf Kosten der übrigen verlängern
oder verkürzen und demnach ihre Gestalt ganz bedeutend verändern können. In solchen Fällen
sind meist auch besondere contractile Elemente (Muskeltibrillen) vorhanden.
Zur Orientirung der Formen mit seitlich gelegenem Munde bezeichne ich die Fläche, auf der die
Mundöffnung liegt, als Ventraltläche, die gegenüberliegende als Dorsalfläche und die entsprechenden nach
links und rechts von der Vcntralfläche gelegenen, als linke und rechte Körperseite oder Körperfläche.
Der Kern (Hauptkern) der Infusorien wird überall nach Maupas' Vorgang als Makronucleus und
der gewöhnlich anliegende Nucleolus (Nebenkern) als Mikronucleus bezeichnet.
Die unternommene Untersuchung des Ectoplasmas auf seinen feineren Bau lehrte gewisse Verhält-
nisse kennen, auf die ich nun ganz kurz eingehen möchte. Das Ectoplasma der Infusorien erscheint meist
als eine dünne, gewöhnlich scharf begrenzte Plasmaschicht, die sich durch eine bedeutendere Dichte und
stärkeres Lichtbrechungsvermögen vom übrigen Körperplasma unterscheidet. Dieselbe erscheint entweder
homogen, oder besitzt eine besondere Structur, auf die zuerst Bütschli hingewiesen hatte. Diese Structur
lässt sich durch Combinationen der Bilder, die man an optischen Durchschnitten und bei Flächenansicht ge-
wahrt, erkennen. Betrachtet man die äusserste Plasmalage im optischen Durchschnitte, so erscheint sie fein
radiär gestreift, wobei die dicht nebeneinander gereihten Streifen, feine Plasmabälkchen sind, welche senk-
recht zur Oberfläche stehen. Bei der Flächenansicht ersieht man aber, dass diese Bälkchen , welche als
dunkle Punkte erscheinen, durch zarte Fäden untereinander wabenartig verbunden sind. Aus diesem Ver-
halten lässt sich der Schluss ziehen, dass die zarten Fäden dünne Wände, die scheinbaren Plasmabälkchen
aber die radiären Kanten einer Lage von Waben oder Alveolen sind. Demnach würde diese Plasmaschicht
einen wabenartigen oder alveolären Bau besitzen und wäre nach dem Vorschlage Bütschli's als Alveolar-
schicht zu bezeichnen. Nach aussen gehen die Alveolenwände in eine ziemlich scharf begrenzte und stark
lichtbrechende Grenzlamelle über, welche mit Bütschli als Pellicula zu benennen wäre. Die Bezeichnung
Pellicula wurde statt der früher angewandten Cuticula eingeführt, da diese äusserste Grenzlamelle kein todtes
Absonderuugsproduct , sondern blos ein Umwandlungsproduct des Protoplasmas ist.
Wie ich schon erwähnt habe, lässt sich der alveoläre Bau des Ectoplasmas nicht bei allen Infusorien
nachweisen; bei einigen erscheint es vollkommen homogen und dann bedeutend stärker lichtbrechend. Es ist
aber sehr möglich, wie Bütschli meint, dass dieses Aussehen nur ein scheinbares ist und dadurch bedingt
wird, dass die jUveolenwände sehr nah aneinander gerückt sind, resp. die Alveolen selbst äusserst klein sind,
und somit die ganze Schicht structurlos erscheint.
Unterhalb der Alveolarschicht, also zwischen derselben und dem Entoplasma, lässt sich bei einigen
Infusorien noch eine besonders differenzirte Plasmaschicht unterscheiden, die gleichfalls nach dem Vorschlage
Bütschli's als Corticalplasma zu bezeichnen wäre. Dieselbe ist entweder anscheinend homogen (Rüssel
des Lionotus, Schwanz von Dinophrya) oder auch alveolär gebaut (Nassula, Urocentrum), nur dass
das Wabenwerk bedeutend gröber und weniger lichtbrechend, als dasjenige der Alveolarschicht ist. Die Ab-
sonderung dieser Schicht vom Entoplasma documentirt sich in ihrer etwas festeren Beschaffenheit und dass
sie immer frei von Xalirimgskörpern ist. Auch nimmt sie an der Plasmacirculation , wenn solche eventuell
vorhanden ist, keinen Antheil. In dieser Schicht finden sich die Trichocysten (Nassula) oder trichocysten-
artige Gebilde (Urocentrum) und Pigmente (Pigmenttleke der Xassula) eingelagert.
Die übrigen Organisationsverhältnisse, wie Korperstreifung, Mund- und Schlundverhältnisse werden
an entsprechenden Stellen bei der speciellen Beschreibung der einzelnen Formen besprochen werden.
Zum Schluss halte ich für meine Pflicht über die angewandten Methoden der Untersuchung kurz
zu berichten. Dieses umsomelir, als die mikroskopische Technik beim Studium der Protozoen von grosser
Wichtigkeit ist.
Ich begann meine Beobachtungen immer an lebenden Exemplaren. Zu diesem Zwecke wurden die
in Betracht kommenden Thiere in einem Tropfen Wasser isolirt und durch vorsichtiges Aufdrücken eines mit
Wachsfüsschen versehenen Deckgläschen an einer Stelle festgelegt. An solchen Präparaten lassen sich die
Organisationsverhältnisse beim lebenden Thiere sehr bequem studireu, was meiner Ansicht nach bedeutend
ergiebiger ist als die Untersuchung der abgetödteten Thiere. Diese Vorrichtung ermöglicht es auch, Objecte
von verschiedenen Seiten zu betrachten, indem man das Deckgläschen vermittels einer Präparirnadel ver-
schiebt und durch einen entsprechenden Zusatz oder Absaugen des Wassers die nöthige Pression fortwährend
regulirt. Der hergestellte Druck darf aber nicht zu stark sein, weil sonst die allgemeine Gestalt und sogar
einige Organe beeinträchtigt werden, wodurch das Thier zum Studium untauglich wird.
Dieses Verfahren verlangt eine grosse Sorgfalt und gewisse Uebung, die mau jedoch schnell gewinnt.
-Aber nicht alle Infusorien ertragen eine solche Pression auf längere Zeit; manche gehen ziemlich rasch zu
Grunde, indem ihr Protoplasma zerfliesst. Andere dagegen, w;e z. B. Lembadion, zerfiiessen nicht,
sondern sterben selbst beim gelindesten Drucke ab, wobei sie öfters ihre Körpercilien abwerfen. An den auf
die beschriebene Weise hergestellten Präparaten verfolgte ich die Korperstreifung, Protoplasmastructuren und
die verschiedenen Gebilde, welche zur Nahrungsaufnahme dienen. Auch wurden an ihnen die nöthigen
Messungen mit einem Zeiss'schen Ocularmikrometer 2 angestellt.
Die Aufnahme und Ausstossung der Nahrung wurden folgendermassen festgestellt. Ich isolirte in
reinem Wasser einzelne Thiere im Uhrschäleben oder im hängenden Tropfen und setzte sie in die feuchte
Kammer, bis sämmtliche Nahrung ausgestossen wurde. Dabei ist es gerathen, kein frisches, aus anderer
(Quelle stammendes Wasser zu nehmen, weil einige Thiere diesen Wechsel des Mediums nicht zu ertragen
scheinen und bald zu Grunde gehen. Am besten ist es, wenn man das Wasser der entsprechenden Infusion
filtrirt und die Objecte in das Filtrat setzt. An solchen gehungerten Exemplaren lassen sich die Beobach-
tungen noch besser anstellen. Besonders eignen sie sich aber zum Studium der contractilen Vacuolen, wobei
man recht deutlich die zuführenden Kanäle erkennen kann.
Sobald die Thiere vollkommen frei von Nahrung waren, wurde eine künstliche Fütterung unter-
nommen. Die Thiere wurden in einen Wassertropfen gebracht, welchem die entsprechende Nahrung in reich-
licher Menge zugefügt wurde. So setzte ich den räuberischen Infusorien (Dileptus, Lionotus) andere kleine
Infusorien, wie Cyclidium. Uronema etc., vor. Die von einzelligen Pflanzen sich ernährenden Formen (Pro-
rodon, Holophrya, Didinium etc.) bekamen Scenedesmen, Oscillariaceen und Diatomeen oder noch besser
thierische Fetttropfen, welche durch Zerdrücken einer kleinen Crustacee ziemlich leicht zu bekommen sind. Bei
den von ßacterien sich ernährenden Infusorien (Colpidium, Glaucoma) wurde eine Fütterung mit Carmin oder
Indigo unternommen. Auf solche Weise fällt es nicht schwer, sowohl die Art der Nahrungsaufnahme, wie
auch das Vorhandensein und den Bau des Schlundes festzustellen.
Hatten die Thiere genügend Nahrung zu sich genommen, so wurden sie wieder in reines Wasser
gesetzt und weiter beobachtet. Bei einiger Ausdauer konnte man sowohl das Verhalten der aufgenommenen
Nahrung, resp. Verdauung, wie die Ausscheidung der Nahrungsreste und die Lage des Afters ermitteln.
Schliesslich sei noch eines Verfahrens gedacht, welches für manche Zwecke vorzügliche Dienste
leistet. Es ist das sogenannte Zerfliessenlassen der Thiere. Nachdem die Thiere auf die geschilderte Weise
festgelegt werden, drückt man unter dem Mikroskope mit der Präparirnadel auf das Deckgläschen, bis das
Thier zu zerfliessen beginnt. Bei dieser Gelegenheit konnte man das Ausschnellen der eventuell vorhandenen
Trichocysten wahrnehmen; auch konnte man die am Munde und Schlünde vorkommenden Vorrichtungen
besser erkennen, weil beim allmählichen Absterben des Tbieres die Bewegungen immer langsamer wurden,
bis sie gänzlich aufhörten. Durch dieses Verfahren werden ferner der Makronucleus und die Mikronuclei
isolirt; dabei lassen sich auch die Structurveränderungen, welche beim Absterben derselben auftreten, mit grosser
Genauigkeit wahrnehmen.
Sobald ich durch die angewandten Methoden über die Organisationsverhältnisse einigermassen in's
Klare gekommen war, unternahm ich die Untersuchung an abgetödteten Thieren, um die gewonnenen Resultate
zu controliren.
Zum Abtödten eignen sich am besten die Dämpfe P/oiger Osmiumsäure, welche den Tod ziemhch
schnell erfolgen lassen — es genügt schon, den Tropfen mit Infusorien einige Secunden über die Flasche
mit Osmiumsäure zu halten. Noch geeigneter ist es, die Osmiumsäure in einem TJhrschälchen zu erhitzen,
um die Einwirkungsfähigkeit der Dämpfe zu steigern. Aber auch diese Methode leistet nicht bei allen In-
fusorien die nöthigen Dienste. So erfolgt bei einigen grösseren Formen (Dileptus) die Wirkung wahrschein-
lich nicht momentan genug, sodass die Thiere nach dem Tode sich sofort in einzelne Moleküle aullösen.
Um dieses zu verhüten wurden die lebenden Thiere mit einem Capillarröhrchen in so wenig Wasser wie
möglich herausgefaugen und auf einige Augenblicke in 1 % Osmiumsäure gebracht. Der Tod erfolgte so
plötzhch, dass nicht einmal die Trichocysten vollkommen ausgeschnellt wurden; das Protoplasma wird dabei
momentan fixirt, so dass man am todten Thiere die Stellen der contractilen Vacuolen mit Deutlichkeit
sehen kann. Ein gehöriges Auswaschen ist unumgänglich , weil die Präparate leicht nachdunkeln und
untaugUch werden.
Solche Präparate eignen sich ganz besonders zum Studium der Körperstreifuug und Protoplasma-
structuren. Zur Feststellung der Körperstreifung wurden auch die von Cohn (17; pag. 423) beschriebenen
Abhebungen der sogen. Cuticula durch Einwirkenlassen von Alkohol unternommen. Dieselben gelingen jedoch
nicht bei allen Infusorienarten.
Will man dagegen die Bewimperung oder andere zum Schutz oder Nahrungsaufnahme bestimmten
Gebilde, wie Borsten, Membranellen und undulirende Membranen am Munde oder im Schlünde besser
erkennen, so ist eine nachherige Behandlung mit 5 — 10 "/o Sodalösung sehr zu empfehlen. Ich kam auf diese
Methode ganz zufällig bei Untersuchungen über die chemische Zusammensetzung der Infusorienkörper, die
ich vor etwa 2 Jahren angestellt habe.*) Ich fand nämhch, dass die nach der Pepsiuverdauung unlöslich
*) Die Resultate dieser Untersuchungen beabsielitige ich nach ilu-ein Abschluss nächstens zu veröffentlichen.
gebliebenen Bestandtheile des Körperplasmas theihveise in Soda gelöst wurden. Als ich die Versuche in um-
gekehrter Richtung wiederholte, erwies es sich, dass das Ectoplasma, Cilien und andere ectoplasmatische
Gebilde deutlicher hervortraten, indem nämlich gewisse Bestandtheile aufgelöst wurden. Die besten Resul-
tate bei dieser Behandlung werden erzielt, wenn man zu den mit Osmiumsäure abgetödteten Exemplaren
1 — 2 Tropfen ganz schwacher (3 — 5%) Sodalösung zusetzt und den Tropfen Vi — Va Stunde frei stehen lässt.
Dabei verdunstet das Wasser, die Lösung wird concentrirter und wirkt somit nur allmählich ein; beim plötz-
lichen Zusatz von verhältnissmässig stärkeren Lösungen treten bei einigen Lifusorien Schrumpfungen ein,
welche die Untersuchung der feineren Bauverhältnisse sehr beeinträchtigen. Diese Methode hat sich für das
Studium der Cilien und undulirenden Membranen so bewährt, dass ich sie nicht genug empfehlen kann.
Geht man darauf aus, die Thiere von verschiedenen Seiten zu betrachten, so ist es rathsam die
Objecte in Gl3'cerin überzuführen. Man bedient sich hier ebenfalls einer in Wasser verdünnten Glycerin-
lösung und lässt nachträglich das Wasser allmählich verdunsten. Diese in Glycerin eingeschlossenen Prä-
parate lassen sich nämlich auf die oben beschriebene Weise bedeutend besser als in Wasser wälzen.
Zum Nachweisen der Makro- und Mikronuclei sind ausser der Isolirung auch Färbungsversuche ge-
macht worden. Am geeignetsten erwies sich Grenacher"s Alauncarmin, bei vorheriger Fixirung mit
dem Flemming'scheu Gemi-sche von Chrom-Essig-Osmiumsäure, welches ziemlich reine Kernfärbungen
ergiebt und eine kurze Einwirkungszeit verlangt. Diese Manipulation wird bedeutend vereinfacht durch An-
wendung von Jodgrünessigsäure (1% Essigsäure, der eine Spur von Jodgrüu zugesetzt wird), welche
gleichzeitig als Fixirungs- und Färbungsflüssigkeit wirkt. Was die feineren Structurverhältnisse der Kerne
betrifft, so wurden sie an isolirten, abgetödteten und gefärbten Kernen studirt.
Ich wende mich nun zur Beschreibung der einzelnen von mir untersuchten Gattungen und Arten
der holotrichen Infusorien.
1. Urotricha farcta. Clap. und Lacli
Claparede und Lachmann 13; pag. 314— 31(j, Tat'. XVIII, Fig. 9.
Diesing 22; pag. 528.
Kent 38; pag. 50.5, Taf. XXVII, Fig. 2.
Bütschli 10; pag. 1347, 1351, Taf. LVII, Fig. 1.
Synon.: U. platystoma. Stokes65; pag. 101, Taf. I, Fig. 7.
?Balanitozoon agile. Stokes 65; pag. 109- Ud, Taf. I, Fig. 19.
Taf. I. Fig. 1.
Sehr klein von 0,02 — 0,024 mm Länge und 0,016 — 0.02 mm Breite. Körper etwa birnförmig, hinten
abgestutzt nach vorne halsförmig verengt, mit einer Mundötluung an der Spitze.
Der Körper wird von feinen und langen, ziemlich dicht stehenden Cilien bedeckt. Dieselben sind
auf kleinen Papillen eingepflanzt, welche im optischen Durchschnitte als deutliche halbkugehge Erhebungen
erscheinen. Diese Cihenpapillen stehen in Längsreihen und verursachen die Längsstreifung des Körpers.
Das aborale Körperende ist unbewimpert, dagegen mit einer langen (0,016 mm) Fühlborste (b)
(früher als Springborste bezeichnet) versehen. Dieselbe ist in einer kleinen Vertiefung eingepflanzt, verdünnt
sich allmählich gegen das Ende und steht schief zur Längsachse des Thieres.
Das Ectoplasma (ek) ist sehr dünn und besitzt einen radiären Bau, aus welchem Grunde man
^yohl annehmen muss, dass es der Alveolarschicht entspricht. Die äusserste Grenze derselben bildet eine
sehr dünne Pellicula (p).
Das Entoplasma erscheint äusserst feinkörnig und von iileinen, stark lichtbrechenden Kör-
perchen erfüllt.
Der Mund (o) liegt an der Spitze des halsartigen Vorderendes und wird von kleinen Cilien umgeben,
die fortwährend flimmern und eine lippenartige Erhebung vortäuschen. Auch stehen die Korpercilien am
Yorderende dichter als am ganzen Körper. Vom Munde entspringt ein kurzer, röhrenförmiger Schlund (oe),
der sich nach hinten stwas verengt. Um den Schlund lassen sich sehr dünne, stäbchenartige Gebilde er-
kennen, welche jedoch wenig scharf hervortreten.
Die After ö ffnun g (a) liegt dem Munde gerade entgegengesetzt auf der unbewimperten Körperfläche.
Man gewahrt sie nur während der Ausstossung des Koths.
Unweit des Afters, ebenfalls am Hinterende des Körpers, aber seitlich liegt die contractile Va-
cuale (c. V.), welche in der Nähe der Ansatzstelle der Fühlborste nach aussen mündet. Die Oefl'nung selbst
wurde nicht direct beobachtet, jedoch lässt sich ihre Lage daran erkennen, dass die contractile Vacuole sich
immer nach einer Stelle zusammenzieht, wo natürlich der Perus sich finden muss.
In der Mitte des Körpers, oder etwas mehr dem Hinterende zu findet sich ein grosser, kugeliger
Makronucleus (N) mit einem kleinen anfiegenden Mikronucleus (ncl). Im lebenden Zustand erscheint
ersterer fast homogen und stark hchtbrechend. Nach der Behandlung mit Reagentien kommt eine zarte
Membran und eine äusserst feinmaschige Netzstructur zum Vorschein; der Mikronucleus ist zu klein, als
dass man etwas von seiner Structur erkennen konnte.
Das beschriebene Thierchen kommt ziemlich häufig vor und tritt dann in grösseren Mengen auf
Es lebt im Schlamme zwischen Algen und verabscheut putrescirende Infusionen nicht. Vermöge der langen,
feinen Cilien, die, wie es scheint, ohne jegliche Ordnung bewegt werden, schwimmt es ziemlich rasch umher.
Bei der Fortbewegung geht das Vorderende immer voran , wobei der Körper sich um seine Längsachse dreht.
Es schwimmt gewöhnlich in grossen Kreisen umher, kann jedoch ganz unerwartet die Richtung wechseln,
woran die Fühlborste Antheil zu nehmen scheint. Zuweilen bleibt es ruhig an einem Platze liegen und
streckt dann die Cilien bewegungslos aus. Nach einer solchen Ruhepause fährt es öfters plötzlich auf, macht
einen Sprung und bewegt sich ruhig weiter fort.
Der Körper ist elastisch und formbeständig; er erscheint farblos und durchsichtig, kann aber infolge
der aufgenommenen Nahrung ganz undurchsichtig werden. Das Thier ist sehr gefrässig und ernährt sich von
einzelligen Algen. Bei der Nahrangsaufnahme kann der Schlund bedeutend erweitert werden , wobei die
stäbchenartigen Gebilde besser zu erkennen sind.
U. farcta wurde zuerst von Claparede und Lachmann (13; pag. 314—316) beschrieben, jedoch
sahen sie weder den Schlund , noch die ihn umgebenden stäbchenartigen Gebilde. Die lippenartige Hervor-
wölbung, welche nach ihnen den Mund umgeben soll, beruht auf den kleinen, sehr dicht aneinander-
stehenden Cilien, welche diese Hervorwölbung vortäuschen. Auch ist von diesen Forschern weder die
Körperstreifung, noch die Bewimperung richtig erkannt worden, insofern sie die erstere schaubig zeichnen
und den Körper total bewimpert abbilden. Die von Stokes als U. platj'stoma (65 p. 101) beschriebene
9
Form scheint wegen der allgemeinen Körpergestalt, wie der Lage der Mundöffnung und Füblborste mit
U. farcta identisch zu sein; sie würde sich nur durch eine beträchtlichere Grösse (Vgco engl. Zoll -^
0,038 mm) auszeichnen. Er fand bei ihr einen röhrenförmigen Schlund, ohne jedoch die Stäbchen zu erkennen;
die Bewimperung soll nach ihm eine totale sein. Auch ist sehr wahrscheinhch , dass das von demselben
Forscher als Balanitozoon agile (n. g. et sp.i (65; pag. 109 — 110) beschriebene Infusor ebenfalls die
U. farcta ist. Balanitozoon agile soll sich nur durch das unbewimperte hintere Köri^erende unterscheiden
— eine Eigenschaft, welche nach meiner Beobachtung auch der U. farcta zukommt, nur mit dem Unter-
schiede, dass nach Stokes bei Balanitozoon das ganze hintere Körperdrittel unbewimpert erscheint.
2. Urotricha lagenula. Kent.
Kent 38; pag. 505, Taf. XXVII., Fig. 1.
Bütschli 10; pag. 1347.
Syiion.: Holophrya. Lieberkühii 42; Taf. 212—213, Fig. 3—5.
? Pantotricbum lagenula. Ehrenberg 27; pag. 248, Taf. XXII, Fig. 9.
Taf. I. Fig. 2.
Mittelgrosse Thiere (bedeutend grösser als die vorige Art) von 0,08—0.01 mm Länge und 0,05 —
0,068 mm Breite.
Körper flaschen- oder birnförmig, mit vollkommen abgerundetem Hinterende und halsförmig aus-
gezogenem, kurzem Vorderende. Mundöffuung polar.
Der ganze Körper ist total bewimpert. Die Cilieu sind verhältnissmässig nicht sehr lang und sitzen
auf kleinen Papillen, welche in Längsreihen angeordnet sind. Diese dicht aneinander stehenden Cilien-
papillen, welche die Längsstreifung des Körpers bedingen, scheinen in seichten Furchen zu stehen, da sie
erst bei tiefer Einstellung deutlicher zu sehen sind — eine Erscheinung, welche auch hei anderen Infusorien
(Holophrya, Prorodon) anzutreffen ist. Am Vorderende stehen die Cilien sehr dicht beisammen und nehmen
gegen das Hinderende allmählich an Dichte ab, woselbst sie ziemlich spärlich vorhanden sind. Am Hinter-
ende sind 3—4 bedeutend längere, ziemlich steife Fühlborsten (b) eingepflanzt.
Die Pellicula (p) ist sehr dünn. Das Ectoplasma (ek) erscheint hyalin, ziemlich stark licht-
brechend und anscheinend structurlos. Das Entoplasma ist feinnetzig granulirt. mit körnigen Einschlüssen;
auch enthält es einzelne, stark lichtbrechende Körperchen.
Die Mund Öffnung (o) ist rundlich und liegt am vorderen Körperpole; von ihr entspringt ein röhren-
förmiger oder vielmehr etwas kegelförmiger, dickwandiger Schlund (oe), welcher von stäbchenartigen Gebilden
(st) umgeben wird und ein birnförmiges Lumen besitzt. Der Bau des Schlundes entspricht vollkommen dem
von Holophrya und Prorodon , bei welchen er infolge der grösseren Dimensionen der Thiere deutlicher zu
sehen ist und auf dessen Schilderung ich später eingehen werde.
Der After (a) liegt terminal, nnweit der Fühlborsten, in deren unmittelbaren Nähe auch die ziem-
lich grosse contractile Vacuole (c. v.) nach aussen ausmündet.
Der kugelige, grosse Makronucleus (N) liegt etwas subcentral und wird stets von einem kleinen
Mikronucleus (ncl) begleitet, welcher anscheinend eine feinstreifige Structur besitzt.
IT. lagenula kommt bedeutend seltener, als die vorige Art vor; auch tritt sie nie in solch grossen
Bibliotheca zoologica. Heft 3. 2
10
Massen auf. Die Bewegungserscheinungen sind fast dieselben wie bei ü. farcta, sodass ich nichts hinzu-
zufügen habe. Interessant ist nur das Verhalten der Fühlborsten beim Wechsel der Bewegungsrichtung.
Diese Borsten sind gewöhnlich bewegungslos und werden vom Thiere so zu sagen nachgeschleppt. Beab-
sichtigt es aber bei seinem Umherschwimmen eine andere Richtung einzuschlagen, so schlägt es ein paar-
mal mit dem Borstenbündel, oder verleiht ihm auf einen Augenblick eine schiefe Stellung, worauf eine Ver-
änderung der Bewegungsrichtung erfolgt. Ich glaube daraus schliessen zu dürfen, dass diese Gebilde auch
zum Steuern gebraucht werden.
Der Kör]5er ist gelblich, jedoch scheint die Farbe mit der Quantität und Art der aufgenommenen
Nahrung in Beziehung zu stehen. Gewöhnlich ernährt sich U. lagenula von Algen, nimmt aber mit grosser
Vorhebe auch Fetttropfen auf. Während der Nahrungsaufnahme erweitert sich der Schlund sammt seiner
Wandung ganz bedeutend, so dass Nahrungskörper aufgenommen werden können, deren Durchmesser den
der Mundöffnung um das Zehnfache überbietet.
U. lagenula wurde zuerst von Kent (38; pag. 50.5) obgleich ziemlich mangelhaft beschrieben. So
erwähnt er nichts von dem Vorhandensein eines Kerns und eines besonderen, mit Stäbchen versehenen
Schlundapparates; er bildet nur die Lage der Mundöffnung ab. Er glaubt ferner nur eine Fühlborste
gesehen zu haben. Es ist sehr fraglich, ob Ehrenberg"s Pantotrichum lagenula (27) als sj^nonym
mit U. lagenula aufgefasst werden kann. Jedenfalls ist die Beschreibung desselben (pag. 248) nicht aus-
reichend genug dafür und weniger die beigefügte Abbildung (Taf. XXII Fig. 9), welche sogar an die Identität
mit einer Flagellate (Trachelumonas hispida) zu denken veranlasst.
3. Holophrya discolor. Ehrbg.
Ehrenberg 27; pag. 314, Taf. XXXII, Fig. 8.
Duj ardin 24; pag. 500.
Claparfede und Lachmaun 13; pag. 314.
Stein 60; pag. 95.
Kent 38; pag. 499.
ßütschli 10; pag. 1298, Fig. 14e, pag. 1362, 1371, 1421-22, Taf. LVI, Fig. 7.
Synon:? H. brunnea. Dujardin 24; pag. 499—500, Taf. XII, Fig. 1.
H. Kessleri. Mereschkowsky 46; pag. 257—258, Taf. II, Fig. 5 und 5a; aucli 47; pag. 171 —
172 , Taf. X, Fig. 29-30.
Enchelys discolor. Diesing 22; pag. 526.
Taf. I, Fig. 3-8.
Mittelgrosse Thiere von 0,095 — 0,13 mm Länge und 0,06—0,08 mm Breite. Körper contractu,
daher die Gestalt wechselnd; in den meisten Fällen länglich oval, am Vorderende bedeutend breiter, als am
hinteren, jedoch an beiden Enden abgerundet. Zuweilen vollkommen ellipsoidal, ja sogar fast kugelförmig.
Mundöfluung (Fig. 3 o) polar.
Die feinen, ziemlich dicht stehenden Cilien sind über den ganzen Körper verbreitet und in Längs-
reihen angeordnet. Diese Längsreihen sind sehr schmal und bilden Einsenkungen der Körperoberfläche
(Fig. 3, 4 und 6), sodass sie als seichte Furchen aufzufassen sind. Zwischen denselben liegen bedeutend
breitere cilienfreie Längsstreifen oder Bänder, welche convex vorspringen und als Eippenstreifen (Bfltschli) zu
bezeichnen wären. Infolge dieser untereinander abwechselnden schmalen Längsfurchen und breiten, convex auf-
11
gewölbten Rippenstreifen erscheint der Körper bei Polaransichten (Fig. 4 und 6j am Umfange deutlich gelierbt,
wobei die Kerben selbstredend durch die Läugsfurchen bedingt werden. In den Einkerbungen, resp.
Furchen, stehen auf einzelnen kleinen Papillen die Körpercilien (el) eingepflanzt, wodurch der Grund der
Furchen selbst schwach erhaben erscheint.
Die Zahl der Furchen beträgt gewöhnlich 82. Auch gelang es mir (siehe den Anhang), wenn
auch annähernd, die Zahl der gesammten Körpercilien zu bestimmen, welche bei einer Form von 0,096 mm
Länge und 0,0(i2 mm Breite auf 1400 zu schätzen wäre.
Die 'Wimperreihen reichen nicht ganz bis zur Mundöffnung, sondern stossen auf ein kleines, ellip-
tisches Mundfeldchen (Fig. 4 Mf), in dessen Mitte die spaltförmige Mundöffnung gelegen ist. Dieses Feldchen
ist bedeutend feiner als der übrige Körper, radiär gestreift und sehr dicht mit anscheinend etwas kürzeren
Cilien besetzt. Die Streifen selbst sind ebenfalls nur der optische Ausdruck der in radiären Reihen dicht an-
einander sitzenden Cilien, welche, wie alle Cilien. an kleinen Papillen befestigt sind.
Die Pellicula (p) erscheint als ein äusserst dünner, stark glänzender Körpersaum, unterhalb deren
eine schmale, ziemlich stark lichtbrechende Alveolarschicht (alj gelegen ist.
Unterhalb derselben befinden sich noch besondere Fibrillen — die sogenannten Mj'ophane (Häckel)
oder Mj'oneme (Bütschli), welche die Contractionen des Körpers bedingen. Diese Längsfibrillen (Fig. 7 f )
sind sehr dünn und zeichnen sich durch recht starkes Lichtbrechungsvermögen aus; sie sind in besondere helle
Kanäle (k) eingelagert, welche, nach ihrem optischen Verhalten zu urtheilen. wahrscheinüch von einer flüssigen
Masse erfüllt sind. Die Kanäle mit den ihrer Umrandung anliegenden Fibrillen verlaufen unterhalb der
Cilienfurchen und sind wahrscheinlich durch Einsenkung aus der Alveolarschicht entstanden. Auf dem
optischen Querschnitte erscheinen die Fibrillenkanäle (Fig. 4 und 6k) als rundliche helle Bläschen, an deren
Wand, und zwar stets an der rechten Seite (in Bezug auf den Beobachter), der dunkle Querschnitt der
Fibrille (f) liegt. Diese Bläschen hegen stets unterhalb der Cihenfurche und hängen derselben durch einen
sehr dünnen Verbindungskanal an, welcher unzweifelhaft darauf hindeutet, dass der Fibrillenkanal aus der
Alveolarschicht entstanden ist und später eine Einsenkung erfahren hat. An solchen optischen Querschnitten
sieht man auch, dass die CUien (cl) stets näher der einen Seite der Furche, und zwar unmittelbar über
der Muskelfibrille, eingepflanzt sind.
Das Entoplasma (Fig. 5 en) ist netzig -gi'anulös und gewöhnlich mit verschiedenartigen Nahrungs-
körpern (nk) und unverdauten Resten solcher vollgepfropft. Ausserdem findet man noch kleine stark licht-
brechende Körperchen eingelagert. Das ganze Entoplasma ist in fortwährender Circulation begriffen.
Die Mundöffnung (o) erscheint von vorn betrachtet als ein unregelmässig begrenzter Spalt, welcher
ebenso wie der anhegende Schlund sehr erweiterungsfähig ist. Der Schlund (Fig. 3 und 5oe) ist röhren-
förmig, vorn etwas kugelig angeschwollen und nach hinten verengt. Er besitzt eine sehr dicke Wand
(Fig. 5 oe. w), welche aus einer dichteren, besonders difl'erenzirten Protoplasmapartie besteht. Sein Aussen-
rand wird von langen stäbchenartigen Gebilden (st) umgeben, welche untereinander nicht verbunden sind
und einen etwas schraubigen Verlauf besitzen. Die Alveolarschicht des Ectoplasmas (al) reicht nur bis an
die Schlundwandimg, so dass wir uns dieselbe durch Differenzirung und Einsenkung des Ectoplasmas hervor-
gegangen zu denken haben. Im gewöhnlichen Zustande ist der Schlund vollkommen geschlossen bis auf
12
das vorderste Ende, in welchem man ein birnförmig erweitertes Lumen gewahrt (Fig. 3). Bei der Nahrungs-
aufnahme erweitert sich der Schlund ganz bedeutend, es entsteht ein breites, kegelförmiges Lumen (Fig. 5),
welches durch den ganzen Schlund zu verfolgen ist und das Eindringen der Nahrung in das Entoplasma
ermöglicht.
Der After (a) liegt genau am hinteren Körperpole. Ein klein wenig vor dem After liegt in
einem der Rippenstreifen der Perus der contractilen Vacuole (Fig. 3 p. e). Kurz vor der Systole treten
um die contractile Vacuole mehrere kleine Vacuolen auf, welche nach stattgefundener Entleerung der con-
tractilen Vacuole zusammenfliessen und die erste Anlage einer neuen bilden. Während der ganzen Diastole
treten radiär um dieselbe ganze Reihen von verschieden grossen Vacuolen auf, die allmähhch mit der
grossen Vacuole verschmelzen.
Der Makronucleus (Fig. 3 und 5 N) ist ziemlich gross (bis 0,04 mm), nierenförmig und wird stets
von einem, gewöhnlich seiner concaven Seite anliegenden Mikronucleus (ncl) begleitet. Im lebenden Zu-
stande erscheint der Kern netzig gekörnt. Behandelt man ihn mit Reagentien, so kommt die Membran,
wie die Netzstructur noch deutlicher zum Vorschein. Ausserdem gewahrt mau dann im Gerüstwerke
noch einzelne, kleine, rundliche Binnenkörperchen eingelagert. Dieselben sind deutlich begrenzt und ent-
halten in ihrer Mitte ein kleines stark lichtbrechendes Körperchen, von welchem radiär zur Peripherie
Fäserchen ausgehen. Der Mikronucleus ist ellipsoidal, homogen und ziemlich stark lichtbrechend. An isolirten
und gefärbten Mikronuclei bemerkt man eine äusserst feine Hülle und ein eigenthümliches Verhalten der
Kernsubstanz. Die eine Hälfte ist streifig -körnig gebaut und nimmt begierig Farbstoffe auf, wogegen die
andere homogen bleibt und fast gar nicht tringirt wird. Wir hätten somit schon im ruhenden Zustande des
Mikronucleus eine Scheidung seiner Substanz in einen chromatischen und achromatischen Abschnitt — eine
Erscheinung, die bei vielen CiUaten durchaus nicht selten ist.
