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Full text of "Zoologica"

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BIBUOTHECA  ZOOLOGICA. 


Ori^inal-^bhaiidl  unpen 


aus 


dem  G-esammtgebiete  der  Zoologie. 


Herausge^'eben 


von 


Dr.  Rud.  Leuckart  ^^^^^j  Dr.   Carl   Chun 

in  Leipzig  in  Königsberg. 


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1888  —  1889. 


C  A  S  S  E  L. 
Vei'lag  von  Theodor   Fischer. 


Alle  Rechte  voiijelialten.  -^^s- 


Inhalt. 

Heft  1. 

Die  pelagische  Thierwelt  in  grösseren  Meerestiefen  und  ihre  Beziehungen 
zu    der    Oberflächenfauna.      GeschÜLlcit    von    Carl    Chun    in   Königsberg. 

Mit  5  Tafeln. 

Heft  2. 

Untersuchungen  über  den  Bau  und  die  Entwicklung  des  Rübennematoden 
Heterodera  Schachtii  Schmdt.    \'on  Dr.  Adolf  Strubell  aus  Frankfurt  a.  M. 

Mit  2  Tafeln. 

Heft  3. 

Untersuchungen  über  Semaeostome  und  Rhizostome  Medusen.  Von  Dr.  Ernst 
Vanhöff'en.     Mit  6  Tafeln  und   1   Karte. 

Heft  4. 

Untersuchungen  über  die  Entwicklungs-  und  Lebensgeschichte  des  Distomum 
macrostomum.     Von  Dr.  Gustav  A.  Heckert.     Mit  4  Tafeln. 

Heft  5. 

Beiträge  zur  Kenntniss  der  Holotrichen  Ciliaten.     NOn  Dr.  W.  SchewiakoflF. 

Mit  7  Tafeln. 


->^-*- 


Druck  von  Gebrüder  Gotthelft  in  Cassel. 


BIBLIOTHECA  ZOOLOGICA 


Orio:iiial-^l3l:ia;iid.KT.ii  oen 


aus 


dem  Gesammtgebiete  der  Zoologie. 


Herausgegeben 


von 


Dr.  Rud.   Leuckart  Dr.  Carl   Chun 

in  Leipzig  in  Königsberg. 


Heft   1. 

Die  pelagische  Thierwelt    in    grösseren    Meerestiefen    und    ihre    Beziehungen    zu    der    Oberflächenfauna. 
Geschildert  von  Prof.  Dr.  Carl  Chun  in  Königsberg.  —  Mit  5  Tafehi. 


C  A  S  S  E  L. 

Verlaj^  von  Theodor  Fischer. 

1888. 


Die 


pelagische  Thlerwelt  in  grösseren  Meerestiefen 


lind 


ihre  Beziehungen  zu  der  Oberflächenfauna. 


Geschildert 
von 

Oa-rl  01:LVLrL, 

Prof.   in  Königsberg  i./Pr. 

Mit    fünf  Tafeln. 


C  A  S  S  E  L. 

Verlag  von  Theodor  Fischer. 

1887. 


PRINTED  IN  GERMANY 


Seinem  Schwiegervater 


Professor  Carl  Vogt  in  Grenf 


zur 


Feier  des  40jälirigen  Professorenjiibiläums 


gewidmet 

vom  Verfasser. 


^Hl(^J 


Die  Entdecknn.c;cn  jener  Forscher,  welche  es  sich  zur  Aufgabe  stellten,  die  Tiefen  der  Oceane 
zw  ergründen,  haben  unseren  Gesichtskreis  in  grossartiger  Weise  erweitert.  Die  alte  Lehre  von  Forb es, 
dass  in  grösseren  Tiefen  organisches  Leben  nicht  zu  existiren  vennöge,  ist  zu  Grabe  getragen  und  eine 
sfeittliche  Reihe  von  Forschern  giebt  uns  neuerdings  über  die  staunenswerthe  FormenfüUe  von  Tiefsee- 
thieren  Aufschluss.  Es  liegt  in  der  Natu^r  der  Sache,  dass  einstweilen  noch  das  systematische  und 
anatomische  Interesse  bei  Erforschung  der  Tiefseeformen  im  Vordergrund  stehen  und  dass  eine  Reihe 
von  biologischen  Fragen  der  Aufklärung  in  späterer  Zeit  harren.  Wie  fand  die  Besiedelung  des  Meeres- 
grundes statt,  wie  vermochten  sich  die  Thiere  den  monotonen  Existenzbedingungen  anzupassen,  wie 
ernähren  sie  sich,  wie  pflanzen  sie  sich  fort?  —  Auf  alle  diese  Fragen  vermögen  wir  einstweilen  nur 
mit  Reserve  zu  antworten  oder  noch  gar  keine  Auskunft  zu  geben. 

Es  ist  klar,  dass  solche  Fragen  erst  dann  der  Lösung  näher  gcljracht  wcrdi'U  kiinnen,  wenn  wir 
sicheren  Aufschluss  über  das  Vordringen  von  marinen  pflanzlichen  Organismen  und  pelagischen  Thieren 
in  vertikaler  Riciitung  bis  zu  tieferen  Wasserschichten  i-rlangen.  Hier  macht  sich  bis  jetzt  eine  recht 
fühlbare  Lücke  in  unseren  Kenntnissen  bemerkbar.  Während  einige  Beobachter,  gestützt  auf  das  vom 
„Chal lenger"  gesammelte  Material,  der  Anschauung  zuneigen,  dass  alle  Wasserschichten  in  vertikaler 
Richtung  von  der  Oberfläche  an  bis  zum  Meeresboden  Organismen,  wenn  aucii  nur  in  spärlicher  Zahl, 
enthalten,  so  stellt  Agassiz,  der  einzige  Beobachter,  welcher  exakte  Experimente  ausführte,  die  Möglichkeit 
einer  Existenz  von  pelagischen  Thieren  in  grösseren  Tiefen  in  Abrede.  Nach  ihm  sollen  die  Wasser- 
schichten zwischen  der  Obei"fläche  und  dem  Grunde  azoisch  sein  und  jene  Siphonophoren  und  Radiolarien, 
die  angeblich  in  der  Tiefe  schwebend  gefunden  wurden,  sollen  erst  oberflächlich  in  den  Netzen  erbeutet 
resp.  von  der  Lothleine  erfasst  sein. 

Als  ich  im  .Sommer  1886  ein  interessantes  Material  von  solchen  an  der  Lothleine  haften  gebliebenen 
Siphonophoren  zur  Untersuchung  überlassen  bekam,  da  schienen  mir  doch  die  Angaben  des  Finders,  des 
italienischen  Marineofflzieres  Chierchia,  so  präcis  für  ihr  Vorkommen  unterhalb  1000  Metern  zu  sprechen, 
dass  ich  die  auf  dem  „Vettor  Pisani"  während  seiner  Erdumsegelung  unter  dem  Commando  von  Palumbo 
gemachten  Wahrnehmungen  einer  exakten  Prüfung  zu  unterwerfen  bescliloss.  Da  ich  gleichzeitig  mit 
einer  monographischen  Bearbeitung  der  mittelmeerischen  Siphonophoren  beschäftigt  war  und  nach  den 
Funden  von  Studer  und  Chierchia  zur  Auffassung  gelangte,  dass  eigenartige  Siphonophoren  den 
Hauptbestandtheil  einer  postulirten  pelagischen  Tiefenfauna  ausmachen  möchten,  so  lag  es  in  der  Natur 
der  Sache,  dass  ich  zu  Untersuchungen,  welche  einem  einzelnen  Beobachter  kaum  ermöglicht  sind,  die 
zoologische  Station  zu  Neapel  während  der  Monate  August  bis  Oktober  1886  aufsuchte. 

C.  Chan,  Die  pelagiache  Thierwelt.  1 


i3    2     ö 

loh  hatte  freilich  aus  (irüiichMi,  die  ich  im  ersten  Kajiitel  iIit  ail^'eineinen  Betrachtun.u'eii  aus- 
führlich darlege,  gerechtfertigte  Zweifel,  oh  Funde,  die  im  freien  Ocean  gemaclit  wurden,  aueh  für  das 
Mittelmecr  Geltung  hahen  möchten. 

Um  so  dankenswerther  muss  ich  es  anerkennen,  wenn  die  \'erwaltung  der  Zoologischen  Station, 
trotzdem  ein  positives  Resultat  )iro))leniatiscii  schien,  mir  den  kleinen  Dampfer  „Johannes  Müller"  mit 
seinem  trefflich  geschulten  Personal  zu  mehreren  Ausfahrten  zur  Verfügung  stellte.  Herr  Dr.  Eisig 
üborliess  mir  ihn  zu  einer  viertägigen  Fahrt  nach  den  Ponza-Inscln  und  Herr  Professor  Dohrn  ordnete 
nach  seiner  Rückkehr  aus  Deutschland  mit  bekannter  Zuvorkonnnenheit  z^\•ei  längere  Fahrten  in  den 
Golf  von  Salerno  und  nach  Ischia  und  Ventotene  an.  Meinen  aufrichtigen  Dank  für  die  Liberalität  des 
Gründers  der  Station! 

Mit  Rath  und  That  stand  mir  vor  Allem  mein  werther  Freund  v.  Petersen,  Ingenieur  der 
Station,  zur  Seite.  Er  begleitete  mich  nicht  nur  auf  allen,  oft  recht  strapaziösen  Fahrten  und  leitete  die 
schwierige  Handhabung  der  schweren  Netze,  sondern  erwies  mir  auch  durch  Construktion  des  sinnreichen 
Schliessnetzes  und  des  photographischen  Apparates  für  Messung  der  Lichtintensität  in  grösseren  Tiefen 
einen  unschätzbaren  Dienst. 

Den  Herren  Brandt,  Giesb recht  und  Schiemenz  bin  ich  für  die  Berichte  üljer  Radiolarien, 
Copepoden  und  Pteropoden ,  welche  ich  zum  Abdruck  bringe ,  zu  Dank  verpflichtet.  Ausserdem 
übersendeten  mir  Brandt  und  v.  Petersen  auf  meine  Bitte  hin  Material  \'on  pelagischen  Tiefseefonnen, 
welches  sie  im  .Tanuar  1887  auf  einer  Fahrt  vor  Capri  sammelten.  Dassell)e  setzte  mich  in  Stand,  manche 
Anschauungen  präciser  formuliren  zu  können,  als  es  nach  meinen  lediglich  auf  die  Monate  August, 
Sej)tember  und  Oktober  l)eschränkten  Befunden  möglich  ^^•ar. 

Da  meine  Untersuchungen  einen  geradezu  staunenswerthen  Reichthum  von  pelagischen  Thieren 
in  grösseren  Tiefen  kennen  lehren  uml  hoft'entlich  endgültig  die  Auflassung  widerlegen,  dass  azoische 
Wasserschichten  zwischen  Oberfläche  und  Meeresgrund  existiren,  so  glaubte  ich  auf  einigen  Tafeln 
charakteristische  Vertreter  der  iielagischen  Tiefenfauna  im  Bild  vorführen  zu  sollen.  Ausführliche  Dar- 
stellungen derselben  M-erde  ich  in  den   „Mittheilungen  der  Zoologischen  Station  zu  Neapel"  veröftentlichen. 


Metliode  des  pelagisclieii  Fisehens  in  grösseren  Jleeresüefen. 


Soll  der  Nachweis  von  der  Existenz  einer  pelaii'ischen  Fauna  in  i^-rössercn  Tiefen  mit  Strenge 
erbraelit  werden,  so  handelt  es  sieh  in  erster  Linie  um  Construktion  von  Apparaten,  die  in  gewisser 
Tiefe  in  Wirkung  treten  und  bei  dem  Aufwinden  sich  selbsttliätig  schliessen.  Offene  Schwebnetze,  wie 
sie  z.  B.  bei  der  Challenger-Expedition  ^)  als  „tow  nets"  verwerthet  wurden,  bieten  durchaus  keine  Garantie 
dafür,  dass  pelagische  Thiere,  welche  sie  an  die  Oberfläche  bringen,  auch  thatsächlich  in  bestimmten 
Tiefen  leben,  da  ja  in  vertikaler  Richtung  die  Wass^-rmasse  ebenfalls  durehtiseht  wird.  So  hat  di'ini 
namentlich  A.  Agassiz  ^)  gegen  die  Funde  in  den  „tow  nets''  des  Challenger  den  Einwand  erhoben, 
dass  die  betreffenden  Foraien  gar  nicht  aus  der  Tiefe  stannnten,  sondern  erst  in  der  Nähe  der  Ober- 
fläche erbeutet  wurden.  Allein  Agassiz  begnügt  sich  nicht  mit  diesem  Einwand,  sondern  sucht  selbst 
den  positiven  Nachweis  zu  führen,  dass  zwischen  der  Oberflächenfauna  und  der  auf  dem  (Gründe  lebenden 
Tiefseefauna  azoische  Wasserschichten,  jeglichen  organischen  Lebens  baar,  sich  vorfinden.  Er  benutzte 
einen  sinnreichen,  von  Capitän  Sigsbee^)  construirten  Cylinder,  der  in  bestimmte  Tiefen  herabgelassen, 
durch  ein  an  dem  Tau  nachgesendetes  Gewicht  zum  weiteren  Heraljgleiten  bis  zu  einer  Hemmvorrichtung 
an  dem  Tauende  gebracht  wurde  WjUirend  dieses  Herabgleitens  um  etwa  50  Faden  öffnete  sich  ein 
Ventil  und  das  W^asser  wurde  dureli  ein  Sieb  geseiht,  bis  der  Cylinder  an  der  Hemmvorrichtung 
angelangt  sich  schloss. 

Vermittelst  des  Sigsbee'schen  Apparates  glaubte  denn  Agassiz  den  strikten  Nachweis  erbracht  zu 
haben,  dass  unterhalb  150  Faden  keine  Organismen  mehr  vorkommen.  Ohne  seine  Resultate  irgendwie 
anzweifeln  zu  wollen,  so  kann  ich  jedoch  nui'  zugeben,  dass  Agassiz  lediglich  die  untere  Grenze  der 
Obei-flächenfauna  bestimmte.  In  dem  Glauben,  dass  in  grosseren  Tiefen  pelagische  Thiere  nicht  existiren 
könnten,  wendete  er  den  Apparat  für  Tiefen  von   1000  Meter  an  überhaupt  nicht  an. 


')  The  Voyage  of  H.  M.  S.  Challenger.  Xarrative  of  Wyville  Thomson  and  John  Murray.     Vol.  I.   1885  p.  79. 

")    A.   Affassiz.     On    the    dredging  Operations   of   the  U.   ü.  8.    „Blake".   1880.  Bull.  Mns.    Comp.  Zool.  Cambr.   Vol.  t). 
No.  8   p.   153. 

^)  C.  D.  Sigsbee,  Description   of  a  gravitatiug    trap    for    obtaining  sperimens    of    aninial   life    from  intermedial   ücean- 
Depths.  ibid.  Vol.  6  No.  9   1880  p.   15.^. 

1* 


i3     4     E> ' 

Spatcrc  Forscher,  so  Pavesi')  uiul  Im  bot'-,)  f?ebrauchtcn  in  Binnenseen  Netze,  welche  in 
bestimmter  Tiefe  naeli  Beendig'ung  des  Fanges  durcli  ein  naeligesendetes  Gewicht  zugeschlagen  wurden. 
So  ist  es  weuigstens  der  Fall  bei  dem  Netze  von  Pavesi,  wiiiu'cnd  ich  über  das  von  Indiof  lienutzte  keine 
genaueren  Angaben  in  der  Litteratur  erlangen  konnte. 

Endlich  habe  ich  noch  eines  ,,Schliessnetzes",  wie  ich  solche  in  bestimmter  Tiefe  sich  schliessendc 
Netze  kurz  nennen  will,  Erwähnung  zu  tliun,  welches  Palumbn,  der  Connnandeur  des  „Vettor  Pisani^", 
auf  dessen  Erdumsegelung  1882 — 1885  construirtt'.  ^)  Wie  ich  in  einem  Schlusskai)itel  noch  ausführlicher 
darlegen  werde,  so  gaben  an  der  Lothleine  hängen  gebliebene  Fetzen  von  Siphonophoren  Veranlassung 
zur  Construktion  eines  Netzes,  welches  in  grösseren  Tiefen  sich  öffnen  und  schliessen  sollte,  um  dadurch 
den  strikten  Nachweis  zu  führen,  dass  thatsächlich  Siphonophoren  in  Tiefen  unterhalb  1000  Metern  leben 
und  nicht  erst  an  der  ül)erfiäc]ic  von  der  Leine  erfasst  wurden.  Palundxi  kam  auf  die  Idee,  das  Netz 
in  Verbindung  mit  dem  Negretti  und  Zambra'schen  Umkippthermometer  zu  bringen  und  es  wiederum 
durch  ein  Ge\\icht  bei  dem  Umkippen  des  Thermometers  zuschlagen  zu  lassen.  Thatsächlich  funktionirte 
dasselbe  in  den  meisten  Fällen  gut,  obwohl  ein  eigentliches  Fischen  in  horizontaler  Richtung  durch  die 
Befestigung  an  der  Lothleint-  ausgeschlossen   war. 

Bei  meinen  ersten  Versuchen  bediente  ich  mich  eines  Scliliessnetzes,  das  nach  dem  Princip  des 
Palumbo'schen  eonstruirt  war.  Die  Resultate  waren  jedoch  nicht  befriedigend,  da  der  Apjiarat  noch 
manche  Un Vollkommenheiten  aufwies.  Nach  mehreren  Versuchen,  diesellten  zu  beseitigen,  kam  schliesslich 
mein  Freurul  von  Petersen,  Ingenieur  der  zoologischen  Station,  auf  eine  Idee,  die  in  dc;r  Ausführung 
sich  als  eine  recht  glückliche  erwies.  Da  ich  späterhin  micii  ausschliesslich  dieses  Netzes  bediente  und 
auf  mehreren  Fahrten  seine  Zuverlässigkeit  erju'obte,  so  gebe  ich  in  Folgendem  unter  Zuhilfenahme  der 
Figuren   1 — 3  auf  Taf.  I  eine  kurze  Beschreibung  des  Petersen'schcn  Schliessnetzes. 

Im  Princip  liegt  folgende  einfache  Idee  dem  Schliessnetze  zu  Grunde:  Wird  der  eiserne  Rahmen 
des  Netzes  durcii  zwei  Scharniere  zum  Auf-  und  Zuklappen  eingerichtet,  so  muss  das  Netz  bei  dem 
Ziehen  durch  das  Wasser  sich  öffnen,  wenn  es  an  z«ei  Drähten  angezogen  Avird,  die  an  den  Scharnieren 
(a  Fig.  2)  befestigt  sind.  Umgekehrt  muss  es  sich  schliessen,  wenn  zwei  Drähte  in  rechtem  Winkel  zu 
den  vorigen  an  den  Punkten  b  anziehen. 

Gelänge  es  nun,  einen  Meclumismus  ausfindig  zu  machen,  der  es  ermöglicht,  dass  das 
geschlossen  in  die  Tiefe  versenkte  Netz  zunächst  an  den  Punkten  a  angezogen  wird  und  dcragemäss  sich 
öffnet ,  dann  aber  durch  Anziehen  an  den  Punkten  b  zum  Schliessen  gebracht  wird ,  so  wäre  der 
gewünschte  Effekt  erzielt.  Um  dies  zu  ermöglichen,  so  ist,  ähnlich  wie  bei  dem  N^egretti  und  Zambra'schen 
Tiefseethermometer  ein  Propeller  (p)  verwerthet.  Er  besitzt  vier  Flügel  und  ist  in  der  Älitte  einer 
langen  Messingstange  befestigt,  die  ihrerseits  in  einem  eisernen  Rahnu'U  {r)  aufgehängt  ist.  Die  obere 
Hälfte  der  Messingstange  (st)  ist  glatt  und  kann  in  eine  Hülse  {f)  sich  völlig  einschieben;  die  untere 
Hälfte  (st^)  ist  mit  einem  ftnnen  SchrauJjengewiude  versehen,  das  durch  eine  sehr  exakt  gearbeitete 
Schraubeiunutter  (in)  läuft.  Wird  der  Propeller  vertikal  gehoben  oder  horizontal  durch  das  Wasser 
gezogen,  so  drehen   sich   die  Flügel   derart,  dass  allmählicii  der  Messingstal)  sich  hebt  (Fig.  3).      Umgekehrt 


')  P.   Pavesi   Altra  serie,  <li   ricerche  e   stiidj   sulln   fauiia  pelagica   di   lafjlii    Italiaiii.   Padova  1883. 

'-)  Imhof.     Ueber  die  pelagische  und  Tiefsee-Fanna.     Tageblatt  d.  .'iS.  Vers.  d.  Nafurf.  in  Strassburg   1885  p.  403. 

")  G.  Chierchia,  Collezioni   per  stiidj   di   scienze   naturali.    Kivista  niarittima   Sett-Ott.   1885  p.  81.  Taf.   10. 


— ö    5    e* — 

senkt  sich  der  Stab  durch  entgegengesetzte  Drehung  der  Flügel,  wenn  der  Apparat  in  die  Tiefe  herab- 
gelassen wird.  Eine  Ideine,  an  einer  Querleiste  befestigte  Hülse  (g)  verhindert  ein  Senken  des  Stabes 
über  diese  hinaus  bei  dem  Herablassen.  Das  allmähliche  Heben  des  Stabes  bietet  nun  die  Möglichkeit, 
successivc  die  Drähte  a  und  ;?  auszulösen. 

Vermittelst  kleiner  Ringe  ,r  können  die  das  Schliessen  des  Netzes  bewerkstelligenden  Drähte  ß 
auf  die  kleine  Hülse  g  aufgelegt  werden  und  ebenso  kann  der  Dralit  et,  welcher  das  OefFnen  veranlasst, 
auf  einer  durchbohrten  Platte  d  vermittelst  eines  Ringes  y  festgelegt  werden. 

Vor  dem  Herablassen  des  Netzes  winde  man  den  Messingstab  mit  dem  Propeller  völlig  in  die 
Höhe  (Fig.  3)  und  lege  zunächst  den  Ring  y  auf  die  Platte  d  auf,  drehe  dann  den  Stab  st^  durch 
Ring  y  und  die  Oeffnung  der  Platte  d  so  weit  nach  abwärts,  bis  das  Ende  des  Stabes  in  der  Nähe  der 
Hülse  g  angelaugt  ist.  Darauf  lege  man  auf  die  Hülse  die  beiden  Ringe  x  und  drehe  den  Stab,  bis  er 
auf  dem  Boden  der  kleinen  Hülse  g  angelangt  ist. 

Das  Netz  ist  nun  geschlossen  (Fig.  1),  da  lediglich  die  Drähte  ß  wirken  und  wird  geschlossen 
in  die  gewünschte  Tiefe  versenkt.  Zieht  )nan  an  der  Leine,  welche  den  eisernen  Rahmen  trägt,  an,  so 
stellen  sich  Rahmen  und  Netz  scliräg,  während  gleichzeitig  der  Propeller  in  Aktion  tritt.  Nach  einigen 
Minuten  tritt  das  Ende  des  Stabes  st^  aus  der  Hülse  g  und  es  lösen  sich  die  Ringe  x  aus.  Die  Drähte  ß 
werden  schlaff,  während  der  Draht  a,  an  dem  jetz*  allein  das  Netz  hängt,  anzieht  und  das  Oeffnen  (Fig.  2) 
bewerkstelligt.  Das  Netz  fischt  nun  geöffnet  15 — 20  Minuten,  während  gleichzeitig  der  Stab  st^  in  dem 
Muttergewinde  m  sich  durch  wt'itere  Drehung  des  Propelle^'s  hebt.  Schliesslicli  tritt  sein  Ende  aus  der 
Oeffnung  der  Platte  d  und  der  Ring  y  wird  ausgehakt.  Die  Drähte  «  werden  schlaff  und  das  Netz 
hängt  allein  in  den  Drähten  ß,  die  nun  ihren  Zug  ausüljen  und  das  Netz  zum  Schliessen  bringen. 

Neben  diesem  Schliessnetze  verwendete  ich  gleichzeitig  ein  offenes  Netz  von  ansehnlichen  Dimen- 
sionen. Der  eiserne  Rahmen  hatte  einen  Durchmesser  von  1  resp.  IV2  Meter  und  wog  an  dem  grössten 
Netze  beinahe  einen  Centner.  Das  Netz,  von  2,5  Meter  Länge,  bestand  aus  Sackleinewand  und  endete 
in  einen  Zinkeimer,  in  dem  die  Thiere  sich  sammelten.  Der  Eimer  konnte  nach  dem  Aufwinden  ab- 
gebunden und  in  die  bereit  gehaltenen  Gläser  entleert  werden.  Dem  Gebrauch  dieses  Eimers  war  es 
vorwiegend  zuzuschreiben,  wenn  die  Thiere,  ohne  von  den  Wandungen  des  Netzes  zerscheuert  zu  werden, 
in  tadellosem  Erhaltungszustand  erbeutet  wurden. 

Um  das  Schliessnetz  sowohl,  wie  das  schwere  offene  Netz  gleichzeitig  zu  ziehen,  bedurfte  es  der 
vollen  Dampfkraft  des  „.Johannes  Müller",  zumal  wenn  die  Netze  in  Tiefen  über  1000  Meter  herab- 
gelassen wurden. 

Es  versteht  sich  von  selbst,  dass  die  Netze  trotz  ihrer  Schwei-e  und  der  gelegentlich  noch  an- 
gehäugten Bleigewichte  nicht  senkrecht  unter  dem  Schiffe  bei  dem  Ziehen  standen.  Ich  habe  indessen 
die  Ablenkung  nicht  genauer  bestinnnt ,  aus  Gründen,  die  sich  aus  den  allgemeinen  Schlusserörterungen 
ergeben. 

Wurden  1500  Meter  Tau  ausgelassen,  so  dürften  die  Netze  in  1300—1400  Meter  geschwebt 
haben.  Ich  schliesse  das  daraus,  dass  zweimal  die  Netze  auf  dem  Meeresboden  schleiften  und  Schlamm 
heraufbrachten,  als  1500  Meter  Tau  ausgelassen  waren  bei  einer  gelothcten  Tiefe  von   1350  Metern. 

Die  Anwendung  eines  starken  Stahldrahtes  erwies  sich  leider  nicht  als  vortheilhaft.  So  wenig 
Widerstand  er  bei  dem  Dui-clischneiden  des  Wassers  findet,  so  leicht  reisst  er,  sobald  durch  eine  in  langer 


*3     ü     £>- — 

Siiiralc  erfolgoiiclc  üreliunn-  des  Netzes  der  Dralit  bei  späterer  starker  Spannung  einen  Knoten  bildet. 
Auf  diese  Weise  verkiren  wir  bei  Pnnza   die  beiden  mit  Mülie  hergestellten  Netze. 

Das  Aufwinden  der  Netze  erfolgt  ebenso  wie  dasjenige  der  Tretsehe  vennittelst  einer  Danijif- 
winde.     Es  ei-fordert  aus  einer  Tiefe  von   1000  Metern  durchschnittlich  25  Minuten. 

Die  grösseren  von  Neapel  aus  dem  kleinen  Dampfer  zugänglichen  Tiefen  waren  theilweise  rasch 
zu  erreichen.  Die  Küste  von  Amalti  bis  zu  der  Südseite  von  Capri  zeigt  einen  ausserordentlich  steilen 
Abfall.  Wenige  Seemeilen  südlich  von  Capri  sind  von  dem  „Washington",  dessen  Lothungen  mir  gütigst 
mitgetheilt  waren,  Tiefen  bis  zu  1800  Meter  gefunden  worden.  Weiter  hinaus  erhebt  sich  ein  Plateau  von 
durclischnittlich  700 — 800  Meter,  welches  erst  vor  Sicilien  wieder  einen  steilen  Abfall  aufweist.  Grössere 
Tiefen  von  mehr  als  2000  Metern  tinden  sich  westlich  der  Ponza-Inseln ;  auch  ist  dort  der  Abfall  gegen 
das  freie  Meer  ein  minder  steiler. 

Die  von  mir  erforschten  Tlieile  des  Mittelmeeres  betreffen  die  bis  zu  1400  Äleter  untersuchten 
Tiefen  vor  Ponza,  Vcntotcne ,  Ischia ,  Capri  und  den  Sireneninseln  (Galli).  Ausserdem  unternahm  ich 
häufige  Ausfahrten  mit  der  kleinen  Danipfbarkasse  „Balfour"  in  den  Golf,  um  die  geringeren  Tiefen  von 
50 — 250  Meter  zu  durchfischen. 


Indem  ich  nun  zu  einer  Darlegung  meiner  Ergebnisse  mich  wende,  so  schildere  ich  zunächst  in 
einem  speziellen  Theile  die  verschiedenen  in  den  einzelnen  Tiefen  beobachteten  Formen  ^),  um  dann  in 
einem  allgemeinen  Theile  die  Zusammensetzung  der  pelagischen  Tiefen-Fauna,  ihre  Existenzbedingungen 
und  ihr  Verhalten  zu  der  Oberflächen-Fauna  klar  zu  legen.  Zum  Verständniss  des  speziellen  Theiles 
führe  ich  lediglich  das  Hauptergebniss  an,  dass  nämlich  sämmtliche  Tiefen  des  Mittelmeeres 
in  den  von  mir  untersuc  ii  ten  Strecken  einen  geradezu  erstaunlichen  Reich  thum  von 
])  elagisc  hen   T  liieren  aufweisen. 


')  Wenn  Arten  in  dem  Schliessnetz  gefunden  wurden,  so  habe  ich  dies  stets  ausdrücklich  erwähnt. 


II. 

Specieller  Tlieil. 


I.  Badiolaria. 

Dr.  C;ii'l  ßrauilt  hat  die  Frcundliclikeit  gehabt,  das  Material  an  Radiolarien  und  (Jrljidinen 
einer  genauen   Durehsielit  zu  uuterwert'rn    und  mir  folgenden  Bericlit  zulvomnien  zu  lassen. 

,,In  der  nachstehenden  Uebersicht  sind  in  systematischer  Reihenfolge  die  Radiolarien,  welche 
sich  iu  dem  ]\Iaterial  der  12  Züge  mit  dem  Tiefennetz  fanden ,  zusammengestellt.  Die  Liste  ist  unvoll- 
ständig, weil  auf  die  Erhaltung  der  kleineren  Arten  nicht  besonders  Rücksicht  genommen  ist.  Sie  wurden 
nur  conservirt ,  wenn  sie  zufällig  an  grösseren  Tliieren  hängen  oder  klelien  blieben.  Die  Anzahl  der 
kleinen  Radiolarien  ist  deshalb  in  der  nachstehenden  Uebersicht  viel  geringer,  als  sie  in  Wirklich- 
keit sein  dürfte.  Bei  jeder  Species  ist  die  Zahl  der  Exemplare,  welche  ich  im  conservirten  Materiale 
fand,  angegeben  worden,  um  die  relative  Häutigkeit  der  einzelnen  Arten  zu  bezeichnen.  Von  den  12 
Zügen  fanden  nur  5  mit  dem  offenen  und  dem  verschliessljaren  Netz  zugleich  statt,  die  anderen  7  mit 
dem  offenen  Netz  allein.  Der  Inhalt  des  verschliessbaren  Netzes,  auf  den  es  hier  besonders  ankommt 
ist  durch  fette  Zahlen  und  durch  Cursivdruck  der  Spcciesnamen  hervorgehoben.  Eine  eingeklammerte  Zahl 
bedeutet,  dass  leere  Skelete  beobachtet  wurden.  Das  Vorkommen  solcher  leerer  Skelete  in  bestimmten 
Tiefen  beweist  natürlich  durchaus  nielit,  dass  die  Thiere  sich  auch  im  lebenden  Zustande  in  den  be- 
treffenden Regionen  aufgehalten  haben ,  denn  Skelete  von  Spongosphaera  und  anderen  Radiolarien  bleiben 
selbst  in  einem  G-lase  Wasser  mehrere  Tage,  ja  Wochen  lang  in  der  Schwebe  wegen  des  Reibitngs- 
widei'standes,  den  die  zahllosen  feinen  Kieselfäden  dem  Wasser  entgegensetzen. 


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Capri 
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n.  X. 

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10.  X. 

900  m 

Ischia 
10.  X. 

1000  m 

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Capri   n.  X. 
1200  m 

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1. 

Dictyocha  messanensis  .     . 

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viele 

mehrere 

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viele 

viele 

meh- 
rere 

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(1) 

viele 

meh- 
rere 

viele 

Tausende 

viele 

o 

Aulacantha  scol ijmantha 

3 

20 

44 

35 

17 

1 

4 

3 

27 

6 

4 

20 

1 

10 

6 

103 

304 

66 

3. 

„             n.   S}}.       .      .      . 

— 

— 

1 

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— 

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— 

— 

— 

— 

— 

1 

5 

7 

1 

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4. 

Coelodendrum  ramoaissim  um 

2 

3 

13 

3 

— 

6 

— 

— 

3 

12 

5 

10 

— 

— 

1 

16 

73 

6 

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5. 

„              n.   sp.  .     .     . 

— 

— 

1 

— 

— 

— 

— 

— 

1 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

2 

— 

- 

6. 

CastanelUden  Species  1 .     . 

— 

— 

4 

— 

_      3 
1    * 

— 

1 

2 

— 

1 

4 

— 

— 

1 

4 

21 

1 

7. 

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— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

1 

— 

— 

1 

2 

1 

c; 

8. 

Aulosphaera  elegantisaima 

— 

1 

4 

— 

1 

— 

— 

— 

5 

— 

3 

— 

— 

— 

6 

21 

1 

9. 

Eucyrtidium   galea    .     .     . 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

(1) 

(1) 

— 

10. 

Cyrliilen-Species    .... 

— 

— 

1 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

1 

1 

s 

■   11. 

Heliospliaera  u.  sp.  .     .     . 

— 

(1) 

— 

— 

— 

— 

— 

(1) 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

(2) 

ü) 

12. 

C'Iadococcus  viniinalis    .     . 

— 

(1) 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

(1) 

(1) 

13. 

Diplosphaera  gracilis     .     . 

— 

— 

1 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

(1) 

1(1) 

'C 

14. 

Actiuomina  Asteracanthion 

— 

— 

1 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

1 

— 

T, 

Ib.Arar.hnoaphaeramyriacantha 

— 

1 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

- 

— 

— 

— 

— 

1 

1 

•n 

16. 

„                oligacantha 

— 

— 

— 

— 

1 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

1 

— 

Ch 

17. 

Dictyoplegma  spongiosum 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

1 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

1 

— 

18. 

Sponr/osphaerastreptacantha 

— 

5(+3) 

4(+3) 

10 

24 

2 

1 

4 

2(+2) 

1 

— 

(2) 

— 

— 

7(+2) 

59(11) 

16(2) 

19. 

Disciden-Species    .... 

— 

— 

— 

— 

1 

— 

— 

— 

1 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

2 

— 

^  20. 

Stylospira  sp 

— 

— 

(1) 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

(1) 

— 

21. 

Acanthometra  echinoides(?"! 

— 

— 

1 

— 

3 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

1 

— 

— 

— 

— 

5 

— 

22. 

„              tetracopaif) 

— 

— 

— 

3 

1 

— 

— 

— 

1 

— 

— 

— 

— 

— 

1 

5 

3 

23. 

sp.       .     .     . 

— 

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(I) 

3 

1 

— 

1 

1 

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1 

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1 

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4 

12(1) 

6 

*n 

24. 

Äniphilüjiche   ocata     , 

— 

1 

1 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

— 

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1 

— 

— 

3 

6 

3 

A 

25. 

Litholophus  sp 

— 

— 

— 

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— 

— 

— 

— 

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— 

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— 

— 

— 

1 

1 

— 

Ä 

26. 

Xijihacantha  serrata       .     . 

— 

3 

— 

— 

1 

— 

— 

— 



— 

— 

1 

— 

— 

— 

— 

4 

3 

<j 

27. 
23. 
29. 
30. 

,             quadridentata 
„              spbiuJosa  . 

Halio>iunatidium  Müllerl    . 

Dorataspis  sp 

1 

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(1) 

1 
1 

2 

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1 

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2 

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— 

— 

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(2) 
2 

2 

7(+2) 
3 

1(1) 
2 

1 
3 
1 

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31. 

Collozoum  inernie      .     .     . 

— 



1 





















— 

1 

2 

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32. 

Sphaerozoum  |iunctatum    . 

— 

— 

2 

— 

— 

— 

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— 

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1 

1 

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1 

5 

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33. 

„                acuferum 

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3 

1 

1 

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— 

— 

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1 

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— 

— 

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2 

8 

1 

34. 

CoUosphaera  Huxleyi    .     . 

— 

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— 

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1 

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/igerina  und   Orbulina    .... 

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3 

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1 

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1 

1 

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1 

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— -ö   y    £4 — 

In  Betreft'  iler  an^-ctulirtcii   Spci-ics  IkiIx'   irli   foljjende  Bcinrrkuii^:cii    liinzuzufüycn : 

I.  A'oii  Dirt;/()chn  mesmnensis  wurden  nur  leere  Skclete  beoliaclitet  ,  und  zwar  in  Aulacanthn, 
AuJosphnera^  Coelodendnim,  Spongosphaern,  in  der  Gallerte  von  Sphaeroznxn,  acufrrum,  an  Amphiloi'.che  und 
anderen  Acantlionietrideu ,  im  Darm  von  Ostraeoden  etc.  Ihr  ^^l^kclnlnlen  in  und  an  den  iiela{:;isclien 
Thieren  grösserer  Tiefen  ist  so  eliai-aktcristisch .  dass  man  nacli  ilircni  \"i'rliandensein  oder  Felilen  in 
zweifelhaften  Fidlen  entscheiden  kann,  oli  die  Thiere,  die  man  im  Ticfc-nnctz  findet,  wirklicli  in  der  Tiefe 
f!felel)t  haben,  oder  ob  sie  erst  in  der  X;die  der  Oberfläelir  ins  Netz  i;-elangt  sind.  Wegen  der  grossen 
Anzalil  der  DicUjocha-'^kArU- .  die  man  im  Phaeodium  diT  verscliiedensten  Pliaeodarien  und  in  anderen 
Tiefruthieren  findet,  muss  man  annehmen,  dass  iliese  kleine  Radiolai-ie  in  verliiiltnissmässig  sehr  lieib-utender 
Menge  in  den  TiefiMi  lebt.  Wenn  sie  nie  mit  gut  conservirtem  Weieh]v(ir|iei-  in  ileni  conservirten  Tiefen- 
in;iteri;d  sich   fanden,  so   liegt   das   wohl   nur  ;in  der  schon   ol)en  erwähnten  Un Vollständigkeit  des  Materials. 

3.  Aulacuutlia  n.  sp.  untersch<'id<'t  sich  von  .-I.  scohjmnntha  dadurch,  dass  die  grossen  Radial- 
staclieln  5  am  äussersten  Emb'  des  Staclieis  (|uirlfrirniig  angeordnete  Seitenstaciieln  besitzen,  dass  die  Zahl 
dieser  gi-ossen  Radialstacheln  nur  gering  ist  (6 — 8,  höchstens  20>  uml  iLiss  die  feini'U  Tangentialstacheln 
K'änzlich   oder  doch  fast  vf)llkounnen   fi'hlen. 

Ausser  den  2  angeführten  AuJncaiitJi(i-X\-ii^-\\  beobachtete  ieh  zuweilen  Exemiilare,  die  vielleicht 
der  einen   von   beiden   Sjiecies  angehören.      Sie  besassen  nur  Tangentialstacheln,  g;ir  keine  Radialstacheln. 

5.  Coelodendnim  n.  s|i.  hat  nicht,  wie  C'.  ramofiis.simfim,  dichotomisch  verzweigte  Stacheln, 
sondern  nur  6  einfache  Hanptstacheli).  die  je  2  Quirle  von  Seitenstachi'ln  tragen:  einen  am  Ende  des 
Stachels,  bestehend  aus  3  Seitenstacheln,  den  andern  am  Ende  des  ersten  Drittels,  bestehend  aus  4 
feineren  itnd  längeren  Seiteustaeheln. 

Ferner  fanden  sieh  melireri'  riruchstücke  vin\  Coelodi'udriden,  die  gegenwartig  noch  nicht, 
hoffentlich   al)er    nach    dem   Erscheinen   von   Haeckel's  Radiolarienwerk    sieh    werden    bestiiumen    lassen. 

C),  7.  Zwei  Siiecies  V(}n  Pliaeodarien  gehören  in  die  Familie  der  (astanelliden.  Welcher  Gattung 
sie  zuertheilt  werden  müssen,  lässt  sich  nach  Haeckel's  vorläufiger  Uebersicht  des  Systems  nicht  an- 
geben. Höclistwahrseh<-iidich  sind  b<Mile  Arten  auch  von  Haeckel  gid'unden  worden,  so  dass  ich, 
ebenso  wie  bei  den  anderen  neuen  Arten,  mit  di^r  Benennung  warten  werde,  liis  das  ^^  erk  über  die 
Challenger-Radiolarien  erschienen  ist.  Beide  Arten  besitzen  eine  dickwandige  (-iitti^rschale  mit  zahlreichen 
Oefl'nungen  und  vielen  auf  der  Schale  sich  erhebenden  radialen  Stacheln.  Die  Skelettheile  sind  nicht 
hohl.  Die  Schale  wird  oft  fast  vollständig  erfüllt  von  der  Centi'alka])sel  und  dem  mächtigen  Phaeodium. 
Die  beiden  Arten  unterscheiden  sich  dadurch,  dass  Species  1  eine  viid  dickere  Schale  hat  als  Species  2, 
und  dass  die  erstere  Art  zahlreiche  kleine  (.)efi'nungen  und  ein  sehr  grosses  Loch  besitzt,  während  die 
letztere  Species  grosse  Oeffnungen  mit  sclnualen,  überall  gleich  breiten  Zwischenbalken  aufweist. 

8.  Nicht  alle  hier  als  Aidoiiphaera  elegantissima  aufgeführten  Exemplare  stimmten  mit  der  von 
Haeckel  angegebenen   Diagnose  überein.     Es  scheint  jedoch,  als   ob  diese  Species  stark   variirt. 

II.  Heliosphaera  n.  sj).  ist  H.  adinotn  ähnlich;  doch  sind  alle  radiären  Stacheln  gleich  lang. 
22.     Die    als    Acanthmnetra    tetracopa    bezeichneten  Radiolarien    gehören    vielleicht    theilweise  der 

Species  A.   Claparedei   an.      Beide   Arten   sind  im  conservirten  Zustande  schwer  zu  unterscheiden. 

31 — 34.  Die  Arten  CoHozouni  inerme,  Sphaerozouin  punctatuin  und  Collospthaera  Hiixlej/i,  von 
denen    zusammen    8  Exemplare    in    das  offene    Netz    gelangten,    waren    zur  Zeit    der   Tiefeufischerei    so 

C.  Cbun,  Die  pelagische  Thierwelt.  2 


K     10     ö 

massenhaft  an  der  Oberfläche  vertreten,  dass  sie  unvermeidlicli  in  das  Netz  gerathen  mussten.  Sie 
stimmten  in  jeder  Hinsicht,  z.  B.  anch  im  Vorhandensein  zahh-eicher  Zooxanthellen  und  im  fjänzliclien 
Mangel  von  Dictyoclicn,  mit  den  übrigen  an  der  Oberfläche  geflscliten  Exemjilaren  überein.  Anders 
verhält  es  sich  mit  den  8  Kolonien  von  Spluu'rozdvm  uciiferum,  von  denen  eine  sogar  im  Eimer  des  ver- 
schliessbaren  Netzes  gefunden  wui-dc.  Sowohl  dieses  Exenii dar.  als  auch  Ij  mit  dem  offenen  Netz  getischte 
entbehrten .  ganz  der  gelben  Zellen  und  enthielten  mehrere  oder  sehr  viele  i)ic^?/oc/i a-Skelete.  Nur  in 
einer  Kolonie,  die  mit  dem  offenen  Netz  gefischt  war  i  Solaro,  11.  X.,  1200  m.),  konnte  ich  zahlreiche 
gelbe  Zellen   und  nur  ganz  vereinzelte  Dictyochen  constatiren. 

Aus  den   vorliegenden   Untersucliungen   ergel)en  sich   folgende   Resultate: 

Vorläufig  kann  man  nur  von  drei  Radiolarien  mit  Siclierheit  behau j)ten,  dass 
sie  v.ährend  des  Sejitember  und  (Jktoljer  in  Tiefen  von  (500  m.  im  Mittelnieer  leljen. 
Es  sind  Aulacantha  scolymautha,  Coelodendrum  ramosissimum  und  SjJongosphaera  streptacantha.  Die  beiden 
ersten  Arten  scheinen  nach  der  Tiefe  zu  (bis  1200  m.)  nur  wenig  abzunehmen;  Spoinjosphaera  dagegen 
sclieint  in  gi'össereu  Tiefen  als  600  m.  nicht  mehr,  oder  nur  ganz  vereinzelt  vorzukommen.  Das  Vor- 
kommen mehrerer  Siiongosphaereu  im  Material  aus  1000  und  1200  m.  Tiefe  hat  liei  näherer  Prüfung 
wenig  zu  bedeuten.  Die  betreffenden  Exemplare  wurden  nur  mit  dem  offenen,  niclit  aber  mit  dem 
verschliessbaren  Netz  gefangen.  Man  darf  aber  nicht  vergessen,  dass  das  Netz  mindestens  ebenso  lange 
in  vertikaler  Richtung  von  1()::0  bezw.  1200  m.  liis  zur  Oberfliiclie  gezogen  ist,  als  vorlier  in  horizon- 
taler Richtung  lin  1000  oder  1200  m.  Tiefe).  Während  der  hallx-n  Stunde,  die  das  Aufziehen  des  Netzes 
in  Anspruch  nahm,  mussten  in  Tiefen  von  600  m.  und  näher  der  Oberfläciie  die  dort  nachweisbar  vor- 
handenen  SiKjnti'osphaeren  in  das  Netz  gelangen. 

Wahrsche  i  n  1  ic  li  gehen  auch  folgende  Arten  Itis  in  Tiefen  von  meiir  als  GOO  m. 
hinunter:  Castanelliden-Species  1,  Aulotiphnera  elcffcintissima,  Aidacnnthn  n.  sp.  Acantliomefra  tetracopa, 
Amphüonche  ouata,  Xiphacantlia  quadrldentata,  X.  serrata,  X.  spinidosa  und  idphaei-ozoum  acuferum.  Sie 
sind  sämmtlich  in  mehreren  Exemplaren  (3 — 20)  mit  dem  offenen  und  in  1—2  Exemplaren  auch  mit 
dem  verschliessbaren  Netz  gefischt  worden.  Leider  reicht  das  Vorkommen  von  nur  1 — 2  Exemplaren 
einer  Radiolarienspecies  nicht  hin.  um  das  Vorkonunen  der  betr.  Species  in  einer  bestimmten  Tiefe  zu 
beweisen.  Das  Netz  hat  den  Ueljclstand,  dass  selbst  in  geschlossenem  Zustande  ein  etwa  einen  Finger 
breiter  Spalt  bleibt,  in  den  beim  Heraufziehen  des  Netzes  recht  wohl  nocli  einige  kleine  Radiolarien 
gelangen   können. 

Es  ist  trotzdem  in  iioiiem  Grade  w,'i  hrscheinlich,  dass  die  angeführten  Arten  in  Tiefen  von  600 
bezw.  800  etc.  m.  leben,  und  zwar  aus  folgenden  Gründen:  Die  gelben  Zellen  köimen  ebensowenig 
wie  andere  Algen  in  grösseren  Tiefen  als  200  m.  assimiliren.  Sie  werden  daher  in  Radiolarien,  die  in 
erheblich  gi'össeren  Tiefen  wochen-  oder  monatelang  leben,  gänzlich  fehlen,  während  sie  in  denjenigen 
Exemplaren  derselben  Species,  die  in  geringerer  Tiefe  als  200  m.  sich  finden,  vorkommen.  Da  wir  nun 
im  Tiefennetz  Radiolarien-Arten  finden,  die  gar  keine  gelben  Zellen  führen,  während  die  nahe  der 
Oberfläche  vorkonnnenden  Exeniidare  derselben  Species  sehr  zahlreiche  gelbe  Zellen  enthalten,  so  weist 
schon  das  gänzliche  Fehlen  der  Zooxanthellen  auf  einen  längeren  Aufenthalt  der  Radiolarien  in  dunkler 
oder  dämmeriger  Tiefe  hin.  Am  deutlichsten  zeigt  sich  das  an  Sphaerozoum.  acuferinn.  Nur  in  einem 
Exemplar,  das  mit  dem   offenen   Netz  gefisciit    war.    fanden    sich    vieh>    gtdbe   Zellen,    in   den  anderen   7 


— ö    1 1    ö — 

<;';ir  keine.  leli  li.ilie  früliei'  iiu'lir  ;ils  100  Ki)liiiiirii  viui  dieser  S|iecies,  die  in  Tiefen  von  0 — SO  ni. 
gotisclit  waren,  untersuclit  uiul  stets  sein'  zalilreiclie  f;-elbc  Zellen  an  jeili'ni  Inili\iiluinn  j;-efunden.  Die 
Walirselieinliclikeit,  dass  die  erwälniton  7  alj;enfreien  Kolonien  wirklieli  in  Tiefen  von  mehr  als  200  m. 
gelebt  lialien,  wird  dadurch  noeli  vernieln't,  dass  sich  selir  zahh-eiehe  Skelete  von  Dictyocha  in  ilnien 
fanden,  während  das  aclite  Exemplar,  das  iidhe  Zelh^i  enthii-lt.  nur  \'en'inzelte  Dictyochen  aufwies  und 
weder  in,  noch  an  den  Railiolarien,  die  in  0 — 60  m.  Tiefe  im  ()kti)ber  getischt  wurden,  Dictyochen 
nachgewiesen  werden  konnten.  Die  eben  erwähnte  Kolonie  war  nicht,  wie  die  anderen  7,  darauf  ange- 
wie.sen,  andere  Organismen,  die  in  ihren  Bereich  kamen,  festzuhalten  und  zu  verdauen,  sondern  konnte  — 
wie  die  anderen  nahe  der  Oberfläche  lebenden  Kolonien  —  aus  der  Assimilationsthätigkeit  der  ein- 
gemietheten  Zooxanthellen  Nutzen  zic'lien.  Die  Dictyochen.  deren  Skelete  sie  zur  Zeit  des  Fanges 
enthielt,  waren  wohl  Wochen  oder  jMonate  vorher  aufgenommen  und  verdjiut  worden,  als  die  Kolonie 
uoch  nicht  so  nahe  der  Oberfläche  lebte  und  die  Algen  noch  nicht  hatten  einwandern  können.  —  Ich 
hatte  früher  M  auf  Grund  ausgedehnter  Beobachtungen  die  Behau] itung  aufgestellt,  dass  die  kolonie- 
liildenden  Radinlarien  echte  pelagische  Thiere  sind,  welche  ihre  ganze  Entwickelung  in  der  Nähe  der 
Meeresoberfläche  durchmachen''  und  „nie  mehr  als  einige  Hundert  ^Nieter  von  der  Obei-fläche  sich  ent- 
fernen". Die  neueren  Untersuchungen  an  dem  von  Cliun  und  von  Chierchia  gesammelten  Material 
hallen  diese  Behaujitung  im  xVUgemeinen  bestätigt;  doch  zeigt  das  hier  näher  ausgeführte  Beispiel  von 
SphaerozoKin  acuferum,  dass  manche  Species  auch  in  etwas  grössere  Tiefen,  als  ich  angenonnnen  hatte, 
hinabsteigen  können. 

Ausser  den  bisher  aufgezählten  Radiolarien  müssen  auch  clie  Dictyochen  in 
den  Tiefen  des  Mittelmeeres  sehr  häufig  vorkommen;  sie  scheinen  sogar  die  Haupt- 
nahrung für  die  in  der  Tiefe  lebenden  pelagischen  Thiere  zu  bilden.  DictjjochaSkelete 
fanil  ich  sowohl  in  Radiolarien,  als  auch  im  Darm  von  einigen  Ostracoden,  die  mit  dem  versch  Hess- 
baren  Netz  in  1200  ni.  Tiefe  gelangen  waren.  Nach  den  vorliegenden,  allerdings  unvollkommenen 
Untersuchungen  möchte  ich  fast  vermuthen,  dass  die  massenhaft  vorkommenden  kleinen  Dictyochen  in 
den  Tiefen  des  Mittelmeeres  die  Challenger iden  der  Oceane  ersetzen.  Dass  ich  von  den  letzteren 
kein  einziges  Skelet  in  dem  Material  des  Tjefennetzes  fand,  ist  leicht  verständlich,  da  nach  den  Unter- 
suchungen der  Challenger-Expedition  die  Challengeriden  die  einzige  Ordnung  von  pelagischen  Thieren 
sind,  welche  erst  unterhalb  300  Faden  in  den  Oceanen  vorkommen.  In  das  Mittelmeer  können  sie 
vom  Atlantischen  Ocean  nicht  gelangen,  weil  der  Rücken,  der  beide  Meeresabschnitte  trennt,  nur  Tiefen 
von   höchstens   150  Faden  aufweist. 

Diese  Eigenthümliclikeit  des  IMittelmeeres  bildet  wohl  auch  die  Ursache  der  innnerhin  auffidlenden 
Erscheinung,  dass  selbst  in  bedeutenden  Tiefen  nur  solche  Rad  i  o  ia  ri  enspecies  häufig 
sind,  die  auch  an  der  Oberfläche  des  Mi ttelmeer es  beobachtet  worden  sind.  Von 
dtm  am  häufigsten  in  dem  Material  der  Tiefennetze  constatirten  Radiolarien  — -  Coelodendrum  ramosissimum, 
Aidosphaern  elegantissima,  Aulacantha  scolymantha  und  Spongosphaera  streptacantha  sind  die  2  ersten 
nach  Haeckel's,    die    beiden    anderen  auch    nach    meinen  Beobachtungt^n   .,häuflg"    oder    „sehr  häutig" 


*)    K.    Brandt,    Die  Sphaerozoeen.     XIII.   Monographie  der    Fauna  und    Flora    des  Golfes    von  Neapel.     Berlin   1885. 
p.   201    und  203. 

2* 


— ö    12    & — 

an  der  OherHäolu-  des  Mittelmeeres.  I)ie  bcidrn  0;i>t;iiirlli(l(ii-Si)efics  und  AulacanfJut  n.  sp.  sind  zwar 
bisher  noch  niciit  im  Mittehiieer  beobachtet  worden;  es  bleibt  nber  abzuwarten,  ol)  nicht  alle  drei  Arten 
von  Haeckel  in  dem  Oberflächenma  ter ia  1  der  Challenger-Expedition  gefunden  sind.  Heliosphaera 
n.  sj).  habe  ich  wiederholt  an  der  Obei-flache  des  Golfes  gefunden.  Von  jenen  in  der  Tiefe  häutigen 
Radiolarien  tritt  Aiihtcanthn  scolymnntha  besonders  im  Winter  an  der  Obei-fläche  des  Golfes,  zuweilen  in 
grosser  Anzalil  auf,  widirend  Spoiujiiiiphafra  streptacantha  zu  jenen  wenigen  Radiolarien  gehört,  die  fast 
in  jeder  .Talii'eszeit  an   der  (.diertläche  des  (jolfes  angetroffen   werden  können.'" 

II.  Coelenievatd 

1.    Anfhozon. 

Freischwimmende  Aktinienlarvi'u,  wahrscheinlich  der  (iattung  Cerianthus  resp.  Edwardsia  zugeiiörig, 
kommen  in  grösseren  Tiefen  nicht  selten  vor.  Es  sind  offenbar  dieselben  Larven,  welche  Kowalewsky*) 
abbUdet.  Unter  den  zahlreichen  kugeligen  uml  eiförmigen  milchweissen  1,  5 — 2,ö  mm  grossen  Larven 
fand  ich  nur  einmal  eine  Larve  mit  angelegten  Tentakeln  und  zwar  waren  es  deren  fünf.  Während  der 
Nacht  tischte  icli  sie  Ende  Sej)teml.)er  bei  Iscliia  an  der  (_)ljertlä(die.  docli  fehlt  sie  nicht  bis  zu  den  grössten 
untersuchten    Tiefen.      In    dem    .Schliessnetz    famlen    sich    Exemplare    aus    (300    und    aus    1000    m.    Tiefe. 

-.  Hi/drnmedtisae. 

Viele  craspedoten  Medusen  suchen  während  des  .Sonnners  grössere  Tiefen  auf.  Unter  den  Autho- 
niedusen  tischte  ich  Lizzia  iRatlikeai  Köllikeri  Ggbr.  aus  1200  m.  vor  Capri  in  einem  Exemplar  und  Cytaeis 
})usilla  Anfang  Sejitember  vor  Ponza  aus  1300  AI.  Letztere  hatte  eine  Radiolarie  der  Tiefsee,  nändich 
Coelodendrum  ramosissimum ,  im  Magen.  Von  Trachomeilusen  ist  Sminthea  ( Trachynenia)  eurygaster 
Ggl>r.  ziemlich  liäutig  in  der  Tiefe.  In  dem  Schliessnetz  fand  sie  sich  in  1300  M.  (Ende  September)  und 
in  1200  M.  (II.  Oktober)  vor  Capri:  Aglaura  hemistoma  P.  et  Lt's.  war  ebenfalls  in  dem  Schliessnetz 
aus  1300  M.  vertreten.  Rhopalonema  velatum  ^^■ar  häutig  von  100  M.  bis  1300  M.;  von  Ende  September 
an  erschien  sie  auch  an  iler  ( )bertiäclie.  Von  GerYi>niden  fand  sich  (_ieryi:)nia  iCarmai'inai  hastata  Haeck. 
in  jugendlichen  Exemiilaren  aus  1200  und  1300  M..  während  erwachsene  Thiere  Ende  September  in 
der  Nacht  an  dei'  Obertläcl'.e  getischt  wurden.  Liriope  eurybia  fand  sich  in  ÜOO  M.  am  11.  Okt.  Am 
häutigsten  unter  allen  Craspedoten  trat  Cunina  (Solmissusi  albescens  Ggbr.  in  der  Tiefe  auf.  Bei  zwei 
nächtlichen  Zügen  aus  800  M.  (30  Sept.  vor  Ischia"!  und  600  JI.  '11.  (.)kt.  vor  Capri i  waren  die  grossen 
Netze  und  .Schliessnetze  vollgepfropft  von  Cuninen.  Auch  bis  zu  1300  M.  wurde  sie  vereinzelt  beob- 
achtet. Ziemlich  häutig  ist  fernerhin  Aeginopsis  i  Sohnundella  i  mediterranea  Müll.  In  dem  Schliessnetz 
fand  sie  sich  aus  600  M.,  doch  war  sie  in  dem  Inhalt  des  grossen  Netzes  bis  zu  1300  M.  zahlreich  vertreten. 

3.  Acalephae. 

Auffällig  war  der  [Mangel  er\\achsener  Seheibencjuallen  in  der  Tiefe.  Nur  ehnnal  war  euie  Ephyra 
in   dem   grossen   Netze  aus   1200  ]\I.   vertreten. 

4.   Üiphiinophorae. 

Kaum  ein  pclagisches  Thier  ist  gemeiner  von  der  ()berfläcbe  an  bis  zu  loOO  M.  Tiefe, 
als    Diphyes   Sieboldii    Köll.     Sie    fehlt    in    keinem    Scliliessnetz    luid    macht    stets    den    Hauptbestandtheil 


')  A.  Kowalewsky,  KiitvvicUlinig  der  Cölentevaten  (nissisch),  l'rotok.  Mosk.  Naturf.-Ges.   1873,  Tat'.  6. 


— ö    13    a — 

■lies  j;'ctif;oiitcii  Materials  aus.  Hiiutifi'  timlct  man  auch  i;'l<'i*^l'Z<'iti--  iliiv  Eudoxieiii;TuiJ|icu.  Audi  Abyla 
pentagona  Esehsch.  ist  von  der  Obei-Haclic  an,  wo  ich  sie  zur  Naclitzeit  Ende  September  fischte,  bis  in 
die  grossen  Tiefen  nachweisbar,  obwohl  .sie  nicht  so  häufig  auftritt  wie  Diphyes.  Die  zahlreichsten 
Exemplare  und  Eudoxiengrupi>en  stammen  aus  einer  Tiefe  von  80 — 100  M.  Ebenfalls  in  geringerer 
Tiefe  von  100  'Sl.  fischte  icli  Ende  August  und  Anfang  Septendier  Dijihyes  sul)tilis  Ch.,  Galenlaria  auran- 
tiaca  Vogt  und  Monophyes  gi-acilis  Claus.  Die  letztgenannten  di-ei  Arten  erscinenen  von  Jlitte  Srjiteinlter 
und  Anfang  Oktober  i  C4aleolaria  i  an  der  Obei-fläche. 

Von  Phvsophoriden  traf  ich  Ende  August  in  100  M.  Tiefe  jugendliche  und  eiwachsene  Exem- 
plare des  Halistennna  '  StejiliaiKmiia  i  pictuni  IMetschn.  an.  Die  Larven  desselben  waren  gleichzeitig  iiäufig 
an  der  Oberfläche  und  lieferten  ein  willkommenes  Älaterial  zum  Studium  drv  bisher  unliekannten 
postembrvoualen  Metamorphose.  Erst  vom  23ten  September  an  zeigten  sich  die  erwachsenenen  Thiere 
an  der  ObeiHäclie.  Apolemia  uvaria  Eschsch.  ist  für  die  grossen  Tiefen  wiederum  charakteristisch.  In 
dem  Schliessnetz  fanden  sich  Grupjienanhänge  des  Stammes  aus  600  M.,  während  grössere  Bruchstücke 
derselben  sowohl  Anfang  Sejitendier  Ijei  Ponza,  wie  Mitte  Oktober  vor  Oapri  und  Ischia  bis  zu  1200  M. 
Tiefe  in  das  grosse  Netz  gei'iethen.  An  der  Oberfläche  fing  ich  sie  Ende  September  während  der  Nacht 
und  Anfong  Oktober  bei  Tage.  Vnn  einer  neuen  Forskalia-Art,  deren  Beschreibung  ich  in  einer  mono- 
graphischen Bearbeitung  der  Sipl.onophoren  geben  werde,  fand  ich  Bruchstücke  vor  Prmza  aus  1300  M. 
am  9.  September.  Einen  Monat  später  beoliachtete  ich  sie  aus  derselben  Tiefe  vor  Ischia.  An  der 
Oberfläche  erschien  sie  im  Winter  1884;  sie  zeichnet  sich,  abgesehen  von  der  ansehnlichen  Grösse  ihrer 
Magenschläuche  und  ziegelrothen  Fäi-bung  der  Batterieen  und  Polypen,  durch  ihre  grossen  rechtwinklig 
abgestutzten   Deckschuppen  aus. 

So  hat  sich  denn  meine  Erwartung,  die  den  Ausgangsjiuidvt  zu  den  vurliegcnden  Untersuchungen 
allgab,  dass  nändieh  in  grösserer  Tiefe  eigenartige  Siphonophoren  leben  miichten,  füi-  ilie  von  mir 
erforschten  Theile  des  Mittehneeres  nicht  bestätigt.  Alle  Siph<nioj)horen  aus  grösseren  Tiefen  erscheinen 
zu  gewissen  Zeiten  auch  an  der  Oberfläche.  Dass  trotzdem  der  pelagische  Fang  in  den  Tiefen  auch  für 
die  Siphonophoren  manche  interes.sante  biologische  Aufschlüsse  gi<'bt,  will  ich  an  zwei  Beispielen  darzu- 
legen  versuchen. 

Im  Wintei-  und  Frühjahre  ist  im  Golfe  kaum  eine  Siphonophore  gemeiner,  als  Hippopodius 
luteus.  So  häufig  er  auch  erscheint,  so  selten  sind  junge  Stadien  mit  nur  vier  bis  sechs  Sehwimmgloeken. 
Vergeblich  suchte  ich  jedoch  nach  Larvenformen,  welche  über  die  postembryonale  Entwicklung  desselben 
Aufschluss  gegeben  hätten.  ScIkiu  Metschnikoflf  M  hebt  hervor,  dass  es  ihm  ei-st  nach  vielen  missglückten 
Versuchen  gelang,  einige  befruchtete  Eier  zu  erhalten,  an  denen  er  die  frühesten  Stadien  der  Entwicklung 
beobachtete.  Ich  selbst  habe  mich  ijfter  vergeblich  abgemüht,  eine  künstliche  Befruchtung  vorzunehmen. 
Da  nun  der  Hippopodius  mit  lieginn  des  Sommers  von  der  Oberfläche  verschwindet,  so  durfte  ich  darauf 
gefasst  sein,  ihn  in  grösserer  Tiefe  wieder  aufzufinden.  Thatsächlich  gelangten  denn  auch  bei  meiner 
ersten  Ausfahrt,  Ende  x\ugust,  einige  isolirte  Schwimmglocken  aus  100  M.  Tiefe  in  das  Netz.  Später 
fand  ich  sie  verehizelt   bis  zu   120(>  M.   Tiefe.      Gleichzeitic;  entliielt    aber  aiudi   das  Netz  die  schon  längst 


')     E.  Metschnikoff,     Studien     über     die     Entwickehiug    der    Medusen    und    Sip]iouo|ihoren.      Zeitsclir.    f.   wiss.    Zool. 
Bd.  24   p.  4i;. 


ö     14     ES 

gesuclitcn  juj;'('ndlit'hen  Formen  mit  2  oder  3  Glocken  und  j;-clej?cntlicli  auch  junn'e  Si|)lionoplioren  von 
Monophves  iihnlichem  Habitus.  Sie  besassen  eine  völlig'  runde  Schwimmjjjlocke  mit  relativ  sein-  kleinem 
Schwimmsack  und  erreichten  die  immerhin  ansehnliche  Grösse  von  7  mm.  Ich  t^laubte  bei  oberflächlicher 
Betrachtung,  dass  ein  neues  grosses  Monophyes  vorliege,  doch  brachte  die  genauere  Untersuchung  mich 
auf  die  Veniiuthung,  dass  diese  Wesen  in  genetischer  Beziehung  zum  Hippopodius  stehen  möchten. 
Durch  meine  fräheren  Untersuchungen  lag  ja  die  Erwartung  nahe,  dass  die  Larven  der  Calycophoriden 
einen    vom  ausgebildeten   Tiiier  sehr  differenten   Habitus  zur  Schau   tragen  würden. 

Thatsächlich  repräsentiren  denn  auch  die  originellen  in  Fig.  1  und  2  auf  Taf.  H  dargestellten 
Wesen  die  Larven  des  Hip}iopodius,  und  der  Grund,  dass  wir  bisher  über  die  postembryonale  Entwicklung 
eines  der  gemeinsten  pelagischen  Thiere  des  Golfes  keine  Nachrichten  haben,  liegt  wohl  haui)tsächlich 
darin,    dass  die  monop  liy  esa  rtigen  Larven    des  Hip})i)podius    in  grösseren   Tiefen  leben. 

Zur  Erläuterung  der  beiden  Figuren  bemerke  icli  noch  Folgendes.  Die  primäre  lieteronior])lie 
Schwinnnglocke  des  Hipi)opodius  ähnelt  der  Glocke  von  Monophyes  gracilis  und  M.  irregularis  nicht  nur 
durch  ihre  rundliche  Form,  sondern  auch  durch  den  Besitz  eines  Saftbeliälters  (s)  und  einer  grossen 
Seheide  (v).  Der  bilateral-symmetrische  Schwimmsack  ist  relativ  klein  und  kehrt  seine  Mündung  schräg* 
nach  oben  ülie  schlitzförmige  Oeffnung  der  Scheide  als  nach  unten  gewendet  gedacht).  Die  4  Radiär- 
gefässe  desselben  und  namentlich  das  grosse  untere  Gefäss  sind  breit.  Ein  bogenf(irmig  verlaufendes 
Gefäss  stellt  die  Verbindung  mit  dem  Ende  des  Saftbehälters  her.  Letzterer  bildet  den  dorsalen 
Abschluss  der  grossen  mit  einer  schlitzförmigen  Oeffnung  (Fig.  2i  ausmündenden  und  seitlich  compri- 
mirten  Scheide.  Nur  das  Ende  derselben  ragt  frei  in  die  Umbrellargallerte.  Der  scldanke  und  durch- 
sichtige Magenpolyp  mit  seinem  noch  kurzen  dem  Sehwimmsack  zugekehrten  Fangfaden  sitzt  am  Anfangs- 
theil  des  Saftbehälters.  Er  ist  ausserordentlicli  delmbar  und  kann  seine  Mundöffnung  aus  der  Scheide 
hervorstrecken.  Schon  auf  diesem  frühen  Stadium  tritt  schräg  oberhalb  des  Polypen  die  Anlage  einer 
Knospe  auf,  welche  sich  späterhin  zu  der  ersten  definitiven  pferdehufähnliclien  Scliwimmglocke  des 
Hippopodius  ausbildet. 

Ueber  die  weitere  Entwicklung  giebt  Fig.  3  Auskunft,  welche  Schwimmsack  (h)  und  die  Knospen- 
gruppen einer  älteren  Larve  schräg  von  oben  gesehen  darstellt.  Neben  dem  ersten  Magenjiolyj)  (/?')  ist 
ein  zweiter  (p~)  hervorgeknospt  und  hinter  diesem  liegt  die  Knospe  für  einen  dritten  (p^).  Die  dorsale 
Anlage  der  ersten  definitiven  Glocke (c')  hat  sich  vergrössert  und  ilir  sitzt  bereits  die  Knospe  für  eine 
zweite  Glocke  (c^i  an.  Icli  konnte  diese  Larve  zwei  Tage  lebend  erhalten,  wälirend  deren  die  provisorische 
primäre  Glocke  abgeworfen  wurde  und  gleichzeitig  der  Saftbehälter  {s)  schrumpfte.  Der  zwischen 
Schwimmglockenknosjjen  und  Magenpolypen  gelegene  Theil  des  letzteren  streckte  sich  bedeutend  zu 
einem  Stamme,  an  dem  auf  der  ventralen  Seite  drei  Magenschläuche  und  die  Knospe  für  einen  vierten 
sich  inserirten.  Der  älteste  am  Ende  des  Stammes  sitzende  Magenpolyp  hatte  seine  deflnitive  Grösse 
eiTcicht  und  ebenso  war  der  Fangfaden  mit  6  ausgebildeten  nierenförmigen  schwefelgelben  Batterien, 
wie  sie  für  Hippoiiodius  charakterisch  sind,  ausgestattet.  Von  den  am  Anfang  des  Stammes  dorsal 
gelegenen  Glockenanlagen  Hess  die  älteste  bereits  den  für  die  definitiven  Glocken  typischen  Gefässverlauf 
erkennen.  Dasselbe  Stadium  fischte  icli  auch  freilebend;  nur  waren  die  beiden  ersten  definitiven  Glocken 
weit  entwickelt  und  von  der  charakteristischen  pferdehufähnlichen  Form.  Sie  vermittelten  durch  lebhaftes 
Pumpen  die  Ortsbewegung  und  ilnien  sassen  wiederum  zwei  weitei-e  (! lockenknospen  an. 


<3     15     DJ 

Durch  die  hier  ini  t  ft- e  t  h  o  i  1 1  !■  ii  B  o  o  ha  c  h  t  u  n  ge  ii  i  s  t  u  u  ii  a  u  c  h  fit  i- il  i  e  Polyi'li  v  iil  rii, 
wie  ich  die  duich  mehr  als  zwei  ile  {'in  it  i  v  c  S  c  li  w  i  m  in  f;l  o  c  ken  e  h  a  ra  k  teris  ir  t  en  Caly- 
copliorid  (•  II  l)('nciiiic.  der  Nachweis  erbracht,  dass  den  definitiven  Glocken  eine 
he  t  e  r  0  ni  <i  r  |i  h  I'  in  on  o  |i  li  y  c  s;i  ii  n  li  c  h  r  ]irini;ii'o  (_Tli:)ck('  vo  ra  u  Si;' eh  t  ,  weiche  abgeworfen 
wird.  Die  ei-ste  Anlage  derselben  hat  bereits  Metschnikoff  beobachtet;  er  deutet  sie,  wie  dies  nach  dem 
damaligen  Stande  der  Kenntniss  von  der  iiostend)i'yoiialen  Entwicklung  der  Calycoiihoriden  erklärlich 
scheint,  als  die  erste  di'tinitive  (xlocke. 

An  einer  anderen  Steile  werde  icii  nocli  darlegen,  dass  der  Organismus  der  Polyphyiden  in 
mehrfacher  Hinsiclit  ieiirreicli  ist  füi-  das  Verständniss  der  Piiysoiihoriden.  Nur  soviel  sei  liier  liervor- 
geiioben,  (hiss  dieselbe  (.)j)j)osition  von  Scliwimmglockenknospen  und  Magenschläuchen  auch  bei  den 
Physophoi-iden  wiederkehrt.  An  den  Larven  des  Haiistemma  rubrum  sowohl  wie  an  jenen  der  Forskalia 
(Apolemia)  contorta  liegen  die  Knospen  für  Taster,  Älagenschläuclie  und  Geschlechtspolypeu  ventral,  während 
die  Schwinnnglocken  am  Anfangstheii  des  Stanunes  (hirsal  gestellt  sind.  Hierdurcli  erklärt  sicli  aut'li  die  \(in 
Claus ' )  zuerst  naciigewiesene  Umkehrung  der  Spiraldrehung  des  Stammes  in  der  »Säule  der  Sch^^■immglockeu. 

Ein  zweites  Beispiel,  welches  den  Werth  der  pelagisclien  Tiefseetiscliei-ei  für  Erkenntniss  der 
Biologie  niederer  Thiere  illustriren  mag,  entnelime  ich  der  postembryonalen  Entwicklung  von  Physophora 
hy  drosta  t  ica.  Bekanntlicli  iiat  Haeclvel-j  zuerst  die  Emln-yonaientwicklung  der  pompösen  Physophora 
magnitica  kennen  geielirt  uml  den  Nachweis  gefülirt,  dass  zmiächst  ein  kappenförmiges  provisorisciies  Deck- 
stück angi'iegt  wird,  welches  Luftflasclie  und  Polyp  aufliegt  und  später  abgestossen  wird.  Auch  wies 
Haeckel  nacii,  dass  der  primäre  Tentakel  mit  Nesseiknüpfen  besetzt  ist,  die  eine  von  der  späteren  Bildung 
abweiciiende  (Jestalt  besitzen.  In  diesem  Stadium  tischte  ich  wälirend  des  Früiijahres  1886  meiirmals 
die  freilel)enden  Larven  der  Piiysopiiora  Iiydrostatica.  Sie  besassen  ausser  jirimärer  Deckschuppe,  Polyp 
und  larvalem  Fangfaden  drei  bis  vier  lange  grünlich  schillernde  Taster,  welche  durcii  energische 
Bewegungen  auffielen.  Andere  hatten  bereits  die  Deckschuppe  abgeworfen  und  mehrere  Schwimmglocken- 
knospen angelegt.  Auf  letzterem  Stadium  sind  diese  Larven  bereits  von  C.  Vogt')  beobachtet  und 
richtig  auf  Physophora  bezogen  worden.  Icii  verweise  daher  auf  dessen  Schilderung  und  Abbildung  und 
bemerke  nur,  dass  ich  im  Frühjahre  vergeblieh  nach  späteren  Stadien  mit  ausgebildeten  Schwimmglocken 
suchte.  Da  nun  die  im  Golf  seltene  Physophora  mit  Beginn  des  Sommers  von  der  Oberfläche  verschwindet, 
so  war  ich  wiederum  angenehm  überrascht,  als  icli  am  10  Oktober  aus  einer  Tiefe  von  900  M.  eine 
Larve  derselben  tischte,  welche  ein  interessantes  Zwischenstadium  ih'i-  von  Vogt  beschriebenen  Jugend- 
fonnen  und  des  erwachsenen  Thieres  repräsentirt.  Die  in  Fig.  4  abgebildete  Larve  war  voiikommen 
durclisiclitig,  8  mm  gross  und  Ijewegte  sich  lebliaft  in  dem  Gefässe  durch  Pumpbewegungen  zweier 
ausgebildeter  Sciiwimmglocken.  Unterhall)  der  Luftflasche  sind  noch  mehrere  Sciiwimmglocken  angelegt. 
Der  Stamm  [tj  ist  kurz  und  an  seiner  Basis  bereits  flaschenförmig  erweitert.  An  letzterer  sitzen  vier 
Taster  (a),  welche  je  nach  der  Beleuclitung  bald  grünlich.  l)aiil  in  i\rv  zarten  rothen  Complenientärfarbe 
schillern.  Ihre  der  Batterieen  entbehrenden  Angelfädeu  (/)  sind  schon  von  ansehnlicher  Länge.  Zwischen 
den  ausgebildeten  Tastern    sitzen    einige,    zum  Theil  weit  entwickelte  Anlagen  neuer  Taster  (a'i.     Neben 


')  C.   Cl.aus.     Ueber  Halistenima  Tergestiuum.     Arh.  zool.   Inst.   Wien  Bd.   1.   1878   p.   7. 