Holophrya discolor gehört nicht zu den gemeinsten Infusorien, wenigstens habe ich sie ziemlich
selten angetroffen. Sie lebt an der Oberfläche zwischen Algen und scheint Fäulniss nicht zu ertragen. Ihre
Bewegungen, welche meist Vorwärtsbewegungen sind, die von Rotationen begleitet werden, sind ziemhch
rasch und behende. Dabei sind die feinen dicht aneinander stehenden Körpercilien immer nach hinten
gerichtet; nur die am vorderen Körperpole stehenden Cihen schlagen nach der Mundöffnung und können
eventuell eine lippenartige Erhebung vortäuschen. Das Thier kann sich auch rüclc^värts bewegen; jedoch
kommt dies ziemlich selten vor und erfolgt nur auf sehr kleine Strecken.
Der Körper ist. ziemlich contractu und dalier metabolisch.- Die Farbe ist meist weisslichgrau, jedoch
sehr wechselnd und steht mit der Art der aufgenommenen Nahrung in Beziehung. Dieselbe kann sehr ver-
schieden sein, jedoch scheint das Thier eine besondere Vorliebe für thierische Fette (Crustaceen) zu haben.
Es ist sehr gefrässig und ist zuweilen von Nahrungskörpern so erfüllt, dass der Körper seine Gestalt voll-
kommen verändern kann.
Alle Beschreibungen, welch über H. discolor vorliegen, sind sehr mangelhaft und beziehen sich nur
auf die allgemeine Körpergestalt, Lage des Mundes u. s. w. lieber die feineren Verhältnisse, wie den Bau
des Schlundes, des Ectoplasmas und besonders der Muskel fibrillen liegen gar keine Angaben vor. Was den
Nucleus betrifft, so will Stein (60; pag. 95) einen bandförmigen gesehen haben. .Jedoch kann seine Gestalt
für die Aufstellung einer neuen Art nicht ausreichend betrachtet werden. Aus diesem Grunde halte
13
ich die Aufstellung der Holophrya Kessleri von Mereschkowsky (46 und 47) für unbegründet, welche
sich nur durch die Gestalt des Makronucleus und besondere Rippen (Rippenstreifen) — die ja allen Holophrya
und Prorodon zukommen — von allen übrigen Holophrya-Arten unterscheiden soll (pag. 172). Gleichfalls
möchte Ich sehr bezweifeln, ob die Dujardin'sche H. brunnea (24; pag. 499— 500), welche bekanntlich nur
durch ihre Körpergestalt und Farbe von H. discolor sich unterscheidet, wirklich eine selbstständige Art
bildet. Die oben beschriebene Unbeständigkeit der Körpergestalt imd Farbe scheint mir sehr dafür zu sprechen,
dass dieselben nicht zur Artunterscheidung verwendet werden können.
4. Prorodon teres. Ehrbg.
Ehrenberg 27; pag. 316, T.-if. XXXII, Fig. 11.
Dujardin 24; pag. 501.
Cohu 16; pag. 26il-273, Taf. XIII, Fig. 1—6.
Perty 50; pag. 147.
Clapar&de und Lachmann 13; pag. 319.
Stein 60; pag. 82, 90, 96 und 100 auch 62; pag. 169.
Diesing 22; pag. 539.
Kent 38; pag. 492.
Bütschli 10; pag. 1361—62, 1.371, 1421, 1422, 1428, Taf. LVII, Fig. 3a-d.
Synon: P. griseus. Claparede und Lachmann 13; pag. 319, Tat'. XVIII, Fig. 3.
Taf. I, Fig. 9-1.3.
Mittelgrosse bis grosse Thiere von 0,08 — 0,25 mm Länge und 0,05 — 0,17 mm Breite.
Diese Form schliesst sich unmittelbar an Holophrya an, sowohl wegen den allgemeinen Organisations-
verhältnissen wie auch infolge der ganzen Lebensweise. Aus diesem Grunde können wir bei der Beschreibung
derselben uns ziemlich kurz fassen.
Körper meist ellipsoidal bis kugelförmig, contractu, daher auch unbeständig in der Form. Mund-
öftnung (o) polar, oder imbedeutend seitwärts verschoben.
Die Körpercilien sind fein und stehen auf kleinen Papillen in seichten Längsfurchen sehr dicht an
einander. Zwischen diesen Längsfurchen, welche die Körperstreifung bedingen, befinden sich die convex auf-
gewölbten Rippenstreifen (wie bei Holophrya). Am hinteren Körperende sind die Cilien imbedeutend länger
als am übrigen Körper. .\m vorderen Körperpole befindet sich (ebenso wie bei Holophrya) ein elliptisches
Mundfeldchen (Mf), welches dichter als der übrige Köi-per gestreift und bewimpert ist und in dessen Mitte
die Mundöffnung liegt.
Prorodon teres besitzt eine deutliche, ziemlich breite Alveolarschicht (al), welche von einer sehr
dünnen Pellicula (p) umgeben wird. Unterhalb den Cilienfurchen ziehen Myoneme (Fig. 10 und 11 f) hin,
welche in ihrem Bau denen der Holophrya vollkommen entsprechen. Das Entoplasma (en) ist körnig und
von Nahrungskörpern erfüllt.
Eine gewisse Besonderheit bietet der Bau des Mundes und Schlundes dar. Bei dieser Form
findet mau eine weiter vorgeschrittene Ausbildung des Schlundapparates als bei Holophrya. Die Mund-
öffnung (Fig. 10 o) bildet einen länglichen Spalt, dessen Umrisse unregelmässig und unbeständig sind.
Vom Munde führt ein ziemlich langer, röhrenförmiger, nach hinten etwas kegelförmig zugespitzter Schlund
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(oe), dessen dicke Wandung (oe. w.) aus dichterem Protoplasma besteht. In der Schlundachse bemerkt
man ein schmales kegelförmiges Lumen, welches bei der Nahrungsaufnahme (Fig. 11) zu einem breiten
Eohre erweitert wird. Der Schlund wird von einem besonderen, ebenfalls kegelförmigen Gebilde umgeben,
welches schon von Ehrenberg als reusenartiger Schlundapparat beschrieben wurde. Dieser Apparat be-
steht aus dünnen, dicht beisammen liegenden, etwas schraubig verlaufenden Stäbchen (st), welche unter
einander verbunden sein müssen, da der ganze Apparat vorstreckbar ist, und beim Zerfliessen des Thieres als
ein zusammenhängendes Gebilde zu isohren ist. Der ganze Stäbchenapparat kann sich frei an der äusseren
Schlundwandung bewegen und demnach entweder in den Körper eingezogen oder stark nach vorne vorgestreckt
werden, wobei dann die Mundöfifnung wie von einem lippenartigen Wulst umgeben erscheint.
Der After (a) liegt am Hinterende des Körpers terminal oder subterminal. Unweit desselben be-
findet sich auch die contractile Vacuole (c. v.;, welche in einem der Rippenstreifen durch einen besonderen
Perus (p. e.) nach aussen mündet. Von dieser grossen Vacuole gehen radiär 4 Reihen von Vacuolen aus,
die unterhalb der Alveolarschicht gelegen sind und an Grösse allmählich nach vorn abnehmen. Unmittelbar
nach der erfolgten Systole fliessen die vier grösseren Vacuolen zu einer neuen zusammen; die anderen treten
an die Stelle der vorhergehenden und schwellen während der Diastole allmählich an.
Der Makronucleus (N) ist ellipsoidal und liegt in der Mitte des Körpers oder etwas mehr dem
Hintereude zu. Er wird immer von einem kleinen Mikronucleus (ncl) begleitet. Im lebenden Zustande
erscheint der Kern homogen, mit einem dunkleren Binnenkörper, welcher mit der Kernwandung durch
dunkle Verbindungsbrücken in Zusammenhange zu stehen scheint. Bei Behandlung mit Reagentien (Fig. 13)
kommt seine Netzstructur zum Vorschein. Dieselbe lässt sich an der Kernwandung, um den Binnenkörper
und in den Verbindungsbalken wahrnehmen, wogegen die dazwischenliegenden Partieen fast homogen erscheinen
und demnach als Vacuolen aufzufassen wären. Der Binnenkörper zeigt eine sehr feinnetzige Structur. Bei
der Fixirung kommt auch die Kernmembran mit Deutlichkeit zum Vorschein. Der Mikronucleus besitzt eben-
falls eine Hülle und besteht aus einer grösseren, streifigen, chromatischen und einer kleineren, homogenen
(achromatischen) Hälfte.
Prorodon teres wird ziemlich häufig angetroffen, gehört aber nicht zu den gemeinsten Infusorien.
Er schwimmt immer mit dem Vurderende v»ran unter fortwährender Rotationsbewegung. Der Körper ist
ziemlich contractu und verändert daher seine Form. Die Farbe ist ebenfalls sehr wechselnd und scheint mit
der Art der Nahrung in Beziehung zu stehen : in den meisten Fällen ist sie bräunlich grau. Die Nahrung
besteht aus Algen oder thierischen Fetttropfen.
Obgleich P. teres von vielen Forschern beschrieben wurde, besitzen wir in der Literatur nur die
eine Abbildung, welche von Ilhrenberg (27: Taf. XXXH, Fig. 9) gegeben wurde. Die Alveolarschicht,
sowie der Bau des Schlundapparates und sein Verhältniss zum Schlünde ist schon von Bütschli (1874)
erkannt worden.
Die Arten der Gattung Prorodon sind bis jetzt in Bezug auf ihre Verschiedenheit sehr mangelhaft
charakterisirt. Es scheint mir daher sehr wahrscheinlich, dass eine Neuuntersuchung die grosse Zahl der
beschriebenen Arten auf wenige reduciren würde. Vorläufig möchte ich nur die Identität von P. griseus
Gl. und L. mit der eben beschriebenen Art behaupten.
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5. Didinium Balbianii. Btttschli.
Bütschli 10; piig. 1286, 133S, 13G4, 136!», 1395, Taf. LVIII,, Fig. 4a— b.
Synou : Monodinium Balbianii. Fabre-Domergue 32; pag. 35 — 39, Taf. IV, Fig. 43—50.
Taf. II, Fig. U ~ 21.
Kleine Tliiere von 0,05—0,08 mm Länge und O.Oo— 0,05 mm Breite. Körper mehr oder weniger
fingerhut- oder glockenförmig, hinten abgerundet, vorne gerade abgestutzt und in einen kegelförmigen, ver-
änderlichen Mundzapfen ausgezogen. Der ganze Körper ist contractil, sodass das Hinterende spitzer oder
flacher erscheinen kann; auch kann der Zapfen im verschiedenen Grade vorgestreckt und eingezogen werden,
sodass er zuweilen die Gestalt eines kleinen Hügels annimmt (Fig. 14 und 21). An der Spitze des Zapfens
befindet sich die Mundöflfnung (o).
Am Rande des abgestutzten Vorderendes befindet sich ein Kranz ziemlich langer Cilien (W),
welche in kleinen Reihen sehr dicht angeordnet sind. Dieselben erscheinen auf den ersten Blick
membranellenartig und an der Spitze zerfasert; es fällt aber nicht schwer sich zu überzeugen, dass es
einzelne Cilien sind, gewöhnlich 6 an der Zahl (Fig. 17), welche sehr nahe aneinander stehen und an
der Basis wie verklebt erscheinen. Von jeder solcher Cilienreihe lässt sich ein Längsstreifen nach dem
Vorder- und Hinterende verfolgen, wobei er nach hinten einen etwas schraubigen Verlauf annimmt. Diese
Längsstreifen sind seichte Vertiefungen oder Furchen and tragen in ihrer ganzen Ausdehnung kleine punkt-
artige Erhebungen, die mit Cilienpapillen zu vergleichen sind. Es liegt die Vermuthung sehr nahe, dass
diese Längsstreifen von den ursprünglich vorhanden gewesenen Wimperreihen abzuleiten sind, indem bei
der stattgefundenen Reduktion der Cilien die letzteren sich auf einen Kranz beschränkten und nur die
Papillen zurückblieben.
Das Ek toplasma (ek), umgeben von einer zarten Pellicula erscheint homogen. Das Entoplasma
(en) ist deutlich netzartig und enthält viele kleine stark lichtbrechende Körpercheu. Es ist in einer fort-
währenden, ziemlich starken Circulation begriffen; dieselbe geht so energisch vor sich, dass nicht nur die
Nahrungskörper (nk), oder die eventuell vorhandenen Zoochlorellen (z) mitgeführt werden, sondern auch
der Kern (N) fortwährend seine Lage verändert.
Der Mund (o) liegt an der Spitze des zapfenartigen Vorderendes und bildet eine kleine rundliche
Oeffnung, die sehr erweiterungsfähig ist. Es ist kein eigentUcher Schlund vorhanden, da ich nichts von
einer besonders differenzirten Schlundwandung sehen konnte. Um die Mundöfli:ung steht ein Bündel sehr
langer, dünner Stäbchen (st), welche unter einander nicht verbunden sind (Fig. Ki). Sie besitzen einen
schraubigen Verlauf und können ziemlich weit nach hinten ziehen. Ja bei einigen Exemplaren waren diese
Stäbchen so lang, dass sie am Hinterende des Körpers (Fig. 15 st) umbogen und noch eine Strecke nach
vorne zogen. Die Stäbchen stehen nicht in einem Kreise um den Mund (wie bei Urotricha oder Holophrya),
sondern ziemlich unregelmässig und divergiren dem Hinterende zu, so dass das ganze Stäbchenbündel eine
kegelförmige Gestalt besitzt. Bei der Nahrungsaufnahme erweitert sich die Mundöffnung ganz bedeutend,
das Stäbchenbündel geht weit auseinander, was eine Aufnahme von relativ grossen Nahrungskörpern
ermöglicht. Ich konnte nichts von einem Nahrungskanal oder einer Nahrungshöhle, welche kontinuirlich vom
Munde zu After ziehen soll, wie es Balbiani bei Didinium nasutum (4; pag. 379—381) beobachtet hatte.
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wahrnehmen. Für diese Art wenigstens möchte ich mit voller Bestimmtheit behaupten, dass solch' ein Kanal
nicht vorhanden ist. Ich verfolgte mehrere Male die Nahrungsaufnahme, Verdauung und Nahrungsaus-
stossung mit starken Systemen und sah nichts von einem kontinuirlichen Kanäle. Ausserdem spricht gegen
diese Annahme die Lage der Nahrungskürper, welche in verschiedenen Theilen des Plasmas anzutreffen sind.
Auch konnte ich nichts von einem zungenartigen Organe bemerken, welches nachBalbiani von D. nasutum
beim Ergreifen der Beute (Paramaecium) aus der Mundöfifnung hervorgestreckt werden soll (4; pag. 379,
Taf. XVII, Fig. 6) und den Zweck hat, mit seinem freien Ende sich an die Beute zu befestigen, um die-
selbe beim Zurückziehen in die Nahrungshöhle zu befördern.
Der After (a) liegt am Hinterende des Körpers. Dicht neben ihm findet sich auch die con-
tractile Vacuole (c. v.).
Der Makroniicleus (Nj ist ziemlich gross, hufeisenförmig und lässt eine netzige Structur erkennen.
Er liegt in der Mitte des Körpers und verändert infolge der Plasmacirculation fortwährend seine Lage. An
seiner convexen Seite bemerkt man immer einen kleinen, homogenen Mikronucleus (ncl) anliegen. An
fixirten Hauptkernen (Fig. 18) unterscheidet man deutlich eine Kernmembran und im Netzwerke einzelne
kleine, stark lichtbrechende Körperchen. Der Mikronucleus zeigt die erwähnte Sonderung des Chromatins und
Achromatins.
Bei beginnender Theilung (Fig. 20) nimmt der Makronucleus (N) eine cylindrische Gestalt an:
seine Structur verändert sich und wird, wie bei den meisten Infusorien, aus der netzigen zur streifigen oder
vielmehr feinfaserigen (Knäuelstadium), worauf die Zweitheilung des Kerns erfolgt. Die Structurveränderungen
am Mikronucleus sind nicht näher untersucht worden. Wenn diese Veränderungen sich am Kern ab-
spielen, entsteht am Beginn des hinteren Körperdrittels ein zweiter Wimperkranz (Wi ) und zwar so, dass die
Cilien aus den beschriebenen Längsreihen hervorsprossen. Zuerst sind sie sehr klein und weniger an der
Zahl (.3 — 4 Cilien in jeder Längsreihe): darauf nehmen sie allmählich an Zahl und Grösse zu, bis der neue
Wimperkranz (Wi) dem vorderen (W) vollkommen gleich wird. Es bildet sich eine Einschnürung in der Mitte
zwischen den beiden Wimperkränzen, die immer tiefer geht, ixnd endlich Zweitheilung des Thieres bewirkt.
Dabei wird auch der stäbchenartige Schlundapparat, welcher fast bis zum hinteren Wimperkranze reichte,
durchschnürt, so dass der hintere Sprössling bereits mit demselben versehen ist. Selbstredend erfolgt vor der
defibitiven Theilung die Bildung einer neuen contractilen Vacuole für das vordere Thier und die Zweitheilung
des Makro- und Mikronucleus.
Die beschriebene Art gehört wie D. nasutum Stein zu den seltenen Infusorien. Sie wurde schon
1874 von Bütschli gelegentlich beobachtet. Ich selbst habe nur einmal Gelegenheit gehabt sie anzu-
treffen. Sie war in grosser Menge vorhanden und lebte mehrere Tage in einem Wasserbehälter mit
Algen, welcher fortwährend durchlüftet wurde. Sobald die Flüssigkeit zu faulen begann, ging sie sehr
schnell zu Grunde.
Das Tbier schwimmt sehr behende umher, wobei es mit dem Vorderende immer vorangeht und um
seine Längsachse rotirt, bei dieser Gelegenheit sind die Cilien immer nach hinten gerichtet (Fig. 15, 20 und
21). Es kann sich auch rückwärts bewegen, jedoch bedeutend langsamer — dann sind die Cilien nach vorne
umgeschlagen (Fig. 14) und das Thier macht Bewegungen, welche man kreiselartige nennen könnte.
Das Thier ist biegsam und contractu: besonders erstreckt sich diese Eigenschaft auf den Mundkegel,
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welcher sehr bedeutend hervorgestreckt und eingezogen werden kann. Die Farbe ist gewöhnlich weisslich
grau; einige Exemplare enthielten eine grosse Anzahl von Zoochlorellen (Fig. 14 z), wodurch sie bei
schwachen Vergrösserungen vollkommen grün erschienen.
Die Nahrung besteht aus kleinen Algen und thierischen Fetttropfen. Jedoch konnte ich nie be-
merken, dass diese Art gleich D. nasutum sich von anderen Infusorien ernährte, obgleich im Wasser eine
grosse Zahl von C'yclidien, Uronema und Paramaecium vorhanden waren.
D. Balbianii unterscheidet sich von D. nasutum hauptsächlich durch das Fehlen des hinteren
Wimperkranzes, welcher nur während der Zweitheilung auftritt und für den neuen Theilungsspross bestimmt
ist. Demnach würde eigentlich der Name Didinium auf dieses Thier nicht ganz passen; da es aber keine
weiteren wesentlichen Unterschiede zur Errichtung einer neuen Gattung bietet, so möchte ich mich
Bütschli's Auffassung anschliessen und es als D. Balbianii bezeichnen.
In der neuerdings erschienenen Arbeit Fabre-Domergue's. welche ich nach dem Abschluss meines
Manuscripts erhielt, finde ich dieses Infusor unter dem Namen Monodinium Balbianii (32; pag. 35— 39)
beschrieben. Im grossen Ganzen stimmt die gegebene Beschreibung mit der meinigen überein; Fabre-
Domergue übersah aber, dass der Wimperkranz aus 5—6 Gilienreihen besteht. Die Körperstreifung ist
gleichfalls nicht beachtet worden. Was die Nahrungsaufnahme betrifft, so muss ich die von Fabre-
Domergue ausgesprochene Vermuthung, dass sie ähnlich wie bei D. nasutum vorgehen soll, durchaus be-
streiten, wie es aus meinen oben dargestellten Beobachtungen zu ersehen ist.
6. Dinophrya Lieberkühni. Bütschli.
Bütschli lii; pag. 1338, 13G4, 1388, Taf. LVII, Fig. 7 a b, gegründet auf Lieberkühn's, 42 unedirte Abbildung.
Taf. Ui2, Fig. l-C.
Taf. IL Fig. 22—26.
Mittelgrosse Thiere von 0,07 — 0,1 mm Länge und 0,03—0,045 mm Breite.
Körper keulenförmig; länglich, in der Vorderregiou bauchig erweitert, nach vorne stumpf-kegelförmig
oder hügelartig verengt, nach hinten allmählich zugespitzt und abgerundet. Das Hinterende mehr oder
w'eniger spitz auslaufend, zuweilen in einen langen schwanzartigen Fortsatz ausgezogen (Eig. 23). Mund-
öffnung (o) polar, an der Spitze des vorderen Mundkegels.
An der Vorderregion des Körpers, unmittelbar vor der bauchartigen ■ Erweiterung, also an der Basis
des Mundkegels, steht ein Kranz ziemlich langer Cilien (W). Dieser Wimperkranz ist vollkommen so gebaut
wie bei Didinium; er besteht aus etwa 20 Gilienreihen, welche eine schiefe Lage zur Längsachse des Thieres
einnehmen und die je aus 4 — 5 ziemlich langen, eng aneinander gestellten Cihen (Fig. 25) aufgebaut werden.
Von jeder Cilienreihe des Wimperkranzes zieht ein deutlicher Längsstreifen nach dem Hinterende des Körpers,
welcher im optischen Querschnitte als eine seichte Furche erscheint und somit der Cilienfurche gleichzusetzen
ist. In denselben sind auf sehr kleinen Papillen 16 — 18 feine Körpercilien eingepflanzt. Die letzteren sind
fast ebenso lang wie die Cilien des Wimperkranzes und bedecken spärlich den ganzen Körper.
Das Ectoplasma (ek), erscheint dicht und homogen, seine äusserste Grenze bildet eine zarte
Pellicula (p). Das Entoplasma ist körnig - netzig und enthält rundliche, stark lichtbrechende
Körperchen.
Bibliotlieca zoologica. Heft 3. 3
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Von der runden Mund Öffnung (o) entspringt ein kurzer, röhrenförmiger, im normalen Zustande
geschlossener Schlund, dessen Wandung von den hewussten Stäbchen (st) umgeben wird. Bei Betrachtung
von Torne (Fig. 24) (Oralansicht) stehen dieselben in einer Kreislinie um den Mund und bilden einen kurzen
kegelförmigen Stäbchenapparat ; sie sind nicht fest imtereinander verbunden (also nicht wie bei Prorodon) und
verlaufen schraubig. Wir haben demnach dieselben Verhältnisse, welche wir bei Holophrya antrafen, nur
dass die Mundöflfnung und das Fehlen eines Polfeldchens Didinium entspricht.
Der After (a) liegt in einem der Rippenstreifen am schwanzartig ausgezogenen Hinterende des Körpers,
jedoch nicht an seiner äussersten Spitze. Etwas vor ihm befindet sich die contractile Vacuole (c. v), welche
auf der dem After entgegengesetzten Körperfläche ausmündet.
Der Makronucleus (N) ist kugelig und liegt in der Körpermitte; er wird stets von einem kleinen
Mikronucleus (ncl) begleitet. Der Makronucleus zeigt einen feinnetzigen Bau, welcher bei fixirten Exem-
plaren (Fig. 26) deutlicher hervortritt. Bei den letzteren unterscheidet man eine Kernmembran imd im
Netzwerke sehr kleine, stark lichthrecbende Körperchen. Der Mikronucleus erscheint homogen und lässt
sich nur sehr schwach tingiren.
D. Lieberkühni kommt sehr selten vor; ich fand es nur ein einziges Mal und dann war es nicht
in allzugroser Zahl vorhanden. Es lel)t in reinen Wässern und geht bei Fäulniss des Wassers schnell
zu Grunde.
Seine Bewegungen sind ziemüch rasch und bestehen im Vorwärtsschwimmen unter fortwährender
Rotation des Körpers um seine Längsachse; zuweilen schwimmt es auch rückwärts, jedoch nur auf kurze Ent-
fernungen, um darauf die Vorwärtsbewegung wieder einzuschlagen. An der Bewegung nehmen sowohl die
Cilien des Wimperkranzes, als die Körpercilien Antheil. Die ersteren stehen dabei unter einem Winkel
von circa 60 " zur Längsachse des Thieres und schlagen mächtig ; bei Rückwärtsbewegung werden sie voll-
kommen nach vorne umgeschlagen. Die Körpercilien erscheinen bei ruhig liegenden oder abgetödteten
Exemplaren wie Borsten; sie sind aber durchaus nicht steif, sondern sehr beweglich. Die Bewegungen, die
sie ausführen, erinnern sehr an die der Urotrioha- Wimpern , d. h. sie schlagen pendelartig ohne jeglich
scheinbare Ordnung.
Das Thier ist biegsam, im gewissen Grade auch contractu, jedoch nicht in dem Maasse wie Prorodon
oder Holophrya. Die Farbe ist gelblich grau, scheint aber mit der Art der aufgenommenen Nahrung in Be-
ziehung zu stehen. Zuweilen ist das Thier, infolge der grossen Menge gefressener Nabrungskörper (nk) voll-
kommen undurchsichtig imd sieht dann bei schwachen Vergrösserungen braungelb aus.
Es ernährt sich von Algen, thierischen Fetttropfen und kleinen Infusorien. Bei der Nahrungs-
aufnahme erweitern sich die Mundöflnung und der Stäbchenapparat ganz bedeutend , so dass relativ sehr
grosse Nahrungskörper verschluckt werden können. Beim Ergreifen der Nahrung wird die Mundöffnung weit
aufgesperrt, das Thier stürzt auf die Nahrung los und macht darauf eine plötzliche Rückwärtsbewegung, wo-
bei die Cilien des Wimperkranzes nach vorne umgeschlagen werden. Währenddessen hat die Nahrung schon
den Schlund passirt und befindet sich im Entoplasma.
Das beschriebene Infusorium bietet in systematischer Beziehung ein grosses Interesse, da es infolge
seiner Organisationsverhältnisse einen Uebergang von Holophrya oder vielmehr von Lacrymaria zu
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Didiuium bildet und somit eine enge Verwandtschaft dieser Gattungen erweist. Namentlich sind es die
Mund- und Schlundverhältnisse, wie die Bewimperung, welche viel Gemeinsames aufweisen und für die innige
Verwandtschaft dieser Formen sprechen. Ja, es Hesse sich sogar eine Ableitung der einen Form von den
anderen versuchen. Was zunächst die Gestalt des Mundes anbetrifft, so entspricht er vollkommen dem
von ürotricha und Didiuium, wogegen der Bau des Schlundes und des Stäbchenapparates an Holophrj'a
erinnert. Die Bewimperung bietet gleichfalls Anklänge an beide Formen; es erinnern einerseits die Körper-
cihen an Lacrjmaria und Holophrya, andererseits der Wimperkranz an Didinium. Infolge der stattgefundenen
Reduction der Körpercilien sind dieselben nur hinter dem Wimperkranze in spärlicher Zahl zurückgeblieben,
wogegen sie am Mundkegel rückgebildet sind. Bei Didinium ist die Eeduction, wie ich bereits erwähnt habe,
noch weiter fortgeschritten, da sämmtliche Körpercilien, mit Ausnahme jener des Wimperkranzes, verloren ge-
gangen sind. Die übrigen Organisationsverhältnisse stimmen vollkommen überein.
Die geschilderten Verhältnisse gestatten diese Form in keine der erwähnten Gattungen unterzubringen,
sodass ich mich Bütschli's Auffassung anschliesse, welcher für sie die Gattung Dinophrya errichtete. Die-
selbe wurde von Bütschli bei der Aufstellung der Infusoriengattungen für sein Protozoenwerk gegründet,
als er das Thier in den Abbildungen der Lieberkühn'schen unedirten Tafeln (42; Taf. 192, Fig. 1—6) unter
dem Namen Trichodina fand und seine Stellung resp. verwandtschaftliche Beziehung erkannte.
Es ist möglich, dass D. Lieberkühni schon von Eberhard beobachtet und unter dem Namen
Siagonophoros euglenoides (25; pag. 50, Taf H, Fig. 10) und später als Siagonophorus lori-
catus (26; pag. 25, Fig. 33) beschrieben wurde. Jedoch sind die Beschreibungen und Zeichnungen zu un-
genügend, als dass man die Identität mit Bestimmtheit behaupten könnte.
7. Lionotus fasciola. Ehrbg.
Wrzesniowski 67; pag. 33 (Leionotal uud G8; (Litouotusi pag. 500-501, Taf. XXII— XXIII, Fig. 29-32.
Kent 38; pag. 743-744, Taf. XLII, Fig. 5—11.
Bütschli 10; pag. 1372, 1388, 14G1, Taf. LIX, Fig. 6.
S.vnon: ? Vibrio fasciola. O. F. Müller 48; pag. 69-70, Taf. IX, Fig. 18-20.
Amphileptus lasciola. Ehreuberg 27; pag. 356, Taf. XXXVIII, Fig. 3.
Dujardin 24; pag. 485, Taf. XI, Fig. 17.
„ „ Cohn 18; pag. 434-435, Taf. XXII A, Fig. 6— 7.
„ Lacbmann 41; pag. 365 ff., Taf XIV, Fig. 12.
„ „ Diesing 22; p. 546.
massiliensis. Gourret et Eoeser 35; pag. 471— 472, Taf. XXIX, Fig. 2— 3.
? Dileptus folium. Dujardin 24; pag. 409, Taf. XI, Fig. 6.
Loxophj'llum fasciola. Claparfede et Lachmann 13; pag. 361—362.
duplostriatum. Maupas 44; pag. 502— 508, Taf XX, Fig. 1—4.
van Rees 54; pag. 9-10, Taf XVI, Fig. 2.
,, „ Andrussowa 3; pag. 256—257, Taf II, Fig. 14.
Litouotus trichocys tus. 8tokes 64; pag. 325, Taf. III, Fig. 17.
Taf. II, Fig. 27—30.
Mittelgrosse Thiere von 0,08—0,1 mm Länge und 0,017 — 0,02 mm Breite.
Körper lang und schmal, lanzettartig, seitlich abgeplattet und S-förmig gebogen. Nach vorne in
20
einen plattgedrückten, säbelartigen Hals verengt, welcher sich allmählich verschmälert und an der etwas
verbreiterten Spitze nach der Dorsalkante umbiegt (Fig. 27 und 28). Seine Länge entspricht ungefähr der
halben Totallänge des Körpers. Hinter dem Halse erweitert sich der Körper und läuft in einen ziemlich
spitzen, jedoch abgerundeten Schwanz aus, dessen Ende gewöhnlich nach der Ventralkante umgebogen ist
(Fig. 27). Die rechte Körperseite ist vollkommen llach und eben, die linke dagegen etwas gewölbt. Diese
Wölbung erhebt sich stärker am Hinterende des Körpers und kann bei reichlicher Erfüllung mit Nahrung
ganz bauchig (bis zu 0,025 mm Dicke) aufgetrieben werden. Auf der linken (gewölbten) Körperfläche befindet
sich längs der convexen Ventralkante in der ganzen Länge des Halses ehie Furche (F), in welcher die lange
Mundspalte liegt.
Nur die rechte (flache) Körperfläche (Fig. 28) und die Bauchkante (Fig. 29) sind mit sehr feinen,
verhältnissmässig kurzen (0,007 mm) Cilien bedeckt. Am dorsalen Rande der Furche zieht eine Reihe längerer
und stärkerer Cilien (Fig. 27 und 29) hin, welche von Duj ardin trefiend als Mähne (criniere) bezeichnet
wurden. Diese Cilien stehen auf besonderen Erhebungen — Papillen, welche dem linken Furchenrande
ein gekerbtes Aussehen verleihen. Die linke (gewölbte) Körperfläche (Fig. 27) ebenso wie die Dorsalkante
sind vollkommen wimperlos und nackt. Die Körpercilien der rechten Seite sind in 7 — 8 Längsfurchen
(J'ig. 28) angeordnet und stehen auf kleinen Papillen. Diese Cilienfurchen können nur bei gehungerten
Exemplaren mit Deutlichkeit wahrgenommen werden und sind sehr schmal. Auf der linken Körperfläche
sind nur 4 — 5 bedeutend tiefere Furchen, resp. Längsstreifen (Fig. 27), vorhanden, in welchen weder Cilien
noch Papillen stehen. Alle Cihenfurchen beginnen am Hinterende des Körpers, divergiren in der 31ittelregion
und stossen unter einem spitzen Winkel auf die beiden Ränder der Mundfurche (Peristom).
Am Ectoplasma unterscheidet man eine dünne Alveolarschicht (al) — deren äusserste Grenze
eine zarte Pellicula (p) bildet.
Das Entoplasma ist grob granulirt, erscheint jedoch am Schwanzende, sowohl wie im grüssten
Theil des Halses hyalin. Manchmal erstreckt sich das granulirte Entoplasma nur auf den Buckel der linken
Körperfläche und wird in solchem Falle allseitig von hyaUnem Protoplasma (Cortioalplasma) umgeben.
Die Mundöffnung (o) liegt in der Furche, unmittelbar am Ventralrand und bildet einen langen
Schlitz, welcher fast die ganze Länge der Furche einnimmt. Ein besonderer Schlund ist nicht vorhanden.
Am Ventralrande der Furche und senkrecht zu ihm steht eine Reihe ziemlich starker Tricho-
cysten (tr), welche parallel zu einander verlaufen und ausgeschnellt werden können. Die Trichocysten sind
auch im übrigen Körper vorhanden, geben jedoch hinter der Furche ihre parallele, reihenförmige Anordnung
allmählich auf imd liegen im Hinterkörper (Fig. 27) ganz unregelmässig zerstreut.
Der After (a) befindet sich am Hinterende des Körpers und zwar auf der Ventralkante. Etwas
vor ihm liegt die contractile Vacuole (c. v.), welche auf der Dorsalkante nach aussen mündet.
Der Makronucleus (N) besteht aus zwei ovalen Gliedern, welche durch einen feinen Verbindungs-
strang in Zusammenhang stehen. Im lebenden Zustande erscheint der Kern ziemlich stark lichtbrechend und
homogen; er wird von einem kleinen rundlichen Mikronucleus (ncl) begleitet. Der Verbindungsfaden
lässt sich nur an isolirten Kernen (Fig. 30) mit Sicherheit nachweisen und scheint aus derselben Substanz
wie die Kernmembran zu bestehen, da er dasselbe optische Verhalten zeigt und von Färbungsmitteln nicht
tingirt wird. Die fixirten Kerne (Fig. 30) zeigen eine feinnetzige Structur und enthalten zuweilen in der
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Mitte melirere dunkele, stark lichtbrechende und stärker tingirbare Körperchen. Der Mikronucleus ist zu
klein, als dass man etwas von seiner feineren Structur sehen könnte.
L. fasciola gehört zu den verbreiteten Infusorien und tritt gewöhnlich in ziemlich grosser Menge auf.
Er lebt auf dem Boden und hält sich zwischen Algen und anderen Wasserpflanzen auf. Er scheint putris-
cirende Flüssigkeiten zu ertragen, so dass man ihn leicht züchten kann.
Der Körper ist farblos und elastisch; der Hals im höchsten Grade biegsam und contractil. Die
Bewegungen, welche das Thier macht, sind nicht sehr rasch, obgleich es im reinen Wasser ziemlich behende
herumschwimmen kann. Zwischen den Algen bewegt er sich langsam gleitend, immer mit dem Halse voran-
gehend, welcher nach allen Seiten umhergeschlagen wird. Eigentliche Rotationsbewegungen kommen nicht
vor; er wälzt sich vielmehr bald auf die eine, bald auf die andere Seite und kehrt auf diese Weise dem
Beobachter seine verschiedenen Körperseiten zu. Auf einem Platze bleibt er nie ruhig liegen, sondern ist in
fortwährender Bewegung begriflen. Mit Hülfe der kurzen Körpercilien , welche auf der rechten Körperfläche
stehen, kann er auch, gleich den hypotrichen Infusorien, an Algen herumklettern — thut dies jedoch
ziemlich selten.
L. fasciola ist ein sehr gefi'ässiges Raub thier. Er ernährt sich von anderen kleinen Infusorien,
wie C}'clidium, Uronema etc. und überfällt selbst grössere Infusorien. Das Ergreifen der Nahrung ge-
schieht sehr schnell und erfordert blos einen Augenblick. Bei einiger Ausdauer gelingt es diesen inter-
essanten Process zu verfolgen, wozu sich ganz besonders gehungerte Exemplare eignen, denen man
Nahrung in reichhcher Zahl zuführt. Beabsichtigt der Lionotus ein Thier zu überfallen, so hält er für einen
Moment in seiner Bewegung inne und stürzt dann blitzschnell auf die Beute. Dabei erweitert sich die
Mundspalte in ihrer ganzen Länge sehr beträchtlich und die Beute fällt wie in einen Sack hinein, worauf
der Mund sich schliesst. Während des Ergreifens und Verschlingens der Beute schlagen die Cilien der
Mähne, welche am linken Rande der Furche stehen, sehr lebhaft einwärts zur Mundspalte und verursachen
einen starken Wasserstrom, welcher die Zufuhr der Nahrung ermöglicht. Zuweilen sieht man an der Stelle, wo
die Beute ergriffen wurde , einige ausgeschnellte Trichocysten liegen. Dieser Umstand führt unwillkürüch zur
Annahme, dass die Trichocysten beim Ueberfalle als Angriffsorgane gewirkt haben und den Zweck hatten,
die Beute in ihrer Bewegung zu paralysiren. Dieses ist aber blos eine Vermuthung, welche auch von
Maupas (44; pag. 505) ausgesprochen wurde. Ich konnte weder direkt das Ausschnellen der Trichocysten,
noch die daraus sich ergebenden Folgen beobachten. Das Thier begnügt sich selten mit einer Beute, sondern
setzt das Jagen fort und verschlingt gewöhnlich mehrere Infusorien nach einander. So fand ich z. B. bei einem
Individuum bis zu 6 Cyolidien im Entoplasma vor, welche in kurzer Zeit nach einander verschlungen wurden.
Andere dagegen wollten durchaus keine Nahrung aufnehmen.
Ich verfolgte auch die Verdauung der Nahrung. Sobald ein Infusorium (Cyclidium) verschlungen
wiu'de, bildete sich sofort um dasselbe ein Flüssigkeitstropfen, welcher es vollkommen umgab. Diese
sogenannte Nahrungsvacuole bewegte sich frei, obgleich ziemlich langsam im Entoplasma des Körpers herum,
wobei am Körper des aufgenommenen Thieres nicht uninteressante Veränderungen vorgingen. Zuerst ver-
schwanden die Cilien und die Borsten, darauf wurde die Körperstreifung und das Ectoplasma undeutlich und
das Thier ballte sich allmählich zu einem Klumpen zusammen, in welchem nur der Kern durchschimmerte.
Der Ballen schrumpfte unter stetiger Vergrösserung der Vacuole immer mehr zusammen, bis er ein Aussehen
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erhielt, nach dem man unmöglich sagen konnte, dass er aus einem Infusorium hervorgegangen sei. Bald
darauf wurde dieser Verdauungsrest per anum ausgestossen.
L. fasciola besitzt eine sehr reiche Sj-nonymie, wie es aus den oben angeführten Citaten zu er-
sehen ist. Die älteren Arbeiten, wie die von Ehrenberg, Dujardin, Claparede und Lachmann ent-
halten Beschreibungen, die sich nur auf den allgemeinen Bau beziehen. Eingehender wurde das Thier von
Wrzesniowski und Maupas untersucht, wobei letzterer es unter dem Namen Loxophyllum duplos-
triatum beschrieb. Beide Forscher geben an, dass die Mundöffnung, Trichocysten , und die stärkeren
adoralen Cilien am linken Seitenrande des Halses (Ventralkante nach mir) stehen, was auch mit meinen
Beobachtungen übereinstimmt. Da aber die Mundfurche von ihnen nicht beobachtet wurde, so konnte auch
die bezügliche Lage der adoralen Wimpern und Trichocysten nicht festgestellt werden. Die Cilienfurchen
der Bauchfläche (rechte Körperfläche nach mir), welche Wrzesniowski als Kippen deutet, sind eben-
falls von beiden Forschern gesehen, jedoch ihr Verlauf nicht erkannt worden. Maupas sah ausserdem noch
die breiten Furchen der Dorsalfläche (linke Körperfläche nach mir), welche er als Merkmal der Art (L.
duplostriatum n. sp.) betrachtete. Heber den Bau des Ectoplasmas liegen keine Angaben vor. Gleichfalls
wird nichts von einem Verbindungsstrange der beiden Glieder des Kerns erwähnt, aus welchem Grunde
Wrzesniowski auch von 2 Nuclei spricht.
8. Dileptus Anser. O. F. Müller sp.
Dujardin 24; pag. 407--409, Taf. VII, Fig. 17.
Perty 50; pag. 152; Taf. VI, Fig. 2-5.
Stein 60; pag. 61. 64, 80, 81 und 90.
Quennerstedt 51; pag. 44—45, Taf. I, Fig. 7,A— B, auch 53; pag 4—8, Fig. 8-12.
Diesing 22; pag. 552.
Bütschli 10; pag. 1290, 1364, Fig. 19, pag. 1372, 1388, 1461, 14G2, 1465, Taf. LIX, Fig 4a-g.
Synon.: Dileptus gigas. Wrzesniowski 68; pag. 504—509, Taf XXIII, Fig. 38-44.
Vibrio anser. O. F. Müller 48; pag. 73—74, Taf X, 7—11.
Amphileptus anser. Ehrenberg 27; pag. 355, Taf XXXVII, Fig. 4.
„ margaritifer. Ehrenberg 27; pag. 355, Taf XXXVII, Fig. 5.
„ „ Cienkowsky 12; pag. 302, Taf XI, Fig. 17—18.
„ moniliger. Ehrenberg 27; pag. 356, Taf XXXVIII, Fig. 1.
„ lougicollis. Ehrenberg 27; pag. 357, Taf XXXVIII, Fig. 5.
„ gigas. Clapar&de und Lachmann 13; pag. 349—350, Taf XVI, Fig. 3.
„ „ Ken t 38; pag. 524, Taf. XXVII, Fig. 68.
,. „ Daday 21; pag. 491.
„ monilatus. Slokes 65; pag. 102—103, Taf I. Fig 9.
Taf IIL Fig. 31—33.
Sehr grosse Thiere (eines der grösseren Infusorien) von 0,47— 0,6 mm Länge und 0,048—0,057 mm Breite.
Körper langgestreckt, cylindrisch, nach vorn in einen langen Hals oder Rüssel verschmälert, nach
hinten zugespitzt und in einen schwanzartigen Fortsatz auslaufend. Der Hals, welcher etwa % Totallänge des
Körpers erreicht, ist seitUch etwas platt gedrückt und säbelartig dorsalwärts umgebogen. Der Mund Hegt
an der Basis der Ventralseite des Rüssels.
Der ganze Körper wird von feinen, verhältnissmässig nicht langen Cilien bedeckt, die in Längsreihen
stehen und auf kleinen Papillen der Cilienfurchen befestigt sind. Dieselben beginnen am Hinterende des
23
Körpers und ziehen schraubig nach vorne (Fig. 31). Dabei stossen die ventralen auf den Mund , die seit-
lichen dagegen biegen um denselben herum und stossen unter einem spitzen Winkel (Fig. 32) auf die Ventral-
kante des Halses oder vielmehr auf das schmale, quergestreifte, etwas erhabene Band, welches beiderseits der
Ventralkante hinzieht vmd auf das ich weiter noch zu sprechen kommen werde. Auf diesem schmalen Bande
sind dichter gestellte und etwas längere Cilien befestigt, welche den Mund hinten umziehen und somit eine
adorale Zone bilden. Zwischen diesen Bändern, also genau auf der Ventralkante des Rüssels sind die grossen
und starken Trichocysten (tr) eingelagert; dieselben stehen sehr dicht an einander, jedoch ohne jegliche
Ordnung, aber immer senki'echt zur Oberfläche des Halses.
Die Alveolarschicht (al) des Ectoplasmas, nach aussen durch eine zarte Pellicula (p) begrenzt,
ist verhältnissmäss'g dick (bis 0,002 mm). Das Entoplasma ist grobmaschig und fein gekörnt. In ihm
bemerkt man in der ganzen Ausdehnung des Körpers (aber nicht im Rüssel) einzelne grössere Stäbchen
(tr), welche ähnlich wie die Trichocysten aussehen, aber grösser sind als diejenigen, Avelche am Halse stehen.
Der Mundapparat hegt, wie gesagt, an der Basis des Rüssels und zeigt einen sehr complicirten
Bau. Die rundliche Mundöflhung (o) liegt in der Mitte einer halbkugehgen Erhöhung (kp), welche fein
radiär gestreift ist und wahrscheinlich dem Mundfeldchen von Holophrya und Prorodon entspricht. Diese
kappenartige Hervorstülpung wird von einem wulstig aufgetriebenen Ringe umgeben, welcher ebenfalls radiär,
jedoch bedeutend gröber als die Kappe, gestreift ist. Derselbe ist nach vorne nicht geschlossen, nimmt all-
mähhch an Breite ab und setzt sich in zwei schmale, etwas erhabene, quergestreifte Bänder fort. Letztere
verlaufen , wie ich schon bemerkte , zu beiden Seiten der Ventralkante des Rüssels bis an seine vorderste
Spitze und sind mit einer Reihe adoraler Cilien besetzt.
Von der Mundöffnung (o) entspringt ein röhrenförmiger oder vielmehr trichterförmiger Schlund (oe),
dessen Wandung eine bedeutende Dicke besitzt. Sowohl die Mundöffnung, als der Schlund sind im höchsten
Grade erweiterungsfähig; bei der Nahrungsaufnahme können sie soweit aufgesperrt werden, dass der Rand
der Mundöffnnng fast bis an den ringförmigen Wulst herantritt. Unmittelbar unterhalb dem lezteren, in den
radiären Streifen und um die äussere Schlundwandung stehen zahlreiche, lange stäbchenartige Gebilde (st),
welche in ihrer gesammten Anordnung einen kegelförmigen Stäbchenapparat bilden und wahrscheinlich die
radiäre Streifung des Wulstes bedingen.
Der xAfter (a) liegt ventralwärts am .Hinterende des Körpers, gerade an der Stelle, wo derselbe
sich zu einem Schwänze verengt.
Die zahlreichen (gewöhnlich gegen 20) contractilen Vacuolen (c. v.) sind in einer Wellenhnie
längs der Dorsalseite des Körpers angeordnet. Sie beginnen am Hinterende und setzen sich auf eine Strecke
in den Hals fort, wo sie in einer geraden Linie liegen.
In den meisten Fällen ist der ganze Körper von D. Ans er mit zahlreichen (gegen 200) rundlichen,
verschieden grossen Körpern erfüllt. Dieselben erscheinen ziemlich stark lichtbrechend und homogen; im
fixirten Zustande besitzen sie einen feinnetzigen Bau und werden von Färbungsmitteln, wenn auch ziemlich
schwach tingirt. Zwischen ihnen lassen sich bei starken Systemen kleine und äusserst dünne Verbindungs-
stränge erkennen, welche jedoch nur an einigen Stellen zu sehen sind. Somit wäre man berechtigt, diese
Körper, ihrem allgemeinen Verhalten nach, für Kerne zu deuten. Dabei sprechen die Verbindungsstränge für
das Vorhandensein eines, und nicht mehrerer Kerne. Dieses umsomehr, da ich bei einigen Exemplaren,
24
einen langen, rosenkranzförmigen Kern gesehen habe, welchem mehrere kleine Mikron uclei anlagen. Der-
selbe ist auch von andern Forschern wie Ehrenberg (27; pag. 356), Stein (60; pag. 95), Stokes(65:
pag. 102), Bütschli (1876) und anderen gesehen worden. Dagegen beobachteten Maupas (44; pag. 653
Anmerk.) und Balbiani*) eine grosse Anzahl von Kernen oder Kernbruchstfickenffragments).
Dileptus Anser ist durchaus nicht selten, wenigstens habe ich ihn einige Male angetroifen, in
grösserer Zahl jedoch nur einmal. Er lebt immer auf dem Grunde des Wassers, wo er im Schlamme zwischen
den Algen herumschwimmt. Seine Bewegungen sind sehr majestätisch und gleichförmig; er schwimmt
immer mit dem Rüssel voran, sich fortwährend und langsam um die Längsachse wälzend. Er bedient sich
des langen Rüssels wie eines Tastorganes, da derselbe beim Herumschwimmen unaufhörlich nach allen Seiten
umhergeschlagen wird, und die im Wege liegenden Körper betastet. Im freien Wasser bewegt sich das Thier
bedeutend schneller, als zwischen den Algen, wobei es auch stark rotirt.
Der Körper ist bräunlich-gelb gefärbt und sehr biegsam; letztere Eigenschaft kommt ganz besonders
dem Rüssel zu.
Dileptus Anser ist ein sehr gefrässiges Raubthier. Er ernährt sich von lebenden Infusorien und be-
dient sich öfters des Rüssels, um die Nahrung dem Munde zuzuführen. Beim Ergreifen der Beute werden
Mund imd Schlund weit aufgesperrt, so dass ziemlich grosse Thiere aufgenommen werden können. Die
Verdaiumg der Nahrung vollzieht sich auf dieselbe Weise, wie es bei Lionotus geschildert wurde.
Am eingehendsten ist D. Anser in der neueren Zeit von Wrzesniowski geschildert worden, wo-
gegen die früheren Beschreibungen sich nur auf die allgemeinen Organisationsverhältnisse beziehen. Ich will
nur kurz die Punkte erwähnen, in welchen meine Beobachtungen von jenen Wrzesniowski"s abweichen.
Das Vorhandensein einer deutlichen Alveolarschicht sammt Pellicula spricht für die Sonderung des Proto-
plasmas in zwei Abschnitle, welche von Wrzesniowski verneint wird. Dann stehen an der Bauchkante
des Halses die Trichocysten (stäbchenförmige Körper) nicht in einer Reihe, sondern in einem ziemlich
breiten Band; die adoralen Wimpern stehen nicht nur an der rechten Rüsselkante und um den Mund,
sondern auch an der linken und ziehen da ebeufalls bis zur Rüsselspitze hin. Die Mund- und Schlund-
verhältnisse, welche Wrzesniowski angiebt, stimmen ziemlich mit dem, was ich gesehen habe, überein.
Nur möchte ich die Längsstreifen des Schlundes, nicht als Längsfalten (Wrzesniowski), sondern als stäbchen-
artige Gebilde deuten, da sie auch am erweiterten Schlünde sehr deutlich zu sehen sind. Meiner An-
sicht nach stehen dieselben in Reihen und zwar in den Radiärstreifen des ringförmigen Mundwulstes, wo-
gegen nach der Auffassung Bütschli.'s die Stäbchen plattenartig sind und jeder Radiärstreifen einem
Stäbchen entspricht. Schhesslich liegt der After nicht am Rücken (Wrzesniowski), sondern ebenso wie bei
anderen von mir untersuchten Infusorien entschieden auf der Bauchseite.
*) E. G. Balbiani. Eecherches exiH'rimentales .snr la iiK'rotnmie des infusoires cilit's. Recueil zoolog. Tome V
fasc. 1. 1888. pag. 60—61.
25
9. Nassula elegans. Eln-bg.
Ehrenberg 27; pag. 339, Taf. XXXVII, Fig 1.
Duj ardin 24; pag. 497 498.
Cohn 19; pag. 143—14(5, Taf. YII B, Fig. T— G.
Stein 60; pag. 90, 100 und 112.
Diesing 22; pag. 558.
Mereschkowsky 4(j; pag 256.
Bütschli 10; pag. 1264, 1328, 1372, Fig. 21, pag. 1373, 1395, 1459, 1463.
Synon.: N. flava. Claparfede et Lach mann 13; pag. 327—329, Taf. XVII, Fig. 6.
Gourret et Roeser 35; pag. 462—463, Taf. XXVIII, Fig. 8.
? K. hesperidea. Eutz 30; pag. 331—336, Taf. XXI, Fig. 1—5.
Taf. III. Fig. 34-3S.
Mittelgrosse Thiere von 0,1 — 0,14 mm Länge und 0,06—0,09 mm Breite.
Körper eiförmig, hinten breiter als vorne und dorso-ventral schwach comprimirt. Das vordere
Körperende unbedeutend nach links umgebogen, so dass die linke Körperseite in der Vorden'egion etwas aus-
gehöhlt erscheint. Mundöflnung (o) im vorderen Körperviertel auf der Ventralfiäche gelegen.
Der ganze Körper ist von ziemlich langen und dünnen Cilien gleichmässig bedeckt. Dieselben sind
in Längsreihen angeordnet und stehen auf kleinen Papillen eingepflanzt, welche in ihrer Gesammtheit den
Anschein der Längsstreifung bedingen. Diese Cilienpapillen sind besonders deutlich auf optischen Durch-
schnitten (Fig. 37 und 38) zu sehen und verleihen dem Körperrande ein gekerbtes Aussehen. Die Körper-
streifen verlaufen meridional vom hinteren zum vorderen Körperpole; auf der Ventralfläche ziehen sie um
den Mund, biegen sich gegen einander und stossen paarweise winklig zusammen. Auf diese Weise erscheint
das vordere, vor der Mundöflnung gelegene Körperende winklig gestreift, wobei die Linie der Zusammen-
stossungspunkte der Streifen etwas schief nach vorn und links aufsteigt. Die median gelegenen Streifen der
Ventralfläche biegen nicht um den Mund herum, sondern stossen auf den unteren Mundrand. Ausser den
Körpercilien ist bei N. elegans noch eine sog. adorale Zone (Fig. 3-4 und 35 ad. w) von stärkeren Wimpern
(sogenannten Girren) vorhanden. Dieselben sind bedeutend grösser und stärker als die Cilien, nach der Basis
verdickt, so dass sie im optischen Querschnitte ellipsoidal erscheinen. Die Zone beginnt am vorderen Rande
des Mundes (Fig. 34 ad. wi, biegt um seinen rechten und unteren Rand herum und zieht ein wenig schief nach
vorn und links. Sie setzt sich über die ganze linke Körperseite fort, begiebt sich auf die Dorsalfläche (Fig. 35
ad. w) und erreicht beinahe die rechte Körperseite. Diese Zone zieht in einer seichten Furche, welche be-
sonders deutüch am linken Körperrande zu sehen ist, an welcher Stelle die Ectoplasmaschicht auch etwas
dünner erscheint (Fig. 35).
Das Eatoplasma (Fig. 34, 35, 37 und 38 b) ist anscheinend homogen und ziemhch stark hcht-
brechend. Seine äusserste Grenze bildet eine zarte Pellicula (p). Zwischen dem Ectoplasma und dem körnig-
wabigen Eutoplasma (en) bemerkt man noch eine dünne, fein radiäre Schicht von Corticalplasma (cp),
welche ein schwächeres Lichtbrechungsvermögen als das Ectoplasma zeigt. Ihre Sonderung documentirt sich
noch darin, dass sie an den lebhaften Strömungen des Entoplasmas, welche bei diesem Infusor so schön zu
sehen sind und schon früher vielfach beobachtet wurde, keinen Antheil nimmt und ferner dass keine
Nahrungskörper in sie eintreten. Diesem Corticalplasma sind die Trichocysten (tr) eingelagert, welche
Bibliotheca zoologica. Heft 3. 4
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senkrecht zur Körperoberfläche stehen und durchaus nicht bei allen Exemplaren angetroffen werden. Da die Tri-
chosysten die Dicke der Corticalplasmaschicht bedeutend übertreöen und somit mit ihrem hinteren Ende in das
Entoplasma hineinragen , so erhalten sie öfters infolge der starken Circulation des Entoplasmas eine ganz
unregelmässige Stellung (Fig. 34 tr). Dem Corticalplasma ist auch der bekannte Pigmentfleck (Fig, 34 n.
35 pij eingelagert, welcher gewohnlich auf der linken Seite des vorderen Körperendes gelegen ist.
Die Mundiiffnung (o) liegt in der Tiefe einer beutelartigen Einsenkung , welche sich auf der
Ventralfläche im vorderen Körperviertel befindet und als Vorhöhle (vh) zu bezeichnen wäre. Im ge-
schlossenen Zustande ist die Mundöffnung eng, kreisförmig, kann sich jedoch bei Nahrungsaufnahme
ganz bedeutend erweitern. An dieselbe schliesst sich ein dünner plasmatischer Kragen (Fig. 36 kr) an,
welcher dem vorderen Ende des Reusenapparates (St) dicht anliegt. Bei Isolirung des letzteren bleibt
der Kragen mit ihm fest im Zusammenhange und erscheint als eine ringförmige Membran. Dieser plas-
matische Kragen besitzt eine feine Radiärstreifung und bedingt aller Wahrscheinlichkeit nach die Verengung
und Erweiterung der Mundöffnung.
Der Reusenapparat bildet eine ziemlich lange Röhre, welche vorne kolbenartig aufgetrieben ist und
sich nach hinten allmählich verschmälert. Seine Länge variirt bei verschiedenen Exemjilaren ganz bedeutend
und kann zuweilen sogar die halbe Körperlänge erreichen. Der Reusenapparat zieht vom Munde etwas dor-
sal wärts und nach hinten links; er wird aus zahlreichen (gegen 16) dicht nebeneinander gelagerten, stäbcheu-
artigen Gebilden aufgebaut, welche meist einen schraubigen Verlauf besitzen und bei Isolirung des Schlund-
apparates nicht auseinander fallen. Dieselben bestehen aus einer homogenen, ziemlich stark hchtbrechenden
Substanz, welche sich gegen Pepsin ähnlich wie die Körpercilien verhält und demnach wahrscheinlich aus
demselben Stoße bestehen. Ich behandelte nämlich Thiere, welche mit kochendem Wasser abgetödtet und
durch ein Gemisch von Alkohol und Äether entfettet wurden, mit einer sauren Pepsinlösung ^) und fand, dass
die Stäbchen des Schlundapparates , sowie die Körpercilien sofort, die Alveolarschicht erst nach einigen
Minuten aufgelöst wurden. Das Entoplasma dagegen, wie die Kernhülle, wurde bei einer Temperatur von
38 " C. gewöhnlich erst nach mehreren Stunden (12 — 18) verdaut. Als Residuum blieb nur ein geringer
Theil vom Entoplasma und ein erheblicher Theil der Kernsubstanz (Nuclein) zurück, welche insofern
im weiteren Verhalten zu Reagentien differirten, als das erstere von einer 10 <>/„ Sodalösung vollkommen,
dagegen das letztere nur theilweise (unlösliches Nuclein Zacharias 69) aufgelöst wurde. Bei Behandlung
mit warmer Natronlauge wurde auch dieser Rest vollkommen gelöst. Aus diesem Veihalten wäre man be-
rechtigt zu schliessen, dass der Stäbchenapparat sehr wahrscheinlich aus einem Eiweisskörper besteht.
Dieser Reusenapparat ist verschiebbar und wird bei Nahrungsaufnahme stark vorgeschoben, so dass
er sogar mit der Mundöflnung aus der Vorhöhle hügelartig vorstehen kann. Nach Analogie mit den entspre-
chenden Organen, welche wir bei Holophr3'a, Prorodon und anderen beobachteten, liegt die Vermuthung
nahe, dass er einen besondern Schlund umschliesst. welcher eine Fortsetzung des Mundes bildet. Derselbe
wurde jedoch direkt nicht beobachtet und muss wahrscheinlich sehr kurz und unansehnlich sein.
i
*) 13 Gramm abpräparirter Schleimhaut eines Schweinemageiis mit 500 Ccm ^V'asser und 8 Ccm offic. Salzsäure
24 Stunden bei 40" C. digerirt; tlurch Leinewand gepresst und 3 mal liltrirt. Die Lösung reagirte sauer und löste Fibrin
mit Leichtigkeit auf.
Der After (a) liegt am ventralen hinteren Körperende in einem der Rippenstreifen und ist nur
während der Entleerung von Excrementen wahrnehmbar.
Die contractile Vacuole (c. v.) liegt in der Mittelregion des Körpers und zwar in der rechten
Hälfte: sie mündet durch einen deutlich wahrnehmbaren Porus auf der Dorsalfläche nach aussen.
Der Makronucleus (N) ist ziemlich gross, oval und von feinnetzigem Bau. Er wird von einem
anliegenden, kleinen, rundlichen Mikronncleus (ncl) begleitet, welcher ein homogenes Aussehen besitzt.
Die Lage des Kerns ist nicht konstant, weil er infolge der starken Plasmacirculation gewöhnlich im Körper
herumgeführt wird. Er ist jedoch meist in der hinteren Körperhälfte anzutreffen.
Bei dieser Art gelang es noch eine Erscheinung nachzuweisen , welche unter den Infusorien nicht
sehr verbreitet ist. Bei fast allen untersuchten Exemplaren war nämlich die Körperoberfläche von einer
continuirlichen Gallerthfllle (Fig. 34, 35, 37 und 38 g) bedeckt. Dieselbe ist meist sehr dünn (0,001 mm),
kann jedoch bei einigen Exemplaren viel dicker werden (Fig. 85), so dass nur die Cilienenden aus
ihr hervorragen. Die Bewegung der Thiere ist dann ziemlich beeinträchtigt. Die Gallerthülle lässt an
lebenden Thieren sich schwer wahrnehmen, namentlich wenn sie sehr dünn sind. Leichter tritt sie an ab-
getödteten hervor, lunsomehr da sie sehr quellbar ist, speciell bei Einwirkung von schwachen Säuren oder
Sodalösung. Bei einem Exemplare quoll die Gallerthülle (Fig. 88 g) nach zweistündiger Behandlung mit
5 ö/o Sodaiösung so bedeutend auf, dass sie die ursprüngliche Dicke um das zehnfache übertraf und nun die
Cilien vollkommen einschloss. Auch an lebenden Thieren gelang es die Hülle sicher nachzuweisen. Ich
leitete nach Klebs' (39) Vorschlage schwache wässerige Lösungen von Fuchsin oder Methjienblau unter dem
Deckglas durch, worauf sich die Gallerthülle nach einiger Zeit schwach roth oder blau färbte. Die Tbiere
ertragen jedoch diese Flüssigkeit nicht und gehen bald zu Grunde; dabei tritt eine schwache Quellung der
Gallerte auf und die Färbung wird intensiver. Nach einiger Zeit erblasst dieselbe von neuem, indem der Farb-
stoff durch die Gallerte durchdringt und vom Protoplasma aufgenommen wird. Setzt mau frischen Farbstoö'
hinzu, so wiederholt sich die Erscheinung von neuem. Von diesen Farbstoflen (namentlich von Methylenblau)
werden auch die Körpercilien tingirt, wobei ich mich deutlich überzeugen konnte, dass dieselben wenigstens bei
dieser Art nicht gleich dick sind, sondern nach dem Ende spitz auslaufen. Es gelaug mir auch bei einem
Exemplare die Gallerthülle zu isoliren. Nachdem dieselbe schwach gefärbt war, drückte ich vorsichtig mit
der Präparirnadel auf das Deckglas — das Thier schlupfte sammt den Cilien aus der Hülle heraus und
schwamm lebhaft davon, ging aber sehr bald zu Grunde. Die zurückgebliebene Gallerte färbte sich intensiver,
liess aber keine besondere Structur erkennen.
Nassula elegans gehört nicht zu den häufigsten Infusorien; wenigstens konnte ich sie nur 2 oder
3 mal beobachten und zwar nur einmal in grossen Mengen. Sie hält sich meist an der Wasseroberfläche
zwischen Algen auf. Sie schwimmt schnell umher, wobei sie sich meist um ihre Längsaxe dreht. Der Körper
ist elastisch und formbeständig. Die Farbe ist schwach grünlich-weiss , jedoch sehr wechselnd und steht
sicherlich mit der Art der aufgenommenen Nahrung in Beziehung. Auch scheint die Farbe des sogennanten
Pigmentfleckes (pi) davon abzuhängen. Die Nahrung besteht gewöhnlich aus einzelligen Algen und Diatomeen ;
mit besonderer Vorliebe ernährt sich Nassula elegans von Oscillariaceen, bei deren Verdauung sich die be-
kannten violetten oder blauen Flüssigkeitstropfen oder Vacuolen bilden. Auf die Entstehung derselben, wie auf
den ganzen Verdauungsakt werde ich bei der folgenden Art näher eingehen.
4*
28
Die Beschreibungen, welche wir von Nassula elegans besitzen, sind mangelhaft und beziehen sich
nur auf gröbere Organisationsverhaltnisse. Die Streifung, der Bau des Entoplasmas und der feinere Bau des
Schlundapparates wurden von den früheren Forschern fast gar nicht berücksichtigt. Die zum Munde führende
Vorhöhle erkannte schon Eutz bei N. microstoraa (30; pag. 337, Taf. XXI, Fig. 8). Den Verlauf der
adoralen Wimper- oder vielmehr Cirrenzone beschrieb bereits Stein (60; pag. 112) vollkommen richtig. Entz
(30; pag. 332) dagegen verfiel in einen Irrthum, indem er sie auf der Rückenfläche übersah und auf
der Bauchseite in einem Bogen nach dem vorderen Körperende verlaufen liess. Ueber die Zahl der con-
tractilen Vacuolen schwanken die Angaben sehr. Ehrenberg (27; pag. 339) fand ihrer drei, wogegen
Cohn (19; pag. 144) \ne Claparede und Lacbmann (13; pag. 828) nur zwei beobachtet haben wollen.
Ich kann mit Sicherheit behaupten, dass wenigstens bei allen von mir untersuchten Exemplaren nur eine
einzige in der Mittelregion des Körpers vorhanden ist. Es unterUegt keinem Zweifel, dass die von Clapa-
rede und Lachmann als N. flava fl3; pag. 327—329) beschriebene Art mit der unsrigen identisch ist, da
die geschilderten Organisationsverhältnisse, abgesehen von den in Zweizahl vorhandenen contractilen Vacuolen,
vollkommen denen der N. elegans entsprechen. Ferner scheint es mir wahrscheinhch , dass auch die
N. hesperidea von Entz (30; pag. 331 — 336) mit der X. elegans identisch ist, umsomehr da diese Ver-
muthung auch von Eutz ausgesprocheu wird.
10. Nassula aurea. Elabg.
Ehrenberg 27; pag. 340, Taf. XXXVII, Fig. 3.
Dujardin 24; pag. 497.
Perty 50; pag. 147, Taf. IX, Fig. 3a— t.
Stein (50; pag. «8 und 112.
Diesing 22; pag. 557.
Btttschli 7; pag. 660 und 672, Taf. XXVI, Fig. 20 und 23 (nach persönHcher Mittheil. Bütschli's). 10;
pag. 1264, 1366, Fig. 20, pag. 1367, 1369, 1372, 1395, 1396, 1420, 1459, 1462, 1472, Taf. LX, Fig. 4a— f.
Synon: N. ornata. Ehrenberg 27; pag. 339—340, Taf XXXVII, Fi^'. 2.
Kent 38; pag. 494-495, Taf XXVI, Fig. 42 und 50.
„ viridis Dujardin 24; pag. 495, Taf. XI, Fig. 18.
Cienkowsky 12; pag. 301—303, Taf X, Fig. 1—10.
Chilodon aureus Ehrenberg 27; pag. 338, Taf XXXVI, Fig. 6.
ornatus „ " 27; pag. 338, Taf XXXVI, Fig. 9.
Acidophorus ornatus. Stein 59; pag. 59 auch 306; pag. 63.
Taf. in. Fig. 39—46.
Diese Art unterscheidet sich von der vorhergehenden N. elegans abgesehen von der beträchtlicheren
Grösse durch die allgemeine Gestalt und durch den complicirteren Bau des Reusenapparates. Die übrigen
Unterschiede sind sehr gering, so dass ich auf dieselben nur kurz einzugehen brauche.
Grosse Thiere von 0,22— 0,24 mm Länge und 0,1 -0,14 mm Breite.
Köi-per länglich, ellipsoidal, auf der linken Seite vorn etwas eingebuchtet und dorsoventral schwach
abgeplattet. Vorne abgerundet und nach hinten spitz auslaufend. Mundöffnung auf der Ventralfläche im
vorderen Körperviertel.
Der ganze Körper von feiuen nicht besonders langen Cilien gleichmässig bedeckt. Dieselben stehen
in Längsreihen auf kleinen Papillen, welche die Längsstreifung bedingen. Die Cilienpapillen jeder Längsreihe
29
stehen durch einen zarten vorspringenden Saum unter einander in Verbindung, wodurch auf optischem Durch-
schnitte ein Bild erzeugt wird, welches in Fig. 43 wiedergegeben ist. Untersucht man diese Längsstreifen
(Fig. 45 Is) genauer, so findet man, dass dieselben nicht vollkommen gerade verlaufen, sondern zickzack-
fürmig sind, was mit der Anordnung der Cilien zusammenhängt. Ausser dem longitudinalen Plasmasaum
erbhckt man noch Querstreifen (Fig. 45 qs), welche die winkligen Knickungsstellen der Längsstreifen ver-
binden. Auf diese Weise entstehen hexagonale vorspringende Maschen, in deren Ecken die Cilien stehen.
Diese Längsstreifen verlaufen genau ebenso wie die der vorigen Art, nur stehen sie etwas dichter an einander
und stossen vor dem Munde nicht winklig zusammen, sondern biegen mehr bogenartig um den vorderen
Mundrand herum. Die adorale VVimperzone (Fig. 39 ad. w) zieht in einer tieferen Furche und greift nicht
so weit auf die Dorsalfläche herüber, als bei N. elegans. Auch sind ihre Girren kleiner und in grösserer
Zahl vorhanden, wobei in jedem Längsstreifen eine Girre steht.
Am Ectoplasma ist eine deutliche Alveolarschicht (Fig. 39 und 43 al.) zu unterscheiden, deren
änsserste Grenze eine dünne Pellicula (p) bildet. Auf dem optischen Längsschnitt sind die radiären Waben-
wände der Alveolarschicht so geordnet, dass jeder Cilie ein ßadiärbalken (Fig. 43) entspricht. Auf diese
Weise erscheint die Alveolarschicht von oben gesehen ziemlich regulär sechseckig (Fig. 44). Das tiefer liegende
Gorticalplasma (cp) ist sehr deutlich und besitzt ebenfalls einen radiären Wabenbau. Trichoc.vsten
welche sonst bei N. aurea häufig vorkommen, fehlten den von mir studirten Thieren.