'')  E.  Haeckel.     Zur  Entwicklungsgeschichte   der  Siphonophoren.      Utrecht   1869.   p.   17  ff.  Tat.   1  —  5. 

•')  C.  Vogt.     Les   Siphonophores  de  la  mer  de  Nice.     Mem.  Inst.  Nat.  Genevois  T.   I   1853   p.   58,  Taf.   6,  Fig.   24. 


ra     16     £> 

dem  grossen  M;ii;'cnpiilyin'n  (jui  mit  seiner  wcitrn  Miuulöffnunj;'  (fijelegcntlich  saugte  er  sicli,  dieselbe  zu 
einer  seeliseckigen  Sclieilx'  verln-eiternd,  an  die  (Jefässwandungen  an)  sprosst  die  Anlage  eines  zweiten 
hervor.  Der  Fangfaden  hat  die  orange  pigmentirteu ,  körbehenförmigen  und  nn  Centrum  mit  langen 
Sinneshaaren  ausgestatteten  larvalen  Batterieen  verloren  und  weist  an  seiner  Basis  die  Knospen  für  die 
definitiven   Xessclknöiife  auf. 

So  lehrt  denn  dieses  Stadium,  (hiss  ausser  der  frühzeitig  ahgc'Worfenen  Deekseliujipe  und  den 
lai'valen  Batti'rieen  ailc  ül)rigen  (■iruj)iienanhänge  in  das  definitive  Tliicr  aufgenommen  werden.  Ende 
November  erschienen  denn  aueli  di<'  jungen  Piiysophoren  an  der  Oberfläche.  Durch  Salvatore  lo 
Bianco  wurden  mir  drei  mit  bekannter  Virtuosität  eonservirte  junge  Exemplare  übersendet,  welche 
4 — 6  entwickelte  Schwimraglocken  und  2 — 3  mit  den  für  die  erwachsene  Phj'sophora  charakteristischen 
Knöpfen  besetzte  Fangfäden  aufwiesen. 

So  geht  denn  aus  diesen  Mittheilungen  hervor,  dass  die  im  Frühjahr  an  der  Ober- 
fläche auftretenden  jugendlichen  P  h  y  soj)  hora-Lar  ven  mit  Beginn  des  Sommers 
grössere  Tiefen  aufsuchen,  um  dann  nach  Vollendung  ihrer  Metamorphose  mit  Be- 
ginn des  W  i  n  t  e  rs  a  u  f  z  US  t  e  i  g  !■  n   und  zu  ge  seli  \ec  h  tsr  eif  en    Tliieren  sich  zu  eu  t  w  i  e  k  <■  1  ii. 

Wenn  es  auch  niclit  in  meiner  Absicht  liegt,  an  dieser  .Stell«'  ai\f  morphiihigische  Betrachtungen 
mich  einzulassen,  so  will  ich  doch  hervorheben,  dass  für  Physophora  der  frühzeitige  Schwund  (h'r  larvalen 
Nesselknöpfe  charakteristisch  ist.  Die  Larven  des  Haiistemma  besitzen  den  larvalen  Faugfaden  noch,  wähnend 
bereits  an  den  oberen  Magenschläuchen  die  definitiven  Batterieen  angelegt  werden.  Noch  länger  ist  der 
bisher  unbekannte  larvale  Fangfaden  an  dem  untersten  centralen  Pelypen  beider  Fi)rskälia-Arten  nach- 
weisbar. Dass  er  auch  bei  den  Agalmen  lange  Zeit  nel)en  den  späteren  heteromorphen  Fangfäden  sich 
erhält,  haben  schon  frühere  Forscher  hervorgehoben.  Sehr  eigenthümlich  verhält  sich  in  dieser  Hinsicht 
Ehizopliysa.  Gegenbanr^)  wies  bekanntlieh  nach,  dass  an  dem  Fangfaden  derselben  drei  Formen  von 
Batterieen  auftreten,  von  denen  soncb-rbare  mit  einem  schmibelfiirmigen  F'ortsatz  versehene  Nesselknöpfe 
(Gegbr.  Fig.  9)  in  der  Minderzahl  entwiekelt  sind,  (lerade  diese  Nesselknöpfe  treten  jediich  ausehliess- 
lich  an  den  jüngsten  von  mir  beol)achteten  Fangfäden  auf.  An  idteren  Exemplaren  erscheinen  an  dem- 
selben Fangfaden  allmählich  die  beiden  anderen  Ftu'men  von  Batterieen.  Sii  besitze  ich  jugendliche 
Rhizophysen,  an  deren  Fangfadenende  bis  gegen  lö  vogelkopfähnliche  Batterieen  sitzen,  ehe  die  anderen 
auftreten.  Allmählich  werden  sie  häutiger  angelegt,  um  dami  siiäterhui  etwa  die  Hälfte  der  Nesselknöpfe 
auszumachen.  An  Exemplaren  von  mittlerer  (irösse  kehrt  sich  ilas  Verhältniss  zu  Gunsten  der  sjiäter 
auftretenden  Batterieen  mn  und  Gegenbaur  gibt  richtig  an,  dass  zwisejien  etwa  10  Batteriei'U  je  eine 
vogelko]:ifähnliche  beobachtet  wird.  An  den  iütesten  Rhizojihyst'U  eiullich  vermisste  ieh  in  der  oberen 
Hälfte  (h's  P^ingfadens  die  genannten  Nesselknöpfe.  Hier  steht  zwischen  \'2 — 14  mit  2  St'iteiiästen  aus- 
gestatteten Batterieen  ((jregbr.  Fig.  1}  je  ein  gi'osser  N^esselknnpf  mit  dii'lintom  verästelten  fingerförmigen 
Ausläufern.  So  spielen  il  e  n  n  offenliar  die  v  o  ge  1  k  o  p  f  ä  h  n  1  i  e  h  e  n  X  e  s  s  elk  n  li  p  f  e  die  Rolle 
V  o  n  1  a  r  v  a  1  e  n  (t  e  Ii  i  1  d  e  n  u  n  il  R  h  i  z  o  ji  h  y  s  a  ist  ins  i>  f  i'  r  n  1  e  Ji  r  r  e  ich,  a  1  s  >  i  e  zeigt, 
dass  an   ein<'m   und    demsellie'U    Fangfaden   der  'Wechsel  d  ei-    i>atterit'en  sich    vollzieht. 


')  C.  Cie  genbau  r.     Bciitrag  /..  Kenntniss  der  Srhwimmiiolypen.  Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.   WA.  b.  p.  3-'y.  Tat'.  18.  Fig.  7 — 9. 


ö     17     E* 

Ich  vcrmuthe  denn  aucli ,  tlass  der  dem  idtesten  ilagenschlauch  ansitzende  Fangfaden  von  Physophora 
nicht  neu  gebildet  wird  ,  sondern  dass  nacli  Verhist  der  larvalen  Nesselknöpt'e  lediglich  die  Neu- 
bildung der  definitiven  Batterieen   an   dcnisellten  Fangfaden  anhebt. 

5.  CtenopJiorae, 
AVie  ieli  im  allgemeinen  Theile  ausführen  werde,  so  ist  es  mir  schon  vcjr  Jahren  gelungen,  ül)er 
den  Verbleib  einiger  Ctenophoren  während  des  Sommers  Aufschluss  zu  erhalten.  So  tischte  ich  im  Sommer 
1877  aus  etwa  100  Meter  Tiefe  Beroli  ovata  und  Larven  des  Cestus  Veneris.  Ich  kann  diese  Beobachtungen 
nach  meinen  jetzigen  Erfahrungen  bestätigen  und  erweitern.  Aus  einer  Tiefe  von  150  Meter  wurde  am 
17.  September  eine  kleine  Beroe  ovata  erbeutet  und  am  9.  September  ein  junger  Vcnusgürtel.  Ende 
September  fand  ich  einen  solchen  in  50  Meter  und  gleichzeitig  wurde  auch  das  erste  Exemplar  an  der  Ober- 
fläche beobachtet.  Ueberraschend  war  es  mir  jedoch,  dass  Cestus  Veneris  auch  die  grösseren  Tiefen  aufsucht. 
Schon  bei  den  ersten  Zügen  vor  Ponza  in  1200  Meter  Tiefe  gelangten  Bruchstücke  alter  Exemplare  an  die 
Oberfläche  und  späterhin  waren  fast  regelmässig  Theile  desselben  in  dem  grossen  Netze  enthalten.  Auch  jüngere 
Exemplare  und  Larven  (von  letzteren  aus  800  Meter  vor  Ischia  das  Stadium  mit  je  einem  Schwimmplättchen 
in  den  8  Rii»penj  sind  in  der  Tiefe  vertreten.  Von  sonstigen  Ctenophoren  erwähne  ich  eines  Exemplares 
von  Hormijphora  jjlumosa  aus  150  Meter  am  17.  September,  die  bisher  nur  während  des  Winters  und 
Frühjahres  an  der  Oberfläche  beobachtet  wurde.  In  auffälligem  Gegensatz  zu  den  bisher 
angeführten  Arten  steigen  die  gelappten  Ctenophoren  nie  in  die  Tiefe.  Ihre  Larven 
sowohl,  wie  die  ausgebildeten  Tiiiere  bevölkern  in  enormen  Schwärmen  die  oberflächlichen  Schichten  bei 
Tag  und  Nacht.  AVelch'  eigentiiümliche  Erscheinungen  in  der  Fortpflanzung  von  Eucharis  und  Bolina  durcii 
den  ständigen  Aufentlialt  in  den  oberflächlichen,  der  vollen  Einwirkung  von  Licht  und  Wärme  ausge- 
setzten Schichten  bedingt  werden,  soll  am  Schlüsse  der  allgemeinen  Betrachtungen  noch  dargelegt  werden. 

III.  Echinodertnata. 

Die  Larven  der  Echinodermen  vermisste  ich  durchaus  in  grösseren  Tiefen;  unterhalb   100  Meter 
gelangten  sie  nicht  mehr  in  die  Netze. 

IV.  Veruies. 

1.  Turhellarii. 
Ein  einziges  Mal  war  in  dem  grossen  Netz  aus  600  Meter  Tiefe  eine  rhabdocöle  Turbellarie  von 
2,5  mm  Länge  enthalten.  Sie  war  milchweiss  und  besass  einen  roth  durchschimmernden  Darm.  In  dem 
Uhrschälchen  begann  sie  alsbald  unter  lebhaften  Contraktionen  an  den  Wandungen  zu  kriechen.  Bei 
dem  Versuch,  sie  in  Sublimat  zu  conserviren,  contrahirte  sie  sich  dermassen,  dass  röthliche  Fetttropfen 
ausgestossen  wurden  iind  eine  nähere  Bestimmung  nicht  vorgenommen  werden  konnte. 

2.  Chaetognatha. 

Die  Sagitten  bilden  gemeinsam  mit  den  Radiolarien,    Tomopteriden ,    Diphyes    Sieboldii  und  den 

Crustaceen    die    häuflgsten    und    constantesten    Bewohner    der    grösseren    Tiefen.      In    zahllosen    Mengen 

gerathen  sie  sowohl  in  das  offene,    wie  in  das  Schliessnetz    von    100   ]\I(tci'  an   bis   zu    1300   Meter.     Am 

gemeinsten    ist     die    grosse    Sagittn    kexaptera    d'Orbigny ,     die    man     in    allen    Stadien    regelmässig    im 

C.  Chun,  die  pelagische  Thierwelt.  3 


<i      18      £> 

Schlicssiictz  Miitrift't.  Wälireml  der  Nacht  tisclite  ich  sie  iibi'i,i;'eiis  auch  Ende  September  an  der  (Jber- 
Häche.  Fast  ebenso  häutii;;  ist  S.  servatoJentafa ,  die  von  der  Oberfläche  an  (wahrend  der  Nacht  Ende 
Heptember)  l)is  zu  1300  Meter  in  allen  Schliessnetzen  beobachtet  wurde.  Dagegen  scheint  die  gemeine 
S.  hipundata  Quoy  u.  Gaim.  in  der  Tiefe  zu  fehlen  und  auf  die  oberflächHchen  Schichten  beschränkt  zu 
sein,  da  ich  sie  in  keinem  Schliessuetz  vorfand.  Auch  noch  im  Januar  bildeten  die  Sagitten  einen 
charakteristischen  Bestandtheil  der  Tiefenfauna. 

3.   Tomojtteriden.     (Taf.    III.) 

Ausserordentlicli  cliarakteristisch  für  die  gn'isseren  Tiefen  von  500  Metern  an  })is  zu  1300  Meter 
sind  zwei  Arten  von  Tomopteriden.  ]Man  findet  sie  regelmässig  sowohl  in  dem  Schliessiictz ,  als  auch 
in  ansehnlicher  Zahl  in  dem  grossen  Sclnvebnetz.  Wenn  sie  auch  leicht  von  einander  zu  unterscheiden 
sind,  so  vermag  ich  sie  doch  nicht  mit  jenen  Arten  zu  identificiren,  welche  bisher  von  der  Oberfläche 
beschrieben  w'urdeu. 

Die  kleinere  Art,  welche  ich  Tnmo-pferis  elegans  (Taf.  III.  Fig.  4)  nenne,  erreicht  eine  (Trosse 
von  nur  5 — 6  mm.  Sie  besitzt  13 — 14  ziemlicli  sclilanke  Parapodienpaarc.  Die  mittleren  stehen  senkrecht 
vom  Körper  ab,  die  vorderen  sind  gegen  den  Kopf  geneigt,  während  die  hinteren  allmählicii  an  Grösse 
abnehmend  gegen  das  Schwänzende  convergiren.  Ein  stunnnelförmiger  Scliwanzanhang  fehlt.  Der  Kopf 
ist  durch  das  Auftreten  eines  kleinen  Fühlereirrenpaares  (c'j  ausgezeichnet,  an  dessen  Ende  eine  feine 
Borste  sich  inserirt.  Die  Kopffühler  sind  ansehnlich  und  breiter  als  der  Basaltheil  des  zweiten  grossen 
Fühlereirrenpaares  (c^j.  Letzteres  erreicht  zwei  Drittel  der  Körperlänge;  die  Borste  mit  ihrer  zelligen 
Scheide  (s)  wird  an  ihrer  Basis  von  mehreren  fächerförmig  ausstrahlenden  Muskeln  bewegt  und  an  ihrer 
vorderen  (den  Kopffühlern  zugekelu-ten)  Seite  von  einer  ziendich  breiten  Lamelle  umsäumt.  Die  rücken- 
ständigen Wimperepaulettcn  {w),  welche  vielleicht  als  Geruchsorgaue  fungiren,  sind  lang  oval  ausgezogen. 
Das  Gehirn  {g)  ist  o^'al  oder  stum})f  dreieckig  und  entsendet  zwei  starke  Nerven  zu  dem  zweiten  Fühier- 
cirreupaare,  die  vor  der  Borste  \erlaufen.  Nacli  abwärts  geht  es  in  die  breiten  seitlich  mit  Ganglien- 
zellen belegten  Commissuren  über.  Die  Augen  besitzen  braunrothes  Pigment  und  scheinen  eine  vier- 
theilige Linse  aufzuweisen.  Der  kräftig  muskulöse  Pharynx  (^j/(),  welchen  man  bisw'eilen  vorgestülpt 
flndet,  mündet  ^'or  dem  ersten  Parapodium  in  den  Darm  ein.  Bei  manchen  Exemplaren  entsendet  letzterer 
(und  zwar  meist  in  der  hinteren  Körperhälfte)  kurze,  aber  breite  Divertikel  in  den  Basaltheil  der  Para- 
podien.  Ein  ventrales  und  ein  dorsales  Mesenterium  halten  ihn  in  der  Leibeshöhle  aufgespannt.  Ueber 
die  Geschlechtsverhältnisse  der  in  Rede  stehenden  Art  werde  ieli  im  Zusammenhang  mit  jenen  der 
grösseren  Tomopteris  eingehender  berichten;  nur  so  viel  sei  erwäimt,  dass  unter  den  11  von  mir  gefangenen 
Exemplaren  sich  kein  einziges  Männchen  befand. 

Tomopteris  elegans  unterscheidet  sich  von  der  durch  Vejdovsky ')  aus  der  Adria  beschriebenen 
T.  vitrina  durch  die  Persistenz  des  ersten  Fühlereirrenpaares  und  durch  den  Mangel  eines  wurmförniigen 
Anhanges  am  Hinterleibe.  Ausserdem  sind  die  Kopffühlcr  breiter  und  die  Parapodien  schlanker  als  bei 
der  adriatischen  Form.     Von   T.  Kefersteinüj  welche  von  Greeff  ^)  an  den  Canaren  entdeckt  und  neuer- 


')  F.  Vejduvsky,  Beiträge  zur  Kenntniss   der  Tomopteriden.     Zeitschr.  f.  wissensch.  Zool.  Bd.  31.   p.  81.  T.if.  6  u.  7. 
■)  K.  Greeff,    Ueber   pelagische    Annelideu    von    der  Küste    der   Canjirisclien    Inseln.      Zeitschr.   f.   wissensch.  Zool. 
Bd,  3-2.  p.  276.  Taf.  15. 


IG     19     £4 

clings    diireli  Vi.^^uicr'i    in    der  Bai    von  Algier    beobachtet    wunle ,    unterscheidet    sie    sich  bei  gleicher 
Grösse  durch  die  schlanken,  langen  und  in  geringerer  Zahl  auftretenden  Parapodien. 

T.  elegans   ist    seltener   als  die  grössere  Art;    in  dem  Schliessnetz  fand  sich  je  ein  Exemplar  aus 
600  Meter  und  aus  1300  Meter. 

Unter  den  Anneliden  ist  keine  Furni  für  die  Tiefsee  so  charakteristisch  und  typisch  wie  die  zweite 
grössere  Art  von  Tomoptevis.  Ich  würde  dieselbe  gern  mit  der  T.  scolopendra,  welche  Keferstein'-) 
von  Messina  beschrieb,  identiticii-en,  wenn  nicht  einige  seiner  Angaben  dem  entgegenständen.  Jedenfalls 
ist  die  grosse  und  ausgezeichnete  Tomojiteris  euchaeta  (Fig.  1),  wie  ich  die  in  Rede  stehende  Art  benenne, 
der  2\  scolopeiidra  nahe  verwandt.  Die  vollkommen  durchsichtigen  Thiere  fallen  in  den  Gefässen  sofort 
durch  ihre  lebhaft  schlängelnden  und  raschen  Bewegungen  auf  und  das  umsomehr,  als  die  grösseren 
Exemi)lare  die  ansehnliche  Länge  von  30  nun  erreichen.  Die  stattlichen  Fühlerborsten  sind  stets  länger 
als  der  Körper;  gelegentlich  übertreft'en  sie  ihn  um  das  Doppelte,  bei  jüngeren  Exemplaren  sogar  um 
das  Dreifache.  In  der  Ruhe  stehen  sie  horizontal  ab,  bei  der  Scliwinnnbewegung  schleifen  sie  wie  Fang- 
fäden nach.  Trotz  der  (xrösse  der  Thiere  ist  die  Zahl  der  als  Ruder  fungirenden  Parapodien  eine 
beschränkte,  insofern  auch  die  längstt'u  Exemplare  nicht  mehr  als  15  Paare  aufwiesen.  Dagegen  ist  eine 
ungefähr  gleiche  Zahl  vi  in  rudimentjiren  Fussstunnneln  an  dem  wurmförmigen  Anhang  ausgebildet,  den 
T.  euchaeta  mit  2\  scolopendra.,  vitvina  und  der  nordif-chen  onisciformis  gemein  hat.  Da  dieser  Anhang 
entsprechend  der  Grösse  der  Thiere  sich  verlängert  (er  erreicht  eine  Länge  von  10  mm) ,  da  weiterhin 
die  Zahl  der  rudimentären  Parapodien  sich  vermehrt  und  ungefähr  jener  der  vorderen  ausgebildeten 
Flossen  gleich  kommt,  so  stimme  ich  Keferstein  bei,  wenn  er  die  erwähnten  Tomopteriden  als  Anne- 
liden betrachtet,  bei  denen  der  vordere  und  hintere  Körper  verschieden  gebildet  ist  (p.  366 1.  Ein  30  mm 
messendes  Exiniiilar  von  T.  euchaeta  besitzt  z.  B.  15  ausgebildete  und  14  rudimentäre  Paare  von  Fussstunnneln. 
Vejdovsky  spricht  sich  freilich  gegen  eine  solche  Auffassung  aus  und  nimmt  an,  dass  die 
rudimentären  Paare  als  gleichwerthig  mit  den  vorderen  zu  erachten  seien  (p.  94).  Das  würde  jedoch 
nur  dann  Geltung  haben ,  wenn  eine  allmähliche  Entwicklung  der  rudimentären  Fussstummel  zu  aus- 
gebildeten erfolge.  Da  in  solchem  Falle  eine  Abnahme,  nicht  aber  eine  Zunahme  der  rudimentären 
Paare  mit  dem  Alter  zu  erwarten  wäre,  so  dürfen  wir  das  hintere  Körperdrittel,  ohne  eine  Homologie 
der  vorderen  und  hinteren  Parajiodien  in  Abrede  zu  stellen,  als  difFerent  gebildet  in  Anspruch  nehmen. 
Die  vorderen  Parapodien  sind  relativ  kurz  und  plump  und  dabei  gelegentlich  an  ihrer  Basis  derart 
aufgedunsen,  dass  sie  sich  nahezu  berühren. 

Der  Kopf  ist  durch  die  relativ  schlanken  und  mit  dem  Basaltheil  der  grossen  Fühlercirren  gleich 
langen  Kopffühler  charakterisirt.  Dagegen  fehlt  dem  entwickelten  Thiere  das  kleine  erste  Fühlercirren- 
paar.  Ob  es  in  der  Jugend  vorhanden  ist ,  vermag  ich  nicht  zu  entscheiden ;  das  kleinste  Exem})lar  mit 
6  Parapodienpaaren  von  nur  2  nnn  Länge  liess  dieselben  nicht  erkennen.  In  dieser  Hinsicht  dürfte  sich 
T.  euchaeta  wesentlich  von  T.  scolopendra  unterscheiden,  bei  der  nach  Keferstein  (p.  362)  dii'  kleinen 
Fühlercirren  auch  am  ausgebildeten  Thier  persistiren. 


')  Camille  Viguier,  Aiiimiuix  inferieures  de  la  Baie   d'Alger,  Arch.  Zool.  Exper.  de  Laoaze-Duthiers   1886.  2.  Sdr. 
Bd.   4.  p.  412.  Taf.  25. 

Es  ist  möglicli,  dass  die  von  Viguier  auf  T.  Kefcrstemii  bezogene  Art  zu    T.  elegans   gehiJrt. 

")   W.  Keferstein,  Einige  Benierkuui'en   über   Tomopteris,     Ari.-h.   f.  Anat.   ii.   Physiologie.   18151.  p.   300.  Taf.  'J. 

3* 


¥3     i.'0     ES 

Trotzdem  die  Tomopteridcn  von  einer  j^-rossen  Zahl  ausgezeichneter  Forsclier  eingehend  studirt 
wurden ,  so  bedarf  doch  der  feinere  Bau  derselben  mehrfiich  der  Aufklärung.  Ich  werde  mich  bei  der 
Schilderung  der  einzelnen  Organsysteme  kurz  fassen  und  nur  solche  Punkte  ausführlicher  Ijerücksichtigen, 
wo  ich  wesentlich  Neues  zu  bieten  vermag. 

Das  zweilappige  Gehirn  (Fig.  2)  liegt  zum  grössten  Theil  liinter  den  Cirrenborsteu  und  entsendet 
an  seinem  Uebergang  in  die  mit  Ganglienzellen  seitlich  belegten  Commissuren  jederseits  einen  starken 
Nerven  (n)  zu  den  Borstenmuskeln.  Offenbar  rückt  es  erst  mit  fortschreitendem  Wachsthum  in  die 
Mitte  des  Kopfes,  da  es  bei  jugendlichen  Exemplaren  vor  den  Borsten  gelegen  ist,  entsprechend  der 
Lagerung  bei  T.  elegans.  Die  Augen  besitzen  ein  rothbrauiies  Pigment  und,  soweit  ich  es  an  den  con- 
servirten  Exemplaren  zu  beurtheilen  vermag ,  eine  viertheilige  Linse.  Auch  ist  die  Pigmeutlage  vier- 
lappig ausgebuchtet,  wie  dies  an  jiarallcl  der  Medianlinie  geführten  Schnitten  deutlicli  hervortritt.  Die 
beiden  ansehnlichen  dorsalen  Wimpere))auletten  {w)  sind  bei  jüngeren  Thieren  kreisrund,  bei  idteren  lang- 
oval  ausgezogen. 

Unter  dir  Sinnesorgane  des  Kopfes  ist  vielleiclit  auch  ein  merkwürdiges  Organ  zu  zählen,  dessen 
kein  Beobachter  der  Tomopteridcn  Erwähnung  thut,  wie  es  denn  iilierhaujit  unter  den  Anneliden  kein 
Homologen  zu  haben  scheint.  Auf  der  Dorsalseite  des  Kopfes  zwischen  den  beiden  Wimperepauletten 
liegt  nämlich  die  Oeffnung  einer  tiefen  Grube,  die  trichterförmig  sich  verengernd  schräg  nach  unten 
und  hinten  an  dem  Gehirne  endigt  (Fig.  2  und  3  gr.)  Ob  dieselbe  im  Leben  flinnnert,  vermag  ich 
nicht  anzugeben.  Dagegen  verläuft  an  ihrem  vorderen,  den  Kopfla})peu  zugewendeten  Rande  ein 
starker  unpaarer  Nerv  (Fig.  3.  n),  der  feinere  Aeste  an  die  KoitHappen  abgiebt.  Ich  habe  diese 
Kopfgrube  bei  keinem  der  zahlreichen  erwachseneu  Exemplare  vermisst,  welche  ich 
untersuchte;  liei  den  jüngsten  Exemplaren  von  2 — 3  mm  Länge  fehlt  sie,  während  sie  bei  raittelgrossen 
Individuen  kaum  halb  so  tief  erscheint,  als  bei  den  erwachsenen. 

lieber  die  morphologische  Deutung  dieser  Kopfgrube  vermag  ich  micli  nicht  auszusiirechen. 
Phantasievollere  Beobachter,  die  stets  bedauern,  dass  man  die  tiefe  phjdogenetische  Bedeutung  eines 
Organsystem  nicht  erkannte,  mögen  in  ihr  ein  Homologon  der  Epij)hysis  oder  der  Cyclostomennase  oder 
gar  des  su))]jonirten  primären  Wirbelthiermundes  erkennen.  Ich  habe  mir  freilich  eine  recht  nüchterne 
Vorstellung  ül)er  die  Entstehung  der  Grube  gebildet.  Da  sie  nämlich  den  jüngsten  Thieren  fehlt,  deren 
Hirn  bis  an  die  Rückenseite  des  Kopfes  ragt,  so  dürfte  mit  dem  allmählichen  Zurückweichen  des  grossen 
Ganglions  ein  Zug  ausgeübt  werden,  der  zur  Bildung  der  Grube  Veranlassung  gäbe.  Das  Nerven- 
system wahrt  zudem  zeitlebens  seine  Beziehungen  zum  Ektoderm,  insofern  es  nicht  in  die  Tiefe  rückt, 
sondern,  Avie  Vejdovsky  und  Greeff  richtig  hervorheben,  zwischen  der  Haut  und  Hautmuskulatur  (Fig.  3  nm) 
gelegen  ist. 

Dass  bei  der  ansehnlichen  Entwicklung  der  Fühlerborsten  die  zur  Bewegung  derselben  dienenden 
Muskeln  besonders  kräftig  entwickelt  sind,  ist  erklärlich.  Sechs  breite  Muskelbänder  (m?«' — mu^  Fig.  2) 
inseriren  sich  in  gleichen  Distancen  an  der  Basis  je  einer  Borste  und  strahlen  fächerförmig  sich  verbreiternd 
zur  Körperoberfläche  aus.  Ein  siebentes  Paar  von  Mviskcln  (mit")  durchsetzt  neben  den  Connnissuren 
dorsoventral  den  Kopf,  ohne  an  die  Borsten  heranzutreten. 

Der  vorstülpbare  Pharynx  mündet  weit  vor  dem  ersten  Parapodium  in  den  Darm  ein,  welcher 
bald  gerade  gestreckt  verläuft,    bald  kurze  Divertikel    in  einige   der  hinteren  Parapodien  entsendet,  bald 


ö     21     E> 

auch  (Fifj.  1)  eine  kurze  Schleife  in  einem  der  letzteren  Ijildet.  Er  hiin^t  in  der  voluminösen  Leibes- 
höhlc  (7)  vermittelst  eines  dorsalen  und  eines  ventralen  Mesenterialbandes  (Fig.  3  me).  Letzteres 
rcpräsentirt  keine  coutinuirliehe  Lamelle,  sondern  zerfasert  sich  gegen  die  Körpenvandung.  Das  Auf- 
treten der  beiden  Mesenterien,  die  Auskleidung  der  Leibeshöhle  durch  eine  Epithellamelle  (Fig.  3  ep) 
und  die  Entstehung  der  Geschlechtsproducte  aus  dem  Epithel  der  Leibeshöhlc  deuten  darauf  liiu,  dass 
die  Tomopteriden  Enterocoelier  repräsentiren. 

Obwohl  die  Geschlechtsprodukte  der  Tomopteriden  als  Paradigmata  für  eine  Entstehung  aus  dem 
Leibeshöhlenepitel  mit  einer  gewissen  Vorliebe  seit  längerer  Zeit  angezogen  werden,  so  ist  doch  den  früheren 
Beobachtern  eine  Reihe,  wie  mir  dünkt,  nicht  unwichtiger  Verhältnisse  entgangen.  Zunächst  sei  bemerkt, 
dass  icli  wie  bei  T.  elegans  so  auch  unter  den  zahlreichen  geschlechtsreifen  Exemplaren  von  T.  euchaeta 
keine  Männchen  auffand.  Worauf  dieser  Mangel,  oder  vorsichtiger  gesagt,  diese  Seltenheit  der  Männchen 
während  der  Monate  August  bis  Oktober  beruht,  müssen  spätere  Untersuchungen  lehren.  Was  nun  die 
Lage  der  Ovarien  in  den  Parapodien  anbelangt,  so  finde  ich  nicht  erwälmt,  dass  dieselbe  eine  streng 
fixirte  ist.  Sie  finden  sich  nämlicli  bei  beiden  Arten  constant  an  der  Dorsalseite  der  Parapodien  in  der 
Höhe  der  Gabeltheilung  letzterer.  Bei  T.  elef/ans  fehlen  sie  in  den  beiden  ersten  und  in  den  3—4 
letzten  Parapodieupaaren,  bei  T.  euchaeta  vermisse  ich  die  Ovarien  lediglich  im  ersten  Parapodienpaar 
und  in  den  stummeiförmigen  Anhängen  des  wurmförniigen  Körperendes.  Dass  die  reifen  Eier  in  die 
Leibeshöhle  fallen  und  dass  ihnen  noeli  eine  Anzahl  kleinerer  Zellen  anhängt,  heben  fast  sämmtliche 
Beobachter  hervor,  lieber  die  Bedeutung  der  letzteren  und  über  ihre  Herkunft  gehen  freilich  die 
Ansichten  weit  auseinander. 

Leuekart  und  Pagenstecher ')  nehmen  an,  dass  die  Eier  vor  ihrer  Reifung  sich  in  4  und  mein' 
Ballen  klüften ,  die  jedes  ein  Keimbläschen  enthalten  und  dann  einer  nach  dem  anderen  zu  einem  Eie 
heranreifen.  Auch  Keferstein  ist  der  Ansicht,  dass  der  Eierhaufen  sich  weiter  entwickelt,  während  er  m 
der  Leibeshöhle  flottirt,  „indem  ein  Ei  nach  dem  anderen  zur  vollständigen  Grösse  heranwächst"  (1.  c.  p.  364). 
Greeff  (1.  c.  p.  276)  spricht  ebenfalls  von  Keimzellenballen  in  der  Leibeshöhle,  während  Vejdovsky 
(1.  c.  p.  91)  glaubt,  dass  in  den  flottirenden  Zellgruppen  „eine  dieser  Zellen  auf  Kosten  der  übrigen 
Geschwister  sich  bis  zur  völligen  Reife  entwickelt".  Am  ausführlichsten  sprechen  sich  Carp enter  und 
Claparede-j  über  die  flottirenden  Zellen  aus,  obwolil  ilu-e  Anschauung  im  Wesentlichen  die  Ansichten 
von  Leuekart  und  Pagenstecher  wiedergiebt.  Sie  schildern  den  Ursprung  der  Keimzellen  in  den  Para- 
podien; „these  cells  multiply  by  self-di\-isu)n  after  tlie  ordiuary  mode,  and  it  is  only  after  their  number 
has  thus  been  considerably  augmented,  that  they  begin  to  increase  in  size  an  to  assume  the  characteristic 
appearancc  of  ova". 

Es  lassen  sich  also  die  Anschauungen  der  früheren  Beobachter  kurz  dahin  resumiren,  dass  die 
losgelösten  Eier  sich  klüften  und  dass  die  Furchungszellen  entweder  als  NiUn-zcllen  fungiren  (Vejdovsky) 
oder  sich  ebenfalls  zu  Eiern  entwickeln   (alle  übrigen  Beobachter). 


')  R.  Leuekart  und  A.P.n  ge  nste  eher.  Untersuchungen  über  niedere  Seethiere,  Müller's  Arch.  f.  Anat.  und  Physio- 
logie 1858  p.  592  Taf.  20. 

-)  W.  Carpenter  and  E.  Cl aparede,  Further  Researches  on  Tomopteris  oniseiformis.  Transaet.  Linneau  Soc. 
Vol.  23.  1862  p.  64.  Taf.  7. 


— ra    22    e* — 

Icli  kann  keiner  dieser  beiden  Anschauungen  ln-ipfliclitcn.  Vor  Allem  ist  es  sämmtliehen  Beobachtern 
entgangen,  dass  die  Zahl  der  kleineren  den  einzelnen  Eiern  ansitzenden  Zellen  eine  durchaus  constante 
ist.  Stets  und  ohne  Ausnahme  haften  der  Eizelle  sieben  kleine  Zellen  an.  Man  möchte 
nun  zunächst  der  Ansicht  zuneigen,  dass  sie  Nährzellen  repräsentiren,  welche  von  dem  wachsenden  Ei 
resorbirt  werden.  Dagegen  spricht  jedoch  ihr  Verhalten  Ijci  jugendlichen  und  bei  ausgebildeten  Eiern. 
In  Fig.  7  bilde  ich  einen  im  distalen  Ende  des  Parapodiums  gelegen  und  gerade  aus  dem  Ovarium 
losgelösten  Zellenhaufen  ab,  an  dem  die  Eizelle  sich  durch  ansehnlichere  Grösse  vor  den  übrigen  7  Zellen 
auszeichnet.  An  anderen  Ovarien  desselben  Thieres  findet  man  bei  gleicher  Grösse  der  Eizelle  die 
sieben  Zellen  noch  im  Contakt  mit  dem  Ovarium.  Fig.  8  repräsentirt  ein  älteres,  bei  gleicher  Ver- 
grösserung  gezeichnetes  Ei  desselben  Thieres.  Es  bcsass  39  in  der  Leibeshöhle  flottirende  Eier  von 
gleicher  Grösse,  an  denen  ohne  Ausnahme  die  7  kleinen  Zellen  festhafteten.  Sie  haben  sich  abgerundet 
und  da  sie  kaum  kleiner  erscheinen,  als  bei  dem  eben  losgelösten  Ei,  so  liegt  auf  der  Hand,  dass  die 
merkliche  Volumzunahme  des  von  einer  zarten  Membran  umgebenen  Eies  nicht  auf  Kosten  der  sieben 
Zellen  erfolgt  sein  kann.  Fig.  9  endlich  stellt  ein  völlig  reifes  Ei  eines  anderen  in  Fig.  1  abgebildeten 
Exeniplares  dar.  Die  7  Zellen  sind  zwar  kleiner  als  in  Fig.  8,  aber  das  Ei  hat  so  beträchtlich  an  Vulum 
zugenommen,  dass  der  Eikern  nahezu  die  Grösse  des  eben  losgelösten  Eies  erreicht. 

Die  Ernährung  und  das  Wachsthum  der  grossen  und  schönen  Eier  kann  also  nur  durch  die  in 
die  Leibeshöhle  diffundirte  Nährflüssigkeit  erfolgen.  Es  ist  freilich  nicht  leicht,  an  allen  ausgebildeten 
Eiem  die  7  ansitzenden  kugligen  Zellen  nachzuweisen,  da  die  ersteren  durch  die  Conservirung  undurch- 
sichtig werden  und  da  die  zahlreichen  Dotterkörner  bei  Behandlung  mit  Ueberosmiumsäure  geschwärzt 
erscheinen.  Bei  genauerem  Zusehen  lassen  sie  sich  indessen  bei  vielen  Eiern  nachweisen,  während  sie 
anderen  fehlen.  Dagegen  bemerkt  man  noch  hie  und  da  in  der  Leibeshöhle  kuglige  Zellen,  ja  sogar 
noch  zusammenhängende  Gruppen  von  7  Zellen,  die  früher  den  Eiern  ansassen.  Manche  derselben 
schienen  in  deutlichem  Zerfall  begriffen,  wie  denn  auch  an  den  ausgebildeten  Eiern  gelegentlich  ein  Zerfall 
einzelner  ansitzender  Zellen  zu  beobachten  war.  Die  ausgebildeten  Eier  sind  bei  T.  euchaeta  rund,  bei 
T.  elegans  passen  sie  sich  in  den  schlanken  Parapodien  den  Conturen  der  Wandung  an.  Sie  erscheinen 
bald  oval  (Fig.  4),  bald  würfelförmig  mit  abgerundeten  Ecken,  bald  auch  liegt  ein  Ei  bisquitförmig 
gestaltet  in  den  beiden  Endzipfeln  der  Parapodien.  Die  grossen  Kerne  sind  mit  einem  glänzenden 
Kernkörperchen  ausgestattet. 

So  geht  denn  aus  den  liier  mitgetheilten  Beobachtungen  hervor,  dass  die  7  kleinen  Zellen  weder 
als  Nährzellen  zu  betrachten  sind,  noch  dass  sie  sich  successive  zu  Eiern  entwickeln.  Freilich  bedarf 
das  definitive  Schicksal  derselben  noch  weiterer  Aufklärung  an  lebenden  Thieren.  Ich  kann  indessen  die 
Vermuthung  nicht  unterdrücken,  dass  bei  manchen  Beobachtern  gelegentlich  der  Erwähnung  der  in  der 
Leibeshöhle    enthaltenen  Blutkörperchen  eine  Verwechslung    mit  den    losgelösten  kleinen  Zellen    unterlief. 

Die  constante  Achtzahl  der  losgelösten  Zellgruppen  musste  Veranlassung  geben,  den  Bildungs- 
raodus  der  Eier  in  den  Ovarien  genauer  zu  eruiren.  Ich  stiess  hierbei  auf  Verhältnisse,  die  meines 
Wissens  bisher  unter  den  Anneliden  noch  nicht  nachgewiesen  wurden  und  welche  lebhaft  an  die  Eient- 
wicklung  bei  Phyllopoden  und  Insekten  erinnern.  Die  Ovarien  der  Tomopteriden  setzen  sich 
aus  Fächern  von  je  8  Zellen  zusammen;  in  jedem  Fache  entwickelt  sich  eine  der 
urs  j)  rünglich  gleich  grossen   Zellen  zu  der  Eizelle. 


— ö    23    et — 

Zur  Demonstration  dieses  Verhaltens  verweise  icii  zunächst  auf  Fig.  5.  Sie  stellt  ein  älteres 
Ovariuni  der  T.  elegans  dar,  aus  dem  bereits  eine  Anzahl  von  Fächern  sich  losgelöst  hat.  Sehr 
deutlich  heben  sieh  zwei  Fächer  (1  und  2)  ab,  in  denen  je  eine  grosse  Zelle  als  Eizelle  wohl  erkenntlich 
ist.  Zwei  weitere  Fächer  (3  und  4)  bestehen  aus  je  acht  gleich  grossen  Zellen,  welche  indessen  merklich 
kleiner  sind,  als  diejenigen  der  zuerst  erwähnten  Fächer.  Ein  fünftes  endlich  wird  wiederum  von  acht 
kleineren  Zellen  gebildet.  Sämmtliche  Zellen  sind  nicht  nur  durch  deutliche  und  scharf  hervortretende 
Membranen  von  einander  abgegrenzt,  sondern  auch  mit  einem  ebenso  ))rägnant  hervortretenden  Kerne 
und  Kernköriierchen  ausgestattet. 

Dass  übrigens  diese  Struktur  nicht  nur  an  älteren  Ovarien,  sondern  auch  an  jenen,  aus  denen 
sich  noch  keine  Fächer  loslösten,  deutlich  hervortritt,  mag  ein  junges  Ovarium  der  T.  euchaeta,  das  ich 
bei  schwächerer  Vergrösserung  mit  dem  Prisma  entwarf,  demonstriren.     (Fig.  6.) 

Scharf  heben  sich  jüngere  wie  ältere  Ovarien  von  dem  zarten  Epithel  der  Leibeshöhle  ab  und 
bei  genauerer  Analyse  fällt  es  nicht  schwer,  die  einzelnen  Fächer  von  den  anliegenden  abzugrenzen. 
Ich  habe  die  Contouren  der  18  Fächer,  welche  das  abgebildete  Ovarium  enthält,  der  Uebcrsichtlichkeit 
halber  stärker  augegeben,  bemerke  jedoch,  dass  an  den  mit  einem  Gemenge  von  Chromsäure  und 
Ueberosmiumsäure  behandelten  Thieren  durch  die  verschieden  intensive  Bräunung  die  emzelnen  Fächer 
sich  um  so  dcuthciier  abzeichnen,  je  mehr  der  Grössenunterschied  der  8  Zellen  ausgeprägt  ist. 

Da  weiterhin  die  Ovarialzellen  in  zwei  Ebenen  über  einander  gelagert  sind,  so  sind  von  den 
tiefer  liegenden  Zellen  gelegentlich  nur  die  Kerne,  an  den  jüngsten  Fächern  nur  die  glänzenden  Kern- 
körpercheu  angedeutet.  Nur  in  3  Fächern  tritt  je  eine  durch  dunklen  Ton  angedeutete  Zelle  durch 
geringen  Grössenunterschied  als  spätere  Eizelle  deutlich  hervor,  widirend  in  allen  übrigen  die  8  Zellen 
gleich  gross  erscheinen.  Die  Lagerung  der  betreffenden  Zelle  scheint  für  ihre  spätere  Ausbildung  zur 
Eizelle  nicht  massgebend  zu  sein;  bald  ist  sie  randständig,  bald  wird  sie  allseitig  von  Zellen  umgeben. 
In  den  jüngsten  Fächern  konnte  ich  die  Contouren  der  einzelnen  8  Zellen  nicht  deutlich  erkennen, 
obwohl  die  Kerne  in  regelmässigen  Abständen  gelegen  sind.  Wenn  zufällig  in  einem  Ovarium  die  heran- 
reifenden Eizellen  derart  gelagert  sind,  dass  zwei  oder  drei  mit  den  zugehörigen  Gruppen  der  7  kleinen 
Zellen  alterniren,  tritt  frappant  eine  Analogie  mit  den  Eiröhren  der  Insekten  hervor. 

Es  liegt  auf  der  Hand,  dass  die  7  kleineren  Zellen  morphologisch  den  Nälu-zellen  (Dotterbildungs- 
zellen) der  Phyllopoden  und  Insekten  gleich  zu  setzen  sind,  obwohl  sie  in  physiologischer  Hinsicht  nach 
dem  oben  Mitgetheilten  nicht  dieselbe  Rolle  spielen.  Lnmcrhin  ist  es  möglich,  dass  sie  bei  dem  ei'steu 
Heranwachsen  des  Eies  im  Ovarium  Niün-material  abgeben  und  dass  sie  nur  deshalb  nicht  völlig  von 
dem  Ei  resorbirt  werden,  weil  dasselbe  durch  frühzeitiges  Loslösen  unter  sehr  günstigen  Ernährungs- 
verhältnissen in  der  Leibeshölde  flottirt. 

Auf  eine  Thatsache,  die  nicht  ohne  Interesse  ist,  möchte  ich  zum  Schlüsse  noch  hinweisen.  Xur  bei 
jüngeren  Thieren,  in  deren  Leibeshöhle  noch  keine  Eier  Hottiren,  setzen  sich  die  Ovarien  aus  einer  grösseren 
Zahl  von  Fächern  zusammen.  Je  grösser  die  Weibchen  werden,  je  mehr  freigewoi'dene  Eier  in  der  Leibes- 
höhle ihrer  vollständigen  Ausbildung  entgegengehen,  desto  geringer  ist  die  Zahl  der  Ovarialfächer.  Bei 
den  grössten  Exemplaren  reducu-ten  sich  dieselben  bis  auf  drei,  zwei  und  schliesslich  nur  noch  auf  ein 
Fach.  Endlich  schwinden  die  Ovarien  vollständig  in  den  einzelnen  Parapodien.  Da  nun  die  Ovarien 
von  ihrem  ersten  Auftreten  an  sich  scharf  von  dem  Epithel  der  Leibeshöhle  abheben,  da  in  umgekehrtem 


i3     24    Ci 

Verlialtniss  zu  der  Grösse  der  Thicre  eine  Abnalime  der  FUelier  .stattfindet,  so  scheint  eine  Neubildung 
letzterer  ausgeschlossen  zu  sein.  Die  Zahl  der  Eier,  welche  während  einer  Periode  der  Geschlechtsreife 
abgelegt  werden,  wäre  demnacli  von  vornlierein  tixirt.  Würde  man  z.  B.  annehmen,  dass  ein  erwachsenes 
Weibchen  je  15  Keimfitcher  in  je  einem  Ovariuni  anlege  und  dass  in  13  Parapodienpaaren  die  Eibildung 
stattlinde,  so  ergäbe  dies  für  eine  Brunstperiode  die  inimcrliin  beträchtliche  Zahl  von  390  Eiern  und 
2730  denselben  ansitzenden  kleinen  Zellen. 

Die  beiden  von  Leuckart  und  Pagenstecher  entdeckten  und  neuerdings  von  Greeff'j  bei 
T.  Eolasi  und  T.  Mariana  wieder  aufgefundenen  Paare  von  Genitalspalten,  welche  zur  Entleerung  der 
Eier  dienen,  konnte  ich  an  den  conservirten  Exemplaren  nicht  naciiweisen. 

Um  über  das  Vorkommen  der  Tomopteris  euchaeta  noch  einige  Worte  hinzuzufügen,  so  sei  bemerkt, 
dass  sie  erst  von  500  JI.  an  auftrat  und  von  da  an  constant  in  zahlreichen  Exemplaren  aus  den  grösseren  Tiefen 
erhalten  wurde.  In  dem  Schliessnetz  fehlte  sie  nie  und  zwar  Hsclite  ich  sie  vermittelst  desselben  aus  600, 
800,  900  und  1000  ]\I.  Tiefe.    Auch  im  Januar  ist  sie  ebenso  zahlreicli  in  der  Tiefe  vertreten  wie  im  Sonnner. 

4.  Alciopidae. 

Nicht  minder  charakteristisch  als  die  Tomopteriden  sind  für  die  Tiefsee  die  Alciopiden.  Der 
Reichthum  an  solchen  in  allen  Tiefen  von  100  Meter  an  ist  geradezu  überraschend  und  es  gewährt  einen 
fesselnden  Anblick,  wenn  die  prächtigen  durchsichtigen  Würmer  oft  zu  Dutzenden  lebhaft  schlängelnd 
in  den  Gefässen  sich  durch  das  Gewimmel  der  sonstigen  Formen  drängen. 

Am  häutigsten  tritt  Älciopa  Cantrainü  Clap.  auf.  Ich  fischte  sie  wälu-end  der  Naclit  am  29.  Sept. 
an  der  Oberfläche  und  zu  derselben  Zeit  auch  in  allen  Tiefen  bis  zu  1300  M.  Ende  August  traf  ich 
sie  in  80 — 100  M.  Tiefe  regelmässig  an,  doch  lässt  sich  eine  Abnahme  in  der  Zahl  der  Individuen  bis 
zu  den  grössten  Tiefen  nicht  nachweisen.  In  dem  Schliessnetz  fand  sie  sich  aus  800  M.  Tiefe  Ende 
September  vor  Ischia.  Manciic  Exem])lare  erreichen  recht  ansehnliche  Dimensionen ;  so  mass  ich  eines, 
welches  115  nun  lang  war,  also  doppelt  so  lang,  wie  von  Greeff^)  in  seiner  bekannten  Monographie 
angegeben  wird.  Gelegentlich  waren  manche  Exemplare  resp.  Bruchstücke  dei'selben  an  einzelnen  Seg- 
mentgruppen blasig  aufgetrieben,  offenbar  in  Folge  des  verminderten  Druckes. 

Asterope  Candida  Clap.  war  in  der  Tiefe  seltener  als  Älciopa;  in  100  M.  gelangte  sie  mehrmals 
zur  Beobachtung. 

Häufiger  kommen  dagegen  in  allen  Tiefen  die  F«n(tfZ('s-Arten  vor.  Offenbar  sind  auch  sie  gegen 
die  raschen  Druckändei'ungen  niciit  unempfindlich,  da  meist  nur  Bruchstücke,  selten  intakte  Individuen 
beobachtet  wurden.  Vanadis  pelagica  Greeff  fischte  ich  gemeinsam  mit  Älciopa  Cantrainü  Nachts  Ende 
September  an  der  Oberfläche  und  gleiclizeitig  aucli  in  allen  Tiefen.  Auffällig  grosse  WeibcJicn  von 
8  cm  Länge  wurden  mehrmals  aus  600  M.  erbeutet.  Zweimal  waren  offenbar  Vanadis  pelagica  zugehörige 
Bruchstücke  aus  600  M.  im  Schliessnetze  vorhanden.  Die  zierliche  Vanadis  crystallina  fischte  ich  in  zwei 
Exemplaren  aus  150  M.  Tiefe  Mitte  September  im  Golfe.  Endlich  gelangte  das  Vorderende  einer  neuen, 
der   Vanadis  ornata  nahe  stehenden   Art  aus  800  M.  zur  Beobachtung.     Bei  ilir  ist    das    vierte  Paar  von 


')  R.  Greeff,  lieber  die  pelai^ische  Fauna  an  den  Küsten  der  Guinea-Inseln.     Zeitschrift  f.  Wissenschaft!.  Zoologie, 
Bd.   42,  pag.  446. 

'')  R.  Greeff,  Untersuchungen  über  die  Alciopiden.    Nova  Ai'ta  d.  Leop.-Carol.  Akad.  d.  Natnrf.  Bd.  39,  No.  2,  1876. 


— ß    25    e^ — 

FülilcrciiTcii  zu  kuii'elii;-oii  (icliildi-n  iuu,i;T\v;iiidrlt ,  ;iliiilicli  wie  es  Groctf')  iieuerdinf>'s  von  Alciopa 
loii.ijirhfjHcIia  Ijeschrcil )t. 

Eine  C;iIlizoii;i-Art,  ilic  der  Callizonn  Gnihci  Greff  nahe,  steht,  fischte  ich  aus  900  M.  am  10.  Oktbr. 
vor  Iscliia.  Sie  besitzt  4  breite  Kopffülder  und  4  Paar  Fühlercirren,  von  denen  das  letzte,  4.  Paar,  am 
Ijiiiji'stcn   ist. 

Endlieii  lielie  ich  noeli  eine  im  .^eiiiiessnetz  aus  (iOO  ]M.  am  11.  Oktlir.  vor  Capri  .i^-etischte  Älcio- 
plda  iievvor,  welche  duieh  ilire  ji,To.ssen  rotlien  Auii'en,  die  ijei  auffallendem  Lichte  in  der  grünlichen 
(\)miilementärfarbe  schillerten,  sofort  auffiel.  Offenbar  ist  sie  identisch  mit  der  von  (ireeff  an  den 
caiiarischen   Inseln  beobachteten  Alciopa  cirrata. 

Die  Älciopideu  bevölkern  nicht  nur  im  Sonnner  die  Tiefe,  sondern  sie  sind  auch  Mitte  .lanuar 
t'benso   zalilrcich    in   derselben   vertreten. 

5.  PhjUodocea. 
Lnp((dorhynchiis  brevis  (irube  fischte  ich  am   10.   (Jktbr.  aus   1000  M.  Tiefe  vor  Ischia  in  einem 
jungen  Exemplar    von   (3    nnn.  und  in   einem    erwachsenen  Individuum.     Auch    im  .Jauxiar   fehlte  er  nicht 
in  der  Tiefe  und  schien  sogar  <liirt  liiiufiger  vorzukommen  als  im  Sommer.    Ein  Exemplar  fand    sich  am 
13.  .lanuar  in  dem  Schliessnetz  aus  1200  M.   Tiefe. 


r.    Ci'Hsfarea.    (Taf.  IV.) 

Die  pelagischen  Crustaeeen  liildeu  einen  tyiiischen  Bestandtlieil  der  Tiefenfauna.  Ihre  Massen- 
haftigkeit  und  Furnienfülle  in  grösseren  Tiefen  ist  geradezu  erstaunlich;  Larvenformeii  festsitzender  oder 
auf  dem  Grunde  lebender  Arten  mischen  sich  mit  den  .lugendformen  und  geschlechtsreifen  Stadien 
eupelagischer  Arten  bunt  durcheinander.  ^Manche  Arten,  die  bisher  als  Raritäten  galten,  sind  häufig  in 
der  Tiefe  vertreten;  mehrere  Genera,  deren  Existenz  in  dem  Mittehneer  hier  zum  ersten  Mal  nachgewiesen 
wird,  sind  geradezu  typisch  für  dieselbe  und  endlich  hoffe  ich,  dass  manche  im  Nachfolgenden  beschriebene 
neue  Gattungen  und  Arten  durch  die  in  Anpassung  an  das  Leben  im  Dunkel  erfolgte  übermächtige  Aus- 
bildung der  Tastorgane  einiges  allgemeine   Interesse  beanspruchen. 

1.  ('irripedia. 

Der  von  Dohrn")  als  ArcliizoM  güjas  beschriebene  grosse  C'irrijjedlennaujjlius  konunt  gelegentlich, 
wenn  auch  nicht  häufig,  in  Tiefen  von  80 — 100  Metern  vor.  Ein  Exemplar  war  in  dem  Inhalt  des  grossen 
Netzes  aus   1000  M.  vorhanden. 

2.  Copepoda. 

Dr.  Gicsbrccht,  der  mit  der  monographischen  Bearbeitung  der  mittelmeerischen  Copepoden 
beschäftigt  ist,  hat  die  Freundlichkeit  gehabt ,  das  massenhafte  Material  von  Copepoden  einer  Durchsicht 
zu  unterwerfen.     Ueber  das  Vorkommen  der  Copepoden  in  der  Tiefe  berichtet  er  Folgendes  : 


')  R.  Greeff,  Ueber  die  pelagische  Fauna  an  den  Küsten    der  Guinea-Inseln.     Zeitst-lir.    f.    wissenschaftl.    Zoologie, 
Bd.  42,   1885,  pag.  453. 

'')  A.  Dohrn,  Eine  neue  Nauplius-Forin,  Zeitschr.   f.   wissenschaftl.  Zoologie,  Bd.   20,  pag.  097,  Taf.   28. 
C.  Chun,  Die  peUgische  Tliierwelt.  4 


i3    26    Qi 

„Aus  aclit  Zügen,  bei  denen  das  Schliessnetz  angewendet  wurde,  ergiebt  sich  ein  unzweifelhaftes 


Vorkinniuen   in  der  Tiefe  für  folgende  Genera 


1-1  *- 


C  a  l  a  n  i  d  e  n  : 

Aetidius  Bdy 600—  900  ]\I. 

Calane/Ia 800  „ 

Candace 600— 1300    „ 

Cetochilus 600—1300    ,, 

Euchäta 600—1300    ., 

Hemicalanus 600 — 1300    ,, 

Heferochäta 600—1300    „ 

Leuckartia 600—1200    „ 

Pleuromma 600- -1300    „ 

Scolecithrir  Bdy 600—   800    „ 

Temora 600—1200    ,, 

Undina 600  ,, 

C  0  r  y  c  a  e  i  d  e  ii  : 

Antaria 600—1300    ,, 

Corycaeus 600—1200    „ 

C  y  c  J  0  p  i  d  e.  n  : 

Oitlwnn 600—1200    „ 

Genera,  die  im  offnen  Tiefen -Netz  enthalten  waren,  ohne  zugleich  im  Schliessnetz  vertreten 
gewesen  zu  sein,  sind : 

Calanops 100—  800  M. 

Dias 100—1300    ,, 

Ichthyophorba 100—1200    „ 

Phaennia 800—1200    „ 

RhincalmiHs  U 600—1200    „ 

Copilia 800—1300    ., 

Pachysomn 900—1300    ,, 

Saphirinella  {Hyalophylhon) 100 — 1300    ,, 

In   welelier  Tiefe    diese   Genera    (von    denen  Calannps,  Dias.   Ichthyopliurha.    Cnpilia    aucli    an    der 

Oberfläche  gefangen   wurden)   in   das  Netz  gelangten,   ist   zweifelliaft ;  ieli  selie  dalier  von   ilnien   ab. 

Vür  den  Vergleich  der  Ticfenfonnen  mit  denen  der  Oberfläche  liegt  OberflacluMimaterial  von 
3  Punkten  (28/9  15occa  piccola,  29/9  Ischia  Nachts,  11/10  P.  Campanella  Nachts)  vor,  an  welciieu  zu- 
gleich auch  in   der  Tief(>  gefischt  wurde,  und  es  ergaben   sicli  daraus  als  Olierfläclienformen : 

I'unteUiden  :  C(daiiops,  Pontellina.  —  Calaniden:  Cetochilus,  Dias,  Euchäta,  Ichthyophorba,  Temora. 
—  Corycaeiden:  Antaria,  Copilia,  Corycaeus.  —  Cyclopiden :   Oithona. 


<3     27     E> 

Aus  (lern  Vcriilfirli  dieses  ()l)ci-ri;ielii-iiiii;iteri;ils  mit  dciti  unzwcitelli.-it'teii  Tiet'ciiinaterial  ;;'elit  nun 
zunächst  liervdr,  dass  jenes  ärmer  ist;  t'ernei-  dass  ein  grosser  Tlieii  der  OberHäcIiengenera  {Cetochäus, 
üuchäta,  Temora,  Aiifarhi,  (hrj/cafiis.  Oithonn)  siclier  auch  in  der  Tiefe  vorkommt  (ein  ander(^r  Theil 
vielleicht  auch  in  der  Tiefe,  nändich  Calanops,  Dins-^  fchthjojjhorha,  Co2)iUa),  widnvnd  eines  der  Ober- 
Hächenu'enera,  Pontdlina,  nicht  in  der  Tiefe,  weder  im  ott'ncn  noch  im  verscliliesshai'cn  Netz,  j^'efunden 
\vurd<'.      Daraus  i-esultireii   nun   foli^'ende  Fraj^'cn : 

Ij  Ist  der  grössere  Kcichtluim   eine  beständige  Eigenschaft  des  Tiefenauftriebs V 

2)  Sind  dit'  nicht  an  der  OberHäche  gefundenen  Genera  wirkliche  Tiefseegenera,  d.  Ii.  kunnnen 
sie  niemals  an  (b-r  ( )b(M'f];iche   vor? 

3)  Ist  das  nicht   in   der  Tiefe  angetroffene  Oberflächengenus  völlig  von   der   Tiefe    ausgeschlossen  ? 
Es  liegt  auf  der  Hand,  dass  zur  Beantwortung  dieser  Fragen  das  voi-liegende  Material  aus    dem 

.Schliess-  und  (_)bertlächennetz.  das  in  einem  Zeitraum  von  zwei  Monaten  gesammelt  ist,  nicht  genügt. 
Andauernde,  durch  mindestens  ein  .lain-  fortgesetzte  Beobachtungen  wären  hierfür  nöthig.  Für  die  Ober- 
fiächen-CopeiKiden  derjenigi'n  Kegion  des  (lolfes  von  Neapel,  die  für  das  gewöindiclii',  täglich  ausfahrende 
Auftrieb-Boot  der  Station  erreichbar  ist,  besitze  ich  allerdings  mehrjähriges  Mateiial :  über  die  Fauna  der 
Tiefe  aber,  und  aiTcli  nur  bis  zit  100  M..  liegen  nur  noch  die  Untersuchungen  vor,  die  im  Juli  und 
August  von  der  Staticm  angestellt  wurden.  Das  ist  Alles,  und  man  wird  nicht  die  Hoffnung  hegen 
können,  dass  auch  mit  Zuhilf(.'n;ihme  dieser  Beobachtungen  die  Beantwurtung  der  aufgeworfenen  Fragen 
mit  einiger  Sicherheit  und  Vollständigkeit  zu  geben   sein   wird. 

ad.  1)  In  Ansehung  des  grössten  Theilcs  der  pelagischen  Copejioden  ist  der  (Jberfiächcn-Auftrieb 
etwa  der  ersten  Hälfte  des  .Jahres  viel  reicher  als  der  der  zweiten,  wo  er  oft  genug  nur  ganz  vereinzelte 
Individuen  (Temorn  arimita,  Diaa  longireniii,  kleine  C'alanus-Arten)  enthält:  ein  ganz  idmliches  Resultat 
erhielt  ich  früher  für  ilie  Kieler  I'uclit.  Aljer  wenn  nuinnehr  constatirt  ist,  dass  zwischen  .luli  und  r)kt(iber 
der  Tiefseeauftrieb  weit  reicher  ist  als  der  der  Oberfläche,  so  wäre  es  doch  verfrüht,  anzunehmen,  dass 
in  der  ersten  Hälfte  des  .Jahres  das  umgekehrte  Verhältniss  stattfände ;  möglich  ist  das  allerdings,  aber 
andererseits  ist  keineswegs  ausgeschlossen,  dass,  mit  Anfang  jeden  .lahres  etwa,  der  Reichthum  aller 
Tiefenzonen  an  C'opepoden  zu  wachsen  Ijcgänne,  iTud  lU'r  relative  Reichthum  der  Oberfläche  in  den 
Jlonaten  März  bis  Mai  könnte  innnerliin  nur  der  Ueberschuss  sein,  den  die  überfüllte  Tiefe  an  die  Ober- 
fläche abgiebt.  Diese  Annahme  erscheint  mir  nicht  unwahrscheinlicher  als  die  einer  Saison-Migration  auf- 
und  abwärts.      Zur  Entscheidung  aber  ist  die  Durchforschung  der  Tiefe  im   Frühjahr  nrithig. 

ad.  2)  Die  in  den  ^lonaten  .Juli — Oktober  nicht  an  der  ()bertläclu"  gefundenen  Tiefengenera 
kommen  zu  anderen  Zeiten  sä  mint  lieh  auch  an  der  Oljerfläche  vor,  und  zwar  nicht  blos  sporadisch. 

ad.  3)  In  der  Zeit  vom  .luli  bis  Oktober  dieses  .Jahres  war  Pontdlina  bei  keinem  einzigen  Zuge 
im  Tiefnetze  vertreten,  während  sie  an  der  Oberfläche  vorhanden  war,  gelegentlich  in  grosser  ilenge, 
und  während  andere  Formen,  die  mit  ihr  zusammen  an  der  Oberfläche  gefundi'H  wurden,  sich  zui-  selben 
Zeit  auch  im  Tiefennetz  zeigten.  .Man  würde  zu  weit  gehen,  hier  einen  Zufall  anzunehmen,  obwohl  die 
^löglichkeit  eines  solchen  durch  die  Eigenthümlichkeit  von  Pnntellina  (und  der  verwandten  Pontelln  und 
Irenüus),  in  Schwärmen  aufzrttreten,  vergr<issert  wird;  man  kann  viebnehr  mit  zieudich<'r  Siclierheit  Ijehaujtten, 
dass  sie  zwischen  .Juli  und  r)ktiil)er  nicht  die  Nähe  der  Oberfläche  verlassen;  ob  das  auch  für  den  ülirigen 
Theil   cb's  .Jahres   gilt,   ist   nach   den  vorliegenden   faunistischen  Daten    nicht   zu   entseheicb'U.    wenn   auch   die 

4* 


¥3     28     Qi 

auftalloiiilc  Fähigkeit  dieser  Thiere,  sieii  eine  zienilielu'  Strecke  au?;  dem  Wasser  sehnellen  zu  könneu, 
und  ilu'c  ji'rosse  Vorliebe  für  das  Lielit  t'üi'  einen  dauciMidi-n  Aufentliait  an  der  (.)l)erH;ielie  des  Meeres  spricht. 
A'iin  f'aunistiselien  Resultatiui  erf^'iet)t  sieh  demnach  betreffs  der  Copepoden  Fol,i;'eudes : 
In  den  Jfonaten  Juli  bis  Oktober  konnnt  in  der  Tiefe  eine  Reilie  von  Formen  vor,  die  an  der 
Oberfläche  felilen,  \\ährend  das  Umgekehrte  nur  für  eine  Art  gilt;  jenc'  Tiefenformen  erscheinen  jedoch 
zu  anderen  /eiten   des   .laiu'cs  ebenfalls  an   der  ( )bertläelie. 

Zum  Schluss  -will  ich  noch  hinzufügen,  dass  ich  liei  di'r  Durchsicht  des  Materials  den  Eindruck 
hatte,  als  ol)  manche  Fcmnen  darin  in  relativ  grösserer  Zahl  vertreten  wären,  nicht  blos  als  zur  selben 
Zeit  an  der  Oberfläche,  sondern  als  ich  sie  auch  in  der  besten  Jahreszeit  je  an  der  Oberfläche  angetroffen ; 
es  gilt  dies  für  das  I\Iaterial  vom  Juli — August  besonders  von  HijaJojilii/lhiiii ,  für  das  vom  Septendjer — 
Oktober  besonders  von  Hemicahtnus  Jonr/icornis  und  loiigicatuhitus.  Ferner  l)rac!ite  das  TietV-nnetz,  und 
zwar  besond(!rs  das  offene,  l)ei  den  Zügen  vom  September  und  Oktober  von  einigen  Arten,  di(^  ich  im 
Laufe  der  letzten  Jahre  nur  in  1 — 2  Individuen  erhalten  hatte,  eine  grössere  Zahl  von  Exemplaren  her- 
auf, d.  h.  im  Ganzen  etwa  ))is  zu  einem  lijdljen  Dutzend  vim  jeder  Art;  ja  e>  waren  sogar  vereinzelte 
Individuen  von  ca.  einem  halben  Dutzend  dal)ei.  die  mir  bisher  aus  dem  (4oIfe  nicht  liekaniit  wai'en  und 
vielleicht  neu  sind.  Sn  interessant  nun  diese  Funde  neuer  Arten  auch  für  mich  sind,  so  sind  sie  doch 
zu  vereinzelt,  um  t'ine  (irundlage  für  faunistisclie  Schlüsse  zu  bieten;  ist  es  doch  zweifelhaft,  ob  man 
sie  der  grösseren  Tiefe  oder  der  grösseren  Nähe  des  offenen  Meeres  oder  selbst  dem  grösseren  Durch- 
messer des  angewandten  Netzes  zu  (Linken   hat." 

3.   (Jutracocld. 
Die   Osfracoden   sind  zahlreich   in    der  Tiefe    vertreten.      Ich    halie    diesellien    zwar  noch  nicht  be- 
stinnnt,    alx'r  ich  will  doch  nicht   unterlassen   daraufhinzuweisen,  dass   der   Inhalt   des   Schliessnetzes    aus 
900  M.  (Ischiaj,    1200  M.  und   1300  M.  iCt\[m)  Tiefe  regelmässig  einige  Üstracoden  aufwies. 

4.  Amplnpnda   Hijperitia. 

1.  Vibi/iidac.  Vibili.a  ./ran  Gerurdi  Luc.  fand  sich  in  einem  Exemplare  aus  üOO  M.  Tiefe  wahi'end 
eines  nächtlichen  Zuges  am   11.   Oktolier. 

2.  Hyperidac.  Drei  Arten  von  Ht/peria,  die  von  den  liisher  aus  dem  Mittclmeer  l)t'kannt  ge- 
wordenen Hyperia  pupa  und  H.  mediterranea  verschieden  sind,  A\aren  in  der  Tiefe  hautig  vertreten.  Da  ich 
über  dieselben  späterhin  noch  bcirichtcn  werde,  so  erwähne  ich,  dass  die  Schliessnetze  aus  Tiefen  von  600  M. 
(Golf  von  Salerno),  900  M.  (Ischia)  und  1300  M.  (Cai)ri)  diese  Hyperiden  enthielten.  In  dem  Inhalt  des 
(iffenen  Netzes  fanden   sie  sich  gelegentlich   sehr   z;ddreich,  namentlich  aus  Tiefen  von   800  M.  vor  Ischia. 

3.  Phronimidae.  Der  Reichthum  der  Tiefe  an  interessantem,  zum  Theil  für  das  Jlittelmeer  neuen 
Phronimiden  ist  sehr  bemerkenswerth.  Am  zahlreichsten  war  Phronimella  elongata  Cls.  von  100  Metern 
an  bis  zu  1300  M.  vertreten.  Grosse  erwachsene  AVeil)chen  und  Männchen  fand  ich  regelmässig  bei 
jedem  Zugi>  au^  100  M.  Tiefe.  Dass  sie  aber  auch  in  der  Tiefe  geradezu  genunn  >inil.  geht  daraus 
hervi.r,  dass  l)ei  einem  Zuge  am  30.  September  aus  800  Meter  21  Exemi)lare  erbeutet  wurden,  von  denen 
allein  7  (4  9,  3  5)  im  Schliessnetze  enthalt<m  waren.  Da  ich  zu  derselben  Zeit  während  der  Nacht  auch 
zwei  Exemjilare  an  der  01)crHäche  fing,  so  scheint  PhronimeUa  eine  sehr  ausgedehnte  Verbreitung  in 
vertikalei-  Riciitung  zu  Ix'sitzen. 


¥3    29     E» — -- 

l'ln-(iiii)tia  s(i(lii)itaria  wnv  willircnd  des  Suinmers  seltener  als  J'hvonimelld  in  der  Tiefe  vertreten 
(ich  tischte  nur  ein  Excnijilar  aus  «00  M.),  da^'e^en  fand  sie  sicli  wjdirend  des  .lanuars  luiuti.i;-  vim  der 
Olierfläelie   liis   zu    lOOO   1\I. 

Die  inerkwürdij^t-  v(ni  Claus')  als  Phronimopais  spinifer  beschriebene  und  in  Messina  in 
2  Exeniiilareii  lebend  beoljaclitete  I^hroniniide  ist  für  die  Tiefe  so  charakteristisch,  dass  ich  sie  geradezu 
für  eine  ;iehtc  Tiefentunn  halte,  die  nur  selten  an  dei-  r>lierH;icIie  erscheint.  In  den  Schlicssiictzen  fand 
ich  j<'  ein  Exenijilar  aus  900  M.  (Iscliia)  und  aus  1000  M.  (Caprii.  In  den  oft'eneii  Netzen  fehlte  sie 
niemals  liei  Zügen  imlerhall)  600  M.,  doch  waren  selten  mehr  als  drei  Exeni])lare  vorhanden.  Auch  im 
Januar  wurden  sowohl  männliche  wie  weibliche  Individuen  in  dem  Inhalt  der  Netze  aus  900  und  1200  M. 
vorgefunden. 

Nicht  minder  tyinseh  für  die  Tiefe  ist  tlie  von  Claus  (1.  c.  [i.  (1)  nach  ;J  S|)iritusexeiniilai-en 
aus  dem  Mittelmeer  und  Atlantischen  Ocean  beschriebene  Paraplironhna  crassipes.  Ich  fand  sie  selten 
und  vereinzelt  in  6  Exeniiilaren  bei  Ponza,  Ischia  und  Capri  aus  Tiefen  von  800 — 1300  M.  Im  .Januar 
wurde  sie  nahe  der   Oberfläche  in  40  M.  Tiefe,  gleichzeitig  aber  auch   in   900  M.  erbeutet. 

Endlieh  erwähne  ich  das  \'(irki>nnnen  einer  neuen  Art  dei-  liisher  im  Mittelmeer  noch  nicht 
bcdbachteten  (Gattung  Anchylovieni  M.  Edw.  In  dem  Schlicssnetze  fand  sich  ein  Exemplar  aus  600  M. 
und  zwei  Exem})lare  aus  1000  M.  Tiefe  vor  Capri.  Sie  war  auch  im  .Januar  liäufig  in  dem  oftenen 
Netze  aus  grösseren  Tiefen  vorhanden. 

4.  PlatysceUdai'.  Von  (Jxycepludiden  fand  sich  eine  grosse,  otfeidjar  mit  OxycephaIut>  Idtiruntris 
eis.  ^)  identische  Art  im  offi-nen  Netz  aus  1200  M.  Tiefe.  Eine  neue  zweite  Art,  auf  die  icli  schon  früherhiu 
als  Constanten  Commensalcn  der  geiapjiten  (Henojiluu'en  autinerksam  m;iehte,  fand  ich  aucii  jetzt  regel- 
mässig in  den  Mantell<q)pcn  der  Bolina  an  der  Ubc^rfläclie.  Die  Charaktere  derselben  stimmen  noch  am 
besten  zu  der  Gattung  Thaniyris  8p.  B.  (Cls.  iJjid.  p.  32).  Auch  diese  kommt  in  der  Tiefe  vor,  da  ein 
Exemplar  im  Schliessnetz  aus  800  M.  Ende  Septendjer  gefunden  wurde. 

Im  .Januar  fanden  sich  weiterhin  noeh  im  Inlialt  des  grossen  Netzes  aus  300  M.  Tiefe  Eutyphis 
ovoides  Risso  in  zwei  Exem]»laren  (,5  u.  9i  '■i'^'i  eine  neue  Art  von  Enprnno\l  in  einem  männlichen 
Exem])lar. 

5.     Stomatopoda. 


Die  Jugendformeu  der  Squilla  [Alima)  sind  sehr  häufig  in  geringeren  Tiefen  von  40 — 100  Metern, 
I  vei 
zu  merklich  al). 


dagegen  vermisste  ich  sie  durchaus  in  den  grösseren  Tiefen.     Ihre  Zahl    nimmt    nach    dem    freien  Meere 


6.     Schizopoda. 

1.  Eitphausidue.  Dii'  kosmopolitische  Euphausia  pellucida  Dana  ist  sowohl  an  der  Ol^erfläche 
wie  in  der  Tiefe  häutig.  Sie  meidet  die  Nähe  der  Küste  und  wird  im  (iolfe  an  der  Oberfläche  auch 
bei  Tage  um  so  häutiger  wahrgenommen,   je  nu'hr  man  sich  dem  otfenen  Meere  näiiert.    Bei  Nacht  gerieth 


')  C.  Claus,  Der  Oijfanismus  der  Plironimiden.     Arb.  Zool.  Inst.  Wien,  Bd.  ü,  p.  5,  Taf.   1,  Fig.   1. 
")  C.  Claus,  Die  Gattungen  und  Arten  der  Platysceliden.     Arb.  Zool.  Inst.,  Wien,  Bd.  2,  p.  47. 


«     30     ö 

sie  in  zalilrcifiien  p]xcin|il;iri'ii  iu  das  Oberflächciinetz.  Das  sprosse  Tietbimetz  cntliii-lt  bis  zu  Tieten  von 
700  M.  constant  finij;-c  Individuen ;  in  dem  Schliessnetz  fand  sich  je  ein  Exemplar  aus  zwei  Zügen  von 
600  M.  und  eni  Exemplar  aus  800  M.  In  den  .t^-rösseren  Tiefen  wird  Hitjjhauxia  jjellHcid'i  durch  zwei 
Genera  vertreten,  deren  Kenntniss  wir  der  trefflichen  Bearbeitung  der  Challengur - Sclüzopoden  von 
G.  0.  Sars*)  verdanken.  Sfylocheiron  und  Kematoscelis,  wie  Sars  jene  Schizopodengenera  benannte, 
die  sich  elurch  eine  iingewöhnliciie  Verlängerung  des  zweiten  (Nematoscelis)  resp.  dritten  {Styloclieiron) 
ßeinpaares^)  auszeichnen,  fehlen  durchaus  in  den  obertlächliehen  Schichten  und  treten  erst  von  500  JM. 
an  auf,  um  dann  bis  zu  den  grössten  untersuchten  Tiefen  einen  sehr  charakteristischen  Bestandtheil  der 
Tiefenfauna  abzugeben. 