Die Mundöffnung (o) hegt wie bei N. elegans in der Tiefe der beutelartig eingesenkten Vorhühle
(Fig. 40 vh), deren Wand längsgefaltet ist (Fig. 42 w. vh). An die Mundoffnung schliesst sich ein breiter
plasmatischer Kragen (Fig. 40—42 kr) an , welcher schraubig radiärgestreift ist und dem distalen Ende des
Schlundapparates eng anliegt. Die Mundöfitiung, ebenso wie der plasmatische Kragen sind sehr erweiterungs-
fähig. Bei zurückgezogenem Schlundapparate (Fig. 40) erscheint die erstere eng kreisförmig, der Kragen
dagegen halbkugelig gekrümmt. Wird der Schlundapparat bei der Nahrungsaufnahme nach vorne geschoben
oder sogar zuweilen aus der Vorhöhle hervorgestossen , so erweitert sich die Mundoffnung sammt dem plas-
matischen Kragen ganz bedeutend (Fig. 41), wobei der letztere wie ein kurzer Cyhnder erscheint, dessen
distaler Rand nach aussen umgebogen ist. Der Schlundapparat ist stumpf kegelförmig und wird aus einzelnen
etwas schraubig verlaufenden Stäbchen aufgebaut. Er ist bedeutend enger als bei N. elegans und nimmt
eine etwas dorsalwärts nach hinten und links gerichtete Lage ein. Als weitere Gomplication des Schlund-
apparates von N. aurea bemerkt man, dass sein vorderer Abschnitt von zwei plasmatischen Ringen (r) um-
zogen wird, welche aus einer anscheinend homogenen Substanz bestehen und wahrscheinlich durch C'ontraction
das Hinunterwürgen der Nahrungskörper befördern.
Der After (a), ebenso wie die contractile Vacuole (c. v) besitzen dieselbe Lage wie bei N.
elegans, indem der erstere auf der Ventralfläche im hinteren Körpereude und die letztere in der Mitte des
Körpers liegt und dorsalwärts ausmündet. Interessant ist das Spiel der contractilen Vacuole, welches leicht
wahrzunehmen ist. Der deutlich begrenzte Perus (Fig. 39 und 4(3 p. e) der contractilen Vacuole, welcher
auf der Dorsalfiäche zwischen zwei Cihenstreifen liegt, setzt sich in einen kegelförmig erweiterten und seit-
lich abgeplatteten Kanal (Fig. 46) fort, welcher bis an das Entoplasma reicht. An dieser Stelle und zwar im
Entoplasma, wird stetig die contractile Vacuole gebildet. Sobald dieselbe im Wachsen begriffen ist, also
während der ganzen Diastole ist der ausführende Canal durch eine dünne Plasmawand abgeschlossen. Nach-
30
dem die secundäreii contractilen Vacuolen, welche ventralwärts von der Hauptvacuole sich ansammeln eine
gewisse Grösse erlangt haben, erfolgt die Systole der Hauptvacuole, indem die dünne Plasmawand durch-
brochen und der Inhalt der Vacuole nach aussen entleert wird. Gleichzeitig damit fliessen die secundären
Vacuolen zu einer neuen Hauptvacuole zusammen, die wiederum durch eine dünne Plasmaschicht nach
aussen abgeschlossen ist.
Der Makronucleus (N) ist gross, kugelig und feinnetzig gebaut. Er wird gewöhnlich von
mehreren (bis zu .3) kleinen, dicht anliegenden Mikronuclei (ncl) von feinkörnigem Bau begleitet: letztere
besitzen eine dünne Kernmembran. Der Kern wird durch den Strom des Entoplasmas umbergeführt und ist
gewöhnlich in der hinteren Körperhälfte anzutreffen.
Nassula aurea gehört ebenfalls zu den seltneren Infusorien; ich traf sie nur ein einziges Mal»
jedoch in ziemlich grosser Menge. In Lebensweise und Bewegungsart diff'erirt sie gar nicht von der erst-
bescbriebenen Art, so dass ich hierauf nicht einzugehen brauche. Die Farbe ist goldgelb, kann aber sehr
wechseln und steht sicherlich mit der Natur der aufgenommenen Nahrung in Beziehung.
N. aurea ernährt sich mit grosser Vorliebe von Oscillariaceen. Bei der Ergreifung der Nahrung
wird, wie ich schon beschrieben habe, der Schlundai)parat vorgeschoben und die Oscillarie gelangt in Folge
des durch die Bewegung der adoralen Wimperzone erzeugten Wasserstrudels in die erweiterte Mundöffnung.
Gleich darauf zieht sich der plasmatiscbe Kragen zusammen und der ganze Schluudapparat wird rasch ein-
gezogen. Währenddessen passirt die Oscillarie langsam durch den Stäbchenapparat, gelangt in das Ento-
plasma und wird später von einem schmalen Flüssigkeitssaum umgeben. Somit erhalten wir eine Nahrungs-
vacuole, in welcher die Oscillarie suspendirt ist (Fig. 39 nki i. Dieselbe wird von der lebhaften Protoplasmacir-
culation herumgeführt und erfährt dabei gewisse Veränderungen. Zuerst bemerkt man, dass die scharfen
Grenzen des Oscillarienfadens allmählich zu schwinden beginnen, wobei die Nahrungsvacuole eine blauviolette
Farbe annimmt (Fig. 39 nk2 und nks), die immer intensiver wird. Bald darauf entstehen im Umkreise der
Nahrungsvacuole kleine blaue Tröpfchen, welche mit den benachbarten zusammenfliessen und grössere Tröpfchen
bilden, die im Körper weiter geführt werden. Auf diese Weise wird bei weiter fortschreitender Verdauung
den Nahrungsvacuolen allmählich der gesammte blaue Farbstoff entzogen und in Tröpfchen im vorderen
Körperende (in der Nähe des Pigmentflecks) angehäuft. In der entfärbten Nahrungsvacuole bleiben schliess-
lich einzelne braungelbe Nahrungsreste zurück (Fig. 39 nki), welche per anum ausgestossen werden. In
einigen der blauen Tröpfchen bemerkt man noch 1 — 2 kleine stark lichtbrechende Kürperchen, welche
jedoch erst nachträglich gebildet werden müssen, da ich dieselben bei der Entstehung der blauen Tröpfchen
aus den Nahrungsvacuolen niemals wahrnehmen konnte.
Dieser ganze geschilderte Vorgang wäre folgendermassen zu erklären. Wie bekannt, besitzen die
Oscillariaceen, gleich anderen Cyanophyceen ausser dem Chlorophyll noch zwei andere Farbstoffe: einen im
durchfallenden Lichte blau und im auffallenden roth erscheinenden, schon im kalten Wasser löslichen Farb-
stoff-Phycocyan (Kützing) und einen goldgelben Phycoxanthin (Nägeli), welcher nur in Alcohol lösHch
ist.*) Bei der Verdauung wird das Phycocyan, wahrscheinlich mit anderen Substanzen, wie z. B. Oelen oder
Fetten entzogen und bildet dann mit diesen den Inhalt der blauen Tröpfchen, deren Färbung von ihm
I
*) Näheres über diese Farbstoile bei J\I. Kraus (40; pag. L'ft— 35;.
31
herrührt. Dagegen erscheinen die per anum auszustossenden Verdauungsreste durch den in ihnen enthaltenen
Phycoxanthin goldgelb bis braungelb gefärbt. Auch das chemische Verhalten der Körper spricht für diese
Erklärung. Zerdrückt man eine Nassula unter dem Deckelglase, so lösen sich die blauen Tröpfchen im um-
gebenden Wasser vollkommen auf, eine Eigenschaft, die das Pbycocyan characterisirt. Behandelt man das
Thier mit kochendem Wasser, so verschwindet die Farbe der blauen Tröpfchen im Thierkörper, indem sie
vom Wasser aufgelöst wird; dasselbe geschieht auch beim Absterben der Thiere. Die braungelben Ver-
dauungsreste bleiben aber unverändert, weil das Phycoxanthin in Wasser unlöslich ist; dieselben werden jedoch
von Alkohol entfärbt. Was die kleinen, stark lichtbrechenden Inhaltskörper anbetrifft, die nachträglich in
den blauen Tröpfchen auftreten, so wären sie nach ihrem Verhalten gegen Reagenzien für Fett zu erklären.
Sie sind unbislich in kochendem Wasser, Pepsinlösung und absolutem Alkohol; dagegen löslich in einem
Gemisch von Alkohol und Aether; und werden von f/o Osmiumsäure geschwärzt. Beim Zerfliessen des Thieres
lösen sich die blauen Tröpfchen in Wasser auf, wogegen die kleinen stark lichtbrechenden Körperchen, welche
in einigen Tröpfchen anzutreffen sind, unverändert zurückbleiben; sie behalten sogar ihre blaue Färbung,
welche erst nach 2— .3 Stunden verschwindet. Auf welche Weise diese Fettkörperchen in den blauen Tröpfchen
entstehen, bleibt noch unerklärt. Gleichfalls unerklärt bleibt auch die Thatsache, wesshalb die blauen
Tröpfchen sich an einer Stelle der vorderen Körperregiou ansammeln. Unterwirft man das Thier einer
kleinen Pression (unter dem Deckglase), so werden die blauen Tröpfchen von dieser Stelle fortgeführt und im
ganzen Körper vertheilt. Nach aufgehobener Pression sammeln sie sich von neuem an demselben Orte zu-
sammen. Die verschiedenen auf einander folgenden Stadien der Verdauung sind in Fig. 39 nki— nki
dargestellt.
Die älteren Beschreibungen von N. aurea sind ziemlich mangelhaft, namentlich in Bezug auf die
Körperstreifung und den feineren Bau des Ectoplasmas und Eeusenapparates. Die adorale Zone wurde schon
von Stein (60; pag. 112J)in ihrem Verlauf richtig erkannt. Ebenso ist der eine plasmatische Ring,
welcher den Schlundapparat umgiebt, schon von Lieberkühn (42; unedirte Tafeln) beobachtet worden und der
zweite erst später von Bütschli (7); letzterer beschrieb auch die in der Mehrzahl vorhandenen Mikronuclei.
Dass die Farbe der blauen Vacuolen von anwesendem Phycocyan herrührt, bemerkte bereits noch Cohn
(19; pag. 44); jedoch gelang es ihm nicht, den ganzen Vorgang der Verdauung zu verfolgen. Die von
Ehrenberg als N. ornata (27; pag. 339—340) und von Dujardin als N. viridis (24; p. 495) beschriebenen
Arten sind unzweifelhaft mit N. aurea identisch. Dasselbe gilt wohl auch von Chilodon aureus und
ornatus. Ehrbg. (27: pag. 338), worauf schon Stein (60; pag. 111) seinerzeit hingewiesen hat.
32
11. Glaucoma scintillans. Blirbg
O'
Ehren berg '27; pag. 335, Taf. XXXVI, Fig. 5.
Dujardin 24; pag. 476 -477, Taf. VI, Fig. 13. Taf. VII, Fig. 8 und Taf. XIV, Fig. 4.
Perty 50; pag. 147, Taf. V, Fig. 11.
Stein 58; pag. 250—251, Taf. VI, Fig. 45-53, aucli GO; pag. 74 und 188.
J. Samuelsou 55; pag. 18-19.
Claparede und Laclimann 13; pag. 277.
Die sing 23; pag. 76 — 77.
Fromentel 34; pag. 188 und 306, Taf XVI, Fig. 2, Taf. XXI, Fig. 24.
Kent 38; pag. 795-796, Taf XLV, Fig. 39 -40.
Maupas 44; pag. 465-467, Taf. XIX, Fig. 23-24.
Bütschli 10; pag. 1345, 1377, 1395, 1417, Taf. LXIT, Fig. 5a-b.
Syuon: Aconiia? Ovulum Dujardin 24; pag. 383, Taf. VII, Fig. 7.
? „ ovata "„ 24; pag. 383, Taf. VI, Fig. 12.
Paramaecium ovale Clapartde und Laclimann 13; pag. 269, Taf XIV, Fig. 1.
Taf. IV. Fig. 47—53.
Kleine bis mittelgrosse Thiere, von 0,06 — 0,086 mm Länge und 0,03—0,056 mm Breite.
Körper oval, etwas eiförmig, dorso- ventral unbedeutend abgeplattet und nach vorne scbwach ver-
engt. Mundöfihung (o) gross, im vorderen Körperdrittel, auf der Ventralfläche gelegen.
Der ganze Körper ist von ziemlich langen, feinen und dicht stehenden Cilien gleichmässig bekleidet
Ich berechnete annähernd (siehe Anhang) die Gesammtzahl der Cilien; dieselbe beträgt bei einem Individuum
von 0,064 mm Länge und 0,034 mm Breite circa 1100.
Die Cihen sind auf kleinen Papillen befestigt, welche in Längsreihen stehen und somit die Längs-
streifung des Körpers bedingen. Diese Längsstreifen ziehen meridional vom hinteren zum vorderen Körper-
pole; auf der Ventralfläche (Fig. 48) stossen die median gelegenen (4—6) auf den unteren Rand der Mund-
öffnung, wogegen die übrigen um dieselbe herumziehen, je zu zweien auf einander stossen und sich bogenartig
mit einander verbinden. Auf diese Weise erscheint das vordere Drittel der Ventralfläche bogenartig gestreift.
Das Ectoplasma (ek) ist dünn und anscheinend homogen, seine äusserste Grenze bildet die Pelli-
cula. Das Entoplasma ist grobmaschig-netzig und fein gekörnt; es enthält zahlreiche Nahrungsvacuoleu
(n v) und rundliche, stark lichtbrechende Körperchen.
Die Mund Öffnung (o) ist ziemlich gross und liegt von rechts vorn nach links hinten schief zur
Längsachse des Thieres; nach rechts vorn ist sie verengt, dagegen nach links hinten erweitert und gerade
abgestutzt. Ihr linker Rand (1. or) ist concav ausgebuchtet, dagegen der rechte (r. or) convex und unbe-
deutend vorgebogen. Am linken, vorderen und rechten Mundrande zieht eine continuirliche, ziemlich grosse
unduhrende Membran hin, welche im ausgespannten Zustande die Mundöffnung haubenartig von oben über-
deckt. Dieselbe ist sehr zart und äusserst fein gestreift, was zweifelsohne auf ihre Entstehung aus unter
einander verschmolzenen Cilien hindeutet. Sie wird fortwährend und abwechselnd ausgespannt und zusammen-
geschlagen; im letzteren Falle überdeckt sie den vorderen Theil der Mundöfthung und wirft Falten in der
Mitte, wodurch zwei Membranen vorgetrügt werden können. Von der Mundöffnung führt ein kurzer, aber
breiter und tiefer Schlund (oe). Derselbe ist sack- oder taschenförmig und dorsalwärts stark ausgehöhlt,
so dass seine Dorsalwand im optischen Durchschnitte bedeutend grösser als die Ventralwand erscheint.
33
Längs der ganzen Dorsalwand des Schlundes ist eine grosse, plattenförmige undulirende Membran (mi)
befestigt, welche im vorderen Schlundabschnitte höher als im hinteren emporsteigt. Diese Membran wollen
wir zum Unterschiede von der erst beschriebenen äusseren, als die innere undulirende Membran bezeichnen.
Sie ist deutlich jedoch fein quergestreift (was ebenfalls auf die Entstehung aus Cilien hinweist) imd befindet
sich in fortwährender, rascher Bewegung. Am hinteren, verengten Schlundende, gerade an der Stelle, wo
die innere undulirende Membran aufhört, werden die Nahrungsvacuolen (n. v.) gebildet.
Der After (a) liegt am Hinterende des Körpers, jedoch nicht terminal, sondern median auf der
Ventralfläche und zwischen zwei Längsstreifen. Etwas vor ihm, aber an der Dorsalfläche, befindet sich eine
contractile Yacuole (c. v.), welche auf dem Rücken nach aussen mündet.
Der Makronucleus (S) ist kugelig- und etwas subcentral, nach dem Hinterende zu gelegen. Er
besitzt einen feinnetzigen Bau und wird stets von einem anliegenden Mikronucleus (ncl) begleitet: derselbe
ist klein, ellipsoidal und homogen. An fixirten und gefärbten Kernen kommen Hülle und Netzstructur deut-
licher zum Vorschein ; der Mikronucleus wird sehr schwach tingirt und lässt nichts von einem chromatischen
und achromatischen Abschnitt unterscheiden.
Bei diesem Thiere gelang es mir mehrere Male die Theilung zu verfolgen. Dieser Process bietet
viel Literessautes , namentlich in Bezug auf die Anlage des neuen Mundes und das Verhalten der Körper-
streifen.
Die zur Theilung sich anschickenden Exemplare sind sofort an einer zweiten Mundöffnung (Fig. 50oi)
zu erkennen, welche in der hinteren Körperhälfte neu angelegt wird : sie entsteht immer auf der Ventralseite,
etwas rechts von der Medianlinie, in Gestalt eines schmalen Spaltes, welcher senkrecht zur Längsachse
des Thieres steht. Die neu gebildete Mundöttnunii- wird stets von einem schmalen Saume umgeben, welcher
die Anlage der zukünftigen äusseren undulirenden Membran ist. Bald darauf erfährt auch der Makro-
nucleus (N) gewisse Veränderungen, indem er eine längliche, cj'lindrische Gestalt annimmt und sein Netz-
gerüst zuerst deutlicher und dann lockerer wird. Sobald nun der Mund auf die beschriebene Weise angelegt
und 1 — 2 Längsstreifen in ihrer Continuität unterbrochen sind, giebt sich ein unregelmässiges, stärkeres
Wachsthum einer gewissen Körperpartie kund. Es ist nämlich der Körpertheil, welcher nach vorn luid
rechts unmittelbar vor dem neuen Munde gelegen ist, der ein stärkeres Wachsthum erfährt. Infolge
davon wird der Mund aus seiner Lage verschoben imd nimmt eine schiefe Stellung zur Längsachse
ein, wobei die nach rechts von ihm gelegenen Längsreihen nicht mehr gerade verlaufen, sondern den
Vorderrand des Mundes bogenartig umgeben (Fig. 51). Hand in Hand mit diesem stärkeren Wachsthum der
beschriebenen Körperpartie geht auch die Einschnürung des Körpers in der mittleren Region, welche zuerst
an der rechten Seite (rechts vorn vor der neuen Mundöfi'nung) auftritt und später auf der linken Seite zu
bemerken ist. Diese Einschnürung verläuft nicht senkrecht zur Längsachse des Thieres, wie z. B. bei In-
dividuen mit terminalem Mund, sondern schief von rechts vorn nach links hinten.
Währenddessen wird in der Mitte des Körpers eine neue contractile Vacuole (Fig. 51 ci Vi) angelegt
und der Kern (N) nimmt eine bisquitförmige Gestalt an, wobei seine Structur feinfaserig wird. Auch die
äussere undulirende Membran wird grösser und beginnt zu schlagen. Der ganze Körper streckt sich in die
Länge und die Einschnürung wird immer tiefer und deutlicher. Infolge dieser Einschnürung tritt auf der
Ventralfläche eine breite und ziemlich tiefe, schief nach hinten links verlaufende Furche auf, in deren ganzen
Bibliotlieca zoologica. Heft 5. 5*)
*) Von Bogen 5 ab wurde die Correctur allein von dem Unterzeichneten besorgt, da der Verfasser im April 1889
eine mehrjährige Reise um die Erde als zoologischer Begleiter des Herrn Dr. Lauterljach angeti'eten hat 0. Bütschli.
34 — —
Länge die Längsstreifen durchgeschnürt werden. Jetzt wenden sich die nach links von der neuen Mund-
öffnung verlaufenden Längsstreifen nach vorne und stossen mit den rechten , bogenartig um den vorderen
Mundrand hinziehenden paarweise zusammen, so dass die Ventralfläche des hinteren Theilsprösslings ebenso
gestreift erscheint, wie die des vorderen (Fig. 52). Dabei streckt sich der Kern (N) noch mehr in die Länge
und wird später in der Mitte durchgeschnürt. . Der neue Mund bekommt eine Aushöhlung, in welcher gleich-
zeitig die innere undulirende Membran in Gestalt einer zarten plasmatischen Leiste angelegt wird. Der
Process der Einschnürung geht immer weiter (Fig. 53), bis die Zweitheilung des Körpers erfolgt.
Die eben geschilderten Theilungsverhältnisse, welche gewissermassen als eine ontogenetische Er-
scheinung aufzufassen wären, bestätigen die von Bütschli und Schuberg (57; pag. 398—399) aufgestellte
Vermuthung über die Verschiebung des Mundes und die damit zusammenhängende Ableitung der Formen mit
ventral gelegenem Munde , von denen mit polar (oder terminal) gelegenem.
Nach dem von mir Beobachteten würde sich die Sache also folgendermassen verbalten. Denken
wir uns bei irgend einer hypothetischen Form mit endständigem Munde (ähnlich der ürotricha, Holophr\s etc.),
von dessen Peripherie meridionale Längsstreifen ausgehen, an irgend einer Stelle des Vorderkörpers ein
stärkeres Wachsthum auftreten, so wird der Mund selbstverständlich auf die entgegengesetzte Seite hinüber-
rücken, d. h. eine seitliche Lage bekommen und somit eine Ventralfläche zur Ausbildung bringen. Mit diesem
ungleichmässigen Wachsthum der vorderen Körperregiou halten auch die Längsstreifen Schritt. Dabei stossen
sie paarweise zusammen und wandern gleichfalls auf die Ventralfläche hinüber, so dass sie am vorderen
Körpereude den Mund bogenartig umgeben, an seinen Seiten rechts und links vorbeiziehen und am hinteren
Körperpole in einem Punkte zusammenlaufen. Die am unteren Mundrande entspringenden Längsstreifen
behalten selbstredend ihre frühere Lage bei und verlaufen demnach, ebenso wie die der Dorsalfläche, meridional.
Das Verhalten des Mikronucleus bei der Theilung, d. h. seine feineren Structurveränderungen , sind
nicht näher untersucht worden. Bei der Conjugation vereinigen sich die Thiere zuerst mit ihrer Mundöfl'nung,
worauf später bei einer innigen Aneinanderlegung der Thiere , eine Resorption des vorderen vom Munde nach
vorn gelegenen Abschnittes der Ventralflächen erfolgt. Es conjugiren meist kleine, zuweilen nicht gleich-
grosse Thiere.
Glaucoma scintillans gehört zu den verbreitetsten Lifusorien; sie ist fast in jeder in Fäulniss
begriffenen Lifusion anzutreffen und kommt gewöhnlich in grossen Massen vor. Vermöge der feinen, dicht
stehenden Cilien bewegt sie sich ziemlich rasch, unter fortwährender Rotation des Körpers um die Längs-
achse. Die undulirenden Membranen sind ebenfalls in einer ununterbrochenen Bewegung begriffen ; die
äussere wird unaufhörlich haubenartig ausgespannt und zusammengeschlagen, wogegen die innere in einer
Wellenlinie sehr schnell bewegt wird und dadurch den Anschein einer zitternden Bewegung zeigt.
G. scintillans ernährt sich von Bacterien, die am Ende des Schlundes zu einem Ballen sich an-
sammeln, welcher von einem Flüssigkeitstropfen umgeben wird. Sobald eine solche Xahrungsvacuole (n. v.)
eine gewisse Grösse erlangt hat, löst sie sich vom Schlundende ab, um dann vom Entoplasma fortgeführt zu
werden. Die Verdauung giebt sich darin kund , dass der Bacterienballen immer mehr zusammenschrumpft,
wogegen die Vacuole (Flüssigkeitstropfen) an Grösse zunimmt. Schliesslich wird der Verdauungsrest per anum
ausgestossen.
Der Körper der Glaucoma ist elastisch, durchsichtig und farblos; d. h. er besitzt einen grünlich-
35
blauen Ton, welcher dem lebenden Plasma zukommt. Zuweilen kann jedoch der Körper undurchsichtig er-
scheinen, wenn er stark von Nahrungsvacuolen erfüllt ist.
Die äussere undulirende Membran ist schon von Stein vollkommen richtig erkannt worden. Er be-
schreibt sie (58; pag. 250) als einen Hautsaum, welcher die Mundöflhung umfasst und aus „zwei gegen-
überliegenden von vorn nach hinten zu niedriger werdenden und an beiden Enden in einander übergehenden
Klappen" (Taf. VI, Fig. 46 » und a.) besteht, „von denen die rechte beträchtlich höher ist, als die hnke,
welche meist nur als ein aufgeworfener Rand erscheint". Durch die verschiedene Grösse der beiden Seiten-
hälften der Membran erklärt Stein auch den Umstand, weshalb Ehrenberg (27; pag. 3.35) nur von einer
zitternden Klappe spricht. In denselben Irrthum, wie Ehrenberg, verfiel auch Maupas, insofern er die eine
Seitenhälfte der Membran übersah. Das Gebilde, welches Maupas als die rechte undulirende Membran
(44 ; pag. 466) deutet, ist unzweifelhaft unsere innere undulirende Membran, die an der Dorsalwand des
Schlundes befestigt ist. Besonders ersichtlich ist es aus den beigefügten Figuren (44; Taf. XIX, Fig. 23
und 24 d), wo dieselbe nicht am rechten Mundrande, sondern in der Ventralansicht in der Mitte des Mundes
und in der Profilansicht tief im Schlünde gezeichnet wird. Auch bin ich nicht mit der Gestalt der Mimd-
öffnung, wie sie von Maupas beschrieben wird fvorn breiter, als hinten) einverstanden, da nach meinen
Beobachtungen gerade das Gegentheil sich herausgestellt hat.
12. Glaucoma pyriformis. Ehrbg. spec.
Maupas 44; pag, 4(51—465, Taf. XIX, Fig. 25—27.
Fabre-Domergue 32; pag. 132—133, Taf. V, Fig. 69—70.
ßütschli 10; pag. 1377.
Synon.: Leucophrys pyriformis. Ehrenberg 27; pag. 312 — 313, Taf. XXXII, Fig. 4.
? „ carnium. Ehrenberg 27; pag. 313, Taf. XXXII, Fig. 5.
Trichoda pura. Ehrenberg 27; pag. 307, Taf. A'XXI, Fig. 11.
„ pyrum. Dujardin 24; pag. 397 — 398.
carnium. Perty 50; pag. 149, Taf. YII, Fig. 2.
? Acomia costata. Dujardin 24; pag. 384, Taf. XI, "Fig. 2.
? Colpoda parvifrons. Claparede u. Lachmann 13; pag. 270—271, Taf XIV, Fig. 3.
Colpidium putrinum. Stokes 65; pag. 103, Taf, I, Fig; 11.
Taf. IV. Fig. 54-55.
Diese Art imterscheidet sich von G. scintillans durch die allgemeine Körpergestalt, sowie durch die
Lage und den Bau des Mundes und Schlundes. Die übrigen Organisationsverhältnisse — die Bewimperung, Kör-
perstreifung, Ectoplasma, Eutoplasma, After, contractile Vacuole und Nucleus sind vollkommen dieselben, wie
bei Gl. scintillans. Demnach werde ich bei der Beschreibung nur die Verhältnisse berücksichtigen, welche
Unterschiede darbieten.
Sehr kleine bis mittelgrosse Thiere (im allgemeinen kleiner als die vorhergehende Art) von 0,038 —
0,08 mm Länge und 0,024—0,05 mm Breite.
Körper oval, eiförmig, hinten abgerundet, vorne zugespitzt und dorso-ventral etwas abgeplattet. Das
Vorderende ist etwas auf die Ventralfläche umgebogen (Fig. 54) und nach hinten schwach abgestutzt. Auf
dieser abgestutzten Fläche befindet sich der Mund (o); er ist bedeutend weiter vorne gelegen, als bei Gl.
scintillans, und zwar im vorderen Körperviertel.
36
Mundöffnung (o) oval, vorn unbedeutend verengt und in der Längsrichtung des Körpers ge-
legen. Die Bugen der Längsstreifen, welche vorn um den Mund herambiegen, sind steiler als bei der vorigen
Art. Der linke, vordere und rechte Mundrand wird von einer continuirlichen äusseren Membran (m)
eingefasst, welche sich nur auf die vordere Hälfte des linken Mundrandes (1. ov.) erstreckt. Im ausgespannten
Zustande erscheint sie gleicfhalls haubenartig, zeigt aber eine grössere Differenz in der Grösse ihrer beiden
Seitenhälften: die linke Seitenhälfte ist sehr schmal und erweitert sich schwach nach vorne, dagegen ist
die rechte sehr breit und lappenartig ausgezogen, sodass sie wie eine Klappe erscheint. Der Schlund (oe)
ist nicht so stark ausgehöhlt wie bei Gl. scintillans und bildet dorsalwärts eine seichte Vertiefung. Längs
der Medianlinie seiner Dorsalwand ist die innere undulirende Membran (m. i.) befestigt. Dieselbe
ist ziemlich lang und läuft in eine Spitze aus; ihr oberer Rand ist mehr oder weniger convex, der
untere dagegen concav. Im allgemeinen erscheint sie zipfel- oder zungenförmig und ragt weit aus der Mund-
öffnung heraus. Sie ist deutlich längsgestreift und kann sich zuweilen in Längsfalten zusammenlegen.
Die Bewegungen, welche man an den Membranen gewahrt, ebenso wie die allgemeinen Körperbewegungen
entsprechen vollkommen jenen, die ich bei G. scintillans geschildert habe. Die Art der Ernährung,
sowie die ganze Lebensweise bieten auch nichts Eigenthümliches. Man könnte nur hinzufügen, dass G. pyri-
formis weniger häufig als die andere Art ist, obgleich sie ebenfalls zu den gemeinsten und verbreitetsten
Lifusorien gehört.
Gl. pvriformis wurde von Maupas (44) genauer studirt. Er erwähnt, dass das Ectoplasma
(pag. 402) einen stäbchenartigen Bau besässe, was demnach unserer Alveolarschicht entsprechen würde,
wovon ich mich aber leider nicht überzeugen konnte. Der Verlauf der Körperstreifen wurde insofern nicht
richtig angegeben, da sie Maupas einfach vom vorderen nach dem hinteren Körperpole hinziehen lässt,
ohne zu erwähnen, dass sie auf der Ventralfläche um den Mund bogenartig herumbiegen. Es ist aber sehr
wahrscheinlich, dass Maupas denselben Köriierstreifenverlauf wie ich gesehen und darauf nicht genauer geachtet
hat. Es genügt, die eine seiner Abbildungen (Taf. XIV, Fig. 27), welche eine linksseitige Ansicht des
vorderen Körperendes darstellt, mit der entsprechenden meinigen (Taf. XIX, Fig. 54) zu vergleichen. Mit den
undulirenden Membranen liegt derselbe Falle wi bei der vorigen Art vor. Nur entspricht hier die rechte
undulirende Membran Maupas' unserer rechten Seitenhälfte der äusseren Membran, dagegen die linke unserer
inneren undulirenden Membran. Die kleine linke Seitenhälfte der äusseren undulirenden Membran übersah
Maupas wahrscheinlich. Ferner Hegt der After entschieden nicht auf der Dorsal-, sondern auf der Ventral-
fläche des Körpers.
13. Glaucoma macrostoma. nov. spec.
Taf. IV. Fig. 56.
Sehr kleine bis kleine Thiere von 0,0.3—0,05 mm Länge und 0,018 — 0,028 mm Breite.
Diese Art unterscheidet sich, wie schon ihr Name sagt, von den beiden vorherbeschriebenen
durch einen verhältnissmässig grösseren Mund und Schlund. Besonders zeichnet sich der letztere durch Grösse
aus, da er fast ein Drittel der Körperlänge einnimmt; auch zeigen die undulirenden Membranen ein eigen-
• 37
tliümliches Verhalten. Die Art bleibt bedeutend kleiner, als die beiden anderen und stimmt sonst, abgesehen
vün der Lage der contractilen Yacuole, mit ihnen vollkommen überein.
Körper oval, an beiden Enden gleichmässig abgerundet imd dorso-ventral schwach abgeplattet. Die
Mundöffnung (o) ist sehr gross i'/i der Körperlänge) und liegt in der Mitte der vorderen Hälfte der
Ventralfläche. Sie ist längsgerichtet und nierenförmig , mit einem convex vorspringenden linken Rande.
Die Körperstreifen sind sehr fein und biegen auf der Ventralseite um den Mund bogenartig herum. Vom
Munde entspringt ein langer, breiter und tiefer Schlund (oe), welcher etwas nach links gekrümmt ist und sich
gegen das Hinterende verengt. In ihm sind zwei undulirende Membranen befestigt, welche klappenartig
aus dem Munde hervorstehen. Die eine kleinere, linke (m. 1.) beginnt am vorderen Muudrande und zieht an
der linken Seite der Schlunduandung hinab, erhöht sich unbedeutend nach hinten und hört kurz hinter
dem Hinterrande der Mundöfinung auf; ihr freier Rand ist demnach von vorn nach hinten ein concav con-
vexer. Die rechte undulirende Membran (m. r.j ist an der rechten Seite der Schlundwand befestigt und
übertrifft die linke an Länge und Höhe. Sie beginnt ebenfalls am vorderen Mundrande, bildet eine klappen-
artige Hervorstülpung, wird weiter nach hinten niedriger und zieht bis an das hintere Schlundende hinab;
ihr freier Eand wäre also ein convex cuncaver. Beide Membranen sind deutlich quergestreift, wobei die rechte
eine gröbere Streifung aufweist. Würde man sie mit den Membranen der zwei andern Glaucomaarten
vergleichen, so wäre die linke mit der äusseren, die rechte dagegen mit der inneren zu homologisiren.
Ich halte für überflüssig, auf die übrigen Organisationsverhältnisse einzugehen, da sie mit denen der
l)eideii anderen Arten vollkommen übereinstimmen. Eine kleine Verschiedenheit bietet nur die contractile
Vacuole (c. v.); sie hegt nicht am hinteren Körperende des Thieres, sondern befindet sich in der Mitte,
unweit des Schlundes und mündet dorsalwärts aus.
In ihrer Lebensweise bietet G. macrostoma ebenfalls nichts Besonderes, ist aber seltener als die
beiden vorigen Arten.
Es ist schwer zu entscheiden, ob diese Art bereits von früheren Forschern, wie Ehrenberg,
Dujardin und anderen beobachtet und beschrieben wurde; wenigstens sind die bezügUchen Beschreibungen
und Abbildungen zu ungenügend, als dass man eine Synonymie aufzustellen vermöchte.
38
14. Frontonia leucas. Elubg.*)
Ehreuberg (Subgeuus von Bursaria) 27; pag. 329, Taf. XXXIV, Fig. 8.
Claparfede u. Lachmaun 13; pag. 259 — 260.
Fromentel 34; pag. 190.
Bütschli 10; pag. 1343, 1377, 1388, 1393, 1395, 1417, 1421, 1446, 1448, 1462, 1463, 1465, Taf. LXII, Fig. 3a-c.
Synon.: Fr. vernalis Ehrenberg 27; pag. 329, Taf. XXXIV, Fig. 7.
Bur.saria leucas. Allinann 2; pag. 177—179, Taf X, Fig. 11 — 18.
Fanophrys (Bursaria leucas). Dujardin 24; pag. 494.
,, „ vernalis „ 24; pag. 493.
? „ chrysalis Dujardin 24; pag. 492, Taf. XIV, Fig. 7.
Cyrtostomum leucas. Stein 59; pag. 59; auch 60, pag. 63, 82 u. 87.
Bütschli 8; pag. 99, Taf. IX, Fig. 18 u. Taf. XIII, Fig 9—11.
K:ent:38; pag. 497, Taf XXVI, Fig. 37.
Fabre-Domergue 32; pag. 13-18, Taf. II, Fig. 16—21.
Nassula leucas; Diesiug 22; pag. 559—560.
Ophryoglena Panoplirys Perty 50; pag. 142, Taf. III, Fig. 11.
magna Blaupas 44; pag. 467—472, Taf XXI, Fig. 9—12.