Am  häufigsten  konnnt  iu  der  Tiefe  von  Ponza  an  bis  zu  den  .Sireneninseln  eine  Stylocheiron-Art 
vor,  die  an  ungewöhnlicher  Ausbildung  ihrer  Antennen  Alles  überbietet,  was  Sars  uns  über  das  interessante 
Eu})hausien-JIaterial  des  ChalUnger  berichtet.  Bei  keiner  der  von  ihm  untersuchten  Stylocheiren  scheinen 
die  Antennen  vollständig  erhalten  gewesen  zu  sein  und  wenn  er  bei  Schilderung  des  Styloclieiron  longicorne 
„the  prodigious  length  of  the  antennal  flagellum"  hervorhebt ,  so  wird  es  wohl  nicht  unerwünscht  sein, 
wenn  ich  in  Fig.  1  zum  ersten  Mal  ein  Styloclieiron  abbilde,  an  dem.  Dank  der  schonenden  Fangmethode, 
die  Antennen  mit  ihren  merkwürdigen  langen  Wimiiern  in  ganzer  Ausdehnung  erhalten  sind.  Was  nun 
die  in  Rede  stehende  Art  anbelangt,  so  war  ich  um  so  mehr  geneigt,  sie  zu  Styloclieiron  longicorne  zu 
rechnen,  als  Sars  selbst  angiebt  (p.  145),  dasselbe  in  Messina  beobachtet  zu  halben.  Allein  in  mehrfacher 
Hinsicht  weicht  doch  Styloclieiron  mastigophoriun^  wie  ich  die  neue  Art  benenne,  von  St.  longicorne  ab. 
Die  Bewimperung  der  Antennen  ist  zwar  von  Sars  bei  St.  longicorne  nicht  erwähnt  und  abgebildet, 
dürfte  jedoch  an  intakten  Exemplaren  nachweisbar  sein.  Dagegen  sind  die  Endopoditen  der  beiden 
ersten  Brustfüsse  lang  und  schlank  bei  St.  mastigojjliorum,  nur  halb  so  lang  bei  St.  longicorne.  Ersteres 
ist  weiterhin  durch  einen  langen  Endopodit  des  sechsten  Fusspaares,  der  sogar  etwas  grösser  als  der  vor- 
hergehende erscheint,  ausgezeichnet,  während  letzteres  einen  kleinen  und  bedeutend  kürzeren  als  den 
vorhergehenden  aufweist.  Endlich  ist  als  charakteristisch  für  St.  nmstigoplioriun  die  ansehnliche  Länge 
der  oberen  Corneafacettcn  hervorzuheben. 

Den  Artunterschieden  füge  ich  noeli  einige  Bemerkungen  über  die  äussere  Körperforni  iiinzu. 
Das  Rückenschild  ist  sehr  sehwach  gekielt  und  läuft  in  ein  Rostrum  aus,  dessen  Form  Fig.  1  veran- 
schaulicht. Die  Augen  sind  gross,  nnregelmässig  birnförmig,  rothbraun  })igmentirt  mit  deutlich  abgesetztem 
gelbem  Ganglion  opticuni.  Die  inneren  Antennen  (antennulae)  sind  beinahe  so  lang  wie  der  Körper. 
Ihre  Basaltlieile,  an  Stärke  und  Länge  abnehmend,  sind  verlängert  und  durch  eine  charakteristische 
Bewimperung  ausgezeichnet.  Am  ei-sten  Glied  zähle  ich  neun  lange  wimperähnlichc  mit  seitlichen  Fieder- 
ästen besetzte  Borsten,  von  denen  die  mittleren  fast  doppelt  so  lang  als  die  Augen  sind.  Am  Ende  des 
zweiten  Gliedes  sitzen  zwei  Wimpern.  Die  langen  Flagella  enden  ebenfalls  mit  je  zwei  langen  Wimpern, 
die  ihrerseits   wiederum    mit  Fiederästen    besetzt    sind.     Charakteristisch    für   die  Weibchen    sind    an    dem 


')  G.  O.  Sars,  Report  on  the  Schizopoda.     Voy.  Chall.  Zool.     Vol.   13. 

*)  Sars  unterscheidet  den  vordersten  der  acht  Sp.iltfUsse  ;ils  Maxillarfuss  von  den  übrigen  und  charakterisirt  dem- 
geinäss  Stißochciron  durch  Verlängrerung  des  zweiten,  Nematoscelis  durch  Verlängerung  des  ersten  Fusspaares  (p.  5,  126  u.  136). 
Da  indessen  d:is  erste  Fusspaar  bei  den  Euphausien  keine  Beziehung  zu  den  Kauwerkzeugen  aufweist,  sondern  durchaus  den 
n«chfolgenden   Paaren  gleicht,  so  ziehe  ich  vor,  diese   Unterscheidung  fallen  zu  lassen. 


i3     31     £i — - 

unteren  Flaji'clluni  4  kräftiy'c,  ;iii  der  S])itze  <;-(;lK)f^-ene  Borsten,  wälireml  hei  ilcn  Rlänncheu  ein  ilicliter 
Wald  feiner  Haare  dem  verdickten  l^asaltlieile  des  Flaj^ellunis  aufsitzt.  Die  äusseren  Antennen  sind 
doppelt  so  lang-  wie  der  Körper  und  verdanken  ihre  Grösse  einer  auffälligen  Verlängerung  der  beiden 
vorderen  Basalglieder  und  der  Glieder  des  Flagellunis.  Letzteres  ist  scliarf  gegen  dm  etwas  angeschwollenen 
Basaltheii  aligesetzt.  Fast  niöciite  man  glauben,  dass  das  Flagelluni  gegen  die  Antennenbasis  eingeschlagen 
werden  könnte.  Fünf  Wimpern  sitzen  den  f)  Gliedern  der  Geissei  auf,  während  das  sechste  wiiMleruni 
mit  2  "\A'inipern   endet.      Die  Sehupijc  ist  lang,  schlank  und  am  Ende  mit  langen  Borsten   besetzt. 

Am  1.,  'J.  und  4.  Fusspaar  ist  di'v  Innenast  von  relativ  Ijeträchtlicher  Länge,  am  5.  kürzer,  am 
6.  etwas  länger,  am  7.  l)edeutend  verkürzt  und  am  8.  rudimentär.  Die  Strudeläste  (Exopoditcn)  uehnu'u 
von  vorn  n;ieh  hinten  eontinuirlieh  an  (4r(isse  ali.  In  der  Figur  erscheinen  sie  etwas  verkürzt,  da  sie 
(h'm  Beschauer  zugewendet  sind.  Die  Kienu'u  sind,  wie  bei  allen  Sh/locheh-en  von  massiger  Entwicklung ; 
nur  der  achte  Büschel  mit  seinen  tingerf(irmigen  Kiemenblättchen  ist  kräftiger  ausgebildet.  Von  erstjiun- 
licher  Länge  ist  der  Innenast  des  dritten  Fusspaares,  insofern  er  bei  der  Streckung  den  Körper  um  das 
anderthalbfache  an  Grösse  üliei-tritft.  Im  übrigen  zeigt  er  die  gewohnte  Gliech-rung:  ein  kurzes  Basal- 
glied, ein  kräftiges  drittes  Glied  (ischial  Joint),  die  verlängerten  und  gegeneinander  eiuschlagbaren  4.  und 
5.  Glieder  (meral  and  carpal  joints)  und  das  zur  Greifhand  umgebildete  6.  Glied  (propodal  jointj,  dessen 
Dornen  gegen  die  dorsalen  Dornen  iles  Termhialgliedes  eingeschlagen  werden  können.  Die  Bildung  der 
Hand  (Fig.  Ibi  ähnelt  derjenigen  von  tSt.  t'Suhmü.  Zwei  starke  an  der  Innenseite  fein  gezähnelte  Dornen, 
ein  ch^rsaler  und  ein  ventraler,  bilden  eine  Pincette,  deren  AA'irkung  ergänzt  wird  durch  vier  dorsale  und 
drei   ventrale  Dornen   von   mittlerer  und   geringerer   Grösse. 

Die  Abdominalfüsse  zeigen  die  gewöhnliche  Form;  dcu'  Mangel  von  Begattungsanhäugen  an  den 
vorderen  charakterisii-t  das  abgebildete  Individuum  als  Weibchen.  Uebrigens  fischte  ich  zwei  weibliche 
Exemplare,  welche  i'inen  Haufen  abgelegter  Eier  zwischen  den  Endopoditen  der  mittleren  Bi'ustfüsse 
trugen.  Das  Telson  ist  lang  und  schlank;  seine  beiden  Endtlornen  sind  sanft  leierförmig  gebogen.  Die 
Uropoden  überragen  die  Spitze  des  Telsons;  der  innere  schlanke  und  längere  ist  an  beiden  Seiten  mit 
laugen  Borsten  besetzt,  der  äussere,  kürzere  und  breite  weist  nur  au  der  Innenseite  und  Spitze  Borsten 
auf.  Durch  Sars  ist  man  darauf  autinerksam  geworden,  dass  die  Zahl  und  Anordnung  der  Leuchtorgane 
wichtige  systemati^chi'  Merkmale  abgeben.  Für  Sfylocheiron  sind  3  Organe,  ein  paariges  am  7.  Abdo- 
minalsegment und  ein  unpaares  zwischen  den  vorderen  Abdoniinalfüssen ,  charakteristisch.  Es  würde 
gewiss  eine  dankbare  Aufgabe  sein,  den  feineren  Bau  dieser  Leuchtorgane  zu  eruiren.  Dass  sie  trotz 
der  Bedenken  Patten 's')  mit  Augen  nichts  gemein  haben,  sondeni  intensiv  leuchten,  dürfte  wohl  nach 
den  eingehenden  Mittheilungen  vonSai's,  die  zu  (h'ni  noch  durch  G  i  e  s  li  re  c  h  t  und  P.  Ma  yt' r  bestätigt 
wurden^),  ausgemacht  sein.  Ich  brauche  wi>hl  kaum  hinzuzufügen,  dass  das  Leuchten  der  Euphausien 
bei   jedem   Individuum,   das  man   \\ähreiiil  der  Nacht  zu  couserviren   versucht,   i)rächtig  hervortritt. 

Stylocheiro)!  nntstigojjhDViiin  erreielit  (cxclusive  der  Antennen  i  eine  Länge  von  6 — 10  nun.  Die 
Männchen  sind  seltener  als  die  \\'eibeheii ;  nur  ein  weibliches  Individuum,  welches  ich  der  Abbildung 
zu  (irumle   legt<'.   hatte  vollstäuilig  die   Ha^-eila   der  grossen  Antennen   erhalten.    Wie  schon   oljen   hervor- 


')  \V.  P.itteii,  Eyes  <il'  MoUiisi-s   aiid   Aitliio|jüils  Mittli.  Zuol.   Stat.  Neapel.     Bd.  6,  p.  Gis6. 
-)  ihiilem   \\.   7.->s   Aum. 


tl 


i3     32     E> 

gehoben  wiirde,  so  ist  St.  mastigoph.  typisch  für  die  j;,-rösseren  Tiefen;  fast  nie  felilten  einige  Individuen 
in  dem  grossen  Netze.  In  dem  Schliessnetze  fand  sieh  v'm  weibliches  Exemplar  aus  900  M.  und  ein 
männliches  aus  600  JM.  Dagegen  fand  ich  zwei  Exemplare  in  dem  aus  300  M.  Tiefe  im  Januar  getischten 
Material,  ausserdem  auch  zahlreiche  Individuen  gleichzeitig  aus  900  M. 

Ausser  der  eben  geschilderten  Ai't  tischte-  icli  aus  600  ]M.  Tiefe  ein  titylocheirou,  welches  dem 
iSt.  abbreviatum  Sars  naiie  verwandt  ist.  Es  l)esitzt  indessen  ausser  dem  Endzahn  drei  Zähne  an  der  dor- 
salen Klaue  der  Greifhand,  während  St.  abbreviatum  deren  zwei  aufweist.  Ob  dieser  Charakter  hinreicht, 
eine  neue  Art  aufzustellen,  lassen  ich  unentschieden,  da  ich  nur  zwei  Exemplare  zur  Verfügung  habe. 
Eines  derselben  wurde  im   Januar  aus   1200  M.   Tiefe  getischt. 

Auch  die  durch  Verlängerung  des  zweiten  Beinpaares  charakterisirte  Gattung  Nematoscelis  fehlt 
nicht  in  der  Tiefe.  In  dem  Schliessnetz  aus  1 300  M.  faml  ich  Ende  September  ein  Exemplar  derselben, 
welches  Xematoscelis  tenella  durch  seine  schlanke  Körperform  ähnelt.  Es  unterscheidet  sich  indessen  von 
letzterer  durch  5  Borsten  am  Ende  des  zweiten  Beinpaares  (iV.  tenella  hat  nur  4)  und  durch  eine  kurze, 
nur  bis  zur  Mitte  des  Basalgliedes  der  inneren  Antennen  reichende  Schuppe.  Cliarakteristisch  ist  ein 
dem  Ende  derselben  aufsitzender  nach  oben  gekrümmter  starker  Stachel.  Ich  l)cnenne  diese  Art  dem 
verdienten  Kenner  der  Schizopoden  zu  Elu'en  Xematoscelis  Sarsü. 

Eine  zweite  Art  von  Xematoscelis,  die  in  einem  Exemphir  aus  600  M.  vor  Capri  getischt  wurde, 
lialte  ieli  für  identisch  mit  X.  rostrata  Sars.  Wenn  aucli  die  Schuppe  länger  ist,  als  Sars  sie  darstellt 
(sie  überragt  das  zweite  Glied  der  inneren  Antennenbasis),  so  stinnnt  docii  Bau  des  Rostrums,  Kiel  und 
Bildung  der  Hand  überein. 

Larven  von  Eiqjhausiden,  theils  Euphausia,  theils  Stijlocheiron  und  Xematoscelis  zugehörig,  waren 
in  dem  Inhalt  sämmtlicher  Schliessnetze  von  600 — 1300  ]M.  Tiefe  regelmässig  vertreten. 

2.  Mysidae.  Sind  schon  die  Stylocheiren  dureli  eine  unter  den  Scliizopoden  ungewöhnliche 
Verlängerung  ihre  Antennen  ausgezeichnet,  so  werden  sie  doch  in  dieser  Hinsiclit  von  einem  Mysideen- 
genus  übertroffen,  das  an  origineller  Körperform  einzig  dastelit. 

Mir  liegen  drei  Exem}ilare  ilesselben  vor,  von  denen  ich  ein  männliches  und  ein  weililiches 
vor  Ischia  im  October  aus  einer  Tiefe  von  800  M.  erbeutete,  während  ich  ein  männliches  unter  dem  eon- 
servirten  Materiale  vorfand,  das  Salvatore  Lo  Bianco  im  Juni  aus  60  Meter  Tiefe  getischt  hatte.  Ich  hielt 
diese  sonderbaren  Wesen  bei  oberflächlicher  Betrachtung  für  bizarr  gestaltete  Dekaiiodenlarven  im  Mysis- 
stadium,  doch  beseitigte  die  genauere  Untersuchung  jeden  Zweifel  an  der  Zugehörigkeit  zu  den  Mysideen. 
Da  ich  über  dieselben  ausführlicher  berichten  werde  (eine  Zergliederung  habe  icli  noch  nicht  vorge- 
nonnnen),  so  begnüge  ich  mich  hier  mit  einer  kurzen  Diagnose. 

Ärachnomijsis  n.  g.  Körper  schlank,  cylindrisch  und  bedornt.  Kopfabschnitt  v(n-längert,  Thorakal- 
schild  sein-  klein,  Abdomen  des  ilännchens  kräftig  und  Ijogenförniig  nach  aufwärts  gekrümmt.  Basal- 
glieder der  Antennen  kräftig  iind  gedrungen,  Schupi)e  der  hinteren  Antennen  zu  einem  Dorn  umgebildet. 
Flagella  von  ungewöhnlicher  Grösse,  3 — 4  mal  länger  als  der  Körper,  Mundwerkzeuge  mit  erstem  Kiefer- 
fuss  weit  vor  den  7  Thorakalfüssen  gelegen.  Endopoditen  des  zweiten  Maxillarfusses  kräftig,  der  übrigen 
6  Brustfüss(!  spinnenförmig  verlängert  und  sehwach,  von  vorn  nach  hinten  an  Grösse  zunehmend  luid 
mit  klauenförniigem  Endglied  versehen ;  Telson  kurz,  oval,  am  Ende  eingeschnitten ;  Uropoden  schlank 
und  lang,  die  inneren  mit  woid  entwickeltem   (iehörorgan   (Fig.  3  a). 


13     33     ES 

Arachnomysis  Leuckartii  (Fig.  2 — 3a),  wie  ich  diese  ausgezeichnete  Art  dem  Altmeister  biologischer 
Forschung  zu  Ehren  benenne,  erreicht  (exclusive  der  Antennen)  eine  Länge  von  8  mm.  Das  Weibchen 
ist  nur  5  mm  lang.  Der  Körper  ist  mit  grossen  Dornen  besetzt  und  zwar  stehen  dicht  hinter  den  Augen 
5  Dornen,  deren  mittelster  kleiner  ist  als  die  seitlichen.  Dazu  kommen  noch  zwei  bei  dem  Männchen 
kräftige,  bei  dem  Weibchen  kurze  Dornen  als  rudimentär  entwickelte  Seiiujjjien.  Auf  dem  Thorax 
sitzen  vor  dem  kleinen  Brustschild  zwei  und  auf  dem  hinteren  Rande  der  Abdominalsegmente  je  7 
Dornen.     Unter  den  letzteren  iuseriren  sich  die  beiden  unteren  vor  dem  Ansatz  der  Abdominalfüsse. 

Männchen  und  Weibchen  unterscheiden  sich  ziemlich  auffällig.  Ersteres  besitzt  ein  kräftiges 
Abdomen  mit  ebenso  kräftig  entwickelten  5  Schwimmfusspaaren,  während  letzteres  einen  schlanken, 
schwachen  Hinterleib  mit  rudimentären  Abdominalfiissen  aufweist.  Dazu  kommt  noch  als  Auszeichnung 
des  Männchens  (Fig.  3)  ein  kräftiger  Schopf  von  Spürhaaren  am  unteren  Rande  des  dritten  Basal- 
gliedes der  vorderen  Antennen  und  eine  zarte  Bewiniperung  des  verdickten  Basaltheils  des  kurzen 
oberen  Flagellums.  Endlich  ist  noch  der  für  die  männlichen  Mysideen  charakteristische,  zum  Begattungs- 
organ umgewandelte  Epipodialanhang  des  letzten  Thoracalfusspaares  hervorzuheben.  Brutlamellen 
vermisste  ich  bei  dem  offenbar  noch  jungen  Weibchen,  wenn  auch  ein  dem  männlichen  Begattuugsorgan 
entsprechender  Epipodialfortsatz  am  7.  Thorakalfusspaar  deutlich  ausgebildet  war.  Vielleicht  entwickeln 
sich  die  Lamellen  erst  später. 

Was  die  beiden  Geschlechtern  gemeinsamen  Charaktere  anbelangt ,  so  sind  die  Antennen  mit 
erstaunlich  langen  vielgliedrigen  und  streckenweit  roth  gefärbten  Geisselanhängen  ausgestjtttet.  An  den 
vorderen  Antennen  ist  das  obere  (innere;  Flagellum  so  lang  wie  der  Körper,  während  das  untere  (äussere) 
mindestens  dreimal  länger  als  das  Thier  wird.  Wenigstens  niisst  es  bei  dem  Jläunchen  25  nun.  Bei 
dem  Weibchen  steht  es  nahezu  rechtwinklig  von  dem  Körper  ab,  bei  dem  Männehen  verläuft  es  schräg 
nach  vorn.  Die  Augen  siml  in  beiden  Geschlechtern  wohl  entwickelt,  lang  gestielt  und  braunroth 
pigmentirt. 

Charakteristisch  für  die  Gattung  ist  die  weite  Distanz  zwischen  Mundwerkzeugen  und  den  7 
Thoracalfüssen.  An  erstereu  fällt  äusserlieh  der  kräftige  und  lange  palpus  mandibularis  mit  bei  dem 
Männchen  klauenförmig  gebogenen  und  mit  Spürhaaren  besetzten  Endgliede  auf,  während  der  Exopodit 
des  ersten  Kieferfusspaares  nur  wenig  hervorragt.  Den  bei  der  Gatfungsdiagnose  erwähnten  Eigen- 
thümlichkeiten  der  7  Thoracalfusspaare  füge  ich  noch  hinzu,  dass  die  Exopoditen  wohl  entwickelt  sind 
und  einen  vielgliedrigen  nach  aufwärts  gebogenen,  an  den  mittleren  Beinpaaren  etwas  längeren  Geissel- 
anhang tragen. 

7.   Decapoda. 

1.  Sergestidae.  Am  30.  September  fischte  ich  bei  einem  nächtlichen  Zuge  vor  Isehia  aus  der 
Tiefe  von  800  M.  di-ei  Exemplare  eines  Sergestes,  die  nicht  nur  wegen  ihrer  Durchsichtigkeit  (nur 
die  Magengegend  war  rosa  gefärbt)  und  energischen  Sprungbewegungen,  sondern  vor  Allem  wegen  der 
exorbitanten  Länge  ihrer  Antennen  mich  in  Erstaunen  setzten.  Ein  junges  zu  derselben  Art  gehörendes 
Weibchen  fand  sich  in  dem  Schliessnetz  aus  1200  M.  Von  den  bisher  bekannten  Sergestiden  unter- 
scheidet sich  Sergestes  magnißcus  (Taf.  4,  Fig.  4  u.  5i  nicht  nur  durch  die  Länge  der  äusseren  Antennen 

C.  Chun,  die  pelagiscbe  Thierwelt.  5 


K3     34     E> 

(sie  sind  ja  auch  l)ci  «5'.  Frtf-ii  und  S.  cornutus^j  iK'träclitlich  liing-er,  als  der  Körper),  sondern  aueh  durch 
eine  zarte  Bewimperung  derselben.  Letztere  beginnt  au  einem  Knick  im  unteren  Drittel  und  lässt  sich 
Ijis  zur  Spitze  der  Antennen  verfolgen.  Je  2  Wimpern  sitzen  divergirend  den  Gliedern  des  Flagellums 
auf  und  sind  ihrerseits  mit  ungemein  zarten  zweizeilig  angeordneten  Wimperborsten  ausgestattet.  Da 
die  Antennen  eine  Länge  von  115  mm  erreichen  (die  Maasse  beziehen  sich  auf  ein  weibliches  Exemplar), 
so  übertreffen  sie  den  38  mm  langen  Körper  um  das  Dreifache.  Die  inneren  Antennen  (autennulae) 
besitzen,  ein  langes  Basalglied,  das  auf  der  Oberseite  eine  Hache  mit  Wimperborsten  ausgestattete  Grube 
aufweist. 

Da  der  bei  den  IMännchen  als  Greifapparat  ausgebildete  Innenast  des  Flagellums  (fl.  i.)  bei  den 
einzelnen  Arten  sehr  charakteristisch  gestaltet  ist,  so  bilde  ich  ilm  in  Fi.i;-.  5  a  ab.  Die  4  ersten  Glieder 
sind  kräftiger  als  die  folgenden;  besonders  laug  ist  das  mit  Borsten  besetzte  vierte.  Seitlich  sitzt  ihnen 
ein  die  Klaue  (h)  fhamulus)  tragendes  Glied  auf.  Die  Basis  des  äusseren  Flagellums  (fl.  e.)  ist  verbreitert 
und  trägt  15  Paare  von  Greifhaken.  Indem  ich  bezüglich  der  sonstigen  Charaktere  auf  Fig.  5  verweise, 
so  bemerke  ich,  dass  das  Telson  bedeutend  kürzer  als  die  Uropoden  ist  und  ebenso  wie  diese  von 
langen  regelmässig  gestellten  Wimpern  umsäumt  wird.  Auch  die  grossen  Schuppen  zeigen  an  dem 
Innenrand  eine  Ausstattung  langer  dichtgedrängter  Wimpern. 

Charakteristisch  für  unsere  Art  ist  weiterhin  das  kurze  Rostrum  und  die  mächtige  Entwicklung 
des  letzten  Abdominalsegmentes.  Letzteres  ist  stark  comprimirt  und  wird  nahezu  einen  Centimcter  lang. 
Durch  beide  Charaktere  unterscheidet  er  sich  von  dem  ihm  sonst  iUndichen  und  ebenfalls  in  der  Tiefe 
lebenden  Sergestes  rohustus  Smith  ^). 

Sergestidenlarven  (Acanthosoma)  fand  ich  ziemlich  häutig  im  (jolfe  in  Tiefen  von  50  bis 
100  Metern. 

2  Ephyrinae.  Der  merkwürdigen,  bis  jetzt  noch  nicht  ausreichend  bekannten  Familie  der 
Ephyrinen  glaube  ich  einen  sonderbar  gestalteten  Decapoden  zurechnen  zu  dürfen,  welcher  die  Charaktere 
der  Gattung  Miersia  Kingsley  (Ephira  Roux)  aufweist.  Ich  gebe  von  demselben  eine  Skizze  auf 
Taf.  IV,  Fig.  6  und  beschränke  mich  an  dieser  Stelle  auf  eine  kurze  Artdiagnose.  Miersia  clavigera, 
wie  ich  das  vollkommen  durchsichtige  Thier  benenne,  besitzt  ebenso  wie  die  von  Eis  so  in  grösseren 
Tiefen  entdeckten  beiden  Arten  und  wie  die  neuerdings  vom  Blake  ^j  erbeuteten  Formen  zeitlebens 
die  Exopoditen  an  den  Brustfüssen.  Das  kräftige  Rostrum  zeigt  4  Stacheln,  die  nach  vorn  au 
Grösse  abnehmen.  Der  hinterste  ist  ausserdem  noch  mit  einem  kleinen  Dorn  versehen.  Der  Cepha- 
lothorax  ist  von  mittlerer  Grösse;  das  Abdomen  kräftig  und  das  letzte  Abdomiualsegraent  länger  als  die 
vorhergehenden. 

Das  Basalglied  der  Autennulae  ist  lang;  der  Aussenast  der  Geissei  ist  an  der  Basis  verdickt 
und  mit  7  (juastenförmigeu  Borsten  besetzt.  Fünf  derselben  theilcn  sich  in  je  drei  peitschenförmige 
Anhänge,  während  die  sechste  zweigetheilt  und  die  siebeute  vorderste  einfach  erscheint. 


')  Henrik  Kröyer,  Forsüg  til  en  monographisk  Fremstilliiig  af  Krebsdyrslaegteu  Sergeätes.  Kon.  Danske  Vid. 
Selsk.  Skrifter  5  Raekke  Bd.  4,  1856. 

')  SiJuey  J.  SniitL.  Report  on  tlie  Crustacea  (Dredging  of  Blake).  Decapoda.  Bull.  Mus.  Comp.  Zool  Vol.  X 
No.  1,  p.  97. 

')   Sidney  J.   Sraitli.  1.   r.  p.   66. 


<3     35     ES 

Dil'  unteren  Antennen  siiul  kürzer  als  der  Körper:  ilire  Sehuppe  ist  selilauk  und  so  lang  wie 
die  Basalg'liedcr  der  Anti^nnulac. 

Die  Augen  sind  langgestielt  unrl  mit  grünlich  schillerndem  Pigment  ausgestattet.  Von  den 
Thorakalfüssen  sind  die  zwei  vorderen  als  Kaufüss(!  ausgebildet.  Die  6  hinteren  nehmen  von  vorn 
nach  hinten  an  Grösse  gleichmässig  zu.  Die  Exopoditen  strudeln  lebhaft  und  erreichen  ansehnliche 
Länge.  An  dem  letzten  Thorakaltusspaar  fehlten  sie  bei  dem  mir  vurliegenih/n  Exemplar,  doch  scheinen 
sie  erst  bei  dem  Fang  verloren  gegangen  zu  sein,  cla  die  Ansatzstelle  deutlich  nachweisbar  ist.  Der 
vorderste  der  6  Endopoditen  endet  mit  einfacher  Klaue,  der  zweite  besitzt  eine  sehr  schwach  entwickelte 
Scheere,  an  dem  dritten  ist  letztei-e  kaum  angedeutet,  während  der  vierte  und  fünfte  wieder  mit  einer 
Klaue  enden.  Höchst  bizarr  ist  der  sechste  Thorakalfuss  gestaltet,  insofern  er  nicht  nur  ungewöhnlich 
verlängert  erscheint,  sondern  ein  zu  i-iner  ansehnlichen  Platte  verbreitertes  vorletztes  Glied  aufweist,  dem 
als  dünne  Endklaue  das  letzte  Glied  ansitzt.  Die  Platte  besitzt  einen  opalartigen  Glanz  und  ist  zudem 
reichlich  mit  rothen  und  gelben  Pigmentflecken  ausgestattet.  Solches  Pigment  tritt  übrigens  auch  an 
sonstigen  Körperstellen  in  aus  der  Abbildung  ersichtlicher  Anordnung  auf.  Da  der  sechste  Fuss  sich 
sehr  leicht  vom  Körper  trennt,  so  findet  man  ihn  gelegentlieh  isolirt  bei  dem  Fischen ;  ich  hatte  ihn 
öfter  aus  100  M.  Tiefe  erhalten,  ehe  es  mir  gelang,  des  Thieres  habhaft  zu  werden. 

Die  Abdominalfüsse  sind  von  mittlerer  Grösse;  bei  dem  abgebildeten  Tliiere  fehlten  Begattungs- 
apparate an   dem  ersten  Paare  und  dürfte  dasselbe  demgemäss  ein  Weibchen  repräsentiren. 

Miersia  davic/era  misst  von  der  Spitze  des  Telsons  bis  zur  Spitze  des  Rostrum  10  mm.  Sie  ist, 
nach  dem  häutigen  Vorkommen  isolirtcr  sechster  Beiupaare  zu  schliessen,  in  Tiefen  von  100  ^M.  nicht 
selten,  doch  fand  ich  zwei  Exemplare  auch  in  600  M.  Ein  jugendliches  Exemplar,  sowie  ein  isolirtes 
sechstes  Bein]:iaar  waren,  ebenfalls  aus  600  j\I.  stammend,  in  dem  Schliessnetz  enthalten.  Gelegentlich 
erscheint  sie  an   der  Oberfläche,  wo  ein  Exemplar  am   1.  Oktober  erbeutet  wurde. 


VI.  3Iollusca. 

1.    Ptei-opoda  et  Hderopoda. 

Dr.  Schiemenz,  welcher  mit  der  monograpliischen  Bearbeitung  der  Pteropoden  des  Golfes  von 
Neapel  beschäftigt  ist,  stellte  freundlichst  folgende  Liste  über  die  von  mir  gesammelten  Pteropoden  und 
Heteropoden  zusammen. 

Pteroijoda. 

Creseis  acicula  Rang,  Oberfläche  bis  1.300  M.  Tiefe  (häuflg  in  100—200  M.  Tiefe;. 

Creseis  conica   Costa,   Oberfläche  bis  1300  JI.   (häuflg  an  der  Obei-flächc,  aber  auch  zahlreich  in  allen  Tiefen). 

Cleodora  subidata  Quoy  et  Gaim,  GOO  M.  (2  Exemplare). 

Hycdea  tridentatn  Lam.,  60  M.  (1  Exemplar  am  9.  Oktober). 

Hyalocylis  striata  Fol.,   Oberfläche  bis  1300  M.  (häuflg  in  800  M.  am  30.  September). 

Tiedemannia  D.  Chiaje,  800  M.  (3  jugendliche  Exemplare  am  30.  Se[itember). 

5* 


Cymbulia  Per.  Los.,  600 — 1300  M.    (sämintlieh  juf;endliclic  Exemplare,    ein  Exemplar  im  Schliessnetz  aus 

800  M.  am  20.  September). 
Spirialis  rostralis  Soiileyet,   1200  M.  (1  Exemplar  aus  der  Bocca  piccola  am  11.  Oktober). 
SpiriaUs  trochiformis  »Souleyct,   1000  M.  (1  Exemplar  vor  Ischia  am  10.   Oktober). 

Sinrialh.recurvirostra  Costa,  600 — 1300  M.     (In   15  Zügen  Avurden  vom    9.  Septbr.    bis    zum   11.   ()ktbr. 

im    Ganzen    19  Exemplare    erbeutet;    eines    derselben    fand 
sieli  im  Schliessnetz  aus  600  M.). 
Pne.umodermo»  Cuv.,    600 — 1200   M.    (5  Larven    in  3  Zügen,    darunter    2  Exemplare    im  Schliessnetz    aus 

800  M.  am  29.  September  vor  Ischia). 
Clio  lonfjic'iitclatus  (?)  Suleyet,  Oberfläche  bis  1300  M.  (häutig  an   der  Oberfläche,  selten   in  der  Tiefe). 
Cliojysis  Krolviii  Trosclicl,  600  M.  (1   Exemplar  am  9.  Septeml)er  bei  Ventotenej. 

Heteropoda. 

Atlanta  Pcronii  Lesueur,  Oberfläche  bis  1200  M.  (vereinzelt). 
Atlanta  Quoyana  Souleyet,  800  M.    (1  Exemplar  am  9.  Sej>tember  vor  Ischia). 
Pterotrachea  miitica  Les.,  800 — 1200  M.    (4  jugendliche  Exemplare). 
Pterotrachea  scutata  Gegenb.,   1300  M.  (1  Exemplar  am   10.  Oktober  vor  Ischia). 
Firoloida  Lesnenrii  Souleyet,  Obei-fläche  bis  100  M. 

Wie  aus  dieser  Liste  hervorgeht,  so  steigen  die  Pteropoden  und  Heteropoden  in  beträchtliche 
Tiefen  herab,  während  andererseits  die  Spirialis-Avtcn  nur  sehr  selten  an  der  Obei-fläche  erscheinen  und 
offenbar  ächte  pelagische  Tiefseethierc  repräsentireii. 

2.    Cephalopoda. 

Schon  bei  den  ersten  Zügen  fiel  mir  der  Reichthum  der  Tiefe  an  kleinen  durchsichtigen  Decapoden 
auf.  Da  Dr.  Jatta  eine  Monographie  der  Cephalopoden  des  Mittelmeeres  vorbereitet,  so  wird  dei'selbe 
noch  späteriiin  ül)er  die  von  mir  gesammelten  Arten  berichten.  Ich  erwähne  nur,  dass  eine  kleine, 
vielleicht  der  Gattung  Rossia  nahe  stehende  Form,  welche  rosa  und  schwärzliches  Pigment  besitzt,  in 
allen  Tiefen  von  600  M.  an  sehr  häufig  gefunden  wurde.  Sie  ^ird  durchschnittlich  nur  einen  Centimetor 
gross;  kleinere  jugendliche  Stadien  kommen  ebenfalls  sehr  häufig  zur  Beobachtung.  Im  Besitz  der 
zoologischen  Station  befinden  sich  zwei  Exemj)lare  dieser  Art,  welche  während  eines  Winters  auch  an 
der  Obei-fläche  erbeutet  wurden. 

Einen  zweiten,  bis  jetzt  noch  unbekannten  prächtigen  Decapoden  fischte  ich  am  30.  September 
vor  Ischia  aus  einer  Tiefe  von  800  Metern.  Da  bei  der  Conservirung  leider  die  Durchsichtigkeit  und 
die  Farbe  des  Pigmentes  verloren  gehen,  so  reproducire  ich  auf  Taf.  5,  Fig.  8  eine  Farbeuskizze,  die 
ich  nach  (b'm  lebenden  Thiere  auf  dem  Schifte  entwarf.  Er  war  incl.  der  Arme  30  mm  lang  und  trieb 
sich  mit  grosser  Lebendigkeit  in  dem  Gefässe  umher,  ständig  mit  den  Flossen  undulirend  und  bei 
jedem  Ersciu'eck(Mi  die  gelben  und  oi-angegefarbenen  Chromatophoren  contraliirend.  Ein  kleineres  Exemplar 
fand  ich  späterhin  in  derselben  Tiefe,  auch  wurde  ein  jugendliches,  oftenbar  ihm  zugehörendes  Individuum 
in  60  M.  Tiefe  vor  (.lern  Hafen   von   Ischia   gefangen. 


— ö     37     Q^- 


VII.   Tutilcata. 

1.    Appendicularia. 

Die  Appeudicularien  der  Tiefen  sind  von  besonderem  Interesse,  weil  zu  ilnien  Arten  gehören, 
■die  an  Grösse  alle  bisher  bekannten  Formen  weit  übertreffen.  Ehe  ich  indessen  auf  diese  ansehnlichen 
neuen  Genera  aufmerksam  mache,  will  ich  erwähnen,  dass  auch  die  bisher  bekannten  Arten  beträchtliche 
Tiefen  während  des  Sommers  aufsuchen.  Besonders  häutig  fand  ich  Oikopleura  coplwcerca  Ggbr.  in  allen 
Stadien  der  Geschlechtsreife  und  zwar  ^■on  der  Oberfläche  an,  wo  ich  sie  vor  Capri  während  der  Nacht 
fischte,  bis  zu  1000  M.  Tiefe.  Auch  Oikopleura  spissa  Fol.  und  0.  fusiformis  Fol.  wurden  bis  zu  der- 
selben Tiefe  häufig  beobachtet  und  fanden  sich  in  dem  Inhalt  fast  sämmtlicher  Schliessnetzc. 

Schon  bei  einer  meiner  ersten  Ausfahrten  gegen  Ende  August  fiel  mir  in  dem  Inhalte  des  Netzes 
aus  100  M.  Tiefe  eine  grosse  durchsichtige  Appendicularie  auf,  die  ich  späterhin  constant  in  der  Tiefe 
und  zwar  bis  zu  den  grössten  untersuchten  Tiefen  von  1.300  M.  antraf.  Da  sie  an  der  Oberfläche  rasch 
abstirbt,  so  war  ich  lediglich  auf  die  Untersuchung  der  conservirten  Exemplare  angewiesen,  von  denen 
jene  am  besten  erhalten  sind,  die  mit  einem  Gemisch  von  Chromsäure  und  üeberosmiumsäure  vorsichtig 
behandelt  wurden.  Eine  Conservirang  mit  Sublimat  erwies  sich  wenig  vortheilhaft.  Die  genauere 
Beobachtung  ergab  nun,  dass  die  in  Rede  stehende  Art  einem  neuen  Genus  angehört,  welches  ich 
Steijosoma  benenne.  Die  Diagnose  der  neuen  Gattung  lautet  folgendermassen :  „Körper  rhombisch,  seitlich 
comprimirt.  Endostyl  vorhanden,  von  mittlerer  Grösse.  In  den  Anfangstheil  des  Magens  mündet  links 
ein  breiter  und  ansehnlicher  Leberschlauch  ein,  über  den  in  weitem  Bogen  Magen,  Mittel-  und  End- 
darm verlaufen.  Genitalorgane  am  liinteren  Kciriierende  als  breite,  daeiifünnig  gestaltete  und  gleich- 
schenklige Lamelle  angelegt."      Einzige    bekannte  Art:    Stegosoma  pellucidum    (Fig.   1). 

Da  ich  von  Stegosoma  pellucidum  eine  ausführliche  Darstellung  des  feineren  Baues  an  anderer 
Stelle  geben  werde,  so  ]>eschränke  ich  mich  hier  lediglich  auf  eine  kurze  Charakteristik  der  Art. 
Der  Körper  ist  je  nach  dem  Alter  des  Thieres  ^•erschieden  gestaltet.  Bei  jugendlichen  Exemplaren 
ist  die  vordere  Körperhälfte  (die  Grenze  zwischen  beiden  Hälften  würde  eine  von  dem  Anfangstheil 
der  Chorda  zu  dem  Ende  des  gegenüberliegenden  Schenkels  der  Genitallamelle  gezogene  Linie  bilden) 
grösser  als  die  hintere;  bei  Individuen  von  mittlerer  Geschlechtsreife  (Fig.  1)  sind  beide  Hälften  ungefähr 
gleich  gross,  bei  völlig  geschlechtsreifen  (Fig.  2)  bildet  die  vordere  Hälfte  einen  unansehnlichen  Anhang 
an  der  hinteren.  Ausserdem  setzt  sich  bei  diesen  durch  einen  deutlichen  Falz,  der  aussen  von  einer 
konvex  vorspringenden  Firste  CFig.  2  f)  begrenzt  wird,  die  dickwandige  hintere  Hälfte  deutlich  von  der 
dünnwandigen  vorderen  ab. 

Die  Muudöftnung  (o)  führt  in  eine  Pharyngealhöhle  {ph)  von  massiger  Weite.  Die  äussere  Oeffnung 
der  Spiracula  (sp)  ist  oval,  die  innere  {sp'^)  ziendich  eng.  Vor  letzterer  hegen  2  Gruppen  von  Sinnes- 
zellen (s),  welche  die  Qualität  des  Athemwassers  prüfen.  Der  Endostyl  (e)  ist  von  mittlerer  Länge  und 
gegen  die  Oralseite  verbreitert.  Hier  sitzt  ihm  ein  ansehnliches  Büschel  von  Flinunercilien  auf,  welche 
in  die  schlitzförmige  Vertiefung  der  Ventralfläche,  an  deren  Grunde  des  Endostyl  liegt,  hereinragen.  Zu 
beiden  Seiten  seines  Vorderendes  und  zwar  etwas  mehr  der  Mundöftnung  genähert,  finden  sich  zwei 
runde  Drüsenpackete  {gl).     Die  beiden  vom  oralen  Ende  des  Endostyles  ausgehenden  und  zum  Anfangs- 


tlieil  des  Oesophagus  verlaufenden  Flimmerbögen  (fl)  treten  auch  an  den  conservirtcn  Exemplaren  deutlich 
hervor.  Durch  eine  zarte  Contour  begrenzt,  hebt  sich  auf  der  Ventralseite  das  in  die  Pharyngealhöhle 
vorspringende  Gallertsegel  {ve)  ab.  Die  Grenze  zwischen  Pharynx  und  Oesophagus  ist  dadui'ch  scharf 
markirt,  dass  bei  Behandlung  mit  Ueberosmiumsäure  die  flimmernden  Darmzellen  gebräunt  werden, 
während  andererseits  die  Einmündung  des  Oesophagus  (oe)  in  den  Magen  (y)  durch  eine  Einschnürung 
charakterisü-t  ist. 

Als  besonders  charakteristisch  für  die  Gattung  Stegosoma  wurde  oben  das  Auftreten  eines 
mächtigen  Blindsackes  hervorgehoben,  der,  links  in  den  AnfJingstheil  des  Magens  einmündend,  von  mir 
als  Leberschlauch  gedeutet  wird  {h).  Die  Leber  liegt  in  der  Körpennitte  und  besitzt  unregelmässige 
Gestalt;  indem  sie  gegen  das  hintere  Körperende  sich  zipfelförmig  auszieht,  erscheint  sie  bei  älteren 
Thieren  nahezu  dreieckig.  Auch  kann  sie  bei  letzteren  eine  so  ansehnliche  Grösse  ei'reichen,  dass  sie 
vollständig  den  durch  die  Curvatur  des  Darmes  begrenzten  dreieckigen  Raum  ausfüllt  (Fig.  2).  An 
ihrem  vorderen  (dem  Munde  zugekehrten)  und  unteren  (dem  Rektum  zugewendeten)  Rande  weist  sie 
eine  einzige  Reihe  grosser  Drüsenzellen  auf,  die  bei  der  Betrachtung  des  Thieres  von  der  Unterseite  als 
scharf  umgrenzte  Firste  sich  abheben.  Vermittelst  eines  engen  Leberganges  (d.  h)  mündet  sie  links  in 
den  Anfangstheil  des  Magens  ein.  Sie  ist  seitlich  comprimirt:  bei  der  Betrachtung  von  der  Rücken-  odei* 
Bauchfläche  erscheint  ihr  Querschnitt  Hnsenfönnig. 

Das- Auftreten  einer  selbständigen  Leber  scheint  mir  unter  den  Appendicularien  nicht  unvermittelt 
dazustehen.  Fol')  hebt  in  seiner  sorgfältigen  Monographie  der  Appendicularien  als  charakteristisch  für 
die  Gattung  Oikopleura  hervor,  dass  der  Magen  in  einen  linken  und  rechten  Lappen  getheilt  ist,  deren 
ersterer  von  grossen  Zellen  ausgekleidet  wird.  Bei  Oikopleura  spissa  finde  ich  wiederum  diese  grossen 
Zellen  zu  einer  ventralen  Reihe  angeordnet.  Ich  glaube  daher  nicht  fehl  zu  gehen,  wenn  ich  den  linken 
Lappen  des  Magens  von  Oikopleura,  der  auch  bei  Fritillaria  mit  mächtigen  Drüsenzellen  belegt  ist,  als 
Homologon  der  Leber  von  Stegosoma  betrachte.  Auch  der  Verlauf  des  Nerven  zwischen  Anfangstheil 
dfes  Magens  und  Leber  unterstützt  eine  solche  Auffassung.  Bei  den  kleinen  Formen,  z.  B.  bei  Ajipendicidaria 
sicula^),  fehlt  die  Theilung  des  Magens  und  es  scheinen  die  übrigen  Theüe  des  Darmtraktus,  so  das 
Rektum,  die  Funktionen  der  Leber  gleichzeitig  zu  übernehmen.  Dagegen  ist  es  nicht  zu  billigen,  wenn 
Eisen')  den  ganzen  Magen  der   Vexillaria  speciosa  als  Leber  bezeichnet. 

Der  Magen  (v)  verläuft,  allmählich  sich  erweiternd,  gerade  nach  hinten,  bildet  an  dem  hinteren 
Körperende  eine  kuppenförmige  Wölbung  und  geht  dann  an  dem  Pylorialabschuitt  (p)  in  den  auf  der 
Bauchseite  nach  vorn  umbiegenden  Darm  (t)  über.  Letzterer  ist  wiederum  deutlich  gegen  das  Rektum  (r) 
abgesetzt,  welches  in  der  Höhe  der  Spiracula  durch  den  After  (a)  ausmündet.  Aus  den  Abbildungen 
erhellt,  dass  bei  keiner  Appendicularie  der  gesammte  Darmtraktus  ähnlich  übersichtlich  gegliedert  ist, 
wie  bei  Stegosoma. 


')  H.  Fol.  Etudes  sur  les  Appendiculaires  du  detvoit  de  Messiue.  Mem.  Soc.  Phys.  Hist.  uat.  de  Geneve. 
Bd.  21  U-,  1872,  p.  22. 

-)  H.  Fol.  Sur  un  uouveau  genre  d'Appendiculaires.  Arch.  Zool.  exp.  de  Lacaze -Duthiers,  T.  III.,  p.  XLIX., 
Taf.  28,  Fig.  1  u.  2. 

■*)  G.  Eisen.     Vexillaria  speciosa.     Kongl.  Svenska  Vet.  Akad.  Handl.     Band  12,  No.  9,  Taf.  2. 


ö     39    ö 

Das  Nervensysteiu  zeigt  die  für  alle  A)iijeniliculai-icn  eluirakteristische  Auordnung.  Das  Hirn- 
ganglioii  ig.  c)  mit  seinem  Otolitheubläschen  (ot)  (der  Otolith  wird  durch  die  cüiiservireiiden  Flüssigkeiten 
aufgelöst)  liegt  dicht  oberlialb  der  Mundöflfnung  und  entsendet  nach  vorne  die  beiden  halbkreisförmig 
den  Eingang'  zum  Pharynx  umgürtenden  Nerven  («^).  Nach  hinten  entspringt  der  grosse  Nerv  («)  welcher 
gleich  uach  seinem  Austritt  die  beiden  Kiemeunerven  («')  zu  den  Spiracida  entsendet.  Der  Hauptstamm 
zieht  schräg  uach  hinten,  rechts  am  Oesophagus  vorbei,  um  dann  links  in  einer  scharfen  Biegung  über 
den  CardialtheU  des  Magens  an  der  rechten  Seite  der  Leber  verstreichend,  auf  den  Anfangstheil  der 
Chorda  zu  gelangen  und  auf  derselben  das  langgezogene  Schwanzgangliou  {g^j  zu  bilden.  Letzteres  liegt 
bekanntlich  auf  der  linken  Seite  der  Chorda  und  entsendet  4 — 6  stärkere  Fasern  zu  der  Muskulatur. 
Von  ihm  geht  der  grosse  Schwanznerv  («.  c)  ab.  Von  Sinnesorganen  sei  die  rechts  neben  dem  Hirn- 
ganglion in  den  Pharynx  sich  öffnende,  als  Geruchsorgan  fungirende  trichterförmige  Grube  (olf.)  erwähnt, 
deren  hinteres  Ende  gelegentlich   in  einer  Spiraltour  aufgewunden  ist. 

Ein  Herz  war  an  den  conservirten  Exemplaren  nicht  nachzuweisen. 

Der  Ruderschwanz  erreicht  eine  Länge  von  12  mm;  die  Muskellamellen  werden  1,2  mm  breit. 
Da  der  Körper  bei  einer  Länge  von  3  mm  eine  Breite  von  2  mm  erreichen  kann  fso  bei  dem  in  Fig.  2 
abgebildeten  Individuum),  so  übertrifft  iStegosoma  pellucidum  an  Grösse  um  einige  Millimeter  die  grösste 
bisher  bekannte  Art,  nämlich   Oikophura  cojjhocerca. 

Charaktemtisch  für  unsere  Art  ist  die  Anorduuug  der  durchsichtigen,  ungefärbten  Geschlechts- 
drüsen. Sie  bilden  ein  breites,  in  einem  spitzen  Winkel  geknicktes  Band,  dessen  beide  Schenkel  nahezu 
gleich  lang  sind.  Es  liegt,  wie  bei  allen  Appendicularien,  am  hinteren  Körperende  dachförmig  (dalier  der 
Name  Stegosonia)  über  dem  Verdauungstraktus  und  wird  leicht  mit  blossem  Auge  bei  der  Betrachtung 
von  der  Ober-  oder  Unterseite  wahrgenommen.  Bei  geschlechtsreifen  Thieren  (Fig.  2)  krempeln  sich 
die  Ränder  gegen  den  Darm  um.  An  dem  liinteren  Körperende  ist  es  meist  eingeschnürt,  doch  habe 
ich  nur  einmal  einen  Zerfall  in  2  Hälften  beobachtet.  In  der  ]\Iitte  verläuft  das  Ovarium  (oü),  während 
die  Ränder  von  den  beiden  Hoden  {t)  eingenommen  werden.  Die  Entleerung  der  reifen  Gesehlechts- 
produkte  erfolgt  wahrscheinlich  an  dem  Ende  des  oberen  Schenkels  (Fig.  2  bei  x).  Alle  von  mii-  gesciilechts- 
reif  beobachteten  Exemp)lare  befanden  sich  im  Stadium  der  männlichen  Reife;  ausgebildete  Eier  habe 
ich   zu  der  angegebenen  Zeit  nicht  beobachtet. 

Fol  (1.  c.  p.  28)  macht  darauf  aufmerksam,  dass  bei  geschlechtsreifen  Appendicularien  eine  hoch- 
gradige Atrophie  der  vorderen  Körperhälfte  eintritt.  Bei  dem  in  Fig.  2  abgebildeten  Exemjtlar  von 
Stegosonia  ist  sie  sehr  auffällig  ausgepi'ägt,  insofern  die  vordere  Hälfte  als  unansehnlicher  Anhang  der 
hinteren  ansitzt.  Letztere  zeigt  eine  beträchtliche  Verdickung  der  Körperwandung,  die  auf  der  Ober- 
fläche sternförmig  gezeichnet  ist.  Darm  und  Ruderschwanz  werden  von  dieser  Atrophie  nicht  betroffen. 
Stegosonia  pellucidum  ist  in  der  Tiefe  nicht  gerade  häufig,  aber  einzelne  Individuen  gelangten  fast  mit 
jedem  Zuge  an  die  Oberfläche.  Mit  dem  Schliessnetz  fing  ich  sie  in  800  M.  Tiefe  vor  den  Galli  im 
Golfe  von  Salerno. 

Ein  Gehäuse  habe  ich  nicht  beobachtet;  die  Hinfälligkeit  desselben  und  der  Transport  aus  der 
Tiefe  werden  einen  Mangel  erklärlich  scheinen  lassen. 


S3     40     e^ 

Wenn  schon  Stegosoma  eine  Appendicularie  von  ansehnlichen  Dimensionen  repräsentirt,  so  wird 
sie  doch  noch  um  mehr  als  das  Doppelte  an  Grösse  von  einer  Appendicularie  übertroffen,  die  geradezu 
eine  Kiesenform  unter  den  sonst  kleinen  und  zierlichen  Wesen  aVjgibt.  Ich  fing  diese  merkwürdige 
Art  in  drei  Exemplaren  vermittelst  des  grossen  Netzes  und  zwar  aus  900  M.  Tiefe  vor  Ischia  am 
10.  Oktbr.  und  während  der  Nacht  aus  600  M.  in  der  Höhe  der  Bocca  piccola  vor  Capri  am  11.  Oktbr. 
Wenn  ich  erwähne,  dass  das  eine  Exemplar  eine  Länge  von  18  mm,  das  andere  eine  Totallänge  von 
22  mm  bei  einer  Körpergrösse  von  5  mm  und  das  dritte  30  mm  bei  einer  Körperlänge  von  8  mm 
erreicht,  so  wü'd  man  begreifen,  dass  die  Ueberraschung  über  den  Fang  mehr  als  zolllanger  Appen- 
dicularien  mit  einem  Körper  von  der  Grösse  einer  Bohne  nicht  gering  war.  Zudem  fesselte  das  erste 
Exemplar  durch  die  prächtige  Färbung  der  Organe.  Der  Endostyl  (Fig.  6)  war  orange,  der  Oesophagus 
hochroth  und  der  Darmtraktus  grünlichgelb  gezeichnet.  Leider  genügte  die  kurze  Zeit,  während  deren 
ich  eine  Farbenskizze  anfertigte,  um  bereits  die  ersten  Spuren  eines  Zerfalls  zu  bedingen.  Ueber  die 
Färbixng  der  zwei  während  der  Nacht  erbeuteten  Exemplare  vermag  ich  keine  Angaben  zu  machen,  da 
ich  ]Mühe  liatte,  dieselben  bei  starkem  Seegang  unter  dem  Schein  einer  Laterne  in  einem  Gemisch  von 
Chromsäure  mid  Ueberosmiumsäure  zu  conserviren.  Eines  derselben  (Fig.  5)  gestattet  nur  einen  undeut- 
lichen Einblick  in  die  Lagerung  der  Organsysteme,  da  die  ganze  Leibeshöhle  selbst  bis  zur  Spitze  des 
Ruderschwanzes  mit  zahllosen  kleinen  runden  Zellen  erfüllt  ist.  Ob  diese  zu  der  Kategorie  der  „gelben 
Zellen"  gehören,  wage  ich  nicht  zu  entscheiden,  doch  will  icii  nicht  unerwähnt  lassen,  dass  ein  Exemplar 
der  Oikopleura  cophocerca  mir  durcli  schwefelgelbe  Färbung  auffiel  und  diese  Färbung  offenbar  ganz 
ähnlich  gebildeten  zahlreichen  runden  Zellen  verdankte.  Der  nachfolgenden  Beschreibung  lege  ich  das 
am  besten  erhaltene  grösste  Exemplar  zu  Grunde. 

Alle  Exemplare  gehören  einer  neuen  Gattung  Megalocercus  an,  deren  Diagnose  folgendermassen 
lautet:  „Appendicularien  von  ansehnlicher  Gi'össe  mit  weiter  Pharyngealhöhle.  Endostyl  lang,  aus 
4  Reihen  von  Zellen  gebildet.  Die  Flimmerbögen  treten  auf  der  Rückseite  zur  Bildung  einer  tiefen, 
ziini  Oesophagus  verlaufenden  Rinne  zusammen;  Spiracula  weit.  Oesophagus  am  hinteren  Körperende 
gelegen.  Magen  weit  und  links  mit  einem  langen  sackförmigen  Lebei'schlauch  ausgestattet,  in  dem  auf 
der  Bauchseite  eine  Reihe  sehr  grosser  Dräsenzellen  liegt.    Drüsenpackete  am  vorderen  Körperrande  fehlen. 

Megalocercus  abyssorum  (Fig.  3 — 7),  wie  ich  die  Art  benenne,  besitzt  von  der  Seite  gesehen 
(Fig.  4)  birnförmige  Gestalt.  Die  grösseren  Exemplare  (Fig.  4  u.  6)  sind  am  hinteren  Körperende  in 
Folge  der  Schwellung  der  Geschlechtsorgane  aufgetrieben,  während  das  kleinere  (Fig.  b)  mit  wenig 
entwickelten  Geschlechtsorganen  mehr  oblong  erscheint.  Die  enge,  auf  der  Ventralseite  mit  einem  lippen- 
förmigen  Fortsatz  (l)  ausgestattete  Mundöffnung  (o)  führt  in  eine  auffällig  grosse  Pharyngealhöhle  {ph).  Die 
bei  der  Conservirung  etwas  collabirten  Spiraciila  (sp)  sind  sehr  weit.  Ilire  innere  Jlündung  entbehrt  der 
Flimmerzellen,  dagegen  ist  der  Vorderrand  zu  einem  Gange  ausgezogen,  dem  offenbar  Flimmerbögen  (y) 
iiufsitzen.  Der  Endostyl  (e)  ist  lang,  am  Vorderrande  etwas  verbreitert  und  aus  4  Reihen  von  Zellen, 
deren  runde  Kerne  sehr  deutlich  hervortreten,  zusannnengesetzt.  Jederseits  Hegen  zwei  Zellreihen  als  Be- 
gi'enzung  der  tiefen  Rinne ;  die  Zellen  nehmen  gegen  die  Mundoffnung  an  Grösse  zu.  Es  braticht  kaum  aus- 
(b'ücklich  erwähnt  zu  werden,  dass  die  Appendicularien  den  einfachsten  Bau  des  Endostyles  aufweisen,  insofern 
die  4  Zellreihen  den  4  Drüsenwülsten  im  Endostyl  der  höheren  Tunicaten  entsprechen.  Der  Endostyl  wird 
seitlich  von  zwei  hohen  Falten  (/)  überragt,  welche  eine  Rinne  einschliessen,  die  nnch  hinten  durch  das  zwischen. 


e     41     E> 

(k'ii  Sjiiracula  vt-rlaufrmlc  laii^'c  Gallertsegel  (ve)  bei^'rciizt  wird.  Auf  der  Firste  des  letzteren  vei-l;iut't  fast 
in  ganzer  Lauge  eine  Reihe  von  Flinnncrzellen.  Vorne  biegen  die  Ränder  der  Falten  beiderseits  naeli 
der  Bauchseite  um  und  gehen  in  die  beiden  Flimmerbögen  (ß)  über.  Dass  letztere  bei  der  Ausdehnung 
der  Pharyugealhiihle  eine  besonders  kräftige  Ausbildung  gewinnen,  ist  erklärlich,  da  ihnen  die  Beförderung 
der  »Speise  in  den  weit  naeii  hinten  gerückten  Oesophagus  (oe)  obliegt.  Sie  verlaufen  in  rechtem  Winkel 
zum  Endostyl  (Fig.  3)  an  den  Seitenwaudungen  des  v(n-dereii  Pharyngealal)sclinittes,  um  dann  auf  der 
Dorsalseite  sich  zu  nähern  und  unter  Bildung  einer  Rnnie  in  ilen  Oesophagus  überzugehen.  Letzterer 
gleicht  einer  Retorte,  deren  Rand  schnabelförmig  ausgezogen  in  die  eben  erwähnte  Flinnnerrinne  übergeht. 
Der  Schlund  biegt  halbkreisfönnig  geschwungen  an  der  Hinterseite  des  Körpers  in  den  voluminösen  und 
nieln-faeh  gebuchteten  Magen  (v)  um  (Fig.  ö).  linn  hängt  ein  sackförmiger  langer  Leberschlauch  lA)  an, 
der  bis  zum  halben  Rektum  herabreicht  und  auf  der  Ventralseite  mit  einer  Reihe  enorm  grosser  Drüsen- 
zellen belegt  ist.  Es  ist  möglich,  dass  der  Lelierschlauch  als  Hepatopancreas  fungirt  und  dass  die  ver- 
schieden gestalteten  Zellen  verschieden  wirkende  Secrete  abscheiden.  Der  Darm  (ij  ist  weit  und  mündet 
in  das  hintere  Drittel  des  ebenfalls  weiten  Rektums  ()•)  ein.  Der  After  (a)  liegt  weit  nach  vorne  in  der 
Höhe  des  vorderen  Randes  der  Spiracula. 

Das  Nervensystem  zeigt  durchaus  die  gewohnte  Anordnung.  Das  relativ  kleine  Gehirn  (g.  c.) 
ist  in  zwei  Partieen,  eine  kleinere  vordere  und  eine  grössere,  das  Gehörl)läschen  enthaltende  hintere 
Partie ,  geschieden.  Von  ersterer  entspringen  die  beiden  bogenförmig  die  Mundöffnung  umfassenden 
Nerven  (n"),  während  von  letzterer  die  beiden  zu  den  Spiraeula  verlaufenden  'nur  ihr  Anfangstheil  war 
deutlich  nachweisbar)  und  der  mediane  Hauptstamm  (n)  abgehen.  Letzterer  repräsentirt  eine  Röhre  mit 
deutlich  nachweisbarem  Hohlraum;  er  verläuft  auf  der  Dorsalseite,  um  dann  rechts  nelx'U  dem  Rande 
des  Oesophagus  vorbeizustreichen  und  in  scharfem  Knick  auf  die  linke  Magenseitc  umzuliiegt'n.  Im 
weiteren  Verlauf  auf  die  linke  Seite  der  Cliorda  übersetzend  bildet  er  am  xVnfangstheil  derselben  (bis 
lang  gezogene  Caudalganglion  ((/^). 

Unter  den  Sinnesorganen  ist  die  rechts  nelten  dem  Nervenknoten  gelegene  Geruchsgrube  (olf.) 
als  grosser'  Trichter  mit  nach  hinten  gebogenem  und  in  der  Medianlinie  verlaufendem  zipfelfünnigen 
Ende  leicht  nachweisbar. 

Die  Muskulatur  (?;»()  erreicht  im  Umkreis  des  Pharynx  eine  der  Grösse  der  Thiere  entsprechende 
ansehnliche  Entwicklung.  Zwar  fällt  es  an  dem  conservirten  Material  nicht  leicht,  die  einzelnen  Züge 
der  Fasern  scharf  zu  erkennen,  doch  glaube  ich  auf  Figur  4  die  hauptsächlichsten  Bänder  angedeutet  zu 
haben.     Besonders  reichlich  sind  die  Muskelzellen  am  vonleren  Körpei-ende  entwickelt. 

Ein  Herz  konnte  ich  an  dem  conservirten  Material  nicht  naclnveisen,  wenn  auch  seine  Existenz 
sehr  wahrscheinlich  ist. 

Der  Ruderschwanz  ist  auffällig  breit  und  lässt  leicht  mit  unbewaffnetem  Auge  die  hell  durch- 
schimmernde Chorda  (e/()  erkennen.  Die  beiden  Äluskelplatten  desselben  sind  vorn  etwas  vei-jüngt  und 
enden  hinten  (Fig.  3)  scharf  zugespitzt.  Li  der  Mitte  des  Schwanzes  sind  sie  3  mm  breit.  Die  Flosseu- 
säume  verbreitern  sich  gegen  das  Ende  des  Schwanzes.  Er  misst  bei  dem  grössten  Exemplar  24  mm 
bei  einer  Breite  von  5  mm. 

Die  Geschlechtsorgane  liegen  bei  ib'iii  jüngsten  Exemjilar  als  relativ  kleine  männliche  Drüse  am 
hinteren   Kiirperende  (Fig.   ö  t.).     Letztere    ist    fein    graiuilirt    und    lässt    einen    uvarialen   Abschnitt  nicht 

('.   ('biin.  liif  iMla(,MScbp  Tiiiprwch.  f'i 


ö     42     E> 

erkennen.  Dasi^oji^en  war  das  Lcrösste  Exeiii|)lar  (Fii;'.  3)  in  \-ollei'  wcibliclicr  Reife.  Einzelne  Eier  hatten 
sicii  bereits  gelöst  uml  lan'cn  in  dem  das  Ovariuni  (ov)  nnis;ebenden  Abschnitt  der  Leibeshöhle  (c.)  Ein 
Einblick  in  die  feineren  Details  kann  sich  erst  auf  Sclniittserien  ergeben,  in  die  ich  l)is  jetzt  die  wenigen 
Exemplare  noch  niclit  zerlegt  habe. 

Keines  der  drei  Individuen  besass  ein  Gehäuse.  Da  dasselbe  bei  allen  AiJjiendicularien  sich 
sehr  leicht  vom  Thiei-e  trennt,  so  kann  sein  Mangel  bei  dem  langen  Transport  aus  der  Tiefe  nicht  auf- 
fällig scheinen.  Es  niuss  übrigens  ansehnliche  Dimensionen  erreichen  und  ich  vcrmuthe,  dass  eigen- 
thümlich  aussehende  rundliche  Gehäuse  mit  dicken  Wandungen,  in  ilenen  Phronima  sedentaria  sass,  den 
grossen  Appendicularien  angehören.  P.  M  a  y  e  r  *)  hat  ja  darauf  hingewiesen,  dass  die  Phronimiden 
nicht  gerade  wählerisch  mit  Gehäusen  sind  und  geschickt  dieselben  <lem  Zweck  entsprechend  herrichten. 

Was  die  morphologische  Bedeutung  der  Appendiculariengehäuse  anbelangt,  so  unterliegt  keinem 
Zweifel,  dass  sie  dem  Cellulosemantel  der  höheren  Tunicaten  homolog  sind.  Der  Mangel  zelliger  Einlage- 
rungen und  der  lockere  Verband  mit  dem  Thiore  können  um  so  weniger  gegen  eine  solche  Deutung 
verwerthet  werden,  als  ja  auch  bei  den  Dolioliden  die  Tunica  strukturlos  ist  und  ebenso  wie  bei  den 
Appendicularien  abgestreift  und  neu  gebildet  werden   kann,  -j 

2.  Pijyosomata.  Von  Pi/rosoma  nüanticnni  i'rbeutete  ich  die  Larven  aus  verschiedenen  Tiefen 
(100  M.  im  (iolfe,  600  JL  vor  Capri,  800  M.  vor  Iseliia  und  1200  M.  vnr  Cai)ri  Ende  September  und 
Anfang  October).  Sie  zeigten  die  4  Ascidiozoide ;  nur  eine  Ijesass  deren  acht.  Im  .lanuar  waren  sie 
sehr  häufig  in  der  Tiefe  und  neben  jungen  Larven  ti'aten  aucli  bereits  kleine  Colonien  von  1  cm  Grösse 
auf.  Es  scheint  demnach,  dass  die  Pyrosomen  als  Larven  die  Tiefe  bevorzugen  und 
dass  sie  im  Laufe  des  Winters,  zu  jungen  Colonien  herangewachsen,  sich  an  die 
Oberfläche  begeben.  In  dem  Schliessnetze  fanden  sich  junge  Larven  am  13.  .Januar  aus  300  und 
aus  1200  M.  Tiefe. 

3.  Stdjjae.  ISalpa  democratica-mucronata  war  im  Sonmier  nicht  nur  an  der  Oberfläche,  sondern 
auch  in  allen  Tiefen  häufig.  In  dem  Schliessnetz  erhielt  ich  mehrere  Exemjjlare  zweimal  aus  600  M. 
und  einmal  aus  900  und  aus  1300  M.  Saljxi  muxima-Africana  fehlte  in  den  grösseren  Tiefen.  An  der 
Oberfläche  traf  ich  sie  häufig  und  vereinzelt  in  geringeren  Tiefen  von  50  M.  Prof.  Dohrn  theilt  mir 
indessen  mit,  dass  ihm  während  eines  Sommermonats  das  massenhafte  Vorkonunen  von  S.  maxima  in  dem 
Inhalt  der  von  Fischern  gezogenen   Grundnetze  aufgefallen   sei. 

4.  DoUolidae.  Mit  dem  grossen  Netze  fischte  ich  4  Exemplare  einer  grossen  Dolioluni-Annue 
von  2,5  und  3  cm  Länge  aus  600  M.  (Caprii  1200  JI.  (Capri)  und  1300  M.  (Tschia).  Solch'  ansehnliche 
Dolioliden  sind  in  dem  Golfe  zwar  noch  niclit  becibaclitct  wurden,  diu'li  iTscheinen  sie  an  anderen 
Theilen  des  Mittelmeeres  (z.  B.  bei  Villafranca)  g(>legentlicli  an  der  <  »bei'Häclu'.  Auch  im  .lanuar 
gelangten  sie  noch  aus  denselben  Tiefen  zur  Bi'obachtung. 

Kleinere  Dolioliden  fehhin  ebenfalls  nicht  in  der  Tiefe.  In  dem  Schliessnetz  fand  ich  im 
October  je  eine  kleine   Ammr   in   2  Zügen  aus  600  M. 


')  P.  Mayer,  C'Hrcinologische  Mitth.  2.    IJie  Gehäuse  der  Phi-uniiniden.  Mitth.  Zuol.  Station  Noapel   1879  Bd    1   p.  46. 
^)  B.  Uljanin.     Doliolum.     Fauna  Flora  d.   Golfes  v.   Neapel   10  Mouoprr.   188i)   p.    14. 


— ö     43     5^- 


VJTT,    Pisccs. 


Eiue  grosso  Zahl  von  Fisclilarvcn  fand  sieh  in  allen  Tiefen  von  ßO  Meti-rn  an  Ins  zu  loUO  Kielern. 
Ihre  Zugehörigkeit  zu  einzelnen  Arten  wirtl  sieh  allerdings  erst  hestinnuen  lassen,  wenn  vullkoniniene 
Serien  von  Entwickclungsstadien  vorliegen.  Innnerhin  erwähne  ich,  ilass  iluri'hsiehtii;c.  zart  rosa 
schinunernde  synunelrische  Larven  \tm  Platessen  mit  einem  Fühlladrii  in  di-r  Xackcngcgcnd  in  geringeren 
Tiefi'n  von  80 — 100  ]\[.  iiäuHg  sind.  Auf  diese  wurden  schon  im  .liuii  Sai\-ator(^  und  Dr.  Raffacile, 
welch'  letzterer  die  von  niii'  gesannnelten  Larven  bearheiten  wiril,  autiiierk.sam.  Sie  seheinen  übrigens 
m)eh  tiefer  herabzusteigen,  da  ich  eine  derselben  im  Schliessnetz  aiis  800  JL  Tiefe  vor  Iseliia  vorfand. 
Ueberhaupt  enthielten  .lie  Sehliessnetze  aus  (500  iL  (Capri)  900  M.  (Iseliiaj  1000  und  1200  iL  (Capri) 
kleine  Fischlarveu,  von  dem-n  eine  ofiV'nbar  dem  merkwürdigen  Kralniiiix  filamentoxiis  Costa,  eine  andere 
den  Pedieulaten  zugehört. 


III. 


allgemeiner  Tlieil, 


Aus  eleu  bisher  MUgefülu'teu  Thatsacheu  über  die  vertikale  Verbreituuij,-  der  i)ela,i;-i.scli  lebeudeu 
Seethiere  ergebeu  sich  folgeude  allgemeiue  Resultate : 

1.  Die  untersuchten  Theile  des  Mittelmeeres  zeigen  soM-ohl  an  der  0  berfliiche 
wie  in  allen   Tiefen  bis  zu   1400  Meter  ein  reiches  pelagisches  Thierlcben. 

2.  Pelagische  T  liiere,  welche  während  des  Winters  und  Frühjahrs  an  der 
Oberfläche  e  r  s  e  h  e  i  n  e  n ,  -s  u  c  h  e  n  mit  B  e  g  i  n  n   des  >S  o  m  m  e  r  s  die  Tiefe  a  u  f. 

3.  In  grösseren  Tiefen  kommen  pelagische  Thiere  vor,  die  liisher  an  der 
Oberfläche  selten  oder  noch  gar  nicht  beobachtet  wurden. 

4.  Eine  Anzahl  jielagischer  Thiere  verl)  leibt  auch  während  des  Sommers  an 
der  Oberfläche  und  steigt  nie  in  die  Tiefe. 

Icli  >\ill  versuchen,  in  Kürze  nach  den  hier  angeführten  (jesicht_spunkten  die  geographische 
'N'erbreitung  der  pelagisch  lebenden  Seethiere  in  vertikaler  Richtung  zu  erörtern. 

1.  Ueber  die  vertikale  Verbreitung  der  pelagischen  Fauna. 

Unsere  bisherigen  Anschauungen  über  die  Mögliclikeit  einer  Existenz  von  pelagischen  Thieren 
zwischen  der  Oberfläche  und  dem  Meeresgrunde  haben  sich  durchaus  noch  nicht  geklärt.  Während 
man  einerseits  auf  nachher  zu  erwähnende  exakte  Versuche  hin  die  Auffassung  vertritt,  dass  zwischen 
der  Oberfläclientimna  und  den  am  *Trunde  lebenden  Tiefseethieren  azoische  Wassei-schicliten  vorhanden 
seien  —  eine  Ansicht,  die  mit  Voriieljc  in  den  mehr  populär  gehaltenen  Schriften  gelehrt  wird  —  so 
neigen  sicli  eine  A)izaiil  von  Forsch(>.rn  der  Anschauung  zu,  tlass  auch  die  tiefen  Wasserschichten  des 
thierischcn  Lebens  nicht  entbchi'cii.  In  der  Tliat  lassen  vereinzelte  P^imle  mit  ziemlicher  Siclierheit 
darauf  schliessen,   dass  die  grfisscreu   Meei'estit^fcn   von   pelagischen    Thieren   bc\-ölkert   werden. 

Bei  den  Tiefeidothungen,  welche  wäiirend  der  Rt'isc;  der  Corvettc  „Gazelle'"  um  die  Erde 
1874 — 1876  angestellt  wurden,  fanden  sich  wiederholt  an   der  Lothhdne  ganze  Siphono|)h(iren   uml  Theile 


K3     45     B^^ 

derselljcu.  Wie  Studcr')  iu  seinen  interessanten  Mittlieilunfi'cn  über  cliesellx-n  berichtet,  so  fallen  die 
häutig'sten   Funde  auf  Tiefen  von  800 — 1500  Pfaden  mit  Temperaturen   von  2 — 3  "  C. 

Um  den  Nachweis  von  jielaj^-isclu'U  Tliicren  in  i^-rossi'n  Tiefen  zu  erlirinj^-en,  wendete  man  auf 
dem  Ch  all  enger-')  die  „tow-nets"  an,  welche  anfanglich  bis  zu  800  Faden  herabgelassen  und  späterhin 
direkt  an  dem  Tau  der  Dretsche  befestigt  Avurden.  Sie  wurden  theils  in  horizontaler  Richtung  gezogen, 
theils  derart  an  dem  Tau  befestigt,  dass  sie  erst  liei  dem  Aufwinden  in  d(-r  Vertikalen  die  gesammte 
Wassersäule  durchfurchten. 

Stets  enthielten  sie  pelagische  Thiere,  welche  an  der  Oberfläche  nicht  beobachtet  wurden,  und 
der  "\'erwendung  dieser  Taimetze  ist  vorwiegend  die  Entdeckung  der  merkwürdigen  Challengeriden 
unter  den  Radiolarien  zu  verdanken.  Der  Uebelstand  freilich,  dass  diese  Netze  die  gesammte  Wasser- 
masse oft  stundenlang  in  vertikaler  Richtung  durchziehen  mnssten,  ehe  sie  an  die  Oberfläche  gelangten, 
mag  es  mit  sich  gebracht  haben,  dass  die  einzelnen  Bearbeiter  des  Challenger-Materiales  nur  mit  grosser 
Reserve  die  Vcrmuthung  aussprechen,  es  niöehten  gewisse  in  den  Netzen  enthaltene  Thiere  auch  that- 
sächlich  in  bestimmten  Tiefen  gelebt  haben.  Als  ein  Beispiel  für  viele  l'ühre  ich  die  Aeusserung  von 
Spence  Bäte  (Narrat.  Vol.  II,  p.  528)  an:  „Before  we  shall  be  able  to  determine  with  accuracy  the 
relative  bathymetrical  distribution  of  the  Crustacea,  it  is  desirable  th.nt  we  should  be  able  to  sweep  thc 
ocean  at  various  dei)thB  without  fear  of  entangling  specimens  from  other  .strata  than  those  required. 
Owing  to  the  coustruction  of  the  apparatus  in  use  for  dredging  and  drawling,  it  is  difficult  to  determine 
whether  a  specmien  fri>m  a  Station  with  a  rccorded  depth  may  or  may  not  have  become  entanglcd  in 
the  nets  during  the  downward  m-  upward  passage  through  the  water."  So  mag  es  denn  gekommen 
sein,  dass  andere  Beobachter,  so  z.  B.  Sars  in  seiner  Bearbeitung  der  Schizopoden  des  Challenger,' auf 
Tiefenangaben  des  in  den  Taunetzen  gesammelten  Materiales  verzichten.  Nur  Haeckel,^;  dem 
allerdings  das  weitaus  reichhaltigste  und  interessanteste  Material  aus  den  Taunetzen  zur  Verfügung 
steht,  bemidit  sich  die  vertikale  Verbi-eitung  der  Radiolarien  nach  Zonen  zu  gliedern.  Er  unterscheidet 
1.  pelagische,  an  der  Oberfläche  des  Jleeres  schwebende,  2.  zonare,  in  bestimmten  Meerestiefen  schwebende 
und  3.  profunde,  auf  dem  Boden  des  Meeres  lebende  Formen.  Was  seine  Nomenclatur  anbetrift't,  so 
möchte  ich  mit  Rücksiclit  auf  die  encn-men  Excursionen,  welche  nicht  nur  von  Radiolarien  (s.  oben 
Brandt  p.  10  i,  sondei-n  auch  von  sonstigen  pelagischen  Thieren  in  vertikaler  Richtung  unteiiionimen  werden, 
vorschlagen,  den  Ausdruck  ,.pelagisch"  überhanjjt  auf  alle  flottirenden  Thiere  im  Gegensatz  zu  festsitzenden 
und  beweglichen  „profunden"'  anzuwenden.  Für  jene  pelagische  Formen,  welche  constant  nur  au  der  Ober- 
fläche vorkonunen,  wende  ich  die  Bezeichnung  ,,su))erficialc"  an,  während  für  die  auf  bcstinnnte  Tiefen- 
zonen angewiesene  pelagische  Thiere  die  Benennung  ..zonare"  gelten  lilidlitVi.  Haeckel  s  und  I\Iurray  s 
Darlegungen  ist  es  wohl  vorwiegend  zuzuschreiben,  wenn  man  neuerdings  der  Ansicht  zuneigt,  dass  die 
grossen   Tiefen,  wenn  auch   relativ  arm  an   Thieren,  so  doch  wenigstens  von  Radiolarien  bevölkert  werden. 