Nassula divisa Alenitzin 1; pag. 111 — 112, Fig. 10—11.
Taf. IV. Fig. 57—64.
Mittelgrosse bis grosse Thiere vou 0,11 — 0,22 mm Länge und 0,05 — 0,1 mm Breite.
Körper länglich, cylin drisch, vorne breiter als hinten, an beiden Polen abgerundet und dorso-ventral
abgeplattet. Die rechte Körperseite flach, die linke dagegen massig gewölbt und im vorderen Körpertheile
convex vorspringend. Mundöffnung ventral im vorderen Körperdrittel.
Der ganze Körper ist von massig langen, dünnen und sehr dicht neben einander stehenden Cilien
bedekt. Dieselben sind in Längsreihen angeordnet und sitzen auf sehr kleinen Papillen (Fig. 61), welche
in ihrer Gesammtheit den Anschein einer Längsstreifung bedingen. Die Körperstreifen verlaufen meridional ;
auf der Ventralfläche umziehen sie den Mund und stossen in der Vorderregion des Körpers, also vor dem
Munde, winklig auf einander.
Das Ectoplasma (Fig. 57 er, Fig. 61 h.) ist dünn und anscheinend homogen; nach aussen wird
es durch eine zarte Pellicula begrenzt. Unmittelbar unter dem Ectoplasma bemerkt man eine radiär ge-
baute Schicht von Corticalplasma (Fig. 61 c. p.), welches das erstere an Dicke bedeutend übertriflt. In
dieser Schicht sind die Trichocysten (Fig. 57 und 61 tr. und Fig. 62) eingelagert. Dieselben erscheinen
stark lichtbrechend, besitzen im unausgeschnellten Zustande eine spindelförmige Gestalt (Fig. 62 A.) und
stehen senkrecht zur Körperoberfläche. Werden sie ausgeschnellt (beim Abtödten des Thieres mit l^/o Es-
sigsäure), so erscheinen sie sehr lang (um das zehnfache länger), haarförmig, in der Mitte etwas verdickt
und am vorderen Ende hakenförmig umgebogen (Fig. 62 B).
Das Entoplasma (Fig. 61 en) ist feinkörnig, wabig, flüssig und in fortwährender, ziemlich leb-
hafter Circulation begriffen.
*) Leider konnte die austührliche Schilderung, welche Balbiani vor Kurzem gab (s. Eecherches experim. sur la
mörotomie des infusoires cili^s. I. Partie. Recueil zoologique de la suisse T. V. 1888), nicht mehr benutzt werden, da sie
erst nach Ablieferung des Manuscripts erschien. Balbiani's Darstellung der Jlund- mid Schlundverhältnisse weicht sehr be-
Bütschli.
39
Die Mundnffnung (Fig. 57 und öS o) liegt auf der Ventralfläche in der Tiefe einer ziemlich compli-
cirt gebauten Mundhöhle oder eines Peristoius. Dasselbe (Fig. 57—59) ist länglich oval, nach vorne zugespitzt
und nach hinten gerade abgestutzt. Es bildet im vorderen Körperdrittel eine seichte Vertiefung, die allmählich
von vorn rechts nach hinten links in den Körper geht, wobei der linke (Fig. 59 1. Pr.), sowie der untere
Peristomrand steil abfallen. Diese Vertiefung setzt sich am unteren Peristomrande in eine kleine sackartige
Höhle (oe) fort, welche nach der Analogie mit den nahe verwandten Gattungen Glaucoma und Colpidium
als Schlund zu bezeichnen wäre. An der rechten Seite setzt sich das Peristom in eine schmale und nicht
tiefe Furche fort, welche sich nach hinten schwach verengt und bis zum hinteren Körperdrittel reicht. In
der Furche und im Peristome selbst stehen vier Reihen von Cilien, welche folgenden Verlauf besitzen: die
erste Cilienreihe (wri), beginnt am hinteren Ende der Furche, zieht an ihrem rechten Rande und später am
rechten Peristomrande nach vorne und reicht bis an die vordere Peristomspitze; die zweite (wr2) verläuft in
der Tiefe der Furche parallel der ersten, biegt aber im vorderen Peristomende nach links herum und ver-
läuft eine kurze Strecke parallel dem hnken Peristomrande; die dritte Cilienreihe (wrs) beginnt ebenfalls am
hinteren Ende der Furche und zieht an ihrem linken Rande nach vorne, wo sie im vorderen Peristomende
nach links umbiegt, parallel dem linken Peristomrande verläuft und bis in den Schlund hinunterzieht; endlich
die vierte Cilienreihe (wri) beginnt erst im Peristome, unweit der Stelle, wo der hintere Peristomrand in den
linken Rand der Furche übergeht, zieht nach vorne, macht eine Umbiegung und steigt nach hinten ab,
wobei sie ebenfalls, wie die dritte Cihenreihe, bis an das Schlundende reicht. Die Cihen, welche diese
i Reihen bilden, sind kürzer als die Körpercilien, jedoch stärker und stehen so dicht neben einander, dass
es scheint, als ob sie auf einer Leiste stünden. Es ist nicht gerade unmöglich, dass ein solches Gebilde
vorhanden ist, welches etwa durch Verschmelzung der nahe stehenden Cilienpapillen entstanden wäre. Ausser
den vier Cilienreihen befindet sich am Peristome noch eine undulirende Membran (m), welche an seinem
linken und hinteren Rande befestigt ist und eine dreieckige Form besitzt. Die Membran ist deuthch quer-
gestreift, dabei ziemlich dick und zeigt im optischen Längsschnitte (Fig. 60 A und B) sehr interessante Ver-
hältnisse. Betrachtet man sie von ihrem freien Rande, so zeigt sie bei hoher Einstellung (Fig. 60 A) eine
ziemlich verworrene Zeichnung, bei tiefer Einstellung erscheint sie dagegen deuthch fein längsgestreift, wobei
zwischen diesen Längsstreifen noch sehr zarte Verbindungsfädchen zu sehen sind. Diese Erscheinung wäre
derart zu erklären, dass die Membran durch Verklebung oder Verschmelzung mehrerer dicht nebeneinander
stehender Ciüenreihen entstanden sei. An ihrem freien Rande kann sich die Membran wieder in einzelne
Cilien auflösen, was auch die Verworrenheit der Zeichnung bei hoher Einstellung (Fig. 60 A) bedingt.
Der After (Fig. 57 und 58 a) liegt ventral im hinteren Körperdrittel und zwar am hinteren Ende
der Furche, welche vom Peristom entspringt. Er ist nur während der Nahruugsausstossung wahrnehmbar.
Die contractile Vacuole (Fig. 57, 58 und 61 c. v.) liegt in der Mittelregion des Körpers und
zwar in seiner rechten Hälfte; sie mündet durch einen leicht wahrnehmbaren Porus (Fig. 57 und 61 p. e.)
auf der Dorsalfläche nach aussen. Der Excretionsporus liegt zwischen zwei Längsstreifen und setzt sich in
einen kurzen Kanal (Fig. 61) fort, an dessen Ende die contractile Vacuole stets gebildet wird. Dieselbe ist
während der ganzen Diastole gegen den ausführenden Kanal durch eine dünne Plasmaschicht abgeschlossen,
welche bei der Systole durchreisst, wobei der Inhalt der Vacuole durch den Kanal und Excretionsporus nach
aussen befördert wird. Die contractile Vacuole ist von besonderen zuführenden Kanälen (Fig. 57 e. c. v.) um-
40
geben, welche mir bei ausgehungerten (von Nahrungskörpern befreiten) Exemplaren mit Deutlichkeit wahrzu-
nehmen sind. Dieselben stehen radiär zur contractilen Vacuole, sind sehr lang und schmal und besitzen
einen geschlängelten Verlauf. Am deuthchsten erscheinen sie kurz vor der Systole, nach welcher ihr Inhalt
zusammenfliesst um eine neue Vacuole zu bilden. Sie verlaufen unmittelbar unter der Corticalplasmaschicht.
Der Makronucleus (Fig. 57, 58 und 63 N) ist ziemlich gross, länglich ellipsoidal und besitzt einen
netzigen Bau. An isohrten und fixirten Kernen bemerkt man eine deutlich begrenzte Kernhülle und in den
Knotenpunkten des Netzwerks einzelne kleine stark lichtbrechende Körperchen. Er wird stets von 1 bis
mehreren anliegenden Mikronuclei (ncl) begleitet. Dieselben sind länglich, ellipsoidal und lassen im
fixirten und gefärbten Zustande, ausser der Hülle, noch zwei Abschnitte unterscheiden: einen kürzeren,
homogenen, achromatischen und einen längeren, streifigen, chromatischen Abschnitt. Die Lage des Kernes
ist ziemUch wechselnd , weil er von der Plasmacirculation im Körper umhergeführt wird ; jedoch ist er meist
in der hinteren Körperhälfte anzutreffen.
Bei einigen Exemplaren fanden sich im Corticalplasma oder zuweilen sogar im Entoplasma noch
zahlreiche grüne Körper (Fig. 587) eingelagert, welche den Thieren eine grüne Färbung verliehen. Dieselben
erwiesen sich nach der Untersuchung als selbständige Organismen, die zuerst von Brandt unter dem
Namen Zoochlorella Conductrix (5; pag. 24 und 6; pag. 151, Taf. I, Fig. 4 — 5 und 16—25) be-
schrieben werden. Diese Zoochlorellen lassen sich durch Zerquetschen der Frontonien sehr leicht iso-
liren und zeigen dann folgenden Bau. Es sind sehr kleine (0,004 — 0,005 mm im Durchmesser), rundliche
Zellen, die vom hyahuen Protoplasma erfüllt sind, in welches ein kleiner, rundlicher, mit Haematoxylin
färbbarer Kern (Fig. 64 N) eingelagert ist; ausserdem enthalten sie noch eine grosse durch Chlorophyll grün
gefärbte Chromatophorplatte, welche muldenförmig gestaltet ist (Fig. 64 A u. B). Die isolirten Zoochlorellen
Hessen sich im hängenden Tropfen cnltiviren (gegen 20 Tage), und vermehrten sich dabei lebhaft durch
Theilung, welcher die Zweitheilung des Kerns und des Chromatophors (Fig. 64 1) immer voranging. Auf
diese Weise wurde die Selbständigkeit dieser Algen auch für Front onia leucas nachgewiesen. Ja es gelang
mir sogar einmal ein chlorophylloses Exemplar mit Zoochlorellen zu iuficiren, indem ich zu mehreren isolirten
Exemplaren einige chlorophyllhaltige zerdrückte Thiere hinzusetzte, worauf eines der Thiere am folgenden
Tage mehrere Zoochlorellen enthielt, die sich im Verlauf von ein paar Tagen so stark vermehrten, dass
das Thier vollkommen grün erschien.
Diese Art der Symbiose wurde von Brandt (6; pag. 147) als Vergesellschaftung von Algen mit
Thieren bezeichnet, indem er behauptete, dass die Thiere, welche genügende Mengen von Zoochlorellen ent-
hielten, sich vermöge derselben wie echte Pflanzen ernährten und dass demnach die Algen nur in morphu-
logischer Hinsicht als Parasiten aufzufassen sind, wogegen in phj^siologischer Hinsicht die Algen beher-
bergenden Thiere, gewissermassen als Parasiten erscheinen. Diese Behauptung möchte ich. wenigstens
für Frontonia leucas, bezweifeln, weil die grün gefärbten Exemplare sich ebenso wie die farblosen ernährten
und in allen Exemplaren gefi'essene Diatomeen anzutreflen waren.
Durch die oben beschriebenen Culturversuche der Zoochlorellen und die Infection farbloser
Exemplare mit denselben wäre ferner der Beweis geliefert, dass die von Elirenberg (27: pag. 329) als
Bursaria (Frontonia) leucas und vernalis und von Dujardin (24: pag. 493 — 494) als Panophrys
(Bursaria) leucas und vernalis beschriebenen Arten identisch sind und dass das Vorhandensein
41
oder Fehlen der Zoochlorellen nicht zur Unterscheidung der Arten dienen Ivann, worauf übrigens schon
viele Forscher hinwiesen. Auf die Identität dieser beiden Arten wurde schon seinerzeit von Claparrde
und Lachmann (13; pag. 260) hingewiesen; später vertrat sie Entz (28; pag. 647) mit Bestimmtheit.
Frontonia leucas gehört niclit zu den selteneren Infusorien, wurde jedoch von mir blos 2 oder
3 mal, aber immer in grösserer Menge angetroffen. Sie hält sich meist am Boden der Infusionen zwischen
Algen auf und schwimmt sehr lebhaft umher, immer mit dem Vorderende voran, beständig rotirend. Der
Körper ist elastisch und formbeständig: die Farbe ist weisshch grau, kann aber infolge der stark licht-
brechenden, dunklen Körperehen, welche zuweilen in grosser Menge im Entoplasma vorkommen, einen dunkleren,
ja sogar schwärzlichen Ton annehmen. Die Exemplare, welche Zoochlorellen enthalten, erscheinen bei schwachen
^'e^grösserungeu vollkommen grün.
Frontonia leucas ernährt sich mit grosser Vorhebe von Diatomeen; sie ist sehr gefrässig, sodass
der Körper wegen der in grosser Quantität aufgenommenen Nahrung ganz undurchsichtig erscheinen kann.
Es ist desshalb rathsam, solche Exemplare einige Zeit in reinem Wasser zu isohren, da man an ge-
hungerten Exemplaren die Orgauisationsverhältnisse , namentlich den Bau des Mundes und Schlundes, besser
studiren kann.
Frontonia leucas wurde zuerst von Ehrenberg beschrieben. Stein (59; pag. 59 und 60; pag. 63)
glaubte ihre Verwandtschaft mit Nassula nachgewiesen zu haben und errichtete für sie eine besondere Gattung
Cyrtostomum, unter welchem Namen sie auch von anderen Forschern beschrieben wurde. Desgleichen
errichtete auch Duj ardin (24; pag. 491 — 492) die Gattung Panophrjs für solche Bursarien, welche einer
stärkeren adoralen Wimperzone entbehren, und zog unsere Form zu derselben. Da aber der Gattungsname
Frontonia der älteste ist, so halten wir für gerathen, ihn beizubehalten. Von anderen Forschern
(Perty 50, Maupas 44) wurde sie mit der nahe verwandten Gattung Ophryoglena vereint und von Ale-
nitzin (1) sogar mit Nassula verwechselt. Alle Beschreibungen, mit Ausnahme der von Maupas, sind
recht mangelhaft und beziehen sich nur auf gröbere Organisationsverhältnisse.
Maupas erkannte die undulirende Membran am Peristom, verfiel aber in einen Irrthum in Betreff des
Schlundes, indem er die Furche, welclie nach hhiten vom Munde zieht und die von Alenitzin schon als
solche erkannt wurde , für den Schlund hielt. Ferner verkannte er die 4 Cilienreiheu, welche in der
Furche und im Peristome verlaufen, und hielt die optischen Durchschnitte der Cilien für Trichocysten, wo-
gegen sie von Alenitzin für zahnartige Gebilde gehalten wurden. Jedoch erwähnt Maupas (44; pag. 649),
dass auch am rechten Peristomrande ein Flimmerorgan vorhanden wäre, welches aber bedeutend weniger
entwickelt und schwerer zu sehen sei, als das am linken Peristomrande befestigte, so dass er mit Sicherheit
nicht sagen konnte, ob es eine Membran oder Cilien wären. Diese 4 Cilienreiheu sind auch neuerdings von
Fabre-Domergue (32; pag. 15) verkannt worden, indem er die Cihen am rechten Peristomrande als
Stäbchen deutete , welche in"s Entoplasma eingesenkt sein sollen. Die Lage des Afters wird richtig ange-
geben. Der Bau des Ectoplasma's differirt von meiner Auffassung; ferner sollen nach Fabre-Domergue
(32; pag. 17 — 18i die zuführenden Kanäle der contractilen Vacuolen unter einander anastomisiren, was ich
nicht beobachten konnte und entschieden bestreiten möchte. Der Verlauf der Körperstreifen wurde von den
früheren Forschern nicht festgestellt.
Bibliotheca zooloRiea. Heft 5. Q
15. Colpidium Colpoda. Ehrbg. sp.
Stein Gl; pag. 47 uud 62; jmg. 158 und 160.
ßütschli 8; pag. 100-102, Taf. IX, Fig. 7—11, Taf. X, Fig. 26-28 auch 10; pag. 1291, 1345, 1377, 1395, 1417,
Taf. LXII, Fig. 6a -b.
Maupas 44; pag. 459-460, Taf. XIX, Fig. 30—31.
Synon: Colpidium cucuUus. Kent 38; pag. 537-538, Taf. XXVII, Fig. 49.
Colpidium striatum. Stokes 65; pag. 103—104, Taf. I, Fig. 12.
Colpoda Een. O. F. Müller 48; pag. 107, Taf. XV, Fig. 20—22.
„ „ Perty 50; pag. 145, Taf. V, Fig. 7.
Kolpoda cucullus. Dujardin etc. 24; pag. 479—481, Taf. IV, Fig. 29.
Paramaecium Colpoda. Ehrenberg 27; pag. 352, Taf XXXIX, Fig. 9.
Paramaecium cucullio. Quennerstedt 52; pag. 18—19; Taf. I, Fig. 17—18.
Plagiopyla nasuta. Kent 38; pag. 538, Taf. XXVII, Fig. 50 und 51 ('?).
Glaucoma pyriformi-s. Gourret et Roeser 35; pag. 513—514, Taf. XXXIV, Fig. 6.
Tillina campyla. Stokes 65; pag. 101—102, Taf. I, Fig. 8.
Taf. V, Fig. 05-68.
Mittelgrosse Thiere von 0,09 — 0,12 min Länge und 0,05 — 0,08 mm Breite.
Körper oval, eiförmig, hinten breiter als vorne und dorso- ventral scliwacii abgeplattet. Das vordere
Körperende von rechts nach links tordirt und kappenartig auf die Ventraltläche herübergebogen. Auf der
Ventralfläche unterhalb des herübergebogenen Vorderendes befindet sich eine breite seichte Vertiefung, iu
welcher der Mund (o) liegt.
Der ganze Körper ist von ziemlich langen und dünnen Cilien gleichmässig hedeckt. Die Zahl
derselben (siehe Anhang) beträgt bei einem 0,096 mm langen und 0,06 mm breiten Individuum annähernd
2.300. Die Cilien stehen in Längsreihen auf kleinen Papillen , welche in ihrer Gesammtheit die
Streifung bedingen. Dieselbe zeigt einen recht eigenthümlichen Verlauf. Die Streifen der rechten Körper-
seite (Fig. 65) biegen vor dem Mund nach links, steigen schief nach vorn auf und umziehen auf diese
Weise bogenartig den vorderen Mundrand. Sie stossen mit den linksseitigen Streifen, welche meridional ver-
laufen und nur in der vordersten Körperregion nach rechts umbiegen, in einer Linie zusammen, die auf der
Ventraltläche vom vorderen Mundrande schief nach vorn und links aufsteigt. Dieser Streifenverlauf ist
dadurch zu erklären, dass der vordere (vor dem Mund gelegene) Körperabschnitt eine Torsion von rechts
nach links erfahren hat und somit die Zusammenstossungslinie, welche ursprünglich vom vorderen Mundrande
gerade zum Vorderende lief (wie bei den meisten Formen mit ventral gelegenem Munde, z. B. Glaucoma,
Uronema), auf die linke Seite geschoben wurde und eine schiefe Lage erhielt. Betrachtet man das Thier
von der Ventralfläche (Fig. 66), so sieht man, dass die median verlaufenden Streifen auf den hinteren und
rechten Mundrand stossen , die seitlich vom Munde gelegenen dagegen auf das kappenartig herübergebogene
vordere Körperende. Letztere Erscheinung wird dadurch vorgetäuscht, dass das Vorderende des Körpers in
der geschilderten Weise auf die Ventralfläche herübergebogen ist und somit die Zusammenstossungsstelle der
Streifen, welche vor dem Munde auf der unteren Fläche der Kappe liegt, verdeckt wird. Stellt man
aber das Thier so, dass man in die vor dem Munde gelegene Einsenkung hineinsehen kann, so fällt
es nicht schwer, sich zu überzeugen, dass die seitlich vom Munde gelegenen Streifen in einander über-
gehen und den Vorderrand des Mundes bogenartig umziehen.
1
43
Am Ectoplasma unterscheidet man eine deutliche Alveolarschicht (al). deren äusserste Grenze
eine zarte Pellicula (p) bildet.
Das Entoplasma ist grobmaschig-netzig und feingekörnt. Es enthält zahlreiche Nahrungsvacuolen
(n. V.) und grosse rundliche, stark lichtbrechende Körperchen.
In der vorderen Körperregion und zwar auf der rechten Haltte der Ventralfläche beiludet sich eine
seichte, buchtenartig von links nach rechts hineinragende Vertiefung (Fig. 66), an deren linkem Eande die
Mund Öffnung liegt. Letztere ist länglich oval und zieht von rechts vorn nach links hinten schief zur
Längsachse des Thieres; nach rechts vorn ist sie erweitert, nach links hinten verengt und unbedeutend nach
vorn umgebogen. Ihr linker Rand (1. orj ist convex, der rechte (r. or.) dagegen concav. An dem
ganzen Mundrande, ausgenommen den hintersten, verengten Theil, zieht eine continuirhche undulirende
Membran (m). Dieselbe ist nicht so breit wie bei Glaucoma scintillans, sondern bildet einen ver-
hältnissmässig schmalen aber dicken Saum, welcher lippenartig erscheint und sich fortwährend bewegt.
Der Schlund (oe) ist massig lang und schwach gebogen. Au der Mundöffnung ist er lireit
und tief, verengt sich aber hinter derselben und geht zuerst ventral- und dann dorsalwärts nach links und
hinten. An der Dorsalseite ist er stark ausgehöhlt (Fig. 65), (besonders in der Gegend der Mundöffnung)
und mit einer undulir enden (inneren) Membran (m. i.) versehen. Dieselbe ist ziemlich gross und steht
aus der Mundöffnung klappenartig hervor; nach hinten wird sie allmählich niedriger und zieht bis in das
hinterste Ende des Schlundes. Ihre Gesammtgestalt ist die eines sphärischen Dreiecks und nimmt die
Mittelstufe zwischen den inneren Membranen der Glaucoma scintillans und pyriformis ein. Die
Membran ist deutlich quergestreift und wird sehr schnell in einer Wellenlinie bewegt.
Der After (a) liegt zwischen zwei Längsstreifen im hinteren Körperende median auf der Ventral-
fiäche. Die contractile Vacuole (c. v.) findet sich ebenfalls im hinteren Körperende, aber bedeutend mehr
nach vorn wie der After und mündet gleichfalls zwischen zwei Längsstreifen auf der DorsaMäche nach aussen.
Der Makronucleus (Nj ist ziemlich gross, schwach nierenförmig. Er liegt central oder etwas
subcentral und wird von einem ovalen Mikronucleus (ncl) begleitet, welcher gewöhnlich der concaven
Fläche anliegt. Im lebenden Zustande zeigt der Makronucleus einen undeutUchen netzigen oder eher körnigen
Bau, fixirt erscheint er (Fig. 68) feinnetzig, mit kleinen, stark lichtbrechenden Inhaltskörperchen und
von einer Membran umgeben. Der Mikronucleus lässt ausser der Membran noch eine deutliche DifFeren-
zirung in einen streifigen, chromatischen und einen homogenen, achromatischen Abschnitt unterscheiden.
Colpidium Colpoda gehört zweifellos zu den gemeinsten Infusorien, da man es fast in jeder In-
fusion in grossen Schaaren finden kann. Sein Körper ist elastisch und farblos. Mittels der langen und
feinen Cilien schwimmt es ziemlich lebhaft umher, wobei es sich fortwährend um seine Längsachse dreht.
Zuweilen bleibt es einige Augenblicke an einem Platze stehen und rotirt dabei schwach. Die un-
dulirenden Membranen schlagen unaufhörlich und strudeln die Nahrung ein, welche aus Bacterien besteht.
Die Bildung der Nahrungsvacuolen (n. v.) und die Verdauung geschieht genau so, wie es bei Glaucoma ge-
schildert wurde.
Aus der zahlreichen Sjnouymie, die ich oben angeführt habe, ist es zu ersehen, dass Colpidium
Colpoda von vielen Forschern mit anderen Formen, so z. B. mit Colpoda cucullus, öfters verwechselt
6*
44
wurde. Ehrenberg beschrieb es unter dem Namen Paramaecium Colpoda (27; pag. 352) und bildete
den Verlauf der linksseitigen Körperstreifen ziemlich richtig ab (Taf. XXXIX, Fig. 9). Stein, welcher zuerst eine
undulirende Membran (innere) im Schlünde erkannte, erhob die Art deshalb zu einer eigenen Gattung
Colpidium (61; pag. 47). In der letzten Zeit wurde es wieder von Maupas besonders auf die Muud-
und Schlundverhältnisse untersucht. Maupas (44; pag. 459—400) fand zwei unduUrende Membranen,
welche er im Schlünde längs der beiden Mundränder hinziehen lässt und von denen die rechte (Taf. XIX,
Fig. 30 und 31 «) beträchtlich länger als die linke (c) sein soll. Die rechte Membran entspricht zweifellos
derjenigen, welche schon von Stein gesehen wurde und demnach auch unserer inneren unduHrenden Membran
(Fig. 65 und 65 m ii. Was die linke anbetrifft, so entspricht sie unserer äusseren undulirenden Membran,
nur ist sie nicht an der Schlundwand befestigt, wie es Maupas behauptet, sondern fast am ganzen Mund-
rande , wie ich es oben schon beschrieben habe. Der Bau des Ectoplasmas wurde nicht berücksichtigt.
Die Körperstreifen bildet Maupas (Fig. 30) entschieden unrichtig ab, insofern er die Längsstreifen
meridional verlaufen lässt und die characteristische Umbiegung nicht andeutet.
16. Uronema marina. Duj.
Dujardin 'Ii; pag. 392, Taf. VII, Fig. 13.
Quenuerstedt 53; pag. 17 — 18, Fig. 7.
Co hu 20; pag. 275-27G, Taf. XV, Fig. 53.
Kent 38; pag. 546, Taf. XXVII, Fig. 60-61.
Bütschli 10; pag. 1345, 1351, 1417, Taf. LXIV, Fig. la-b.
Synon: Enchelys triquetra. Dujardin 24; pag. 390, Taf. VII, Fig. 4.
corrugata. „ 24; pag. 390, Taf. VII, Fig. 11.
? Cryptochilum griseolum. Maupas 44; pag. 451 — 453, Taf. XIX, Fig. 28—29.
?Philastei- digitiformis. Fabre-Domergue 31; pag. 554—556, Taf. XXVIII, Fig. 1—2.
Taf. V. Fig. 69—71.
Sehr kleine bis kleine Thiere von 0,03—0,06 mm Länge und 0,014—0,028 mm Breite.
Körper länglich, ellipsoidal , vorne etwas schmäler als hinten und seitlich unbedeutend abge-
plattet. Die Mundöflnung (o) im vorderen Körperdrittel gelegen.
Der ganze Körper ist von verhältnissmässig langen und dünnen Cilien bedeckt, welche am vorderen
Körpertheile bedeutend dichter stehen als am hinteren. Sie sind auf kleinen Papillen eingepflanzt, die
in Längsreihen angeordnet sind und somit die Körperstreifung bedingen. Die Körperstreifen verlaufen ganz
ebenso wie bei Glaucoma, indem die ventralen vor dem Mimde zusammenstossen und den vorderen Mund-
rand bogenartig umziehen, die übrigen dagegen meridional ziehen. Am äussersten Hinterende ist eine
lange Fühlborste (b) befestigt, welche jedoch durchaus nicht steif erscheint und eigentlich als Fühlwimper
zu bezeichnen wäre.
Das Ectoplasma (ek) ist sehr dünn und anscheinend homogen. Das Entoplasma fein gekörnt
und von zahlreichen Nahrungsvacuolen (n. v.) und stark lichtbrechenden Körpercheii erfüllt. Die letzteren
sind meistens im hinteren Körperende stärker angehäuft, so dass dasselbe bei schwachen Vergrösserungen
undurchsichtig und fast schwarz ist.
45
Die Mundöffnung (o) ist länglich-oval, aut der Ventralfläche gelegen. An ihrem linken Rande
ist eine ziemlich grosse, klappenartige undulirende Membran (m) befestigt, welche sich fortwährend be-
wegt. Dieselbe ist deutlich quergestreift; ja es scheint sogar, als ob sie aus einzelnen untereinander ver-
klebten Cilien bestehe. Am rechten Mundrande (Fig. 71 r. or.) stehen einzelne Cilien, welche die Körpercilien
an Grösse nicht übertreffen, aber dichter gestellt sind. Ein besonderer Schlund ist nicht vorhanden.
Der After (a) liegt am hinteren Körperende auf der Ventralfläche unweit der Fühlborste. In seiner
unmittelbaren Nähe iindet sich auch die contractile Vacuole (c. v).
Der Makronucleus (N), begleitet von einem dicht anliegenden Mikronucleus (ncl), liegt Inder
Mitte des Körpers. Er ist kugelig und besitzt einen feinnetzigen Bau.
ü. mar in a gehört nicht zu den verbreitetsten Infusorien, obgleich es ziemlich häufig, besonders in
faulenden Infusionen anzutreften ist. Es schwimmt sehr rasch unter Rotation umher, wobei die feinen Cihen
pendelartig bewegt werden und das Vorderende stets voran geht. Auch die Fühlborste kann Bewegungen
ausführen, namenthch wenn das Thier eine andere Richtung einschlägt. Ihr Hauptzweck scheint aber darin
zu bestehen, die Thiere vor einem Angriffe zu warnen, denn sobald irgend ein Infusor die Fühlborste berührt,
eilt Uronema pfeilschnell davon. Die Nahnmg besteht aus Bacterien.
Der Körper ist farblos und elastisch. Bei der gelindesten Pression zerfliessen die Thiere sofort.
Dujardin, welcher die Gattung Uronema aufstellte (24; Fig. 392) hielt die Form für mundlos.
Cohn fand die Mundöifnung auf der Bauchseite (20; pag. 27.5) und bestimmte ihre Lage ziemlich richtig,
ohne jedoch die undulirende Membran zu erkennen. Letztere wurde von Kent irrthümlich sackartig abge-
bildet (38; Taf. XXVII, Fig. 61), indem er wahrscheinhch die am rechten Mundrande stehenden Cihen für die
Fortsetzung der Membran hielt.
Wie Bütschli halte ich für sehr wahrscheinlich, dass die Gattungen Cryptochilum Maupas
und Philaster Fahre Domergue mit Uronema identisch sind, weil die in der Beschreibung angeführten
Merkmale jenen der Uronema entsprechen.
17. Urozona Bütschlii nov. gen. et spec.
Bütschli 10; pag. 1285, 1347, 1417, Taf. LXIV, Fig. 17.
Taf VI. Fig. 72.
Sehr kleine Form von 0,03—0,04 mm Länge und 0,018—0,022 mm Breite.
Körper nahezu cylindrisch, an beiden Enden abgerundet, nach vorne etwas verschmälert, nach
hinten kugehg erweitert, so dass die Gesammtgestalt an eine Eichel erinnert. Die Mnndöflnung (o) in
der Mitte des Körpers gelegen.
Die Bewimperung ist auf die Mittelregion des Körpers reducirt. Die Cilien sind sehr lang und fein
und stehen äusserst dicht neben einander. Sie sind in Längsreihen angeordnet und stehen auf besonderen
46
Papillen, was namentlich auf dem optischen Längsschnitte deutlich zu sehen ist. Die Cilieupapillen erheben
sich ziemlich beträchtlich und stehen sehr dicht aneinander, so dass sie schwach erhobene Längsrippen
vortäuschen. Das vordere und hintere Körperdrittel erscheinen vollkommen glatt und der Körper wird auf
diese Weise von einem förmlichen Wimpergürtel imigeben.
Am hinteren Körperende entspringt eine lange und steife Fflhlborste (b). Dieselbe steht
seitlich auf der Ventralfläche und winklig zur Längsachse des Thieres. Ihrer Lage und Gestalt nach erinnert
sie an die Fühlborste der Urotricha farcta.
Das Ectoplasma (ek) ist sehr dünn und anscheinend homogen, eine Pellicula ist kaum wahr-
nehmbar. Das Entoplasma ist äusserst feinkörnig und enthält kleine Nahrungsvacuolen und zahlreiche
stark lichtbrechende Körnchen.
Die Mundöffnung (o) liegt in der Mitte des Körpers, von vorn rechts nach hinten links schief zur
Längsachse des Thieres. Sie ist länglich oval: nach vorne etwas verengt, nach hinten unbedeutend
erweitert. Ihr linker, vorderer und rechter Rand wird von einer schmalen, aber dicken undulirenden
Membran umzogen, welche an die Verhältnisse, die wir bei Colpidium fanden, erinnert. Vom Munde
entspringt ein kurzer röhrenförmiger, gleichfalls schief nach hinten links ziehender Schlund (oe). An seiner
Dorsalseite bemerkt man eine furtwährende Flimmerung; jedoch fällt es bei der ungemeinen Kleinheit des
Thieres schwer zu entscheiden, ob diese Flimmerung von einer feinen Cilienreihe oder einer undulirenden
Membran herrührt.
Der After (a) hegt ventral, am Hinterende des Körpers unweit der Ansatzstelle der Fühlborste. Li
seiner unmittelbaren Nähe befindet sich auch die contractu e Vacuole (c. v.).
Der Makronucleus (N) ist kugelig und liegt ebenfalls im hinteren Körperdrittel, aber auf der
entgegengesetzten Seite wie die Fühlborste und der After — also dorsalwärts. Er besitzt einen feinnetzigen
Bau imd wird stets von einem kleinen, ovalen, dicht anliegenden streifigen Mikronucleus (uclj begleitet.
Dieses Thierchen gehört nicht zu den verbreitetsten Lifusorien: ich fand es zwei oder dreimal in
Wässern von verschiedenen Fundorten. Es war immer in nicht allzu grosser Menge vorhanden. Es
lebt zwischen den Algen und hält sich gern da auf, wo viele Bacterien vorhanden sind: auch verabscheut
es in Fäulniss begriffene Infusionen nicht.
Es schwimmt sehr lebhaft umher unter fortwährender Rotation, wobei das Vorderende meist voran-
geht. Es kann sich rttck-ivärts bewegen, jedoch meist auf kurze Strecken und nicht so schnell wie in der
entgegengesetzten Richtung. Zuweilen bleibt es einige Zeit auf einem Platze liegen und wälzt sich dann
langsam um die Längsachse. Darauf fährt es plötzUch auf und schwimmt schnell davon. Wegen der schiefen
Stellung der langen Fühlborste wird dem Thiere bei den Rotationsbewegungen die Möglichkeit geboten, sein
Tastvermögen selbst auf weit entfernte Gegenstände zu erstrecken. Man überzeugt sich leicht von der
Function dieses Gebildes, namentlich wenn irgend ein Infusorium in die Nähe geräth.
Die undulirende Membran am Munde und die Wimperreihe im Schlünde sind in fortwährender Be-
wegimg begriften und ermöglichen die Aufnahme der Nahrung. Dieselbe besteht aus Bacterien, welche
ebenso wie bei Glaucoma und Colpidium den Inhalt der Nahrungsvacuolen (n. v.) bilden.