')  TU.   Stuiler.     l'eber  SiiilioMoiilioreu  des  tiefen  Wassers.     Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.   I!(l.  31,   1878  p.   1 — S. 

'-)  Tlie  Voyage   of  Challenger.  Xarrativc   by   \V.  Thomson   and  T.  Murray  Vol.   I,   1885,  p.  79. 

■■)  E.  Haeckel.  Entwuif  c-ine.s  Radiolarieu-Öystems  auf  Grund  der  Challenger- Radiolarien.  .)en.  Zeitschr.  f. 
Katurw.   Hd.   15,  p.  422. 

■•)  .Jene  Thiere,  welche  nicht  an  bestimmte  Zonen  gebunden  sind,  .«ondern  von  der  Oberfläche  au  bis  zu  gro.ssen 
Tiefen  herabsteigen,  könnten  als  „iuterzonare"   pelagische   Thiere  bezeichnet  werden. 


¥3     46     S> 

A.  Agasbiz')  vcrliiilt  sich  freilich  den  ]k'tuiidcii  des  Challcnj^-er  j;'egc'iiüber  sola-  kritisch: 
^The  specimens  Lrought  up  hy  tlie  „Clialleng-ei-"  froni  intcniiediate  depths  are  inconclusive,  since  the 
nets  used  wcre  the  ordinary  tow-ncts,  whicli  were  seilt  dowii  opcm,  kept  open  while  towiiig,  and  reniained 
open  while  Coming  up.  It  is  perfectly  true  that  Ijy  differentiation  of  the  contents  of  the  several  nets 
at  one  locality  some  approximate  resiilts  may  be  obtaincsd,  if  the  work  were  carried  on  for  a  long  period, 
but  an  occasional  haul  taken  l)y  itself  nieans  nothing."  Er  wendet  selbt  den  S  i  g  s  b  e  e  '  sehen  ^)  Cylinder 
(cf.  p.  3)  in  Wasserschichten  von  5 — 150  Faden  unter  der  ()lierriäclie  an  und  kommt  zur  Ueberzeugung, 
dass  die  pelagischen  Thiere  nicht  tiefer  als  bis  100  Faden  gehen  und  dass  es  keine  eigenthüraliche  Fauna 
zwischen  Oberfläche  und  Bodenfauna  giebt. 

Während  hier  also  von  gewichtiger  »Seite  zum  TJieil  gereciitfertigte  Bedenken  nicht  nur  gegen 
die  Resultate  des  Challenger,  sondern  überhaupt  gegen  das  Vorhandensein  einer  pelagischen  Tiefseefauna 
geäussert  werden,  so  sind  es  wiederum  an  der  Lotiileine  haften  geblieljene  Tiefseesi|iliiiniiphoren,  welche 
zu  den  ersten  exakten  Versuchen  Veranlassung  geben.  Wir  verdanken  sie  C  h  i  e  r  c  li  i  a  ,  einem  italienischen 
Jlarineoffizier,  der,  aitf  der  zoologischen  Station  zu  Nea})el  in  der  Conservirung  zarterer  Formen  vor- 
geljüdet,  in  einem  anschaiilichen  Berichte  ^)  seine  erfolgreiche  Thätigkeit  während  der  Erdumsegelung  des 
„Vettor  Pisaiii"  schildert.  Chierchia  ist  nicht  nur  Sammler,  sondern  auch  ein  denkender  Beobachter 
uml  so  sucht  er  denn,  als  im  Paciiischen  Ocean  wiederum  Bruchstücke  von  Siphonophoren  an  der  Loth- 
leine  von  1000  Meter  Tiefe  an  hängen  geblieben,  sich  Rechenschaft  zu  gel)en.  ob  sie  thatsächlich  in 
iener  Tiefe  lebten.  Dem  Commandeur  des  „Vettor  Pisani",  Paluml)o,  gelang  es  denn,  ein  Schliess- 
netz  zu  construiren  (es  ist  auf  Tat".  10  der  Chierchia'schen  Beschreibung  abgebildet),  das  in  Verbindung 
mit  dem  Tiefseethermometer  von  Negretti  und  Zaml)ra   in  beliebiger  Tiefe  geschlossen  werden  konnte. 

Thatsächlich  waren  denn  auch  in  dem  Netze  Siphonophoren,  Copeiioden,  Sagitten  und  Pteropoden 
enthalten.  Es  ist  immerhin  auffällig,  dass  solche  hereingeriethen,  da  der  Natur  der  Sache  nach  das  an 
der  Lothleine  befestigte  Netz  nicht  in  horizontaler  Richtung  durch  das  Wasser  gezogen  wurde,  sondern 
an  einem  bestimmten  Punkte  ruhig  stehend  eine  Zeit  lang  offen  blieb  und  dann  durch  das  herabfallende 
Gewicht  zugeschlagen  wurde. 

Als  ich  das  interessante  Material  von  Tiefseesiphonophoren,  welches  Chierchia  erbeutet  hatte,  zur 
Bearbeitung  überwiesen  bekam  und  in  dem  Mageninhalt  derselben  Copepoden  und  Sagitten  auffand, 
wurde  der  Wunsch  rege,  die  immerhin  recht  spärlichen  und  zum  Thoil  angefochtenen  Funde  pelagischer 
Tiefseethiere  einer  genaueren  Controle  durch  eigene  Untersuchungen  zu  unterwerfen. 

Es  lag,  wie  ich  das  in  der  Einleitung  andeutete,  in  der  Natur  der  Sache,  dass  ich  zu  Unter- 
suchungen, welche  einen  umfänglichen  Apparat  von  Instrumenten,  einen  Dampfer  uml  ein  geschultes 
Personal  erfordern,  die  zoologische  Station  zu  Neapel  aufsuchte.     Freilich   crchi(ni  es  mir  ^"on  vornherein 


')  A.  Agassiz.  On  de  dredgiiig  Operations  of  the  U.  S.  Coast  Survey  Sr.  „Blake"  1878.  Bnll.  Mus.  Comp.  Zool. 
Cambr.  Vol.  5  No.  1,  p.  8. 

■^)  C.  Sigsbee.  Description  of  Gi-avitating  tra])  for  obtaining  specimens  of  aiiinial  life  froni  intermedi.al  Ocean- 
Depths  ibid.  Vol.   6.   No.  9   1880  p.   155- 

A.  Agassiz  ibid.  N.  8  p.  153  „The  exppriments  appear  to  prove  conrliisively  that  the  surfaee  fauna  of  the  sea 
is  really  limited  to  a  comparatively  narrow  belt  in  depth,  and  tliat  there  is  iio  inteiniediate  belt,  so  to  speak  ,  of  animal  life 
between  those  living  on  the  bottom,   oi-  c.lose  to   it,  and   tlie   sui'faci^  pelagic  fauna." 

^)  ftaetano   Chierchia.     Collezioni   jier  stndj   di   scienze  natural!.      Kivista  luariftinia  sett.   Ott.   c  nov.   1885. 


i3     47     D^ 

fraglich,    ol)  das  Mittiliueci-    liczü.u'licli    i'iiuT    iidstulirtcu    pelagisclicn    Tiefsccfauiia    irgxnid    eine  Analogie 
zum  Oceau   ilarliiuleii  wünlc 

Die  ExistenzlKMliiiguugcn  in  ili'u  tieferen  Schichten  des  Jlittclnieeres  sind  durchaus  verschieden 
von  jenen  des  Oceans.  Was  die  Temperatur  des  Wassers  in  grösseren  Tiefen  anbelangt,  so  zeigt  sie 
mit  auffälliger  Cfmstanz  13"  C,  konniit  also  der  durchschnittlichen  niedrigsten  Wintcrtemperatur  des 
OberHäehenwassers  gleich.  Diese  Temperatur  wird  relativ  rasch  erreicht.  Um  ein  Beispiel  anzuführen, 
so  wähle  ich  eine  typische  Serie  von  Messungen,  die  von  dem  „Washingtim"  unter  dem  ("unnnando 
des  verdienten  Chefs  des  hydrographischen  Amtes,  Magnaghi,  ausgeführt  wunlen  'i  lam  27.  August  1881 
39  0  20'  N.  L.  13»  10'  E.  (4r.) 

OLerHäche 2()"  C. 

30  Meter 19  ",5  „ 

50  „        ......  1G^H  „ 

8iJ 14",9  „ 

100  , 14",5  ,. 

150 14",3  „ 

200  , 14"  „ 

300  , 14"  ~ 

500 14",1  ,. 

800  „        13",ö  ,. 

1000  „ 13»,6  „ 

2500  „        ......  130,3  ,. 

3550 13''.3  ., 

Nach  den  von  Washingtnn  im  .Tuli  bis  September  ausgeführten  Temperaturseriell  halie  ich  die 
Mittel  berechnet  auf:  ^) 

50  Meter lx°A  C.  (6j 

100       „        15  ",3  ..  (Dl 

150       „        14",1  ..  7 

200       .,        14"  „  (7) 

300 13  ",8  „  (8) 

500       „ .  13»,9  „  (3) 

1000       „        13  ",5  „  (3) 

Wir  wissen   fernerhin    durch   Ca  r  |i  e  n  t  e  r 's'^j   Untersuchungen,    ibiss    der  (jelialt    an   Kojih-nsäure 


')   E.   Gig-lioli.      L:i  scoperta  di  uiui  l'auna  nbissale  nel  Mediterraneo.  Atti  del  III  Congresso  Geografico  Iiiteniaz.  )).  .'>3. 
'0  Die  hinter  den  Teniperaturgraden  eingeklammerte  Ziffer  giebt  üif  Zahl  der  Beobachtnngeu  an. 

')  W.   B.  Carpenter,  Repurt.  on  si-ientirie  researcUes  carried  on   durins  tlie  niontbs  of  Aug.,   Sept.,   Okt.   1871    iu  H. 
M.  siirveving-ship   ,.Shp;ir»ater''   Proe.   Koy.  Soc.  N.   138,  London   1S72.  p.   535. 


IG     48     a 

in  den  vdiu  Wasser  absorbirten  Gasen  in  den  Tiefen  des  Mittelmeeres  bedeutend  hoher  ist  als  in  dem 
Oeean  und  unii;-ekehrt  der  Gelialt  an  Sauerstoff  bedeutend  geringer^). 

Uer  Grund  zu  so  auffälligen  Temperaturdifferenzen  zwischen  Mittelmeer  und  Oeean  liegt  iu  der 
Trennung  beider  durch  die  unterseeische  Barriere  iu  der  Meerenge  von  Gibraltar,  welche  nur  eine 
Mischung  der  oberflächlichen  Schichten  gestattet  und  den  Eintritt  der  kalten  polaren  Grundströme  ver- 
hindert. Da  die  Angaben  üijer  die  Tiefenverhältnisse  in  der  Meerenge  in  den  geographischen  Hand- 
büchern vielfach  abweichen  (die  genauesten  Daten  giebt  Boguslawski  im  Handbuch  der  Oceanographie 
Bd.  I.,  1884,  p.  91),  so  wendete  ich  mich  an  meinen  Freund  Colombo,  der  als  Marineofficier  an  den 
Lothuugen  des  „Washington"  betheiligt  war  und  mir  bereitwillig  die  Befunde  desselben  zur  Verfügung 
stellte.  Hiernach  ergibt  sich  die  Meerenge  an  einer  Stelle  liedeutend  flacher,  als  man  bisher  angenommen. 
Fast  genau  in  der  Jlitte  zwischen  Cap  Spartel  und  Ca])  Trafalgar  wurden  nur  45  Faden  (82  Meter) 
gelothet.  Von  hier  aus  fällt  nach  beiden  Seiten  der  unterseeische  Rücken  ab;  in  der  Mitte  der  Meer- 
enge, östlich  der  Linie  Cap  Spartel — Cap  Trafalgar,  l)etrug  die  geringste  gelothete  Tiefe  nach  jener  von 
45  Faden  bereits  152  Faden  (278  Meter). 

Da  also  eine  relativ  geringe  Erhebung  von  90  Metern  genügen  Avüi'de,  um  das  Mittelmeer  voll- 
ständig vom  Oeean  abzuschliessen,  so  liegt  es  auf  der  Hand,  dass  eine  pelagische  Tiefenfauna  des  Oceans 
seit  Existenz  des  unterseeischen  Rückens  keine  Mischung  mit  derjenigen  des  Slittelmeercs  eingehen  konnte. 
Es  war  mir  somit  fraglich,  ob  überhaupt  im  Mittelmccr  eine  pelagische  Tiefenfauna  existiren  möchte, 
denn  der  von  mir  1877  erbrachte  Nachweis  über  das  Niedersinken  an  der  Oberfläche  erscheinender 
Thiere  bis  in  eine  Tiefe  von  100  Metern  stinnnt  ja  völlig  mit  den  Beobachtungen  A.  Agassiz's  überein 
und  lässt  keinen  Rückschluss  auf  das  Vorkommen  einer  Fauna  in  den  tiefen  Schichten  zu.  Wie  Agassiz 
eine  pelagische  Fauna  unterhalb  der  Hundortfadenlinie  iu  Abrede  stellt,  so  hält  es  denn  auch  Carpent er 
(1.  c.  p.  588)  für  unmöglich ,  dass  im  Mittelmeer  tliierisches  Leben  tiefer  als  200  Pfaden  hinabreiche. 
..I  am  disposed  to  believe,  that  in  tlie  Mediterranean  Basin  the  existence  of  Aninial  life  in  any  abundance 
at  a  depth  greater  than  200  fathoms  will  be  found  quite  exceptional ;  and  that,  without  pronouncing  its 
dept'hs  to  be  absolutely  azoic,  we  may  safely  assert  them  to  present  a  most  striking  constrast,  in  respect 
of  Animal  life  to  those  marine  Paradises  which  we  continually  met  with  in  the  Eastern  and  Northern 
Atlantic  at  depths  l)et^\'^■en  500  and  1200  Fathoms."  Cari)enter  drückt  sich  mit  Recht  vorsicliti.ü,-  aus, 
denn  die  Befunde  des  Ingenieurs  .Tenking  (1860)  an  dem  Kabel  zwischen  Cagliari  und  Bona  und  ein- 
zelne Tliierformen ,  welche  die  „Porcupinc"  aus  grösserer  Tiefe  drctschte,  waren  ihm  nicht  unbekannt. 
Die  Entdeckungen  des  „Trävailleur"  und  die  schönen  Untersuchungen  Giglioli's  mit  dem  „Washington" 
haben  denn  auch  für  das  Mittelmcer  die  alten  Anschauungen  von  Fori»  es  tilier  den  ^Mangel  des  Tliier- 
lelions  auf  dem  Meeresgrunde  zu  Grabe   getragen. 

Ich  glaube  denn,  dass  nun  auch  der  von  mir  erbi'achte  strikte  Nachweis  von  der  Existenz  einer 
pelagischen  Tiefenfauna  einiges  Interesse  darbieten  wird.    Als  ich  zum  ersten  Male  am   9.  September  acht 


')  Die  Untersuelmugeu  Ca  r  p  eilte  r' s  (I.  u.  p.  5S6)  liedürten  (lm'cli;i\is  einer  Priit'iuii?  iiaili  l'rolmii  ans  versclücflciieii 
Tiefen.  Es  scheint  mir  l<anm  ylauljlicli,  dass  bei  GO''/'r  COa,  ö'/n  O  und  2S"'.>  S  im  SJittelmoer  ein  leivlies  Tliipileben  in  der 
Tiefe  zn  existiren  vermag. 

Uebev  die  procentnale  Zusammensetzuns'  der  im  Soewasser  alisorbii ten  Gase  vergl.  die  Tabelle  i}i  Murray:  Kep. 
Challenger.     Narrative  Vol.  M.,  p.  997. 


<3     49     a 

Secnu'ilon  westlich  von  den  Ponza-Iiisclii  aus  1300  Bieter  Tiefe  das  Netz  y.n-^,  ila  war  die  UelxTrascliuiii;,- 
üb<T  den  i;-eradezu  erstauiilielien  Reielitlnun  ilei'  Tiefe  an  |iela,t;iselien  Firmen  nieiit  f^crinj;-.  .  Kleine 
craspednte  Medusen,  Venusf^-üi'tcl.  1  )i|iliyidcn.  Tniiiii|jteriden,  Sa,u-itten.  Aleio|iidcn.  zaiillose  ('o|ie]i(iden. 
die.Styli'elicii-cn,  Larven  \-(in  I  )ei<aiindcn.  A|i|icndiculai-icn,  l'tc|-"|M.(lcn  und  klriin'  iiin-cli>irlili;^c  (  cijli.dn- 
IKiden  :  das  Alles  dran;;t  und  tn-iljt  -ieli  in  i-ei;cni  (icwinnnel  durelicinandi-i-.  ürdrukl  man.  dass  das 
Netz  auf  das  ( ieradewi.lil  in  dir  Tiefe  lii-ialii;-ela>sen  wii-d,  waln-c-nd  inan  an  der  (  Hn-rriaelie  nur  auf 
eri;-iel)iii,-en  Fan.i;'  in  den  Sti-nniun,:;cii  'edi-reiiti)  rechnet,  m>  niuss  die  .Massenhaiii.iikeit  de>  lliieri-(dien 
Lehens  in  dei-  'l'iete  in  leilieni  ( ir;ide  ülien'aM-lien,  Wer  weiss,  cih  nicht  im  Laid'e  der  Zeit  unsei-e  Anschauuniiiai 
einem  vdlli^en  Umschwunu-  ent,ueucn;;c|ien  und  oh  nicht  ,::-erade  die  Tiele  ;il>  dei'  ei-iaitliche  M  utleriicMh-n 
pe!ai;-isciuai  Thiei-h'hens  vich  her.-iusstelh.  \(in  dem  zeitweilig-  Schwärme  sowi.hl  an  die  (  >h<-i-tl;iehe.  wie  auf 
den  3Ieeress;Tund  ent>endet  wc-ithai  I  Nur  wenii;-e  f^oianen  sind  e>  j.-i.  die  mi  vo||>t,-lndi,-'  den  wecliselnden 
Existenziiediii-iuiucn    ;in    de|-  •  »herfhiehe  ^ieh   an|ia>steii.    (hass  sie  nicht  mehi-  die  tieferen  Schichten  auf>uciien. 

Ich  enthalte  niicli  all(a-ilin.;;s  «-eiterer  Schlüsse  aus  l'>eoliaclituii,L;en,  die  nur  ilhia'  zwei  MdUate  sied: 
erstrecken,  aber  ich  will  dnch  liervoi-hehen,  ihiss  Dr.  lirandt  und  \-.  Petersen,  die  auf  meine  15itte 
hin  noch  im  Januar  vov  ('api-i  in  der  Tiefe  tischten,  eine  autfalli,L;-e  Almalune  in  der  (j)uantität  nicht  con- 
statiren  konnten.  In  dem  \iin  ihnen  idieiseiideten  Jlaterial  fand  ich  fast  durchwejj,-  dieselhen  Arten 
wieder,  die   ich   Ende  des  Summei's  erli(aitet   hatte. 

Auch  im  freien  <  U'ean  niu>s  die  (^>u;iutitat  in  iha-  Tiefe-  lehendi-r  iielai;-ischer  Tliiere  eine  eniirnu' 
sein.  Wenn  man  l]ei|eid<t.  das^  auf  lan^'en  Strecken  im  l'acitisclien  •  »cean  fast  "hm-  .\u^nahule  an  dci- 
Lothleine  Si])lioini|ilioren  hafteti-n  iCliierchia  I.e.  p.  8öi,  die  ihrerseits  die  f'oexistenz  von  kleineren  Nälir- 
thiereii  voraussetzen,  so  lässt  die  H;iufi,i;-keit  sujcher,  mit  den  denkhai'  uni;-ünstij;-sten  ]\Iitteln  erbeuteter 
FiU'inen    auf  einen    uu.i;e;dniten    Heichthum    schlie.ssen. 

Mit  solcher  Erk<-initni>s  tiiidet  ii-eilich  die  Fra.i;-e  nach  der  Lruälii-un:;-  ih-r  am  <i  runde  leljenden 
Tiet'seetliiere  eine  einfache  Liisuuf;-.  p]s  sind  ja  nicht  die  ^-rossen  'J'iefen,  in  <leneu  d;is  thiei-ische  Lehen 
sich  üiijii^-  entfaltet,  sondern  im  Al|t!,-eineiiu-n  eim-  Zone  zwischen  800 — 20<t0  [Meter,  welche  die  unter- 
seeischen Paradiese  hir^t,  v.ui  denen  C'.-i  r  p  e  n  t  e  i-  spricht,  und  die  Wiildei-  vcui  rrinoiden,  welche  die 
Dretsche  des  „lilake"  dui-chfurchte.  Auch  'ihne  die  Resultate  aus  dian  IMittehm-ei-  c-infaeh  auf  den  Ocean 
übertraf;-en  zu  wollen,  so  deuten  duch  ilie  eben  an,i;-etuhi-ten  l>euli,ii']itini;;eu  daraid'  hin.  dass  es  nicht  das 
sciilechteste  Nährniaterial  ist,  \\-elches  den  Tiefseethieren  zukounut.  ]n  Milchei-  'i'iel'e  leben  i^-ewiss  )ielasi,-isclie 
Tliiere  in  derselben  iMasseidiaftin'keit  wie  ;ni  dei-  Oberfläclu-  und  es  braucht  nicht  <-in  im  Ver.^-leich  zti 
der  staunenswerthen  Fülle  von  Mrundthiia-en  t;-erin,ü;fti,ii,'i.<;-e,i'  Rei;'en  von  abü-est<irbiai<'n  r^eibern  zu  sein,  der, 
wie  das  Manna   d(Mi   .hnleu    in   der  ^^'üste,   von   oben   koinnieiid  zur   l-a-nähi-unii-  ilieut. 

.Teil  brauche  wohl  k.-ium  .-lusdi-ücklich  zu  betoiu-n,  ilass  unsere  Vorstelluuijen  über  die  alhnälige 
Besiedelunj;-  des  Meei'esurundes  mit  einei-  stattlichen  Fülle  v<in  Thiei'lorim-n  nun  aut-h  eine  ii-i-eifbare 
Fassunj;-  gewinnen.  Währiaid  man  liisher  lediglich  eine  langsanu-  Finwand(M-uiig  aus  seichtem  Wasser 
von  den  Küsten  aus  annahm,  sn  dürfti-  duch  eine  mindestens  ebenso  ausgiebige  Bevölkerung  direkt  in 
vertikaler  Richtung  \-on  Seilc-n  d<r  pel.igisch  lebenden  Thiere  stattget'unden  haben.  Pelagische  Larven- 
t'ormen  sowohl  wie  ausgebildete  Tlii<'re  nnigeii  sich  dem  Leben  auf  dem  <!runde  angeiiasst  lial)en,  da  sie 
ja  ge!eg(>ntlich   bis  auf  den    ^Meeresgrund    niedersinken,   ohne  abzusterlien. 

C.  Chnn,  die  pelagische  Tbierwelt.  7 


•     — ö     50     Qi 

Andererseits  dürfen  « ir  mit  Siolin-ln-it  annclnuen,  dass  der  <;TösstC'  Tlicil  der  Larven  \ini  Tirund- 
thicrcn  pelagiselic  Lebensweise  führt  nud  da  ist  die  Möj;licldveit  durclians  nicht  ausj^eschlossen,  dass  anch 
sie  in  Regionen  gehnigen,  -wo  das  Sonnenlielit  voll  auf  sie  einwirkt,  elu!  sie  sicli  wieder  in  ewiges  Dunkel 
zurückziehen. 

Doch  führen  uns  solche  Betrachtungen  bereits  zur  Darlegung  einer  sehr  l)i'nierkenswerthen  Lebens- 
ftusserung  der  pelagischen   Thierwelt,   welche   ich  im   folgenden   Kaiiitel  ausführlich   eriirtern   will. 


2.    Ueber  das  periodische  Auf-  und  Absteigen  pelagischer  Ttiiere. 

Eine  der  überraschendsten  Wahrnehmungen  war  für  mich  die  Tliatsache,  dass  iielagisclie  Thiere, 
welche  während  des  Winters  und  der  Früiijahi'snionate  die  OberHäche  bevölkern,  mit  Beginn  des  Sonnners 
nicht  nur  geringere  Tiefen  aufsuchen,  sondern  bis  auf  den  (4rund  des  Oceans  über  1000  Meter  tief  herab- 
steigen. Kein  Ort  ist  freilich  günstiger  zur  Constatirung  dieser  Thatsache  als  der  (jolf  von  Neapel.  Seit 
Jahren  wird  in  der  zoologischen  Station  über  das  Erscheinen  und  Verschwinden  pelagischer  Thiere  an 
der  Oberfläche  Protokoll  geführt.  Die  Listen  Seh  m  i  d  1 1  ein  s ';  und  die  hoifentlich  bald  veröffentlichten 
Aufzeichnungen  von  Salvatore  lo  Bianco  ge!)en  über  die  Erscheinungszeit  einer  ganz  stattlichen 
Reihe  derselben  Aufschluss.  Aus  diesen  sowohl,  wie  aus  den  zahlreichen  Erfahrungen  der  einzelnen 
Beobachter,  welche  längere  Zeit  hindurch  mit  dem  Studium  pelagischer  Thiergruppen  sich  beschäftigten, 
geht  hervor,  dass  etwa  gegen  Ende  Mai  die  Zahl  der  pelagischen  Thiere  sich  auffällig  zu  verringern 
beginnt,  dass  ganze  Gruppen  %-on  der  Oberfläche  verschwinden,  um  erst  mit  Beginn  des  Winters  und  im 
Frühjahr  wieder  zu  erscheinen.  Nur  wenige,  im  letzten  Kajiitel  zu  besprechende  Formen  sind  es,  welche 
man  im  Laufe  des  Sonuners  an  der  Oberfläche  antrifft. 

Ich  will  nicht  auf  die  mehrfach  geäusserten  Vermuthungen  über  den  Verbleib  der  pelagischen 
Fauna  während  des  Sommers  eingehen,  da  ja  die  Frage  durch  meine  Beobachtungen  eine  einfache  Lösung 
gefunden  hat.  Ich  war  bereits  1877  auf  die  durch  das  bekannte  Aufsteigen  pelagischer  Thiere  während 
der  Nacht  nahe  liegende  Idee  gekonnnen,  dass  sie  im  Sonuner  tue  Tiefe  aufsuchen  möchten.  Um  dem 
Verbleib  mancher  Ctenophoren  nachzugehen,  fischte  ich  in  einer  Tiefe  bis  zu  100  Metern  und  es  gelang 
mir  Formen  aufzufinden,  so  Beroe  ovata  und  Larven  des  Cestiis,  Avelche  damals  im  Hochsommer  an  der 
Oberfläche  fehlten^).     Auch  Mosel  cy^)    mit   seinem  reichen  Schatz  von  Erfahrungen,    die    er    auf   dem 


')  K.  Sclimidtlei  n ,  Vergleichende  Ueljersk-lit  über  das  Erseheineii  grrisserer  iiel;i>jisplipr  Thiere  von  1875  — 1877. 
Mitth.  Zool.  Stat.  Neapel,  Bd.  L,  p.   119. 

*)  C.  C'huii.  Die  Ctenophoren  des  Golfe.s  von  Neapel.  Fiuma  uml  Flora  des  Golfes  von  Neapel,  Bd.  I,  1880, 
p.  22G — •2.S9.  .,Da  noch  andere  Erklärunifsversuclie  mir  nicht  ausreichend  zu  sein  schienen,  so  kam  ich  auf  die  Verrauthung, 
dass  während  der  heisseu  .I:ihreszeit  die  Rippenquallen  in  die  Tiefe  steigen  möchten,  um  vielleicht  im  sogenannten  Fnns^o  ihre 
Nahrung  zu  suchen.  Es  glückte  mir  in  der  That  mehrmals,  mit  Schwebnetzen  aus  bedeutender  Tiefe  im  Sommer  1877  Beroe 
ovata  und  Larven  von  C'eslns  zw  erlangen,  welche  weder  an  der  Oberfläche  zu  bemerken  waren,  noch,  wie  ich  mich  überzeugte, 
io  der  Nacht  und  gegen  Morgen  aufstiegen.  Bei  der  Mühseligkeit  und  Umständlichkeit,  mit  denen  diese  Versuche  verknüpft 
waren,  konnte  ich  trotz  vielfacher  Wiederholung  und  Modification  nur  zu  der  allerdings  begründeten  Vermuthung  gelangen, 
dass  nach  einer  Frühjahrsperiode  reger  Fruchtbarkeit  die  Larven  bei  Beginn  der  heisseu  Jlon.ate  in  die  Tiefe  wandern,  offen- 
bar sich  von  den  mannigfachen  im  Fango  lebenden  kleinen  Crnstaccen  nähren  und  zu  ausgeliildcton  Tliieren  lieraugewaehsen, 
bei  Beginn  des  Herbstes  in  Masse  aufsteigen." 

■'J   n.  N.  Mosoley,  Pelagic  life.    Address  at  ihe  Soutliamptou  meetiug  nf  tl.o  P.rit.  .Assoc.  Nature,   Vol.  20.   lSS-2,  p    rr,l. 


C'liallcni;rr  übrr  pclagisclK's  Tliii-rlclicii  saiinurlti-,  ■^tiiiiint  lici  Ki-rn'trruii^-  meiner  Ijt'l'uinlc  der  Autt'asMuii,' 
bei,  (lass  solche  perioili:selic  ^\'allll(•nlll^•en  das  VerscliwiiRleu  jielagischer  Tliiere  von  der  rjberriäclu; 
erklären  niüehten.  leh  iialie  bei  s|iätereni  Aufenthalt  in  Neapel  regelmässig  die  Fangmctliode  in  der 
Tiefe  angewendet,  um  mii-  Formen  zu  verscliatt'en,  «elehe  an  der  Oberfläche  fehlten.  Im  FriÜiJahr  188(! 
gedachte  ich  systematisch  diese  Versuche  zu  betreiben,  doch  setzte  liald  ilie  ungünstige  Witterung  ein 
Ziel.  Audi  Salvatore  lo  Bianco,  ein  trefflicher  Kenner  der  maiinen  Thiere,  tischte  gemeinsam 
mit  i)r.  R  a  f  f  a  el  e  w;ihrend  des  .luni  und  .luli  1886  in  einer  Tiefe  von  (JO — 100  Bietern,  mit  iler  Ab>iclit, 
die  Larven  von  Gritudlischen  zu  erbeuten.  Dabei  geriethen  \vie<leruiii  |iehigisehe  Thiere  —  vor  Aiieui 
kleinere  Crustaoeen  und  Larven  von  l)eka|iodeu  —  in  das  Netz,  welche  an  der  Oberfläche  fehlten.  Solche 
Resultate  bestärkten  auch  bei  ihm,  wie  er  mii-  erzählte,  die  Vermuthung,  dass  die  01)erriächenfonuen  mit 
Beginn   des  Sonnners  in  die  Tiefe  steigen   miJchten. 

Darauf  freilicii,  dass  ein  Niedersinken  in  die  grössten  Tiefen  statttindeu  würde,  war  ich  um  so 
weniger  vorbereitet,  als  ja  die  Beobachtungen  Murray's'j  auf  dem  Ciiallenger  uml  die  olien  erwähnten 
Experimente  von  Agassiz  ein  Absteigen  über  100  Faden  Tiefe  in  Alirede  stellen.  Und  doch  ist  es  im 
jMittelmeer  das  weitaus  grösste  Contingent  der  ]telagischen  Thierwelt,  Avelches  die  Tiefen  aufsucht.  Ver- 
tretei'  aller  jielagisclien  Grupj>en  treffen  wir  noch  unter  1000  ^Metern  an:  Radiolarien  sowohl,  wie  cras- 
pedotc  Medusen,  Siphonophoren,  Ctenophoren,  Sagitten,  Toniopteriden,  Alciopiden,  Cope])oden,  Ostracoden, 
Sehizopodcn,  Cephalopoden,  Appendicularien,  Pyrosomen,  Salpen  und  Fischlarven.  Ich  verweise  in  dieser 
Hinsicht  auf  die  im  speziellen  Theil  enthaltenen  Angaben  itnd  mache  hier  nur  dar;iuf  aufmerksam,  dass 
eine  gewisse  Vorliebe  für  einzelne  Regionen  bei  manchen  Formen  deutlich  her\'ortritt.  .So  trifft  man  die 
i)guilla-h;\vv(}n  am  häutigsten  zwischen  50 — 100  M.  Tiefe,  die  symmetrischen  Larven  der  Platesseii  und 
die  Euphnusin  jjellucila  zwischen  100 — 500  M.,  die  Stylocheiron-  und  Nematoscelis- XvXvn,  die  durchsichtigen 
kleinen  Cephalopoden  und  die  drei  Spiritdis- Avtcn  erst  unterhalb  500  Meter  bis  in  die  grösseren  Tiefen. 
Andere  wiederum  zeigen,  wenn  ich  den  Ausdi-uck  gebrauchen  darf,  eine  ex(jnisite  bathymetrische  Energie, 
insofern  sie  von  geringeren  Tiefen  an  bis  zu  den  grössten  erforschten  zieudich  gleichmässig  vertheilt  sind. 
Unter  diese  gehören  die  Globigerinen,  manche  craspedote  Medusen,  Apolemia  tivaria,  Ceshis  Veneris,  die 
Sagitten,  Toniopteriden  und  Alcioi)iden,  I'hronimella  elongata,  die  bisher  bekannten  Appendicularien  und 
Pyrosomen.  Endlich  erscheinen  auch  Formen,  so  z.  B.  SaJpa  democratka,  Diph/es  Siehohlü  und  Enphausia 
j)ellucida  gleich   zahlreich   von  rler   Üljerfläch«^  an   bis  zu  den  grössten   Tiefen. 

Ich  enthalte  mich  weiterer  Verallgemeinerungen,  da  aus  Beobachtungen,  die  sich  nur  auf  zwei 
Monate  erstrecken,  nicht  mit  Sicherheit  auf  die  vertikale  Verbreitung  während  eines  ganzen  Jahres 
geschlossen  werden  kann.  Zudem  ist  ja  für  eine  grosse  Zahl  von  charakteristischen  Familien  —  ich  erinnere 
nur  an    die    meisten  Acalephen  —  der  Nachweis    über    den  Verbleib    während    des  Sommers    zu    führen. 

Die  systematische  Durchforschung  der  tiefen  Wasserschichten  verspricht  eine  wahre  Fundgrube 
für  interessante  biologi.sche  Beobachtungen  zu  werden.  So  will  ich  nur  andeuten,  dass  gewisse  Arten, 
z.  B.  die  Pyrosomen  und  Physopliora  lediglich  im  Larvenzustaud  in  der  Tiefe  erbeutet  wurden,  während 
die  weitaus  überM'iegende  Zahl  yielagischer  Thiere  gleichzeitig  als  geschlechtsreife  Formen  und  als  Larven 
in  den  tieferen  Schichten  leben.    Während  jedoch  die  jungen  Pyrosomen  uml  Physophoren  im  Winter  und 


')  .T.  Murray.     Voy.   Chall.  Nurrative,  Vd.  I,   i..   -.'I.^. 


K3     52     e* 

Fi'ülijalirc  auch  an  der  ()l)tTfliiL-lie  sicli  zc'if:;cu,  so  scliciiieii  die  Larven  und  jüiiiijeren  Stadien  der  Hijyjio- 
IjiiJins  die  Tieft'  zu  hevorzuj^cn  und  erst  der  AnA\cnduni;-  des  Tiefennetzes  ist  es  zu  verdanken,  wenn 
ilic  |ii»tenilirynnalr  Eiit\vieklunj!,-s<;-escluciite  einer  der  liäuH,i;sten  SijjJKinnplioren  des  Golfes  aufgeklart 
werileii    kniuite. 

Kinc'  >c'li(inc  und  julnicndc  Aufi;'a!)e  ist  es  für  die  IJearlieiter  |iela,i;isc!ier  'riiicri;ru|i]ieii  und  für 
alle  Benlincliti'i-.  ANi-lclien  ilas  heneidt'nswerthe  (Jlüek  zu  Tlieil  wird,  au  den  (  lestaden  des  I\!ittehueeres 
und  (li'eaiis  zu  Iclieii,  ileu  liii ilo.n'ischeu  Vertiältuissen  der  pelagiselien  Fauna  niciit  nur  an  der  Obertläche, 
sondern   auch    in   dei'  Tiefe  naclizuspiireu. 

Teil  kann  niirli  des  lundruelcs  iiielit  crwcliren,  ilass  lici  d<'r  ]\lassenliaftii;-keit  des  Tliierlebt-ns  in 
der  Tiefe  die  OberÜäclienfauna  ;;-('wissermassen  nur  eine  Avantgarde  des  Gros  repräsentirt,  die  Itald  ver- 
stärkt, bald  verringert  geiegentlieli  völlig  in  geseliützte  Regionen  sich  zurückzieht.  Die  Mittheilungt'n 
uiul  das  Material,  welche  mir  Ende  Januar  noch  von  Brandt  und  P(>tersen  aus  Neapel  zugehen, 
lassen  thatsächlich  darauf  schliesscu.  dass  ilie  <  lesamnitniasse  pi'lagiselier  Tliiere  in  der  Tiefe  auch  während 
des  Winters  durchaus   keine   \'enninderirng  aul'ucist. 

So  wüi'deu  wii-  denn  zum  Schlüsse  dieser  r><'trac]itun,u-  imeh  zu  der  p]i-("irterung  der  Frage  geführt: 
Welche  (4rüiule  ^-eranlassen  die  pelagischen  Thiei-e,  sich  im  A\'inter  und  Frühjahre  an  die  OlxM'fläche  zu 
begeben  resp.  welche  Ursachen  sind  massgebend  t  ii  r  il  ;i  s  N  i  e  d  e  i's  t  e  i  g  e  n  der  pela- 
gischen Fauna  \vährend  il  e  s  Sdinmers?  Dass  diesen  pei'iodischen  A\'anderungen  dieselben 
Ursachen  zu  (irnude  liegen,  welche  die  bekannten  täglichen  Oscillationen ,  nämlich  ilas  Aufsteigen  bei 
Nacht,  das  Niedersinken  bei  Tage  vi-ranlassen,  dürfte  um  so  wahrscheinlicher  sein,  als  diese  Excursionen 
nicht  unbedeutende  sind.  Wie  die  oben  angeführten  Beobachtungen  von  Agassiz  und  Murray  an- 
zudeitten  scheinen  und  wie  ich  nach  eigenen  Erfahrungen  schliessen  darf,  sd  vermögen  pelagische  Thiere 
über  100  Meter  tief  bei  Tagesanbrm'h  zu  sinken  und  umgekehrt  mit  Einbruch  ilrr  Nacht  aufzusteigen. 
Alcioi)iden,  Sagitten  .  Appendicularien  und  ('nelentei-aten  ,  welche  ich  bei  Tage  erst  in  100  Meter  Tiefe 
und   darunter  antraf,  wurden   bei  nächtlichen   Zügen   an   der   (  )li,-i-tl;ic|ic   i'i-beutet. 

Bekanntlich  haben  "\^"  e  i  s  m  a  n  u  ' ',  Fiire|-i  und  l'avesi  nachgewiescu,  dass  dieselben 
n.^rillatiouen  in  vertikali-r  Richtung  auch  von  der  pelagischen  Thierwelt  der  Binnenseen  ausgeführt  werden, 
hl  einem  bekannten  gehalt\(illen  A'drtrage  idier  das  Thierleben  im  Bodensee  sucht  Weismanu  die 
(iründe  zu  eiuiren,  welche  das  Auf-  und  Absteigen  bedingen  (j).  18 — 20i  und  kommt  zu  dem  Schlüsse, 
dass  die  kleiui'u  Urustaceen  fdenn  auf  sie  bezielien  sieh  "wesentlich  seine  Betrachtungen!  nicht  nur  sehr 
lichtem])tindlich  sind,  sondern  auch  durch  daN  perindisclie  T^ntertauchen  in  ilen  .'"itand  gesetzt  werden, 
lihne  i  nterlii'ecliung  Nahrung  ;iufzum'hni<-n  und  zugleich  .-illi'  ihnen  zu^änulichen  A\'assei'schichteu  nach 
N.-ihrun.i;'  zu  ilui'ch^uchen.  Eicliteniptindlichkeit  und  Nahrungsbrdürfnis>  >inil  alxi  nach  AVeismann  die 
massgebeiulen  Faktoren  für  die  A\'anderungen  in  vei'tik.-iler  Hu'htung.  .\uch  i\liiselev  adi)j)tirt 
die  Anschauungen  Weidmann 's  nml  folgert  ,ius  meinen  Angaben  über  das  Auf-  und  Absteigen  der 
Ctemiphoren.    aus    jenen    Agassizs    über    die    gleiche   (ie«  ohulM'it    der   Echiuodermenlarven   und   Ptero- 


')  A.  Weismimn.     Das  Thierleben  im  Bodensee.   Lindau   1877. 

'■)   F.  A.   Forel.     Jja   Famie  profoiule    de.s  Lacs  Sui.s.ses.     Mem.   c-onr.    Soc.   Helv.   Siieiu-.   Nut.    issi  p.  88.     S.   ebenda 
<lie  'vollständisfpn   Litti'r;iturangat)en   über  die  pelagische   Fanna   der  Seen. 


jjodcii,  also  aui;-cnloscr  Foruirii,  dass  difscll)eii  f^xuiütliii^'t  \vci\U-ii,  ihren  Niilirtliicreii,  iiämlieli  den  mit 
Augi'ii  ausji^estattetou  Cnjupodrn,   iiachzuziclicn. 

Die  Aiisielitcii  zweier  ausi;czeieliiieter  Forsclier  bedürfen  um  -so  mehr  einer  Priituii.if,  als  sie  auf" 
sehr  plausihele  Gründe  sich  .stützen.  Tnitzdc-m  kann  ieh  Lichtemptindlichkeit  und  Nahrunj^sbedürtiiiss 
nielit  für  diejenigen  Faktoren  halten,  weiche  sowohl  ihis  ]ieiiodisciic,  wie  im  Laufe  des  Tages  sich  voll- 
ziehende Auf-  und  Niedersteigen  der  |iel.igischen  Fauna  in  erster  Linie  Ix'dingen.  Weis  mann  hat  bei 
seinem  Erklarungsversucii  vorA\iegcnd  i'ine  einzelne  'rhiei-grujijie,  nämlich  die  |ielagisclieii  Crustaceen,  im 
Auge.  Es  ist  immerhm  nniglich,  dass  sie  sehr  lichtscheu  sind,  oliwdhl  das  nicht  für  alle  polagischeii 
Crustaceen  gilt.  Zu  jeder  Tageszeit  tritt't  man  Copepoden  an  der  Meeresoberfläche  und  au.sser  ihnen 
Formen,  die,  wie  Euphausla  pcUucida,  durch  röthliches  Pigment  (b'i'  Augen  und  durch  eine  fast  über- 
reiche Ausstattung  mit  Leuchtorganen  für  die  Tiefe  wie  geschaffen  scheinen.  Nicht  nur  im  Früh- 
jahre 1886,  sondern  auch  bei  allen  Fahrten  im  Sommer  tischte  ich  regelmässig  um  die  ^Mittagszeit  bei 
grellem  Sonnenschein  zahlreiche    Fu|)hausien  an   der  ( )bertiäclu'. 

Dazu  konnut  vor  Allem  weit<'rhin  der  Umstand,  dass  die  "\\'an(b'rungen  in  vertikaler  Richtung 
von  sämmtlichen  pelagisclun  Tliiergrup|M  n.  von  den  Radiolarieu  .lufwärts  bis  zu  den  Mollusken  und 
Tunicaten,  unternommen  wenb'u.  Zu  diesen  stellen  gi'rade  ilie  auj;-enlosen  Formen,  so  die  Radiolarien, 
Foraminiferen,  vesiculate  Medusen.  Ctenophoren,  Siphonophonn,  Ecliinodermenlarven,  viel(>  Wurmlarven, 
die  Pteropoden,  Appendiculari<'n  und  Doliolen  nahezu  das  überwiegende  Contingent.  Auch  nähren  sich 
alle  diese  Grui)pen  durchaus  nicht  stets  \-()n  sehenden  Thieren,  sondern  gelegentlich  ausschliesslich  — 
ich  erinnere  an  die  Radiolai-ieu  und  Appt'udicularien  —  von  augi'nlnseii  resp.  von  pflanzlichen  Formen. 
Auch  dürfte  nicht  unerwähnt  bleiben.  (L-iss  bei  den  täglichen  Oscillationen  die  pelagischen  Thiere  zum 
grossen  Theil  geringere  Tiefen  von  30 — 50  Metern  aufsuchen,  in  (b'Uen  sie  durchaus  nicht  der  Ein- 
wirkung des  Lichtes  sich  entzielien,  sonib'rn,  wie  dies  im  folgenden  Oajiitel  dargelegt  werden  soll,  einem 
wenig  geschwäcliien  Sonnenlicht  .-lusgesetzt  sind. 

Ich  kann  auch  nicht  annehm<-n.  dass  das  Nahrungsbedürfniss  tlie  pelagische  Fauna  von  der 
Oberfläche  vei-treibt.  So  sinnreich  die  \'orstellung  ist,  dass  sie  durch  das  Niedertauchen  in  den  Stand 
gesetzt  wird,  alle  Schichten  olmi'  rnterbrechung  nach  Nahrung  zu  durchsuchen,  so  wenig  trift't  sie 
doch  in  \  ieleii  Fällen  mit  den  thatsächlichen  Verhältnissen  zu.  ^Ver  je  im  Winter  und  Sommer  die 
Schwärme  von  Sagitten  und  ('o])epoden  wähi'end  des  Tages  an  (b'r  <  tbeifläche  ix-obachtete,  wer  sich 
überzeugt  hat,  wie  massenhaft  die  Di.itomeen,  P^lagellaten  und  niederen  Algen  meilenweit  die  <  »jcrfläche 
bedecken. 'i  (b'r  wird  zugeben,  dass  andere  ^Motive  die  grösseren  pelagischen  Thiere  zum  Verlassen  solcher 
Wei(b'plätze  antreilien. 

A\'arum  steii^'en  die  Peroeii  im  Souniier  in  ilie  Tiefe,  obwohl  ihre  Lieblingskost,  näudich  die 
gel;ip|iten  ( 'leuophoren,  an  dei'  <  )i)crriäche  bleiben,  warum  verlässt  überhaupt  mit  Eintritt  der  heissen 
Jahreszeit  das  weitaus  grösste  Contingent  |ielagiseher  (  )ri;anismen  die  Oberfläche,  um  sich  in  Tiefen  zu 
be,gel)en,  wo  die  niedrigsten  pflanzlichen  (Organismen,  auf  deren  Existenz  doch  in  h'tzter  Linie  die 
Gesammtmasse  pehigischen  Thiere  angewiesen  ist,   lucht  mehr  zu  assimilir(-n   vermcigen':' 


')  Vergl.  auch  die  Schilderuutjen  von   Moseley   1.  o.  p.  59'.1    und  von  Murray  (Clisll.  Nairat.   Vol.   II,   p.  9H5)   über 
Pyrocystis  Ceratiuni,  p.  54.0   über  Triiliodesmiiim. 


i3     04     £> 

Hit'rfür  flieht  es  nur  eine ,  zudem  recht  nahe  liesencle  Erklärung'.  Mit  den  Lichtstrahlen  dringen 
die  Wärmestrahlen  in  die  obertliichliehen  Wasserschichten  V(ir ;  letztere  werden  rascher  absorbirt  als 
erstere.  Es  fällt  zwar  nicht  leicht,  die  Wirkung  beider  aus  einander  zu  halten,  allein  die  Thatsachen 
sprechen  deutlich  dafür,  dass  der  Wechsel  der  Tenii)eratur  die  jj  e  r  i  o  d  ischen  Wanderungen 
pelagischer  Thiere  in  vertikaler  Richtung  bedingt.  N^ur  wenige  pelagische  Thiergruppeu 
vermögen  die  hohe  Temperatur  des  Oberflächenwassers  während  des  Sommers  zu  ertragen;  die  meisten 
entziehen  sich  der  Einwirkung  derselben  durch  das  Niedersinken  und  endlich  existü'en  ganze  Gruppen, 
welche  ihr  Leben  in  den  kühlen  tiefen  Regionen  verbringen,  nhne  je  an  die  Oberfläche  aufzusteigen. 
Ich  habe  mit  Absicht  im  vorigen  Kapitel  die  genauen  Temperaturniessungen  des  Washington  aus- 
führlicher vorgeführt.  Aus  ihnen  geht  hervor,  dass  die  Erniedrigung  der  Temperatur  in  den  ober- 
flächlichen Schichten  sehr  rasch  erfolgt,  um  bald  der  für  das  Mittelmeer  typischen  Constanten  von  13"  C. 
sich  zu  nähern.  Während  der  Sommermonate  .Tuli  Ijis  Sejitendier  beträgt  die  mittlere  Temperatur  in 
50  Meter  Tiefe  18,4»  C,  in  100  M.  15,3"  C.  und  in  150  M.  14,9"  C.  In  150  Meter  überti-ifft  sie  also 
die  Temperatur  in  1000 — 3000  Meter  um  wenig  mehr  als  einen  halben  Gi'ad.  Die  geringen  Tem- 
peraturdifferenzen von  einem  bis  zwei  Graden  zwischen  100  M.  und  3000  M.  Tiefe 
e  r  k  1  ä  r  e  n  d  e  n  n  a  u  c  h  a  1  Ic  i  n  d  i  c  a  n  s  e  h  e  inend  auffällige  T  h  a  t  s  a  c  h  e  ,  dass  im  Mitte  1- 
ni  e  e  r  e  der  weitaus  g  r  ö  s  s  t  e  T  h  e  i  1  \>  e  1  a  g  i  s  e  h  c  r  Tili  e  r  e  w  ä  h  r  e  n  d  des  S  o  m  in  e  r  s  von 
100  Metern  an  bis  hinab  zum  Meeresboden  verweilt. 

Das  rasche  Absterben  vcn  nahezu  sämmtlichen  aus  der  Tiefe  geflachten  pelagischen  Thieren  ist 
vorwiegend  der  Erhöhung  der  Tem))ei"atur  zuzuschreiben.  Mir  fehlte  es  leider  an  Vorrichtungen,  um 
einen  exakten  experimentellen  Beweis  auf  dem  Schifte  zu  führen,  dass  nicht  das  Sonnenlicht  ("denn  das 
Absterben  erfolgt  eben  so  rasch  bei  Nacht),  sondern  lediglich  die  Temperaturerhöhung  den  Tod  herbei- 
führe. Ich  habe  mir  einen  einfachen  Apparat  construirt,  mit  dem  ich  solche  Versuche  (zunächst  an 
Leptodora)  anzustellen  gedenke.  Er  beruht  darauf,  dass  zwei  Pokale  mit  denselben  aus  massiger  Tiefe 
geflschten  Thierarten  dem  Sonnenlicht  ausgesetzt  werden.  Bei  dem  einen  haben  die  Lichtstrahlen  einen 
Glasbehälter  mit  Alaunlösung,  also  einem  die  Wärmestrahlen  absorbirenden  Medium,  zu  passiren,  während 
gleichzeitig  für  Erhaltung  der  gleichen  Temperatur  Sorge  getragen  wird.  Der  andere  Pokal  Avird  ohne 
Einschaltung  von  Wärme  absorbirenden  Jledien  der  Belichtung  ausgesetzt  und  ein  dritter  wird  in  der 
Dunkelheit  massig  erwärmt.  Eine  solche  Vorrichtung  würde  combinirt  mit  Durchlüftungsapiiaraten  eine 
scharfe  Controle  über  alle  in  den  obigen  Erörterungen  als  massgebend  erachtete  Faktoren  bieten. 

In  dem  freien  Ocean  gestalten  sich  die  Existenzbedingungen  für  die  niedersteigenden  pelagischen 
Thiere  anders  als  im  Mittelmeere.  Die  Temperatur  sinkt  in  der  Tiefe  bis  zu  0"  und  —  2"  C;  sie  ist 
verschieden  in  den  einzelnen  Oceanen  bei  gleicher  Tiefe  und  im  Allgemeinen  bei  gleicher  Tiefe  um  so 
niedriger,  je  ungehinderter  die  kalten  polaren  Strömungen  in  die  Becken  einzutreten  vermögen.  So 
giebt  z.  B.  Chierchia  die  Temperaturen  für  jene  Stellen  des  paeifl.schen  Oceans,  an  denen  er  Tiefsee- 
siphonophoren  in  dem  P  a  lumb  o  '  scheu  Netze  fand,  an  auf:  12,8°  C.  bei  300  M.;  8,7"  C.  bei  450  M.; 
6,1"  C.  bei  1000  M.  und  4"  C.  bei  4000  M.  .ledenfalls  sind  in  dem  freien  Ocean  die  Bedingungen  für 
eine  Gliederung  der  pelagischen  Tiefenfauna  nach  einzelnen  Etagen,  welche  durch  Temperatiu'differenzen 
hervorirerufen  werden,    mannigfaltiger    als    im   Jlittrhneere.      Leider    vennögrn    die    wenigen  vorliegciulen 


Beobaclitungvn  keinen   Anlinltepiuikt   zu  ,i;vlicn,    wir    weit    im  Oee.-in   die    pelasMSclicn   Oberfljiclientliiere  in 
der  lieissen  Jaln-eszeit  in  die  Tiefe  w.indern. 

Zum  Schkisse  möchte  ieli  n^eli  (kiiviiil'  liinwcisen,  dass  inanni.ufaclie  Jlittel  der  pehi^'ischen  Tliicr- 
welt  zur  Verfügunf;-  stellen,  um  die  Srli\viiuinl)cwe<;-uu.i>-en  bei  dem  Aufsteii^-en  und  Niedersinken  zu  unter- 
stützen resp.  diese  OsciUationen  zu  ermöicHchen,  wenn  i^ar  keine  Bewegungen  ausgeführt  werden.  Da 
das  speciüsclie  Gewicht  der  meisten  kk-inen  Thiere  naliezu  demjenigen  des  umgebenden  Mediums  gleieii- 
konnnt,  so  kann  schon  aüein  der  Ausgleicli  zwisclieu  der  Temperatur  verschieden  warmer  Wasserschichlen 
ein  Auf-  und  Aljsteigen  der  schwebenden  Tiiiere  begünstigen.  Wird  das  Oberflächenwasser  stark  abge- 
kühlt, so  sinkt  es,  weil  dichter  und  schwerer,  in  die  Tiefe,  wiihrend  gleichzeitig  die  tieferen  wärmeren 
vSchicliten  so  lange  aufsteigen,  bis  ein  Ausgleich  stattgefunden  hat.  Wirksamer  noch  kann  die  Schwinnn- 
bcwegung  durch  Einrichtungen  zur  Erleichterung  resji.  Vermehrung  des  siiecitischen  Gewichtes  unterstüzt 
werden.  So  besitzen  die  Physo))h(irideu  und  viele  Fischlarven  eine  Lufttlasche  resp.  Schwinunltlase, 
während  andererseits  die  Ausscheidung  von  ätherischen  (Jelen  und  Fetten  d(.'n  Kailiolarien,  Calyeo))horiden, 
Alciiii>iiien,  den  meisten  Crustaceen  und  PteroinMlen   ein   Aufsti'igen   erleichtert  resp.  allein   ermöglicht. 


3.   Die  pelagische  Tiefenfauna  und  ihre  Existenzbedingungen. 

Es  kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  dass  in  grösseren  Tiefen  pelagische  Thiere  leben,  welche 
entweder  niemals  oder  doch  nur  in  seltenen  Fällen  an  die  Oberfläche  aufsteigen.  Hierfür  sprechen  nicht 
nur  die  Beobachtungen  des  Oliallenger,  sondern  auch  meine  Erfahrungen  über  die  Mittelmeerfauua. 
Wenn  wir  bedenken,  dass  seit  den  Zeiten  von  Oavolini,  Delle  Chiaje  und  .Johannes  Müller 
die  Erforschung  der  i)elagischen  Thierwclt  des  Mittelmeeres  ein  Lieblingsstudium  für  die  Altmeister 
biologischer  Wissenschaft  nicht  nur,  sondern  auch  für  die  jüngere  Generation  abgegeben  hat,  wenn  wir 
in  Betracht  ziehen,  dass  speciell  der  Golf  v(]n  Neapel  zu  den  am  intensivsten  durchforschten  Meeres- 
abschnitten gehiirt,  so  können  wir  unmöglich  annehmen,  dass  über  einen  Zoll  lange  Appeudicularien, 
mit  wunderliar  gestalteten  Tastorgantui  ausgestattete  Crustaceen  und  durchsichtige  kleine  Cephaloiioden, 
wie  ich  sie  auf  den  beifolgenden  Tafeln  darzustellen  versuchte-,  der  Aufmerksamkeit  zahlreicher  Be- 
obachter entgangen  wären. 

Ich  will  in  Folgendem  versuchen,  kurz  jene  Thierformen  nandiaft  zu  machen,  die  in  der  Tiefe 
häufig  vorkommen,  w;dn-end  sie  an  der  Oberfläche  selten  und  vereinzelt  beiibaehtet  wurden,  oder  welche 
überliaujit  noch  nicht  an  der  Oberfläche  gesehen  wurden. 

Von  Radiolarien  sind  nach  Brandt's  obigen  Mittheilungen  (|i.  10)  die  Phäodarien  ylw^rtcrt«^/;«  .vco/y- 
VKUdhn  und  CoelodimtJrum  rnmosinfiionim  in  ilen  grösseren  Tiefen  von  6U0  M.  an  häufig.  Da  sie  indessen 
auch  im  Whitc-r  häufig  an  der  Oberfläche  erscheuien,  so  ist  es  fraglich,  ob  sie  typische  Tiefenbewohner 
repräsentiren.  d.  h.  ob  sie  a.uch  im  Winter  in  grösserer  Zahl  in  der  Tii^fe,  als  an  der  Oberfläche  leben. 
Ob  da"-eii'en  die  beiden  neuen  Castanelliden  und  eine  neue  Aulacantlia  h'diglich  in  der  Tiefe  vorkommen 
imd  nicht  an  der  Olieriläclie  erscheinen,  müssen  erst   weitere  Untersuchungen    lehren. 

Unter  den  Anneliden  ist  'rmnoptcris  eiichaetn  n.  sp.  tyiiisch  für  die  Tiefe.  Gelegentlich  dürfte 
.sie   im   Winter  an  der  Tjberfläche    erseheinen,    denn    ich   entsinne    mich,    ein   conservirtes  Exemplar  in   der 


K3     Ö6     £i 

zoologischen  .Station  gesehen  zu  halicn.  Ihr  niassenliaftes  Vorkonnnen  in  der  Tiefe  lialie  ieli  oben 
erwähnt.  Ob  auch  7'.  elegans  n.  ><\>.  h'dij^lieli  in  der  Tiefe  h'bt.  ist  einstweilen  noch  nicht  festzusti'llen ; 
jedenfalls  konunt  sie  aiich  im  Winter  häutig'  in  der  Tiefe  vor.  Unter  den  Crustaceen  sinel  einige  Phroni- 
niiden  für  die  Tiefe  eharakteristisch.  PhronimeUa  elongata  C'is.  ist  ausserordentlich  häufig-,  während  sie 
an  der  (Jberfläehe  nur  vereinzelt  erscheint.  Ivielit  minder  typisch  für  die  grösseren  Tiefen  sind  die 
merkwürdigen  Paraplironima-  und  PhroHimopsls-\vX('\\.  Claus  beobachtete  nur  2  Exemplare  der 
Phronimopsis  Zorn  in  Messina  und  beschrieb  die  Paraphronlina  crassipps  nach  einem  Weingeistexeni])lar 
aus  dem  Mittelmeer.  Auch  vier  Arten  von  Hyperiden,  welche  unbeschrieben  sind,  scheinen,  nach  ihrer 
Häutigkeit  zu  schliesseu,  Tiefenbewohncr  zu  sein. 

Ob  unter  den  Cojjepoden  und  Ostracnden  ächte  Tiefenbewohner  sieh  tinib'u,  muss  einstweilen 
noch   unentschieden  bleiben. 

Dagegen  muss  ich  unter  den  Euphausideu  Styloclieiron  mastigophorum  \\.  sp.  und  Nematoscelis 
Sarsü  n.  sp.  als  ächte  Tiefenfirmen  in  Anspruch  nehmen,  da  die  geschlechtsrcifen  Thiere  sowohl  wie  ihre 
Larven  einen  typischen  Bestandtheil  der  Fauna  unterhall)  40(.)  ]\Ieter  ausmachen.  Zwar  giebt  Sars 
an,  dass  er  in  Messina  Styloclieiron  longicorne  und  Xematoscelis  microjjs  an  der  ()!)erfläche  bcfibachtete 
und  dass  ein  grosser  Theil  der  den  genannten  («attungen  zugehörigen  Arten  an  der  OberÜäche  vom 
Challenger  gesammelt  wurden,  allein  er  erwähnt  doch,  dass  andere  Arten,  so  z.  B.  Nematoscelis  rostrata, 
lediglich  in  den  Tiefennetzen  sich  fVmden. 

Auch  die  merk^\  ürdige  Mysidee  Arachnomysis  Leuckarfii  n.  g.  dürfte  eine  Tiefenform  rejjräsentiren. 

Unter  den  Dccapoden  sind  für  die  Tiefe  Miersia  clavigera  n.  sp.  und  der  prächtige  Sergastes  mngnificus 
n.  sp.  (.'haraktei-istisch.  Ich  entsinne  mich,  dass  ein  offenbar  dem  letzteren  zugehöriges  Exemi)lar  in  früheren 
Jahren   auch   einmal   an  der  ( Iberfiäche  erschien   und  von  Salvatore  lo  Bianco  conservirt   wurde. 

Von  IMollusken  hebe  ich  unter  den  Pteropodeu  die  drei  Sjni-ialis-Avten,  nämlich :  Sjj.  rostraiis, 
trochiformis  und  recttrvirostra,  wie  dies  Schiemenz  betont,  (p.  36)  als  charakteristische  Tiefenbewohner 
hervor.  Die  Spirialis  recurvirostra  ist  ziendich  constant  bei  jedem  Zuge  unterhalb  600  Metern  gefunden 
worden  und  fiel  mir  gleich  bei  der  ersten  Ausfahrt  auf,  da  ich  noch  nie  einen  Ptcropoden  mit  schnecken- 
förmig gewundener  Schale  gesehen  hatte.  Wie  Schiemenz  hervorhebt,  so  ist  sie  an  der  Oberfläche 
äusserst  selten. 

Auch  die  beiden  Cephalopoden-  (Decapoden-)  Arten  sind  typische  Tiefenbewfihncr.  Die  kleinere 
Art  wurde  ziemlich  häufig  gefunden  und  erschien  bis  jetzt  nui-  in  2  Exemplaren,  die  im  Besitze  der 
zoologischen  Station  sind,  an  der  Oberfläche.  Die  grössere,  durchsichtige,  von  nur  abgebildete  Form  ist 
noch  unbekannt. 

Endlich  darf  ich  )ioch  als  charakteristische  Tiefenbewohner  die  in  zahlreichen  Exemplaren 
gefundene  gro.sse  Appendicularie  Stegosonia  pdlucidum  n.  g.  und  den  in  drei  zolllangen  Exemplaren  er- 
beuteten Megalocercus  abyssonini   n.  g.  bezeichnen. 

Es  ist  selbstverständlich,  dass  diese  Liste  von  Tiefenbewnhnern  im  I-nafe  der  Zeit  eine  wesent- 
liche Bereicherung  erfjihren  Avird.  Welch'  interessante  Aufschlüsse  sind  doch  zu  erwarten,  wemi  erst  die 
grossen  Tiefen  des  Jlittelmeeres  Itis  zu  3000  Meter  mit  Schwebnetzen  und  Schliessnetzen  erforscht   werden  ! 


i3    57     ö 

Wa^  die  Existi-Hzlir(liii.i;inii;vii  der  ty}ii.'selien  Tiet'eiifiirincii  sowolil,  wie  der  in  die  TictV  nieder- 
sinkenden Oljt'rflächent'ornieii  anlielanj^t,  so  unterliegt  es  ja  licineni  Zweifel,  dass  sie  einen  i;r(issen  Tlieil 
ihres  Lebens  in  absolut  dunklen  Ret-'ionen  zubringen.  Dass  tmtzdt'ni  eine  Rückbildung  der  Seli- 
werkzeugc  bei  den  mit  Augen  ausgestatteten  Formen  in  keinem  I-'alle  zu  eonstatiren  war,  liat  seinen 
Grund  darin,  dass  sie  einerseits  nicht  an  eine  bestinnnte  dunkle  Zone  gebuiKb'u  sind,  wie  ilie  (irund- 
tormen  ,  sondern  gelegentlich  in  stark  lielichtete  Schichten  aufsteigen',  andererseits  wnUl  auch  darin,  iL'iss 
die  pelagischen  Thiere  fast  durchweg  i)ho.s})liorescirendes  Lieht  ausstrahlen,  E.s  gewahrt  während  iler 
Nacht  einen  magischen  Anblick,  wenn  die  Netze  aus  der  Tiefe  wie  glühende'  J5allons  der  (Jbcriiächc- 
näher  konnuen,  Conservirt  man  A\;ihrend  der  Nacht  das  reiche  lebende  Material,  so  lässt  sich  oft  schon 
nach  dem  charakteristischen  Leuchten  die  einzelne  Hpecies  erkennen.  Als  eine  Anjiassum;'  an  den  Aufenthalt 
in  der  Dunlcelheit  ist  es  wohl  aufzufassen,  wenn  sowohl  die  Anneliden  wie  die  Crustaceen  der  Tiefe  durch 
hochrothes  (Paraphronirna^  Phronimojjsts,  Arachnoniijsis)  oder  braunrothes  Augen -Pigment  ausgezeichnet  sind. 

Die  übermächtige  Ausstattung  mit  Tastwerkzeugen  bei  SfijJochniroii ,  Avachiioniysis ,  Sergestes 
rnnr/uificiis  und  TomojiterU  euchai'ht  ist  wohl  wesentlich  durch  den  Aufenthalt  in  der  Dunkelheit  bedingt, 
nicht  minder  auch  die  auffällig!-  Verlängerung  mancher-  Beinpaare  zu  Raubfüssen  ititijlnclieiron,  Xernato- 
scelis)  oder  zu  spinuenförmigen,  mit  zahllosen  Tasthaaren  und  Borsten  besetzten  Greif-  und  Spürwerkzeugen, 

Da  weiterhin  im  jMitlehneere  die  Temperatur  von  200  Jletern  an  Ins  zu  den  grössten  Tiefen  fast 
keine  Sehwankungen  aufweist,  da  Salzgehalt  und,  wie  allerdings  durch  exakte  Untersuchungen  noch 
nachzuweisen  ist,  der  Gehalt  an  absorbirtem  Gasgemenge  sich  nahezu  in  der  Tiefe  gleich  bleiben,  so 
erklärt  sich  die  auch  oben  (p.  51)  bereits  betonte  bathymetrische  Energie  der  pelagischen  Tiefenbewohner. 
Formen,  welche  in  150  Meter  Tiefe  leben,  kommen  auch  gleichzeitig  in  zehnmal  grösserer  Tiefe  vor. 
In  dieser  Hinsicht  ]>ietet  die  mediterrane  (Trundfauna  eine  frappante  Analogie.  AA'ie  (iiglioli')  hervor- 
hebt, so  lässt  sieli  für  die  abyssale  Fauna  nur  sclnver  eine  Grenze  angeben,  ihi  bereits  in  40(_)  Meter  Tiefe 
Thiei'e  leben,  welche  in  achtmal  grosseren   Tiefen  gefunden  wurden. 

Eine  schwierige  Frage  habe  ich  zum  Schlüsse  noch  zu  erörtern,  niünlich  die  Frage  nach  der 
Ernährung  der  pelagischen  T  i  e  f  s  e  e  t  h  i  e  r  e.  Es  sind  ja  nicht  nur  typische  Tiefeuformen, 
welche  man  unter  1000  Metern  antrifft,  sondern  zugleich  auch  eine  reiche  Fülh-  von  Arten,  die  im  Winter 
und  Frühjahr  aufsteigen,  Sie  existiren  in  erstaunlicher  Masse  in  der  Tie^fe  des  Mittelmeeres,  verrichten 
ihre  Lebensarbeit  und  pflanzen  sich  fort.  Auch  in  dem  freien  Occan  muss  eine  Fülle  von  pelagischen 
Thieren  in  den  Tiefen  vorkommen.  Wie  ern;Ün-en  sie  sich,  trotzdem  dass  eine  Flora  niederer  pflanzlicher 
Organismen,  auf  deren  Existenz  doch  in  letzter  Linie  die  pelagi.schen  Organismen  angewiesen  sind,  in 
solchen  Tiefen  nicht  zti  assimiliren  und  zu  leben  vermag  ? 

Man  könnte  ja  auf  eine  bequeme  Weise  sich  mit  der  Vorstellung  behelfen,  dass  es  die  von  der 
Oberfläche  niedersinkendeu  abgestorbenen  thierischen  und  pflanzlichen  Organismen  sind,  welche  die 
Nahrung  für  die  Tiefenbewohncr  abgeben.  So  nahm  man  es  bisher  für  die  am  Grunde  lebenden  Formen 
an.     Da  ich  jedoch  zeigte,    dass  letzteren  auch   lebende  pelagischc  Thiere  zur  Verfügung    stehen  (p.  49), 


')  E.   Giglioli,  La  scoperta  di  ima  Fauna  abissale  nel  Jletliterraneo   1881,  p,   Ö5, 

„Meuo  facile  assai  sareblje  il  dare  ora  un'  opiuioue  sui  limiti  iu  seuso  batimetrico  della  Fauna  abissale  ;  certo  che 
il  fatto,  piu  volte  accertato  durante  la  campagna  del  „Wasbington"  che  anche  iu  profondit;V  relativamente  piccole  si  pouno 
tvovare  auimali  abbissali  che  abitann   ancora  a  pnit'ouditiY  o'.to  volte   maggioii,  e   di   singolarc   impurtanza.'' 

C.  Chun,  CUR  pelagisehe  Thierwelt.  8 


«    58     E> 

so  würde  nun  die  Frage  naoli  dei-  Ernähruii;,^  wenn  ieli  nüeli  so  ausdrücken  darf,  um  eine  Etai^c  liölier 
verschoben  sein. 

P^lie  wir  indessen  uns  entschliessen,  gewisserniasscn  als.  Notlibelielf,  die  in  die  Tiefe  siekernden 
abgestorbenen  organischen  Massen  als  einziges  Nährmaterial  anzusprechen,  so  dürfte  es  von  besonderem 
Interesse  sein,  eine  genauere  Vorstellung  über  die  Tiefe  zu  gewinnen,  bis  zu  welcher  lebende  pflanzliche 
pelagische  Organismen  vordringen.  Leider  fehlen  uns  hierüber  einstweilen  die  Daten.  Ich  sell)st  vermag 
keinen  Aufschluss  zu  geben,  da  ein  Schliessnetz  für  Untersuchungen,  bei  denen  es  sich  um  den  Nach- 
weis der  kleinsten  mikroskopischen  Organismen  handelt,  nicht  der  geeignete  Apparat  ist.  Der  Schluss 
wird  kaum  je  ein  so  vollkommener  sein,  dass  in  ein  Netz  einzelne  einzellige  Algen  und  Flagellaten  nicht 
hineingerathen  könnten.  Man  wird  also  darauf  angewiesen  sein,  den  von  >Sigsbee  construirten  Ai)i)arat 
anzuwenden  und  ein  solcher  stand  mir  nicht  zur  Verfügung. 

Dagegen  vermag  ich  wenigstens  einige  Daten  über  die  Vorbedingung  zur  Existenz  pHanzlieher 
Organismen,  nämlich  über  das  Vordringen  des  Lichtes  im  Meerwasser,  mitzutheilen.  Die  bekannten 
Versuche  von  ForeP)  und  Fol  über  das  Vordringen  des  Lichtes  in  den  Schweizer  Seen  schienen  mir 
durchaus  einer  Controle  für  das  Meer  zu  bedürfen.  Ich  hatte,  als  ich  diese  Versuche  anstellte,  keine 
Kenntniss  von  den  inzwischen  durch  F  o  1  auch  im  Mittelmeer  angestellten  Experimenten,  welche  zeigten, 
dass  das  Licht  bedeutend  tiefer  wahrnehmbar  ist.  Immerhin  glaube  ich,  dass  eine  Bestätigung  und 
Erweiterung  seiner  werthvollen  Befunde  durch  eine  von  dem  Forerschcn  Apjjarat  abweichende  Construktion 
niclit  unwillkommen  sein  werden.  Der  von  den  beiden  genannten  Forschern  verwendete  A](iiarat  hat 
zwei  Uebelstände.  Einmal  öffnet  er  sich  erst,  wenn  (u-  auf  den  Boden  aufstösst  und  weiterhin  nuiss  w 
bei  Nacht  an  die  Oberfläche  gezogen  werden.  Gelängen  es  nun  einen  Apparat  zu  construiren,  der  uns 
von  der  Tiefe  unabhängig  macht  und  au  jeder  l^eliebigen  kStelle  im  Ocean  auf  jeder  gewünschten  Tiefe 
exponirt  werden  kann  und  der  weiterhin  nach  der  Exposition  sich  selbstthätig  schliesst,  so  würden  die 
genannten  Uebelstände  und  etwaige  Fehlerquellen  beseitigt  werden.  Denn  es  lässt  sich  nicht  leugnen, 
dass  die  Beschaffenheit  des  Bodens,  auf  den  der  Apparat  aufstösst,  störend  einzuwirken  vermag  und  dass 
weiterhin,  da  ja  in  der  Nacht  nicht  absolute  Finsterniss  herrscht,  eiue  empfindliche  Bromsilber))latte  bei 
dem  Aufziehen  des  Apparates  afficirt  werden  könnte. 

Allen  diesen  Anforderungen  entspricht  ein  Ajiparat  v.  Pctersen's,  dem  ich  so  vielfach  für 
seine  Bemühungen  zu  Dank  verpflichtet  bin.  Ich  habe  ihn  auf  Taf.  1,  Fig.  4 — 6  in  den  verschiedenen 
Phasen  der  Thätigkeit  abgebildet  und  bemerke  zur  Erklärung  der  Figuren  Folgendes.  Die  Bromsilber- 
platte, welche,  wie  vorherige  Versuche  lehrten,  von  dem  Seewasser  nicht  angegriffen  wird,  liegt  in  einer 
aus  Blei  hergestellten  Dose  (Fig.  4  a).  Der  ebenfalls  aus  Blei  bestehende  Deckel  der  Dose  kann  an 
einem  Scharnier  auf-  und  zugeklapfit  werden  und  greift  in  einen  doppelten  Falz  derart  ein,  dass  seitlich 
kein  Lichtstrahl  einzudringen  vermag.  Die  Dose  hängt  excentrisch,  freibeweglich  in  einem  Rahmen  und 
würde  demgemäss  ohne  weitere  Vorrichtung  die  aus  Fig.  6  ersichtliche  Stellung  einnehmen.  Um  nun  in 
beliebiger  Tiefe  ein  Oeflfnen  des  Deckels,  also  eine  Exposition,  herbeizuführen  und  iiaeli  beliebiger  Zeit 
wieder  die   Dose   zu  schliessen,   ist  nach  dem   Princiji  des  Negretti  und  Zambra'seheu  Uinki|iptliermometers 


')    F.  A.  Forel,    L.a    f'.iun.a    profouilc    des    laes    siüsses.      1884,    p.    33 — 3.5.      S.    olieiida    die    Liter.itur;ingfiU>eii    ülier 
frühere  Versuche, 


*3     59     £> 

fiii  PrdjHlk-r  ipj  vcrwiTtlict.  Di^rsclln'  Lc^itzt  4  Flügel  iiiul  hcginut  rrst  zu  wirken,  wenn  der  Apjiarat 
in  die  Höhe  gezogen  wird.  Ein  feines,  an  dem  Propeller  befestigtes  Sehraubengewinde  greift  dureli  eine 
Schraubenmutter  in  den  durchbohrten  Rand  der  Dose  ein  und  steckt  etwa  einen  liall)cn  Centiiiietcr  tief 
in  dem  seitliehen  Falz  des  Deckels. 