47
Der K'irper ist elastisch und furmbeständig ; er erscheint durchsichtig und farblos, besitzt aber zu-
weilen einen grauen Ton.
Die beschriebenen Organisationsverhältnisse, besonders die Reduction der Bewimperung auf einen mitt-
leren Wimpergürtel, sind so eigenartig, dass wir diese Ciliate in keine der bekannten Gattungen unter-
bringen können und desshalb eine neue errichten. Infolge der characteristischen mittleren Wimperzone
könnte man sie Trichozona nennen; da sie aber einerseits zu ürocentrum, welches ebenfalls einen mittleren
und ausserdem noch einen hinteren Wimpergürtel besitzt, andrerseits wegen des unbewimperten Hinterendes
und der schiefgestellten Fflhlborste an Urotricha farcta erinnert, und jedenfalls auch mit Uronema
näher verwandt ist so zog ich den von Prof. Bütschli vorgeschlagenen Namen Urozona vor.
üb das Thier von älteren Forschern bereits beobachtet wurde, ist schwer zu entscheiden; die
Beschreibungen und Abbildungen der zweifelhaften Formen von Ehrenberg (27), Perty (50) und anderen
sind zu mangelhaft, als dass man an eine Identität mit Urozona denken könnte.
Was schliesslich die sj'stematische Stellung der Urozona betrifft, so wäre sie infolge der lippenartigen
undulirenden Membran in die nächste Nähe von (!'olpidium zu bringen und mit ihm und anderen Formen
zu einer Familie zu vereinigen.
18. Cinetochilum margaritaceum. Ehrbg. spec.
Perty 50; pag. 148, Taf V, Fig. 1-2.
Diesing 23; pag. 71 — 72.
Stein 62; pag. 109.
Wrzesniowski 68; pag. 487.
Bütschli 10; pag. 1347, 1376-77, 1459, Taf. LXIV, Fig. 42 a— b
Synon: Cyclidium margaritaceum. Ehren berg 27; pag. 246, Taf. XXII, Fig. 2.
Glaucoma ,, Claparüde und Lachmann 13; pag. 278, Taf. XIV, Fig. 4.
„ „ Wrzesnioswki 66; pag. 335, Taf. IX, Fig. 9.
Ken t 38; pag. 796, Taf. XLV, Fig, 30.
?Coccudina crystallina. Perty 50; pag 158, Taf. V, Fig. 1;^.
Aspidisca costata etc. Kent 38; pag. 794—795. Anmerk., Taf. XLV, Fig 27.
Taf. VI. Fig. 73-75.
Sehr kleine Thiere von 0,0.3—0,044 mm Länge, 0,024—03 mm Breite und 0,01 — 0,012 mm Dicke.
Körper Scheiben- oder linsenförmig, biconvex und dorso-ventral stark comprimirt. Vorne abge-
rundet, hinten quer nach links ausgehöhlt und an den Ecken (namentlich an der rechten) abgerundet ; die
rechte Seite grösser und stärker gewölbt als die linke. Der Rücken ziemlich stark gewölbt, die Bauchseite
dagegen mehr oder weniger flach und am hinteren Ende näher zur rechten Seite ausgehöhlt. In dieser
peristomartigen Aushöhlung liegt vorne der Mund.
Der ganze Körper wird von feinen, massig langen Cilien bedeckt, welche auf der Ventralfläche be-
deutend dichter stehen als auf der Dorsalfläche. Die Cilien sind auf kleinen Papillen eingepflanzt, welche
in Längsreihen in den Cilienfurchen stehen. Letztere bedingen die Körperstreifung und sind auf der Dorsal-
Häche breiter als auf der Ventralfläche. Zwischen ihnen liegen die gewölbten Rippenstreifen. Dieselben
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tragen auf der Dorsal fläche ncicli eine besondere Zeichnung, indem man da Knotenpunkte bemerken kann,
von welchen zarte, sich verästelnde Fädchen zu den Cilienfurchen ausgehen. Letztere ziehen auf der rechten
Seite der Ventralfläche bogenartig um die peristomartige Aushöhlung und begeben sich nach hinten , so
dass der Körper auf der rechten Seite und der Ventralfläche von bogenartig umbiegenden Längsstreifen durch-
zogen wird , wogegen er auf der linken und Dorsalseite einfach längsgestreift erscheint. Am hinteren Ende des
Körpers und zwar an der rechten Seite unmittelbar an der Ecke der hinteren Aushöhlung sind 2 — 3 ver-
schieden lange Borsten (1) eingepflanzt. Ebenso stehen auch an der anderen Ecke der Aushöhlung, also
am hinteren Ende der linken Körperseite, 1 — 2 Borsten, welche aber kleiner als die vorhergehenden sind.
Das Ectoplasma (ek) ist sehr dünn und anscheinend homogen; das Entoplasma sehr grobkörnig:
die eingelagerten Körnchen sind stark lichtbrechend und verleihen dem Thiere ein glänzendes, perlmutter-
ähnliches Aussehen, welches auch den Speciesnamen margaritaceum veranlasst hat.
Der Mund (o) liegt am vorderen Ende der peristomartigen Aushöhlung, welche frei von Cilien ist.
Die Mundöflhung ist etwa birnförmig, vorne verengt und nach hinten erweitert. Von ihr entspringt
ein sehr flacher, sackartiger Schlund, an dessen Dorsalwand zwei undulirende Membranen be-
festigt sind. Die eine grössere (m. r.) ist bandförmig und näher am rechten Mundrande befestigt. Nur
die vordere Hälfte dieser Membran ist an die Schlundwand festgewachsen, das untere Ende ist frei und
kann entweder aus der Mundöfinung heraushängen und lappenartig bewegt oder aber in den Schlund
zurückgezogen werden und legt sich dann bogenförmig parallel dem unteren und linken Mundrande um. Die
andere undulirende Membran (m. 1.) ist bedeutend länger und näher am linken Mundrande gelegen. Sie
scheint nur mit ihrem vordersten Ende an der Schlundwandung befestigt zu sein, ist deutlich längsgestreift
und am unteren Ende faserartig zerschlitzt. Ich muss es überhaupt dahingestellt sein lassen, ob dieses
Gebilde eine- wirkliche undulirende Membran oder ein dichtes Cilienbüudel ist, welches am vorderen Ende des
Schlundes entspringt. Wegen der Kleinheit der Thiere konnte diese Frage nicht sicher entschie-
den werden.
Der After (a) liegt ventral am hintersten Ende des Peristoms und in uimiittelbarer Nähe
der grossen Borsten. Die contractile Vacuole (c. v.) liegt gleichfalls im Hintertheil des Körpers
und zwar näher zur linken Ecke der hinteren Aushöhlung; sie mündet dorsal wärts nach aussen unweit der
linken Borsten.
Der Makronucleus (X) liegt central oder etwas subcentral in der linken Körperregion und ist
kugelig oder etwas ellipsoidal. Er besitzt einen deutlich netzigen Bau und wird stets von einem kugeligen,
homogenen Mikronucleus (ncl) begleitet.
C. margaritaceum ist sehr verbreitet und fast in jeder faulenden Flüssigkeit in ziemlich grosser
Menge anzutreffen. Es hält sich meist zwischen verwesenden Algen auf.
Seine Bewegungen sind sehr verschieden ; am häufigsten schwimmt es lebhaft umher , sich
fortwährend um die Längsachse drehend. Bei Mangel an Raum, wenn es z. B. zwischen Algen geräth.
tummelt es sich langsam herum und wälzt sich von der einen Seite auf die andere: auch kann es
an den Algen herumklettern, wobei es sich stets auf der Bauchseite bewegt. An einem Platze bleibt es
selten ruhig stehen, kann sich aber kreiselartig an einem Orte drelien und zuweilen sogar kleine Sprünge
49
machen. Ihre Nahrung scheint ausschliesshch aus kleinen einzelligen Algen zu bestehen. Der Körper ist
formbeständig, elastisch und farblos.
Cinetochilum margaritaceum beschrieb zuerst Ehrenberg unter dem Kamen Cyclidium mar-
garitaceum (27; pag. 246) und erkannte den Verlauf der Körperstreifen auf der Dorsalfläche ganz richtig.
Perty (50; pag. 148) fand am Munde eine zitternde Klappe (imsere rechte undulirende Membran) und
errichtete aus diesem Grunde die Gattung Cinetochilum. Claparede und Lachmann (13; pag. 278)
beobachteten die zweite undulirende Membran (imsere linke), schilderten aber deren Lage und Bau nicht
näher. Ferner entdeckten sie die peristomartige Aushöhlung auf der Yentralfläche und erkannten die Längs-
streifen vollkommen richtig als Furchen. Die Zahl der Borsten wurde von den früheren Forschern nicht
richtig beobachtet, indem Claparede und Lachmann nur eine angeben, Wrzesniowski (66; pag. 335)
dagegen zwei: Kent (38; pag. 794—795 Anm.) fand bei einigen Exemplaren 3 Borsten. Er hielt diese
Art, ohne jeden genügenden Grund für Entwicklungszustände von Aspidisca costata. Ebenso ist es
unrichtig, dass die Dorsalfläche unbewimpert ist, wie Wrzesniowski (68: pag. 487) gesehen zu haben
glaubte. After und Kern wurden von den früheren Forschern nicht beobachtet.
19. Urocentrum turbo. 0. F. Müller spec.
Nitzsch 49; pag. 68.
Ebrenberg 27; pag. 2(58, Taf. XXIV, Fig. 7.
Diijardin 24; pag. 531 — 532.
Perty 50; pag. 141.
Claparfede und Lachmann 13; pag. 134 — 135.
Stein 60; pag. 73 auch 62; pag. 148.
Carter 11; pag. 399-402.
Fromentel 34; pag. 156, Taf. XXIV, Fig. 5.
Maggi 43; pag. 37 — 42.
Kent 38; pag. 641—643, Taf. XXXIII, Fig. 7—10.
Entz 29; pag. 179—189, Taf. VIII, Fig. 12—14.
Bütschli 9; pag. 90 auch 10; pag. 1264, 1278, 1281 Fig. 11, pag. 1329, 1417, 1421, 1445, 1447—48, 1459-60,
Taf. LXIV, Fig. 15.
Synon: Cercaria turbo. O. F. Müller 48; pag. 123—124, Taf. XVIII, Fig. 13—16.
Peridinium Cypripedium. James-Clark 14; pag. 270—279, Taf. XII, Fig. 1 — 7.
Peridinopsis „ ,, 15; pag. 2 — 6.
Calceolus Cypripedium. Diesiug 22; pag. 379.
„ „ Kent 38; pag. 618-619, Taf. XXXII, Fig. 23— 24.
Taf. VI, Fig. 76—86.
Mittelgrosse Thiere von 0,08-0,11 mm Länge und 0.064—0,09 mm Breite.
Körper tonnenförmig mit breit abgerundetem Vorder- und Hinterende; in der Mittelregion ziemlich
beträchtlich eingeschnürt, so dass man einen Vorder- und Hinterleib unterscheiden kann. Diese beiden
Körperregionen sind bauchig aufgetrieben und ungleich gross; der Vorderleib ist gewöhnlich stärker aufgetrieben
und wird vorne durch ein schwach gewölbtes Stirnfeld (vorderes Polfeld) abgeschlossen; das Hinterende
ist gleichmässig abgerundet und etwas eingebuchtet. Auf der Bauchfläche des Hinterleibs zieht eine seichte,
nicht besonders breite Längsfurche (Fig. 76 F) hin, welche am Hinterende beginnt und bis zur Mittelregion
des Körpers reicht.
Bibliotheca zoologica. Heft 5. 7
50
Die Körperbewimperung ist lieine allseitige und gleichmässige , sondern auf drei verschieden breite
Wimpergfirtel reducirt. Fast in der Mitte des Körpers verläuft ein schmaler, rinnenfürmiger Gürtel (m. W.),
welcher mit kleinen Cilien bedeckt ist. In diesem Gürtel, genau da, wo er die beschriebene Längsfurehe
(F.) kreuzt, befindet sich die Mundöft'nung (o.), welche somit in der Mitte der Ventralfläche liegt. Nach
vorn von diesem mittleren oder oralen Gürtel erstreckt sich der vordere und breitere Wimper-
gürtel (V. W.), welcher bis zur Grenze des vorderen Polfeldes reicht. Der hintere und schmälere
Wimper gürtel (H. W.) umzieht den bauchig aufgetriebenen Hinterleib und reicht bis an das Hinterende
des Körpers, wobei das hintere Polfeld unbewimpert ist; dieser Gürtel wird auf der Ventralfläche durch die
Längsfurche (F.) unterbrochen.
Die Cilien des vorderen und hinteren Gürtels sind ziemlich lang (0,015 mm) und fein. Sie sind
auf besonderen kleinen Papillen (Fig. 77 cl. p.) eingepflanzt, welche gleichzeitig nach drei verschiedenen
Richtungen in Reihen angeordnet sind und somit eine gekreuzte Streifung der Wimpergürtel bedingen. Be-
trachtet man nämlich bei starker Vergrösserung die Körperoberfläche im Bereich eines der beiden Wimper-
gürtel (Fig. 77), so gewahrt man zwei StreifensA'steme, welche unter einem Winkel von 60 " schief zur Längs-
achse des Thieres, das eine von vorn links nach hinten rechts und das andere von vorn rechts nach
hinten links ziehen; das dritte Streifensystem (q. s.) verläuft quer oder vielmehr ringförmig und verbindet die
Kreuzungsstellen der Streifen der beiden ersten Systeme; es bildet also mit ihnen ebenfalls einen Winkel
von QO'^. So entstehen kleine, gleichseitige Dreiecke, in deren Winkeln die Cilienpapillen (cl. p.) stehen, und
deren Seiten schwach vorspringende Plasmasäume sind, welche die stärker hervorragenden Cilienpapillen
unter einander verbinden.
Die Cilien des mittleren Wimpergürtels sind sehr kurz und stehen dicht an einander; sie ent-
springen von äusserst kleinen Papillen (Fig. 80), welche in der Richtung der Längsachse des Thieres in
Reihen augeordnet sind und dem Gürtel ein fein längsgestreiftes Aussehen verleihen (Fig. 76). Ausser diesen
drei Wimpergürteln ist noch eine Cilienreihe vorhanden, welche am rechten Rande der Längsfurche (Fig. 76
und 80 F) hinzieht. Sie besteht aus verhältnissmässig langen Cilien, welche nach vorne allmählich kürzer
werden. Sie beginnen am Hinterende der Furche und reichen bis zu ihrem vordersten Ende, wobei sie
den rechten und vorderen Rand der Mundöffnung umziehen und sogar in letztere hereinbiegen. Diese
Cihenreihe würde demnach wohl die Rolle einer adoralen Wimperzone (Fig. 76 und SO ad W.) spielen. Ihre
Wimpern sind auf kleinen Papillen eingepflanzt, wesshalb der scharf abgegrenzte rechte Furchenrand gekerbt
erscheint. In der Bauchfurche, jedoch an ihrem linken Rande und im Bereiche des hinteren Wimpergürtels
ist ein langer und ziemlich breiter, griflelartiger Schwanzanhang (er) befestigt, der am Hinterende des Körpers
frei nach aussen hervorragt. Dieser Cirrensch wanz ist deutlich längsgestreift und kann sich in einzelne
lange Wimpern zerfasern, so dass er als ein verklebter Cilienbusch zu betrachten wäre.
Am Ectoplasma unterscheidet man eine dünne Alveolarschicht (Fig. 76 und 78 oL), deren äusserste
Grenze eine zarte Pellicula(p) bildet. Das Maschenwerk der Alveolarschicht ist anscheinend dermassen an-
geordnet, dass jeder Cilienpapille ein Radiärbalken entspricht; wenigstens überzeugt man sich an optischen
Durchschnitten des Körperrandes (Fig. 78) leicht, dass unterhalb jeder Cilie ein Radiärstreifen (Balken des
W^abenwerks) der Alveolarschicht steht. Demnach ist es auch sehr möglich, dass die Zeichnung, welche
man bei Oberflächenansicht der Wimpergürtel gewahrt, nicht nur durch vorspringende Plasmasäume bedingt
I
51
wird, sondern auch die darunter ziehenden Plasmamaschen der Alveolarschicht zu ihrer Deuthchkeit Lei-
tragen. Bütschli (10; pag. 1281) dagegen möchte sie allein auf die Anordnung der letzteren zurückführen.
Dicht unterhalb der Alveolarschicht befindet sich eine bedeutend dickere Schicht vom Corticalplasma
(Fig. 76 und 78 c. p.), welches gleichfalls einen radiär wabigen Bau hat, nur sind die Waben (Fig. 79 B.)
bedeutend gröber. In dieser Schicht und zwar in den radiären Kanten des Wabenwerks sind besondere
trichocj'stenartige Stäbchen (t. s) eingelagert. Dieselben finden sich jedoch keineswegs bei allen In-
dividuen und werden nie ausgescbuellt. Sie sind länglich, stäbchenförmig, in ihrer Mittelregion wenig ver-
dickt und stark lichtbrechend ; von schwachen Säuren und Alkalien werden sie nicht gelöst, dagegen ziemlich
leicht von Pepsinlösungen (siehe oben bei Nassula), sogar bei gewöhnhcher Temperatur. Obgleich sie mit
den gebräuchlichsten Mitteln nicht zum Ausschnellen gebracht werden können, so kann doch ihre Homologie
mit echten Trichocysten nicht bezweifelt werden. Ihre Function bleibt somit unerwiesen, es liegt aber nahe
zu vermuthen, dass sie zur Stütze des Ectoplasmas dienen könnten.
Das Entoplasma (en) ist ziemlich grobwabig und feingekörnt und wird von zahlreichen kleinen,
rundlichen , stark lichtbrechenden Körperchen erfüllt (Fig. 78).
Die Mundöffnung (Fig. 76 und 80 o.) ist ziemlich gross und länglich, vorn etwas erweitert, nach
hinten verschmälert und etwas schief, von vorn rechts nach hinten links zur Längsachse des Thieres gerichtet.
Der vordere Muudrand liegt auf der Grenze zwischen dem vorderen Wimpergürtel und dem mittleren
oder oralen Gürtel, so dass die vordere Hälfte der Mundöffnung in den Oralgürtel fällt. Die Cilien der
adoralen Zone (ad. W.), welche am rechten und vorderen Bande der Furche stehen und in die Mundöft'nung
einbiegen, gehen an der linken Ecke des vorderen Mundrandes in einen langen Wimperbüschel (Fig. 80 \v. b.i
über, welcher frei in die Mundöffuung hineinhängt. Vom Munde entspringt ein ziemlich langer, nach hinten
und links ziehender Schlund (Fig. 76 imd 80 ve.j, der allmählich enger wird. Längs seiner dorsalen Wand
verläuft ein flimmerndes Gebilde; es scheint aus einer dünnen plasmatischen Leiste zu bestehen, deren
freier Rand sich in einzelne Cilien zerfasert. Die Vermuthung liegt nahe, dieses Organ von sehr dicht
aneinander stehenden Cilien abzuleiten, welche an ihrer Basis unter einander verschmolzen und so einen
membranartigen Saum zur Ausbildung brachten. Das Gebilde erinnert sehr au die Membran, welche im
Schlünde von Paramaecium verläuft. Ausserdem zieht noch an der ventralen Schlundwand eine Reihe
sehr kurzer und feiner Cihen hin, welche gleichfalls bis ans Schlundende reicht.
Der After (Fig. 76 a.) liegt am hinteren Körperende in der Ventralfurche und zwar ihrem
rechten Rande genähert; er ist nur während der Defaecation sichtbar.
Die contractile Vacuole (Fig. 76 c. v. und Fig. 81) liegt hinten und mündet durch einen deut-
lich begrenzten Porus (Fig. 76 und 81 p. c.) am Hinterende des Körpers nach aussen. Vom Excretionsporus
entspringt ein schmaler Kanal, welcher durch die Alveolarschicht und das Corticalplasma zu verfolgen ist und
an dessen Ende (also auf der Grenze von Corticalschicht und Entoplasma) die contractile Vacuole stets
gebildet wird. Dieselbe wird von vier, im Kreuz stehenden, zuführenden Kanälen (Fig. 76 c. cv. und Fig. 81 )
umgeben, welche unmittelbar unter dem Corticali)lasma nach vorne verlaufen und bis zum vorderen Wimper-
gürtel ziehen. Sie sind sehr dünn und schwellen kurz vor der Systole an dem Vacuolenende birnförmig an.
wobei ihr Inhalt mit dem der contractilen Vacuole nicht communicirt. Während der Systole, welche sehr
rasch erfolgt, treten die vier birnförmigen Kanalenden an die Stelle der sich entleerenden Vacuole und bilden
4 Bildungsvacuolen, die bald zu einer neuen contractilen Vacuole zusammenschmelzen. Dieselbe ist selbst-
verständlicli gegen den ausführenden Kanal durch eine dünne Plasmaschicht abgeschlossen. Unterdessen
werden 4 neue Kanäle ausgebildet , welche während der Diastole am Yacuolenende wieder hirnartig
anschwellen.
Der Makronucleus (Fig. 76 X. und Fig. 82) findet sich in der Region des hinteren Wimper-
gflrtels. Ef liegt quer, ist in der Mitte dünn strangförmig mit keulenförmig verdickten Enden, die stets
ventralwärts umgebogen sind, so dass der Kern eine nahezu huteisenförmige Gestalt besitzt. Sein Bau
ist feinnetzig und besonders deutlich an fixirten und tingirten Kernen sichtbar: dann ist auch eine zarte
Kernmembran wahrzunehmen. Ein kleiner, kugeliger Mikronucleus (ncl.) liegt dem Kern in seiner Mitte
stets an. Ausser einer äusserst dünnen Kernmembran lässt der Mikronucleus noch eine Sonderung seiner
Substanz in eiiien streifig-körnigen chromatischen und einen homogenen achromatischen Abschnitt erkennen.
Es gelang mehrere Male die Theilung dieses Infusors zu verfolgen, welche nicht uninteressant verläuft. Das
betreffende Individuum streckt sich in die Länge und in der Mittellinie zwischen dem vorderen (Fig. 83
Y. W.) imd hinteren (H. W.) "Wimpergürtel entsteht ein dritter, zunächst sehr schmaler (Vi Wi ) , welcher
zum vorderen Wimpergürtel des hinteren Sprösslings wird. Dieser Wimpergürtel nimmt an Breite
allmählich zu, bis er dem vorderen gleich wird (Fig. 84 Vi Wi). Zu dieser Zeit macht sich an seinem
hinteren Rande eine seichte Einschnürung (oraler Wimpergürtel) bemerkbar, in welcher kurze Cilien erscheinen
und ein neuer Mund (oi) angelegt wird. Letzterer entsteht in der verlängerten Längsfurche als eine kleine
Oeffnung, in deren Tiefe eine schief gestellte Cilienreihe (dorsale Schlundcilien) zu flimmern beginnt. Bald
darauf entsteht auch der hintere Wimperkranz (Fig. 85 Hi Wi) für den vorderen Sprössling. Leider vermag
ich nicht mit Gewissheit zu sagen, ob derselbe zwischen den vorderen Wimpergürteln der beiden Sprösslinge
(V.W. und Vi Wi) neu angelegt wird oder sich vom vorderen Wimpergürtel (Vi Wi) des hinteren Sprösslings
abgliedert. Jedoch spricht das, was ich beobachtete, mehr für das erstere. Sobald nun dieser Wimperkranz
(Hl Wi) angelegt ist, entsteht in seiner Region, am linken Rande der Furche die neue Schwanz-
cirre für den vorderen Sprössling. Bald darauf verschwindet der Theil der Furche, welcher zwischen dem
hinteren Wimpergürtel (Hi Wi) des vorderen und der Mundöft'nung (oi) des hinteren Sprösslings sich erstreckt.
Das Thier schnürt sich unmittelbar hinter dem neu entstandenen hinteren Wimpergürtel des vorderen
Sprösslings (Hi Wi) immer stärker ein, bis eine Zweitheilung an dieser Stelle erfolgt. Demnach wurde bei
dem vorderen Sprössling der hintere Wimperkranz (Hi Wi), bei dem hinteren der vordere Wimperkranz
(Vi Wi) neu gebildet. Nicht uninteressant sind auch die Veränderungen, welche während der beschriebenen
Processe am Kerne wahrzunehmen sind. Sobald nämlich der neue vordere Wimpergürtel (Fig. 83 Vi Wi)
hervortritt, ballt sich der Makronucleus (N.) zu einem eylindrischen Körper zusammen, wobei sich seine
feinere S tructm' aus der netzigen zur fasrigen umbildet. Darauf verändert er seine Lage, indem er aus dem
hinteren Körperende in die Mittelregion auf die hnke Körperhälfte verschoben wird und sich dabei in die
Längsachse des Thieres stellt (Fig. 84 N.). Währenddessen hat er einen längsstreifigen, feinfaserigen Bau
(Knäuelform) angenommen und wird später in der Mitte durchschnflrt (Fig. 85 X. und Xi). Nach erfolgter
Zweitheilung des Thieres wandern die beiden Makronuclei wieder nach den hinteren Körperenden zurück und
nehmen daselbst ihre gewöhnliche Lage, Gestalt und Beschaö'enheit an. Der Mikronucleus folgt dabei dem
Makronucleus und theilt sich auf karvokinetische Weise, welche jedoch nicht eingehender studirt wurde. Die
OÖ
neue contractile Vaeuole des vorderen Sprosslings (Fig. 85 ci vi ) muss wahrscheinlich sehr spät angelegt
werden, da ich sie erst zu der Zeit bemerkte, als der hintere Wimperkranz (Hi Wi) bereits vorhanden war.
Ich hatte das Glück ein paar Mal Conjugationszustände anzutreft'en, kann aber über das Verhalten
des Makro- und Mikronucleus nichts Specielleres berichten. Die Beobachtungen, welche vorliegen, beziehen
sich nur auf da.s allgemeine Verhalten der conjugirten Thiere. Dieselben legen sich sehr nahe aneinander
und vereinigen sich mit ihren vordersten Körperenden (oberhalli der vorderen Wimpergürtel Fig. 86). Dabei
schwindet das Ectoplasma an der Stelle, wo sie sich aneinander gelegt haben (resp. nimmt die Be-
schaffenheit des Entoplasmas an) und man bemerkt eine lebhafte Entoplasraacirculation zwischen den beiden
Thieren, wobei die Nahrungsvacuolen aus dem einen in das andere deutlichst übertreten.
Urocentrum turbo gehört, wie behauptet wird, zu den seltenen Infusorien, obgleich es in der
Umgebung von Heidelberg ziemlich häufig vorzukommen scheint. Wenigstens haben es Prof. ßütschli*),
Schub erg und ich öfters an verschiedenen Fundorten und immer in grossen Schaaren angetroffen. Es
scheint auch fauHge Infusionen ziemlich zu ertragen, in denen es sich sehr stark vermehrt. Gewöhnlich hält
es sich an der Oberfläche der Flüssigkeiten auf und schiesst pfeilschnell umher. In der Geschwindigkeit der
Bewegungen kann es nur mit Halteria verglichen werden, obgleich dieselben viel gleichmässiger sind und
nicht sprungweise erfolgeu. Bei der Bewegung geht U. turbo immer mit dem Vorderende voran und rotirt
unaufhörlich und sehr schnell um die Längsachse. Zuweilen dreht es sich kreiseiförmig auf einem Platze
herum, um darauf in irgend welcher Richtung fortzuschwimmen. Beim Uniherschwimmen ändert es öfters
die Bewegungsrichtung, wobei der Schwanzcirrus als Steuerorgan verwendet wird. Dass der Schwanzcirrus
auch als Anheftungsorgan benutzt wird, wie es Kent (38; pag. 619 und 642, Taf. XXXIU, Fig. 8 — 9) und
Carter (11; pag. 401) behaupten, konnte ich nie beobachten. Der Körper ist elastisch und meist farblos,
erscheint jedoch zuweilen schwach gelblich grau.
ü. turbo ernährt sich von Bacterien, welche mit dem Wasser durch die Bewegung der adoralen
Wimperzone und wahrscheinlich auch der kurzen Cilien der rinnenförmigen Einschnürung dem Munde zugestrudelt
werden. In die Mundöflnung gerathen sie durch die Bewegung der an seinem rechten und vorderen Rande
stehenden adoralen Cilien und hauptsächlich des Wimperbüschels und sammeln sich am Schlundende zu
Ballen an. Bei diesem Processe strömt auch Wasser ein, welches sich mit dem Entoplasma nicht mischt,
sondern am Sclilundeude als ein Tropfen anhäuft und die Nahrungskörperchen umschliesst. Sobald eine
solche Nahrungsvacuole (n. v.) ein gewisses Volum erreicht hat, löst sie sich vom Schlundende ab und wird
im Entoplasma fortgeführt.
Ich möchte beiläufig auf eine sehr interessante Erscheinung aufmerksam machen, welche vielleicht
zur Beurtheilung der Kernstructuren etwas beitragen kann. Betrachtet man solche Nahrungsvacuolen, so
zeigen sie einen deutlich netzig-maschigen Bau, als ob die stäbchenartigen Bacterien ein förmliches Netz-
oder Wabenwerk bildeten, welche an dasjenige der Kerne sehr erinnert. Werden dieselben aber per anum
ausgestossen oder isolirt man sie durch Zerdrücken der Thiere, so fällt es nicht schwer sich zu über-
zeugen , dass die Bacterien durchaus zu keinem Netzwerk verbunden waren , sondern dass dieses Bild nur
durch die verworrene Lage der stäbchenartigen Bacterien vorgetäuscht wurde.
*) Dagegen habe ich es in Frankfurt a..ßl. . wo ich mehrere .Tahre nach Infusorien suchte, niemals aufgefunden.
ü. Bütschli.
54
Dieses Thier wurde zuerst von Ü. F. Müller unter dem Namen Cercaria turbo (48: pag. 123 —
124) beschrieben, und später von NitzscL (49; pag. 68) zu einer selbständigen Gattung Urocentrum er-
hoben. Die Beschreibimgen, welche von den älteren Forschern wie Ehreuberg, Dujardin, Pert}-, Cla-
parede und Lachmann herrühren, sind sehr mangelhaft; selbst die äusseren allgemeinen Organisations-
Verhältnisse, wie Bewimperung, Lage des Mundes etc. wurden von ihnen nicht richtig erkannt. Zuerst
fand Maggi (4.3) und darauf Kent (38), dass der Körper von zwei Wimpergürteln umgeben wird, während
James-Clark (14) und Entz (29) denselben, ausgenommen das vorderste Ende, für total bewimpert hielten.
Die Streifensjsteme der Wimpergürtel wurden theilweise schon von James-Clark bemerkt, jedoch nicht
ganz richtig, wenigstens am vorderen Wimpergürtel dargestellt. Derselbe erkannte auch die schmale rinnen-
formige Einschnürung in der Mittelregion des Körpers, übersah aber dass sie von kürzeren Cilien bedeckt
wird. Entz bemerkte nur eine Reihe kürzerer Cilien an dieser Stelle und deutete sie als einen adoralen
Wimperkranz. Die Längsfurche wurde fast von sämmtlichen neueren Forschern bemerkt, jedoch übersahen
sie alle, dass ihr rechter Rand eine Cilienreihe (adorale Wimperzone nach mir) trägt, welche bis zum vorderen
Mundrande zieht und in seiner hnken Ecke einen Wimperbüschel bildet. Die Lage der Mundöffnung, sowie
die Bewimperung des Schlundes sind gleichfalls nicht richtig erkannt worden, obgleich Stein in demselben
eine undulirende Membran gesehen zu haben glaubte, während Entz nur von einer ,, Quaste, langer feiner
Wimperhaare" siiricht. Es ist gerade nicht unmöglich, dass diese Quaste unserem Wimperbüschel der adoralen
Zone entspricht. Ueber den feineren Bau des Ectoplasmas finden wir bei keinem der oben citirten Forscher
eine Andeutung. Erst Bütschli (9; pag. 90 j fand gelegentlich, dass das Ectoplasma (Corticalplasma) einen
groben radiär wabigen Bau besitzt und deutete die von Entz beschriebenen Trichocysten als die dicken Stränge
des Wabenwerks. Dieser Ansicht schloss sich später auch Schuberg (56; pag. 352) an. Jedoch lehrten
neuere, in Gemeinschaft mit Bütschli angestellten Beobachtungen, dass in den radiären Strängen des Cor-
ticaplasmas zuweilen stäbchenförmige, stark lichtbrechende Gebilde eingelagert sind, welche jedoch nicht aus-
geschnellt werden. Die zuführenden Kanäle der contractilen Vacuole wurden auch bereits von früheren
Forschern beobachtet. So spricht Maggi von zwei dünnen Kanälen, welche von der contractilen Vacuole
nach vorne ziehen sollen. Kent sah 4 über Kreuz gestellte Nebenvacuolen, übersah aber die eigentlichen
Kanäle; letztere wurden jedoch schon 1855 von Lieberkflhn richtig erkannt und auf seinen unedirten Tafeln
(42; Taf. 177, Fig. 1 — 2) dargestellt. Theilungszustände sind nur von Carter und Kent beobachtet worden ;
es ist aber falsch, wenn Kent behauptet, dass die aus der Theilung hervorgegangenen Sprösslinge nur einen
(vorderen oder hinteren) Wimpergürtel besitzen und der andere erst nachträglich angelegt werde.
Es unterhegt keinem Zweifel, dass die von James-Clark zuerst unter dem Kamen Peridinium
cypripedium (14) und dann Peridinopsis cypripedium (15,i beschriebene Form mit TJ. turbo identisch
ist — ein Umstand, auf den seinerzeit schon Carter (11) und dann Stein (62 pag. 148) hinwiesen. Das-
selbe gilt natürlich auch von der Gattung Calceolus, welche Diesing (22; pag. 379) für die James-
Clark "sehe Form errichtete und Kent fälschlicherweise adoptirte.
00
20. Lembadion bullinum. O. F. Müller sp.
Perty 50; pag 141, Taf. V, Fig. 14.
Claparfcdc u. Lachmann 13; pag 249-251, Tai' XII, Fig. 5—7.
Stein 60; pag. 78, 80 und S8; 62; pag. 155.
Eberhard 26; pag. 24, Fig. 26.
Diesing 23; pag. 75—76.
Kent 38; pag. 537, Taf. XXVII, Fig. 54
Bütschli 10; pag. 1279-80 Fig. 10; pag. 1342, 1347, 1351, 1375, 1377, 1421, 1446, Taf. LXIV, Fig. 5 a-b.
Sj-non. Bursaria bullinum O. F. Müller 48; pag. 116, Fig. XVII, Fig. 5—8.
Taf. VII, Fig. 87—91.
Kleine Formen von 0.058—0.07 mm Länoe, 0,0.36—0.046 mm Breite und 0,02 — 0,22 mm Dicke.
Körper oval, dorso-ventral abgeplattet und massig gewölbt; das Vorderende abgestutzt, mehr oder
weniger nach link.s abfallend und ausgebuchtet, das Hinterende verengt und schwach zugespitzt. Die Eücken-
seite stärker als die Ventralseite gewölbt; die letztere ist durch ein sehr ansehnliches Peristom stark ausge-
höhlt, welches fast die ganze Bauchseite einnimmt und etwas asj-metrisch liegt, da es beinahe die ge-
sammte rechte Hälfte und nur einen Theil der linken Hälfte der Bauchseite einnimmt. Der ganze Peristomrand
zieht den Körperumrissen der Ventralfläche mehr oder weniger parallel; auf diese Weise erscheint das
Peristom in der Mitte des Körpers am breitesten, nach vorne dagegen etwas verengt und nach hinten zuge-
spitzt. Das hintere Peristomende erscheint sackartig, da es von einer, dünnen Lamelle überdeckt wird, welche
mit Stein als Hypostom (Fig. 87 — 89 hg) zu bezeichnen wäre.
Der ganze Körper, mit Ausnahme des Peristoms, ist von feinen, ziemlich langen Cilieu bedeckt.
Dieselben erheben sich einzeln auf massig gewölbten Papillen (Fig. 91 cl. p.), die reihenweise angeordnet sind
und gewöhnlich mit den Papillen der benachbarten Reihen alterniren. Die Basen der Cilienpapillen erhalten
durch dichtes Zusammenstossen mit den benachbarten, polj'gonale Umrisse, wobei sich die Linien des Zu-
sammenstossens als Furchen darstellten (Fig. 91 1. s. und q. s.) Da die Cilienpapillen in parallelen Längsreihen
angeordnet sind, so erscheinen auch die dazwischen liegenden Furchen als Längsfurchen und bedingen die
Längsstreifung des Körpers. Jedoch erscheinen sie nur bei schwachen Vergrösserungen als gerade Linien
(Fig. 87 — 89), bei stärkeren Vergrösserungen fällt es nicht schwer sich zu überzeugen, dass sie zickzack-
förmig verlaufen (Fig. 91 1. s.), wobei ihre winkligen Kreuzungsstellen durch Querfurchen (q. s.) verbunden
sind. Auf diese Weise erhalten wir sechs- oder viereckige (an den Stellen, wo die Cilien der benachbarten
Reihen nicht alterniren) convex vorspringende Kügelchen, in deren Mitte die Cilien stehen. Aus der be-
schriebenen Oberflächenzeichnung ergiebt sich , dass die Längsstreifung des Körpers nicht durch Cilienpapillen
(wie wir es bei anderen Infusorien gesehen haben) hervorgerufen wird, sondern durch die dazwischen liegenden
Längsfurchen. Dieser Umstand rührt daher, dass bei Lembadion die Cilien ziemlich weit von einander ab-
stehen und die Papillen nicht knopfartig, sondern flach hügelartig sind, wodurch auch die Furchen deut-
licher hervortreten.
Die Längsstreifen ziehen auf der Ventralfläche parallel dem Peristomrande von oben nach unten
und stossen paarweise winklig in einer Linie zusammen, welche die hinterste Spitze des Peristoms mit dem
hinteren Körperende vereinigt; auf der Dorsalfläche verlaufen sie meridional.
56
Das Ectoplasma (ek) ist sehr dünn und anscheinend homogen, das Entoplasma fein
gekörnt.
Am hintersten Körperende steht ein Bündel von 4 langen (0,022 mm) Borsten, die jedoch nicht
starr, sondern biegsam sind und wellenförmig bewegt werden können.
Der Mund (Fig. 87— 89o.) liegt in der Tiefe des Peristoms, näher am linken Peristomrande und
erscheint als ein ziemlich breiter Streifen, dem das Ectoplasma fehlt; er erstreckt sich vom vorderen bis zum
hinteren Peristomende. Weit besser jedoch lässt er sich an optischen Querschnitten erkennen. Betrachtet
man nämlich auf dem Hinterende stehende Exemplare (Fig. 90), so erblickt man , dass die scharf begrenzte,
homogen erscheinende Ectoplasmaschicht nicht das ganze Peristom continuirlich auskleidet. In einem
Bereiche (näher am linken Peristomrande) fehlt sie vollkommen, so dass das körnige Entoplasma dort zur Ober-
fläche tritt (Fig. 90 o) und somit die Stelle des Mundspalts angiebt. Ein Schlund fehlt vollkommen.
Der linke Peristomrand (1. Pr.) ist stark verdickt und wulstartig aufgetrieben (Fig. 87 u. 89); diese
Erhebung ist in der Mittelregion des Körpers am breitesten und fällt nach vorn und hinten allmählich ab,
wobei sie am hinteren Peristomende oberhalb der Lamelle (Hj-postom) gelegen ist. In ihrer ganzen Aus-
dehnung ist eine grosse und starke undulirende Membran (Fig. 87, 88, 90) befestigt, die im ausgebreiteten
Zustande bis zum rechten Peristomrande (r. Pr.) hinüberreicht, so dass sie den ventralen Peristomeingang ganz
überdeckt. Am vorderen Körperende ragt die Membran frei nach aussen hervor und kann öfters fächerartig
zusammengelegt werden. Sie ist deutlich und fein quergestreift. Im optischen Längsschnitte (Fig. 88
m. 1.) erscheint sie dagegen längsgestreift. Diese Structur spricht sehr für die Annahme, dass die Membran
wahrscheinlich durch Verklebung oder Verwachsung mehrerer Reihen sehr langer Cilien entstanden
ist. Zuweilen erscheint sie an mehreren Stellen geschlitzt und kann sogar in einzelne Cilien zerfasert sein,
was besonders an ihrem vorderen Ende öfters zu bemerken ist. Längs des ganzen rechten Peristomi-andes
(r. Pr.) zieht ebenfalls eine undulirende Membran (Fig. 87—90 m. r.) hin, welche aber bedeutend niedriger
und dünner als die erste ist. Am vorderen Körperende springt sie auch etwas zipfelartig hervor und zieht
nicht bis zum hintersten Peristomende (Fig. 88 u. 89), sondern hört gleich unterhalb des Hypostoms auf.
Diese Membran ist meist nach dem Inneren des Peristoms gekehrt und desshalb von der Ventralseite schwer
zu erkennen. Sie ist ebenfalls deutlich quergestreift und am vorderen Ende öfters in einzelne Cilien zerfasert.
Ausser diesen beiden Membranen erhebt sich in der Tiefe der peristomartigen Aushöhlung noch
eine dritte undulirende Membran (Fig. 87,89 und90m. i.), die zum Unterschiede von den beschriebenen link en
imd rechten als die innere zu bezeichnen wäre. Sie entspringt von einer längs verlaufenden, leisten-
artigen Erhebung (1.), die unweit des rechten Peristomrandes (r. Pr.) gelegen ist und erstreckt sich durch
die ganze Länge des Peristoms. Es ist schwer zu entscheiden, ob dieses Gebilde eine wirkhche Membran ist.
In Flächen- und Seitenansichten (Fig. 87 u. 89 m. i.) erscheint sie wie eine dichte Cilienreihe, die von der
leistenartigen Erhöhung des Peristoms entspringt. Untersucht man aber optische Querschnitte (Fig. 90), wie
man sie an auf dem Hinterende stehenden Exemplaren zu beobachten Gelegenheit hat, so glaubt man wieder,
dass es eine Membran ist. An solchen Frontalansichten lassen sich auch die beiden anderen Membrane am
besten wahrnehmen.
Die Lage des Afters wurde nicht mit Sicherheit festgestellt. Jedoch glaube ich einmal gesehen
zu haben, dass Xahrungsreste am Hinterende des Körpers auf der Ventralseite ausgestossen wurden.
57
Die contractile Yacuole (c. v.) liegt fast in der Mitte des Körpers, etwas rechts auf der Dorsal-
fläche; von ihr führt schief nach hinten und rechts ein langer und schmaler ausführender Kanal, welcher durch
einen Porus auf der Ventralseite rechts vor dem hinteren Peristomwinkel nach aussen mündet. Dieser von
Stein entdeclite Kanal wurde von Prof Bütschli zuerst wieder beobachtet. Während der Diastole bilden
sich im Umkreise der contractilen Vacuole mehrere verschieden grosse Bildungsvacuolen, welche nach erfolgter
S3'stole zu einer neuen zusammenschmelzen. Bei der Sjstole wird die dünne Plasmaschicht, welche die con-
tractile Vacuole vom Kanal abschliesst, durchbrochen und der Inhalt der Vacuole durch den Kanal und Porus
nach aussen befördert.
Der Makronucleus (X) liegt im Hinterende des Körpers, näher zur linken Seite; er ist nierenförmig,
besitzt einen körnig-netzigen Bau und wird stets von einem kugeligen, homogenen Mikronucleus (ncl) begleitet.
Lembadion bullin um gehört zu den seltenen Infusorien und tritt nicht in grossen Schaaren,
sondern meist einzeln auf Es lebt in frischen, klaren Wässern und scheint faulende Infu.sionen nicht zu er-
tragen. Es bewegt sich ziemlich rasch und immer in gerader Eichtung; dabei schwimmt es ebensogut mit
dem vorderen wie mit dem hinteren Ende voran. Im letzteren Falle dreht es sich stärker um seine Längs-
achse und macht wackelnde Bewegungen. Es kann auch j)lötzlich die Richtung der Bewegung verändern,
wobei die langen, borstenähnlichen Wimpern in Anwendung gebracht werden. An einem Platze bleibt es
nie ruhig liegen. Die undulirenden Membranen werden gleichfalls fortwährend bewegt, und scheinen nicht
nur zur Herbeischaffung der Nahrung, sondern auch zur Fortbewegung zu dienen. Die Nahrung besteht
ausschliesslich aus pflanzlichen Stoffen, wenigstens habe ich nie gesehen, dass Lembadion andere Infu-
sorien angriffe. Es scheint eine besondere Vorliebe für Diatomeen zu haben und kann verhältnissmässig sehr
grosse Exemplare verschlingen.
Der Körper ist elastisch und formbeständig; er ist farblos, aber etwas ins grünliche fallend. Das
Thier erträgt nicht die geringste Pression und geht unter dem Deckglas sehr schnell zu Grunde, wobei es
öfters sämmtliche Cilien abwirft.
Es ist sehr möglich und sogar wahrscheinlich, dass die Köi-perorientirung, die bis jetzt gegeben
wurde, nicht richtig ist, worauf mich zuerst Prof. Bütschli aufmerksam machte. Man könnte eher
daran denken, das hintere Ende des Körpers als das vordere aufzufassen, da die hinter dem Peristomende
winklig auf einander stossenden Körperstreifen dafür zu sprechen scheinen (wie es bei Glaucoma eingehender
gezeigt wurde, s. pag. .32). Dies ist jedoch blos eine Vermuthung, welche von Bütschli ausgesprochen wurde
und die mir vollkommen berechtigt erscheint. Auch stehen die Eewegungserscheinungen des Thieres mit dieser
Orientirung nicht im Widerspruche, wohl aber die Lage des Afters, wenn sie wirklich eine solche ist, wie ich
einmal gesehen zu haben glaube.
Lembadion bullinum wurde zuerst von (i. F. Müller unter dem Namen Bursaria bullinuni
beschrieben und später von Perty zu einer selbständigen Gattung erhoben. Die von ihm gegebene Be-
schreibung und Abbildung sind aber sehr mangelhaft. Viel eingehender untersuchten es Claparede und
Lach mann und erkannten die allgemeine Körpergestalt und das Peristom ganz richtig. Auch sahen
sie am vorderen Peristomende zwei Cilienbündel, welche zweifellos den zipfelartig hervorragenden Enden
unserer linken und rechten undulirenden Membran entsprechen. Sie verkannten aber die Membranen, indem
sie die rechte übersahen und die linke (welche wahrscheinlich zerschlitzt war) als eine Cirrenreihe deuteten.
Bibliotheca zoologica. Heft 5. 8
58
Auch wurde von ihnen die llundött'nung nicht richtig angegeben, welche sie für oval hielten und in's hintere
Peristomende verlegten. Die Mundutfnung erkannte erst Stein und beschrieb sie als einen langen Spalt,
welcher vom vorderen bis zum hinteren Ende des Peristoms verläuft; Stein deutete auch die linke unduürende
Membran vollkommen richtig, übersah aber die beiden anderen (rechte und innere). Die Gestalt und Lage
des Kernes und der contractilen Vacuole wurden von Stein vollkommen richtig angegeben. Er erkannte
auch (02; pag. 155 Anmerk. 4) zuerst den ausführenden Kanal und den Excretionsporus. Die Kurper-
streifung und Anordnung der Cilien studirten die früheren Forscher nicht.
21. Pleuronema Chrysalis. Ehrbg. si^ec.
Perty 50; pag. 146.
Clapar&de und Lachmanu 13; p. 274-276, Taf. XIV, Fig. 8.
Stein 60; pag. 61—62, 73 u. 77; 62; pag. 159.
Quenuerstedt 52; pag. 19-23, Taf. I, Fig. 19-22.
Diesing 23; pag. 85.
Fiomentel 34; pag. 186—401, Taf. XXI, Fig. 10, Taf. XXII, Fig. 16.
Kent 38; pag. 543; Taf. XXVII, Fig. 55.
Bütschli: 10; 1375-76, 1388, 1441, 1459, Taf. LXIV, Fig 6 a-c.
Synon.: Pleuronema crassa. Dujardin 24; pag. 474-475, Taf. VI, Fig. 1; Taf XIV, Fig. 2
„ marin a. „ 24; pag 475, Taf. XIV, Fig. 3.
„ „ Fabre-Domergue 31; pag. 558-559, Taf. XXIV, Fig. 4—5.
„ coronata. Keut 38; pag. 544, Taf XXVII, Fig. 56.
Paramaeeium Chrysalis. Ehrenberg 27; pag. 352, Taf XXXIX, Fig- 8.
Lembadion ovale, (iourret et Roeser 35; pag. 474—476, Taf XXIX, Fig. 5—9.
Histiobalantium agile, Stokes 65; pag. 105—108, Taf. I, Fig. 15—16.
Taf. Vn. Fig. 92—93.
Kleine bis mittelgrosse Formen von 0,068 — 0,083 mm Länge und 0,037 — 0,042 mm Breite.
Körper eiförmig, seitlich etwas comprimirt, hinten abgerundet, nach vorne verengt. Fast die ganze
Ventralseite durch ein ansehnliches Peristom ausgehöhlt. Dasselbe beginnt am Vorderende des Körpers
und erweitert sich nach hinten, wobei es beinahe ^/i der Körperlänge einnimmt. Der hintere Abschnitt des
Peristoms ist an der hnken Seite sehr stark ausgebuchtet (Fig. 73 1. Pr.) und bildet somit eine grosse und
ziemlich tiefe Höhle. Demnach erscheint auch der linke Peristomrand (1. Pr.) hinten stark ausgebuchtet,
wogegen der rechte (r. Pr.) vollkommen gerade verläuft.
Der Körper ist, mit Ausnahme des Peristoms, mit feinen, langen, borstenähnlichen Cilien bedeckt.
Dieselben sind in Längsreihen angeordnet und stehen auf kleinen Papillen, welche in ihrer Gesammtheit den
xVnschein einer Längsstreifung hervorrufen. Diese Längsstreifen verlaufen meridional und stossen auf der
Ventraltiäche auf das hintere Peristomende (Fig. 93). Das Peristom selbst ist unbewimpert.
Am Ectoplasma unterscheidet man eine massig dicke Alveolarschicht (al), deren äusserste
Grenze eine dünne Pellicula (p) bildet.
Das Entoplasma ist hjalin, ohne besondere Structur und enthält einzelne, rundhche Körperchen,
von denen einige durch bedeutend stärkeres Lichtbrechungsvermögen sich auszeichnen.
Die Mundöffnung (Fig. 93 o) ist sehr klein und liegt im hintersten Peristomende etwas näher zum
linken Peristomrande. Ein besonderer Schlund scheint nicht vorhanden zu sein: wenigstens werden die
59
Nahrungsvacuolen stets dicht an der Muudöffiiung gebildet. Am linken Peristomrande ist eine lange und
hohe undulirende Membran (Fig. 93m) befestigt. Sie beginnt niedrig am Yorderende des Körpers, er-
höht sich in der Mittelregion, biegt um den hinteren Peristomrand herum und .steigt wieder am rechten
empor (Fig. 92j. Jedoch erstreckt sie sich an diesem nicht weit nach vorne und hört gegenüber der
Ausbuchtung des linken Peristomrandes auf. Auf diese Weise bekommt der hintere Theil der Membran die
Beschaflenheit einer weiten tiefen Tasche oder eines Sackes, welche die hintere Peristomerweiterung über-
wölbt. Die Membran ist deutlich quergestreift und zuweilen in einzelne Lappen zerschlitzt: ich habe sogar
einmal ein Exemplar beobachtet, bei welchem nur die hintere Tasche vorhanden, der vordere Theil der Mem-
bran dagegen in einzelne schmale Streifen aufgelöst war. Im ausgespannten Zustande erscheint die Mem-
bran fast ebenso hoch wie der Körper; sie kann aber in das Peristom vollkommen eingezogen werden imd
legt sich dann faltig zusammen. Am vorderen Theile des rechten Peristomrandes, d. h. bis zu der Stelle,
wo die undulirende Membran aufhört, sind sehr lange und feine Cilien befestigt; dieselben sind schief
nach hinten und nach dem Peristom einwärts gekehrt. Die hintersten sind besonders lang, wellenartig
gebogen und bilden ein förmliches Büschel . das in der hinteren Ausbuchtung des Peristoms gelegen ist.
Der After (a) liegt ventral am hinteren Körperende, unweit des hinteren Peristomendes.
Die contractile Vacule (c. v.) liegt dem After gegenüber auf der Dorsalseite und mündet auf der
Rückeiiseite nach aussen.
Der Makronucleus (N) ist relativ sehr gross (bis 0,02 mm im Durchmesser), kugelig imd wird
von einem ellipsoidalen Mikronucleus (ncl) begleitet, an dem man einen streifig-körnigen chromatischen
und einen homogenen achromatischen Abschnitt unterscheiden kann. Der Makronucleus liegt in der vorderen
Körperhälfte, erscheint dunkel und besitzt einen feinnetzigen Bau. Letzterer kommt bei fixirten Kernen
deutlicher zum Vorschein, bei welchen man ausserdem noch eine dünne Kernhülle wahrnehmen kann: auch
dem Micronucleus kommt eine Membran zu.
Pleuronema Chrj'salis scheint nicht zu den ganz gemeinen Infusorien zu gehören;
wenigstens habe ich sie ziemlich selten gefunden. Sie lebt an der Oberfläche von Wässern, welche von
einer Schimmelschicht überzogen sind, erträgt aber Putrescenz nicht. Ich habe sie immer einzeln oder in
kleinen Mengen angetroffen, nie in grossen Schaaren, wie die nächstverwandte Gattung Cjclidium.
Die Bewegungen sind sehr rasch und meist rotirend; sie schwimmt gewöhnlich äusserst schnell in Zickzack-
linien herum mit dem Vorderende vorangehend, kann sich aber ebenso schnell rückwärts bewegen. Zuweilen
macht sie kreiselartige Bewegungen oder wälzt sich langsam an einem Platze, um ihre Längsachse rotirend.
Oefters lileilit sie vollkommen ruhig, wie todt liegen und streckt dabei ihre Wimpern und die Membran
bewegungslos aus. Nach einer solchen Ruhepause, welche verschieden lang dauern kann, macht sie einen
jilötzlichen Sprung und verschwindet aus dem Gesichtsfelde.
Die Nahrung besteht aus Bacterien, welche den Inhalt der im Entoplasma so zahlreich vorhandenen
Nahrungsvacuolen (n. v.) bilden. Während der Nahrungsaufnahme wird die undulirende Membran vollkommen
ausgespannt und die am rechten Peristomrande befestigten Cilien wirbeln stark, so dass ein heftiger Wasser-
strom zum Munde geht.
Der Korper ist elastisch und furmbeständiii', vollkommen durchsichtig und farblos, oder unbedeutend
bläulich-grün wie jedes Protoplasma.
8*
60
Pleuronema Clirysalis wurde zuerst von Ehrenberg (27; pag. 352) unter dem Namen
Paramaecium Chrysalis beschrieben nnd später von Dujardin (24; pag. 474) zu einer selbständigen
Gattung erhoben. Die erste ziemlich genaue Beschreibung stammt von Claparede und Lachmann (13;
pag. 274 — 276). Diese Forscher erkannten vollkommen richtig die Bewimperung, die Lage und Gestalt des
Peristoms, sowie die Lage des Kerns und der contractilen Vacuole. Sie beobachteten auch zum ersten
Male die langen fadenförmigen Cilien, welche am rechten Peristomrande stehen und in das Peristom ein-
geschlagen sind; jedoch verkaimten sie die undulirende Membran und hielten den hinteren Rand der sack-
förmigen Membran für eine Borste, welche bogenförmig nach vorn (nach hinten nach ihrer Körperorientirung)
gekrümmt sein sollte; auch sahen sie die Befestigungsstelle der Membran am rechten Peristomrande, indem
sie von einer zweiten, gleichfalls bogenartig gekrümmten Borste (freier Membranrand) sprechen, die mit dem
Ende der ersten verschmelzen soll, erklärten sie aber für eine optische Täuschung. Erst Stein (60; pag. 73)
überzeugte sich vom Vorhandensein einer Membran und beschrieb sie als eine „weite sackartige Tasche,"
welche an einem Peristomrande verlaufen sollte (62; pag. 159). Der wahre Verlauf und die Gestalt der Membran
wurden aber bedeutend später von Fabre-Domergue (31; pag. 558) erkannt, welcher sie jedoch irrthümlicher
Weise am rechten Peristomrande verlaufen Hess (31; Taf. XXIX, pag. 4). Die von Stein (60; pag. 61 —
62) und Fabre-Domergue beschriebenen stäbchenartigen Körpercheu, welche in der äussersten Körperlage
und senkrecht zur Oberfläche liegen, glanbe ich auf eine Alveolarschicht beziehen zu dürfen, die ich mit
Deutlichkeit wahrgenommen habe. Auch Fabre-Domergue will sie nicht mit Bestimmtheit als Tricho-
cj'sten ausgeben, da er ihr Ausschnellen nie gesehen hat. Es scheint mir sehr wahrscheinlich, dass die von
Gourret mid Roeser als Lembadion ovale (35; pag. 474 — 476) und von Stokes als Hi stiobalantium
agile (65; pag. 105 — 108) beschriebenen Formen mit Pleuronema Chrysalis identisch sind. Histiobalan-
tium würde sich nur durch eine grössere Zahl der contractilen Vacuolen unterscheiden.
22. Cyclidium Glaucoma O. F. Müller.
Müller 48; pag. 80, Taf. XI, Fig. 6-8.
Ehrenberg 27; pag. 245—2.56, Taf XXII, Fig. 1 p. p. (A. und ß).
Perty 50; pag 149.
Claparede et Lachmann 13; pag 272 — 273.
Frey 33; pag. 61—62, Fig. 21 und 22.
Diesing 23; pag. 71.
Stein 02; pag 159.
Kent 38; pag. 544, Taf. XXVII, Fig. 57-58.
Gourret et Roeser 35; pag. 479-480. Taf. XXIX, Fig. 11—12, Taf XXX, Fig. 1
Bütschli 10; pag. 1347, 1351, 1375—76, 13S8, Taf LXIV, Fig. 8 a-c.
Synon : C. nigricans, Fromentel 34; pag. 307, Taf III, Fig. 10.
C. saltans, Fromentel 34, pag 308, Taf XXI, Fig. 9 und 14.
Pleuronema Cyclidium Claparede et Lachmann 13; pag. 276, Taf XIV, Fig. 6.
Pleuronema sp. ? Grimm 36; pag. 73
Alyscum saltans Dujardin 24; pag. 391, Taf VI, Fig. 3.
Enchelys nodulosa „ 24; pag. 389, Taf VI, Fig. 2, Taf VII, Fig. 9.
? Acomia cyclidium „ 24; pag. 382, Taf VIT, Fig. 5.
Disticha hirsuta Fromentel 34; pag. 188—189, Taf XXL Fig. 18.
? Ctedoctema acanthocrypta Stokes 63; pag. 905—907.
Schwärmsprösslinge von Chilodon Stein 58; p.ig. 1.34-136, Taf III, Fig. 60-63 und 67—69.
61
Taf. Vn. Fig. 94-96.
Sehr kleine Formen von 0,018—0,024 mm Lauge und 0,01— 0,01i' mm Breite.
Körper länglich -oval und etwas eiförmig (Fig. 96), an beiden Enden zugespitzt und abgerundet.
Das Vorderende bedeutend schmäler als das hintere und kurz vor der Spitze dorsahvärts verengt. Die
Rückenseite ziemlich stark gewölbt (Fig. 94 — 95), die Ventralseite beinahe grade und durch ein sichelförmiges
Peristom iFig. 96. ausgehöhlt, welches etwas über 7a der Totallänge des Körpers einnimmt. Im vorderen
Körperdrittel ist das Peristom ziemlich eng und erweitert sich plötzlich nach hinten, wobei es nach
links eine starke Ausbuchtung macht. Demnach erscheint sein linker Rand hinten stark ausgeschnitten
(Fig. 95 und 96 1. Pr.), wogegen der rechte Peristomrand nur schwach sichelförmig gekrümmt ist (Fig. 96
r. Pr.j. Die ganze Peristomhöhle erinnert im allgemeinen an jene der Pleuronema, mit welcher das Thier
überhaupt eine grosse Aehnlichkeit besitzt.
Der Körper ist mit sehr langen, dünnen und wenn nicht bewegt, starr und borstenartig er-
scheinenden Cilien bedeckt. Sie stehen am \'orderende des Körpers sehr dicht beisammen, nehmen nach hinten
allmählich an Dichte ab und sind am Hinterende sehr spärlich vorhanden. Am hintersten Körperende ist
eine lange, sehr spitz auslaufende Fühlborste (b) eingepflanzt, welche in der Läi-gsachse des Körpers steht.
Die borstenähnlichen Cilien sind in Längsreihen angeordnet und sitzen auf kleinen Papillen, welche in ihrer
Gesammtheit den Anschein der Längsstreifung bedingen. Diese Längsstreifen ziehen meridional von hinten
nach vorne und stossen auf der Ventralseite auf den hinteren Peristomrand.
Das Ectoplasma (ek) ist kaiim wahrnehmbar, sehr dünn und anscheinend homogen. Das Ento-
[ilasma durchsichtig und feingekörnt.
Die Mundöffnung iO) ist äusserst klein und liegt auf der Dorsalwand der kolbenartig erweiterten
Peristomhöhle, in ihrem hintersten Ende unweit des linken Peristomrandes. Von ihr führt dorsalwärts und
nach links ein sehr kurzer röhrenförmiger Schlund, an dessen Ende die Nahrungsvacuolen (n. v.) gebildet
werden. \m linken Peristomrande , und zwar an seiner ganzen Länge, ist eine grosse undulirende
Membran (m) befestigt, welche segelartig ausgespannt werden kann. Sie beginnt am vordersten Körperende,
zieht nach hinten um den hinteren Rand des Peristoms und greift auf den rechten Peristomrand über,
reicht jedoch an diesem nicht so weit nach vorn wie bei Pleuronema. Demnach erscheint die Membran
bei C'jclidium ebenfalls sackförmig, jedoch bedeutend weniger tief als bei der vorigen Gattung. Sie ist
quergestreift und kann vollkommen oder theilweise in das Peristom eingezogen werden; wenn sie nicht ganz
ausgespannt ist, so kann man an ihrem vorderen Theile 2 — 3 Falten bemerken, welche im ausgespannten
Zustande ausgeglichen werden. Am rechten Peristomrande ist eine Reihe von Cilien befestigt, die an Grösse
den Körpercilien gleich kommen, aber schief nach hinten gestellt sind. Sie sind ebenfalls starr und können
(namentlich die untersten) in das Peristom eingeschlagen werden, ohne jedoch wellenartig gebogen zu werden.
Der After lai liegt am hintersten Körperende unweit der .Vnsatzstelle der Fühlborste, aber nicht
terminal, sondern auf die Ventralfläche verschoben. Li seiner unmittelbaren Nähe befindet sich die con-
tractile Vacuole (c. v.), welche terminal ausmündet und in kurzen Zeiträumen entleert wird.
Der Makronucleus (N) liegt in der Mittelregion des Körpers, ist kugelig, stark lichtbrechend
und besitzt einen feinkörnig- netzigen Bau. Er wird stets von einem äusserst kleinen, runden, homogenen
Mikronucleus (ncl) begleitet.
C'ycliciium Glaucoma gehurt zu den gemeinsten luid verbreitetsten Infusorien; es ist mit Leichtig-
keit in jeder faulenden Infusion anzutreffen und kommt in sehr grossen Schaaren vor. Es lebt zwischen ver-
wesenden Algen oder an den Häutchen, welche von Zooglea und Bacterien gebildet werden und jede faulende
Flüssigkeit überdecken. Gewöhnlich ruhen die Cj^clidien; sie liegen mit ausgestreckten Cilien und Mem-
branen an einem Platze, ohne die geringste Andeutung von Bewegung zu zeigen, so dass nur die Pul-
sationen der contractilen Vacuole ihr Leben anzeigen. Wird in solchem Zustande Nahrung aufgenommen,
welche ausschliesslich ans Bacterien besteht, so werden die am rechten Peristomrande stehenden Cilien
in kleinen Intervallen bewegt und Hand in Hand damit die undulirende Membran bald ausgespannt, bald
eingezogen. Wird das Cyclidium aus diesem Ruhezustande durch irgend welche Ursache, sei es durch
einen herantretenden Feind oder durch Erschütterung verscheucht, so beginnt es nach allen Richtungen des
Raumes pfeilschnell herumzuschwimmen, bis es sich wieder an einem Orte beruhigt. Zuweilen dreht es. sich kreisel-
artig an einem Platze oder aber um seine Längsachse. Seine Bewegungen können im strengen Sinne des
Wortes nicht als Schwimmen bezeichnet werden, da sie viel zu ungleichmässig sind und so zu sagen ruck-
weise erfolgen. Bei solchen Bewegungen durchschiesst das Cyclidium bhtzschnell eine Strecke, macht,
wenn auch eine ganz minimale Ruhepause und schiesst dann weiter, wobei mit jedem neuen Rucke die Richtung
fast immer verändert wird. An diesen Thierchen lässt sich die Bedeutung und Function der Fühlborste sehr
bequem beobachten, namentlich wenn in der Flüssigkeit noch andere Infusorien vorhanden sind. Der Körper
ist elastisch, formbeständig und farblos.
Cyclidium Glaucoma wurde zuerst von 0. F. Müller (48; pag. sOj und später von Ehrenberg
und Perty beschrieben. Duj ardin verwarf die gegebene Bezeichnung und beschrieb Cyclidien in den beiden
Gattungen Alyscum und Enchelys, was nur Verwirrung in der Nomenclatur hervorbrachte. Alle diese
Beschreibungen waren sehr mangelhaft. Die erste eingehende Schilderung wurde wieder von Claparede und
Lachmanu (13; pag. 271 — 273 und 276) geliefert. .Jedoch begingen sie denselben Fehler wie bei Pleu-
ren ema, indem sie die undulirende Membran verkannten und ihren hinteren Rand für eine bogenartig ge-
krümmte Borste hielten. Stein (62; pag. 159) beschrieb die Gestalt des Peristoms ganz richtig und erkannte
die undulirende Membran, welche er jedoch nur an einem Peristomrande verlaufen Hess.
23. Cyclidium Glaucoma variet. elongatum milii.
Taf. VII. Fig. 97.
Dieses Thierchen bietet in seiner Organisation zu wenig Eigenthümliches, als dass man es für eine
besondere Art betrachten könnte. Es erinnert sehr an C. Glaucoma und weicht von demselben nur durch
unwesentliche Merkmale ab . aus welchem Grunde ich es bloss für eine Varietät erklären möchte. Es ist
das kleinste Infusor, das ich beobachtet habe und hat eine Länge von 0,016 — 0.02 mm bei einer Breite
von 0,006-0,007 mm.
Seine Gestalt ist länglich, fast ellipsoidal. am vorderen Körjierende unbedeutend schmäler als am
hinteren und gleichmässig abgerundet; die Rückenseite ist schwach gewölbt, die Ventralseite abgeflacht. Das
Peristom ist bedeutend schmäler als bei C. Glaucoma und besitzt keine so starke Aushöhlung an der
linken Körperseite. Die undulirende Membran (m) ist breit, greift aber kaum auf den rechten Peristomrand
63
über, so dass die Membrantasche sehr flach erscheint. Die Körperstreifen stehen nicht so eng aneinander
wie bei C. Glaucoma nnd verlaufen etwas schief nach hinten.
Die übrigen Ürganisatiunsverhältnisse, wie Bewiinperung, Ectoplasnxa, Entoplasma , Mundöffnung,
After, contractile Vacuole und Kern entsprechen vollkommen denen der Stammart, so dass ich die Be-
schreibung unterlassen kann. Auch die Lebenserscheinungen sind genau dieselben, welche ich bei C. Glau-
coma beschrieben habe. Dieses Thierchen kommt ziemlich häufig in faulenden Infusionen vor und ist
immer in Gemeinschaft mit C. Glaucoma anzutreffen. Ich konnte es mehrere Male beobachten.
24. Cyclidium citrullus Cohn spec.
Ken t 38; pag. 545, Taf. XXVII, Fig. 59.
van Rees 54; pag. 1-2—13, Taf. XVI, Fig. 5.
Synon: Pleuronem a lAiyscuni) citrullus. Colin 20; pag. 27ij— 277, Taf. XV, Fig. 54.
Taf. VII. Fig. 98.
Sehr klein, jedoch bedeutend grösser als beide vorhergehenden Formen, von 0,028 — 0,042 mm
Länge und 0,018 — 0,02 mm Breite. Körper oval, hinten abgerundet, nach vorne stark verengt und
gerade abgestutzt; das Vorderende an der Dorsalseite schwach ausgebuchtet. Die Ventralseite nicht
abgeflacht, sondern gewölbt, jedoch schwächer als die Rückenseite. Die allgemeine Gestalt etwas citronen-
ähnlich, wie schon von Cohn hervorgehoben wurde. Die Ventralseite ist durch ein langes, etwa -/a Körper-
lange erreichendes Peristom ausgehöhlt; dasselbe ist ziemlich eng und hinten nach links ausgebuchtet, jedoch
schwächer als bei C. Glaucoma typ. und stärker als bei der Varietät elongatum. Der linke Peristom-
rand ist noch ausserdem in der vorderen Region schwach ausgehöhlt, so dass er einen welligen Verlauf
nimmt; der rechte Peristomrand erscheint vollkommen gerade.
Der Körper ist mit sehr langen , dünnen , borstenähnlichen Cilien bedeckt. Am vorderen Körper-
ende stehen sie sehr dicht beisammen und werden nach hinten zu allmählich spärlicher; das äusserste Hinter-
ende ist nackt und trägt eine lange Fühlborste (b). Die Cilien stehen auf kleinen Papillen, welche in Längs-
reihen angeordnet sind. Die Längsstreifen verlaufen wie bei C. Glaucoma, nur sind die .\bstände zwischen
ihnen verhältnissmässig viel grösser, so dass ihre Zahl eine geringere ist (circa 14—16).
Das Ectoplasma (ek) ist dünn, anscheinend homogen. Das Entoplasma ist feinkörnig-netzig
nnd enthält zahlreiche stark lichtbrechende Körperchen.
Die Lage und Gestalt der Mundöffnung (o) und des Schlundes sind vollkommen dieselben wie
bei C. Glaucoma. Dagegen erinnert die undulirende Membran (m) viel mehr an die Verhältnisse,
welche wir bei Pleuronema fanden; sie beginnt gleichfalls am vorderen Körperende, zieht am linken
Peristomrande nach hinten und biegt auf den rechten Peristomrand um, wobei sie bedeutend weiter nach
vorn reicht als bei C. Glaucoma. Somit erscheint auch der meml)ranöse Sack viel tiefer als bei der
vorigen Art, jedoch unbedeutend flacher als bei Pleuronema. Die ganze Membran ist deutlich quergestreift.