Der  Apparat  wird  nun  in  eine  beliebige,  durch  das  Zjihhverk  der  Lothleine  controhrbare  Tiefe 
herabgelassen.  Wird  er,  dort  angelangt,  in  die  Höhe  gezogen,  so  hellt  sieh  das  Schraubengewinde  durch 
die  Drehung  der  Flügel  des  Propc'ller  und  tritt  aus  dem  entsprechenden  Falz  des  Deckels.  Letzterer 
klajipt  auf  und  die  Platte  wird  exponirt  (Tig.  5).  Ein  dem  Deckel  seitlich  anhängendes  Bleigewicht  (g) 
erleichtert  das  Autltlappen,  welches  liei  einei-  Hebung  des  Ajijiarates  um  2,5  Meter  erfolgt.  Hat  man 
die  erforderliche  Zeit  hindurcli  expoiiii't,  so  tritt  bei  einer  weiteren  Hebung  das  (iewinde  auch  aus  der 
entsprechenden   OefFnung  der  Dose  und  letztere,  weil  excentrisch  aufgehängt,   kla|ipt   zu   'Fig.  6). 

Was  nmi  die  mit  dem  Petersen'schen  Apparate  erzielten  Resultate  anbt'langt,  so  stellten  wir  die 
ersten  Versuche  in  Tiefen  von  150  und  250  Meter  am  9.  Oktober  ausserhalb  Capri  während  eines  wolken- 
losen Tages  um  die  Mittagszeit  an.  In  Ijciden  Fällen  ergab  sich  eine  starke  Belichtung  der  Platte, 
obwohl  nur  ',4  Stunde  exponirt  wurde.  Um  einen  ungefähren  Vergleich  anstellen  zu  keinnen,  so  wurde 
während  der  Nacht  eine  Platte  cbensolang  auf  dem  Schiffe  exponirt.  Es  war  mondhell,  der  Mond  jedoch 
hinter  Wolken  während  der  Dauer  der  Exposition  versteckt.  Die  Platte  war  nach  der  Entwicklung 
nicht  so  intensiv  gedunkelt,  wie  die  während  des  Tages  in  den  oliigen  Tiefen  expomrten  Platten. 

Petersen  hat  dann  nach  meinem  Weggang  die  Versuche  in  500  und  550  Metern  wiederholt 
und  tlieiit  mir  mit,  dass  auch  in  eliesen  Tiefen  nach  halbstündiger  Exposition  eine  Belichtung  erzielt 
wurde,  welche  nur  wenig  schwächi'r  war  als  die  früher  während  der  Nacht  erhaltene.  Die  Versuche 
wurden  wiederum  um   12  Uhr  Mittags  bei   wolkenlosem  Himmel  am   10.  Novt'mber  angestellt. 

Weitere,  über  eine  grössere  Reihe  von  Beoljachtungen  während  verschiedener  Tages-  und  .Jahres- ' 
zeit  sich  erstreckende  Resultate,  hoffe  ich  noch  mittheilen  zu  können. 

Die  hier  mitgetheilten  Beobachtungen  geben  eine  nicht  unwillkonnnene  Bestätigung  und  Erweiterung 
der  von  Asper  und  Fol  angestellten  Versuche.  Ersterer 'j  constatirte  bereits,  dass  in  90  und  140  Meter 
eine  Belichtung  der  Platten  in  den  Tiefen  des  Zürichersees  erzielt  wurde  und  letzterer  '^t  wies  nach,  dass 
auch  im  Genfersee  in  170  M.  Tiefe  eine  Lichtwirkung  wahrnelnnbar  ist.  Endlich  constatirten  Fol  und 
S  a  r  a  s  i  n  '),  dass  im  Mittelmeer  noch  in  400  M.  Tiefe  versenkte  Platten  vom  Lichte  afticirt  wurden. 

Die  hier  mitgetheilten  Versuche  geben  freilich  nur  über  das  Vordringen  der  chemisch  wirksamen 
Strahlen,  nicht  aber  über  die  Verbreitung  der  gelben  und  rothen  Strahlen  Aufschluss.  Lmnerhin  zeigen 
sie,  dass  die  Lichtstrahlen  nicht  so  rasch  in  reinem  Seewasser  absorbirt  werden,  wie  man  bisher  annahm. 

Es  fragt  sich  nun,  welche  Helligkeit  noch  genügt,  um  eine  Assimilation  den  niedrigsten  Pflanzen 
zu  ermöglichen.     Wir  besitzen  über  die  Verbreitung  von  Algen  in  grösseren  Tiefen    nur    wenige    sichere 


')  Asper  in:  F.  A.  Forel,  La  fauna  jirofoude  des   lacs   Suisses   1884,  p.  34. 
^)  H.  Fol.     Compt.  Reud.  Acad.  Sc.  Paris  XCIX,  p.  783,  Nov.   1884. 

')  H.  Fol  et  Ed.   Sarasin,  Sur  la  profondeur  ä  laquelle  la  luuiieie  du  jour  psinetre  dans  les  eaux  de  la  mer.    Compt. 
Keiid.  Ao.   Sc.  Paris,  Bd.   100,  April   1885,  p.  991. 

8* 


K?     60     SS 

Daten.  Wyvillc  T  li  o  ms  o  u '/  i;-ii'l)t  an,  dass  nntcrhallj  200  Fa<k'n  pHanzlichc  ( )i-g-anisnicn  felilen, 
währeud  Bcrtliold^i  in  130  Met^jv  Tiefe  Lei  Capri,  Ventotene  und  Ponza  im  Hochsommer  noch  eine 
reiche  Ali;cnrioni  vorfand.  Er  ist  sogar  der  Ansieht,  dass  in  100 — 120  Meter  die  Lichtintensität  noch 
sehr  beträchtUch  sein  mnss,  da  in  80  Meter  Tiefe  die  Wirkungen  direkter  Insohition  bemerkbar  waren. 
So  sehr  ich  es  auch  bedaiiern  muss,  dass  mir  ein  A])i)arat  von  Sigsbee  nielit  zur  Verfügung  stand,  so 
ghiube  ich  docli  nicht  feld  zu  gelien,  wenn  ich  in  Aubctraclit  der  (>l)en  mitgetheilten  Versuche  üljer  das 
Voi'dringen  des  Lichtes  annelmm,  dass  selbst  in  250 — 300  Meter  Tiefe  den  Diatomeen,  Fhigelhiten  und 
sonstigen  niedrigen  pflanzlichen  Organismen  im  Hochsommer  genügendes  Licht  zur  Assimihition  geboten  wird. 
Ziclien  wir  luin  in  Betracht,  dass  die  pehigische  Tiefenfiiuna  wegen  der  gleichmässigen  Temperatur 
bis  zu  150 — 200  Meter  aufsteigt,  dass  andererseits  die  an  der  Olierfläciie  erscheineuden  Tliiere  ganz 
beträchtliche  Oscillationen  in  vertikaler  Richtung  unternehmen,  so  dürfte  doch  die  Frage  nach  der 
Ernährung  der  pclagischen  Tiefseethiere  weniger  Schwierigkeiten  darbieten,  als  es  anfänglich  scheinen 
mag.  Radiolarieu,  Copepoden,  Ostrakoden  und  Appendicularien  ist  der  Genuss  pHanzlicher  Organismen 
ermöglicht  und  bei  dem  ständigen  Auf-  und  Niedc^rsteigen  geben  sie  wieder  die  Nahrung  für  die  grösseren, 
auf  animalische  Kost  allein  angewiesenen  Formen  ab.  Dass  offenbar  in  den  grössten  Ti('fen  des  Oceans 
noch  Radiolarien  leben,  kann  nicht  befremden,  da  diese  sich  von  anderen  Radiolarien  zu  nähren  vermögen, 
welche  aus  den  oberen  Schichten  zu  ihnen  gelangen.  Brandt  hat  ja  oben  (p.  11)  darauf  aufmerksam 
gemacht,  dass  die  Dicftjocha  Messanensis  ein  sehr  charakteristisches  Nährmatcrial  iür  die  in  der  Tiefe 
lebenden  Radiolarien  und  Ostracoden  abgiebt.  Da  ich  andt'rcrseits  wieder  die  Phäod;irien  in  dem  Magen 
der  Jledusen  und  Tiefseeai)pendicularien  auffand,  so  kann  ich  mir  innncrhin  vorstellen,  dass  auch  ausser 
abgestorbenen,  von  der  Oberfläche  niedersick(M-nden  Tliier-  und  Pflanzenresten  den  Tiefseethieren  eine 
reiche  Quelle  lebenden  Materiales  zur  Ernährung  fliesst. 

4.  Die  constante  pelagische  Oberflächeufauna. 

Den  wechselnden  Existenzbedingungen  ;iii  der  Oberfläche  des  Meeres,  vor  Allem  der  direkten 
Insolation  und  der  hohen  Oberflächentemperatur  während  des  Sonuners  haben  sich  eine  ganze  Anzahl 
von  pclagischen  Thieren  angepasst.  Nie  fehlt  an  der  Oberfläche  auch  während  der  heissen  .Jahreszeit 
völlig  das  thierische  Leben.  Radiolarien,  Schwärme  von  gelaj)pten  Rippenquallen  und  kleinen  craspedoteu 
Medusen,  Copepoden  und  Sagitten  trifft  man  auch  an  wolkenlosen  heissen  Sommertageu  um  die  Mittags- 
zeit an  der  Oberfläche  au.  Als  ein  bemerkenswerthes  Ergebniss  der  mit  dem  Schlicssnetz  angestellten 
Untersuchungen  muss  ieli  die  Thatsache  bezeichnen,  dass  di'r  grösste  Theil  der  wälirend  des 
Tages  im  H  o  c  h  s  o  m  m  cu'  an  Av.y  Oberfläclie  e  r  s  c  li  i' i  n  e  n  d  e  n  p  e  1  a  g  i  s  c  ii  e  ii  Tliiere  in 
der  Tiefe  durchaus  fehlt.  Ich  habe  ja  (iben  ()j.  51)  (hirauf  hingewiesen,  dass  manche  Arti'U,  so 
Z.  B.  Diphyes  Sieholdä,  Euphauala  jjd^ucida,  iSalpa  democratica  und  die  kleineren  Arten  von  Doliohim, 
gleichzeitig  an  der  Oberfläche  und  in  der  Tiefe  auftreten.  Ihnen  stehen  nun  jene  Formen  zur  Seite, 
welche  die  constante    „superflciale   iielagische  Fauna"    zusanunensetzen. 


')  W.  Thomson.     The  Depth.s  of  tlie  Sea  \k  45. 

°)  G.  Bertliold,  Ueber  die  Vertheihuig  der  Alfreu  im  Golf  von  Neapel.     Jlittti.  Zool.  Stiition  Neapel,  Hd.  3,  p.  401. 


i3    61     £> 

Zu  iliucn  sind  in  erster  Linie  ilii'  ;iut'  der  Oberfläche  ri(.ittirenden  Siplmninilioren,  nänilieli  die 
Physalien.  P(ir|iiten  untl  \'elelleii  zu  zählen.  Ich  hal«'  ))ei  Erörteruni;'  der  hurizüiitah'u  g'COgTaphisclicn 
Verbreitung-  der  pelagischen  Thicre  bereits  die  eig'euthiuuHchen  Anpassungen  betont  '),  welclie  die  ])assive 
Bewegung  durch  den  Wind  und  die  expouirte  Lage  des  Körpers  bedingen. 

Unter  den  im  Wasser  flottirenden  Formen  hebe  ich  in  erster  Linie  die  c(ih>niebildenden 
Radiolarien  hervor.  Branilt-i  hat  in  seiner  trett'liclien  Monographie  der  coh)niebildenden  Radio- 
hirien  liereits  ausdrücklich  betont,  dass  sie  trotz  der  Temjieraturschwankungen  im  Winter  und  Sonnner 
an  der  Oberfläche  aucli  wälirend  dt's  Tages  gefunden  werden.  Aus  den  von  ihm,  Bert  hold  und 
S  e  ni  m  o  1  a  geführten  Aufzeichnungen  ergiebt  sich,  dass  die  Temperatur  des  Oberflächenwassers  im  Wintei' 
sich  bis  auf  13,3"  erniedrigt,  im  Sonnner  dagegen  bis  zu  26,7"  im  Golfe  von  Neajjel  steigt.  Aus  seinen 
oben  mitgetheilten  Bemc-rkungen  ip.  11 1  geht  weiterhin  hervor,  dass  mit  Ausnahme  von  Sijhaerozoum 
acnferum  die  coloniebildenden  Radiolarien  in  der  Tiefe  f-hleii,  während  umgekehrt  die  in  dännneriger 
Tiefe  lebendoi  Formen  constant  durch  den  Mangi'l  gelber  Zellen  ausgezeichnet  sind. 

Unter  den  Cölenteraten  war  der  Mangel  der  an  der  Oberfläche  gemeinen  Euco])iden  ui  der  Tiefe 
bemerkenswerth. 

Unter  den  grösseren  pelagischen  Tliieren  sind  weiterliin  die  gelajjpten  Cteiiophoren,  nändich 
Eucharis  multicornis  und  Bolina  hydatina,  die  tyjiischsten  Bewohner  der  Oberfläche.  Nie  fanden  sich  in 
den  Tiefennetzen  erwachsene  Exemplare  oder  Larven  vor  —  ein  Umstand,  der  um  so  auffälliger  erscheint, 
als  die  nahe  verwandten  Cestiden  während  des  Sommers  die  Tiefe  aufsuchen.  In  gewaltigen  Schwärmen 
traf  ich  jileieh  bei  meinen  ersten  Ausfihrten  die  früher  nur  selten  beobachtete  Bolinn  hydaiina  und  nicht 
minder  gemein  die  grosse  Eucharis  an  der  Oberfläche  zu  jeder  Tageszeit  an.  Damit  stimmen  auch 
meine  früheren,  über  mehrere  Jahre  sich  erstreckenden  Beobachtungen  ^}  tilierein,  aus  denen  hervorgeht, 
dass  lediglich  Eucharis  midticornis  von  allen  Rippenquallen  den  ganzen  Sonnner  hindurch  auch  bei  Tage 
an  der  Oberfläche   auftritt. 

Unter  den  Würmern  scheint  die  gemeine  Sngitta  bipmicfatd  auf  die  (Jberfläche  Ijeschränkt  zu 
sein,  während  die   verwandten   Arten,   wie  <S'.  hexaptera   und  6'.  serratodi'utfifa   in   grossen  Mengen   zugleich 

die    Tiefe    bevrilkem. 


')  C.  Chun,  Ueber  die  geographische  Verbreitung-  der  pelagiscli  lebenden  Seethiere.  Zoolog.  Anzeiger  188C,  No.  '214, 
215,  p.  72.  „Dagegen  wird  uns  der  eigentliümliche  Bau  der  Velelleu  erst  verständlich,  wenn  wir  die  vollendete  Anpassung  an 
die  passive  Bewegung  durch  den  Wind  in  Betracht  ziehen.  Die  Ausbildung  eines  schräg  stehenden  Segels,  die  kahnförmige 
Gestalt  des  Mantels,  die  Verkürzung  der  Fangfäden  zu  tasterähnlicheu  mit  Nesselst.reifen  besetzten  Anhängen,  die  reichliche 
Schleimsecretion  am  Mantelrande,  welche  die  Wirkung  der  Fangfäden  ergänzt  und  das  Verkleben  der  Beutethiere  bedingt,  das 
ramificirte  Gefässnetz,  welches  ein  Austrocknen  der  der  Luft  ausgesetzten  Regionen  des  Körpers  verhütet  und  endlich  die 
Reihen  von  Luftlncheni  auf  der  Oberseite  der  Luftkammern,  welche  der  von  der  Sonne  stark  erwärmten  und  ausgedehnten 
Ltift  den  Anstritt  gestatten  :  das  Alles  sind  Momente,  die  erst  durch  Anpassung  an  ein  rasches  Segeln  erklärlich  w^erden.  Selbst 
die  reiche  Ausr.tattuiig  der  Velelleu  mit  gelben  Zellen,  die  nesterweise  in  den  Gefässen  liegen,  dürfte  darin  ihre  Erklärung  finden, 
dass  bei  Windstille  die  Thiere  oft  lange  Zeit  an  einer  Stelle  liegen  und,  unfähig  die  Beute  vermittelst  dehnbarer  Fangfäden  zu 
erwerben,  auf  die  Ernähiung  von  Seiten  ihrer  Schmarotzer  angewiesen  sind." 

')  C.   Brandt,  Die   colouielüldendeu  Radiolarien,  Fauna  und  Flora  des   Golfes  von  Neapel.     Bd.   13,  p.   114 — ll'.t. 

^)   C.  Chun,   Die   Ctenophoren   des   Golfes  von  Neapel,   1S80,  p.   Ü3fi-23'J. 


«     62     £> 

Von  Copcpoden  hebt  Giesb  recht  oben  (\>.'21)  ausdrücklich  den  Mangel  des  Genus  Pontellina 
in  der  Tiefe  hervor.  Fortgesetzte  Beobachtungen  müssen  weiterhin  darüber  Aufschluss  geben,  welche 
sonstige  Copcpoden  Oberflächen  formen  repräsentiren. 

Ich  bin  überzeugt,  dass  die  hier  aufgeführte  Liste  von  superficialen  Thieren  durch  fortgesetzte 
Beobachtungen  eine  ebenso  wesentliche  Bereicherung  erfahren  wird,  wie  die  früherhin  mitgetheilte  über 
die  pelagischen  Tiefenbewohner.  Immerhin  genügen  die  erwähnten  Formen,  um  mit  Sicherheit  die  Auf- 
fassung vertreten  zu  können,  dass  ein  Theil  der  jielagischen  Thierwelt  während  des  Sommers  nicht  in 
die  Tiefe  wandert,  sondern  in  hohem  Maasse  gegen  Schwankungen  der  Temperatur  und  gegen  direkte 
Insolation  unemjjtindlich  erscheint. 

Inwiefern  die  Fähigkeit ,  ausgiebige  Temperaturschwankungen  zu  ertragen ,  auf  die  Lcbens- 
äusserungen  superficialer  Thiere  rückwirkt,  ist  uns  kaum  bekannt.  Ich  glaube  daher  meine  Darlegungen 
über  die  Biologie  pelagischer  Thiere  nicht  besser  abschliessen  zu  können ,  als  indem  ich  auf  eine  Er- 
scheinung im  Entwicklungsleben  der  superficialen  gelappten  Ctenojihoren  aufmerksam  mache,  für  deren  Ver- 
ständniss  vielleicht  die  eigenthümlichen  Existenzbedingungen  an  der  Oberfläche  in  Anschlag  zu  bringen  sind. 


5.  Die  Dissogonie  der  gelappten  Ctenophoren. 

Wie  eben  ausdrücklich  betont  wurde,  so  steigen  die  gelappten  Ctenophoren  während  des  Sommers 
nicht  in  die  Tiefe,  sondern  verweilen  an  ruhigen  Tagen  dem  direkten  Einfluss  der  erhrihten  Temperatm' 
und  des  Sonnenlichtes  ausgesetzt  an  der  Oberfläche.  Sie  zeigen  auch  während  des  Sommers  eine  rege 
geschlechtliche  Thätigkeit  und  so  erklärt  es  sich,  dass  man  gleichzeitig  Larven  in  allen  Entwicklungs- 
stadien und  junge  Thiere  in  überreicher  Zahl  antrifft. 

Nicht  wenig  wurde  ich  bei  dem  Studium  der  postembryonalen  Metamorphose  der  Eucharis  multi- 
cornis  während  des  Sommers  1877  durch  die  Wahrnehmung  überrascht,  dass  die  cydippenförmigen  Larven 
durchweg  Geschlechtsprodukte  in  vier  von  den  acht  Meridionalgefässen  entwickeln ').  Es  gelang  mir 
nicht  nur  befruchtete  Eier  von  den  Larven  zu  erhalten,  sondern  auch  die  Embryonalentwicklung  zu 
verfolgen  und  eben  ausgeschlüpfte  Junge  aus  Larveneiern  zu  züchten.  Im  Winter  hingegen  war  eine 
derartige  Geschlechtsreife  bei  Larvenformen  nicht  zu  beobachten. 

Ich  kam  zu  der  Auffassung,  dass  die  Fortpflanzungsweise  der  Eucharis  unter  die  Erscheinungen 
der  Heterogonie  falle,  zumal  nur  die  jungen  Larven,  nicht  aber  die  zur  Metamorphose  sich  anscliickenden 
älteren  Uebergangsstadien  geschlechtsreif  angetroffen  wurden.  Immerhin  wäre  eine  solche  Deutung  erst 
dann  völlig  gesichert  gewesen,  wenn  über  das  spätere  Schicksal  der  geschlechtsreifen  Larven  sowohl,  wie 
der  von  ihnen  stammenden  jungen  Brut  ein  weiterer  Aufschluss  hätte  erlangt  werden  können. 

Was  ich  damals  unerledigt  lassen  musste,  vermag  ich  nun  in  hoffentlich  befriedigender  Weise 
nachzuholen.  Freilich  zeigten  die  Züchtungsversuche,  dass  eine  Heterogonie  nicht  vorliegt,  wohl  aber 
lehrten  sie  eine  cyclische  Entwicklungsweise  kennen,  die  bis  jetzt  einzig  in  der  Thierreihe  dasteiit.  Da 
ich   dieselbe  in    einer    ausführlichen    Publikation  noch  eingehend  darlegcMi    werde,  so  beschränke  ieli  mich 


')  C.  Chun,  1.  c.  p.  U3— U7. 


«     63     E> 

an  dieser  Stelle  auf  eine  knappe  Mittlieilung  und  «teile  liaui)ts;ieiilicli  jene  Momente  in  den  Vorderj;Tund, 
■welche  vielleicht  erst  mit  Rücksiciit  auf  die  Existenzbedingungen  der  ständig  an  der  Oberfläche  lebenden 
pclagischeu  Thiere  ihre  Erklärung  finden. 

Eine  Gesclilechtsieife  der  jüngsten  Larven  ist  offenbar  unter  den  gelappten  Rippenquallen  weiter 
verbreitet,  als  wir  bis  jetzt  vermuthen.  Nicht  nur  die  Larven  der  Eiicharis  multicornis, 
sondern  auch  jene  der  Bolina  hydatiua  werden  kurz  nach  dem  Verlassen  der 
Eihülle  gc  sc  h  1  e  c  h  t  s  r  e  i  f.  Ich  erwähnte  ja  schon,  dass  ich  Ende  August  und  Anfang  September 
in  grossen  Sehwärmen  eine  gelappte  Ctenophore  antraf,  welche  ich  fridierhin  als  Bolina  hydatina  beschrieben 
und  abgebildet  hatte  (1.  c.  Taf.  4,  Fig.  5  u.  6).  Es  fehlten  zu  derselben  Zeit  die  Eiicharis  multicornit! 
in  jenem  Theile  des  Golfes,  der  vom  Posilipp  begrenzt  ■\\ird.  Erst  im  freien  Meere  ti-af  ich  die  auch 
späterhin  in  den  Golf  vordringende  Eucharis  an.  Gleichzeitig  mit  der  Bolina  waren  ihre  cydip))en- 
förmigen  Larven  zahlreich  in  dem  Oberflächenauftrieb  vertreten  und  zwar  waren  sämni fliehe  junge 
Larven  ohne  Ausnahme  geschlechtsreif.  Damit  bot  sich  mir  die  schon  lange  ersehnte  Gelegen- 
heit, durch  systematische  Züchtungsversuche  einen  genauen  Einblick  in  die  cyclische  Entwicklung  zu 
erhalten.  Die  Larven  der  Bolina  waren  denn  auch  vorzüglich  hierzu  geeignet.  Nicht  nur  Hessen  sie 
sich  lange  Zeit  (4 — 5  Wochen)  am  Leben  erhalten,  sondern  es  gelang  auch  mehrmals,  an  einer  und  der- 
selben Larve  die  gesammte  postembryonale  Metamorphose  zu  verfolgen.  Zudem  floss  mir  das  Material 
so  reichlich  zu,  dass  ich  stets  an  fvisch  eingefangenen  Stadien  die  Entwicklungserscheinungen  der  in 
Gläsern   längere   Zeit   verweilenden   Larven   zu  controliren   vermochte. 

Die  Resultate  sind  nun  kurz  folgende :  Zwei  bis  drei  Tage  nach  dem  Verlassen  des  Eies  werden 
die  kleinen,  1 — 2  Millimeter  messenden  Larven  geschlechtsreif.  Nur  vier  Gefässe  und  zwar  die  vier 
subventralen,  schwellen,  genau  wie  bei  den  Eucharis-hm-yvw,  zu  vier  ansehnlichen  Zwitterdrüsen  an.  Die 
Larven  legen  Itefruchtefe  Eier  al)  und  gleichzeitig  wachsen  sie  heran.  Fig.  .5  stellt  eine  in  voller 
Geschlechtsreife  befindliehe  junge  Larve  vom  Sinnespol  aus  gesehen  dar,  Fig.  6  zeigt  eine  jütere  in  der 
Seitenansicht  von  dev  Magenebene  aus.  Die  Eiablage  dauert  einige  Tage,  während  deren  die  Larven 
an  Volum  beträchtlich  zunehmen  und  gegen  4  Millimeter  gross  werden.  Allmählich  sistirt  die  Produktion 
von  Samen  und  Ei  und  es  beginnen  di<'  Larven  zur  Metamorphose  sich  anzuschicken.  Eingeleitet  wird 
diesellje  durch  eine  Verlängerung  (b'r  Meridionalgefässe  und  durch  Vermehrung  der  Schwinmiplättcheu. 
Ursprünglich  waren  es  deren  vier  in  jeder  Ri})pe,  späterhin  nimmt  ungefähr  ]jro{)ortional  der  Grösse  der 
Larven  auch  die  Zahl  der  Plättchen  zu.  Die  subventralen  Rippen  enthalten  bald  mehr  Schwimmplättclien 
als  die  subtentakularen.  Während  gleichzeitig  die  Lappenanlage  deutlich  hervortritt  und  die  Tentakular- 
gefässe  schräg  nach  abwärts  steigen,  werden  die  Geschlechtsprodukte  in  den  sübventralen  Gefässen  rück- 
gebildet. Ein  Zeit  lang  ist  noch  deutlieh  unterhalb  di'r  Rippen  eine  Schwellung  nachweisbar,  doch 
schwindet  sie,  Ijevor  die  Meridionalgefässe  in  Communikation  treten.  Fig.  7  stellte  eine  der  ältesten 
Larven  dar,  an  der  die  Anschwellung  der  Gefässe  noch  kenntlich  ist,  obwohl  sie  bereits  die  Länge  von 
9  mm  erreicht  hatte. 

Es  ist  niclit  meine  Alisieht,  die  Details  der  Metamorphose  zu  erörtern,  und  daher  begnüge  ich 
mich  mit  dem  Hinweise,  dass  zunächst  die  subventralen  Gefässe  auf  den  Lapi)enanlagen  in  Communikation 
treten,  während  späterhin  die  subtentakularen  sich  mit  den  Magengefässen  vereinigen.  Die  Tentakel- 
Ijasis  wird   nicht,  wie  bei   Eucharis,  rückgebildet,  sondern   persistirt,  widirend  der    larvalc  Fangfaden    erst 


K3     64   .£> 

■nach  Anlage   der  Tentakelriiineii    seliwindet.     Die    vier  Aurikel    erscheinen    als  Ansbueiitungen    der    sub- 
tentakuhiren  Rippen  nnd  Gefässe  nach  Vereinigunu,-  der  iMeridionalgefässe. 

Junge,  in  voHer  Geschlechtsreife  befindlielie  Larven  heclurt'tcn  in  den  Gläsern  acht  bis  neun  Tage, 
lim  nach  Rückbildung  der  Geschlechtsprodukte  zu  jungen  Bolinen  von  1,5 — 2  cm  Grösse  sich  zu  entwickeln. 
Fig.  8  stellt  eine  Bolina  in  natürlicher  Grösst'  dar,  welche  nach  9  Tagen  die  Metamorphose  aus  einer 
geschlechtsreifen  Larve  zu  ih'r  jungen,  noch  mit  larvalen  Fangfäden  versehenen,  gelappten  Ctenophore 
sich  entwickelt  hatte.  Die  in  Fig.  7  dargestellte  Larve  bedurfte  nur  '6  Tage  zur  Vollendung  ihrer 
Metamorphose. 

Durch  diese  Beobachtmigen  ist  der  Nachweis  erbracht,  das.s  die  e  y  d  ip  j)  en  f  ö  rmigen 
geschlechtsreifen  Larven  der  gelap])ten  Ctenop  hören  nach  Ablage  befruchteter 
Eier  eine  R  ü  c  k  b  i  1  d  Ji  n  g  der  Geschlechts  p  r  o  d  u  k  t  e  einleiten  und  s  i  c  h  z  u  a  u  s  g  e  b  i  1  d  e  t  e  n 
g.elappten  Ctenop  hören  weiter  entwickeln.  Die  histologischen  Vorgänge  bei  Entwicklung 
und  Rückbildung  der  Sexualprodukte  werde  ich  an  anderer  »Stelle  ausführlich  schildern. 

Da  nun  andererseits  frei  gefischte  Bolinen  schon  bei  einer  Grösse  von  2,5 — o  em  wiederum 
geschlechtsreif  gefunden  wurden  (die  Sexualorgane  werden  in  allen  8  Rippen  in  dem  zwischen  zwei 
Schwimmplättchen  verlaufenden  Gcfässabschnitt  gebildet),  so  liegt  hier  der  mcn'k würdige  Fall 
einer  doppelten  geschlechtlichen  Thätigkeit  eines  und  desselben  Thieres  vor,  die 
durch  eine  complicirte  Metamorphose  unterbrochen  wird. 

Unter  den  durch  eine  Vermehrung  im  Larvenleben  eharakterisirten  Entwicklungserscheinungen 
möchte  man  als  analoge  Fälle  am  ehesten  noch  die  bekannte  Geschlechtsreife  des  Siredon  ijisciformis  und 
die  als  Paedogenesis  von  Baer  bezeichneten  Fälle  anziehen.  Allein  die  Entwicklung  der  Bolina  deckt 
sich  doch  nicht  mit  den  genannten  Erscheinungen.  Ein  geschlechtsreifer  Axolotl  verwandelt  sich  nicht 
mein'  in  ein  Amhly Stoma  und  andererseits  beziehen  sieh  die  Fälle  von  Paedocjenesis  auf  ungeschlechtliche 
Thätigkeit  von   Larven. 

Ich  glaube  indessen  nicht  fehl  zu  gehen,  wenn  ich  liei  der  Fortpflanzung  der  gelappten  Cteno- 
phoren  den  hauittsächlichen  Nachdruck  auf  die  doppelte  geschlechtliche  Thätigkeit  —  im  Larvenleben 
sowohl  .wie  im  entwickelten  Zustande  —  lege  und  für  diese.  Fortpflanzungsform  die  Bezeichnung 
„Dissogonie"  in  Vorschlag  bringe.  Ich  freue  mich,  in  diesei'  Hinsicht  mich  auf  die  Autorität  von 
Leuckart  berufen  zu  können,  der  mir  Ijrieflich  die  Ansicht  aussprach,  dass  man  auch  durch  Schaffung 
eines  eigenen  Ausdrucks  den  Unterschied  von  der  Pädogenesis  zu  betonen  habe.  Die  Fälle  einer 
Dissogonie  sind  von  jenen  der  Heterogonie  scharf  dadurch  geschieden,  dass  dasselbe  Thier,  welches  als 
Larve  Samen  und  Ei  producirte,  nicht  abstirbt,  sondern  nach  Rückbildung  der  Sexualorgane  seine  Meta- 
morphose zu  der  ausgebildeten  Form  durchläuft  und  in  solcher  wiederum  zu  geschlechtlicher  Thätig- 
keit sich  anschickt. 

Es  bliebe  somit  nur  noch  das  Schicksal  der  von  »h-n  Larvt'u  abgelegten  Ijefmchteten  Eier  zu 
erörtern.  Dass  sie  sich  zu  Embryonen  entwickeln,  hal)e  ich  Itereits  von  Encharis  nachgewiesen  und 
kann  es  ebenso  für  die  Bolina  bestätigen.  Zwei  Tage  nach  der  Ablage  schlüpfen  dieselben  aus  und 
lassen  bereits  am  dritten  Tage  eine    chai-akteristische  Schwellung    der    4  subventralen  Gefässe    bemei'ken. 


i3     65     ES 

Am  vierten  Ta.i^'i'  war  es  unverkt'imhar,  dass  die  Scliwelluni;-  durcii  Bildung  von  .Sexualprodukten  bedingt 
wurde.  Wenn  es  mir  nun  auch  nicht  gelang,  sie  zur  Eiablage  zu  bi-ingen  (es  fällt  schwei-,  den  Larven 
alle  Bedingungen  zu  bieten,  denen  sie  im  freien  Meere  ausgesetzt  sind),  so  darf  doch  als  sicher  angenommen 
werden,  dass  auch  sie  wiederum  denselben  Entwicklungsgang  durchlaufen ,  wie  er  soeben  geschildert 
wurde.  Damit  stimmt  es  denn  auch,  dass  von  August  bis  Ende  Oktober  lediglich  geschlechtsreife  Larven 
in   zahlloser  Älenge   zur  Beobachtung  gelangten. 

Bedenkt  man,  dass  die  zarten  gelappten  Rippenquallen  das  ganze  Jahr  hindurch  an  der  Ober- 
fläche verweilen  und,  ungleich  ihren  nächsten  Verwandten,  nämlich  den  Costiden,  nie  die  geschützten 
Tiefen  aufsuchen,  so  liegt  der  Nutzen  einer  Massenproduktion  von  Larven  durch  Dissogonie  auf  der 
Hand.  Es  fragt  sich  nur,  welche  Einflüsse  die  Geschlechtsreife  der  Larven  bedingen  und  auf  welche 
Weise  im   Laufe  der  Zeit  eine  Dissogonie  zu  Stande   kam. 

Zur  Erklärung  dieser  Erscheinung  möchte  ich  zwei  Thatsachen  anführen,  die  immerhin  eine 
gewisse  Direktive  abgeben.  Zunächst  ist  zu  bemerken,  dass  den  Cestiden  eine  Dissogonie 
nicht  zukommt.  Obwohl  sie  ebenfalls  cydippenförmige  Larven  besitzen,  welche  denen  der  gelappten 
Ctenophoren  zum  Verwechseln  ähnlich  sehen,  so  war  an  keiner  während  des  Sommers  aus  der  Tiefe 
geflschten  Larve  eine  »Schwellung  der  Gefässe  zu  bemerken.  Der  Aufenthalt  in  geschützten  Regionen 
und  vor  Allem  die  niedrige  Temperatur  in  der  Tiefe  mögen  einer  frülizeitigen  Geschlechtsreife  nicht 
günstig  sein.  Berücksichtigt  man  nun  andererseits  den  Umstand,  dass  geschlechtsreife  Larven  im  Winter 
nicht  vorkommen,  wie  ich  das  früherhin  von  Eucharis  nachwies,  so  ist  klar,  dass  nur  unter  dem 
Einfluss  erhöhtei-  Temperatur  die  Reife  der  Larven  eintritt. 

Es  ist  ja  eine  alte  Erfahrung,  dass  erhöhte  TemjK'ratur  eine  frülie  Reifung  der  .Sexualorgane 
begünstigt  und  speziell  von  Cölenteraten  wird  vielfach  betont ,  dass  z.  B.  Medusen  geschlechtsreif 
angetroff"en  werden,  während  sie  noch  die  Zald  der  Radialkanäle,  Randbläschen  und  Tentakel  vermehren. 
Ich  könnte  auch  von  anderen  Cölenteraten  derartige  Beispiele  anführen.  .So  trifi't  man  ganz  junge  Beroen 
geschlechtsreif  neben  alten  Exemplaren  von  mehr  als  zwanzigfacher  Grösse,  so  werden  unter  den  .Sipho- 
nophoren  reife  Geschlechtsprodukte  gebildet,  während  sie  noch  larvale  Fangfäden  neben  den  definitiven 
tragen.  (Jugendstadicm  der  Forsknlia  contorta  und  des  Halisfemmd  ^^'ctwn).  Ich  besitze  jugendliche 
Formen  der  Physalia  mit  kirschkerngrosser  Pneumatophore,  welche  männliche  Gonophoren  mit  reifen  .Sper- 
matozoen  aufweisen  —  aber  in  all  den  hier  erwähnten  Fällen  handelt  es  sich  um  frühe  Geschlechtsreife, 
die  erst  nach  Ablauf  der  Metamorphose  oder  während  der  letzten  Larvenstadien  aiiftritt,  ähnlich  der 
Geschlechtsreife  von  Tritmien   mit  äusseren   Kiemen. 

Bei  den  gelappten  Cten(.)j)horen  handelt  es  sich  jedoch  um  eine  bis  zum  Extrem  gediehene  früh- 
zeitige Geschlechtsreife,  die  gleich  nach  dem  Verlassen  der  Eihülle  vor  Beginn  einer  Metamor- 
phose eintritt.  Kaum  ist  die  Larve  im  Stande  Nahrung  selbständig  aufzunehmen,  so  beginnen  auch  die 
vier  zu  Zwitterdrüsen  umgewandelten  Gefässe  mächtig  zu  schwellen.  Man  könnte  sich  nun  vorstellen,  dass 
die  Ansprüche,  welche  durch  eine  tiefgreifende  Metamorphose  gestellt  werden,  die  Rückbildung  der  Sexual- 
organe bei  älteren  Larven  bedingen.  Allein  dann  w-äre  zu  erwarten,  (hiss  Larven,  welche  reichlich 
Nahrung    aufzunehmen    vermögen    —    meist    ist    sie    ihnen    ja    üljerreich    dureh    die    Copepodenschwärme 

C.  Chun,  Die  pelagische  Thierwelt.  9 


i3     66     ES 

geboten  —  aiieli  bis  zur  Vollemlung  der  Metaniorjihose  gesclileclitUeb  thäti^'  blieben  ;  ein  Fall,  der  nie 
eintritt.  Wenn  wir  nun  nicht  allzuweit  mit  liypotlietisclu'ii  Elrklärun.t;sversuelien  ausholen  wollen  und 
etwa  annehmen  müciiten,  dass  eine  pliyletische  Reminiscenz  vorliegt,  insofern  ja  die  Larven  der  gekippten 
Ctenophoren  die  Körpergestaltuug  der  Mertensien  reeaintuliren ,  so  glaube;  ich ,  dass  auch  schon  die 
Existenzbedingungen  hinreichend  eine  Dissogonie  verständlich  crselicinen  lassen.  Superficiale  pela- 
gisch  e  Thiere,  welche  zu  den  zartesten  prlagischen  Formen  gehören  und  nicht  die 
geschützten  Tiefen  aufsuchen,  erlangten  im  Intc-resse  der  Erhaltung  der  Art  untt'r 
dem  Einflüsse  der  erhiihtt'U  Teni  ji  era  t  iir  die  Fähigkeit,  durch  eine  Dissogonie  eine 
e  r  s  ta  un  lieh  e  Ver  nu'h  run  u'  einzuleiten. 


Druck  von  Gebrüder  Gotthelt't  in  Cas.sel. 


liilia  Its  vei'zeichnis 


Seite 

Einleitung-         ......................  1 

I.  Methode  de.s  pelagisclieu  Fi.seheus  in  grüsseren  Meerestiefen       ..........  S 

II.   Specieller  Tlieil      ...................  7 

I.  ßadiolaria             ...........                    ......  7 

II.  Coelenterata        .         .         .         .         .         •         .                   .         .         .         .         .         .         .         .         .         .  12 

■Siplionophorae           .................  12 

Ctenophorae      ..................  17 

III.  Echinodeimata    ..................  17 

IV.  Vermes         ...................  17 

Tomopteriden             .................  18 

Eibildimg  bei  Tomopteriden               ..............  21 

Alriopidae          ..................  24 

V.   Crustacea    ...................  2.5 

Cirripedia,  Copepoda        ................  25 

O-straeoda,  Ampbipoda  Hyperina     ..............  28 

Schizopoda        ..................  29 

Decapoda           ..................  33 

VI.  Mollusca 35 

Pteropoda,  Heteropoda     ................  35 

Cepbalopoda     ...................  36 

Vil.  Tunieata 37 

Appendicularia          .....           ............  37 

Pyrosomata,  Salpae,  Doliolidae         ..............  42 

VIII.  Pisees ' 43 

III.   Allgemeiner  Tlieil 44 

I.  Ueber  die  vertikale  Verbreitung  der  pelagischen  F.<iuua   ..........  44 

Befunde  de.s  „Chaüenger"        ...............  45 

Befunde  des   „Vettor  Pisani"  ...............  4(> 

Temperatur  des  Mittelmeeres            ,          ,          ............  47 

Eigene  Befunde        .................  48 

Ernährung  der  Grundthiere      ...............  49 

II.  Ueber  das  periodisehe  Auf-  und  Absteigen  pelagischer  Thiere            ........  50 

Verschwinden  pelagischer  Thiere  während  des  Sommers        .........  50 

Ursachen  der  periodischen  Wanderungen        .............  52 

Einfluss   der  Temperatur           ...............  54 


III.  Die  pelagisehe  Tiet'eutauiiii  und  ihre  Existenzbedingun<ren 

Pelagisclie  Tiefset'tliiere  ........ 

Existeozbediuguiigeu  derselben         ....... 

Ernährung  derselben        ......... 

Experimente  über  das  Vordringen  des  Lichtes  in  die  Jleerestiefen 

IV.  Die  constante  pelagische  Oberfläehenfanna         ..... 

Pelagische   Obertiächenthiere  ....... 

V.   Dissogonie   der  gelappten  Ctenophoren  ...... 

Dissogonie  von  Bolina  hydatina      ....... 

Einflnss   der  Temperatur  auf  Dissogonie  ..... 


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Tafel-Erklärung-en. 


Tafel  I. 

Fig.   1 — 3.     V.  Petersen's  Schliessnetz  (vide  p.  4). 

Fig.  4 — 6.     V.  Petersen's  photographischer  Apparat  zur  [Messung  der  Liclitiutensität  iii  grösseren 
Tiefen  (vide  p.  58). 


Tafel  II. 

Fig.  1  u.  2.     Larve  des  Hippopodim  Intens  Q.  et  G.  aus  1200  M.  Tiefe  fvor  Ponza) 
Fig.  1   von  der  Seite,  Fig.  2  von  unten  gesehen,  (nat.  Gr.  7  nnn.j 

V.  Scheide, 

v'  ^lündung  derselben, 

s.  Saftbehälter. 

f.  Fangfaden. 

c.  Knospe  der  ersten  detiuitiven  Glocke. 
Fig.  'd.     Umbrella  und  Knospeugruppen  einer  älteren  Larve. 

c'  Anlage  der  ersten  definitiven  Schwimmglocke, 

c^  Anlage  der  zweiten  definitiven  Schwimmglocke, 

p'  erster,  p^  zweiter,  p'*  dritter  Magen poIyp, 

u.   Subunibrella, 

V.  Scheide, 

w.  Ektodermwulst  des  Polypen. 
Fig.  4.     Larve  der  Pliysopliora  hydrostatica  aus    800  ]\L     (p.   15.) 

a.  Taster, 

a'  Knospenanlagen  derselben, 

c^  junge  Schwimmglocken, 

f.  Fangfäden  der  Taster, 

p.  Polyp, 

t.  aufgetriebenes  iinteres  Ende  des  Stammes. 


Fig.  5 — 7.     Zur  Dissogonic  der  Bolina  liydatina  Clnm.  (p.  62 — 66.) 

Fiji'.  5.     .Txingc  geschleclitsvcife  Larve  von  2  Tagen  vom  Siiinespol  aus  gesehen.     Zeiss  A.  1. 
Fig.  6.     Aeltere  geschlechtsreife  Lan^c  v(in  der  Magenebene  aus.     Zeiss  A.  1. 
Fig.  7.     Larve  mit  naliezu  völlig  rückgeliildctcn  Gesclileelitsorganen.     Louijenvergr. 
Fig.  8.     Junge  Bolina,  die  aus  einer  gesehleclitsreifen  Larve  gezüchtet  wurde.     Nat.  Gr. 


Tafel  in. 


Tomopteriden   der  Tief.see.     (p.   18—24.) 
(Nach  Chromosmiumpräparaten  gez.) 
Fig.   1 — ;5    Tomopteris  euchaefa  Ch. 

Fig.   L     Weibliches  Exemphir  von  der  Bauciiseite  gesehen.     Loupcnvergr. 

ov.   Ova;'ien. 
Fig.  2.     Koijf  V.  T.  evckaeta.     Zeiss  A.  1. 
gr.  Kopfgrube, 
niu'  —  niu''  MuskeHamellen, 

0.  Mund, 
]jh.  Pharynx, 

V.  Scheide  der  grossen  Borsten. 
Fig.  3.     Mediauschnitt  durch  den  Kopf.     Ziiss  A.  2 
ep.  Epitlielhnnelle  der  Leibeshohki. 

1.  Leibeshöhle, 
g.  Gehirn, 

n.  Nerv  ^-or  der  Kopfgrulje, 

gr.  Kopfgrube, 

b.  n.  Bauchnerv, 

ph.  Pharynx, 

nie.  Mesenterien  des  Darmes, 

niu.  Muskelhimelle. 
Fig.  4.      Tomopteris  elegans  ^   Ch.     Vordei'es  Körperende. 

c'  kleine  Fiihlercirren, 

c^  grosse  Fiihlercirren, 

g.   Gehirn, 

w.  Geruchspiatten  (Wimperepauletten), 

ph.  Pharynx, 

ov.  Ovarium. 
Fig.  5—9.     Eibildung    der  Tomopteriden. 

Fig.  .'').      Ovarium  von   Tomopteris  elegans  mit  5  Keimfächeru.     Zeiss  E.   1. 
Fig.  G.     Ovarium  von   Tomopteris  euchaeta  mit  18  Keimfächern.     Zeiss  C.  2. 
Fig.  7- — 9.     P^reie  Eier  von  verschiedener  Grösse  v.  T.   euchaeta.     Zeiss  C.  2. 


Tafel  IV. 

Pela.üisc'lic  S  c  li  i zu  p  o de ii  und  Dceapodcii    der   Ticfseo. 

Fig.   1.     Stylocheiron  mastigopliornni   ^    Ch.     (pag.  30.)     (iiat.  Gr.  6 — 10  nnii.) 

1—8  Bi-ustfüss(>. 
Fig   la.     Greifliand  des  dritten  Fiisspaarcs.     abd.  Abduetor.     add.  Adduetor. 
Fig.  2  u.   3.     Ardchnomijsis  Leuckartii  ^  Ch.  (pag.  32.)    (uat.  Gr.  8  nun.) 
Fig.  2.     Männchen  von  der  Bauchseite. 
Fig.  3.     Dasselbe  von  der  Seite. 

p^  Zweites  Paar  von  Kiefertusseu, 
j)'  letztes  Paar  der  Brustfüsse, 
t.  Begattungsanhang  an  denselben. 
Fig.  3a.     Telson  und  Uropoden  mit  Otolithenbläscheu. 
Fig.  4  u.  5.     iSergestes  viagnißciis  Ch.     (pag.  33.) 
Fig.  4.     Weibchen  vom  Rücken  ^/i. 
Fig.  5.     Mänuehcai  von  der  Seite  ^/i. 
at^  Antennulae, 
at^  hintere  Antennen, 
sq.  vSchuppe  derselben, 
II,  III  zweites  und  drittes  Kieferfusspaar, 
1 — 5.   Thoracalt'üsse. 

a^  erstes  Abdominalfusspaar  mit  Begattuugsanhang. 
Fig.  öa.     Basaltheil  der  Geisselanhänge  an  den  Antennulae   des  Männchens.     Zeiss  A.   1 
fl.  e.  Aeusserer,  fl.  i.  innerer  Ast  des  Flagellums, 
h.  Hamulus. 
Fig.   6.     Ulkrsin  clavigera.  Ch.  (pag.  34.)     fnat.  Gr.   10  mm.) 


Tafel  V. 


A  p  p  e  n  d  i  c  u  1  a  r  i  e  n  u  ii  d  C  e  p  h  a  1  o  p  o  d  e  n  der  T  i  e  t'  s  e  e 

(N.ich   Sublimnt-  und  Chromosmiumpräp.'irateu.) 

0.  MundüfFnung, 

1.  Lippen  derselben, 
ph.  Pharyngealhöhle, 
sp.  Spiracula, 

sp'  innere  OefFnung  derselben, 

s.  Sinneszellen  am  Rande  der  vSpiracula, 

ve.  Gallertsegel, 

e.  Endostvl. 


f.  Ränder  der  Falten. 
Ü.  Flimmerbögen. 
gl.  Drüsen, 
oe.  Oesophagus. 
V.  Magen, 
h.  Leber, 
d.  h.  Lebergang, 
p.  Pylorus. 
i.  Dann, 
r.  Rektum, 
a.  After. 

g.  c.  Gehirn, 
ot.  Otolithenbläschen, 
olf.  Geruchsgrube, 
n.  Hauptnerv, 
n'  Kiemennerven, 
n"  Nerv  des  Mundrandes, 
g*  .Schwanzganglien, 
n.  c.  Sclnvanznerv, 
mu  Muskulatur, 
c  Leibeshöhle, 
ch  Chorda, 
ov.  Ovarium, 
t.   Hoden, 

Steyosoma  pellucidum  Gh.,  von  der  linken  Seite.   Zeiss  A.   L     (pag.  37.) 
Stegosoma  pellucidum,    völlig   geschlechtsreifes   Thier    mit    rückgebildetem  Vorderkörper. 
Zeiss  A.  L 

Stelle,  an  der  wahrscheinlich  die  Gcschlechtsprodukte  entleert  werden. 
-7.     Megalocercus  ahyssorum  Ch.  (pag.  40.) 
Fig.  3.     Grösstes  Exemplar  von  der  Rückseite  ^/i. 
Fig.  3  a.     Natürliche  Grösse. 
Fig.  4.     Dasselbe  von  der  rechten  Seite  ^■'/i. 

y  Flinunerzellen  am  vorderen  Rande  des  Spiracuhun. 
Fig.  5.     Kleinstes  Exemplar  von  der  buken  Seite. 
Fig.  6.     Mittleres  Exemplar  von  der  rechten  Seite. 
Fig.  7.     Färbung  der  Eingeweide  bei  den  kleinsten  Exe)n|ilaren. 
Fig.  8.     Decapode  aus  900  M.  Tiefe  (Iselüa).     «/i. 


Fig. 

L 

Fig. 

2. 

X, 

Fig. 

3- 

r.  l'liiin.  IVlafiischi'  Thinrwclt 


Tai'.  1^ 


('.  Cliiiii.  l'('lai|isili<'  ThiiTWclt. 


T.iril. 


Arlul  Ailjlv  Th  flactiK.  (niHl 


fig,  1-3.  Larvp  des  Hippnpoiiius  luleus.   Fig.  4.  Larve  von  Pliysophnra  hydroslalica.  Fiij.  5-7.  (lesohlechtsrelfe  Larven  von  Bolina  hydatiiia.  Fi(].  S.  Biilina  hydatma  juv. 


rCliiiii.  l'cl.Hilsilic  TliiiTWcll 


Tai;  III. 


pk 


Fi(|.  l-ii,  li-!l  Tomiipli'ris  ciichapta  9  >i- sp     f'iij  1. .').  Ti)m(i|)l("ris  olpqans  {  11.  sp. 


r.  Cliiin.  IVI.ii|isilii'  TliMM-wcll 


Taf.IV 


Fi(|,  I.  Slvloiiieiriiii  iiiiisliiiiipliiirura  ii  sp    J'iij  'i'.'t  Ai'iHiiiiiiiiiy.si.s  l,i'ii(i<;iilii  ii  i|    Fii|   l-'i   Spri|i'sli's  iiiiH|iiirii'ii,s  n  s|i    Tii|  (i  Miitski  rliiviiiorn  ii.sp 


('  (liiiii,  relii;|isihi'  Thjcrwelt. 


T^il'V 


AtihIAhiii  Tk  FiifJicf 


Fiq  1,2  Stegosoma  pellutiduin  n-ä-   '"I  ■'  '   Megalorcrciis  abyssnrurii  ii  y. 


BIBLIOTHECA  ZOOLOGIC&. 


Original  -Abhandlungen 


aus 


dem  Gesammtgebiete  der  Zoologie. 


Herausgegeben 


von 


Dr.  Rud.  Leuckart  Dr.  Carl  Chun 

in  Leipzig.  mul  iu  Königsberg. 


Hell  2. 

Untersuchungen    über   den   Bau   und    die  Entwickehuig   des   Kübennematoden    Heterodera  Schachtii  Öchmdt 
von  Dr.  Adolf  Strubell  aus  Frankfurt  a.  M.  —  Mit  2  Tafeb. 


C  A  S  S  E  L. 

Verlag  von  Theodor  Fischer. 

1888. 


UNTERSUCHUNGEN 


ÜBER 


DEN  BAU  UND  DIE  ENTWICKLUNG 


DES 


RÜBENNEMATODEN 


HETERODERA  SCHACHTII   SCÜMDT. 


VON 


Dr.  ADOLF  STRUBELL 

AUS 

FRANKFUßT  A.  M. 


C  A  S  S  E  L. 

VERLAG  VON  THEODOR  FISCHER. 
1888. 


lEOEI  LIEBEI  ELTEEIf 


IN  DANKBARKEIT 


GEWIDMET. 


Unter  den  zahlreichen  thierischen  Schmarotzern,  welche  unsere  Culturgewächse  in  mehr  oder 
minder  verderblicher  Weise  heimsuchen,  hat  in  den  letzten  Dezennien  ein  kleiner  unscheinbarer  Nematode 
die  allgemeine  Aufmerksamkeit  durch  den  grossen  Schaden,  den  er  der  Rübenkultur  und  damit  auch  der 
gesammten  Zuckerindustrie  zufügt,  in  ganz  besonderem  Maasse  auf  sich  gelenkt. 

Den  Anguilluliden  zugehörig  mid  unter  diesen  den  Tylenchen  am  nächsten  verwandt,  bohrt  sich 
dieser  Wurm  vermittelst  eines  beträchtlich  ausgebildeten  Stachels  bereits  frühe,  im  Larvenstadium ,  in  die 
Wurzelfasern  der  Rübe  ein  imd  bewegt  sich  dort  mit  ziemlicher  Lebhaftigkeit  im  Pareuchym  umher,  bis 
er  an  geeigneter  Stelle  zm-  Ruhe  kommt,  um  nun  unter  einer  Metamorphose,  die  beim  Männchen  sehr 
eigenthümlich  verläuft,  sich  zu  Geschlechtsthiereu  von  ganz  heterogener  Gestalt  zu  verwandeln. 

Bei  der  massenhaften  Einwanderung  des  Wui-mes,  wodm-ch  das  Zellgewebe  zerstört  wird,  und  bei 
der  fortwährenden  Saftentziehung  durch  die  reichliche  Nahrungsaufnahme  ist  es  natürlich,  dass  sich  sehr 
bald  die  schädlichen  Wirkungen  in  einem  krankhaften  Aussehen  der  PÜanze  zu  erkennen  geben.  Die  Blätter 
verlieren  ihr  frisches  Grün,  werden  matt  imd  vergilben,  um  zum  Theil  zu  Grunde  zu  gehen,  zum  Theil 
später  wieder  zu  ergrünen,  die  Wurzel  zeigt  ein  nur  geringes  Wachsthum  und  schrumpft  oft,  der  Zucker- 
gehalt nimmt  bedeutend  ab,  kurz  es  treten  Erscheinungen  auf,  die  den  Landwirth  zu  einer  Zeit,  wo  man 
von  der  Existenz  dieses  gefährlichen  Parasiten  noch  nichts  wusste,  zu  der  Meinung  veranlassen  konnten, 
diiss  die  beträchtlichen  Verluste  und  Missernten  vor  allem  einer  Erschöpfung  des  Bodens  an  Nähi-stolfen 
zuzuschreiben  seien.  Diese  Anschauimg,  scheinbar  gestützt  diarch  Raubbau,  den  man  damals  infolge  der 
sich  immer  steigernden  Fabrikbedürfnisse  beti-eiben  musste,  verlor  jedoch  mit  der  Entdeckung  unseres 
Nematoden  sehr  rasch  ihre  Geltung,  so  dass  jetzt,  nachdem  Kühn  auf  Grund  mühsamer  Experimente  das 
winzige  Wüi-mchen  als  vorzugsweisen  Urheber  der  „Rübenmüdigkeit"  erkannt  und  erklärt  hat,  jeder  Zweifel 
über  die  wahre  Natur  des  Uebels  ein  für  allemal  beseitigt  ist. 

Angesichts  dieser  grossen  Verheerungen,  die  naturgemäss  bei  der  früheren  mangelnden  Einsicht  in 
das  Wesen  der  Kranhheit  ausserordentlich  stark  zunahmen,  kann  es  uns  kaum  Wunder  nehmen,  wenn  der 
rüljenbauende  Landwirth  heutzutage  diesem  verderblichen  Feinde  das  lebhafteste  Interesse  entgegenbringt 
und  Mittel  und  Wege  sucht,  sich  seiner  zu  entledigen.  Auffallen  muss  es  uns  dagegen  umsomehr,  dass 
von  Seiten    der  Zoologen    einem  Parasiten ,    dessen    vielfache  Eigenthümlichkeiten    schon    zu   einer  näheren 


-D«g        8        @x:- 

Untersuehung  auffordern,  und  der  dabei  noch  eine  so  hohe  praktisehe  Bedeutung  besitzt,  die  gebührende 
Beachtung  bisher  fast  völlig  versagt  wm-de;  denn  ausser  einigen  kurzen  Mittheilungen,  begleitet  von  unge- 
nügenden Abbildungen  besitzen  wir,  wie  der  historische  Ueberblick  darthut,  keine  weitere  Nachricht. 

Dui'ch  diese  Thatsache  veranlasst,  hat  die  hohe  philosophische  Fakultät  der  Universität  Leipzig  die 
Darstellung  des  Baues  und  der  Entwicklung  der  als  Rübenneraatode  bekannten  Heterodera  Schachtii  als 
zoologische  Preisaufgabe  für  das  Jahr  1886  gestellt. 

Ich  habe  es  versucht  in  der  nachfolgenden  Abhandlung  dieser  Aufgabe  gerecht  zu  werden,  indem 
ich  mich  nach  BJräften  bemühte,  die  mannigfachen  Lücken  auszufüllen,  das  Bekannte  zu  erweitern  und  Neues 
hinzuzufilgen ,  um  auf  diese  Weise  ein  eingehsnderes  und  vollständigeres  Bild  des  Baues  und  der  Lebens- 
geschichte von  Heterodera  Schachtii  entrollen  zu  können,  als  es  von  meinen  Vorgängern  geschehen  ist. 
Vor  allem  habe  ich  es  mir  dabei  angelegen  sein  lassen,  den  biologischen  Verhältnissen  unseres  Schmarotzers 
meine  volle  Aufmerksamkeit  zu  widmen.  Stets  wies  ich  da,  wo  es  sich  erheischte,  auf  die  engen  Bezieh- 
ungen zwischen  Form  und  t\inktion  der  Organe  hin  und  hob  den  Einfluss  hervor,  den  die  Existenzbe- 
dingungen auf  die  Bauweise  besitzen.  Zeigt  doch  auch  gerade  dieser  unscheinbare  Wurm,  gleich  allen 
Parasiten  in  ihren  verschiedenen  Abstufungen,  wie  unzureichend  gar  oft  eine  rein  morphologische  Betrach- 
tung, wie  wesentlich  hingegen  die  stete  Berücksichtigung  der  Lebensweise  für  das  Verständniss  der  thierischen 
Organismen  ist. 

Die  Abhandlung  gliedert  sich  in  mehrere  Abschnitte,  deren  Folge  sich  von  selbst  ergiebt.  In  den 
ersten  derselben  soll  neben  einer  historischen  Uebersicht  die  Beschreibung  der  Untersuchungsmethode  ihren 
Platz  finden,  während  in  den  anderen  der  Bau  der  Geschlechtsthiere,  die  embryonale  Entwicklung  und  die 
Metamorphose  geschildert  werden  wird. 

Bevor  ich  jedoch  dazu  übergehe,  kann  ich  es  nicht  unterlassen,  meinem  hochgeehrten  und  geliebten 
Lehrer  Herrn  Geheimrath  Leuckart  für  sein  Wohlwollen,  das  er  mir  in  so  reichem  Masse  unausgesetzt 
schenkte,  ebensosehr  meinen  tiefgefühltesten,  aufrichtigsten  Dank  auszus2orechen ,  wie  für  die  vielfachen 
Rathschläge,  mit  denen  er  mich,  wie  innner,  so  auch  bei  diesen  Untersuchungen  unterstützte. 


Historische  Uebersicht. 


Die  ei'ste  Kunde,  die  wir  über  den  Rübennematoden  erhielten,  kam  von  Hermann  Schachtes),  dem 
rühmlichst  bekannten  Bonner  Botaniker.  Beschäftigt  mit  eingehendei-en  Studien  über  die  Zuckerrübe, 
widmete  er  auch  den  Feinden  derselben  seine  besondere  Aufmei-ksamkeit  und  fand  dabei  im  Jahre  1.S59 
„kleine  weisse  Pünktchen",  wie  er  sich  ausdrückt,  von  der  Grösse  eines  Stecknadelkopfes,  die  den  Seiten- 
wurzeln in  zalilreicher  Menge  anhafteten.  Durch  die  rundliche  Form  derselben  veranlasst,  hielt  er  diese 
Gebilde  anfangs  bei  oberflächlicher  Betrachtung  für  milbenartige  Wesen,  jedoch  eine  nähere  mikroskopische 
Untersuchung  überzeugte  ihn  sehr  bald  von  seinem  Irrthume.   Die  Körnchen  hatten  danach  die  Gestalt  eines 


„häutigen  Sackes",  der  an  beiden  Enden  spitz  zulief,  und  bargen  in  ihrem  Innern  zahllose,  „vielleicht  über 
Tausend"  Eier,  die  theils  noch  in  Furchung  begriffen  waren,  theils  auch  schon  einen  Embryo  einschlössen. 
Diese  Embryonen  nun  waren  es,  welche  Schacht  auf  den  Weg  zu  einer  richtigen  Deutung  leiteten;  denn 
ihr  ganzes  Aussehen  Hess  ihm  keinen  Zweifel,  dass  er  es  in  ihnen  mit  Würmern,  echten  Nematoden,  zu 
thun  habe,  und  der  unförmige  Sack  nichts  weiter  darstelle,  als  das  trächtige,  allerdings  höchst  sonderbar 
gestaltete  Weibchen.  Die  beiden  Helminthologen  Lieberkühn  und  G.  Wagener,  an  welche  einige  Exemplare 
gesandt  worden  waren,  bestätigten  nicht  nur  die  Diagnose,  sondern  sahen  in  diesem  Nematoden  auch  noch 
eine  neu^e,  bisher  unbekannte  Art. 

Auf  diese  erste  Mittheilung,  die  nur  ganz  kui-z  gehalten  ist,  aber  durch  die  darin  niedergelegte 
Entdeckung  des  gefährlichen  Parasiten  von  grosser  Wichtigkeit  war,  folgten  in  dem  gleichen  Jahr  noch 
einige  kleine  Bemerkungen  ül)er  dessen  Vorkommen  auf  Feldern  von  Stassforth,  im  Oderbruche  und  in 
Schlesien.  Erst  drei  Jahre  später  beschenkte  uns  Schacht  ^8)  mit  einer  zweiten  ausführlicheren  Nachricht, 
die  imsere  zoologische  Kenntniss  über  diesen  Wurm  etwas  erweiterte.  Neben  dem  Weibchen,  mit  dem  er 
uns  bereits  früher  bekannt  gemacht  hatte,  war  es  ihm  geglückt,  auch  inzwischen  das  ausgebildete  Männchen 
zu  beobachten.  Seine  Zugehörigkeit  zu  den  Rübennematoden  schloss  er  ohne  Mühe  aus  der  grossen  Aehn- 
lichkeit  mit  den  Embryonen.  Er  fand  dasselbe  gleichfalls  in  der  Erde  neben  den  Seitenwurzeln  und  schildert 
es  als  ein  kleines  mikroskopisches  Würmchen  mit  cylindrischem  Leib,  mit  einem  kegelfih'migen  Aufsatz  am 
Vorderende,  einem  grossen  Stachel,  mit  Darm,  Zeugungsorganen  und  einem  „gespaltenen  Penis"  am  Hinter- 
theil.  Auch  das  Weibchen  würdigt  er  dabei  noch  einer  Betrachtung,  doch  beschränken  sich  hier  seine  An- 
gaben nur  auf  verschiedene  Maasse  imd  den  Nachweis  einer  dem  hinteren  Ende  anklebenden  schleimigen 
Substanz,  in  welcher  sich  häutig  zahlreiche  Eier  in  verschiedenen  Entwicklungsstadien  finden  sollten.  Die 
innere  Organisation,  die  sich  weit  schwieriger  feststellen  lässt,  blieb  ihm  schon  wegen  der  Opacität  des 
Weibchens  völlig  verborgen. 

Obwohl  nun  einzelne  intelligente  Landwirthe  die  Tragweite  der  Schacht'schen  Entdeckung  gar  bald 
erkannten  und  manche  praktische  Winke,  wie  die  Warnimg  vor  Benutzung  der  Rübenabfälle  bei  der  Düngung 
der  Felder,  zu  verwerthen  suchten,  zeigte  sich  doch  die  Mehrzahl  der  Rübenbauer  dem  Hinweise  dieses 
Forschers  wenig  zugänglich ,  und  ebenso  gerieth  der  Nematode  nach  dem  Ableben  des  Entdeckers  in 
wissenschaftlicher  Beziehung  fast  ganz  in  Vergessenheit. 

Denn  ein  Jahrzehnt  musste  vergehen,  bis  Archidiakonus  Schmidt  3»)  in  Aschex-sleben  die  Unter- 
suchungen von  Neuem  aufnahm.  Wenn  auch  bei  den  Beobachtungen  dieses  Mannes  vielerlei  Irrthümer  mit 
unterliefen,  die  in  seinem  Dilettantismus  leicht  eine  Entschuldigung  finden,  so  können  seine  Bemühungen 
um  die  Aufklärung  der  Lebensgeschichte  unseres  Nematoden  immerhin  mit  Recht  Beachtiuig  beanspruchen. 

Auf  das  sogen.  Kopffutteral,  das  Schmidt  als  ein  charakteristisches  Merkmal  des  Weibchens  be- 
schreibt, auf  die  subkrystallinische  Kruste,  die  er  flu-  ein  Exsudat  des  Thieres  zu  halten  scheint,  wie  auf 
die  von  ihm  mitgetheilten  anatomischen  Details  werden  wir  später  bei  Darlegimg  imserer  eigenen  Befunde 
zurückkommen.  An  dieser  Stelle  sei  vor  allen  Dingen  das  Verdienst  erwähnt,  welches  sich  Schmidt  durch 
die  Einreihung  des  Nematoden  in  das  System  erworben  hat,  indem  er  im  Hinblick  auf  die  verschiedene 
Gestalt    der  Geschlechtsthiere    das  Genus  Heterodera    schuf   und    für  unseren  Wurm    Schacht's   Namen    als 

Speziesbezeichnung    beifügte.      Ebenso  muss  auch  hier  Schmidt's  Entdeckimg    eines    höchst    merkwürdigen 

2 


-CK<5)  10  @«— 

Stadiums  des  Männchens  hervorgehoben  werden.  Er  beschreibt  dasselbe  ziemlich  genau  als  einen  häutigen, 
glatten  Schlauch,  in  dessen  Innerm  der  männliche  Wurm,  wie  der  Embryo  in  der  Eischale,  mehrfach  auf- 
gewunden liegt.  Das  Wesen  dieser  Hülle  hatte  er  verkannt;  denn  obwohl  ihm  die  Aehnlichkeit  bezüglich 
ihrer  Form  mit  dem  äusseren  Habitus  des  Weibchens  auftiel,  glaubte  er  doch  in  diesem  Gebilde  ein  Analogon 
jener  bei  parasitären  Nematoden  oft  vorkommenden  Cysten  vor  sich  zu  haben. 

Leuckart^ä),  der  kurz  darauf  in  seinem  bekannten  Jahresbericht  den  Abhandlungen  Schmidt's  eine 
Besprechung  widmete,  konnte  dieser  Auffassung  nicht  beistimmen,  sondern  gab,  gestützt  auf  direkte  Be- 
obachtungen und  seine  reichen  helminthologischen  Erfahrungen,  der  Vermuthung  Raum,  dass  die  vermeintliche 
Cyste  nichts  anderes  als  die  alte,  nicht  abgestossene  Larvenhaut  sei  —  eine  Deutung,  deren  Richtigkeit  ich 
nach  meinen  Befunden  völlig  bestätigen  kann.  Auch  noch  einzelne  weitere  fehlerhafte  Angaben  Schmidt's 
erfuhren  durch  denselben  eine  Verbesserung.  So  wurde  die  wahre  Lage  von  Bauch  und  Rücken  des  Weib- 
chens von  Leuckart  festgestellt  und  ebenso  die  der  Vulva  genauer  bezeichnet. 

Von  da  ab  vergeht  abermals  eine  geraume  Zeit,  ohne  dass  die  Kenntnisse  über  Heterodera  gefördert 
worden  wären.  Denn  der  blosse  Hinweis  auf  unseren  Nematoden  in  Schneider's  Monographie  und  dessen 
ganz  kurze  Erwähnung  durch  Bütschli,  der  sich  dui-ch  Beobachtungen  Steins  in  Frankfurt  a.  M.  zu  der 
Meinung  veranlasst  sieht,  dass  das  von  jenem  auch  aufgefundene  „Cystenstadium"  vielleicht  ein  neuer  Fall 
von  Parasitismus  des  Männchens  innerhalb  des  Weibchens  sein  könnte,  bedürfen  wohl  kaum  einer  ein- 
gehenderen Berücksichtigung. 

Erst  durch  Kühn  ^^),  den  ausgezeichneten  Hallenser  Gelehrten,  erfahren  wir  wieder  mehr,  wenn  auch 
nur  in  einer  gedrängten  Uebersicht,  die  er  seinem  Buche  „Ueber  die  Ermittelung  der  Ursache  der  Rüben- 
müdigkeit" einfügte.  In  dieser  für  die  ökonomische  Praxis  so  wichtigen  Abhandlung  beseitigt  derselbe  nicht 
nur  alle  Bedenken  über  die  Schädigungen  des  Nematoden,  sondern  er  giebt  dem  Landwirthe  auch  Älittel 
zur  Vertilgung  an  die  Hand,  von  denen  die  Verwerthung  von  sogen.  Fangpflanzen  sich  am  meisten  bewährt 
haben  soll.  Kühn  scheint  bei  seinen  langjährigen  Versuchen  die  Lebensgeschichte  von  Heterodera  ziemlich 
genau  bekannt  geworden  zu  sein,  und  wir  müssen  deshalb  um  so  mehr  bedauern,  dass  gerade  die  dies- 
bezügliche Mittheihmg  einen  so  aphoristischen  Charakter  trägt.  Seiner  Anschauung,  dass  der  Rübennematode 
sich  ausschliesslich  im  Innern  der  Wurzel  als  echter  Entoparasit  entwickele,  vermag  ich  nicht  völlig  bei- 
zupflichten, da  ich  auch  öfter  Thiere  fand,  die  äusserlich  festhaftend,  nur  mit  dem  Kopfende  in  die  Wurzel 
eingesenkt,  ihre  Metamorphose  als  Ektoparasiten  durchmachten. 

Mit  diesem  Berichte  Kühn's  haben  wir  alle  uns  näher  berührenden  Angaben  über  Heterodera  Schachtii 
angeführt,  und  wir  könnten  somit  den  historischen  Ueberblick  abschliessen,  wenn  nicht  in  allerletzter  Zeit 
eine  Abhandlung  über  eine  zweite  Heteroderaart  veröff'entlicht  worden  wäre,  die  eine  Beachtung  verdient. 
Es  ist  dies  die  Dissertation  von  H.  Müller  ^i)  „Ueber  neue  Helminthocecidien".  Der  Verfasser,  der  seine 
Aufmerksamkeit  längere  Zeit  speziell  den  Pflanzengallen  und  deren  Erzeugern  zugewandt  hatte,  fand  im 
Innern  einer  solchen  Wurzelanschwellung  von  Dodartia,  später  auch  an  einer  Clematisspezies,  an  Musa  dacca 
und  rosacea  und  an  Mulgidium  macrophyllum  eine  Heteroderaart,  die  er  Heterodera  radicicola  benennt 
und  die  der  unserigen  sehr  ähnhch  ist.  Wie  er  wohl  mit  Recht  vermuthet,  hatte  bereits  GreefF  i*)  früher 
dasselbe  Thier  vor  Augen,  ohne  sein  Wesen  zu  erkennen.  Auch  die  Gallenhelminthen,  über  die  uns  Licopoli, 
Cornu  und  Jobert  Nachricht  gaben,  scheinen  mit  dieser  Form  identisch  zu  sein.    Von  dem  Rübennematoden 


— 1«@        11        ®>o— 

weicht  dieselbe  dadurcli  ab,  dass  das  Hinterende  des  Weibchens  mehr  abgerundet  erscheint,  der  Stachel 
etwas  verschieden  gebaut  ist,  und  der  hintere  Theil  der  Larvenhülle  beim  Männchen  spitz  zuläuft.  JlüUer 
schildert  uns  sehr  eingehend  die  durch  den  Parasiten  bewirkten  Deformitäten  an  der  Wurzel,  widmet 
aber  auch  ein  Kapitel  der  zoologischen  Betrachtung  des  Gallenerzeugers.  Auf  diese  letzteren  Mittheihmgen 
jedoch  liier  näher  einzugehen,  halte  ich  nicht  für  geboten,  da  ich  bei  der  Beschreibung  meiner  Resultate 
Gelegenheit  haben  werde,  öfter  darauf  zurückzukommen.  Immerhin  sei  bemerkt,  dass  es  ihm  gelang,  sowohl 
Männchen  wie  Weibchen  in  verschiedenen  Stadien  zu  beobachten  und  so  einen  Einblick  in  die  Lebens- 
geschichte zu  erhalten.  In  der  Deutung  seiner  anatomischen  Befunde  war  er  freilich  weniger  glücklich, 
trotzdem  aber  ist  seine  Arbeit  unter  den  wenigen,  die  wir  über  unser  Nematodengeschlecht  besitzen,  sicher- 
lich die  vollständigste. 

Schliesslich  sei  hier  auch  noch  einer  jüngst  publizierten  Mittheihuig  Treub's  '*)  gedacht,  die  mir 
allerdings  nur  in  der  Form  eines  Referates  aus  dem  „Naturforscher"  bekannt  wurde.  Darnach  entdeckte 
Treub  auf  den  ausgedehnten  Zuckerplantagen  Java's  an  den  Wurzeln  des  Zuckerrohres  einen  kleinen  schma- 
rotzenden Nematoden,  den  er  zum  Genus  Heterodera  zu  stellen  sich  veranlasst  sieht  und  H.  javanica  be- 
nennt. Angaben  über  Bau  und  Lebensweise  des  Parasiten  fehlen  in  dieser  ktirzen  Notiz.  Was  wir  daraus 
erfahren  ist  die  allerdings  bemerkenswerthe  Thatsache,  dass  derselbe  bedeutende  pathologische  Verände- 
rungen des  Wurzelgewebes  hervorzubringen  vermag,  die  sich  in  einer  gewaltigen  Anschwellung  der  Paren- 
chynizellen  zu  erkennen  geben.  Bei  dem  Mangel  jedweden  zoologischen  Details  wage  ich  es  nicht,  mich 
darüber  auszulassen,  welcher  der  beiden  bekannten  Arten  die  neue  Spezies  am  nächsten  steht.  Möglich, 
dass  der  Wvirm  als  Gallenerzeuger  in  seinem  Habitus  mehr  Anklänge  an  H.  radicicola  zeigt,  vielleicht  auch, 
dass  er  sich  enger  an  H.  Schachtii  anschliesst,  ja  sogar  mit  einer  derselben  identisch  ist.*)  Jedenfalls  sind 
die  Verheerungen  des  Parasiten,  soweit  wir  dies  aus  den  journalistischen  Berichten  scbliessen  können,  nicht 
weniger  gross,  als  die  unseres  Rübennematoden. 