Am rechten Peristomrande sind lange borstenartige Cilien befestigt, welche nach dem Innenraum des Peri-
stoms gekehrt sind.
Der After (a) liegt auf der Ventralseite und ziemlich weit von der Ansatzstelle der Fühlborste
64
entfernt. In der Nälie der letzteren findet sich die contractile Vacuole (c. v.). welche terminal nach
aussen mündet.
Der Makronucleus ('S), begleitet von einem uvalen Mikronucleus (ncl), ist kugelig und liegt
central. Er besitzt einen feinnetzigen Bau, welcher an fixirten Kernen deutlicher hervortritt, an denen man
auch eine zarte Kernhülle wahrnehmen kann. Am Mikronucleus lässt sich ein homogener (achromatischer) und
streifiger (_ chromatischer) Abschnitt, sowie eine äusserst dünne Hülle unterscheiden.
Diese Art gehört nicht zu den seltenen Infusorien: sie kommt in faulenden Infusionen in reichlicher
Zahl vor, jedoch bedeutend seltener als C. Glaucoma. Ihre Lebensweise, Bewegung und Nahrungsauf-
nahme entsprechen vollkommen denen, welche ich bei der anderen Art geschildert habe. Die einzige Be-
merkung, die man machen könnte, wäre, dass die Bewegungen von C. citrullus im allgemeinen viel gleich-
massiger sind als die von C. Glaucoma, doch ist diese sehr unwichtig.
Cyclidium citrullus wurde zuerst von Cohn imter dem Namen Pleuronema (Alj-scum) ci-
trullus beschrieben. Die undulirende Membran hielt er gleich seinen Vorgängern für eine „steife, haken-
förmige, rückwärts gekrümmte Borste", wobei er die Vermuthung aufstellte, dass sie „einem aus Wimpern
zusammengelegten Segel" vielleicht entsprechen könnte. Kern und After wurden nicht beobachtet.
25. Balantiophorus minutus nov. gen. et spec.
Taf. VII. Fig. 99—1(11.
Sehr kleine Formen von 0,024—0028 mm Länge und 0,009—0.12 mm Breite.
Körper länglich oval, an beiden Enden etwas verengt und abgerundet: die Dorsalseite stärker
gewölbt als die Ventralseite (Fig. 99 — 100;. Seitlich ist der Körper nach vorne stark verengt und in der
hinteren Bauchregion bauchig erweitert, so dass das Thier von der Bauch- und Rückenseite spitz eiförmig
erscheint (Fig. 101). Das vordere Körperende ist auf die Ventralseite herübergebogen und überdeckt kappen-
artig die peristomartige Aushöhlung, welche in der vordersten Region der Ventralseite gelegen ist. Das
Peristom ist nach links tief eingebuchtet, sodass der linke Peristomrand (1. Pr.) stark ausgehöhlt erscheint,
wogegen der rechte (r. Pr.) fast gerade verläuft.
Der Körper ist mit feinen, dicht stehenden Cilien bedeckt, welche nach vorne au Grösse alhnählieh
zunehmen. Am vordersten Körperende sind sie bedeutend länger (mehr als doppelt so lang) und bilden
einen förmlichen Wimperbüschel, der ventralwärts umgebogen ist. Die Cilien sind in Längsreihen angeordnet
und sitzen auf kleinen Papillen, welche in ihrer Gesammtheit die Längsstreifung des Körpers bedingen. Diese
Längsstreifen ziehen meridional von hinten nach vorn und biegen am ventralwärts umgestülpten Vorderende
des Körpers bogenartig um das Peristom (Fig. 101) herum; die in der Medianlinie der Ventralfläche ge-
legenen stossen wie gewöhnlich auf den hinteren Peristomrand.
Das Ectoplasma (ek) ist sehr dünn und anscheniend homogen. Das Entoplasma feingekörnt
und enthält zahlreiche stark lichtbrechende Körperchen Die Mund Öffnung (o) liegt in der peristom-
artigen Aushöhlung, jedoch wurde ihre Gestalt und Lage nicht mit Sicherheit festgestellt. Ein besonderer
Schlund scheint nicht vorhanden zu sein. Das ganze Peristom wird von einer sackartigen undu-
lirenden Membran (m) überdeckt. Dieselbe zieht continuirlich am linken hinteren und rechten Peristom-
Ü5
rande hin und beginnt sehr hoch, so dass nur der vorderste Peristomrand frei erscheint. Da das Peristom
stark nach links ausgebuchtet ist, bildet auch die Membran im ausgespannten Zustande einen asymetrischen
Sack, dessen linke Seite bauchig aufgetrieben erscheint. Die deutlich, jedoch fein quergestreifte Membran
kann in das Peristom eingezogen werden und legt sich dann in Falten zusammen.
Der After (a) liegt ventral am hinteren Körperende; etwas weiter nach vorn liegt dorsalwärts die
coutractile Vacuole (c. v.).
Der Makronucleus (X) ist kuglig und liegt central oder etwas mehr nach hinten, er besitzt
einen körnig-feinnetzigen Bau und wird stets von einem rundlichen Mikronucleus (ncl) begleitet.
Balantiophorus ist sehr verbreitet und fast in jeder faulenden Infusion gewöhnlich in grossen
Schaaren anzutrefl'en. Es lebt zwischen verwesenden Algen und anderen organischen Stoifen, von denen es
sich auch ernährt. Es schwimmt sehr schnell umher und geht dabei immer mit dem Vorderende voran,
unter fortwährender Rotation des Körpers um seine Längsachse. Meistens liegt es aber ruhig zwischen
faulenden Substanzen und bewegt nur die undulireude Membran und die vorderen langen Cilien, während
die übrigen Körpercilieu vollkommen bewegungslos bleiben. Plötzlich macht das Thier eine kleine Rück-
wärtsbewegung, wobei die Membran in das Peristom eingezogen und die vorderen Cilien ventralwärts stärker
übergebogen werden. Darauf streckt es sie wieder vor, bleibt ruhig liegen und wiederholt nach einiger Zeit
dasselbe. Diese eigenthümlichen zuckenden oder schnellenden Bewegungen, welche in kurzen Zeiträumen fort-
während erfolgen, erinnern sehr an die Contractionsbewegungen der Vorticellen, nur dass kein contractiler
Stiel vorhanden ist und der elastische formbeständige Körper keinen Autheil daran nimmt. Es scheint jedoch,
dass das vordere Körperende sich, wenn auch unbedeutend, contrahirt.
Das Thierchen ist farblos und durchsichtig, kann aber wegen der vielen aufgenommenen Nahrung
ganz imdurchsichtig erscheinen und dann einen gelblichen oder grauen Ton annehmen.
Die geschilderten Organisationsverhältnisse sprechen für eine enge verwandtschaftliche Beziehung dieser
Cihate zu Formen wie Lembadion, Pleuronema, Cjclidium und anderen, welche sich durch eine am
Peristom befestigte undulireude Membran auszeichnen. Und zwar wäre es in die nächste Nähe der beiden
von Cohn (20) beschriebenen und wahrscheinlich generisch identischen Anophrj^s sarcophaga (pag. 273
—274, Taf. XrV^, Fig. 51) und Colpoda pigerrima (pag. 274, Taf. XIY, Fig. 52) zu stellen. Jedoch
weicht es von denselben nicht unwesentlich ab, so in der allgemeinen Gestalt und geringeren Grösse, wie
auch in der Lage des Mundes und der sackartigen Membran, wesshalb es nicht in der Gattung Anophrvs
untergebracht werden kann. Aus diesem Grunde hielt ich für gerathen eine neue Gattung — Balantiophorus
{ßakävTiov — kleiner Sack, (fOQog — tragend) zu errichten.
Ob das Thierchen von früheren Forschern bereits beobachtet wurde, ist schwer mit Sicherheit
zu sagen. Es ist möglich, dass Ehrenberg (27) unter dem Namen Leucophrj's carnium (pag. 313,
Taf. XXXn, Fig. 5) und Perty (50) unter Ptyxidium Ovulum (pag. 148, Taf. VI, Fig. 1) dasselbe Thier
beschrieben haben, jedoch sind die Beschreibungen und Abbildungen zu ungenügend, um von einer mög-
lichen Identität zu sprechen.
Bibliotheca zoologica. Heft 5.
Anliana:.
Bei der Bestimmung der Zahl der Körpercilien von Holophrya discolor Ehrbg. verfuhr ich
folgendermassen. Zunächst bestimmte ich die Zahl der Längsreihen der Cilien. Dieselben lassen sich sehr
bequem an senkrecht gestellten Exemplaren (Taf. I, Fig. 4) zählen und betragen gewöhnlich 32. Darauf
berechnete ich die Zahl der Cilien, welche in einer Längsreihe, resp. Längsfurche stehen und multiplicirte sie
mit der Zahl der Reihen. Die Cilienzahl einer Wimperreihe ergiebt sich aus folgender Formel: — \- 1,
wo 1 = Länge der Wimperreihe, n:= Abstand zweier benachbarten Cihen; n wurde als arithmetisches Mittel
mehrerer mit einem Ocularmicrometer gemessenen Cilienabstände bestimmt. Zur Bestimmung der Länge
der Wimperreihen wählte ich der Bequemlichkeit wegen solche Formen, welche eine regelmässig elHpsoidale
Gestalt besassen. Der ümriss wurde mit einem Zeiss"schen Zeichenapparate getreu abgebildet und die
erhaltene Kurve einer Untersuchung unterworfen, welche eine Ellipse ergab. Darauf genügte es nur die
beiden Achsen der Ellipse zu bestimmen: die grosse Achse (Hauptacbsej 2 a = 0,096 mm und die kleine (Neben-
achse) 2b =^ 0,062 mm, um daraus den halben Umfang, resp. die Länge der Wimperreihe zu berechnen.
Die Länge des Bogens, welcher zwischen zwei zu den Abscissen xi und xs gehörigen Ordi-
naten liegt
= J
2
a-
Xi a- —
dx
aü Iji
Setzt man — 5— ^^e^ und x^a sin y,
also Xi = a sin cpi und X2 — a sin ^3,
so wird der Bogen = a f y 1 _ e^ sin cp^ . Acp
Integrirt man das Integral von r/i = 0 bis q) = ~, so erhält man den vierten Theil des ganzen Um-
fangs der Ellipse.
Die Länge des elliptischen Quadranten ist also
~ 2L \-2^/ 3I2.4 / 512.4.6*^/ 2m-ll2.4 .... 2m *" /
Setzt man den Werth von e^ ^= ' — ^ — ein und berechnet die Länge zweier Quadranten, d. h. den
halben Umfang der Ellipse, so ist er
/, 1 a- — ba 3 /a-— b-U' 5 ^a'-— b-^^
— '-'^a ( i - 4 a-z ~ 64 l aW " 256 l"^^ j ~
Setzt man die numerischen Werthe von a ^ 0,048 mm und b = 0,031 mm in die vier ersten Güeder
I
67
der Reihe ein iiiui lässt die folgenden Glieder, ihrer Kleinheit wegen, ausser Betracht, so ist die Länge
jeder Cilienreihe = 0,1258 mm.
Der Abstand zwischen zwei Cilien beträgt 0.003 mm. folglich enthält jede Cilienreihe ~^ -|- 1 =:= 43
Cilieu; und der ganze Körper 32X43 = 1376 Cilien. Selbstredend muss diese Zahl bloss als eine annähernde
betrachtet werden, da wir vor allen Dingen die am vorderen Mundfeldcheu dichter stehenden Cilien ausser
Betracht gelassen haben.
Bei den beiden anderen Formen: Glaucoma scintillans Ehrbg. und Colitidium Colpoda Ehrbg.
sp. fällt die Bestimmung der gesammten Körpercilienzahl schwerer, ja ist sogar nach der eben beschriebenen
Methode unmöglich, insofern diese Formen eine unregelmässige Gestalt besitzen und die Längsreihen, in welchen
die Körpercilien stehen, nur auf der Dorsalfiäche meridiunal verlaufen, wogegen sie auf der Ventralfläche in
der Vorderregion des Körpers bogenartig den Mund umziehen. Aus diesem Grunde nahm ich für diese
Formen die Gestalt eines Eotationsellipsoides an (da sie nahezu ellipsoidal sindj, und betrachtete sämmtliche
Cihenreihen als meridional verlaufend. Die Zahl derselben ergab sich aus der Division der Peripherie des
Aequators (die ja bei einem gestreckten Rotationsellipsoid ein Kreis ist) durch den Abstand zweier Streifen.
Alles übrige wurde auf dieselbe Weise , wie bei der vorhergehenden Art, bestimmt.
Glaucoma scintillans Ehrbg. Die Länge des untersuchten Exemplars beträgt 0,064 mm, die
Breite 0,034 mm. Der Abstand zweier Längsstreifen beträgt 0,004 mm und der Abstand zwischen den An-
satzstellen zweier Cilien in den Läugsstreifen 0.002 mm.
Demnach ist die Zahl der Längsstreifen
27ir 2. T. 0,017 _ .-,^
0,004 ^ 0,004 '
Die Länge jedes Längsstreifens nach der obigen Formel
/, la-2 — b- 3 /a-^ — b-\2 5 /a- — b-v3 n n-a
^a(l — j T ..tI ., I — 5F7;( — :^ —...=0.0(9 mm
\ 4 a'' b4 \ a- ' 2o6 \ a- /
und die Zahl der Cilien auf einem Längsstreifen ^^^r^ -[- 1 = 40. Dagegen die Gesammtzahl der Körper-
cilien 27x40 = 1080.
Colpidium Colpoda Ehrbg. sp. Die Länge des untersuchten Exemplars beträgt 0,096 mm, die
Breite 0,06 mm. Der Abstand zweier Längsstreifen 0,004 mm und der Abstand zwischen den Ansatzstelleu
zweier Cilien 0,0025 mm.
Demnach ist die Zahl der Längsstreifen
_ 2^ _ 2 TT . 0,03 _ , ^
~~ 0,004 " 0,004 — * ' •
Die Länge jedes Längsstreifens, d. h. der halbe Umfang der Ellipse nach der obigen Formel ist
0 1244
= 0,1244 mm: die Zahl der darauf stehenden Cilien ,=^^7^77^- + 1 ^ 50 , die Gesammtzahl der Körpercilien
0,002o ' ^
4750 =. 2350.
Heidelberg, im Oktober 1888.
Zoologisches Instit\it.
Litteratnrverzeiehniss.
Bei der Beschreibung der einzelnen Arten wurde die Litteratur von Elirenberg ab berücksiclitigt und chronologisch an-
geordnet. Die Aufzählung der älteren Schriften habe ich unterlassen , weil sie mir von untergeordneter Bedeutung erschienen
und schon von Ehrenberg ausführlich angegeben wurden.
1. W. Alenitzin. Beschreibimg neuer Protozoenformen , die in den Seen des Troitzkischen und Tschel-
jabinskisclien Bezirkes des Orenburger Gouvernements gefunden wurden. Arb. d. St. Petersb. Naturf.-
Gesellsch. Bd. IV. 1873 (russisch).
2. G. Allman. On the occurence among the infusoria of peculiar Organs resembling thread-cells. Quart,
journ. of microsc. science. Vol. III. 1855.
3. J. Andrussowa. Die Infusorien der Bucht von Kertsch. Arb. d. St. Petersb. Naturf.-Gesellsch.
Bd. XVII. 1. 1886 (russisch).
4. G. Balbiani. Observations sur le Didinium nasutum. Arch. zool. experim. T. II. 1873.
5. K. Brandt. Ueber das Zusammenleben von Thieren und Algen. Verhandl. d. physiol. Gesellsch. zu
Berlin. No. 4 u. 5. 1881.
6. K. Brandt. Ueber die morphologische und physiologische Bedeutung des Chlorophylls bei Thieren.
Arch. f. Anat. u. Physiol. Phys. Abtheil. 1882.
7. 0. Bütschli. Einiges über Infusorien. Arch. f. mikr. Anat. Bd. IX. 1873.
8. 0. Bütschli. Studien über die ersten Entwicklungsvorgänge der Eizelle, die Zelltheilung und die
Conjugation der Infusorien. Abh. der Senkenb. naturf. Gesellsch. Bd. X. Frankfurt a. M. 1876.
9. 0. Bütschli. Kleine Beiträge zur Kenntniss einiger mariner Rhizopoden. Morph. Jahrb. Bd. XI. 1885.
10. 0. Bütschli. Protozoa. Bronn's Klassen und Ordnungen des Thierreichs. Lfg. 35—49. 1887 — 1888.
11. H. .1. Carter. Remarks on Prof. H. J. Clark"s Peridinium cypripedium. The ann. and mag. of nat.
bist. 3 Ser. Vol. XVI. 1865.
12. L. Cienkowsky. Ueber Cystenbildung bei Infusorien. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. VI. 1855.
13. E. Claparede et J. Lachmann. Etudes sur les infusoires et les rhizopodes. 2 vis. Geneve.
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ann. and mag. of nat. bist. 3 Ser. Vol. XVI. 1865.
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69. E. Zacharias. Ueber die Spermatozoiden. Botan. Zeit. No. 50 u. 51. 1881.
Erklärima- der Abbilduiiüen.
Sämmtliche Untersuchungen wurden mit einem Zeiss" scheu Instrumente (Stativ II, 165 mm Tubus-
länge), Ocular 2 und 4, Obj. D und F, dem Abbe 'sehen Beleuchtungsapparat und den homogenen Immer-
sionen: Seibert Vis und Hartnack Vis ausgeführt. Mit diesen Systemen sind auch die Abbildungen
gezeichnet worden: die Vergrösserungen wurden bei jeder Figur angegeben.
I
Bedeutung
a. After.
al. Alveolarschicht des Ectoplasmas.
ad. w. adurale Winiperzone.
b. Fühlborste.
cl. Cihen.
cf. Cilienfurche.
er. Schwanzcirrus.
c. p. Corticalplasma.
c. V. contractile Yacuole.
.ci. Vi neu angelegte contr. Vac. des Sprösslings.
c. c. V. Kanal der contr. Vacuole.
cl. p. CiUenpapillen.
d. gefressene Diatomeen,
ek. Ectoplasma.
en. Entoplasma.
F. Fm-che.
f. Muskelfibrille (Myonem).
ft. Fetttropfen.
g. Gallertschicht.
h. homogen erscheinendes Ectoplasma.
hy. Hypostom.
H. W. hintere AVimperzone.
Hl. Wi. neu angelegte hintere Wimperzone.
der Buchstaben.
k. Kanal der Muskelfibrille.
kji. kappenartige Hervorstülpung.
kr. plasmatischer Kragen des Stäbchenapparates.
1. Leiste.
1. s. Längsstreifen.
1. mr. linker Membranrand.
1. or. linker Mundrand.
1. Pr. linker Peristomrand.
M. Mähne (aus einer Reihe stärkerer Wimpern be-
stehend).
Mf. Mundfeldchen.
m. undulirende Membran.
m. i. innere undulirende Membran.
m. 1. linke unduhrende Membran.
m. r. rechte unduhrende Membran.
m. w. mittlerer oder oraler Wimpergürtel.
N. Makronucleus.
Ni u. Nä. aus der Zweitheilung- hervorgegangene
Makronuclei.
ncl. Mikronucleus.
ncli u. ncl-. aus der Zweitheilimg hervorgegangene
Mikronuclei.
nk. Nahrungskorper.
73
nki — uki. Xahrungskür2)er in verschiedenen Stadien
der ^'el•danung.
n. V. Nalirungsvacuole.
0. Mund.
01. Mund (neu angelegter) des Sprosslings.
oe. Schlund.
oe. w. Schlundwandung.
P. Peristom.
p. Pellicula.
pi. Pigmentfleck.
p. e. Porus excretorius der contractilen Vacuole.
q. s. Querstreifen.
R. Rippenstreifen.
Rw. Ringwulst.
r. plasniatischer Ring, der den Stäbchenapparat um-
zieht,
r. mr. rechter Membranraud.
r. or. rechter Mundrand.
r. Pr. rechter Peristomrand.
st. Stäbchenapparat.
tr. Trichucysten.
t. s. trichocystenähnliche Stäbchen.
vh. Vorhöhle der Mundöönung.
V. W. vordere Wimperzone.
Vi Wi. vordere Wimperzone (neu angelegte) des
Sprosslings.
W. Winiperkranz.
Wi. Wimperkranz (neu angelegter) des Sprosslings.
wr. Wimperreihe,
wri — wri. 1.— 4. Wimperreihe,
w. b. Wimperbüschel.
w. vh. Wand der Vorhühle.
z. Zoochlorelleu.
Tafel I.
Fig. 1. ürotricha farcta. Cl. & L. Seitliche Ansicht. Yergr. 1070.
Fig. 2. Trotricha lagenula. Kent spec. Seitliche Ansicht. Vergr. 660.
Fig. 3—8. Holophrja discolor. Ehrbg.
Fig. 3. Seitliche Ansicht eines länglichen, nicht contrahirten Individuums. Vergr. 660.
Fig. 4. Orale Ansicht. Vergr. 660.
Fig. 5. Oraler Theil im optischen Längsschnitte, um die Verhältnisse des Schlimdes und der Stäbchen zu
zeigen. Mund und Schlund geöffnet. Vergr. 660.
Optischer Querschnitt dreier Körperstreifen um die Verhältnisse der Myomene zu zeigen.
Vergr. 1800.
Flächenansicht eines kleinen Theils dreier Körperstreifen. Vergr. 1800.
Ein isoUrter, mit Chromosmiumessigsäure abgetödteter und Älauncarmin gefärbter Makronucleus
mit anliegendem Mikronucleus, Vergr. 660.
Fig. 9 — 13. Prorodon teres. Ehrbg.
Fig. 9. Seitliche Ansicht eines ellipsoidalen, nicht contrahirten Individuums. Vergr. 660.
Fig. 10. Orale Ansicht. Vergr. 660.
Fig. 11. Vorderer Körpertheil im optischen Längsschnitte. Mund und Schlund geöfJhet, der Stäbchen-
(Reusen)apparat zurückgezogen. Vergr. 660.
Fig. 12. Contractile Vacuole mit 4 Reihen zuführender, kleinerer Vacuolen, vom aboralen Pole betrachtet.
Vergr. 660.
Fig. 13. Ein isolirter, fixirter und gefärbter Makronucleus mit anliegendem Mikronucleus.
Fig. 6.
Fig. 7.
Fig. 8.
Bibliotheca zoologica. Heft 5.
10
Fig.
15.
Fig.
16.
Fig.
17.
Fig.
18.
Fig.
19.
Fig.
20.
74
Tafel II.
Fig. 14 — 21. Didinium Balbianii. Bütschli.
Fig. 14. Seitliche Ansicht eines sich rückwärts bewegenden Individnums mit schwach hervorspringendem
ilundkegel. Vergr. 660.
Seithche Ansicht eines sich vorwärts bewegenden Individuums mit vorgestrecktem Mundkegel.
Vergr. 660.
Orale Ansicht. Vergr. 370.
Eine Cilienreihe des Wimperkranzes in seitlicher Ansicht. Vergr. 1350.
Ein isolirter, fixirter und gefärbter Makronucleus mit anliegendem Mikronucleus. Vergr. 660.
Einzelne Stäbchen des Stäbchenapparates durch Zerfliessenlassen des Thieres isolirt. Vergr. 660.
Ein in Theilung begriffenes Individuum mit einem hinteren, neu angelegten Wimperkranze und
cylindrischem Kerne. Vergr. 370.
Fig. 21. Ein aus der Theilung hervorgegangenes Individuum (hinterer Sprössling). Vergr. 370.
Fig. 22—26. Dinophrya Lieberkühnii. Bütschli.
Seitliche Ansicht. Vergr. 660.
Hinteres Körperende in einen langen schvvanzartigen Fortsatz ausgezogen. Vergr. 660.
Orale Ansicht. Vergr. 660.
Eine Cilienreihe des Wimperkranzes in seitlicher Ansicht. Vergr. 660.
Ein isolirter, fixirter und gefärbter Makronucleus mit anliegendem Mikronucleus.
Fig. 27 — 30. Lionotus fasciola. Ehrbg. sp.
Ansicht des Thieres von der linken Seite. Vergr. 1070.
Ansicht des Thieres von der rechten Seite. Vergr. 1070.
Vordere Körperhälfte von der Ventralseite betrachtet. Vergr. 1070.
Ein isolirter, fixirter Kern mit anliegendem Mikronucleus. Vergr. 1070.
Tafel III.
Fig. 31—33. Dileptus Anser. 0. F. Müller sp.
Fig. 31. Rechtsseitige Ansicht. Vergr. 300.
Fig. 32. Ventrale Ansicht der Mundregion, um die Verhältnisse des Mundes und des Schlundes, sowie die
Anordnung der Trichoejsten (tr) und der adoralen Wimperzone zu zeigen. Vergr. 660.
Fig. 33. Linksseitige Ansicht der Mundregion. Die Trichocysten (tr) zum Theil ausgeschnellt. Vergr. 660.
Fig. 34 — 38. Nassula elegans. Ehrbg.
Fig. 34. Ventrale Ansicht. Vergr. 660.
Fig. 35. Dorsale Ansicht des vorderen Körperendes , um den Verlauf der adoralen Wimperzone (ad w.) zu
zeigen. Vergr. 660.
Fig. 36. Seitliche Ansicht eines isolirten Stäbchen-(Reusen)apparats. Mundhöhle und -Oeffnung im optischen
Durchschnitte. Vergr. 1070.
Fig.
22.
Fig.
23.
Fig.
24.
Fig.
25.
Fig.
26.
Fig.
27.
Fig.
28.
Fig.
29.
Fig.
30.
75
Fig. 37. Optischer Durchschnitt einer Körperpartie, um den Bau des Ectoplasmas und die Ansatzstellen der
Cilien zu zeigen. Vergr. 1070.
Fig. 38. Optischer Durchschnitt einer Körperpartie, um die nach Sodabehandlung aufgequollene Gallert-
schicht zu zeigen. Vergr. 660.
Fig. 39 — 46. Nassula aurea. Ehrbg.
Fig. 39. Ventrale (oder etwas linksseitige) Ansicht. Vergr. 370.
Fig. 40. Seitliche Ansicht eines isolirten Stäbchenapparates. Mundöffnung im optischen Durchschnitte.
Vergr. 660.
Fig. 41. Vorderer Theil eines vorgestreckten Stäbchenapparates. Plasmatischer Kragen (kr) weit geöffnet.
Vergr. 660.
Fig. 42. OberÜächenansicht eines isolirten Stäbchenapparates. Vergr. 660.
Fig. 43. Optischer Durchschnitt einer Körperpartie, um den Bau des Ectoplasmas und der Cihenpapillen zu
zeigen. Vergr. 1070.
Fig. 44. Oberflächenansicht der Alveolarschicht des Ectoplasmas. Die dunkeln Knotenpunkte sind die
radiären Balken, über welchen die Cilien stehen. Vergr. 1070.
Fig. 45. Ein Theil des Körpers in OberÜächenansicht, um den Verlauf der Längs- und Querstreifen,
sowie die Ansatzstellen der Cilien (Cilienpapillen) zu zeigen. Vergr. 1070.
Fig. 46. Contractile Vacuole in der Seitenansicht, um die Ausmündung zu zeigen.
Tafel IV.
Fig. 47 — 53 Glaucoma scintillans. Ehrbg.
Fig. 47. Ansicht des Thieres von der linken Seite. Vergr. 660.
Fig. 48. Ventral-Ansicht. Vergr. 660.
Fig. 49. Rechtsseitige Ansicht des Mundes und Schlundes Vergr. 660.
Fig. 50 — 53. Theilungszustände. Vergr. 370.
Fig. 54 — 55. Glaucoma pyriformis. Ehrbg. sp.
Fig. 54. Ansicht des Thieres von der linken Seite. Vergr. 660.
Fig. 55. Ventrale Ansicht. Vergr. 660.
Fig. 56. Glaucoma macrostoma. nov. sp. Ventrale Ansicht, Vergr. 660.
Tafel V.
Fig. 57 — 64. Frontonia leucas. I]hrbg.
Fig. 57. Ventrale Ansicht. Vergr. 370.
Fig. 58. Rechtsseitige Ansicht eines mit Zoochlorellen erfüllten Individuums. Vergr. 370.
Fig. 59. Ventrale Ansicht des Mundapparats. Vergr. 1070.
Fig. 60. Optischer Durchschnitt der undulirenden Membran. A. bei hoher, B. bei tiefer Einstellung. Vergr. 1070.
Fig. 61. Optischer Durchschnitt einer Körperpartie , um den Bau des Ectoplasmas und die Ausmündungs-
öffnung (p. c.) der contractilen Vacuole zu zeigen. Vergr. 660.
10*
76
Fig. 62. Isolirte Trichocysten. A. im gewöhnlichen, B. im ausgeschnellten Zustande. Vergr. 660,
Fig. 63. Ein isolirter und fixirter Makronucleus mit anliegendem Mikronucleus. Vergr. 660.
Fig. 64. Isolirte Zoochlorellen (Zoochlorella conductrix Brandt), A. von der Seite, B. von oben, C. ein in
Zweitheilung begriffenes Exemplar. Vergr. 1860.
Fig. 65 — 68. Colpidium Colpoda. Ehrbg. sp.
Fig. 65. Ansicht des Thieres von der rechten Seite. Vergr. 660.
Fig. 66. Ventrale und etwas linksseitige Ansicht. Vergr. 660.
Fig. 67. Dorsale Ansicht, um den Verlauf der Körperstreifen auf die Dorsalfläche zu zeigen. Vergr. 370.
Fig. 68. Ein isolirter und fixirter Makronucleus mit anliegendem Älikronucleus. Vergr. 660.
Fig. 69 — 71. Uronema marina. Duj.
Fig. 69. Ansicht des Thieres von der rechten Seite. Vergr. 660.
Fig. 70. Ventrale Ansicht. Vergr. 660.
Fig. 71. Rechtsseitige Ansicht des Mundes, um die am rechten Mundrande (r. or.) befestigten Cilien zu zeigen.
Vergr. 1070.
Tafel VI.
Fig. 72. Urozona Bütschlii nov. gen. et sp. Ventrale Ansicht Vergr. 1070.
Fig. 73 — 75. Cinetochilum margaritaceum. Ehrbg. sp.
Fig. 73. Ventrale Ansicht. Vergr. 1070.
Fig. 74. Dorsale Ansicht. Vergr. 1070.
Fig. 75. Rechtsseitige Ansicht. Vergr. 1070.
Fig. 76 — 82. Urocentrum turbo. Ehrbg.
Fig. 76. Ventrale Ansicht. Vergr. 660.
Fig. 77. Oberflächenansicht eines Theils des Wimpergürtels, um das Streifensystem und die Ansatzstellen
der Cilien zu zeigen. Vergr. 1860.
Fig. 78. Optischer Durchschnitt einer Körperpartie, um den Bau der Alveolarschicht und des Corticalplasmas
zu zeigen. Vergr. 1070.
Fig. 79. A. Alveolarschicht des Ectoplasmas in Oberflächenansicht. Vergr. 1070. B. Corticalplasma in
Oberflächenansicht. Vergr. 1070.
Fig. 80. Ventralansicht der Mundööhung, um die Anordnung der adoralen Wimperreihe und den Bau des
Schlundes zu zeigen. Vergr. 1070.
Fig. 81. Contractile Vacuole mit 4 birnartig angeschwollenen zuführenden Kanälen, vom hinteren Körperende
aus betrachtet. Vergr. 660.
Fig. 82. Ein isolirter, fixirter und gefärbter Makronucleus mit anliegendem Mikronucleus. Vergr. 660.
Fig. 83—85. Theilungszustände. Vergr. 370.
Fig. 86. Conjugationszustand. Vergr. 370.
Tafel VII.
Fig. 87—91. Lembadion Im Hin um. O. F. Müller sp.
Fig. 87. Ventrale Ansicht. Vergr. 1070.
Fig. 88. Rechtsseitige Ansicht. Vergr. (iOO.
Fi". 89. Linksseitige Ansicht. Die linke undulirende Membran weiigelassen, um den Verlauf der icrMen
(m. r.) und inneren (m. i.) undulirenden Membranen besser zu zeigen. Vergr. 660.
Fig. 90. Optischer Querschnitt des Körpers, um die Befestigungsstellen licr uiidulin'nden Membranen und
die Lage des Mundes zu zeigen. Vergr. 660.
Fig. 91. Oberilächenansicht einer Köri)erpartie, um die Anordnung der Ciiien und di'u Hau der Cilienpapillen
zu zeigen. Vergr. 1860.
Fig. 92 — 9.'). Pleuronema Chrjsalis. Ehrbg. sp.
Fig. 92. Rechtsseitige Ansicht. Vergr. 660.
Fig. 9.3. Linksseitige Ansicht. Vergr. 060.
Fig. 94—96. Cyclidium Glaucoma. 0. F. Müller sp.
Fig. 94. Rechtsseitige Ansicht. Vergr. 1070.
Fig. 9.5. Linksseitige Ansicht. Vergr. 1070.
Fig. 96. Ventrale Ansicht. Vergr. 1070.
Fig. 97. Cyclidium Glaucinna var. elungatum miiii. Rechtsseitige Ansicht. Vergr. 1070.
Fig. 98. Cyclidium citrullus. (JoJm sp. Rechtsseitige Ansicht. Vergr. 1070.
Fig. 99—101. Balantiophorus minutus nov. gen. et spec.
Fig. 99. Linksseitige Ansicht. Vergr. 1070.
Fig. 100. Rechtsseitige Ansicht. Vergr. 1070.
Fig. 101. Ventrale Ansicht. Vergr. 1070.
Inlia^lt.
Seite
Vorwort , . . .• . . 1
Urotrirh.a farcta. Clap. und L.icliiii. • ■. 7
Urotricha Laireiuila. Keiit ... 9
Holophrya discolor. Ehrbg 10
Prorodon teres. Ehrbg. 13
Pidinium Balbiunii. Bütschli 15
Dinophrya Lieberkühnii. Bütsrhli 17
Lionotus Fasoiola. Ehrbg . . 19
Dileptus Anser. O. F. Müller sp 22
Nassula elegans. P^hrbg 25
Nassula aurea. Ehrbg 28
Glaucoma scintillaus. Ehrbg ., 32
Glauconia pyriformis. Ehrbg. spec . 35
Glaucoma macrostoma. nov. spec. . . 36
Froiitonia leucas. Ehrbg . . 38
Colpidium Colpoda. Ehrbg. spec. . ... 42
Uronema marlna. , Duj . . 44
Urozona Bütschlii nov. gen. et spec . . ... 45
Cinetochilum margaritaceum. Ehrbg. spec. . .... 47
Urocentrnm Turbo. (). F. Müller spec .... ... 49
Lenibadion buUinuiu. O. F. 31üller sp . . .... .55
rieuronema Chry.salis. I<>hrbg. spec 58
Cyclidium Glaucoma. O. F. Müller 60
Cyclidiuin Glaucoma variet. elongatum mihi. ... 62
Cyclidium citrullus Cohn spec 63
Balantiophorus minutus nov. gen. et spec 64
Anhang (Berechnung der Cilienzahl einiger Formen) 66
Litteraturverzeichniss 68
Erklärung der Abbildungen ......... 72
DrU'k von Fr. Aug. Kup«*! in SondL'rshauai>n.
Taf.l.
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