Methode  der  Untersuchung. 


Gemäss  meiner  Aufgabe,  den  Bau  wie  die  Entwicklung  von  Heterodera  Schachtii  eingehender  zu 
ermitteln,  mu^sste  ich  es  mir  vor  allem  angelegen  sein  lassen,  mii"  nicht  nur  eme  grosse  Anzahl  von  Indi- 
viduen, sondern  auch  möglichst  alle  Entwickelungsstadien  zu  verschaffen.  Da  jedoch  erst  im  Sommer  das 
nöthige  Material  von  den  Rübenfeldern  zu  gewinnen  ist,  ich  aber  bei  der  Kürze  der  Zeit  schon  im  Winter 


♦)  Die  Unterschiede,  die  speziell  zwischen  H.  Schachtii  und  H.  radicicola  bestehen,  sind,  wenn  wir  Müller's  nicht  immer 
sehr  prägnanter  Beschreibung  vertrauen  dürfen,  so  gering,  dass  ich  mich  nicht  der  Verniuthung  zu  entschlagen  vermag,  es 
könnten  vielleicht  beide  eine  und  dieselbe  Art  sein.  Dass  die  eine  Gallen  erzeugt,  die  andere  nicht,  scheint  mir  bei  einer  Diagnose 
nicht  allzusehr  in's  Gewicht  zu  fallen,  da  das  Auftreten  solcher  Nodositäten  doch  hauptsächlich  von  der  relativ  verschiedenen 
Reizbarkeit  des  Wurzelgewebes  verschiedener  Pflanzen  bedingt  wird.  In  meiner  Meinung  bestärken  mich  noch  die  neuen  inte- 
ressanten Untersuchungen  von  Ritzema  Bos  in  Wageningen  (Biolog.  Centralblatt  Bd.  VTI.),  der  auf  Grund  eingehender  Vorgleiche 
und  Experimente  die  als  devastatrix,  allii,  hyacinthi,  Havensteinii,  Askenasyi  beschriebenen  Tylenchen  zu  einer  einzigen  Art  vereinigt. 

2* 


->c@     12     §>>c- 

zur  Aufnahme  meiner  Untersuchungen  gezwungen  war,  griff  ich  zu  Zuchtversuchen  und  benutzte  zu  diesem 
Zwecke  die  bereits  von  Kühn  zur  Auffindung  der  sogen.  Fangpflanzen  angewandte  Methode.  Durch  die 
Freundlichkeit  des  Herrn  Greheimrath  Kühn,  dem  ich  an  dieser  Stelle  meinen  besten  Dank  dafür  sage,*) 
erhielt  ich,  nachdem  der  langandauenide  Frost  nachgelassen  hatte,  ein  Quantum  infizierter  Erde  aus  den 
Hallenser  Versuchsgärten,  deren  oberfl<ächliche  Untersuchung  schon  das  Vorhandensein  einer  reichlichen 
Menge  überwinternder  Weibchen  mit  lebenskräftigen  Embryonen  ergab.  Diese  Erde  wurde  theils  in  Blumen- 
töpfe, theils  in  Holzkästen  mit  durchlöchertem  Boden  vertheilt  und  darauf  sowohl  mit  Rübenkernen  als 
auch  mit  Samen  von  Brassica  Rapa  oleifera  und  Lepidium  sativum  besät.  Der  Same  ging  bald  auf,  und 
die  jungen  Pflänzchen  trieben  bei  gehöriger  Wärme  und  Feuchtigkeit  —  die  meisten  Zuchttöpfe  wurden 
in  einem  Mistbeet  untergebracht  —  rasch  Wurzeln.  Schon  nach  vier  Wochen,  gegen  Mitte  April,  war  ich 
in  der  Lage,  eine  Infektion  konstatieren  zu  kömien,  so  dass  ich  nun  nach  und  nach  in  den  Besitz  eines 
vorläufig  genügenden  Materials  gelangte. 

Um  der  Thiere,  die  alle  mit  Ausnahme  des  ü-ächtigen  Weibchens  von  mikroskopischer  Grösse  sind, 
habhaft  zu  werden,  schnitt  ich  einzelne  Partieen  von  Wurzelfasern  weg  und  schwemmte  dieselben  ab,  worauf 
ich  sie  einer  Untersuchung  mit  der  Lupe  oder  einar  schwachen  mikroskopischen  Vergrösserung  unterwarf. 
Die  jugendlichen  Weibchen,  die  noch  nicht  durch  ihre  Turgescenz  die  Wurzelepidermis  gesprengt  haben, 
muss  man  ebenso ,  wie  die  Larvenstadien  des  Männchens ,  mit  Nadeln  aus  der  Rinde  herauspräparieren, 
was  sich  bei  einiger  Geschicklichkeit  unschwer  bewerkstelligen  lässt.  Die  freilebenden  Larven  fand  ich 
zumeist  in  genügender  Menge  in  der  den  Wurzelfasern  anhaftenden  Erde.  Behufs  Erlangung  derselben 
breitete  ich  die  Erde  unter  Wasserzusatz  auf  einer  Glastafel  aus,  suchte  die  Larven  zwischen  den  Partikelchen 
heraus  und  übertrug  sie  mit  einem  feinen  Pinsel  auf  einen  Objektträger  zur  weiteren  Beobachtung. 
Bereits  bei  geringer  Vergrösserung  lassen  sich  die  jungen,  geschlechtslosen  Würmchen  durch  ihre  ziemlich 
trägen  Bewegungen  von  den  sehr  häufig  neben  denselben  vorkommenden,  äusserst  agilen  Rhabditisformen 
unterscheiden. 

Bei  der  Kleinheit  der  Objekte  und  ihrer  Resistenzfähigkeit  gegen  Reagentien,  die  allen  Nematoden 
eigen  ist,  war  ich  hauptsächlich  darauf  angewiesen,  meine  Beobachtungen  am  lebenden  Thier  anzustellen. 
Als  Untersuchimgsflüssigkeit  verwerthete  ich  dabei  eine  halbprocentige  Kochsalzlösung  oder  Hühnereiweiss. 
Um  die  oft  störenden  Bewegungen  etwas  aufzuheben,  wurde  ein  gelindes  Erwärmen  über  der  Alkoholflamme 
benutzt,  was  stets,  ohne  die  Thiere  zu  tödten,  eine  Streckung  derselben  zur  Folge  hatte.  —  Während  diese 
Methode  bei  den  durchsichtigen  Männchen  gute  Dienste  leistete,  konnte  sie  bei  der  Untersuchung  der  völlig 
opaken  Weibchen  nur  wenig  zur  Anwendung  kommen.  Hier  war  es  nöthig  Quetsch-  und  Zerzupfungs- 
präparate  herzustellen  und,  wo  diese  nicht  ausreichten.  Schnitte  anzufertigen.  Warmes  Wasser  oder  warme 
Chrom-Pikiinschwefelsäure,  welche  ich  anfänglich  zur  Conservierung  der  Weibchen  benutzte,  erwiesen  sich 
als  nicht  brauchbar,  weshalb  ich  zu  warmem  Sublimat  griff,  das  als  das  geeignetste  Härtungsmittel  zu 
empfehlen  ist.  Nach  genügender  Einwirkung  des  Sublimates  wurden  die  Thiere  weiterhin,  wie  üblich,  in 
die  verschiedenen  Alkohole    bis  zum  Alkohol  absolutus    gebracht,    vermittelst    sauren    Karmins  und  Pikro- 


*)  Auch  allen  den  Herren  Guts-  und  Fabrikbesitzern,  die  mich  theils  direkt,  theils  durch  Vermittlung  des  Herrn  Geheim- 
rath  Leuckart  in  liberalster  Weise  mit  Material  unterstützten,  sei  hiev  mein  Dank  ausgesprochen. 


—o-c@       13       lg>x^— 

karmins  gefärbt  und  darauf  nach  Einbettung  in  Paraffin  in  möglichst  dünne  Schnitte  zerlegt.  —  Das 
Weibchen  färbt  sich  trotz  seiner  dicken  Cuticula  ziemlich  rasch,  das  Männchen  dagegen  bedarf  oft  eines 
Zeitraumes  von  mehr  als  drei  Wochen,  um  sich  völlig  zu  tingieren.  —  Vor  der  jedesmaligen  Schnittfdhrung 
ist  es  räthlich ,  die  Schnittfläche  mit  einer  dünnen  KoUodiumschicht  zu  überziehen ,  da  die  innei-en  Theile 
des  Weibchens  sonst  leicht  auseinander  fallen. 


Beschreibung 
des  äusseren  und  inneren  Baues  der  Geschleehtsthiere. 


Die  artenreiche  Gruppe  der  Nematoden  zeigt  im  allgemeinen  eine  so  geringe  Variabilität  in  der 
Gestalt  ihrer  Vertreter,  dass  es  uns  schon  desshalb  von  Interesse  sein  muss,  in  Heterodera  einen  Nematoden 
kennen  zu  lernen,  der  einen  so  auffallenden  geschlechtlichen  Dimorphismus  besitzt,  wie  er  bis  jetzt  nur  in 
ganz  seltenen  Fällen  bei  Rimdwüi-mern  gefunden  wurde.  Denn  nicht  allein,  dass  die  beiden  Geschlechter 
imserer  Heterodera,  abgesehen  von  dem  Bau  der  Sexualorgane,  wesentliche  Verschiedenheiten  in  Bezug 
auf  ihre  Grösse  aufweisen  —  die  Differenz  in  ihrer  Gestalt  ist  eine  so  weitgehende,  dass  es  einem  auf 
diesem  Gebiete  selbst  erfahreneu  Forscher  kaum  möglich  wäre,  ohne  Einblick  in  die  Lebensgeschichte 
ihre  Zusammengehörigkeit  zu  erkennen.  Hauptsächlich  ist  es  das  Weibchen,  welches  ein  so  abweichendes 
Aussehen  hat.  Während  das  Männchen  nämlich  die  Charaktere  der  Larve  im  ausgebildeten  Zustande  im 
Grossen  vmd  Ganzen  bewahrt,  schwillt  das  Weibchen  im  Laufe  seiner  Entwicklung  zu  einem  kugeligen 
Gebilde  an,  das  äusserlich  in  Nichts  mehr  Ähnlichkeit  mit  dem  männlichen  Thiere  zeigt.  Nur  den  von 
Lieberkühn  i^)  in  dem  Proventrikel  der  Ente  entdeckten  Teti-ameres  vermöchten  wir  als  einziges  Analogen 
unsei-em  Geschöpfe  an  die  Seite  zu  setzen,  wenn  nicht  in  neuester  Zeit  Leuckart  2^)  uns  mit  jenem  noch 
merkwürdigeren  AUantonema  bekannt  gemacht  hätte,  das  als  protandrischer  Hermaphi-odit  in  Hylobius  pini 
schmarotzt.  Deutet  bei  Heterodera  das  abgesetzte  schlanke  Kopfende  und  bei  Tetrameres  auch  die  Schwanz- 
spitze noch  auf  nematoide  Wesen  hin,  so  vermissen  wir  solcherlei  Merkmale  bei  AUantonema  vollständig. 
Unter  der  entoparasitären  Lebensweise  ist  hier  der  langgestreckte  Neraatodenleib  zu  einem  wurstförmigen 
Körper  geworden,  der  mit  dem  Mangel  eines  Darmes  auch  der  Mund-  und  Afteröffnung   entbehrt. 

Bei  dieser  Verschiedenheit,  die  hauptsächlich  den  äusseren  Habitus  unserer  Heterodera  angeht,  theil- 
weise  aber  auch  den  inneren  Bau  ergreift,  halte  ich  es  für  angemessen,  die  Organisation  der  Geschleehtsthiere 
getrennt  zu  beschreiben.  Organe,  die  histologisch  und  anatomisch  bei  Mann  und  Weib  mit  eüaander  über- 
einstimmen, werde  ich  bei  Besprechung  des  ersteren  ausführlicher  darstellen  und  bei  letzterem  dann  nur  in 
Kürze  berühren. 


— »c®       14       ®>o— 

Die  Organisation  des  Männchens. 


Das  Männchen  *)  von  Heterodera  Schachtii  trägt  in  ausgezeichnetem  Maasse  alle  Merkmale  an  sich, 
die  den  echten  Nematoden  charakterisieren.  Im  Einklang  mit  einer  ziemlich  lebhaften  Beweglichkeit  besitzt 
es  einen  langen,  schlanken  und  cylindrischen  Körper.  Seine  Länge  variiert  etwas;  sie  misst  meist  0,8 — 0,9  mm., 
kann  aber  in  einigen  Fällen  auch  1  mm.  erreichen.  Die  Dicke  ist  fast  überall  gleichmässig  und  der 
Querschnitt  beinahe  kreisförmig.  Dem  Vordertheile  sitzt  eine  calottenartige  Erhebung  auf,  die  sich  gegen 
den  übrigen  Leib  durch  eine  Ringfurche  abhebt,  während  das  Hinterende  in  einen  zapfenförmigen,  flach- 
abgerundeten Fortsatz  ausläuft,  der  seinerseits  sich  wieder  nach  vorne  durch  eine  leichte  Einbuchtung 
abgrenzt.  Immer  ist  der  Schwanztheil  hakenförmig  nach  der  ventralen  Seite  gekrümmt.  Dai-m  sowohl, 
wie  der  einfache  Hodenschlauch  ziehen  in  gerader  Kichtung  durch  die  Leibeshöhle  und  münden  mit  einem 
gemeinsamen  Ausführungsgange  aus.  In  der  Mundhöhle  gewahrt  man  einen  Stachel  von  beträchtlicher  Aus- 
bildung, und  am  hinteren  Ende  liegen  die  ansehnlichen  Begattungswerkzeuge  als  zwei  gleichgestaltete  Spicula. 

Unterwerfen  wir  die  Organisation  einer  näheren  Betrachtung,  so  treffen  wir  von  aussen  nach  innen 
fortschreitend  zunächst  auf  das  Integument,  das  in  Form  einer  elastischen,  resistenten  Membran  den  ganzen 
Körper  überzieht.  Diese  Cuticula,  aus  einer  chitinösen  Substanz  bestehend,  ist  fast  farblos  und  vollkommen 
pellucid,  so  dass  man  im  Stande  ist,  ohne  viele  Schwierigkeit  den  Bau  des  Wurmes  durch  sie  hindurch  zu 
überblicken.  Ihre  Dicke  ist  wenig  beträchtlich,  fast  überall  gleich  stark,  nur  an  dem  abgestutzten  soliden 
Schwänze  und  da,  wo  sie  sich  au  der  Bildung  der  Kopfcalotte  betheiligt,  nimmt  sie  an  Mächtigkeit  zu.  Bei 
der  Kleinheit  des  Thieres  vermag  man  nicht  leicht  ihre  Zusammensetzung  zu  analysieren,  doch  gewinnt  man 
bei  aufmerksamem  Zusehen  immerhin  darüber  einigen  Aufschluss.  Was  vor  allem  sogleich  in  die  Augen 
springt,  ist  die  schön  ausgeprägte  Kingelung  '^)  der  Cuticula,  die  am  Vordertheile  beginnt  und  sich  bis  gegen 
das  Hinterende  verfolgen  lässt,  wo  sie  undeutlich  wird  und  schliesslich  ganz  verschwindet.  Vorn  werden 
die  Ringel  etwas  schmächtiger,  während  sie  sonst  durchgehends  dieselbe  Breite  von  ca.  0,001  mm.  beibe- 
halten. Sie  umgreifen  die  ganze  Circumferenz,  ohne  dass  sie,  ausser  da,  wo  die  Seitenfelder  von  vorn  nach 
hinten  ziehen,  irgendwelche  Unterbrechung  erleiden.  Ein  Absetzen  dieser  Querbänder  und  ein  alternierendes 
Ineinandergreifen  vermittelst  spitzer  Enden,  wie  dies  Leuckart^")  bei  Ascaris  lumbricoides  beschreibt,  konnte 
ich  trotz  sorgfältiger  auf  diesen  Punkt  gerichteter  Untersuchungen  niemals  bemerken.  —  Müller  hat  diese 
auffallenden  Querlinien  auch  gesehen,  spricht  dieselben  aber  als  Ringmuskeln  an  —  ein  Irrthum,  der  einer 
ausführlicheren  Zurückweisung  kaum  bedarf. 

An  der  Cuticula  selbst  nun  lassen  sich  drei  verschiedene  Schichten  unterscheiden,  deren  oberster 
die  eben  besprochene  Querstreifui:g  zukommt.  Ausser  dieser  Eigenschaft  zeigt  dieselbe  keinerlei  Struktur- 
verhältnisse. Sie  stellt  eine  dünne,  homogene  Membran  dar,  die  einen  etwas  gelblichen  Ton  hat,  sich  mit 
Carmin  intensiv  färbt  und  sich  sonst  noch  durch  ein  starkes  Lichtbrechungsvermögen  auszeichnet.  Mit  der 
zweiten  Lage  ist  sie  ziemlich  fest  verbunden ;  eine  Trennung  der  beiden  habe  ich  vergeblich  versucht.  — 
Die    zweite  Schicht    überragt    die    erste    nur    unbedeutend   an  Dicke.     In    optischer  Beziehung  zeigt  sie  ein 


a)  Tat  1.  Fig.  1. 


-r'<0)         15        @xi— 

mehr  mattes  Aussehen;  ebenso  verhält  sie  sich  gegen  Tinktionen  resistenter.  Was  sie  vornehmlich  charak- 
terisiert, ist  ein  System  von  zarten  Streiten,  die  eng  zusammengedrängt  in  radiärer  Richtung  angeordnet  sind. 
Der  dritten  Lage,  welche  die  Cuticula  nach  innen  abschliesst,  thue  ich  hier  nur  Erwähnung,  ohne  mich  über 
ihre  Textur  auslassen  zu  können.  Denn  obwohl  gerade  sie  vor  allen  die  grösste  Dickenentwicklung  hat, 
war  es  mir  selbst  bei  starker  Vergrösserung  unmöglich,  etwas  über  ihren  feineren  Bau  zu  erfahren. 
Manchmal  gewahrte  ich  sehr  undeutliche  Linien,  die  einen  schrägen  Verlauf  zu  nehmen  schienen  und  die  Ver- 
muthung  nahelegten,  dass  diese  Schicht  vielleicht  eine  Fasei'ung  besitze.  Auch  ihre  Fähigkeit,  sich  in  ihren 
einzelnen  Theilen  verschieden  zu  färben,  deutet  auf  ein  nicht  überall  gleichartiges  physikalisches  Verhalten  hin. 

Die  Cuticula  stellt  somit  ihrem  ganzen  anatomischen  Baue  nach,  wie  gewöhnlich  bei  den  Nema- 
toden, ein  Skeletgebilde  dar,  dessen  Biegsamkeit  bei  der  Lokomotion  sehr  wesentliche  Vortheile  bietet, 
und  das  durch  seine  Festigkeit  äusseren  Einflüssen  grossen  Widerstand  entgegenzusetzen  vermag. 

Als  ein  solcher  Skelettheil  muss  auch  der  schon  früher  erwähnte  calottenförmige  Aufsatz  ")  am 
vorderen  Körperende  aufgeiiisst  werden,  umsomehr  als  derselbe  nicht  nur  seiner  Beschaffenheit  nach  der 
Cuticula  angehört,  sondern  weil  er  auch  seiner  Funktion  nach  als  Bewegungs-,  Schutz-  und  Stützapparat  gelten 
kann.  Wir  bezeichnen  diese  kappenartige  Erhebung  am  besten  wegen  ihrer  Gestalt  und  Lage  als  Kopf  kappe. 
Bei  ihrer  beträchtlichen  Entwicklung,  durch  die  man  sie  auf  den  ersten  Blick  als  ein  spezifisches  Gebilde 
erkennt,  ist  dieselbe  natürlich  den  früheren  Beobachtern  nicht  entgangen,  doch  haben  sie  sich  über  ihren 
Bau  keine  ausreichende  Aufklärung  zu  verschaffen  gewusst.  Schacht,  dem  die  Existenz  dieser  Kopfkappe 
bekannt  war,  enthielt  sich  einer  näheren  Schilderung,  Schmidt  dagegen  widmet  ihr  einige  Worte  und  be- 
schreibt sie  als  einen  „Gylinder,  der  von  sechs  Bügeln  getragen  wird."  Müller  endlich  erblickt  in  ihr  bei 
Heterodera  radicicola  ein  System  von  wulstigen,  muskulösen  Lippen.  —  Ueber  des  Letzteren  Ansicht  kann 
ich  ein  definitives  Urtheil  nicht  fällen ,  da  ich  keine  Gelegenheit  hatte ,  die  von  ihm  beobachtete  Art  zu 
Gesicht  zu  bekommen.  Indess  will  es  mir  dünken,  als  ob  bei  der  nahen  Verwandtschaft  der  Arten,  die 
sich  in  einer  grossen  Aehnlichkeit  der  Organisations-  und  Entwickelungsverhältnisse  ausspricht,  dieser 
Apparat  kaum  grosse  Abweiclning  von  dem  des  Rübennematoden  besitze.  Die  Stellung  der  Kopfkappe 
am  oralen  Ende  stützt  allerdings  die  Ansicht  MüUer's  einigermassen ;  eine  oberflächliche  Betrachtxing 
unserer  Heterodera  überzeugt  uns  jedoch  bald,  dass  wir  es  hier  mit  keinem  Haft-  oder  Tastwerkzeug 
zu  thun  haben. 

Bei  unserem  Nematoden  präsentiert  sich  die  Kopfkapj)e  ■'')  als  eine  stattliche  kappenartige  Erhebung, 
die  mit  dem  übrigen  Körper  eng  verwachsen,  nur  durch  eine  Ringfurche  von  demselben  getrennt  ist.  Sie 
besteht  aus  einer  Verdickung  der  Cuticula  und  hat  eine  Höhe  von  ca.  0,006  mm.  Betrachtet  man  dieselbe 
von  oben**),  so  erweist  sie  sich  als  kreisförmig  im  Querschnitt  und  zeigt  eine  Sternfigur,  deren  sechs 
Strahlen  radiär  gegen  eine  centrale  Öffnung ,  die  Mundöffnung ,  gerichtet  sind.  Diese  Strahlen  erreichen 
jedoch  nie  mit  ihi'en  divergierenden  Enden  die  Aussenwand  der  Kappe,  sondern  lassen  immer  einen  Raum 
dazwischen.  Eine  Seitenansicht  belehrt  uns,  dass  die  Sternfigur  von  einem  Systeme  von  sechs  Lamellen  her- 
rührt, die  gegen  die  centrale  Mund  wand  einspringen  und  mit  dieser  verwachsen.  Sie  bestehen  aus  einer 
starren ,    chitinösen    Membran    und   sind    nach   aussen ,    wie    schon   ihre   bräunliche   Farbe   beweist ,    immer 


a)  Taf.  1.  Fig.  2.        b)  Taf.  1.  Fig.  2. 


-o<@     16    ©>«— 

stärker  als  nach  innen  zu,  wo  sie  nach  und  nach  ein  glashelles  Aussehen  bekommen.  An  ihrer  Basis  sind 
sie  mit  dem  Boden  der  Kappe  fest  verbunden.  Die  Lamellen  liegen  also  im  Innern  und  die  äussere 
Cuticularwand  zieht  wie  ein  Mantel  über  sie  hinweg.  Der  untere  Rand  der  Calotte  wird  dabei  stets  ver- 
deckt, indem  die  Cuticula  des  angrenzenden  Kürpertheiles  sich  gleichfalls  in  Form  von  Bogen  erhebt,  die 
mit  jenen  Lamellen  in  ihrer  Lage  korrespondieren.  —  Angesichts  der  Stellung,  Form  und  Beschaffenheit 
dieser  Kopfkappe  kann  kaum  über  die  Bedeutung  dieser  Einrichtung  ein  Zweifel  bestehen,  besonders  dann, 
wenn  man  auf  die  Lebensweise  unseres  Schmarotzers  Rücksicht  nimmt.  Abgesehen  davon,  dass  sie  dem 
Wurme  Schutz  und  dem  sjjüter  zu  besprechenden  Stachel  eine  nicht  vmwesentliche  Stütze  zu  gewäliren  vermag, 
ist  sie  vor  allem  ein  trefflicher  Bohrapparat,  der,  wie  eine  Pflugschar,  die  die  Ackerkrume  auflockert,  wirkend, 
durch  seine  Rigidität  die  festen  Bodenbestandtheile  zur  Seite  schiebt  und  so  ein  leichteres  Vordringen  der 
Wüi'mer  in  der  oft  festen  Rübenerde  ermöglicht.  In  Harmonie  mit  dieser  Funktion  findet  sich  denn  auch 
der  Apparat  nur  bei  den  freibeweglichen  Formen,  dem  Männchen  und  den  ersten  Larven,  wähi'end  er  dem 
Weibchen  und  den  sessilen  Larvenstadien  fehlt.*) 

Wie  wir  somit  sehen,  ist  die  Kopfkappe  der  Heterodera  ein  recht  kompliziertes  Gebilde,  das  an- 
scheinend ganz  isoliert  ohne  Analogen  dasteht.**)  Vergegenwärtigen  wir  uns  aber  noch  einmal  ihre  Struktur 
und  Stellung  am  oralen  Pole,  so  dürfen  wir  mit  Recht  in  morphologischer  Beziehung  in  ihr  ein  Aequivalent 
der  Lippen  erblicken.  Wii'  brauchen  uns  dabei  nur  vorzustellen,  dass  mit  der  Ausbildmig  des  Stachels 
die  Lippen  ihrer  gewöhnlichen  Funktion  verlustig  gingen,  und  dass  sie  darauf,  anstatt  rudimentär  zu  werden, 
zu  einem  Ganzen  verschmolzen,  welches  vermöge  seiner  Beschafienheit  geeignet  war,  in  den  Dienst  der 
Bewegung  zu  treten.  Die  Lamellen  würden  nach  dieser  Anschauung  als  die  verwachsenen  Begrenzungs- 
flächen der  Lippen  zu  betrachten  sein.  Muskeln,  von  denen  Müller  spricht,  habe  ich  nicht  nachweisen 
können,  und  ebensowenig  gelang  es  natürlich,  irgend  eine  Bewegung  zu  beobachten. 

Anderweitige  Anhangsgebilde  der  Cuticula  kann  man,  abgesehen  von  den  Spiculis,  bei  unserem 
Nematoden  nicht  entdecken.  Papillen,  die  sonst  in  der  Gruppe  der  Rundwürmer  so  verbreitet  sind,  fehlen 
ganz.  Auch  eine  Bursa,  nach  de  Man  ein  konstantes  Merkmal  der  Tylenchen,  wird  bei  Heterodera  vermisst. 
Die  charakteristischen  Längslinien ,  die  der  Cuticula  theilweise  angehören ,  wollen  wir  lieber  mit  der 
dai'unterliegenden  Schicht,  da  sie  mit  dieser  in  engerer  Beziehung  stehen,  besprechen. 

Unter  der  Cuticula  trefi'en  wir  nämlich  noch  eine  körnige  Lage,  die  Subcutanschicht.  Ist  es  schon 
schwierig  bei  höheren  Nematoden  über  den  Baxi  dieser  Schicht  in's  Klare  zu  kommen,  so  stellen  sich  ihrer 
Analyse  bei  einem  Wurme  von  so  minimaler  Grösse  noch  mehr  Schwierigkeiten  in  den  Weg.  Ich  habe 
mir  dieselbe  dadurch  zur  Anschauung  zu  bringen  versucht,  dass  ich  kleine  Flächenpräparate  anfertigte, 
wobei  ich  die  Muskeln  von  der  Haut  entfernte.  Sie  erscheint  dann  als  eine  sehr  dünne  Lage,  die  sich 
aus  Körnchen  und  einer  faserigen  Masse  zusammensetzt.  Die  Körnchen  haben  eine  sehr  verschiedene  Grösse, 
sind  dunkel  und  unregelmässig  vertheilt.  Ob  die  Subcuticula  überall  dieselbe  Dicke  aufweist  und  ohne 
Unterbrechung  unter  der  Haut  hinzieht,  vermag  ich  nicht  anzugeben. 

*)  Fast  unwillkürlich  wird  man  hierbei  an  eine  analoge  Einriehtunfr  im  Pflanzenreiche  erinnert,  an  die  Wurzelhaube, 
deren  Existenz  für  die  Ausbreitung  der  Wurzel  von  grosser  Bedeutung  ist. 

**)  Eine  gleiche  Bildung  scheint  auch  bei  Tylenchen  vorzukommen.  Wenigstens  beobachtete  ich  denselben  Apparat, 
wenn  auch  nicht  in  derartiger  Entwicklung,  bei  den  männlichen  Individuen  eines  Tylenchus,  der  paarweise  in  dem  durch  ihn 
deformierten  Fruchtknoten  eines  Phleum  lebt. 


— ix<g;     17     g)«»— 

Mit  ihr  in  enger  Beziehimg  stehen,  wie  bereits  hervorgehoben,  die  sogen.  Längslinien. ^)  Man 
unterscheidet  bei  ihnen  gewöhnlich  zwischen  Seitenlinien  und  Medianlinien.  Letztere  verlaufen  in  der 
Mitte  des  Rückens  und  des  Bauches,  während  die  Laterallinien  an  den  Seiten  entlang  von  oben  nach  unten 
ziehen.  Sowohl  die  ventrale  wie  die  dorsale  Medianlinie  .sind  bei  Heterodera  kaum  angedeutet,  dagegen 
ti-eten  die  Seiteulinien  auf  den  ersten  Blick  sehr  deutlich  hervor.  Als  zwei  breite  Bänder  entspringen  sie 
an  der  Basis  der  Kopfkappe  und  gehen  fast  bis  zum  Schwanzende,  wo  sie  erst  in  der  Nähe  der  AnalöfFniuig 
verschwinden.  Ihre  allenthalben  gleiche  Breite  beträgt  ca.  0,004  mm.  Durch  vier  parallele  Linien  wird  jedes 
Seitenfeld  in  drei  Abtheilungen  zerlegt.  Stellt  man  nun  das  Objektiv  so  ein,  dass  die  äussersten  Linien 
scharf  zu  erkennen  sind,  so  verschwimmen  die  inneren.  Daraus  wird  ersichtlich,  dass  sie  mit  jenen  nicht  in 
einer  Ebene  sich  betinden,  —  wie  man  auch  leicht  an  ihrem  optischen  Verhalten  bemerkt  —  sondern  dass 
sie  in  Form  von  Leistchen  gegen  die  Leibeshöhle  vorspringen.  Wie  die  Cuticula,  so  werden  auch  die 
Seitenfelder  von  der  Subcuticula  bekleidet.  Dieselbe  zeigt  hier,  wie  überall,  das  gleiche  körnige  Aussehen, 
nur  werden  die  Kerne,  die  sonst  sehr  spärlich  vorhanden  sind,  etwas  häiifiger,  besonders  in  der  mittleren 
Abtheilung,  die  sich  wulstartig  erhebt. 

In  dem  linken  Seitenfeld  verläuft  regelmässig  ein  Exkretionsgefäss'').  Dasselbe  stellt  einen  dünnen 
durchsichtigen  Kanal  dar,  der  in  der  Mitte  der  Bauchlini'^  eine  kurze  Strecke  unterhalb  des  Bulbus  mit 
einer  runden  Oeffnimg,  dem  Porus  excretorius,  ausmündet.  Vome  sich  ti-ichterförmig  erweiternd,  verengt 
er  sich  rasch  und  geht  in  einem  Bogen  seitwärts  zu  den  Laterallinien,  um  dann  deren  mittlerer  Partie  in 
ihrem  ganzen  Verlaufe  bis  in  die  Gegend  des  Afters  zu  folgen. 

Die  Verbindung  des  Gefässes  mit  dem  Seitenfelde  scheint  keine  sehr  innige  zu  sein,  denn  ein 
massiger  Druck  genügt,  um  es  in  seiner  ganzen  Länge  freizulegen.  —  Nie  treten  zwei  Kanäle  auf,  sondern 
stets  iindet  sich  nur  einer,  dem  linken  Seitenfelde  angehörig,  so  dass  wir  bei  Heterodera  ein  gleiches  Verhalten 
vor  uns  haben,  wie  bei  dem  Weizenälchen  (nach  Davaine^^)  und  noch  anderen  Tylenchen  (nach  Bütschli^). 

Die  Medianlinien  sind,  wie  gesagt,  sehr  unbedeutend  entwickelt.  Sie  erscheinen  als  zwei  zarte,  sehr 
dünne  Streifen,  deren  nähere  Struktur  zu  erkennen  unmöglich  ist.  Von  aussen  lassen  sie  sich  gar  nicht 
wahrnehmen;  erst  die  Anordnimg  der  Muskulatur  giebt  einen  Anhalt  tur  ihre  Entdeckung. 

Der  Hautschlauch  wird  nun  nach  innen  abgeschlossen  durch  einen  gleichmässigen  Belag  von  Muskeln, 
der  in  Form  eines  Hohlcylinders  der  innersten  Schicht  der  Sixbcuticula  aufliegt.  —  Seit  Schneider  in  seiner 
Monographie  auf  den  Bau  der  Muskelhülle  sein  System  der  Nematoden  begründete,  hat  man  gerade  der 
Muskulatur  besondere  Aufmerksamkeit  zugewandt,  und  so  scheint  es  denn  nothwendig,  dei-selben  auch  bei 
unserer  Beschreibung  mit  einigen  Worten  zu  gedenken. 

In  Uebereinstimmung  mit  allen  übrigen  Nematoden  zerfällt  bei  Heterodera  der  gesammte  Muskel- 
apparat in  vier  Felder,  die  getrennt  durch  die  vier  Längslinien  ohne  Unterbrechung  vom  Kopfe  bis  zum 
Schwänzende  hinlaufen.  Zwei  von  diesen  Feldern  gehören  der  Rückenfläche  und  zwei  der  Bauchfläche  an. 
Alle  bestehen  aus  einer  Summe  scharf  ausgeprägter  Muskelzelleu,  die  in  diagonaler  Riciitung  gegen  die 
Längslinien  hinziehen.  Die  Winkel,  die  sie  dabei  bilden,  betragen  ca.  35  Grad,  und  zwar  stellen  sich  die- 
selben immer  so,  dass  ihre  Schenkel  an  den  Laterallinien  nach  voi-n,  an  den  Medianlinien  aber  nach  hinten 


a)  Taf.  1.  Fig.  3.         b)  Taf.  1   Fig.  1. 


konvergieren.  Auf  diese  Weise  kommt  dann  eine  Symmeti'ie  der  Baiichfelder  und  der  Rückenfelder  zu 
Stande,  wie  solches  auch  bei  anderen  ähnlich  gebauten  Nematoden  der  Fall  ist.  Die  Zahl  der  einzelnen 
Elemente  in  jedem  Felde  beträgt  auf  einem  Querschnitte  fünf,  im  ganzen  Umkreise  also  zwanzig.  Dieser 
Anordnung  nach  müssen  wir  daher  Heterodera  der  Gruppe  der  Polymyarier,  der  flachen  Grcstalt  der  Zellen 
wegen  aber  derjenigen  der  Platyrayarier  zurechnen  —  ein  neuer  Beweis  für  die  Unhaltbarkeit  des  von 
Schneider  aufgestellten  Systemes. 

Was  den  Bau  der  Muskelelemente  S)  selbst  anbelangt,  so  konnte  ich  mir  darüber  am  besten  dadurch 
Aufschluss  verschaffen,  dass  ich  sie  isolierte.  Ich  benutzte  zu  diesem  Zwecke  mit  Erfolg  ein  gelindes  Er- 
wärmen oder  ganz  schwache  Kalilauge.  Nach  einer  derartigen  Behandlung  erscheinen  diese  Grebilde  als 
glatte,  schmale,  mehr  spindelförmige  als  rhombische  Zellen,  an  denen  sich  unschwer  zwei  histologisch  von 
einander  verschiedene  Theile  unterscheiden  lassen.  Ihre  Länge  ist  ziemlich  beträchtlich  (0,003  mm),  ihre 
Breite  dagegen  weit  geringer,  nur  0,001  mm.  Wie  eine  Profilansicht  darthut,  bestehen  sie  aus  einer  hellen, 
sogen,  kontraktilen  Substanz  und  einer  auf  dieser  aufsitzenden  dunkleren  Markmasse.  Erstere  hat  eine 
flächenhafte  Ausdehnung  und  zeigt  eine  leichte,  schi'äg  ziehende  Streifung,  die  auf  eine  fibrilläre  Struktur 
hindeutet,  während  letztei'e,  buckelartig  emporgewölbt,  sich  aus  lauter  kleinen  Körnchen  zusammengesetzt 
erweist  und  im  Innern  einen  deutlichen  Kern  mit  Kernkörperchen  trägt.  Fortsätze,  mit  deren  Hilfe  sie  an 
die  Medianlinien  herantreten,  wie  solche  bei  anderen  Formen  vorkommen  und  von  Leuckart  ^ ")  ,  z.  B.  bei 
Oxyuris,  und  von  Bütschli  *)  bei  den  kleinen  Nematoden  der  Blatta  beschrieben  wurden,  konnte  ich  nicht 
auffinden.  Unter  sich  jedoch  scheinen  die  Zellen  sowohl  seitlich,  wie  durch  ihre  zugespitzten  Enden 
ziemlich  fest  vereinigt  zu  sein.  In  ihrem  Zusammenhang  gewähren  sie  durch  die  scharf  markierten  Kon- 
touren  das  Bild  eines  nach  diagonaler  Richtung  etwas  gezerrten,  aber  sonst  regelmässigen  Netzwerkes. 

In  Betreff  des  Nervensystemes  vermag  ich  nur  eine  ganz  kurze  Mittheilung  zu  geben.  Man  wird 
dies  begreiflich  finden,  wenn  man  bedenkt,  wie  schwierig  gerade  die  Untersuchung  dieses  Gebildes  ist,  und 
wie  wenig  befi'iedigend  im  Allgemeinen  der  Einblick  ist,  den  man  bis  jetzt,  selbst  bei  so  grossen  Vertretern 
der  Nematoden  wie  Ascaris,  über  die  Struktur  desselben  gewonnen  hat.  Dass  es  bei  Heterodera  nicht 
fehlt,  dürfte  man,  glaube  ich,  schon  aus  der  gesammten  Organisation,  insbesondere  der  beträchtlich  ent- 
wickelten Muskulatur,  erschliessen.  —  Den  Centraltheil  des  ganzen  Systemes  bekommt  man  bei  einiger- 
massen  aufmerksamem  Zusehen  leicht  zu  Gesicht.  Er  liegt  als  sogen.  Schlundring'')  dicht  hinter  dem  Bulbus 
und  stellt  ein  helles  durchscheinendes  Band  dar,  das  den  letzten  Oesophagusabschnitt  in  seinem  ganzea 
Umfange  umgreift.  Ueberall  hat  er  eine  gleiche  Breite  von  ca.  0,006  mm  und  verläuft,  ohne  seine  Richtung 
zu  verändern,  völlig  horizontal.  Betrachtet  man  denselben  näher,  so  sieht  man,  dass  er  aus  zarten  Quer- 
fasern gebildet  wird,  die  zwischen  sich  hier  und  da  kleine  Körnchen  und  auch  einige  wenige  grössere  Kerne 
fassen.  Wenn  der  Wurm  eine  Rücken-  oder  Bauchlage  einnimmt,  so  gelingt  es  manchmal  bei  günstigen 
Objekten  an  den  Seiten  äusserst  feine  Protoplasmastränge  wahrzunehmen,  die  nach  oben  und  unten  steigen, 
sich  jedoch  dem  Auge  sehr  bald  wieder  entziehen;  vielleicht,  dass  dies  eben  Nervenfasern  sind,  die  mit 
den  Laterallinien  in  Beziehung  stehen.  Von  sonstigen  nervösen  Elementen,  etwa  einem  Analganglion,  lässt 
sich  nichts  bemerken. 


a)  Taf.  1.  Fig.  4.        h)  Taf.  1.  Fig.  1. 


— IK®  19  @X>— 

Diirch  den  ganzen  Körper  hindurch,  vom  Kopfende  bis  zum  stumpfen  Schwänze,  zieht  sich,  begrenzt 
vom  Hautmuskelschlauche,  die  Leibeshöhle.  Ihr  Lumen  wird  fast  vollkommen  von  dem  Darmtraktus  und 
den  Geschlechtsorganen  eingenommen,  so  dass  nur  ein  enger  Spaltraum  übrig  bleibt,  der  oft,  hauptsächlich 
in  seinem  oberen  Theile,  von  einer  grossen  Masse  dunklei',  stark  glänzender,  bräunlicher  Kügelchen  erfüllt  isi. 

Wenden  wir  uns  zunächst  von  den  zwei  Organsystemen,  welche  die  Leibeshöhle  einschliesst,  dem  Ver- 
dauungsapparate zu.  Derselbe  hat  im  Grossen  imd  Ganzen  einen  geraden  Verlauf  und  durchzieht  den  ganzen 
Körper  der  Länge  nach,  indem  er  mit  der  in  der  Mitte  der  Kopfkappe  gelegenen  JMundöfl'nung  beginnt  und 
am  Hinterende  mit  dem  bauchständigen  After  endigt.  Die  Mundöft'nung  führt  in  die  sogen.  Mundhöhle,  das 
Vcstibulum,  das,  in  Gestalt  eines  cylindrischen  Rohres''),  bekleidet  von  der  äusseren  Cuticularschicht,  die 
Kopfkappe  durchbricht  und  gleich  hinter  derselben  sich  erweiternd  birnförmig  anschwillt.  In  diese  Mund- 
höhle hinein  ragt  ein  sehr  kräftiger  Stachel,  an  dessen  Aussenseite  sich  die  unten  bogenförmig  umbiegende 
Cuticularwand  des  Vestibulum  noch  eine  kurze  Strecke  hinzieht.  Der  Stachel •*)  selbst  repräsentiert  ein 
ansehnliches  Gebilde  von  einer  Länge  von  0,03  mm.  Vorn  in  eine  etwas  abgerundete  Spitze  auslaufend, 
nimmt  er  nach  hinten  an  Dicke  allmählich  zu  mid  ti-ägt  an  seiner  Basis  drei  knopfförmige  Verdickungen, 
die  sich  deutlich  gegen  einander  absetzen.  Sein  Querschnitt  ist  an  den  einzelnen  Stellen  verschieden. 
Während  der  Contour  in  der  ersten  Hälfte  kreisförmig  ist,  hat  derselbe  in  der  anderen,  bedingt  diu'ch  drei 
von  den  Knöpfen  aus  nach  oben  gehende  Kanten,  das  Aussehen  eines  sphärischen  Dreiecks. 

Bei  seiner  Massenentwicklung  haben  natüi-lich  auch  die  früheren  Autoren  den  Stachel  beobachtet^ 
Allein  wie  Bütschli  *)  bei  verschiedenen  Tylenchusarten,  Davaine  i')  beim  Wcizenälchen,  so  konnten  auch 
weder  Schmidt  noch  Müller  darüber  in's  Klare  kommen,  ob  der  Stachel  von  Heterodera  solide  oder  hohl 
sei.  Die  völlige  Verwachsung  mit  dem  inneren  Chitinrohr  des  Oesophagus  legte  ihnen  schon  die  Ver- 
muthung  nahe,  dass  letzteres  der  Fall  sein  müsse,  der  feine  Strich  aber,  den  sie  in  ihrer  Schilderung  als 
ein  Lumen  ansahen,  ist  nichts  als  eine  jener  oben  erwähnten  Kanten.  Um  mich  über  diesen  Pimkt  auf- 
zidilären,  griff  ich  zu  einem  einfachen  Experimente.  Ich  bi-achte  mein  Objekt  in  eine  Indigolösung.  Sobald 
dann  der  Saugapparat  des  Oesophagealbulbus  in  Thätigkeit  versetzt  wird,  sieht  man  die  winzigen  Indigo- 
partikelchen durch  den  Stachel  wandern  vmd  alsbald  im  Oesophagus  verschwinden.  Wäre  der  Stachel  solide, 
so  könnte  eine  solche  Erscheinung  nicht  eintreten.  Auch  Bruchstücke  beweisen,  dass  derselbe  ein  Lumen 
besitzt,  und  zwar  ein  ziemlich  bedeutendes. 

Was  die  Funktionen  des  Stachels  beti-ifft,  so  halte  ich  ihn  mehr  für  ein  Stech-,  als  für  ein  Bohr- 
instrument. Seine  Bewegungen  sind  nicht  rotierende,  wie  die  eines  Bohrers,  sondern  geschehen  immer  ruck- 
weise und  rhythmisch.  Durch  einen  flachen  ringförmigen  Wulst  in  seiner  Mitte  und  den  hinteren  Rand  der 
Mundhöhle  wird  seine  Exkursiousfähigkeit  auf  ein  bestimmtes  Maass  eingeschränkt,  denn  meist  schiebt 
er  sich  nicht  mehr  als  um  ein  Drittel  seiner  Länge  über  die  Mundöffnung  hinaus.  Uebt  man  auf  das 
Thier  einen  starken  Druck  aus,  so  giebt  allerdings  die  Chitinwand  des  Vestibulum  nach,  imd  der  Stachel 
fällt  weit  vor. 

Die  Muskeln,  die  diese  Bewegungen  bewh-ken,  umhüllen  ihn  in  Form  einer  bulbösen  Masse.  An 
Zerzupfungspräparaten    lassen    sich   zwei    Muskelpaare ,    die    ihm    direkt    anliegen ,    deutlich    unterscheiden. 


a)  Taf.  1.  Fig.  2.        b)  Taf.  1.  Fig.  6. 


-&<<g       20       @x:— 

Beide  entspringen  an  der  Basis  der  Kopf  kappe;  aber  während  der  eine  (innere)  von  dort  unter  Ver- 
minderung seines  Querschnittes  an  dem  Stachel  entlang  läuft  und  sich  an  der  Oberfläche  der  Knöpfe 
festsetzt,  umgreifen  die  anderen  (äusseren)  denselben  in  einem  Bogen  und  inserieren  sich  unten  und  an 
den  Seiten  dieser  Knoten.  Als  Antagonisten  arbeiten  diesen  beiden  Muskelpaaren  zwei  schmale,  oft  schwer 
sichtbare  St^-änge  entgegen,  die  von  der  Aussen  wand  des  Stilets  schräg  nach  unten  gegen  die  Körperwand 
ziehen.  Ausserdem  gewahrt  mau  noch  ein  paar  weitere  Muskelbänder ,  die  von  der  Stachelbasis  eine 
diagonale  Richtung  nach  oben  einhalten  und,  wie  es  scheint,  dazu  dienen,  durch  ihre  Contraktionen  das 
Vorschnellen  des  Stachels  sowohl  zu  unterstützen,  als  auch  seine  seitliche  Verlagerimg  zu  regeln. 

Die  Wandungen  des  Stachels  bestehen  aus  einer  bräunlichen ,  chitinigen  Membran ,  die  eine  be- 
trächtliche Festigkeit  aufweist,  aber  doch  auch  sehr  elastisch  ist,  so  dass  sie  starke  Beugungen  auszuhalten 
vermag.  Oftmals  habe  ich  die  Spitze  des  Stachels,  wenn  derselbe  auf  einen  festen  Gegenstand  stiess,  mit  der 
nachfolgenden  Partie  einen  Winkel  von  fast  100*  machen  sehen,  ohne  dass  ein  Bruch  erfolgt  wäre. 

An  diesen  Stachel  schliesst  sich  nun  nach  hinten  der  eigentliche  Darmtraktus,  der  bei  unserer 
Heterodera  in  drei  Abschnitte,  den  Oesophagus,  den  Darm  imd  das  Rektum  zerfällt.  Der  Oesophagus*) 
zeigt  sehr  wesentliche  Eigenthiimlichkeiten  und  spaltet  sich  ebenso  wieder  in  drei  Abtheilungen. 

Im  Allgemeinen  stellt  derselbe  einen  Schlauch  dar  von  mehr  oder  minder  beträchtlicher  Breiten- 
ausdehnung,  der  die  Leibeshöhle  eine  Strecke  weit  dm-chsetzt  und  in  der  Höhe  des  Poi-us  excretorius  m 
den  Dann  einmündet.  Sein  vorderer  Theil  ist  ziemlich  schmal,  beschreibt  mehi'ere  Windungen,  und  grenzt 
sich  scharf  gegen  den  darauifolgenden  kugeligen  Bulbus  ab.  Hinter  letzterem  wird  der  Schlauch  wieder 
eng,  vor  seinem  Ende  aber  erweitert  er  sich  nochmals  und  nimmt  hier  die  Dimensionen  des  Darmes  an. 

Mit  der  Basis  des  Stachels  verwachsen  zieht  durch  den  ganzen  Oesophagus  ein  feines  Chitim-ohr, 
das  jedoch  nicht  überall  dieselbe  Gestalt  hat,  und  auch  nicht  immer  in  seinen  einzelnen  Punkten  einen 
geraden  Verlauf  einhält.  Kurz  nach  seiner  Verbindung  mit  der  Stachelbasis  nimmt  es  den  km'zen  Aus- 
führungsgang einer  kleinen  kolbigen  Drüse'')  auf,  woraiif  es  dann  sogleich  fast  horizontal  einbiegt, 
um  von  da  ab  noch  zwei  bis  drei  Windungen  bis  zu  seinem  Uebergang  in  den  Bulbus  zu  machen. 
Seine  Lage  in  diesem  vorderen  Oesophagealabschnitt  ist  eine  excentrische.  Bald  ist  es  mehr  dem  Rücken, 
bald  mehr  der  ventralen  Seite  genähert.  Nur  höchst  selten  korrespondieren  seine  Windungen  mit  der 
des  Schlauches,  oft  übertrifft  er  diesen  sogar  beträchtlich  an  Länge.  Dass  dieser  innere  Chitinkanal  über- 
haupt einen  z'emlich  losen  Zusammenhang  mit  dem  Schlauche,  dem  er  zugehört,  besitzt,  davon  kann  man 
sich  überzeugen,  wenn  der  Stachel  seine  rhythmischen  Stösse  ausführt.  Das  Rohr  folgt  dann  diesen  Be- 
wegungen, indem  es  sich  imter  Abflachvmg  seiner  schraubenförmigen  Windungen  weit  ausstreckt,  indess 
der  ihn  umhüllende  Schlauch  nur  geringen  Antheil  daran  nimmt,  sich  nur  wenig  dehnt.  Lu  Bulbus 
kommt  es  wieder  zu  einer  centralen  Lage,  die  es  auch  im  dritten  Abschnitt  bewahrt;  in  letzterem  wii-d 
der  Kanal  bedeutend  enger  imd  schwerer  sichtbar. 

Was  den  histologischen  Bau  des  Oesophagus  anbelangt,  so  ist  auch  dieser  in  manchen  Punkten  von 
dem  der  übrigen  Nematoden  verschieden.  In  der  vorderen  Abtheilung  besteht  er  aus  einer  protoplasma- 
tischen Substanz,  in   welcher  dunkele   und   grobe   Körner   in  reichlicher  Menge   eingestreut   sind,   zwischen 


a)  Taf.  1.  Fig.  1. 


denen  sich  wiederum  eine  ziemliche  Anzahl  grosser  Kerne  findet.  Eine  fibrilläre  Textur,  wie  sie  sonst 
diesem  Abschnitt  vielfach  zukommt,  lässt  sich  niemals  bemerken,  wie  ich  denn  im  Einklang  damit  auch 
nie  hier  eine  Contraktion  zu  beobachten  vermochte.  Dagegen  kann  man  am  kugeligen  Bulbus  Muskelfibrillen 
unterscheiden  und  deren  Thätigkeit  aufs  Schönste  sehen.  Untersucht  man  diesen  Theil  des  Oesophagus 
auf  einem  optischen  Längsschnitte,  so  üillt  neben  diesen  Fibrillen  vor  allem  im  Centi-um  ein  ansehnlicher 
Chitinapparat  auf,  dessen  drei  zahnartige  Vorsprünge  von  Zeit  zu  Zeit  klappende  Bewegungen  ausführen. 
Anfangs  hielt  ich  diese  Zähne  für  solide  Körper,  die  in  Gestalt  von  Kugelsektoren  in  Winkeln  von  60"  zu 
einander  gestellt  seien;  allein  ein  Querschnitt*)  belehrte  mich  sehr  bald,  dass  dieselben  wie  bei  manchen 
anderen  Nematoden  einfache  Chitinlamellen,  blose  Einfaltungen  des  Innern,  hier  sich  erweiternden  Kanales 
darstellen,  die  das  Bild  einer  dreistrahligen  Sternfigur  erzeugen.  An  die  etwas  concav  nach  innen  ge- 
bogenen Seiten  dieser  Zahnleisten  ti'eten  nun  von  dem  Rande  des  Bulbus  aus  die  erwähnten  Fibrillen  heran, 
und  zwar  so,  dass  die  an  den  Kanten  sich  ansetzenden  immer  in  kegelförmigen  Bündeln  angeordnet  sind, 
während  die  anderen  Fasern  mehr  parallel  gegen  die  Flächen  hinziehen;  ein  Verhalten  gleich  dem  bei 
Sti-ongylus  und  anderen.  Durch  ihre  synchronen  Contraktionen  erweitern  sie  gleichmässig  das  Lumen  und 
bewirken  dadurch,  dass  der  ganze  Apparat  wie  eine  Saugpumpe  funktioniert.  Der  Raum  zwischen  den 
Chitinleisten  und  dem  äusseren  Rande  wird  jedoch  nicht  völlig  von  diesen  Muskelfasern  eingenommen,  in 
den  bleibenden  Lücken  finden  sich  vielmehr  grobe  Körner  und,  spärlich  vertheilt,  einige  Kerne. 

Wie  der  Vordertheil  des  (Oesophagus,  so  charakterisiert  sich  auch  der  letzte  Abschnitt  histologisch 
durch  den  Maugel  von  Muskeln  und  durch  körnige  Beschaflenheit ;  daneben  aber  zeichnet  er  sich  vor 
ersterem  durch  die  Anwesenlieit  von  auftauend  grossen  (0,008  mm)  Kernen  aus.  Die  Kerne'')  liegen  ohne 
Regel  in  der  Plasmamasse.  Soweit  meine  Beobachtungen  reichen ,  übersteigt  ihre  Zahl  nie  mehr  als  5, 
manchmal  trifi't  man  nur  ihrer  2  oder  3.  Öfter  konnte  ich  bei  einzelnen  Individuen  Formveränderungen 
an  ihnen  wahrnehmen,  doch  blieb  mir  deren  Bedeutung  unklar.  Es  bildeten  sich  dabei  Dellen,  die  sich 
mehr  oder  minder  tief  einsenkten  und  nach  kui'zer  Zeit  wieder  verschwanden. 

Jedenfalls  ist  das  Auftreten  solcher  Kerne  —  Bütschli  ^)  beschreibt  einen  bei  Tylenchus  Askenasi 
und  Davaine  ^^)  bei  Tylenchus  tritici  —  in  diesem  Abschnitte  des  Oesophagus  sehr  bemerkenswerth.  Es 
erinnert  an  ähnliche  Bildungen,  wie  sie  Leuckart^")  bei  CucuUanus  und  einigen  anderen  Nematoden  gefunden 
hat.  Ein  Zellenbau  wie  dort  ist  bei  unserer  Heterodera  im  ausgebildeten  Zustande  allerdings  nicht  mehr 
vorhanden ,  allein  beim  Embryo  besteht  er  nachweislich ,  und  wir  brauchen  uns  nur ,  um  den  Vergleich 
aufrecht  zu  erhalten,  vorzustellen,  dass  die  Zellwände  im  Laufe  der  Zeit  absorbiert  wurden,  um  die  spätere 
Bildung  zu  verstehen.  Auf  gleiche  Weise  Hesse  sich  vielleicht  auch  die  Existenz  der  zahlreichen  Kerne 
im  Vordertheile  des  Oesophagus  erklären;  denn  auch  er  zeigt  beim  Embryo  eine  zellige  Sti-uktur.  Die 
excentrische  Lage  des  Chitinrohres  mahnt  ims  zugleich  an  die  gleiche  Lagerung  desselben  Oebildes  bei 
den  Trichoti-acheliden ,  speziell  der  Trichina.  Allein  ein  Vergleich  dieses  Abschnittes  bei  Heterodera  mit 
dem  jener  interessanten  Nematoden  scheint  mir  desshalb  gewagt,  weil  es  kaum  möglich  sein  dürfte,  die 
kernhaltige  Substanz  mit  dem  Zellkörper  von  Trichina  physiologisch  in  Uebereinstimmung  zu  bringen.*) 


a)  Taf.  1.  Fig.  12.       b)  Taf.  1.  Fig.  1. 

*)  Müller   hat  den  Oesophagus  der  Heterodera  radicicola  auch  einer  Untersuchung  gewürdigt,   seine  Struktur  jedoch 
völlig  verkannt.     Von   einem  „nodulus'',    einer  kropfartigen  Anschwellung  des   Oesophagus  dicht  hinter   der  Stachelbasie    und 


— <x@    22    @x— 

Dem  Oesophagus  fügt  sich  der  eigentliche  Darm  oder  Chylusmagen,  =^3  wie  er  auch  benamit  wird, 
an.  Er  bildet  die  bei  weitem  grösste  Masse  des  ganzen  Traktus  imd  verläuft  in  Form  eines  Cylinders, 
ohne  eine  Schlinge  zu  machen,  gestreckt  durch  die  Leibeshühle.  Seine  Breite  ist  allenthalben  dieselbe  imd 
kommt  derjenigen  des  letzten  Oesophagealabschnittes  gleich.  Wie  der  gesammte  Oesophagus,  den  er  fast 
sechsmal  an  Länge  übertrifft,  wird  er  aussen  von  einer  dünnen  hellen  Membran  umgeben.  Auf  dieser  sitzen 
in  einfacher  Lage  polyedrische,  ziemlich  hohe  Zellen  auf,  die  auf  ihrer  in  das  Lumen  ragenden  Fläche 
wieder  mit  einer  zarten  Tunica  propria,  der  Fortsetzimg  des  inneren  Oesophagealkanales,  überkleidet  sind. 
Diese  Zellen  sind  stets  von  groben  imd  glänzenden  braunen  Körnchen  angefüllt,  so  dass  es  sehr  schwierig 
ist,  ihre  Umrisse  zu  erkennen.  Ich  habe  sie  deutlich  an  gutgelimgenen  Zerzupfiingspräparaten  gesehen 
und  konnte  auch  dann  den  Kern  als  einen  hellen  Fleck  wahrnehmen.  Welcher  Natur  diese  Körnchen  sind, 
vermag  ich  nicht  bestimmt  zu  sagen.  In  Schwefeläther  lösen  sie  sich  nicht  völlig  auf  und  nach  Behandlung 
mit  Jod  nehmen  sie,  wie  Bütschli  schon  bemerkte,  eine  violette  Färbung  an.  Aller  Wahrscheinlichkeit 
nach  sind  sie  stärke-  oder  eiweisshaltig,  bergen  wohl  aber  auch  Fett. 

An  seinem  hinteren  Ende  verjüngt  sich  der  Darm  sehr  rasch  und  mündet  in  das  Rektum.  Letzteres 
ist  bei  Heterodera,  wie  bei  allen  kleinen  Nematoden,  sehr  unansehnUch.  Es  stellt  ein  kurzes  und  enges 
Rohr  dar,  das  schräg  nach  der  Bauchseite  läuft  und  sich  sehr  bald  mit  dem  Ausführungsgang  des  männ- 
lichen Geschlechtsapparates  zu  einer  gemeinsamen  Kloake  vereinigt.  Gleich  dem  Darm  wird  auch  er  von 
einer  festen  chitinösen  Membran  aussen  und  innen  bekleidet. 

Das  zweite  Organsystem  nun,  welches  die  Leibeshöhle  durchsetzt,  ist  der  männliche  Geschlechts- 
apparat. Bei  unserer  Heterodera  präsentiert  sich  derselbe  als  ein  einfacher  Schlauch,")  der  an  der  Bauchfläche 
imterhalb  des  Darmes  bis  über  die  Mitte  des  Körpers  nach  aufwärts  zieht.  Nach  oben  sich  verschmälernd, 
endigt  er  dort  schliesslich  blind,  während  er  sich  nach  unten  zu  einem  kurzen  Ausführungsgange  verengt, 
der  sich  mit  dem  Mastdarme  vereinigt.  Abgesehen  von  seiner  Verjüngung  am  oberen  Ende  besitzt  er 
überall  denselben  Querschnitt.  Er  verläuft  stets  geraden  Weges,  zeigt  keinerlei  Schlingen  oder  Einschnü- 
rungen und  bildet  so  ein  ununterbrochenes  Ganzes,  das  sich  weder  nach  äusserlichen  Merkmalen  in  ge- 
sonderte Abtheilungen  trennen  lässt,  noch  auch  in  histologischer  Beziehung  grosse  Verschiedenheiten  aufweist. 
Nur  funktionell  vermag  man  zwischen  einem  oberen  Abschnitte,  dem  keimbereitenden  Hoden,  und  einem 
unteren,  dem  Samenleiter,  zu  unterscheiden. 

Eine  Tunica  propria  dient  auch  hier  als  Begrenzungswand,  und  ihr  folgt  nach  innen  eine  Epithellage. 
Die  Elemente '')  dieses  Belages  bestehen  aus  schmalen,  langen  Zellen,  deren  Hauptachsen  den  Längsachsen 
des  Hodens  parallel  laufen.  Im  Profil  gesehen  erweisen  sich  dieselben  als  schlanke  Gebilde.  Sie  erheben 
sich  in  der  Mitte  etwas  buckelartig,  zeigen  dort  in  ihrem  körnigen  Plasma  einen  deutlichen  Kern  und 
spitzen  sich  nach  vorn  und  hinten  zu.  Ihr  Zusammenhang  scheint,  wenigstens  seitlich,  ein  sehr  lockerer  zu 
sein,  denn  oft  findet  man  zwischen  ihnen  ziemlich  breite  Lücken.  Im  Bau  und  in  der  Gestalt  dieser  Epithel- 
zellen lassen  sich  an  den  einzelnen  Regionen  der  Hodenröhre  keine  besonderen  Unterschiede  wahrnehmen; 
sie  haben  überall  die  gleiche  Beschafl"enheit.    Nur  muss  noch  hervorgehoben  werden,  dass  man  am  blinden 


einem  „scheibenförmigen"  Bulbus  mit  „musculus  centralis"  wird  woU  bei  dieser  Art  ebensowenig  die  Eede  sein  können,  wie  bei 
unserem  Rübennematoden. 

a)  Taf.  1.  Fig.  1.        b)  Taf.  1.  Fig.  8. 


-o<@    23    @>o- 

Ende  eine  Zelle  antrifft,  die  diesem  dicht  anliegt  und  wohl  ein  Analogen  der  sogen.  Terminalzelle  des 
weiblichen  Geschlechtsapparates  bildet.  Im  unteren  Abschnitte  scheinen  die  Zellen  etwas  dichter  aneinander 
zii  liegen  und  dadurch  eine  mehr  breite  und  kürzere  Form  anzunehmen. 

Ueber  die  feinere  Struktur  des  Ausführungsganges  vermochte  ich  bei  der  Kleinheit  des  Objektes 
nichts  in  Erfahrung  zu  bringen.  P>  ist  ein  kurzer  Kanal  mit  weitem  Lumen,  an  dem  man  gewöhnlich  eine 
Streifung  bemerkt,  die  vom  Samenleiter  auf  ihn  übergeht  und  wohl  auf  das  Vorhandensein  einer  Längs- 
muskulatur hindeutet. 

Zu  beiden  Seiten  der  KJoake,  jedoch  nicht  in  einer  Ebene  damit,  sondern  mehr  gegen  den  Rücken 
geneigt,  liegen  die  flu-  die  männlichen  Nematoden  so  charakteristischen  Spicula.  Bei  unserer  Heterodera 
stellen  dieselben  zwei  gleichgestaltete  und  gleich  lange  (0,033  mm)  gekrümmte  Ghitinlaraellen  dar.")  Sie 
beginnen  an  ihrem  hinteren  Ende  mit  einer  ziemlich  breiten  und  tiefen  Rinne,  die  sich  in  der  Mitte  eines 
jeden  Spiculum  etwas  abflacht  und  zugleich  eine  leichte  Drehung  nach  aussen  macht.  In  ihrem  letzten 
Viertel  biegen  dieselben  wieder  gegen  die  Kloake  ein  und  verlaufen  dann  abermals  in  Form  einer  Rinne  bis 
an  die  eingekerbte  Spitze.  Ihre  der  Körperwand  zugekehrten  Flächen  haben  an  den  Rändern  stets  einen 
verdickten  Saum.  Immer  sind  die  Aussenenden  einander  genähert  und  ragen  gewöhnlich  aus  dem  warzen- 
artig etwas  vorspringenden  After  heraus.  Die  Vorderenden  dagegen  lassen  einen  ziemlich  weiten  Raum 
zwischen  sich,  so  dass  die  beiden  Spicula  meist  einen  Winkel  von  40"  bilden.  Sieht  man  näher  zu,  so 
vermag  man  auch  die  Penistasche  zu  erkennen,  allerdings  wenig  deutlich.  Sie  liegt  anscheinend  den  Spiculis 
dicht  an,  ist  glashell  und  hat  die  Form  eines  schmalen  Sackes. 

Als  Bewegungsapparat'')  der  Spicula  fungieren  zwei  Muskelpaare.  Das  eine  entspringt  an  deren 
Wurzel  und  geht  schräg  nach  oben  gegen  die  Körperwand,  das  andere  Paar  läuft  eine  Strecke  an  den 
Spiculis  entlang  und  inseriert  sich  gleichfalls  auf  dem  Rücken  mit  breiter  Basis.  Ersteres  Paar  bewii-kt 
durch  seine  Contraktionen  ein  Zurückziehen  der  Spicula,  das  zweite  dagegen  ein  Verstössen  derselben.  — 
Accessorische  Stücke  fehlen  den  Begattungswerkzeugen  der  Heterodera.  Ebenso  vermisst  man,  wie  schon 
früher  erwähnt,  Papillen  und  Bursa. 

Was  nun  die  Bildung  der  Samenelemente  anbelangt,  so  geschieht  dieselbe  in  dem  oberen  Abschnitte 
der  Geschlechtsröhre,  die  wir  desshalb  auch  als  den  keimbereitenden  Theil,  den  eigentlichen  Hoden,  be- 
zeichnen können.  In  seinem  äussersten  blinden  Ende  findet  sich  eine  zähflüssige,  körnchenreiche  Masse, 
die  eine  Menge  Kerne  in  sich  birgt.  Bis  beinahe  hinauf  in  die  Spitze  ist  jeder  Kern  bereits  von  einem 
mehr  oder  weniger  mächtigen  Protoplasmahof  umgeben,  der  gegen  die  angrenzenden  ziemlich  deutlich  sich 
abhebt.  Bringt  man  den  oberen  Hodentheil  zum  Platzen,  so  zeigt  sich,  dass  die  Ballen  nicht  lose  neben 
einander  liegen,  sondern  durch  eine  centrale  Masse  in  Verbindung  stehen.  Dieser  axiale  Strang,  um  den 
sie  sich  gruppieren,  ist  die  sogen.  Rhachis.  Sie  besteht  aus  einer  Säule  von  zähem  Protoplasma  mit  zahl- 
reichen Körnchen,  und  ihr  haften  mit  breiter  Basis  dicht  zusammengedrängt  die  Ballen  an.  Manchmal 
trifft  man  solche  Ballen  in  Theilung.  Öfter  sah  ich  eine  Zweitheilung,  aber  nur  selten  einen  Zerfall  in  vier 
Theilstücke.  Die  Vermehrung  scheint  eine  sehr  lebhafte  zu  sein,  und  die  Lösung  der  Keime  sehr  frühe 
anzuheben;    denn    ausser  den   um    die  Rhachis    gestellten    findet    man    bis    in    das   letzte    obere  Drittel    der 


a)  Taf.  1.  Fig.  5.        b)  Taf.  1.  Fig.  1. 


— x<3;     24     ®«— 

Hodenröhre  hinauf  völlig  freie,  allerdings  noch  unreife  Samenkörperchen  in  zwei  oder  drei  Lagen.  Die- 
selben haben  hier  noch  das  grobkörnige  Ausseben,  das  sie  weiter  nach  unten  rasch  verlieren.  Im  Samen- 
leiter treten  sie  uns  dann  in  ihrer  definitiven  Form  als  reife  Sperraatozoen  entgegen.  In  solcher  Gestalt 
präsentieren  sie  sich  als  kugelige,  hüllenlose  Körperchen»),  die  an  der  Peripherie  einen  platten,  ovalen, 
starkglänzenden  Kern  tragen.  Ihr  Protoplasma  ist  völlig  hyaHn,  nur  in  der  Nähe  des  Kernes  zeigen  sich 
zumeist  kleine,  hellere  Körnchen.  In  diesem  Zustande  werden  sie  aus  dem  prall  gefüllten  Samenleiter 
bei  der  Begattung  entleert.  Wie  ich  mich  überzeugt  habe,  erleiden  sie  auch  in  den  Geschlechtswegen 
des  Weibchens  keine  weitere  Umbildung.  Ihre  'NA^inderung  bis  zur  Samentasche  und  weiter  bis  in  den 
Ovidukt  ist  eine  aktive,  sie  erfolgt  durch  selbständige  Bewegungen,  durch  Pseudopodien.  Um  dieses  an- 
ziehende Phänomen  beobachten  zu  können,  isoliert  man  am  besten  die  Spei'matozoen.  Ich  habe  sie  zu 
diesem  Zwecke  in  eine  ^/aprocent.  Kochsalzlösung  gebracht,  wobei  ich  zur  Vei-hütimg  einer  stärkeren 
Concentration  von  Zeit  zu  Zeit  die  verdampfte  Flüssigkeit  durch  destilliertes  Wasser  ersetzte.  Unter  solchen 
Kautelen  gelang  es  mir,  dieselben  oft  zwei  Stunden  lebendig  zu  erhalten  und  ihr  Pseudopodienspiel 
zu  verfolgen.  Schon  bei  nicht  völlig  entwickelten  Samenkörperchen  vermag  man  das  Vorstrecken  imd 
Wiedereinziehen,  das  peitschenförmige  Schlagen  dieser  Fortsätze  wahrzunehmen;  am  schönsten  aber  zeigen 
die  ausgebildeten,  reifen  diese  Bewegungen,  mögen  sie  dem  unteren  Abschnitte  des  Hodens  oder  dem 
Receptaculum  entstammen. 

Die  Formverändei-ung  ist  eine  äixsserst  mannichfaltige,  und  mit  vollem  Rechte  hat  man  sie  mit  der 
einer  Amöbe  verglichen.  Die  Länge  der  Pseudopodien  übersteigt  nicht  selten  das  sechs-  und  siebenfache 
des  eigentlichen  Plasmakörpers  (ca.  0,004  mm).  Oft  ragen  sie  dann  wie  starre,  dünne  Stäbe  in  gerader 
Linie  nach  aussen  vor,  so  dass  sie  z.  B.  von  Davaine")  bei  Tylenchus  tritici  in  der  That  als  „aiguilles" 
angesprochen  wurden.  Mitunter  erscheinen  sie  als  breite  mid  stumpfe  Fortsätze,  dann  wieder  sind  sie  spitz 
und  schwellen  in  ihrem  Verlaufe  oft  mehrfach  knotenartig  an;  bald  befinden  sie  sich  in  grosser  Agilität, 
verzweigen  sich  sogar  und  bilden  Anastomosen,  bald  ruhen  sie  eine  geraume  Zeit  und  erlangen  erst  nach 
und  nach  ihre  Beweglichkeit  wieder''). 

So  tastend  kriechen  die  Spermatozoen  an  den  Uteruswänden  entlang  in  die  Samentasche  und  höher, 
bis  sie  auf  ein  noch  hüllenloses  Ei  treffen,  um  dasselbe  zu  befruchten. 


Die  Organisation  des  Weibchens. 

Wie  der  umbildende  Einfluss  des  Parasitismus  sich  oft  nur  beim  Weibchen  äussert,  dann  aber  meist 
in  excessivem  Maasse  hervortritt,  so  hat  auch  wohl  das  Schmarotzerleben  an  dem  weiblichen  Rübennematoden 
so  wesentliche  Veränderungen  hervorgerufen,  dass,  wie  bereits  früher  gesagt,  auf  den  ersten  Blick  seine 
Zugehörigkeit  zu  dem  schlanken,  agilen  Männchen  kaum  wahrscheinlich  erscheint.    Schon  am  Anfang  unserer 


a)  Taf.  1.  Fig.  7  b.        b)  Taf.  1.  Fig.  7c-g. 


— c«<gi    25    ©X— 

Darstellung  haben  wir  Gelegenheit  genommen,  auf  den  Parallelismus  hinzuweisen,  der  in  dieser  Beziehimg 
zwischen  Heterodera,  Allantonema  und  Teti-ameres  besteht.  Hier  wie  dort  hat  das  Weibchen  im  Einklänge 
mit  seiner  parasitären  Lebensweise  —  mid  Allantonema  ist  als  protandrischer  Hermaphrodit  ja  die 
längste  Zeit  seines  Daseins  em  weibliches  Geschöpf  —  die  äusseren  Ki-iterien  eines  Nematoden  verloren. 
Es  ist  sessil  und  unbeweglich  zu  einem  wurstförmigen  oder  kugeligen,  plumpen  Gebilde  geworden.  Die 
Ursache  dieser  auftallenden  Turgescenz  liegt  bei  Allantonema  wie  bei  Tetrameres  hauptsächlich  in  der 
ausserordentlichen  Massenentwicklung  seines  Genitalapparates,  während  bei  unserer  Heterodera  noch  der 
Umstand,  dass  das  Mutterthier  später  als  Brutkapsel  die  Nachkommenschaft  vor  Unbilden  zu  schützen  hat, 
neben  der  gleichfalls  starken  Produktivität  an  Keimen  maassgebend  für  die  gewaltige  Schwellung  des 
Körpers  ist. 

Seiner  Gestalt  nach  kann  man  das  Weibchen")  von  Heterodera  Schachtii  am  besten,  wie  das  Schmidt 
schon  gethan,  mit  einer  Citrone  vergleichen,  deren  beide  Pole  etwas  ausgezogen  sind.  Der  eine  dieser 
Fortsätze  setzt  sich  ziemlich  scharf  gegen  den  übrigen  Leib  ab ,  hat  die  Form  eines  Flaschenhalses  und 
trägt  in  seiner  Spitze  einen  deutlichen  Stachel,  durch  den  er  sich  sogleich  als  das  Kojjfende  des  Thieres 
dokumentiert.  Der  andere  Fortsatz  dagegen  zeigt  keine  so  deutliche  Abschnüi-ung,  sondern  verjimgt  sich 
ganz  allmählich  zu  einer  zapfenförmigen  Hervorragung,  die  an  ilu-em  Ende  einen  senkrecht  zur  Median- 
ebene des  Thieres  gestellten  Spalt,  den  Vulvaspalt,  besitzt.  Die  Grösse  des  Weibchens  variiert  zwischen 
0,8  mm  und  1,3  mm.  Die  Breite  misst  dementsprechend  0,6  oder  0,5  bis  0,9  mm.  Die  Hauptmasse  des 
aufgeti-iebenen  Leibes  hat  das  Aussehen  eines  Ovoides,  dessen  Begrenzungsflächen  jedoch  nicht  allenthalben 
dieselben  Krümmungen  aufweisen.  Die  eine,  weniger  gekrümmte,  Fläche  ist  als  Bauchfläche  durch  den  in 
ihrer  Mittellinie  gelegenen  Porus  excretorius  leicht  kenntlich,  während  die  andere,  mehr  oder  minder  stark 
convex  gebogene,  die  Rückenfl^äche  darstellt.  Sehen  wir  uns  nach  der  Lage  des  Afters  um,  damit  wir  uns 
über  das  Hinterende  genügend  orientieren,  so  ti-eöen  wir  denselben  auf  der  dorsalen  Seite  ganz  in  der  Nähe 
der  Vulva.  Diese  sonderbare  Stellung  ist  die  Folge  einer  Dislocation,  auf  die  wir  später  eingehender 
zurückkommen  werden;  denn  ursjjrünglich  befindet  sich  der  After,  wie  bei  allen  Nematoden,  auf  der  Bauch- 
seite. Ein  eigentliches  Schwanzende  existiert  also  beim  Weibchen  nicht;  der  Bauch  geht  kontinuierlich  in 
den  Rücken  über.  Die  Farbe  der  weiblichen  Heterodera  ist  ein  gelbliches  Weiss,  so  dass  es  schon  desshalb 
unmöglich  wird,  sich  ohne  Zerzupfung  oder  anderweitige  Präparationen  eine  Einsicht  in  dessen  Organisation 
zu  verschaffen. 

I>ie  äussere  Bedeckimg  wird,  wie  beim  Mannchen,  von  einer  Cuticula  gebildet,  die  in  die  drei 
charakteristischen  Schichten  zerfällt'').  Sie  besitzt  jedoch  eine  weit  bedeutendere  Dicke,  imd  ist  infolge- 
dessen auch  weniger  elastisch  und  biegsam;  nur  am  Vorder-  und  Hinterende  wird  sie  schmächtiger  und 
verliert  dort  auch  ihre  imdurchsichtige  Beschaftenheit.  Im  Gegensatze  zum  Männchen  fehlt  ihr  jene  aus- 
gezeichnete Ringelimg;  dafür  aber  ist  die  Oberfläche  mit  feinen  Vorsprüngen  und  Höckerchen  bedeckt, 
die  der  Haut  ein  eigenthümliches  granuliertes  Aussehen  geben.  Diese  Protuberanzen  halten  meist  eine  hori- 
zontale Richtimg  ein,  aber  bei  ihrer  nicht  ganz  regelmässigen  Vertheilung  ordnen  sie  sich  in  mannig- 
faltig   geformte    Züge;    sie    verschlingen    sich    unter  einander    und    treten    bald    mehr,    bald    weniger    dicht 


a)  Taf.  1.  Fig.  9.        b)  Taf.  1.  Fig.  13. 


-«<§)    26    ®>«- 

zusammen,  so  dass  man  auf  Flächenpr<äparaten  oft  eine  Skulptur  zu  sehen  bekommt,  die  lebliaft  an  Arabesken 
erinnert.  Gegen  die  Pole  hin  weichen  diese  Erhebungen  etwas  auseinander;  sie  werden  höher  und  ver- 
schmelzen zu  wagrecht  ziehenden,  scharfkantigen  Leistchen,  die  der  Quei-streifung  beim  Männchen  dann 
sehr  ähneln.  Der  Sitz  dieser  Skulptur  ist  die  äussere  Lage  der  Cuticula,  die  den  ganzen  Körper  gleich- 
massig  überzieht  und  immer  dieselbe  unbeträchthche  Dicke  und  dieselbe  homogene  Beschaffenheit  bewahrt. 
Sie  färbt  sich  gleichfalls  intensiv  und  hat,  auf  Schnitten  gesehen,  durch  ihre  Spitzen  und  Stacheln  einen 
zickzackformigen  Verlauf.  Ihr  folgt  die  zweite,  durch  die  radiäre  Strichelung  ausgezeichnete  Lage,  die  sich 
in  nichts  von  der  gleichen  Schicht  beim  Männchen  unterscheidet.  Nur  die  dritte  Abtheilung  weicht  durch 
ihre  Entwicklung  etwas  ab,  indem  sie  die  beiden  ersten  um  das  Dreifache  an  Dicke  überragt.  Im 
Aequator  ist  diese  Dickenausdehnung  am  stärksten,  an  den  Polen  nimmt  sie  indessen  wieder  ab. 

Die  bei  dem  Männchen  schon  aussen  an  der  Cuticula  leicht  auffallenden  Längslinien  lassen  sich  an 
der  Haut  des  Weibchens  äusserlich  nicht  erkennen.  Es  nimmt  auch,  wie  es  scheint,  die  Cuticula  an  ihrer 
Bildimg  so  gut  wie  keinen  Antheil.  Dass  sie  aber  trotzdem,  wenn  auch  sehr  schwach  entwickelt,  nicht  ganz 
fehlen,  zeigt  am  besten  ein  Querschnitt.  Auf  einem  solchen  Schnitte  überzeugt  man  sich,  dass  die  unter  der 
Cuticula  hinziehende  spärliche  Subcuticularschicht  sich  an  den  Seiten  zu  einem  sehr  flachen,  allerdings  wenig 
deutlichen  Wulst  erhebt,  der  nach  innen  etwas  vorspringt.  Diese  kleinen  Wülste  haben  keine  Grenz- 
membranen und  keine  besonders  ausgeprägten  Formen;  sie  lassen  sich  überhaupt  vom  Aequator  des  Thieres 
aus  nur  schwer  nach  vorn  und  hinten  verfolgen.  Dennoch  darf  man  sie  wohl,  wenigstens  ihrer  Lage  nach, 
als  den  Längslinien  des  Männchens  analoge  Gebilde  bezeichnen. 

Die  Existenz  eines  Exkretionsorganes  steht  dagegen  ausser  Zweifel.  Dasselbe  stellt  einen  dünnen, 
häutigen  Kanal  dar,  der  auch  hier  an  der  linken  Seite  nach  aufwärts  steigt,  dann  sich  unter  einem  massigen 
Bogen  gegen  die  Bauchfläehe  wendet  und  in  deren  Mitte  mit  einem  runden  Porus  excretorius  *)  ausmündet. 
Das  vordere  Ende  ist  dabei  in  Form  eines  Bechers  erweitert  und  von  der  äusseren  Schicht  der  Cuticula 
ausgekleidet.  Wie  das  Exkretionsgefäss  beim  Männchen,  so  hat  es  auch  beim  Weibchen  nur  einen  losen 
Zusammenhang  mit  der  Subcuticula. 

Medianlinien  konnte  ich  nicht  auffinden. 

Den  Hautschlauch  vervollständigt  auch  hier  eine  Muskellage.  Allein  dieselbe  hat  in  den  verschiedenen 
Altersstufen  des  Weibchens  eine  sehr  verschiedene  Ausbildung.  Bei  älteren  Individuen,  wo  mit  der 
regeren  Eibildung  fast  alle  Organe  zu  degenerieren  beginnen,  findet  man  keine  Spur  von  Muskeln  mehr;  in 
einem  etwas  jüngeren  Stadium  glaube  ich  hier  und  da  noch  muskelähnliche  Gebilde  gesehen  zu  haben;  in 
ihrem  ganzen  Zusammenhange  traf  ich  sie  aber  nur  bei  erst  wenig  turgescierenden  Weibchen,  obwohl  auch 
bei  diesen  schon  eine  völlige  Bewegungslosigkeit  eingetreten  war.  Die  einzelnen  Elemente ,  welche  den 
Muskelbelag  zu  Stande  bringen,  haben  dieselbe  Form  und  Gestalt,  wie  beim  Männchen.  Es  sind  spindel- 
förmige Zellen  mit  einem  deutlichen  Kern,  die  eine  kontraktile  und  eine  Mark-Masse  unterscheiden  lassen. 
Mit  ihren  zugespitzten  Enden  schieben  sie  sich  wie  dort  in  einander  und  stehen  unter  sich  in  fester  Ver- 
bindung. Natürlich  ist  die  Zahl  der  Muskelzellen,  die  auf  einem  Querschnitt  liegen,  je  nach  der  Stelle, 
durch  welchen  man  diesen  gelegt    hat,    eine  wechselnde.     Auf  einem  Aequatorialschnitt    ist    ihre    Zahl    am 


a)  Taf.  1.  Fig.  11. 


-<x^    27     @x^ 

beträchtlichsten,  nach  den  Polen  nimmt  diese  jedoch  und,  wie  ich  beobachtet  habe,  auch  ihre  Grösse  ab. 
Ihrer  Anordnimg  nach  scheinen  sie  vier  Felder  zu  bilden,  von  denen  zwei  auf  der  Bauchseite  und  zwei  auf 
der  Rückenseite  gelegen  sind.  Ganz  klar  bin  ich  mir  aber  über  diesen  Punkt  nicht  geworden.  Flächen- 
präparate gaben  mir  hierüber  keinen  genügenden  Aufschluss. 

Ueber  den  Schhxndring  des  Weibchens  lässt  sich  nichts  anderes  sagen,  als  was  schon  von  dem 
gleichen  Gebilde  des  Männchens  mitgetheilt  worden  ist.     Lage,  Form  und  Bau   zeigen  dasselbe  Verhalten. 

Die  Leibeshöhle  ist  beim  Weibchen  gemäss  seiner  kugeligen  Gestalt  sehr  weit,  doch  wird  ihr  Lumen 
noch  mehr  als  beim  ]\Iännchen  von  dem  Digestions-  und  Genitalapparat  in  Anspruch  genommen.  Besonders 
erfahren  die  Geschlechtsorgane  im  Laufe  der  Zeit  eine  solche  Ausbildung,  dass  selbst  der  Dai-mtraktus 
stellenweise  eingedrückt  und  aus  seiner  Lage  verschoben  wird.  Da,  wo  zwischen  den  beiden  Organsystemen 
noch  kleine  Spalträume  bestehen,  werden  diese  gewöhnlich  wieder  von  Körnchen  und  Kügelchen  erfüllt. 

Der  Darmtraktus  folgt  hinsichtlich  seiner  Gestalt  der  äusseren  Form  des  Weibchens  und  gliedert 
sich  in  die   drei  bekannten  Abschnitte. 

Die  Kopfkappe,  die  das  Vorderende  des  Männchens  so  gut  charakterisiert,  fehlt  hier,  an  ihrer  Stelle 
befindet  sich  nur  ein  ringförmiger  Chitinwulst*),  der  die  runde  Mundöfftnmg  umgiebt  und  ohne  scharfe 
Abgrenzung  in  die  Cuticula  des  Leibes  übergeht.  Die  Mundhöhle  zeigt  wesentlich  dieselben  Verhältnisse 
wie  beim  männlichen  Thiere.  Sie  ist  cylindrisch,  wird  von  der  äusseren  Haut  überzogen  und  erweitert  sich 
nach  hinten  bimförmig.  Der  sich  in  ihrem  Lumen  auf-  und  abschiebende  Stachel'')  wird  gleichfalls  von 
ihr  eine  Strecke  weit  nach  aufwärts  begleitet.  Letzterer  weist  beim  Weibchen  einige  Verschiedenheiten 
auf.  Er  ist  kleiner  (0,027  mm  lang)  und  schmächtiger  und  verjüngt  sich  sehr  rasch  gegen  seine  Spitze. 
Seine  Wandungen  sind  dünner  und  elastischer.  Ausserdem  setzen  sich  die  drei  knopfförmigen  Verdick- 
iingeu  durch  ziemlich  tiefe  Einschnürungen  seitlich  scharf  gegen  einander  ab.  Von  diesen  Knoten  gehen 
auf  den  Stachel  selbst  anfangs  breite  und  hohe,  gegen  das  Ende  hin  sich  aber  verschmälernde  Wülste  über, 
so  dass  auf  der  äusseren  Stachelwand  eine  Art  Kannelierung  entsteht,  und  der  Querschnitt  des  ganzen 
Gebildes  ein  dreilappiges  Aiissehen  gewinnt.  —  Der  Muskelapparat,  der  diesen  Stachel  bewegt,  ist  wie  beim 
Männchen  angeordnet;  er  besteht  aus  vier  Paar  Muskelzügen,  von  denen  zwei  ihn  in  Gestalt  einer  bulbösen 
Masse  umhüllen,  während  die  beiden  anderen  wiederum  schräg,  und  zwar  in  entgegengesetzter  Richtimg, 
gegen  die  Körperwand  ziehen. 

An  die  Stachelbasis  schliesst  sich  auch  hier  der  Oesophagus  au,  der  den  grössten  Theil  des  hais- 
förmigen  Kopfendes,  das  immer  gegen  den  Rücken  gekrümrat  ist,  mit  seiner  Masse  erfüllt.  Der  vordere 
Abschnitt  ist  gedrungener,  kürzer  und  breiter  als  beim  Männchen.  Derselbe  verläuft  ziemhch  gesti-eckt, 
ohne  besondere  Windungen  zu  machen,  zeigt  histologisch  aber  kein  verschiedenes  Verhalten.  Das  innere 
Chitinrohr  ist  mit  dem  hohlen  Stachel  fest  verwachsen  und  nimmt  hinter  dessen  Basis  gleichfalls  den 
Ausführungsgang  einer  kleinen,  kolbigen  Drüse  auf;  seine  Lage  ist  eine  mehr  centi-ale.  —  Der  Bulbus 
zeichnet  sich  ebenso  wenig  vor  dem  des  Männchens  aus.  Er  hat  eine  kugelige  Form.  In  der  Mitte  ti'effen 
wir  auf  die  drei  wohl  ausgebildeten  Zahnvorsprünge,  und  an  diese  treten  die  Muskelfasern  in  radiärer 
Richtung  von  der  Aussenwand  heran.  —  Die  dritte  Abtheilung  ist  beim  Weibchen  geringer  entwickelt  und 


a)  Taf.  1.  Fig.  11.        b)  Taf.  1.  Fig.  14. 

4* 


-»<ö)    28    ®>o- 

niclit  immer  deutlich  zu  erkennen.    Bei  denjenigen  Individuen,  bei  denen  sie  sich  schärfer  markiert,  bemerkt 
man  stets  in  ihr  die  grossen  Kerne,  meist  in  einer  Zahl  von  2  oder  3. 

Der  eigentliche  Darm '')  ist  ein  gewaltiger  Sack  von  sehr  beträchtlicher  Weite.  Meist  lässt  er 
zwischen  sich  und  der  Körperwand  einen  sehr  spärlichen  Raum,  so  dass  der  Genitalschlauch  aus  Mangel 
an  Platz  sich  in  ihn  hineindrückt  und  dadurch  eine  Veränderung  der  Form  hervorruft,  die  ihm  normaler 
Weise  nicht  zukommt.  Von  dem  Oesophagus  setzt  er  sich  nicht  scharf  ab,  sondern  er  erweitert  sich  ganz 
allmählich  trichterförmig,  und  erreicht  seinen  grössten  Durchmesser  in  der  Aequatorialebene  des  Thieres. 
Von  da  ab  verengt  er  sich  wieder  nach  und  nach,  doch  senkt  er  sich  vor  seinem  üebergange  in  den  Mast- 
darm noch  einmal  in  einem  ziemlich  starken  Bogen  gegen  die  Vulva.  Diese  Ausbuchtung  liegt  immer  auf 
der  ventralen  Fläche.  —  Seine  histologische  Struktur  ist  der  des  männlichen  Darmes  fast  gleich.  Die 
äussere  Hülle  besteht  aus  einer  dünnen,  feinen  Membran,  und  dieser  sitzt  nach  innen  wiederum  ein  Epithelium 
auf,  das  sich  aus  ziemlich  flachen,  polygonalen  Zellen  zusammensetzt.  Wegen  des  trüben  körnigen  Inhaltes 
kann  man  die  Contouren  der  Zellen  und  den  Kern  jedoch  nur  schwer  wahrnehmen.  Gewöhnlich  erscheint 
der  Zellenbelag  als  ein  Ueberzug  von  dunkelen,  gehäuften  Körnern. 

Ueber  den  feineren  Bau  des  Mastdarmes  vermochte  ich  ebensowenig  wie  beim  Älännchen  ein- 
gehendere Beobachtungen  zu  macheu.  Er  ist  ein  kleines,  ganz  kurzes  und  enges  Rohr,  das  aussen  und 
innen  von  einer  chitinigen  Haut  bedeckt  ist  luid  mit  einer  ovalen  Analöffnung  ausmündet. 

Der  weibliche  Geschlechtsapparat'')  nun  wird,  wie  bei  der  Mehrzahl  der  Nematoden,  von  zwei 
Schläuchen  gebildet,  die  kurz  vor  ihrer  Mündung  sich  zu  einem  gemeinsamen  Endstücke  vereinigen.  Die 
beiden  Röhren  stimmen  in  ihrem  Baue  und  ihrer  Gestalt  vollkommen  überein.  Sie  sind  symmetrisch  und 
erreichen  bei  unserer  Heterodera  eine  Länge,  die  die  Gesamnitlänge  des  Thieres  um  das  sechs-,  ja  siebenfache 
übersteigt.  Selbstverständlich  vermögen  sie  bei  einer  derartigen  Ausdehnung  eine  gerade  Richtung  nicht 
einzuhalten ,  vielmehr  müssen  sie  nothwendig  Biegungen  und  Schlängelungen  machen.  Nachdem  sich  der 
Apparat  in  zwei  Schläuche  gespalten  hat,  gehen  letztere  gewöhnlich  erst  eine  kleine  Strecke  nach  auf- 
wärts, steigen  dann  wieder  nach  unten,  biegen  darauf  abermals  nach  oben,  und  erzeugen  so  in  ihrem 
Verlaufe  eine  Reihe  völlig  unregelmässig  gelagerter  Schlingen ,  mit  denen  sie  die  ventrale  und  dorsale 
Seite  des  Darmes  umspinnen.  Ihre  blinden  Enden  liegen  meist  nicht  weit  von  einander  entfernt,  in  der 
Höhe  des  Porus  excretorius,  jedoch  wechselnd,  bald  dem  Rücken,  bald  dem  Bauche  zugekehrt.  —  An  jedem 
der  Schläuche'')  lassen  sich  histologisch  wie  physiologisch  drei  Abtheilungen  unterscheiden,  das  Ovariura, 
der  Üviduct  und  der  Uterus.  Zwischen  die  beiden  letzteren  schiebt  sich  noch  das  Receptaculuni  seminis 
ein.     Als  unpaares  Stück  schliesst  sich  den  Röhren  dann  noch  die  Scheide  an. 

Diese  Scheide  oder  Vagina ,  um  von  ihr  zuerst  zu  sprechen ,  beginnt  mit  der  Geschlechtsöffnung, 
einer  breiten,  von  wulstigen  Lippen  umgebenen  Sjjalte  am  Hinterende  des  Körpers.  Sie  besteht  aus  einem 
weiten  Kanäle,  der  von  der  Fortsetzung  der  Cuticula  begrenzt  wird.  Meistens  ist  derselbe  kollabiert  und  hat 
dann  ein  faltiges  Aussehen.  Einen  Epithelbelag  u.nd  eine  Ringmuskulatur,  wie  sie  sonst  der  Scheide  zu- 
kommen, kann  man  nicht  nachweisen,  dagegen  inserieren  sich  äusserlich  an  der  unteren  Pai'tie  der  Vagina 
Muskelzügs,  die  schräg  nach  oben  gegen  die  Körperwand  ziehen  und  durcli  ihre  Kontraktionen  ein  Offnen 


a)  Taf.  1.  Fig.  11.     b)  Taf.  1.  Fig.  15.  u.  Fig.  1(5.     c)  Taf.  1.  Fig.  16. 


-tx(g)    29    @>«- 

oder  Schliessen  der  V^ulva  bewirken.")  —  Die  Uebergangsstelle  der  Scheide  in  den  Uterus  ist  von  aussen 
nicht  zu  bemerken,  denn  die  Cuticularmembran  setzt  sich  ohne  Unterbrechung  von  der  Vagina  auf  ihn  und 
die  übrigen  Theile  des  Genitalschlauches  fort.  Nur  die  auf  einmal  sehr  deutlich  auftretenden  Epithelzellen 
machen  die  Stelle  kenntlich.  Diese  Zellen  haben  eine  sechsseitige,  langgestreckte  Form.  Ihr  Inhalt  besteht 
aus  einem  hellen,  körnchenreichen  Protoplasma,  das  einen  grossen,  runden  Kern  einschliesst.  Ihre  nach  dem 
Lumen  gerichtete  Oberfläche  ist  stark  gewölbt.  Die  grösste  Ausdehnung  besitzen  die  Zellen  in  der  Quere. 
Sie  ordnen  sich  in  zwei  Längsreihen'')  und  greifen  mit  den  spitzen  Winkeln  ihi'er  kurzen  Seiten  alternierend 
in  einander,  wie  Ähnliches  an  den  Epithelzellen  des  Darmes  bei  zahlreichen  Nematoden  beobachtet  wird. 
Das  Lumen  des  Kanales  ist  dabei  ziemlich  weit  und  überall  gleich.  Bevor  der  Uterus  in  den  Ovidukt 
übergeht,  kommt  es  noch  zur  Bildung  einer  Samentasche,  die  nichts  als  eine  sackartige  Erweitei-ung  des 
ersteren  darstellt.    Histologisch  zeigt  sie  denselben  Bau  wie  jener. 

Ebenso  unterscheidet  sich  der  Eileiter'')  hinsichtlich  seiner  Struktur  nicht  wesentlich  vom  Uterus. 
Da,  wo  er  durch  das  Receptaculum  mit  demselben  in  Verbindung  tritt,  schnürt  er  sich  ein  Wenig  ein,  doch 
währt  diese  Verengung  nur  eine  kurze  Strecke,  so  dass  er  in  seinem  übrigen  Verlaufe  den  gleichen  Durch- 
messer zeigt.  Auf  dem  Quer.schnitte  triffst  man  stets  drei  Epithelzellen,  die  nach  aussen  ziemlich  stark  sich 
hervorwölben,  und  dadurch  dem  (Ovidukte  ein  eigenthümliches  Aussehen  geben.  Im  (.)varium  verschwindet 
der  frühere  Epithelbelag;  statt  der  hohen,  scharf  kontoiu-ierten  Zellen  treten  hier  schmale,  niedrige  auf, 
welche  in  ihrer  Form  denjenigen  des  oberen  Hodenabschnittes  ganz  analog  sind.  Sie  verlaufen  der  Längs- 
achse des  Eierstockes  parallel  und  erscheinen  in  der  Profilansicht  als  Gebilde  mit  körnigem  plasmatischen 
Inhalte  und  grossem  Kerne,  der  mehr  oder  minder  hügelig  in  das  Lumen  einspringt.  Gegen  das  blinde 
Ende,  an  das  sich  die  sog.  Terminalzelle  ansciimiegt,  werden  sie  immer  flacher  und  flacher.  Begrenzungs- 
linien lassen  sich  nicht  erkennen,  wie  denn  überhaupt  ihr  Zusammenhang  anscheinend  ein  sehr  lockerer  ist. 

Die  Eibildung  erfolgt  anfangs  in  ähnlicher  Weise,  wie  die  der  Samenelemente.  Im  obersten  Ab- 
schnitte des  Ovariums  findet  sich  eine  köruchenreiche ,  zähe  Substanz,  welche  die  in  beträchtHcher  Anzahl 
vorhandenen  Kerne  in  Gestalt  rundlicher  Ballen  umhüllt.  Diese  Ballen  stehen  durch  einen  dünnen,  axialen 
Protoplasmastrang,  die  Rhachis,  mit  einander  in  Verbindung.  Letztere  hat  nur  einen  kurzen  Verlauf;  denn 
gegen  das  Ende  des  Eierstockes  triff't  man  keine  Spur  mehr  von  ihr,  statt  dessen  aber  losgelöste  fi-eie 
Eikeime,  die  bereits  beträchtlich  an  Grösse  zugenommen  haben.  Durch  die  Aufnahme  der  bis  an  die 
Spitze  des  Ovariums  i-eichlich  vorhandenen  Dotterpartikelchen  verlieren  sie  allmählich  ihre  Durchsichtigkeit. 
Im  Ovidukt  werden  sie  so  opak,  dass  man  das  Keimbläschen  nur  als  einen  hellen  Fleck  dm-chschimmern 
sieht.  Anfänglich  dicht  zusammengedrängt  und  von  kugeliger  Gestah,  treten  sie  gegen  das  Ende  des 
Eileiters  infolge  ihrer  Volumenzunahme  hinter  einander  und  erscheinen  dann ,  durch  Druck  von  oben 
und  unten  abgeplattet,  als  kleine  gleichhohe  CyHnder.  Weiter  nach  vorn  runden  sich  die  jimgen  Eier 
jedoch  bald  wieder  ab;  dabei  trennen  sie  sich  von  einander  und  gleiten,  nachdem  sie  noch  eine  ganz 
zarte  helle  Protoplasmaschicht  vim  sich  gebildet,  m  die  Samentasche.  Dort  werden  sie  von  den  Spermatozoen 
befruchtet,  die  das  Receptaculum  in  grosser  Menge  erfüllen.  Manchmal  geschieht  dieser  Akt  auch  schon 
früher,  im  Endstücke  des  Oviduktes,  wo  man  nicht  seiton  den  stets  noch  hüllenlosen  Eiern  Samenkörperchen 


a)  Taf.  1.  Fig.  1.5  u.  IH.        h)  Taf.  1.  Fig.  16. 


-•X®    30    &><>- 

aufsitzen  sieht.  Erst  wenn  die  Eier  in  den  Uterus  gelangt  sind,  kondensiert  sich  die  erwähnte  Protoplasma- 
schicht zu  einer  dünnen,  glashellen  Dotterhaut,  wie  dies  u.  A.  auch  Natanson  ^^)  bei  Oxyuris  beobachtete. 
Nicht  lange  nachher  gesellt  sich  zu  dieser  noch  die  äussere  bräunliche  Schale  als  ein  Produkt  des 
Uterusepithels.  Jetzt,  sobald  das  Ei  befruchtet  und  von  seinen  beiden  Hüllen  umschlossen  ist,  beginnt 
auch  sogleich  die  Entwickelung,  die  wir  im  nächsten  Kapitel  eingehender  verfolgen  wollen. 

Bevor  wir  aber  dazu  übergehen ,  muss  ich  bei  der  Darstelkmg  der  Organisation  des  Weibchens 
noch  dreier  accessorischer  Bildungen  gedenken,  die  bereits  Schmidt  beobachtete  und  als  „Eiersack",  „Kopf- 
futteral" und  „subkrystallinische  Schicht"  beschrieb. 

Die  Bezeichnimg  „Eiersack" •'')  ist  für  das  erste  dieser  Gebilde  nicht  ganz  richtig,  da  wir  es  hier 
keineswegs  mit  einer  einen  Hohlraum  umschliessenden  Haut  zu  thun  haben.  Dasselbe  präsentiert  sich 
vielmehr  als  eine  solide,  fai'blose,  durchsichtige  Masse,  die  in  Gestalt  eines  unregelmässig  geformten,  rimd- 
lichen  Pfropfens  der  Vulva  anhaftet  und  oft  eine  solche  Ausdehnung  erfährt,  dass  sein  Volumen  dem  des 
ganzen  Thieres  nahezu  gleichkommt.  Die  Substanz,  aiis  welcher  dieser  Pfropf  besteht,  hat  eine  gallertige 
Beschaffenheit;  sie  ist  elastisch  und  vermag  jedem  Drucke  sich  zu.  fügen.  Gewöhnlich  liegen  im  Innern  des 
Pfropfens  Eier  in  mehr  oder  minder  beträchtlicher  Anzahl  und  in  den  verschiedensten  Entwicklungsstadien 
eingebettet;  doch  ist  dies  nicht  immer  der  Fall.  Bei  wenig  turgescierenden  Weibchen  vermisst  man  dies 
Gebilde  durchgehends ,  erst  wenn  die  Samentasche  mit  Spermatozoen  erfiült  ist,  und  die  Produktion  der 
Eier  nach  der  Befruchtung  sehr  lebhaft  zu  werden  beginnt,  sieht  man  an  den  Rändern  der  Vulva  eine 
anfangs  dünne  Gallertschicht  auftreten,  die  sich  nach  und  nach  immer  mehr  und  mehr  zu  jenem  Pfropfe 
vergrössert. 

Ich  vermag  in  dieser  Gallertsubstanz  nichts  anderes  als  ein  erhärtetes  Seki'et  zu  erblicken,  das  aus 
der  Geschlechtsöffmmg  für  sich  allein  oder  bei  der  Entleerimg  der  Eier  ausfliesst.  Selbstständige  Drüsen, 
die  etwa  in  die  Vagina  oder  das  Uterusende  einmündeten,  imd  als  deren  Produkt  diese  Absonderung  an- 
gesehen werden  könnte,  vermochte  ich  allerdings  nicht  nachzuweisen;  Ladessen  glaube  ich  nicht  fehl  zu 
gehen,  wenn  ich  der  Epithellage  des  Uterusendes  selbst  eine  Absonderungsfunktion  zuschreibe.  Eine  direkte 
Beobachtung,  die  diese  Annahme  zu  bestätigen  im  Stande  wäre,  habe  ich  nicht  gemacht;  das,  was  ich  dafür 
geltend  machen  kann,  ist  das  Aussehen,  der  pralle,  kömige  Inhalt  der  letzten  Uteruszellen,  der  auf  eine 
drüsige  Natur  hinweist.  Soviel  steht  jedenfalls  fest,  dass  dieses  Seki'et  dem  Genitalschlauche  entstammt, 
denn  bei  einer  anderen  Annahme  wüsste  ich  mir  das  Auftreten  der  Eier  in  dem  soliden  Pfropfe  nicht 
zu  erklären. 

Was  die  Bedeutung  des  Gebildes  anbelangt,  so  dient  dasselbe  sicherlich  als  eine  Schutzeinrichtung, 
um  die  entleerten  Eier  vor  äusseren  schädlichen  Einflüssen  zu  hüten  und  dann  wohl  auch  das  Eindi'ingen 
von  Pilzsporen  oder  anderweitigen  Feinden  zu  verhindern.  Zuweilen  findet  man  an  oder  in  dem  Pfropf 
auch  Residuen  des  abgestorbenen  Männchens,  das  gewöhnlich  gleich  nach  der  Begattung  zu  Grunde  geht. 
Das  Vorkommen  dieser  Reste  bedarf  nach  dem  oben  Gesagten  wohl  kaum  einer  besonderen  Erklärung. 
Bei  Heterodera  radicicola,  bei  der  das  Hinterende  des  Weibchens  nicht  frei  aus  der  Wurzel  hervorragt, 
sondern  das  ganze  Thier  von  der  Galle  umschlossen  wird,  fehlt  der  „Eiersack." 


a)  Taf.  1    Fig.  10. 


-&<@    31     @x=— 

Das  sogen.  KopfFixtter.il")  besteht  gleichfalls  aus  einer  gallertigen  Schichte  in  Form  von  Tropfen, 
die  das  Kopfende  des  Weibchens  oft  derartig  einiiüllen,  dass  nur  eine  kleine  Öffnung  an  der  Spitze  frei 
bleibt,  um  den  Bewegungen  des  Stachels  einen  Spielraum  zu  lassen.  Die  Farbe  dieser  Gallerte  ist  je  nach 
der  Rübe,  welcher  das  Weibchen  ansitzt,  verschieden,  bald  röthlich,  bald  gelblich.  Bisweilen  ist  die  Masse 
überhaupt  farblos. 

Schon  dieser  letztere  Umstand  genügt ,  um  uns  zu  überzeugen ,  das  dieses  Kopffutteral  nicht  ein 
Produkt  des  Thieres  selbst  ist,  sondern  eine  Absonderung  der  Rübe.  —  Hinsichtlich  seiner  Entstehung  meint 
Schmidt,  es  sei  nichts  als  überschüssiges  Nahrungsmaterial,  das  von  dem  Weibchen  ausgespieen  worden 
wäre.  Allein  wir  brauchen  gar  nicht  zu  einer  solchen  Hypothese  unsere  Zuflucht  zu  nehmen,  denn  vermuth- 
lich  reicht  der  dauernde  Reiz,  den  der  Stachel  auf  das  umliegende  Pflanzengewebe  ausübt,  vollkommen 
aus,  die  Bildung  des  KopfFutterals  aus  einer  direkten  Saftseki-etion  der  Rübe  herzuleiten. 

Die  subkiystallinische  Schicht'')  endlich  ist  ein  dünner  Ueberzug,  der  die  Körperoberfläche  regellos 
mit  mehr  oder  weniger  gi'osser  Unterbrechung  bedeckt.  Bald  liegt  er  derselben  ziemlich  fest  auf,  bald 
hängt  er  in  Fetzen  lose  an  ihr  herunter.  Untersucht  man  seine  Struktur  näher,  so  ergiebt  sich,  dass 
er  aus  kleinen  oder  grösseren  Schüppchen  oder  Plättchen  zusammengesetzt  ist,  die  bezüglich  ihrer  Be- 
schaÖenheit  eine  auffallende  Aehnlichkeit  mit  der  äusseren  Cuticularbekleidung  des  Thieres  besitzen.  Sie 
sind  glashell  und  tragen  oft  Höckerchen  und  Leistchen.  Schmidt  hält  diese  Schicht  für  ein  Exsudat  des 
Weibchens;  aber  abgesehen  davon,  dass  zur  Bestätigung  dieser  Anschauung  erst  ein  Nachweis  von  drüsigen 
Elementen  des  Integumentes  geliefert  werden  müsste,  ist  es  gar  nicht  nöthig,  zu  solchen  Erklärungsversuchen 
zu  greifen.  Die  Sache  liegt  viel  näher.  Ihrem  ganzen  Aussehen  und  ihi-er  Lage  nach  ist  diese  Schicht 
nämlich  nichts  als  die  alte  Larvenhaut  des  Weibchens,  die  infolge  der  Bewegungslosigkeit  des  letzteren 
nicht  abgesti-eift  werden  konnte  und  nun  so  lange  dem  Körper  anhaftet,  bis  sie  sich  durch  äussere 
mechanische  Einwirkungen  stückweise  loslöst. 


Die  Embryonalentwicklung. 


Der  klare  Einblick,  den  man  bei  vielen  Nematodeneiern  in  diu  ersten  Entwicklungsvorgänge  ge- 
winnt, hat  schon  frühe  die  Forscher  veranlasst,  sich  gerade  ihrer  bei  embryologischen  Untersuchungen  zu 
bedienen,  so  dass  wir  über  diesen  Gegenstand  eine  ziemlich  beträchtliche  Reihe  von  Arbeiten  besitzen. 
Lisbesondere  ist  es  die  Fm-chung  gewesen,  die  von  vornherein  näher  studiert  wurde,  während  wir  über 
die  Organogenie  erst  in  den  letzten  15  Jahren  durch  die  Abhandlungen  von  Bütschli,')  Goette^*)  und 
Hallez^^J  einige  Kunde  erhielten. 

Wie  sich  schon  aus  der  verschiedenartigen  Beschaffenheit  der  Eischale  und  dem  mehr  oder  minder 
grossen  Dotterreichthum  erschliessen  lässt,  eignen  sich  übrigens  nicht  die  Eier  aller  Spezies  zu  derartigen 
Beobachtungen,  und  leider  gehört  auch  das  Ei  von  Heterodera,  trotz  seines  relativ  bedeutenden  Umfanges, 

a)  Taf.  1    Fig.  17.        b)  Taf.  1.  Fig.  9. 


-IX®    32     ©>«- 

zu  den  für  entwicklungsgeschichtliclie  Studien  sehr  wenig  günstigen  Objekten.  Wähi-end  bei  den  meisten 
Nematoden  die  Dotterelemente  sehr  bald  unter  einander  verschmelzen,  und  der  Eiinhalt  sich  dadurch  auf- 
hellt, behalten  erstere  bei  Heterodera  während  des  ganzen  Klüftungsprozesses  luid  der  Anlage  der  Keim- 
blätter ihre  sehr  ansehnliche  Grösse.  Infolge  dieses  Umstandes  wird  man  nicht  nur  verhindert,  die  so 
interessante  Kernmetamorphose  zu  verfolgen,  es  werden  auch  schon  nach  kurzer  Zeit  die  Kontouren  der 
Furchimgszellen  so  undeutlich,  dass  man  sich  über  deren  ferneres  Schicksal  kaum  genügenden  Aufschluss 
verschaffen  kann. 

Meine  Mittheilungen  wären  desshalb  in  diesem  Abschnitte  auf  ganz  spärliche  Daten  beschränkt  ge- 
blieben, wenn  sich  mir  nicht  Gelegenheit  geboten  hätte,  die  Entwicklung  von  Ascaris  nigrovenosa  und 
theihveise  von  Strongylus  paradoxus  zu  verfolgen,  imd  so  durch  Vergleiche  einige  Punkte  in  der  Embryo- 
logie von  Heterodera  festzustellen,  die  mir  früher  bei  der  Ungunst  des  Objektes  entgangen  waren. 

Alle  Eier  von  Heterodera,  mit  Ausnahme  der  wenigen,  die  mit  dem  Gallertpfropfe  entleert  werden, 
durchlaufen  ihre  Entwicklung  innerhalb  des  mütterlichen  Körpers.  Wir  können  demgemäss  imsere  Heterodera 
als  einen  viviparen  Nematoden  bezeichnen ,  denn  auch  die  in  dem  „Sacke"  eingeschlossenen  bleiben  durch 
diesen  normaler  Weise  immer  mit  dem  Slutterleibe  in  Verbindung. 

Nachdem  das  Ei  befruchtet  worden  ist  mid  sich  mit  einer  festen  Schale  umgeben  hat,  nimmt  so- 
gleich, wie  schon  erwähnt,  die  Entwicklung  ihren  Anfang,  so  dass  man  im  ganzen  Verlaufe  des  Uterus 
Eier  in  den  verschiedensten  Stadien  der  Umbildung  antrifft.  Wie  es  den  Anschein  hat,  platzt  der  Uterus 
an  seinem  unteren  Ende  schon  sehr  frühe;  denn  sobald  die  Produktion  der  Eier  sehr  lebhaft  wird,  und  ein 
Theil  seinen  Weg  nach  aussen  genommen  hat,  linden  sich  schon  einzelne  Eier  in  der  Leibeshöhle,  die  au 
Zahl  nun  so  rasch  zunehmen,  dass  sie  die  Eingeweide  durch  ihre  Masse  aus  der  Lage  rücken.  Darm 
und  Muskulatur  degenerieren  schliesslich,  und  das  Thier  stirbt,  wenn  der  Genitalapparat  sich  erschöpft 
hat,  ab,  so  dass  es  mit  seiner  Chitinhülle  nm*  noch  eine  Bx'utkapsel  darstellt,  die  in  ihrem  Innern  eine 
wechselnde  Zahl  von  Eiern  (im  Dui-chschnitt  300 — 350)  birgt.  ■'') 

Wemi  man  die  ausserordentliche  Fertilität  der  meisten  Parasiten  in  Betracht  zieht,  so  muss  bei 
unsei'em  Schmarotzer,  der  so  grosse  Verheerungen  anzurichten  vermag,  die  relativ  geringe  Menge  der 
Eier  auf  den  ersten  Blick  üben-aschen.  Vergegenwärtigt  man  sich  jedoch  die  Lebensweise  der  Heterodera, 
so  findet  diese  Erscheinung  in  den  günstigen  natürlichen  Existehzbedingungeu  leicht  eine  Erklärimg. 
Denn  nicht  nur,  dass  die  mütterliche  Hülle  die  jungen  Keime  vor  allen  Unbilden  schützt  und  dadurch 
die  Wahi'scheinlichkeit ,  dass  die  meisten  ihre  definitive  Ausbildung  erreichen,  eine  grosse  wird;  auch  das 
Leben  der  Larven  wird  kaum  von  bedeutenden  Gefahren  bedroht,  da  die  Wanderung  durch  die  Erde  bei 
der  reichlichen  Menge  von  Nährpflanzen  schon  an  und  für  sich  eine  kurze  ist.  Während  sich  bei  den 
meisten  Parasiten  jene  oft  enorme  Fruchtbarkeit  durch  die  Verminderung  der  Brut,  eine  Folge  der  vielfach 
störenden  Zufälle,  wieder  ausgleicht,  wird  hier  die  geringere  Menge  von  Eiern  durch  die  günstigeren 
Bedingungen  für  das  Fortkommen  kompensiert. 

Im  ausgebildeten  Zustande  hat  das  Ei  von  Heterodera'')  die  Form  einer  Bohne  oder  Niere  Es 
misst  0,08  mm  in  der  Länge   und  0,04  m  der  Breite.     Die  eine  Seite,    die  spätere  Bauchseite  des  Embryo, 


a)  Taf.  2.  Fig.  30.        b)  Taf  2.  Fig.  33. 


— o-c<g)    33    @>o— 

ist  schwach  konkav  nach  innen  gebogen,  die  andere  etwas  konvex  nach  aussen  emporgewölbt.  Die  beiden 
Pole  besitzen  gleiche  Gestalt  und  haben  eine  starke  Rundung.  Stets  lassen  sich  zwei  Eihäute  deutlich 
unterscheiden,  einmal  die  dem  Inhalte  eng  anliegende  Dotterhaut  und  zweitens  die  wesentlich  festere  Schalen- 
haut. Erstere  ist  eine  sehr  dünne  glashelle  Membran,  letztere  ist  etwas  derber,  gelblich  gefärbt,  sonst  aber 
homogen  und  ohne  irgendwelche  Skulptiiren.  Der  Inhalt  selbst  besteht  aus  grossen,  bräunlich-gelben 
Dotterkugeln,  die  so  dicht  zusammengedrängt  sind,  dass  man  die  Umrisse  des  Keimbläschens  nicht  zu 
sehen  vermag. 

Da  das  Ei  im  Mutterleibe  oder  in  dem  anhängenden  Gallertpfropfe  sieh  entwickeU,  ist  seine  geringere 
Widerstandsfähigkeit  gegen  direkte  äussere  Einflüsse  von  vorn  herein  begreiflich.  Setzt  man  das  dem 
mütterlichen  Körper  entnommene  Ei  der  Kälte  aus,  wie  ich  es  gethan,  so  geht  es  ebenso  unfehlbar  zu 
Grunde,  wie  wenn  man  eine  Wärme  von  mehr  als  25«  Gels,  direkt  auf  dasselbe  einwirken  lässt.  Es  stü-bt 
schon  nach  kurzer  Zeit  in  verdünntem  Alkohol  (107o),  m  einem  Gemisch  von  Glycerin  und  Wasser,  in  einer 
3procent.  Salzlösung  oder  in  einer  schwachen  Pikrin-  und  Chromsäurelösung.  Auch  im  Wasser  verliert  es 
sehr  bald  seine  Entwicklungsfähigkeit,  und  ebensowenig  ist  es  im  Stande,  ein  Austi-ocknen  auf  dem  Objekt- 
träger zu  überdauern.  Hinsichtlich  des  Wassers  scheinen  sich  übrigens  die  verschiedenen  Altersstufen  ver- 
schieden zu  verhalten.  Eier,  die  noch  in  Furchuug  begriffen  sind,  gehen  darin  sehr  bald  zu  Grunde, 
solche,  die  dagegen  schon  ältere  Embryonen  einschliessen,  entwickeln  sich  normal,  bis  die  jungen  ^^  ünner 
ausschlüpfen. 

Etwas  mehr  Resistenzfähigkeit  zeigen  die  Eier,  wenn  die  mütterliche  Hülle  sie  noch  umschliesst, 
allein  schon  eine  geringe  Kälte,  höhere  Wärme  und  alle  oben  angeführten  Reagentien  und  noch  andere,  wie 
Kalkwasser,  Alaunlösung,  führen,  wenn  sie  eine  längere  Zeit  direkt  einwirken,  zu  demselben  Resultate,  dem 
Tode.  Unumgänglich  nothwendig  ist  ihnen  eine  bestimmte  Menge  von  Feuchtigkeit  imd  Wärme,  die  sie 
unter  natürlichen  Verhältnissen  auch  kaum  entbehren.  Ein  Austrocknen  vermögen  die  Eier  weder  innerhalb 
noch  ausserhalb   der  Brutkapsel  zu  ertragen. 

Um  zu  meinen  Untersuchungen  die  Eier  möglichst  lange  lebendig  zu  erhalten,  brachte  ich  dieselben 
in  eine  ä/4procent.  Kochsalzlösung,  in  der  die  Entwicklung  völlig  normal  von  Statten  ging. 

Die  ersten  Veränderungen,  die  am  Eie  vor  sich  gehen,  bestehen,  nachdem  die  Dottermasse  sich  von 
der  Schale  etwas  zurückgezogen  hat,  in  eigenthümlichen  amöboiden  Bewegungen  des  Eiinhaltes,  wobei  sich 
bald  hier,  bald  dort,  meist  in  der  Nähe  der  Pole,  kleine  unregelmässige  Erhebungen  zeigen,  welche  die 
anliegende  Dotterhaut  vor  sich  hertreiben.  Sind  diese  Protuberanzen  wieder  verschwvmden,  und  das  währt 
nicht  lange,  dann  begimit  die  Metamorphose  des  Kernes. 

Bei  der  Grobkörnigkeit  und  vollkommenen  Undurchsichtigkeit  des  Dotters  ist  es  mir  aber  trotz 
Anwendung  von  Glycerin  und  Essigsäure  nicht  möglich  gewesen,  diesen  Vorgang  klar  zu  Gesicht  zu  be- 
kommen; doch  ist  es  mir  nicht  zweifelhaft,  dass  der  Vorgang  in  der  gleichen  Weise  ablaufen  wird,  wie  bei 
anderen  Nematoden,  wo  er  so  eingehend  von  Auerbach  und  Bütschli  studiert  wurde. 

Das,  was  ich  bei  Heterodera  hierüber  ermitteln  konnte,  ist  folgendes.    Der  Kern,  der  als  heller  Fleck 

bis  dahin  sichtbar  war,  verschwindet  sehr  bald,  und  statt  seiner  erscheint  ein  schmaler  Sti-eifen,  der  in  der 

Längsachse  des  Eies  hinzieht  und  an  seinen  beiden  Enden  jetzt  gleichfalls  eine  lichtere  Stelle  zum  Vorscheine 

kommen  lässt.    Hat  man  ein  günstiges  Objekt  vor  Augen,  so  bemerkt  man,  dass  sich  dieser  Sti-eifeu  aus  einer 

5 


—c-dctl       34       ©X— 

Anzahl  dünner  plasmatischer  Fäden  zusammensetzt,  die  in  der  Mitte  etw;is  auseinanderweichen,  während 
sie  nach  vorn  und  hinten  konvergieren.  Eine  Verdickung  der  Fäden  im  Aequator  zu  einer  Aequatorialplatte 
nnd  eine  Strahlenligur  an  den  Enden  der  Kernspindel  Hess  sich  der  Undeutlichkeit  der  ganzen  Erscheinung 
wegen  nicht  nachweisen,  obwohl  ich  davon  überzeugt  bin,  dass  sie,  die  nie  fehlen,  und  die  ich  bei  Ascaris 
wie  Strongylus  sehr  hübsch  beobachten  konnte,  auch  hier  vorhanden  sind.  Sehr  klar  sieht  man  aber 
immer  nach  diesem  Prozesse  ein  Richtungskörperchen'')  auftreten.  Dasselbe,  von  ovaler  Gestalt,  liegt  nie 
an  einem  der  beiden  Pole,  sondern  stets  an  der  konkaven  Seite  des  Eies,  da,  wo  nunmehr  sich  die  erste 
Furche  zeigt.  Zu  derselben  Zeit  entsteht  nämlich  an  jener  Stelle  eine  kleine  Grrube,  die,  anfangs  seicht, 
sich  immer  mehr  vertieft,  bis  sie  mit  einer  Einbuchtung  auf  der  entgegengesetzten  Seite  sich  vereinigt  und 
ringförmig  zuletzt  die  gesammte  Dottermasse  in  zwei  Theile  zerfällt.  Die  beiden  so  entstandenen  Furchungs- 
kiigeln  haben  beinahe  stets  dasselbe  Volumen,  oder  weichen  in  ihrer  Grösse  doch  so  unbedeutend  von 
einander  ab,  dass  die  diesbezügliche  Differenz  erst  bei  ganz  genauem  Zusehen  autfällt.'')  Goette'*)  sowohl 
wie  Hallezi5)  haben  neuerdings  die  Behauptung  aufgestellt,  dass  die  beiden  ersten  Furchungs  kugeln  nicht 
nur  quantitativ,  sondern  auch  qualitativ  verschieden  seien,  dass  mit  ihrem  Auftreten  schon  eine  mor- 
phologische Differenzierung  zu  Stande  gekommen  sei,  indem  aus  der  einen,  gewöhnlich  der  grösseren,  sich 
das  Ektoderm,  aus  der  anderen,  meist  der  kleineren,  das  Entoderm  hervorbilde.  Habe  ich  auch  nicht 
häufig  Gelegenheit  gehabt,  der  Segmentation  des  Eies  unserer  Heterodera  soweit  folgen  zu  können,  als  es 
für  die  Beurtheilung  dieses  Punktes  noth wendig  erscheint,  so  vermag  ich  doch  nach  diesen  wenigen  Fällen 
und  mit  Bezugnahme  auf  meine  Beobachtungen  bei  Strongylus  die  Richtigkeit  dieser  Anschauung  zu  be- 
stätigen. Hier  wie  dort  geht  nicht  nur  aus  dem  einen  Theilstücke  das  Ektoderm  und  aus  dem  anderen  das 
Entoderm  hervor,  sondern  beide  stimmen  auch  in  topologischer  Hinsicht  insofern  überein,  als  das  eine  durch 
seine  Lage  das  spätere  Kopfende,  das  andere  das  spätere  Schwanzende  des  Embryo   bezeichnet. 

Weniger  jedoch  vermag  ich  Hallez^^)  beizupflichten,  wenn  er  meint,  die  Furchung  erfolge  bei  allen 
Nematoden,  ja  bei  allen  Thieren,  nach  einer  Schablone,  insofern  ah  die  Furchungskugeln  zu  einander 
immer  ein  imd  dieselbe  Stellung  einnähmen.  Gewiss  leuchtet  es  Jedermann  ein,  dass,  wenn  in  einem 
gegebenen  Räume  eine  fast  gleich  grosse  Masse  allmählich  in  eine  Summe  von  Theilstücken  zerfällt,  imd 
diese  darnach  wieder  in  mehrere  Schichten  sich  gruppieren  sollen,  noth  wendig  eine  Dislokation  derselben 
stattfinden  muss;  dass  aber  dieser  Zerfall  immer  und  überall  in  der  gleichen  Weise  vor  sich  gehen  müsse, 
lässt  sich  ohne  Weiteres  nicht  einsehen.  Würdigt  man  bei  den  Nematoden  die  Begrenzungswände  des 
Eies  einer  Berücksichtigung,  so  kann  man  sich  angesichts  der  daran  zu  beobachtenden  Mannigfaltigkeit  in 
Gestalt,  Grösse  und  Festigkeit  nicht  der  Meinung  entschlagen,  dass  diese  Hüllen,  je  nach  Form  und  Rigidität, 
die  Lagerung  der  Furchungskugeln  zu  beeinflussen  vermöchten.  Und  in  der  That  sprechen  unbefangene 
Beobachtungen  ganz  zu  deren  Gunsten.  Die  Gestalt  der  Eischale  bei  Heterodera  ist  nicht  rund  oder  oval, 
wie  beispielsweise  bei  Ascaris  lumbricoides  und  mystax,  sondern  beträchtlich  in  die  Länge  gestreckt;  dadurch 
ist  der  Raum  seitlich  hier  weit  mehr  beschränkt  als  dort,  und  infolge  dessen  ist  auch  die  Lagerung  der 
Kugeln  nicht  die  gleiche,  wie  bei  jenen  Rundwürmern.  —  Schon  bei  dem  nächsten  Stadium,  das  auf  den 
Zerfall  in  2  Blastomeren  folgt,  bei  der  Dreitheilung'=),  zeigt  sich  dies  ganz  deutlich.    Hallez  behauptet,  dass 


a)  Taf.  2.  Fig.  33.        h)  Taf.  2.  Fig.  34  u.  35.        c)  Taf.  2.  Fig.  36. 


— oc@  35  ©wo- 
nach diesem  \'orgauge  die  drei  Theilstücke  sich  derart  zu  einander  stellten,  das»  eine  T-formige  Figur  zu 
Stande  komme.  Bei  Heterodera  ist  dies  nie  der  Fall;  -immer  sind  die  beiden  Furchungsebenen  senkrecht 
zu  der  Längsachse  des  Eies  gerichtet.  Die  Grösse  der  drei  Kugeln  ist  natürlich,  da  sich  nur  eine  der  zwei 
ursprünglichen  getheilt  hat,  verschieden.  Eine  Orientierungsperiode  findet  auch  nicht  statt;  denn  die 
Lagerung  derselben  bleibt  solange  konstant,  bis  durch  eine  erneute  Einschnürung  eine  Viertheilung  eintritt. 
Li  diesem  Stadium")  kann  die  Stellung  eine  sehr  wechselnde  sein.  Gewöhnlich  läuft  die  dritte  Ebene  dann 
wieder  parallel  mit  den  beiden  anderen,  manchmal  jedoch  kommt  es  vor,  dass  die  mittlere  der  Kugeln  sich 
senki'echt  zu  den  andern  zwei  theilt;  nicht  selten  sogar  rücken  eine  oder  auch  zwei  aus  ihrer  axialen  Lage 
und  schieben  sich  seitlich  über  die  anderen  hinüber.  Alle  diese  Fälle  bestehen  selbstständig  neben  einander, 
ohne  dass  der  eine  die  Folge  des  anderen  wäre,  und  ich  kann,  da  ich  die  Bildung  der  Kugeln  zu  be- 
obachten vermochte,  in  keinem _  der  Bilder  ein  bloses  Stadium  der  Orientierung  erblicken.  —  Wie  sich 
schon  aus  der  mannigfachen  Gruppierung  der  vier  Theilstücke  ergiebt,  geht  die  Variation  in  der  Lagerung 
der  Kugeln  mit  fortschreitender  Klüftung  noch  weiter.  Meist  theilen  sich  jetzt  die  den  Polen  zunächst 
gelegenen  Stücke,  und  zwar  beide  zugleich  oder  die  eine  vor  der  anderen.  Ebenso  begegnet  man  auch 
Eiern,  in  denen  nur  die  eine  der  Polkugeln  und  die  ihr  benachbarte  eine  Klüftung  eingeht,  während  die 
beiden  anderen  noch  eine  Zeitlang  ihre  frühere  Gestalt  und  Grösse  bewahren.  Kurz  es  treten  bei  der 
Sechs-,  Acht-  und  Zehntheilung  so  verschiedene  Stellungen  auf,  dass  es  zu  weit  führen  wlü'de,  alle  Modi- 
fikationen eingehend  zu  schildern.  In  den  beistehenden  Abbildungen'')  habe  ich  einige  solcher  Stadien 
darzustellen  versucht. 

Ist  nun  die  gesammte  Dottermasse  durch  eine  inaequale  Segmentation  in  eine  Reihe  Furchungs- 
baUen  zerfallen,  so  zeigt  es  sich,  dass  die  gegen  die  konvexe  Schalenseite  hin  gelagerten  an  Zahl  die  der 
konkaven  Seite  zugekehrten  wesentlich  überwiegen.  Erstere,  Derivate  der  primären  Ektodermkugel,  sind 
infolge  ihrer  lebhafteren  Proliferation  bedeutend  kleiner  geworden,  während  letztere,  Abkömmlinge  der  er.sten 
Entodermkugel ,  sich  langsamer  theilten  und  dadurch  einen  beträchtlicheren  Umfang  bewahrten.  In  ihrer 
Beschaffenheit  gleichen  sich  nocli  alle  vollkommen;  noch  immer  ist  der  Reichthum  an  Dotterpartikeln  überall 
so  gross,  und  das  zwischen  diesen  eingeschlossene  Protoplasma  so  spärlich,  dass  durch  die  noch  weiter- 
schreitende Theilung  der  Inhalt  des  Eies  immer  dunkler  und  die  Contouren  der  Segmente  undeutlicher  wei'den. 

Unterwirft  man  ein  solches  Ei,  das  seine  Klüftung  nahezu  vollendet  hat,  einer  Betrachtung  bei  auf- 
fallendem Lichte,  so  gewahrt  man,  wie  die  grösseren  Blastomeren  nach  und  nach  in  dem  Maasse  verschwinden, 
als  die  kleineren  sich  über  dieselben  von  der  dorsalen  Seite  aus  ausbreiten.  Wie  bei  Ascaris  nigrovenosa 
und  Sti'ongylus  paradoxus  sind  es  auch  hier ,  bei  Heterodera ,  zuerst  die  gegen  das  spätere  Kopfende  ge- 
legenen ektodermalen  Kugeln,  welche  sich  gegen  den  Bauch  hin  umschlagen,  und  erst  diesen  folgen  von 
den  Seiten  und  dem  entgegengesetzten  Pole  her  die  anderen  nach.  Der  ganze  Vorgang  der  Umhüllung 
verläuft  in  der  Regel  so  rasch,  dass  es  schwer  hält,  die  V^erwachsung  der  die  Ektodermkappe  begrenzenden 
Ränder  auf  der  Bauchfläche  zu  beobachten.  Soweit  ich  diesen  Prozess  verfolgen  konnte,  beginnt  derselbe 
am  hinteren  Ende  des  Keimes  und  rückt  von  da  in  der  ventralen  Medianlinie  nach  vorn  vor,  wo  zuletzt 
eine    Lücke    zurückbleibt,    die,    anfangs   keilförmig    und    ziemlich    gross,    nachher    zu   einer  kleinen,  rund- 


a)  Taf.  2.  Fig.  37—40.        b)  Taf.  ±  Fig.  41—50. 


— !X<§)      36      ©xj— 

liehen  Oeffniing  sich  verengt.  Dass  es  übrigens  wirklich  der  aborale  Pol  ist,  an  dem  der  Verschluss  der 
äusseren  Schicht  zuerst  stattfindet,  beweisen  jene  durch  eine  stärkere  Hervorwölbung  charakterisierten 
Zellen,  die  Groette**)  bereits  bei  Ascaris  nigrovenosa  beschrieb  und,  ohne  ihnen  mit  Recht  eine  besondere 
morphologische  Bedeutung  zu  vindicieren,  „Schwanzzellen"  benannte.")  Allerdings  zeigen  sich,  wie  ich  mich 
ziu'  Genüge  überzeugen  konnte,  auch  an  dem  Vorderende  ähnliche  Gebilde,  allein  ihre  Prominenz  ist  keine 
so  beträchtliche  wie  dort,  und  ausserdem  sind  sie  nie  wie  jene  in  der  Mehrzahl,  sondern  stets  nur  zu 
zweien  vorhanden. 

Das  Stadium,  welches  der  Embryo  nach  solchen  Umformungen  präsentiert,  ist  nichts  anderes, 
als  eine  epibolische  Gastrula  oder,  wie  wir  sie  als  solche  besser  bezeichnen  können,  eine  SteiTogastrula. 
Jener  rundliche  Spalt  bildet  den  Ueberrest  des  Prostoma,  das  ursprünglich,  wenn  auch  niu-  ganz  vorüber- 
gehend, sich  über  die  gesammte  ventrale  Fläche  ausdehnte.'') 

Deutlicher  als  früher  lassen  sich  jetzt  auch  die  beiden  Keimblätter  erkennen.  Denn  nicht  niu-,  dass 
die  Elemente  der  äusseren  und  der  inneren  Lage  ihrem  Volumen  nach  wesentlich  verschieden  sind,  und  in 
den  Ektodermzellen  das  Protoplasma  über  die  Dottertheilchen  mehr  und  mehr  prävaliert,  auch  die  Art 
ihrer  Zusammentiigung  trägt  bestimmte  Unterschiede  zur  Schau.  Während  die  Ektodermzellen  eine  poly- 
gonale Form  angenommen  haben  und  somit  bereits  einen  epithelialen  Charakter  aufweisen,  ist  der  grössere 
Theil  der  Entodermzellen  in  zwei  Reihen  angeordnet  und  zeigt  eine  bedeutende  Streckung  nach  derjenigen 
Richtung,  die  parallel  mit  der  Längsachse  des  Keimes  verläuft.  Eine  Ausnahme  hiervon  machen  in 
Bezug  auf  Aussehen  und  Lage  ein  Paar  Zellen,  die  am  Hinterende  des  Entoderms  zwischen  dieses  und  die 
Aussenschicht  sich  drängen,  indem  sie  dadurch  zugleich  die  ausserordentlich  schmale  Leiheshöhle  an  jener 
Stelle  etwas  erweitern.  Ursprünglich  in  derselben  Ebene  gelegen,  wie  die  übrigen  Entodei'melemente,  haben 
sie  sich  bald,  schon  während  des  ektodermalen  Umwachsungsprozesses,  von  diesen  losgelöst  und  somit 
frühe  eine  gewisse  Selbstständigkeit  erlangt.  Sie  stellen  die  Urmesoblasten")  dar,  die  bestimmt  sind,  die 
mittlere  Keimlage  zu  liefern.  Goette  war  der  erste,  der  dieselben  bei  Nematoden  nachwies,  doch  sind  sie 
bei  anderen  Thiergruppen  bereits  bekannt  gewesen.  Neuere  Untersuchungen  haben  dargethan,  dass  dieselben 
überhaupt  eine  weite  Verbreitung  besitzen.  Von  Bedeutung  und  Interesse  scheint  es,  wie  das  von  anderen 
Forschern  schon  hervorgehoben  wurde,  dass  sie  von  vornherein  eine  seitlich-symmetrische  Stellung  ein- 
halten, die  schon  frühe  eine  Orientierung  über  die  Körperebenen  gestattet.  Ueberall,  wo  sie  auftreten, 
haben  sie  eine  relativ  gleiche  Lagerung;  immer  lässt  sich  zwischen  ihnen  die  Medianebene  hindurch  legen, 
die  den  Embryo  in  zwei  spiegelbildlich  adäquate  Hälften  spaltet. 

Sobald  mit  der  Anlage  der  Keimblätter  die  Bedhigiuigen  für  die  Ausbildung  der  einzelnen  Organ- 
systeme gegeben  sind,  geht  deren  Differenzierung  sehr  rasch  vor  sich.  Das  Prostom, '^)  das  wir  noch  am 
Ende  der  Gastrulaperiode  als  eme  kleine  spaltartige  Oeffnung  beobachteten,  schliesst  sich  schon  nach 
kurzer  Zeit  durch  Zusammenrücken  seiner  Ränder.  Gleich  danach  kommt  es  am  vorderen  Theile  des 
plumpen,  walzenförmigen  Embryo  zur  Bildung  des  Mundes.  Der  Ort,  wo  dieser  in  Gestalt  eines  flachen 
Grübchens  erscheint,  fällt  mit  der  Verschlussstelle  des  Prostoms  fast  völlig  zusammen.  Die  Ektodermzellen 
stülpen    sich    hier   ein,    indem   sie   diejenigen   ihrer  Elemente   die   das  Prostom  zuletzt  begrenzten,  vor  sich 


a)  Taf.  2.  Fig.  53.        b)  Taf.  2.  Fig.  51.        c)  Taf.  2.  Fig.  53.        d)  Taf.  2.  Fig.  52.  u.  Taf.  2.  Fig.  51. 


herschieben;  sie  wuchern  gegen  die  grösseren,  gelben,  durchsichtigen  Entodermzellen  und  erzeugen  so  einen 
Theil  des  Stomadaeum ,  die  beiden  vorderen  Abschnitte  des  Oesophagus.  Auch  an  dem  Hinterende,  das 
bereits  durch  eine  stärkere  Rundung  sich  vor  dem  Kopfende  auszeichnet,  und  die  charaiiteristischen  Schwanz- 
zellen nicht  mehr  erkennen  lässt,  zeigt  sich  eine  kleine,  wenig  tiefgehende  Invagination ,  die  zur  Bildung 
des  Afters  und  des  Rectum  oder  Proctodaeum  führt.  Die  beiden  ersten  Abschnitte  des  Schlundrohres  und 
der  Mastdarm  sind  also  bei  Heterodera,  und  ebenso  bei  Strongylus,  Derivate  des  Ektoderms,  wie  ich  in 
Uebereinstimmung  mit  Natanson  ^^)  und  Ganin  i*)  gegen  Goette  betonen  möchte,  während  der  letzte  Oeso- 
phagealabschnitt  und  der  Mitteldarm  dem  Entoderme  entspringen. 

Die  Leibeshöhle,  die  vorher  kaum  sichtbar  war,  und  nur  da,  wo  die  Mesoblasten  sich  einlagerten, 
als  ein  feiner  Spalt  wahrzunehmen  war,  erhält  nun  gleichfalls,  in  dem  Grade,  wie  die  mittlere  Keimschicht 
sich  ausbreitet ,  ein  beträchtlicheres  Lumen.  Zu  dieser  Zeit  vermag  man  nämlich ,  weniger  deutlich  bei 
Heterodera,  sehr  klar  dagegen  bei  Strongylus,  zwei  einreihige  Streifen*)  zu  ei-kennen,  die  von  den  beiden 
Mesoblasten  ausgehen  und  sich  dicht  an  das  Entoderm  anschmiegen.  Ihre  Elemente  haben  eine  grob- 
körnige Beschaffenheit,  sind  dunkel  und  anfangs  nur  in  geringer  Zahl  (meist  zu  6  oder  7  auf  beiden  Seiten) 
nachzuweisen. 

Die  Art  und  Weise,  in  welcher  diese  Streifen  bei  den  Nematoden  aufti-eten,  imd  ihre  Lagerung  zu 
den  beiden  primären  Blättern  hat  eine  grosse  Aehnlichkeit  mit  den  Verhältnissen,  die  wir  bei  einigen  Anne- 
liden nach  den  Untersuchimgen  von  Kowalevski,  Hatschek  u.  A.  kennen  lernten.  Wie  dort,  nehmen  dieselben 
hier  ihren  Ursprung  von  zwei  Zellen,  die  sich  bald  von  der  mittleren  Keimschicht  abspalten,  um  dann  in  der- 
selben Gruppierung  von  hinten  gegen  den  Mundpol  vorzurücken.  Allein  gemäss  dem  wesentlich  verschiedenen, 
metameren  Baue  der  Gliederwürmer,  ist  das  weitere  Schicksal  des  Mesoderms  ein  anderes,  als  bei  den 
Nematoden.  Es  liegt  mir  desshalb  auch  fern,  mit  diesem  Hinweise  mehr  als  eine  gewisse  Uebereinstimmung 
in  dem  ersten  Entstehen  der  Streifen  hervorheben  zu  wollen,  zumal  die  gleiche  Erscheinung  auch  bei  ganz 
fernstehenden  Thierklassen  und  Ordnungen  nachweisbar  ist. 

Mit  der  Anlage  des  Mesoderms  in  Form  zweier  Stränge ,  des  Darmes ,  dessen  Zellen  sich  durch 
Quertheilung  wesentlich  vermehrt  haben,  und  der  aus  dem  Ektodermüberzuge  bestehenden  äusseren  Körper- 
wand, vertauscht  der  Embryo  nun  seine  plumpe  Form  allmählich  mit  einer  mehr  schlanken,  cylin- 
drischen  Gestalt.  Er  wächst  zusehends,  infolge  der  Proliferation  des  Ektodenus  und  einer  gleichzeitigen 
Streckung  der  Entodermzellen,  in  die  Länge.  Da  aber  die  Eischale  ihm  einen  Widerstand  entgegensetzt, 
wird  er  gezwungen,  sich  zusammenzuknicken.  Die  Biegung  erfolgt  immer  nach  der  Bauchfläche,  indem 
das  Schwanzende  sich  gegen  die  Ventralseite  umschlägt,  während  das  noch  keulenförmige  Kopfende  seine 
Lage  an  dem  einen  Pole  beibehält.  Je  weiter  die  Längsdehnung  fortschreitet,  um  so  zahlreicher  werden 
die  Krümmungen,  bis  endlich  der  junge  Wurm,  nach  Abschluss  seiner  Wachsthumsperiode,  in  drei  oder  vier 
Windungen  aufgerollt  in  seiner  Hülle  liegt.'')  Die  Stellung,  die  diese  Schlingen  zu  einander  und  zur 
Eischale  einehmen,  ist  ziemlich  konstant.  Trotz  der  unterdessen  eingetretenen  regen  Beweglichkeit,  wobei 
sich  Kopf  und  Schwanz  wechselnd  bald  nach  oben,  bald  nach  unten  verschieben,  laufen  die  Windungen 
meist  mit  der  Längsachse  des  Eies  parallel. 


a)  Taf.  2.  Fig.  54.        b)  Taf.  2.  Fig.  55. 


-«@    38    @«- 

Hand  in  Hand  mit  diesen  allgemeinen  Wachsthumsvorgängen  geht  die  Sonderung  im  Innern 
immer  weiter.  Wenn  die  verschiedenen  Abschnitte  des  Darmes  unter  sich  in  Verbindung  getreten  sind, 
verschwmden  auch  die  Mesodermstreifen,  indem  sie  durch  Vermehrung  und  Verschmelzung  ihrer  Elemente 
einer  dicken  Zellenmasse  Platz  machen,  welche  schliesslich  die  ganze  Bauchfläche  zwischen  der  äusseren  und 
inneren  Schicht  einnimmt,  und  von  da  auf  beiden  Seiten  gegen  den  Rücken  vorrückt.  Nach  Analogie  der 
entsprechenden  Verhältnisse  bei  anderen  Thierklassen  könnte  man  mit  einigem  Rechte  der  Vermuthuug  Raum 
geben,  dass  sich  dieselbe  in  die  gesammte  Muskulatur  umbilde.  Da  jedoch  der  junge  Wurm  bereits  mehr 
oder  minder  kräftige  Bewegungen  zeigt,  wenn  die  Mesodermstreifen  erst  aus  wenigen  Zellen  bestehen,  so 
scheint  die  Annahme  einer  Betheiliginig  auch  des  Ektoderms  am  Aufbau  des  Muskelapparates  nicht  ausge- 
schlossen, schon  desshalb  nicht,  weil  wir  noch  jüngst  durch  Kleinenberg's  Untersuchungen  über  Lepado- 
rhynchus  erfahren  haben,  dass  bei  diesem  Anneliden,  aller  herkömmlichen  Anschauung  zuwider,  das  äussere 
Blatt  au  der  Bildung  der  Muskulatur  einen  sehr  wesentlichen  Antheil  nimmt.  Den  strikten  Beweis  freilich 
kann  ich  ebensowenig  dafür  beibringen,  wie  Goette,  wenn  dieser  die  Lokomotionsfähigkeit  auf  amöboide 
Bewegungen  des  primitiven  Ektoderms  zurückzuführen  sucht. 

Die  einzelnen  Elemente  der  Mittelschicht  entziehen  sich  mit  deren  grösserer  Entfaltimg  fortan 
einer  weiteren  Beobachtung.  Dagegen  erscheinen  jetzt  zwei  eigenthümliche  Gebilde  schärfer  und  deutlicher, 
die  nahe  der  Mitte  der  Bauchwand  zwischen  Ekto-  und  Entoderm  sich  finden.  Es  erinnern  diese  Köi-per 
an  ähnliche  Zellen,  die  Ganin^^)  bei  Peloderes  und  Goette^*)  bei  Ascaris  nigrovenosa  ei'wähnen.  Wie  dort 
haben  sie  bei  Heterodera  und  auch  bei  Strongylus  eine  symmetrische  Lage,  und  ebenso  besitzen  sie  einen 
hellen  granulierten  Inhalt.  Anfangs  blieb  mir  das  Wesen  derselben  verborgen,  doch  hat  mich  später  ihre 
Genese  wie  ihr  ferneres  Schicksal  belehrt,  dass  wir  es  in  ihnen  mit  den  Geschlechtszellen  zu  thun  haben. 
Betrachtet  man  die  Mesodermstreifen  kurz  nach  ihrem  Erscheinen  mit  einiger  Sorgfalt,  so  bemerkt  man, 
dass  gewöhnlich  auf  beiden  Seiten  eine  ihrer  Zellen,  meist  die  dritte  oder  vierte  von  den  Mesoblasten  aus, 
durch  Rundung  und  Grösse  vor  den  anderen  sich  auszeichnet.  Diese  beiden  Gebilde  scheiden  sehr  bald 
aus  dem  Verbände  der  Stränge  aus,  und  kommen  dann  an  die  oben  bezeichnete  Stelle  zu  liegen,  ohne  dass 
sie  zunächst  eine  weitere  Veränderung  erleiden.  Nach  und  nach  aber  rücken  sie  näher  an  einander. 
Nicht  lange  darauf  trift't  man  daselbst  einen  ovalen  Körper,  der  in  seinem  hellen  Protoplasma  zwei  deutliche 
Kerne  einschliesst.  ■■")  Sowohl  nach  seiner  Lage,  die  mit  derjenigen  der  Genitalanlage  des  fertigen  Thieres 
vollkommen  identisch  ist,  wie  im  Hinblick  auf  den  Umstand,  dass  ich  auch  in  den  jüngsten  Stadien  der 
letztern   dieselbe  Kernzahl  vorfand,   wird  die  Richtigkeit  meiner  Deutung  kaum  bezweifelt  werden  können. 

Die  mittlei'e  Keimschicht  ist  also,  wie  wir  sehen,  als  sekundäres  Blatt  nicht  nur  ihrer  Entstehung 
nach  die  letzte,  sondern  auch  diejenige,  die  sich  am  spätesten  und  am  langsamsten  diflerenziert.  Hat  sich 
aber  auch  an  ihr  einmal  die  Sonderung  der  lu-sprünglichen  Bestandtheile  bis  zu  einem  gewissen  Grade 
vollzogen,  dann  beruhen  die  Vorgänge,  die  sich  weiter  noch  am  Embryo  abspielen,  hauptsächlich  in  der 
histogenetischen  Ausbildung  seiner  Organe. 

Was  zunächst  den  Darmti-aktus  anbelangt,  so  grenzt  dieser  sich  nunmehr  schärfer  ab.  Ealls  die 
in  der  Leibeshöhle  in  Menge  vertheilten  dunkeln  Körnchen  es  erlaul)oii,  lassen  sich  bei  unserer  Heterodera 


a.)  Taf.  2.  Fi» 


-o«g)    39    @«=- 

die  drei  Abtheilungen  des  Oesophagus  sehr  gut  unterscheiden.  ]\Iau  gewahrt  dann  deutlich ,  duss  das 
Oesophagealrohr  keinen  geraden  Verlauf  mehr  hat,  sondern  einen  geschlängelten,  und  erblickt  in  seinem 
Innern  den  korkzieherartig  gewundenen,  dreikantigen  Chitinkanal.  Am  Vorderende  tritt  bald  darauf  der 
charakteristische  Stachel  auf.  Anfangs  bildet  derselbe  eine  blose  Verdickung  des  Chitinrohres,  allmählich 
aber  trennt  er  sich  von  diesem  ab,  indem  er  sich  an  seiner  Basis  kugelig  verdickt.  Diese  Anschwellung 
spaltet  sich  dann  wieder  in  drei  Knöpfe,  die  hakenförmig  nach  oben,  wie  die  Arme  eines  Ankers,  gebogen 
sind.  Der  zweite  Abschnitt  des  Oesophagus  nimmt  mit  dem  ersten  zugleich  seine  bleibende  Gestalt  an; 
er  erweist  sich  als  ein  kugeliger  Bulbus  mit  centralem  Zahnapparate  und  radiärgestellten  Muskeln.  In  der 
dritten  Abtheilung  erscheinen  nach  vind  nach  in  der  körneligen  Masse  die  grossen  Kerne,  während  die 
Zellwände,  wie  im  Vordertheile,  zu  Grunde  gehen.  Der  eigentliche  Darm  verändert  sich  im  Verlaufe  der 
Entwicklung  sehr  wenig.  Seine  Zellen  werden  kleiner,  behalten  aber  ihre  Farbe  und  Gestalt  bei.  Wie  das 
gesammte  Verdauungsrohr,  umgiebt  sich  derselbe  aussen  mit  einer  hellen,  chitinigen  Membran.  Auch  der 
Mastdarm  bewahrt  im  Ganzen  seine  Form;  er  bekleidet  sich  mit  einer  Chitinhaut  und  wird  wesentlich 
enger,  wobei  sich  seine  Epithelelemente  so  sehr  verkleinern,  dass  man  sie  nicht  mehr  nachweisen  kann. 

Mittlerweile  hat  auch  die  Ektodermlage  eine  glatte  elastische  Cuticula  um  den  immer  schlanker 
werdenden  Wurm  abgeschieden.  Man  sieht  dieselbe  schon  dann,  wenn  die  Schwanzspitze  sich  eben  erst  um- 
geknickt hat,  als  eine  äusserst  feine,  homogene  und  sehr  nachgiebige  Hülle  der  Körperwand  anliegen. 
Nach  und  nach  nimmt  sie  an  Festigkeit  zu.  Nachdem  die  Differenzen  im  Körperdurchmesser  sich  ausge- 
glichen haben,  tritt  nicht  nur  ihre  Querringelung  deutlich  hervor,  sondern  es  erscheinen  an  den  beiden  Seiten 
auch  die  breiten  Lateralfelder.  Das  Hinterende  verändert  sich  zu  einem  konischen ,  ziemlich  spitzen 
Schwänze,  während  am  Vorderende,  das  seine  keulenförmige  Gestalt  verloren  hat,  durch  Einfaltung  der 
Cuticula  eine  Kuppe ,  die  Kopfkappe  mit  der  in  der  Mitte  gelegenen  Mundöffnung ,  zu  Stande  kommt, 
Durch  die  pellucide  Leibeshöhle  kann  man  sich  jetzt  auch  leicht  von  der  Anwesenheit  eines  Exkretions- 
gefässes  mit  dem  Porus  excretorius  auf  der  Medianlinie  des  Bauches  überzeugen.  Ebenso  bemerkt  man 
bei  einiger  Aufmerksamkeit  den  Schlundring  dicht  hinter  dem  Bulbus  des  Oesophagus.  Ueber  die  Ent- 
stehung des  ersteren  Gebildes  hat>e  ich  mir  leider  keinen  Aufschluss  verschaffen  können;  das  letztere 
dagegen  scheint  aus  einer  ektodermalen  Wucherung  hervorzugehen,  die  sich  kurz  nach  der  Invagination 
der  äusseren  Schicht  in  Form  eines  ringförmigen  breiten  Wulstes  um  das  vordere  Darnirohr  herumschlingt. 
Was  schliesslich  die  Genitalanlage  betrifft,  so  habe  ich  mich  über  deren  Zustandekommen  schon  aus- 
gesprochen; ich  will  hier  nur  noch  einmal  bemerken,  dass  sie  eine  ovale  Protoplasmamasse  dai'stellt,  die 
dem  Tractus  intestinalis  auf  der  ventralen  Seite  aufliegt  und  im  Profile  eine  flache  Wölbung  gegen  die 
Körperwand  hin  zeigt.  Sie  besitzt  anfänglich  zwei  Kerne  und  ist  von  einer  dünnen,  aber  deutlich  sichtbaren 
Membran  umschlossen. 

Nachdem  der  Embryo  auf  diese  Weise  seine  volle  Ausbildung  erlangt  hat  und  mit  allen  Organen 
ausgerüstet  ist,  die  ihn  zu  einem  selbständigen  Leben  befähigen,  wirft  er  zunächst  noch,  wie  das  auch  bei 
anderen  Arten  beobachtet  ist,  die  alte  Cuticula  ab,  die  oft  am  Kopfe  und  Schwänze  wie  ein  Futteral  hervor- 
ragt. Sind  Feuchtigkeit  und  Wärme,  die  Hauptbedingungen  für  sein  Fortkommen,  vorhanden,  so  sprengt 
er  unter  lebhaften,  schlängelnden  Bewegungen  die  Eischale  imd  gelangt  darauf  in  das  Innere  der  Mutter, 
die    während    seines  Entstehens   bereits  über  ihm   abgestorben   ist  und   ihn  jetzt   nur  noch   als   Schutzhülle 


-»^    40    ©XI- 

umgiebt.  Hier  verharrt  der  junge  Wurm  nur  kiu-ze  Zeit;  er  schlüpft  sehr  bald  durch  die  Vulva  aus  und 
macht  dann  als  echter  Schmarotzer  innerhalb  der  Wurzel  eine  zweite  Entwicklungsphase  durch,  vermöge 
deren  er  sich  von  der  geschlechtslosen  Larve  zum  Geschlechtsthiere  umwandelt. 


Die  postembryonale  Entwicklung. 


Die  postembryonale  Entwicklung  unserer  Heterodera  geschieht,  wie  die  der  meisten  Nematoden, 
vermittelst  einer  Metamorphose.  Allein  während  dieser  Bildungsprozess  gewöhnlich  in  ziemlich  einfacher 
Weise  verläuft,  indem  die  geschlechtslosen  Formen  unter  mehr  oder  minder  zahlreichen  Häutungen  direkt 
in  die  geschlechtlichen  Individuen  übergeführt  werden,  gestaltet  sich  hier  die  Metamorphose  wesentlich 
komplizierter.  Denn  nicht  nur,  dass  wir  aus  den  freilebenden  beweglichen  Larven  eine  weitere  sessile  und 
parasitäre  Form  hervorgehen  sehen,  auch  die  Art  und  Weise,  wie  sich  aus  dieser  letzteren  die  Geschlechts- 
thiere hervorbilden,  ist  eine  so  eigenthümliche,  dass  wii-  uns  vergeblich  nach  einem  Analogen  bei  den  übi-igen 
Rundwürmern  umschauen.  Wie  die  nachfolgende  Darstellung  zeigt,  entwickelt  sich  das  Weibchen  unserer 
Heterodera  niemals  über  die  zweite  Jugendform  hinaus.  Es  behält  deren  Charaktere  in  Bau  und  Lebens- 
weise bei,  und  kann  demgeuiäss  als  ein  Geschöpf  aufgefasst  werden,  das  bereits  auf  einer  larvalen  Stufe 
zui-  Geschlechtsreife  gelangt  und  sich  fortpflanzt.  Beim  Männchen  vollzieht  sich  die  Metamorphose  anders 
und  weniger  einfach.  Hier  folgt  auf  die  zweite  Larve  noch  em  der  Insektenpuppe  vergleichbares  Ruhe- 
stadium, und  erst  daraus  entsteht  das  agile,  schlanke  Geschlechtsthier. 

Die  ei'ste  freilebende  Larvenform,  ■'')  der  wir  uns  zunächst  zuwenden,  stellt  ein  kleines,  ca.  0,36  mm. 
langes  und  0,16  mm.  dickes  Würmchen  dar,  das  die  gewöhnliche  cylindrische  Nematodengestalt  besitzt. 
Sein  hinteres  Ende  läuft  in  eine  ziemlich  lange,  hinten  etwas  abgerundete,  kegelförmige  Schwanzspitze  aus; 
dem  Vorderende  hingegen  sitzt  die  Kopfkappe  auf,  die  in  ihrem  Baue  mit  derjenigen  des  Männchens  völlig 
übereinstimmt.  Die  Cuticula  ist  schön  geringelt  und  zeigt  zwei  breite  Lateralfelder,  deren  linkes  das  ein- 
fache Exkretionsorgan  aufnimmt.  Durch  die  weite  Leibeshöhle,  die  jedoch  die  Schwanzspitze  nicht  erreicht, 
sondern  bereits  in  einer  Entfernung  von  etwa  0,04  mm.  davor  endet,  zieht  gestreckt  der  Darmtraktus  mit 
seinen  drei  Abschnitten,  dem  Oesophagus,  dem  eigentlichen  Darme  und  dem  Rectum.  An  seinem  Anfange 
trägt  derselbe  einen  Stachel,")  der  hier,  bei  der  Larve,  gemäss  seiner  Aufgabe  eine  sehr  bedeutende  Aus- 
bildung erfahren  hat.  Er  hat  durchschnittbch  eine  Grösse  von  0,023  mm.,  ist  hohl,  verjüngt  sich  nach  vom 
und  verdickt  sich  an  seiner  Basis  zu  drei  deutlichen  knopftormigen  Anschwellungen,  die  durch  ihre  haken- 
artigen Krümmungen  nach  oben  von  den  entsprechenden  Gebilden  am  Stachel  des  Männchens  und  Weibchens 
deutlich  verschieden  sind.  In  seinem  morphologischen,  wie  histologischen  Verhalten  zeigt  der  Digestions- 
apparat sonst  keine  wesentlichen  Differenzen  von  dem  des  männlichen  Geschlechtsthiei-es.  Nur  mag  hier 
hervorgehoben    werden ,    dass    das    innere    Chitinrohr    des    ersten    Oesophagealtheiles    noch    mehr    als    beim 


a)  Taf.  1.  Fig.  18.        b)  Taf.  1.  Fig.  20. 


— <x®    41     @«^ 

Männchen  spiralig  aufgewunden  erscheint,  und  der  Darm,  wie  bei  anderen  kleinen  Nematoden,  aus  zwei 
Reihen  Zellen  zusammengesetzt  ist,  die  durch  das  in  ihnen  angehäufte  Dottermaterial  ein  glänzendes,  gelbes 
Aussehen  haben.  Meist  ist  auch  die  Leibeshöhle  mit  runden,  bräunlichen  Körnchen  erfüllt,  so  dass  oft 
durch  diese  Trübung  die  Analyse  der  inneren  Organisation  erschwert  wird.  Besonders  anselmUch  ist 
dieser  Körnerreichthum,  wenn  die  Larve  eben  erst  die  EihüUe  verlassen  hat;  später  dagegen  verlieren  sich 
die  Körnchen  mehr  nnd  mehr.  —  Was  die  Muskulatur  anbelangt,  so  bestehen  deren  Elemente,  wie  später, 
aus  spindelförmigen  Zellen  mit  Mark-  und  kontraktiler  Substanz,  die  in  vier  Feldern  sich  anordnen,  und  zu 
fünf  in  je  einem  solchen  Felde  auftreten.  Der  deutliche  Schlundring  liegt  in  Form  eines  gleichmässig  breiten 
Bandes  direkt  hinter  dem  Bulbus.  Den  Porus  excretorius  trifft  man  in  der  Mittellinie  des  Bauches 
imgefähr  in  der  Höhe  des  hinteren  Oesophagealendes.  Ebenso  findet  sich  auch  die  Genitalanlage  auf  der 
ventralen  Seite  des  Darmes  etwas  hinter  der  Körpermitte.  Sie  hat,  wie  schon  früher  bemerkt,  eine  ovale 
Gestalt  imd  erweist  sich  als  eine  Protoplasmamasse  mit  ursprünglich  zwei  Kernen,  die  sich  sehr  bald  zu 
einer  grösseren  Anzahl  vermehren. 

Die  Larve  hat  somit  eine  grosse  Uebereinstimmung  mit  dem  ausgebildeten  Männchen,  wie  denn 
überhaupt  bei  den  dimorphen  Nematoden  das  letztere  gewöhnlich  die  Charaktere  der  geschlechtslosen  Form 
weit  mehr  bewahrt,  als  das  Weibchen.  Nehmen  wir  von  dem  Genitalapparate  Abstand,  so  bestehen  die 
Unterschiede  hauptsächlich  in  der  Grösse,  der  Form  des  Schwanzes  luid  der  Gestalt  des  Stachels. 

Die  Zeit,  in  der  unser  so  organisiertes  "\\'ürmchen  der  mütterlichen  Brutkapsel  entschlüpft,  hängt 
nicht  allein,  wie  selbstverständlich,  von  der  Ausbildung  desselben  ab,  sondern  auch  von  äusseren  Um- 
ständen. Wärme  und  Feuchtigkeit  scheinen  die  Hauptfaktoren  für  sein  Wanderleben  zu  sein.  Erst  wenn 
diese  Bedingungen  erfüllt  sind,  verlässt  es  die  schützende  Hülle  und  windet  sich  unter  schlängehaden  Be- 
wegmigen,  beständig  den  Stachel  vor-  und  rückwärts  stossend,  diu-ch  die  Erde,  um  eine  geeignete  Nährpflanze 
zur  Weiterentwicklung  aufzusuchen.  —  Bei  dem  hohen  Interesse,  welches  man  schon  seit  langer  Zeit 
den  Existenzbedingungen  der  Anguilluliden  geschenkt  hat,  insbesondere  auch  der  Fähigkeit  einzelner  Arten, 
nach  dem  Austrocknen  wieder  aufzuleben  —  eine  Erscheinung,  die  zuerst  von  Baker  1775  bei  Tylenchus 
ti-itici  entdeckt  wurde,  und  die  Davainei^)  später  einer  eingehenden  Untersuchung  unterwarf  —  hielt  ich  es 
für  angemessen,  auch  den  Rübennematoden  auf  diese  merkwürdige  Eigenschaft  zu  prüfen. 

Unsere  Heterod«ra  ist  im  Gegensatz  zu  vielen  kleinen  Rundwürmern,  die  an  Pflanzen  schmarotzen, 
ein  echter  Wurzelparasit,  der  nur  ganz  kurze  Zeit  bei  seiner  Wanderung  in  der  Erde  verweilt,  also  nie 
direkt  dem  wechselnden  Feuchtigkeitsgehalte  der  Atmosphäre  ausgesetzt  ist,  vielmehr  gewöhnlich  in 
einem  Medium  lebt,  dem  eine  gewisse  Wassermenge  zukommt.  Wohl  schon  daraus  lässt  sich  a  priori 
erschliessen,  dass,  wenn  dieselbe  überhaupt  dem  Mangel  an  Feuchtigkeit  zu  trotzen  vermag,  diese  Fähigkeit 
bei  ihr  an  weit  engere  Grenzen  gebunden  sein  wird ,  als  bei  ihren  Verwandten.  Und  die  Versuche 
scheinen  das  zu  bestätigen. 

In  der  "N'oraussetzung,  dass  die  Anwendung  einfacher  Mittel  mir  schon  genügende  Aufklärung  über 
diesen  Punkt  zu  geben  vermöchte,  stand  ich  von  der  Benutzung  einer  Luftpumpe  ab,  zumal  sehr  ein- 
gehende derartige  Untersuchungen  eine  längere  Zeit  erfordern,  als  die  war,  über  welche  ich  verfügen  konnte. 
Wie  Pouchet  bereits  bei  früheren  anderweitigen  Experimenten,  bediente  ich  mich  zimächst  bei  meinen 
Versuchen  eines  einfachen  Objektträgers.     Auf  diesen  brachte  ich  das  sich  lebhaft  schlängelnde  Würmchen 

6 


— xig;    42    (5)x:— 

mit  einem  Tropfen  Wasser  und  Hess  die  Flüssigkeit  nun  langsam  so  weit  verdunsten  ,  bis  auch  mit  dem 
Mikroskope  schliesslich  keine  Spur  davon  mejir  nachzuweisen  war.  Würmchen,  denen  solcherart  die  Feuch- 
tigkeit auf  längere  Dauer  entzogen  wurde,  gelangten  nie  mehr  zum  Leben  zurück.  Bald  stark  gekrümmt, 
bald  lang  gestreckt  lagen  sie  regungslos  da;  die  Haut  war  gefaltet,  an  Stelle  der  Darmzellen  war  eine 
stark  lichtbrechende,  fettähnliche  Substanz  getreten.  Dabei  zeigten  die  Thiere  infolge  der  allgemeinen 
Schrumpfung  eine  solche  Brüchigkeit,  dass  es  nur  eines  gelinden  Druckes  bedurfte,  um  sie  in  eine  Anzahl 
Fragmente  zei-fallen  zu  sehen.  Um  den  etwaigen  Einfluss  der  Zeitdauer  zu  kontrollieren,  bewahrte  ich 
solche  Präparate  drei  Wochen,  selbst  einen  Monat  auf;  ich  imtersuchte  sie  nach  6,  4,  2  und  1  Stunde;  immer 
konnte  ich  nichts,  als  den  Tod  der  betreffenden  Würmer  konstatieren.  Nur  wenn  ich  nach  kürzerer  Frist 
das  verdampfte  Wasser  durch  neues  ersetzte,  kehrte  Beweglichkeit  und  Leben  allmählich  wieder  zurück. 
Einige  weitere  Experimente,  in  deren  Verlauf  ich  die  Larven  theils  in  Uhrschälchen  mit  Erde  setzte, 
theils  in  kleine  Cylindergläser  brachte ,  die  eine  Erdschicht  von  verschiedener  Höhe  enthielten ,  ergaben, 
sobald  die  Erde  nach  Wochen  oder  Tagen  eine  solche  Trockenheit  erlangt  hatte,  dass  sie  in  pulverigen 
Staub  zerfiel,  dasselbe  negative  Resultat. 

Ich  vermag  demnach,  diesen  Beobachtungen  zufolge,  für  Heterodera  die  Fähigkeit,  nach  einem 
längeren  Austrocknen  wieder  aufzuleben,  nicht  zu  bestätigen;  vielmehr  erblicke  ich  in  unseren  Würmern 
Anguilluliden ,  für  die  nicht  nur  ein  bestimmter  Wassergehalt  der  Umgebung  nothwendig  ist,  sondern  bei 
denen  das  Minimum  des  Feuchtigkeitsbedürfnisses  sogar  ziemlich  hoch  gelegen  ist.*) 

Ebensowenig  wie  der  Feuchtigkeit,  können  die  Larven  der  Wärme  entbehren;  natürlich  darf  dabei 
eine  gewisse  Grenze  nach  oben  und  unten  nicht  überschritten  werden. 

In  meinen  Zuchttöpfen  fanden  sich  immer  junge,  lebenskräftige  Würmer  in  Menge,  obwohl  die- 
selben meist  einer  ziemlich  beträchtlichen  Insolation  ausgesetzt  waren.  Auch  directe  Versuche  bewiesen  mir, 
dass  die  Würmchen  ohne  irgendwelchen  Schaden  unter  der  Einwirkung  einer  Temperatur  von  15 — 20"  Geis. 
fortzuleben  vermögen,  während  eine  Wärme  von  35°  Gels.,  ganz  wie  jeder  Kältegrad,  dieselben  tödtet. 
Gegen  verschiedene  Reagentien,  deren  Einfluss  auf  sie  ich  zu  ermitteln  suchte,  verhielten  sie  sich  gleichfalls 
sehr  wenig  resistent.  Mineralsäuren,  wie  verdünnte  Schwefel-  und  Salzsäure  (1:100)  brachten  ihnen  den  Tod, 
nicht  minder  schwache  Pikrinsäure-,  Essigsäure-  und  Chromsäurelösungen,  Lösungen  von  Kalk  und  Alaun 
und  Gemische  von  Glycerin.  Am  besten  ertrugen  sie  reines  Wasser.  Ich  hielt  sie  darin  über  5  Wochen 
lebendig,  ohne  dass  sich  ihre  Zahl  wesentlich  vermindert  hätte,  wenn  auch  ihr  Wachsthum  aus  Mangel  einer 
anderweitigen  Nahrungsquelle  als  der  früher  angehäuften  Reservestoffe,  keinen  Fortschritt  machte.  In 
gleicher  Weise  gediehen  sie  in  1,  2  und  selbst  SVo  Kochsalzlösung  gut;  in  b"!»  dagegen  starben  sie  bereits 
nach  2  Tagen  ab. 


*)  Es  wäre  gewiss  eine  ebenso  dankbare,  wie  interessante  Arbeit,  die  Untersuchungen  über  das  Desiccationsvermögen 
einzelner  Tbiere  (Nematoden,  Tardigraden  und  Rotatorien)  von  neuem  und  auf  breiterer  Basis,  als  es  bisher  geschehen  ist, 
zu  wiederholen.  Bei  der  grossen  Rolle,  welche  das  Wasser  im  Haushalt  der  Organismen  spielt,  ist  es  wohl  selbstverständlich, 
dass  ein  absolutes  Austrocknen  ebenso  tödtlich  ist,  wie  ein  totales  Einfrieren.  Es  kann  sich  desshalb  natürlich  nur  um  eine 
periodische  Trockenstarre  handeln,  in  Correspondenz  mit  den  ähnlichen  Erscheinungen  des  Winter-  und  Sommerschlafes.  Bis  jetzt 
ist  es  noch  nicht  versucht  worden,  unter  Berücksichtigung  aller  Nebenumstände,  die  Grenzen  der  unumgänglich  nothwendigen 
Feuchtigkeitsmenge  sowohl  für  die  verschiedenen  Arten,  wie  für  die  verschiedenen  Altersstufen  der  Individuen  genau  festzustellen 
und  etwa  vermittelst  eines  Curvensystems  anschaulich  zu  machen. 


-o«S)    43    @>o- 

Wie  sich  hieraus  ergiebt,  besitzt  also  die  Larve  von  Heterodera  eine  weit  geringere  A\'iderstandski-aft, 
als  z.  B.  das  Weizenälchen,  welches  Davaine  in  dieser  Hinsicht  sehr  eingehend  untersuchte.  Dieser  Umstand 
hat  jedoch  nichts  auffallendes,  wenn  man  die  verschiedene  Lebensweise  beider  Würmer  vergleicht.  Anguillula 
tritici  schmarotzt  nicht  wie  Heterodera  unterirdisch,  sondern  bewohnt  bekanntlich  die  Aehren  des  Weizens. 
Zwar  bieten  die  Aehrenhülsen  ihm  sicherlich  einen  wesentlichen  Schutz  vor  mancherlei  Unbilden,  aber 
gerade  dieser  Aufenthaltsort  bedingt  eben  auch  wieder  eine  grössere  Abhängigkeit  von  der  Nährpflanze. 
Er  setzt  eine  höhere  Accomodationsfahigkeit  an  die  Periodicität  des  Pflanzenlebens  voraus,  und  diese  besitzt 
das  Aeichen  in  seinem  beträchtlichen  Desiccationsvermögen. 

Ich  selbst  habe  bei  meinen  Versuclien  hinsichtlich  des  liübennematoden  vor  allem  den  direkten 
Einfluss  der  oben  erwähnten  Reagentien  vor  Augen  gehabt,  und  ich  betone  das,  um  einer  etwa  irrigen 
Meinimg  diesbezüglich  vorzubeugen.  Wenn  ich  mich  gegen  die  Fähigkeit  eines  längeren  Austrocknens 
aussprach,  so  habe  ich  nicht  damit  gesagt,  dass  jedwede  Verminderung  des  Feuchtigkeitsgrades  den  Tod 
der  Würmer  herbeiführen  müsse.  In  der  Natur  liegen  ja  auch  die  Verhältnisse  anders,  als  bei  unserem 
Experiment.  Hier  kommt  es  nie  zu  einer  so  hochgradigen  Wasserentziehung,  wie  wir  sie  künstlich  erzeugten. 
Stets  von  einer  beträchtlich  hohen  Erdschicht  bedeckt,  sind  die  jungen  Larven  dem  Wechsel  von  Feuchtigkeit 
und  Wärme  weniger  ausgesetzt.  Sie  finden  dort  ein  doppeltes  Schutzmittel  in  der  mütterlichen  Chitin- 
kapsel, die  sie  bis  zum  günstigsten  Zeitpunkt  für  die  W^auderung  birgt,  und  in  der  sie  umhüllenden  Erde 
selbst.  Beide  sind  im  Stande  die  unmittelbaren  Einwirkungen  mancher  Schädlichkeiten  zu  verhindern,  so 
dass  es  uns  auch  nicht  W^under  zu  nehmen  braucht,  wenn  selbst  starker  Frost  und  grosse  Hitze  die 
Thiere  wenig  oder  gar  nicht  berühren. 

Doch  verfolgen  wir  noch  diesem  Exkiu's ,  den  wir  zur  Eruirung  der  allgemeinen  Lebenseigen- 
schaften unternahmen,  das  fernere  Schicksal  miserer  Larve! 

Wenn  dieselbe  kürzere  oder  längere  Zeit  in  der  Erde  sich  aufgehalten  hat,  wobei  sie  ihre  Nahrungs- 
bedürfnisse theils  von  dem  aus  dem  Eie  mitgebrachten  Dottermaterial,  theils  von  der  aufgenommenen 
körnigen,  zähen  Innenmasse  des  Mutterthieres  bestritt,  wandert  sie  endlich  in  die  Nährpflanze  ein.  Meist 
ist  es  die  ZuclvCiTübe ,  die  unser  Wm-m  wählt,  wie  aber  Kühn''')  nachgewiesen  hat,  giebt  es  noch 
eine  sehr  grosse  Menge  anderer  Pflanzen ,  die  mit  mehr  oder  mmder  grosser  Vorliebe  gleichfalls  heim- 
gesucht werden.  Sobald  eine  geeignete  Seitenwurzel  gefunden  ist  —  gewöhnlich  werden  Wurzeln  von 
1  mm.  Dm-chmesser,  seltener  solche  von  geringerer  Dimension  dazu  benutzt  —  bringt  die  Larve  durch  die 
unausgesetzten  Stossbewegungen  des  Stachels  die  derbe  Epidermis  der  Pflanze  zum  Reissen,  und  nimmt 
dann  ihren  Weg  fast  stets  in  tangentialer  Richtung  diu'ch  das  saftige,  grosszelUge  Parenchym.  Das  centrale 
Leitbündel,  das  die  Rübeiiwurzel  der  Länge  nach  durchzieht,  bleibt  dabei  immer  intakt,  nur  mit  der  Grössen- 
zunahnie  des  Thieres  wird  es  aus  seiner  normalen  Lage  etwas  auf  die  Seite  gedrängt.  Meist  geschieht 
der  Angriff  in  Masse,  so  dass  die  Wurzelfasern  oft  wie  gespickt  mit  eindringenden  Larven  erscheinen.") 
Sind  letztere  nach  kurzem  Wandern  dicht  unter  der  Rinde  zur  Ruhe  gelangt,  so  machen  sich  schon  nach 
kurzer  Zeit  sehr  wesentliche  Veränderungen  geltend,  die  mit  einer  zweiten  Häutung  anheben.    Die  alte  Chitin- 


a)  Taf.  2.  Fig.  32. 

6* 


—'X®        44       @x;— 

hülle    wird    abgestreift"),    und    der  Wurm    verliert    seine  schlanke  Gestallt;    er    schwillt  zu  einem  plumpen 
Gebilde  an,  das  keinerlei  Bewegungen  mehr  zu  erkennen  giebt. 

Im  Allgemeinen  hat  diese  zweite  Larvenform'')  das  Aussehen  einer  Flasche  mit  abgerundetem 
Boden  und  einem  halsartig  verjüngten  Vordertheile.  Der  Durchmesser  des  Flaschenkörpers  ist  bis  gegen 
das  Hinterende  beinahe  überall  derselbe,  doch  hält  letzterer  nicht  immer  einen  geraden  Verlauf  ein,  sondern 
biegt  sich  bald  nach  links,  bald  nach  rechts;  nicht  selten  findet  sich  sogar  gegen  die  Mitte  eine  starke  Ein- 
knickung").  Häufig  sieht  man  auch  dem  Hintertheile  die  alte  Larvenhaut  noch  anhaften,  so  dass  es  zuweilen 
den  Anschein  hat,  als  ob  derselbe  spitz  zulaufe.  —  Mit  dem  äusseren  Habitus  ist  auch  die  Organisation 
in  manchen  Stücken  eine  andere  geworden.  Die  Kopfkappe  ist  geschwunden  und  an  ihre  Stelle  ist  ein 
kleiner  Chitinwulst  getreten,  der  die  Mundöffnung  ringförmig  umgiebt.  Die  Cuticula  hat  mit  der  Turgescenz 
ihre  Querringelung  verloren  und  diese  mit  einer  zarten  Längsstreifung  vertauscht.  Von  den  breiten  Lateral- 
feldern ist  keine  Spur  mehr  sichtbar.  Auch  am  Darmtraktus  haben  sich  einige  Umbildungen  vollzogen. 
Der  alte  Stachel  ist  zunächst  durch  einen  neuen  ersetzt  worden,  der  an  Stärke  und  Grösse  hinter  dem 
früheren  zurücksteht ,  und  sich  weiter  auch  durch  den  Besitz  von  kugeligen ,  nicht  mehr  hakenförmig 
gekrümmten  Verdickungen  an  der  Basis  au.szeichnet.  Der  Oesophagus  hat  seinen  Bau  im  wesentlichen 
beibehalten,  dagegen  ist  der  Darm  zu  einem  weiten  Sack  geworden,  der  auf  seiner  Wandung  nunmehr  an 
Stelle  der  grossen  glänzenden  Zellen,  kleinere  körnchenreiche  Zellen  von  polyedi-ischer  Gestalt  trägt.  Die 
Chitinbekleidung  des  Mastdarmes  hat  sich,  wie  der  vordere  Theil  des  Exkretionsgefässes ,  gleichfalls 
erneuert.  Der  After  ist  endständig  geworden ,  und  der  Poi'us  excretorius  hat  die  Gestalt  eines  Trichters 
angenommen.  Die  Muskeln  lassen  sich  auf  der  Innenseite  noch  allenthalben  nachweisen ,  aber  bei  der 
Sessilität  hat  ihre  Funktion  vollkommen  aufgehört. 

Nach  und  nach  bauscht  sich  der  Larvenkörper  unter  der  reichlichen  Nahrungsaufnahme  immer 
stärker  auf,  sodass  die  Epidermis  der  Wurzel  durch  den  wachsenden  Druck  allmählich  nach  aussen  vor- 
gewölbt wird,  und  das  Thier  als  eine  Art  Cyste  umhüllt.  ■*)  Als  Galle  lässt  sich  diese  Bildung  wohl  kaum 
auffassen ,  da  es  niemals  an  derselben  zu  einer  Gewebswucherung  kommt ,  sondern  immer  nur  zu  einer 
starken  Spannung  der  Zellenmembranen. 

Bis  zu  dieser  Zeit  gleichen  sich  alle  Individuen,  sowohl  in  ihrer  äusseren  Gestalt,  wie  in  ihrer 
Organisation.  Die  Genitalanlage  hat  freilich  inzwischen  eine  merkliche  Ausdehnung  erfahren;  sie  hat,  wie 
die  Larve,  an  Länge  und  Breite  zugenommen,  aber  eine  wesentliche  Umformung  ist  nicht  eingetreten.  Erst 
wenn  die  Anschwellung  ein  bestimmtes  Maximum  erreicht  hat,  beginnen  sich  bei  beiden  Geschlechtern  Unter- 
schiede nach  aussen  und  innen  geltend  zu  machen  Während  bei  einem  Theile  der  Würmer  —  denjenigen, 
die  sich  zu  Männchen  umwandeln  —  das  Wachsthum  sistiert,  schreitet  bei  den  anderen  die  Turgescenz 
weiter  fort.  Bei  diesen  letzteren,  welche  sich  sehr  bald  durch  das  Auftreten  einer  Vulva  als  Weibchen  zu 
erkennen  geben,  geht  die  gestreckt  bauchige  Form  jetzt  rasch  in  eine  kugelige  über.  Dabei  setzt  sich 
das  halsförmige  Vorderende  gegen  den  übrigen  Körper  ziemlich  schai'f  ab,  indem  es  sich  zugleich  nach 
dem  konvexeren  Rücken  hinkrümmt.  Die  Vulva")  stellt  anfangs  einen  kleinen,  halbmondartigen  Spalt  dar, 
der    sich    auf   der   ventralen   Seite    ganz    in    der  NäJie    des  Afters    findet.     Mit    der  Grössenzunahmc    rückt 


a)  Taf.  1.  Fig.  19.        b)  Taf.  1.  Fig.  21.        c)  Taf.  1.  Fig.  -22.        d)  Taf.  2.  Fig.  28.        e)  Taf.  1.  Fig.  17. 


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dieselbe  jedoch  immer  mehr  an  das  Hintereade,  wo  sie  nach  und  nach  bedeutend  sich  aufwulstet  und 
zapfenförmig  vorspringt.  Der  After  ist  dieser  Dislocierung  gefolgt  und  liegt  schliesslich  auf  dem  Rücken. 
Hand  in  Hand  damit  nimmt  die  Genitalanlage  auch  ihre  definitive  Gestalt  an.  Sie  streckt  sich  in  die 
Länge  imd  spaltet  sich  in  ihrem  oberen  Theile  durch  eine  tiefe  Einsenkung  in  zwei  Zipfel,  die,  zuerst  gerade 
gesti-eckt,  in  kiu'zer  Zeit  zu  vielfach  gewundenen  Genitalschläuchen  auswachsen.  Ursprünglich  besteht  der 
Inhalt  dieser  Zipfel  aus  einer  Anzahl  Kerne,  die  von  einem  hellen  Protoplasma  umschlossen  werden.  Mit  der 
Längsdehnung  indessen  tritt  bald  eine  Differenzierung  dieser  Elemente  ein,  und  nicht  lange,  so  lassen  sich 
die  drei  Abschnitte,  das  Ovarium,  der  Eileiter  und  der  Uterus,  histologisch  deutlich  von  einander  unter- 
scheiden, während  der  mit  der  Vulva  in  Verbindung  stehende  unpaai-e  Theil  jetzt  als  Vagina  die  Communi- 
kation  des  Geschlechtsapparates  mit  der  Aussenwelt  herstellt.  Auch  die  anderen  Organe  haben  theilweise  ein 
verändertes  Aussehen  erhalten  und  ihre  definitive  Form  erlangt.  So  hat  sich  die  dünne  Cuticula  wesentlich 
verdickt  und  auf  ihrer  Oberfläche  mit  querziehenden  bald  hohen,  bald  niedi-igen  Höckerchen  versehen,  die 
regellos  in  einander  übergehen.  Gewöhnlich  ist  dieselbe  noch  mit  der  alten  Haut  bedeckt,  die  in  Fetzen 
an  ihr  herabhängt  und  nichts  anderes  rej)räsentiert,  als  die  Schmidt'sche  subkrystallinische  Schicht.  Der 
Darm  hat  sich  gleichfalls  in  Uebereinstimmiuig  mit  der  kugeligen  Form  des  Körpers  zu  einem  gewaltigen 
Sacke  erweitert  und  mit  Nährmaterial  derartig  prall  gefüllt,  dass  er  das  Lumen  der  Leibeshöhle  fast  gänzlich 
in  Anspruch  nimmt.  Die  übrigen  Organe,  der  Stachel,  der  Oesophagealtheil  des  Darmtraktus,  das  Exkre- 
tionsgefäss,  sind  von  diesen  Veränderimgen  nicht  berührt  worden;  nur  hinsichtlich  der  Muskeln  sei  bemerkt, 
dass  dieselben  bei  dem  Mangel  jeglicher  Lokomotion  degenerieren  und  schliesslich  völlig  zu  Grunde  gehen. 

Bei  der  ausserordentlichen  Turgescenz  des  weiblichen  Thieres  platzt  nun  auch  sehr  bald  die  Wurzel- 
epidermis,  die  obwohl  derb  und  elastisch,  doch  dem  starken  Drucke  auf  die  Dauer  nicht  widerstehen  kann. 
Das  Weibchen  tritt  dann  mit  seinem  Hinterende  aus  der  Wurzel  heraus ,  während  der  Kopftheil  noch  in 
dem  Parenchym  eingesenkt  bleibt.")  In  dieser  Lage  wird  an  demselben  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  der 
Befruchtungsakt  vollzogen,  den  zu  beobachten  mir  leider  nie  geglückt  ist. 

Später,  wenn  die  gesammten  Organe  zerfallen  sind,  und  das  Innere  nur  noch  Eier  und  Larven  birgt, 
fällt  das  zu  einer  bräunlichen,  pelluciden  Brutkapsel  gewordene  Mutterthier '' )  von  der  Wurzel  ab,  um  in 
der  Erde  die  Nachkommenschaft  noch  eine  Zeit  lang  zu  schützen. 

Nicht  selten  kommt  es  übrigens  gar  nicht  zu  einem  eigentlichen  Entoparasitismus,  besonders  dann 
nicht,  wenn  die  angegriffenen  Würzelchen  einen  sehr  geringen  Umfang  besitzen.  Die  Thierchen  dringen  in 
einem  solchen  Falle  nur  mit  dem  Kopftheile  ein  imd  machen  ihi-e  Umwandlung  ausserhalb  als  Ektoparasiten") 
durch.  Die  schädlichen  Einwirkungen  auf  die  Pflanzen  bleiben,  was  kaum  erwähnt  zu  werden  braucht, 
natürlich  dieselben. 

Dass  die  Einwanderung  nicht  immer  eine  nothwendige  Bedingung  für  die  Entwicklung  der  Larven 
ist,  glaube  ich  daraus  schliessen  zu  dürfen,  dass  es  mir  gelungen  ist,  Larven,  die  ich  in  ein  Gefäss  mit 
humusreicher  Erde  ohne  Pflanzen  brachte,  gleichfalls  in  ihre  späteren  Stadien  überzuführen;  ich  fand  in 
solchen  Zuchtapparaten  sowohl  Weibchen  von  völlig  kugeliger  Gestalt,  wie  Männchen,  die,  fast  fertig  aus- 
gebildet, in  der  flaschenartigen  zweiten  Larvenhülle  eingeschlossen  lagen. 


Taf.  2.  Fig.  29.        b)  Taf.  2.  Fig.  30.        c)  Taf.  2.  Fig.  32. 


—^c@    46    ©>«- 

Während  die  weiblichen  Thiere  nun,  wie  wir  sahen,  unter  dauernder  Vergrösserung  ihres  Vohimens 
und  ohne  je  die  Nahrungsaufnahme  zu  unterbrechen,  durch  eine  einfache  Häutung  aus  der  bewegungslosen, 
zweiten  Larve  dkekt  in  die  Geschlechtsform  übergehen,  verläuft  der  Bildungsprozess  beim  Männchen 
wesentlich  anders.  Zu  einer  bestimmten  Zeit  sistiert  hier  nämlich  nicht  blos  das  Wachsthum  der  Larve, 
sondern  auch  die  weitere  Zufuhr  von  Nahrimgsmaterial.  Anstatt  dass  aber  jetzt,  wie  man  nach  der  Ent- 
wicklung des  Weibchens  vermuthon  könmite,  die  alte  Hülle  abgestossen  wird,  zieht  sich  der  durch  fettartige 
Kugeln  stark  getrübte  Inhalt  von  der  Chitinwand  zurück,  nachdem  er  sich  selbst  mit  einer  neuen  dünnen 
und  sehr  nachgiebigen  Membran  umgeben  hat. ")  Anfangs  besitzt  dieses  im  Innern  liegende  Grebilde  noch 
eine  plumpe  Keulenform,  gar  bald  indessen  nimmt  die  Länge  desselben  auf  Kosten  der  Breite  zu,  und  die 
ganze  Masse  formt  sich  in  kurzer  Zeit  zu  einem  ziemlich  schlanken  cylindrischen  Wurme  von  allenthall^en 
gleichem  Körperdiirchmesser.  *>)  Mit  diesem  Wachsthume  hat  auch  die  Verdunkelung  durch  die  zahlreichen 
Kügelchen  nachgelassen,  so  dass  man  im  Stande  ist,  den  Bau  unseres  Thieres  unschwer  zu  überbUcken  vnid 
die  Neubildungen  zu  verfolgen. 

Zunächst  bemerken  wir,  dass  die  Cuticula  dicker  geworden  ist  und  ihre  glatte  Beschaffenheit  ver- 
loren hat,  indem  sich  nach  und  nach  eine  deutliche  Querringehmg  ausprägte.  Gleichzeitig  bemerkt  man 
das  Auftreten  der  beiden  Seitenfelder.  An  dem  Vorderende  bildet  sich  durch  eine  ringförmige  Einschnürung 
die  Kopfkappe,  und  an  dem  Hinterende  trennt  eine  seichte  Furche  die  Schwanzpartie  von  dem  übrigen 
Körper.  Was  den  Darmti'aktus  anbelangt,  so  hat  sich  der  vordere  Abschnitt  desselben  kaum  verändert,  nm- 
der  Stachel  ist  durch  einen  neuen,  kräftigeren  ersetzt  worden.  Derselbe  stellt  auch  hier,  wie  ich  schon  bei 
der  Larve  hervorgehoben  habe,  anfangs  eine  blose  Verdickung  des  inneren  Oesophagealrohres  dar.  Seine 
Wandungen  werden  allmählich  fester,  und  an  seiner  Basis  erscheinen  dann  die  drei  charakteristischen  Knöpfe. 
Der  eigentliche  Darmabschnitt  hat  mit  der  Längenausdehnung  sein  sackartiges  Aussehen  mit  einer  schlanken 
Cylinderform  vertauscht.  Natürlich  haben  sich  damit  auch  die  Zellen  seines  Epithels  auf  eine  geringere  Zahl 
reduciert.  Mastdarm  und  der  vordere  Theil  des  Exkretionsgefässes  sind  wie  der  Stachel  eine  Häutung 
eingegangen. 

Die  wesentlichste  Umbildung  hat  aber  der  Geschlechtsapparat  erfahren.  Die  vu'sprüngliche  Genital- 
anlage, die  sich  in  nichts  von  der  des  Weibchens  unterschied,  ist  unter  lebhafter  Vermelu'ung  der  Kei'ne, 
gleich  dem  Darme,  zu  einer  schlanken  Röhre  ausgewachsen,  die  oben  blind  endet  und  unten  sich  mit  dem 
Mastdarme  vereinigt,  wo  in  Form  zweier  anfänglich  glaslieller  Chitinlamellen  '^)  die  beiden  Spicula  sichtbar 
"werden.  Der  Inhalt  der  Genitalröhre  differenziert  sich  sehr  rasch.  Im  oberen  Abschnitte  unterscheidet  man 
rundliche,  gekernte  Protoplasmaballen,  während  weiter  unten  sich  helle,  kugelige  Gebilde  finden,  die  bereits 
ausgebildeten  Spermatozoon. 

Je  distinkter  nun  aber  die  Gestalt  imseres  Wm-mes  geworden,  und  je  weiter  die  Ausbildung  seiner 
Organe  fortgeschritten  ist,  umsomehr  hat  auch  seine  Längenausdehnung  zugenommen.  Anfangs  hält  der 
Wm-m  innerhalb  der  alten  Larvenhaut  —  demr  als  solche  müssen  wir  die  äussere  Hülle  deuten  —  noch 
eine  völlig  gestreckte  Lage  ein,  allein  sehr  bald  beginnt  er  sich  unter  lebhaften  Conti-aktioneu  seiner  Mus- 
kulatur   zu    schlängeln;    er    krümmt    sein  Schwanzende    um"*)    und  biegt  sich,  bis  er  schliesslich  in  3  oder 


a)  Taf.  1.  Fig.  23.        b)  Taf.  1.  Fig.  24.        c)  Taf.  1.  Fig.  24  u.  25.        d)  Taf.  1.  Fig.  25. 


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4  Schlingen,  die  unter  den  lebhaften  Bewegungen  eine  sehr  wechselnde  Stellung  zu  einander  einnehmen, 
gleich  dem  Embryo  im  Ei,  in  seiner  Hülle  aufgerollt  liegt.'') 

Dieses  Stadium  des  jMännchens  trifft  man,  wie  das  des  Weibchens,  im  Innern  der  Wurzel.'')  Allein 
während  das  Weibchen  durch  seine  Turgescenz  die  Epidermis  zerreisst,  bleibt  liier  die  cystenartige,  weit 
flachere  Erhebung  immer  intakt  und  kommt  nie  infolge  eines  Druckes  von  Seiten  der  Puppenhülle  zum 
Platzen.  Erst  wenn  das  fertige  Männchen  seine  neue  geringelte  Haut  abgestossen  und  darauf  die  schützende 
Larvenhülle  an  der  Spitze  gesprengt  hat,  wird  die  Epidermis  der  Wurzel  von  ihm  durch  die  stetigen 
Bewegungen  des  Stachels  durchbohrt.  Das  freigewordene  Thier  gelangt  dann  in  die  Erde  und  nimmt 
seinen  Weg  zum  Weibchen,  um  dasselbe  zu  befruchten.  Ist  dieser  Akt  vollzogen,  so  geht  es  sehr  bald  zu 
Grunde.  Dass  man  seine  Ueberreste  nicht  selten  später  an  oder  in  dem  sogen.  Eiersacke  findet,  ist  schon 
oben  erwähnt  worden.  Schmidt,  der  zuerst  ein  ausgebildetes  Männchen  in  der  alten  Larvenhaut  beobachtete, 
ohne  seinen  Bildungsprozess  zu  kennen,  glaubte  in  dieser  Hülle  ein  Aequivalent  der  bei  vielen  Nematoden 
vorkommenden  Cystenbildung  vor  sich  zu  haben.  Nach  unserer  Darstellung  bedarf  es  kaum  einer  eingehen- 
deren Zurückweisung  dieser  irrthümlichen  Ansicht.  Was  Leuckart  schon  annahm,  konnten  Müller*)  und 
ich  nur  bestätigen. 

Die  Dauer  der  Umwandlung  des  Männchens  beträgt  gewöhnlich  (unter  günstigen  Bedingungen) 
0 — G  Tage,  manchmal  auch  nur  4  Tage.  Die  ganze  Entwicklung  vom  Eie  bis  zu  den  geschlechtsreifen 
Thieren  verläuft,  soweit  ich  feststellen  konnte,  meist  in  4 — 5  Wochen,  so  dass,  da  dieselbe  bereits  im  Früh- 
jahre anhebt,  im  Zeiträume  eines  Jahres  eine  ganze  Reihe  von  Generationen  (6—7)  auf  einander  folgen. 
Während  der  Fortpflanzungsperiode  ist  das  numerische  Verhältniss  von  Mann  und  Weib  dasselbe;  man 
trifft  dann  beide  in  gleicher  Zahl.  Später  dagegen  finden  sich  die  Männchen  nur  noch  vereinzelt,  da  sie 
nach  dem  Begattungsgeschäfte,  wie  gesagt,  bald  absterben,  —  ein  Umstand,  der  er  es  auch  erklärlich  macht, 
dass  bei  vielen  kleinen  Nematoden  letztere  noch  unbekannt  geblieben  sind. 

Die  Nachkommenschaft,  welche  ein  einziges  Pärchen  innerhalb  eines  Jaln-es  hervorzubringen  ver- 
mag, ist,  wie  eine  einfache  Berechnung  lehrt,  eine  ganz  ausserordentlich  grosse.  Nimmt  man  an,  dass 
von  einem  Weibchen  durchschnittlich  300  Embryonen  erzeugt  werden,  und  dass  letztere  sich  zur  Hälfte 
^vieder  zu  weiblichen  Thieren  entwickeln,  so  resultiert  nach  .^  Generationen  eine  Descendenz  von  151 
Milliarden  Individuen,  nach  6  Generationen  eine  solche  von  22781  Milliarden.  Allerdings  ist  hierbei  der 
den  natürlichen  Verhältnissen  kaum  entsprechende,  günstigste  Fall  vorausgesetzt:  dass  alle  Individuen  zur 
Geschlechtsreife  gelangen  und  sich  fortj^flanzen.  Aber  selbst  wenn,  theils  schon  während  des  Embryonal- 
lebens, theils  später,  soviele  Individuen  zu  Grunde  gingen,  dass  die  von  einem  Pärchen  nach  6  Generationen 
abstanmiende  Nachkommenschaft  nur  die  Hälfte  der  oben  angegebenen  Zahl  beti-üge,  so  würde  diese  Ziffer 
die  so  grosse  imd  rasche  Verbreitung,-  des  gefährlichen  Parasiten  zu  illusti'ieren. 


a)  Taf.  1.  Fig.  26.        b)  Tat".  2.  Fig.  27. 

*)  Wenn  Müller  Leuckart's  Beobachtungen  an  Trichosoma  crassicauda  als  unrichtig  hinzustellen  und  den  hier  von  dem- 
selben nachgewiesenen  Parasitismus  der  Männchen  im  Uterus  des  Weibchens  auf  ein  bloses  Häutungsphänomen  zurückzuführen 
sucht,  so  fehlt  ihm  für  diese  Behauptung  jedwede  Begründung.  Ganz  abgesehen  davon,  dass  Linstow  und  Bütschli  die  Befunde 
Leuckart's  bestätigten,  hätte  schon  ein  Einblick  in  des  Letztern  Parasitenwerk  (Bd.  IL  p.  462)  genügt,  um  jeden  Zweifel  an  der 
Richtigkeit  der  Beobachtung  zu  beseitigen. 


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Werfen  wir  nun  zum  fSchluss  noch  einmal  einen  Rückblick  auf  die  Lebensgeschiclite  unserer 
Heterodera,  so  steht  es  wohl  ausser  Zweifel,  dass  wir  es  hier  mit  einer  Metamorphose  zu  thun  haben,  und 
zwar  mit  einer  solchen,  die  weit  komplizierter  als  sonst,  auch  für  einen  Nematoden  einen  ganz  ausser- 
gewöhnlichen  Charakter  trägt.  Beim  Weibchen  lassen  sich  hierbei  nach  unseren  Beobachtungen  zwei, 
beim  Männchen  drei  Stadien  unterscheiden. 

Auf  die  erste  Larve,  die  äusserlich  noch  ganz  den  Habitus  eines  Nematoden  besitzt,  beweglich  ist 
und  frei  in  der  Erde  lebt,  folgt  eine  zweite  sexuell  gleichfalls  noch  indifferente,  sessile  imd  parasitäre 
Jugendform  von  abweichendem  plumpen  Aussehen.  Die  weiblichen  Geschlechtsthiere  entwickeln  sich  nie 
über  diese  letztere  hinaus.  Sie  bleiben,  indem  sie  alle  die  Eigenthümlichkeiten  derselben  bewahren,  zeitlebens 
auf  einer  larvalen  Stufe  stehen.  Beim  Männchen  hingegen  schiebt  sich  hinter  die  zweite  Larve  noch 
ein  Ruhestadium  ein,  aus  welchem,  unter  theilweiser  Neubildung  der  Organe  und  Weiterentwicklung  der 
Genitalanlage,  die  bewegliche  geschlechtliche  Form  hervorgeht. 

Wenn  wir  auch  durch  Leuckart's  ^^)  neueste  Untersuchungen  über  Allantonema,  Sphaerularia  und 
Atractonema  wissen,  dass  dem  Nematodentypus  eine  ganz  vmerwartete  Biegsamkeit  zukommt,  auch  schon 
früher  dui-ch  desselben  Forschers  hervorragende  Entdeckung  der  Heterogenie  erfahren  haben,  dass  bei  den 
Rundwürmern  das  Entwicklungsleben  nicht  überall  so  einfach  verläuft,  wie  man  vordem  annahm,  so  ist  uns 
doch  bis  jetzt  kein  Vertreter  dieser  artenreichen  Gruppe  bekannt  geworden,  der  einen  ähnlichen  Bildungs- 
jirozess  durchläuft,  wie  wir  ihn  bei  Heterodera  antreffen.  Unter  den  Würmern  bieten  die  Echinorhynchen 
vielleicht  in  dieser  Beziehung  noch  die  meisten  Anklänge  dar,  da  sich  bei  ihnen,  wie  bei  Heterodera,  auch 
ein  Puppenstadium  findet,  während  dessen  die  alte  Larvenhaut  den  jungen  Wurm  wie  eine  Cyste  umschliesst. 
Allein  es  fehlt  hier  die  zweite  Larvenform,  denn  der  Embryo  geht  nach  kurzer  Wanderimg  in  den  Ruhe- 
zustand über.  Ebenso  wie  bei  den  Kratzern  zeigt  auch  die  Metamorphose  der  den  Anguilluliden  nahe  ver- 
wandten Gordiiden  wesentliche  Abweichungen  von  derjenigen  unserer  Würmer.  In  der  That  stände  der 
Rübennematode  bezüglich  seines  Entwicklungsganges  völlig  isoliert,  wenn  nicht  emige  Insekten  in  ihrer 
Lebensgeschichte  eine  Parallele  böten.  Es  sind  dies  insbesondere  die  zu  der  Abtheilung  der  Rhynchoten 
gehörigen  Cocciden,  die  gleich  Heterodera  auch  ein  phytoparasitäres  Dasein  führen.  Ihre  Umwandlung 
erinnert  insofern  an  diejenige  unseres  Schmarotzers,  als  auch  bei  ihnen  zwei  Larvenstadien  mit  ähnlichen 
biologischen  Merkmalen  auf  einander  folgen.  Wie  bei  Heterodera  ist  die  erste  Jugendform  freibeweglich 
und  schlanker  gebaut,  während  die  zweite  eine  plumpere  Gestalt  aufweist  vmd  der  Lokomotionsfähigkeit 
entbehrt.  Auch  bei  den  Cocciden  bewahrt  das  weibliche  Geschlechtsthier  die  larvalen  Charaktere,  indem 
es  sessil  an  demselben  Ort  verharrt  und  zuletzt  sogar  zu  einer  blosen  Brutkapsel  wird,  welche  die  Nach- 
kommen schützt.  Und  auch  der  Mann  zeigt  in  seiner  Entwicklimg  ein  durchaus  analoges  Verhältniss. 
Wir  sehen  auch  bei  ihm  ein  Puppenstadium  auftreten,  in  welchem  die  Nahrungsaufnahme  sistiert,  und  daraus 
ein  agiles  Geschöpf  entstehen,  ausgerüstet  mit  allen  Attributen,  die  eine  Begattung  ermöglichen. 

Wenn  ich  diese  Arthropoden  hier  zum  Vergleiche  heranzog,  so  geschah  das  übrigens  nur  um  auf 
die  Aehnlichkeit  in  ihrer  Verwandlung  hinzuweisen.  Ferne  lag  es  mir  natürlich,  damit  irgendwelche  nähere 
Beziehungen  zu  unserem  Nematoden  andeuten  zu  wollen.  Wie  die  Gleichartigkeit  der  Lebensverhältnisse 
oft  bei  Thieren,  die  durch  ihre  Organisation  scharf  von  einander  getrennt  sind,  eine  AehnHchkeit  in  ihrem 
äusseren  Habitus  und  ihrem  Entwicklungsgange  hervorruft,  so  haben  hier  auch  ähnliche  LTrsachen  analoge 


-<K@    49     @>o- 

Wii'kuDgen  zur  Folge  gehabt.  Beide  Fonut  n  führen  ein  parasitäres  Leben ,  und  beide  haben  sich  den 
Anforderungen,  die  dadurch  an  sie  gestellt  wurden,  angepasst.  Allenthalben  tritt  ja  die  Natur  überleitend 
ein,  und  nie  arbeitet  sie  nach  einer  Schablone.  Mit  tausenderlei  Mitteln  ausgestattet  und  fähig  diese  in's 
Unendliche  zu  kombinieren,  geht  sie  die  mannigfaltigsten  Wege,  um  so  auf  verschiedener  und  doch 
bestimmter  Bahn  bald  die  verschiedensten  Wirkungen  zu  äussern,  bald  ungeahnt  ein  und  dasselbe  Ziel 
zu  erreichen.  „Lebensäusserung  und  Bau  verhalten  sich  zu  einander  wie  die  beiden  Glieder  einer  Gleichung. 
Man  kann  keinen  Faktor ,  auch  nicht  den  kleinsten ,  in  dem  einen  Gliede  verändern ,  ohne  die  Gleichimg 
zu  stören."*) 

Die  Wahrheit  dieses  Ausspruches  zeigt  sich,  wie  überall,  so  auch  bei  unseren  Nematoden.  Würde 
Heterodera,  wie  das  Weizenälchen,  ihre  Metamorphose  innerhalb  einer  schützenden  Samenhülse  durchlaufen, 
dann  wäre  auch  der  Gang  derselben  ein  einfacherer,  dann  hätte  vielleicht  das  W^eibchen  eine  andere 
Gestalt,  und  wohl  kaum  hätte  es  beim  Männchen  eines  Puppenstadiums  bedurft.  So  aber  sind  die  Existenz- 
bedingungen nicht  gleich,  und  die  Formen  bei  beiden  in  verschiedener  Weise  angepasst. 


*)  Leuckart,  der  Bau  der  Insekten  in  seinen  Beziehungen  zu  ihren  Leistungen  und  ihren  Lehensverhältnissen.    Archiv 
für  Naturgeschichte.  17.  Jahrg.  1852.  pag.  19. 


Litteratur-Verzeichniss. 


1.  Bastian,  CJi.    Monograph  on  the  Anguillulidae.    Transact.  Linn.  Soc.  Vol.  XXV. 

2.  Bastian,  Chr.     On  the  Aiiatomy  and  Physiologie  of  the  Nematoids.    Philosoph.  Transact   1866. 

3.  Brandt,  A.    Die  Eifurchung  von  Ascaris  nigrovenosa.     Z.  f.  wiss.  Zool.  Bd.  28. 

4.  Braun,  A.    Gallenbildung'  durch  Aelehen.     Sitzungsber.  d.  GesoUschft.  naturforsch.  Freunde  zu  Beidin.  1875.   1.5.  März. 

5.  BütscMi,  0.    Beiträge  zur  Keuntniss  der  freilebenden  Nematoden.     Nova  Acta.  Bd.  XXXVI. 

6.  BütscliU,  0.     Untersuchungen  über  die  beiden  Nematoden  der  Periplaneta  Orientalis.     Z.  f.  w.  Zool.  Bd.  21. 

7.  Bütschli,  0.    Entwicklungsgeschichte  des  CucuUanus  elegans.     Z.  f.  wiss.  Zool.  Bd.  26. 

8.  Chatin,  J.    Recherches  sur  l'Anguillule  de  l'oignon.     Paris.  1884. 

9.  Claus,  C.    üeber  einige  im  Humus  lebende  Anguilluliden.     Z.  f.  w.  Zool.  Bd.  12. 

10.  Claus,  C.    Beobachtungen  über  die  Organisation  und  Portpflanzung  von  Leptodera  appendiculata.     Marburg.  1869. 

11.  Davaine.    Recherches  sur  rAnguillulo  du  bli5  nielle.     Paris.  1857. 

12.  Ganin,  M.  J.    lieber  Embryonalontwicklung  von  Peloderes  teres.    Bericht  über  d.  V.  Versammlung  russ.  Naturforscher  und 

Aerzte.     Z.  f.  w.  Zool.  Bd.  28. 

13.  Greeff,  R.    Sitzungsber.  d.  Gesellsch.  zur  Beförderg.  d.  Naturwiss.  zu  Marburg.     Sitzg.  5.  Dez.  1872. 

14.  Goette,  A.    Untersuchungen  über  die  Entwicklungsgeschichte  d.  Würmer.     Heft  1.  Leipzig.  1882. 

15.  Halles,  P.    Recherches  sur  l'embryogf^nie  et  sur  les  conditions  du  developpement  de  quelques  Ni^matodes.     Paris.  1885. 

16.  Kühn,  Jul.    Untersuchungen  über  die  Ursache  der  Rübenmüdigkeit.    Bericht  a.  d.  physiol.  Laborat.  d.  landwirthschftl.  Institut 

z.  Halle.    Heft  3.  1881. 

17.  Kühn,  Jul.    Ueber  das  Vorkommen  von  Anguilluliden  in  d.  Blüthenköpfen  v.  Dipsacus  fuUonum.  L.     Z,  f.  w.  Zool.  Bd.  10. 

18.  Liebscher,  G.    Ueber  die  Beziehungen  der  Heterodera  Schachtii  zur  Rubetimüdigkeit.     Halle.  Dissertation  1879. 

19.  Lieberkühn,  N.    Beiträge  zur  Anatomie  der  Nematoden.    Arch.  i.  Anatomie  u.  Physiol.  Jahrg.  1855. 

20.  Leuckart,  B.    Die  Parasiten  des  Menschen.  Bd.  II.  1866. 

21.  Leuckart,  B.    Bericht  über  d.  wissenschftl.  Leist.  i.  d.  Naturgesch.  d.  nied.  Thiero.     TroscheVs  Archiv  1870  u.  71. 

22.  Leuckart,  B.     Neue  Beiträge  lur  Kenntniss  des  Baues  u.  der  Lebensgeschichte  der  Nematoden.  Abhandl.  d.  mathera.-physikal. 

Klasse  d.  königl.  säehs.  Gesellsch.  d.  Wissenschaften.     Bd.  13.     Leipzig.  1887. 

23.  de  Man,  J.  G.    Die  frei  in  d.  Erde  u.  d.  Wasser  lebenden  Nematoden  d.  nioderl.  Fauna.     Leiden.  1884. 

24.  Müller,  C.    Neue  Helminthocecidion  und  deren  Erzeuger.     Dissertation.     Berlin.  1883. 

25.  Natanson.    Ueber  Embryonalentwicklnng  von  drei  Oxyuris-Arten  aus  Periplaneta.    Bericht  über  d.  V.  Versammig.  russ.  Naturf. 

u.  Aerzte  in  Warschau.     Z.  f.  w.  Zool.  Bd.  2b. 

26.  Orley,  L.    Monographie  d.  Anguilluliden.     Budapest.  1881. 

27.  Badekewitsch.     Zur  Entwicklungsgeschichte  der  Nematoden  (nach  Hoffmann    u.   Schwalbe,  Jahresbericht  über   d.   Portschr.    d. 

Anatomie  u.  Physiologie.  Bd.  I.) 

28.  Sclwcht,  R.     Zeitschrift  für  Rübenzuokerindustrie.     Jahrg.  1859,  1861,  1862. 

29.  Schneider,  A.     Monographie  der  Nematoden.     Berlin.  1861). 

30.  Schmidt,  A.     Zeitschrift  für  Rübenzuckerindustrie.     1871  u.  1872. 

31.  V.  Schlechtendal.    Beiträge  zur  Kenntniss  v.  Pflanzengallen.    Jahresber.  d.  Vereines  f.  Naturk.  zu  Zwickau.  1885. 

32.  Schoyen,   W.  M.    Bygaalen  (Tylenchus  hordei.  n.  sp.)  Christiania  Videnshabs-Selshabs  Vorhandlinger  1885.  No.  22. 

33.  Treub.    Quelques  mots  sur  les  effets  du  parasitisme  de  l'Heterodera  javanica  dans  les  racines  de  la  canne  ä  sucre ;  Ann.  du 

Jardin  bot.  de  Buitenzorg.  VI.  (n.  d.  „Naturforscher.-'  Jahrg.   19.  No.  39.) 


Figuren -Erklärungen. 


Allgemei[ie  Bezeichnungen. 


k.  Kopfkappe. 

m.  Mundhöhle. 

st.  Stachel 

ms.  Stachehnuskeln. 

oe.  Erster  Oesophagealabschnitt. 

bulb.  Bulbus. 

06.  Dritter  Oesophagealabschnitt. 


ex 

Excretionsgetäss. 

d. 

Darm. 

h. 

Hoden. 

sp 

Öpicula. 

sm. 

Muskeln   zur  Bewegung 

dr. 

Drüse. 

ni. 

Mastdarm. 

a. 

Anus. 

ov. 

Ovarium. 

od. 

Ovidukt. 

rs. 

Receptaculum  seminis. 

ut. 

Uterus. 

va. 

Vagina. 

vm. 

Vaginalmuskeln. 

vu. 

Vulva. 

schl. 

Schlundring. 

der  Spicula. 


Fi?. 

1. 

Fig. 

2. 

Fig. 

3. 

Fig. 

4. 

Fig. 

5. 

Fig.     ü. 
Fig.     7. 


Fig.  8. 

Fig.  9. 

Fig.  10, 

Fig.  11. 

Fig.  12. 

Fig.  13 


Fig.  14. 
Fig.  lö. 

Fig.  IG. 
Fig.  17. 
Fig.  18. 
Fig.  19. 
Fig.  20. 
Fig.  21. 


Männclieu  von  Hetevodera  Schachtii.     Stark  vergr. 

Kopf  kappe,  a.  im  Profil,  b.  von  oben. 

Linkes  Seitenfeld.    Man  sieht  die  körnige  Substanz  und  eine  Anzahl  grösserer  Kerne  durchschimmern. 

Muskelzelle,   a.  von  oben,  b.  im  Profil. 

Linkes  Spiculum. 

Stachel  des  Männchens. 

Spermatozoen.     a.  noch  unreife,  das  eine  von  ihnen  in  Zweitheilung,  b.  ausgebildete  Spi:rii:atozoen,  c- 

in  verschiedenen  amöboiden  Bewegungszuständen. 
Blindes  Ende  des  Hodens  mit  seinem  Epithel. 

Weibchen  von  Heterodera  Schachtii  mit  der  „subkrystallinischen  Schicht". 
Weibchen  mit  dem  sogen.  „Eiersack",  in  dem  sich  einige  Eier  befinden. 

Längsschnitt  durch  das  Weibchen  letwas  schematisirt),  um  Gestalt  und  Vorlauf  dos  Darmes  zu  zeigen. 
Querschnitt  durch  den  Bulbus. 
Querschnitt   durch    die    Cuticula    des   Weibchens,     a. 

c.  dritte  Schicht 
Stachel  des  Weibcliens. 
Weibchen  von  Heterodera  Schachtii.     Die  eine  Hälfte  der  Körjierwand  ist  weggenommen,  um 

schlingen  zur  Anschauung  zu  b.ingen. 
Linke  Hälfte  des  weiblichen  (jeschlechtsapparates. 

Weibchen,  noch  wenig  angeschwollen,  mit  dem  „Kopffutteral"  und  dem  halbmondförmigen  Vulvaspalt 
Erste  bewegliche  Larve. 

Dieselbe  im  Begriff  sich  zu  häuten;  man  sieht  innerhalb  der  Larvenhülle  die  zweite  Larvenform. 
Stachel  der  ersten  Larve. 
Zweite,  unbewegliche,  parasitäre  Larve 


g.  Spermatozoen 


oberflächliche    Schicht,    b.  zweite  Laj;e  mit  der  Radiärstreifiing, 


den  Verlauf  der  Genital- 


Fig. 

•20 

Fig. 

23. 

FiR. 

24. 

Fig. 

2.5. 

Fig. 

2Ö. 

Dieselb(\     Dor  Kiirper  ist  in  der  Mitte  stark  eingeknickt. 

Pupijenstadium  des  Männchens.     Stadium  I.    Im  Momente  der  Häutmig.     Der  Inhalt  hat  sich  von  der  alten  Hülle,  die 

nun  zur  „Cyste"  wird,  zurückgezogen.  Mastdarm  und  Vordertheil  des  Excretionsget'ässes  stossen  eben  die  alte  Cuticula  ab. 
do.     Stadium  II.     Die  ursprüngliche  Keulenform  ist  einer  mehr  schlanken,  cylindrischen  Gestalt  gewichen, 
do.     Stadium  III.     Der  Wurm  ist  bedeutend  gewachsen  und  liegt  zusammengeknickt  in  der  Hülle, 
do.     Stadium  IV.     Das  ausgebildete  Männchen  in  der  alten  Larvenhülle. 
Fig.  27.    Puppe  des  Männchens  innerhalb  der  Wurzel,  noch  von  deren  Epidermis  bedeckt_ 
Fig.  28.    Weibliche  Heteroderen  innerhalb  der  Wurzel,  noch  von  der  Epidermis  derselben  umhüllt. 
Fig.  29.    Weibchen  zum  grossen  Theil  aus  der  Wurzel,    durch    Sprengung    der    Epidermis,    hervorgetreten;    nur    der    Kopftheil 

steckt  noch  im  Wurzelparenchyra, 
Fig.  30.    Abgestorbenes  Weibchen.     Man  erblickt  durch  die  braune,  pelludde  Cuticula,  welche  nunmehr  als  Brutkapsel  dient,  die 

im  Innern  eingeschlossenen  Eier  und  bemerkt  ausserdem  zwei  Larven,    von    denen    die    eine    eben  durch  die  Vulva 

die  mütterliche  Sehutzliülle  verlässt,  während  die  andere  sich  bereits  ausserhalb  befindet. 
Fig.  31.    Theil  einer  jungen  Rübenwurzel,  an  deren  Wurzelfasern  weibliche  Heteroderen  in  grosser  Anzahl  haften. 
Fig.  32.    Larven  im  Momente  dor  Einwanderung  in  die  Wurzel.    Rechts  (b)   eine   Larve   der  zweiten,   unbeweglichen  Form,  mit 

der  alten  Haut  am  Hinterende,  als  Ektoparasit  aussen  an  der  Wurzel  haftend. 
Fig.  33.    Ei  von  Heterodera  mit  den  grobkörnigen  Dotterelementen    und   einem  Richtungsbläschen    auf  der  rechten  Seite  in  der 

kleinen  Vertiefung. 
Fig.  34-35.     Eier  in  Zweitheilung. 
Fig.  36.    Ei  in  Dreitheilung. 
Fig.  37—40.     Eier  in  Viertheilung. 
Fig.  41—43.    Eier  in  Fünftheilung. 
Fig.  44 — 40.    Eier  in  Sechstheilung. 
Fig.  47.    Ei  in  Siebentheilung. 
Fig.  48.     Ei  in  Achttheilung. 
Fig.  49.    Ei  in  Neuntheilung. 
Fig.  50.    Ei  in  Zehntheilung. 

Fig.  51.    Embryo  im  Gastrulastadium,  mit  dem  Prostom,  das  noch  eine  ziemlich  weite  Lücke  darstellt. 
Fig.  52.    Embryo  kurz  nach  dem  Gastrulastadium.     Das  Prostoni  hat  sich  auf  eine  kleine  Oeifnung  reduzirt. 
Fig.  53.     Embryo  mit  den  beiden  Urmesoblasten  (um)  am  Hinterende  des  Entoderm  (en).    sw.  die  4  sogen.  „Schwanzzellen"  und 

kz.  die  „Kopfzellen"  des  Ectodenns  (ec). 
Fig.  54.     Etwas  weiter  fortgeschrittener  Embryo  mit  den  beiden  Mesodermstreifen  (ms.),  in  welchen  die  beiden  GenitalzeUen  (gz.) 

bereits  zu  erkennen  sind.     en.  Entoderm.     ec.  Ectoderm. 
Fig.  55.    Embryo,  bereits  gekrümmt;  man  bemerkt  die  grossen  Darmzellen  im  Innern  und  (a.)  die  zwei  Genitalzellen. 
Fig.  56.    Ausgebildeter  und  aufgerollter  Embryo  im  Begriff,  sich  innehalb  der  Eischale  zu  häuten. 
Fig.  57.    Entwicklung  der  Genitalanlage. 

a    die  beiden  Genitalzellen  liegen  noch  symmetrisch  und  getrennt  auf  der  Bauchseite  des  Entoderm. 

b.  dieselben  sind  bereits  in  Verbindung  mit  einander  getreten  und  haben  sich  diagonal  gelagert. 

c.  Genitalanlage  einer  eben  ausgeschlüpften  Larve,    gz.  GenitalzeUen.     d.  Darmzellen. 


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Drnfk  von  Leopold  &  Bär  in  Leipzig. 


Sirulicll.  Hau  und  Enl\nckliiTU|  von  llflermlfia  .Srliarlitii. 


Taf.I. 


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Tal.  II. 


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ArtirtArililkFisthfT  fiiwl 


BIBLIOTHEC&  ZOOLOGICA. 


Original-Abhandlungen 


dem  Gesammtgebiete  der  Zoologie. 


Herausgegeben 


Dr.  Rud.  Leuckart  Dr.  Carl  Chun 

in  Leipzig.  unj  in   Königsberg. 


Heft  3. 

Untersuchungen  über  semäostome  und  rliizostome  Medusen  von  Dr.  Ernst  Vanhöflfen. 

Mit  6  Tafeln  und  einer  Karte. 


C  A  S  S  E  L. 

Verlag  von  Theodor  Fischer. 

1888. 


UNTER8UCHUiNGEN 


ÜBER 


SEMAEOSTOME  und  RHIZOSTOME 

MEDUSEN. 


VON 


D«    ERNST   VANHOFFEN. 


Mit  6  Tafeln  und  1  Karte. 


C  A  S  S  E  L. 

Verlag  von  Theodor  Fischer. 

1888. 


w. 


älireml  dei-  Jahre  1S82 — 1885  unternahm  auf  Befehl  der  italienischen  Regierung  die  Corvette 
„Vettor  Pisani",  geführt  von  Capitain  Palumbo,  eine  Reise  um  die  Welt,  zum  Zweck  wissenschaftlicher  mariner 
Untersuchungen.  Lieutenant  Gaetano  Chierchia''')  sorgte  für  die  Conservirung  der  gefangenen  Seethiere,  nach- 
dem er  sich  vorher  einige  Zeit  in  der  zoologischen  Station  zu  Neapel  auf  diese  Thätigkeit  vorbereitet  hatte. 
Durch  diese  Expedition  wurden  reichhaltige  Sammlungen  vorzüglich  conservirter  Seethiere  aller  Gruppen 
des  Thierreichs  erbeutet,  welche  zum  Theil  in  der  zoologischen  Station  zu  Neapel  und  in  verschiedenen 
anderen  zoologischen  Instituten  noch  der  Bearbeitung  harren. 

Die  werthvoUe  Sammlung  der  Medusen,  vermehrt  durch  einige  seltene  von  Lieutenant  Orsini**) 
conservirte  Exemplare  aus  dem  rotheu  Meer,  kam  an  das  zoologische  Museum  zu  Königsberg  durch  Ver- 
mittelung  von  Herrn  Professor  Chun,  welcher  mir  die  reiche  Ausbeute  der  Semaeostomen  und  Rhizostomen 
gütigst  zur  Bearbeitung  überliess.  Ich  freue  mich,  meinem  verehrten  Lehrer  Herrn  Professor  Dr.  Chun  an 
dieser  Stelle  meinen  innigsten  Dank  sagen  zu  können,  nicht  allein  für  die  freundliche  Ueberlassung  des 
vorzüglichen  Materials,  sondern  weit  mehr  für  die  mir  i'ederzeit  gegebene  Anregmig  und  das  meinen 
Studien  und  Arbeiten  in  hohem  Masse  bewiesene  Interesse. 

Zur  Vorbereitung  für  meine  Untersuchungen  und  zur  allgemeinen  Orientirung  über  die  genauere 
Organisation  der  Discomedusen  erhielt  ich  von  Neapel  eine  grössere  Anzahl  von  Pelagia  noctiluca,  ferner 
verschaffte  mir  Herr  Professor  Chun  Gelegenheit,  in  der  transportabeln  zoologischen  Station,  welche  im 
Sommer  1886  in  Neukrug  auf  der  frischen  Nehrung,  im  Sommer  1887  auf  der  Westerplatte  bei  Neufahr- 
wasser etabUrt  war,  Am-elia  aurita  und  Cyanea  capillata  zu  beobachten  imd  zu  conserviren  und  so  die 
Einflüsse  der  Conservirungsmethoden  auf  diese  zarten  Organismen  kennen  zu  lernen. 

Es  liegt  mii-  daran,  in  dieser  Arbeit  einen  Beitrag  zu  liefern  zur  Kenntniss  der  Verbreitung  der 
Medusen,  die  Diagnosen  der  bekannten  Arten  zu  prüfen,  resp.  zu  vervollständigen,  die  neuen  Formen  zu 
beschreiben  und  im  System  unterzubringen.     Eine  Revision  des  Systems,    die    für   den   letzten  Punkt  uner- 


*)  A.  Dohrn,  Bericht  über  die  zoologische  Station  wiihreiul  der  Jahre  1882 — 1884.    pag.  138. 
**)  A.  Dohrn,  1.  c.  pag.  140. 


— c^      6      o®o— 

lässlich  ist,  wird  durch  das  ausserordentlich  reiche  Material  ermöglicht.  Es  soll  daher  nur  eine  äussere 
Beschreibung  der  verschiedenen  Arten  gegeben  werden;  von  einer  genaueren  Untersuchung  der'  Gewebe 
musste  ich  absehen,  da  das  Material  in  der  Form  meist  vorzüglich  erhalten,  aber  für  histologische  Unter- 
suchungen nicht  geeignet  war. 


I.  Semaeostomata. 


Unter  den  von  Herrn  Lieutenant  Chierehia  gesammelten  und  conservirten  Semaeostomen  fanden 
sich  eine  grosse  Anzahl  Pelagien  von  mehr  als  20  Fundorten,  ferner  Chrysaora  von  4  und  Desmonema  und 
Aurelia  von  je  einem  Fundorte  mit  folgenden  Arten: 

Pelagia  noctiluca  Peron  et  Lesueur.  Chrysaora  mediterranea  Peron   et  Lesueur. 

Pelagia  neglecta.  Vh.  n.  sp.  Chrysaora  Blossevillei  Lesson. 

Pelagia  crassa.  Vh.  n.  sp.  Chrysaora  plocamia  Haeckel. 

Pelagia  phosphora  Haeckel.  Chrysaora  chinensis.  Vh.  n.  sp. 

Pelagia  minuta.  Vh.  n.  sp.  Desmonema  Chierchiana.  Vh.  n.  sp. 

Pelagia  placenta  Haeckel.  Aurelia  dubia.  Vh.  n.  sp. 

Pelagia  ponopyra  Peron  et  Lesueur. 

Von  den  hier  angeführten  13  Arten  sind  G  neu  und  eine  von  ihnen,  Chrj'saora  Blos.sevilIei,  war 
bisher  nur  durch  ungenügende  Beschreibung  bekannt,  so  dass  man  in  Betreff  ihrer  gewissermassen  auf 
Vermuthungen  angewiesen  war.  Dieses  für  die  Gruppe  der  Semaeostomen  ausserordentlich  günstige  Resiütat 
gestattet  uns  einen  Schluss  auf  die  bedeutende  Bereicherung  unserer  Kenntniss  der  Thierwelt  durch  die 
Reise  des  „Vettor  Pisani"  im  speciellen,  wie  auch  im  Allgemeinen  durch  jede  mit  genügenden  Mitteln  aus- 
gerüstete zoologische  Expedition. 

Pelagia.    Peron    et   Lesueur. 

Bei  der  Bestimmung  der  Arten  machten  besonders  die  Pelagien  Schwierigkeit.  Die  meisten  Charac- 
tere,  auf  welche  dabei  Gewicht  gelegt  wurde,  wie  Wölbung  des  Schirms,  Verhältniss  von  Mundarmen  zum 
Mundrohr,  Länge  der  Tentakeln  und  Form  der  Randlappen  erwiesen  sich  bei  Betrachtung  einer  grösseren 
Anzahl  von  Thieren  als  schwankend.  Alle  diese  Organe  zeigen  ebenso  wde  die  Gonaden  bei  derselben 
Art  verschiedene  Ausbildung  je  nach  der  individuellen  Entwicklung  und  dem  Alter  der  Thiere  und  die 
ihnen  entnommenen  Merkmale  sind  nur  brauchbar,  wenn  eine  grössere  Anzahl  von  Exemplaren  zu  Gebote 
steht.  Von  der  Unzuverlässigkeit  der  meisten  früher  als  charakteristisch  angegebenen  Merkmale  überzeugt, 
bemühte  ich  mich  neue  zuverlässigere  zu  finden.  Zu  diesem  Zwecke  wurden  Rhopalien,  Randlappen  und 
Nesselwarzen   genauer  untersucht,  auch  Schnitte  durch  Exumbrella  und  Randlappen  angefertigt.     Die  Rho- 


palien  ergaben  dabei  keine  branehbaren  Untei'scliiede ,  wenigstens  war  ich  bei  den  \'crsciiiedenlieiten  der- 
selben nicht  sicher,  wie  weit  sie  dnrcli  die  Conservirung  beeinflusst  wurden.  Von  Randlappen  Hessen  sich 
nur  zwei  Formen  unterscheiden ,  eine  quadratische  und  eine  rechteckige ,  die  doppelt  so  breit  als  hoch  ist. 
Beide  wurden  schon  früher  bei  den  Artdiagnosen  der  Pelagien  berücksichtigt.  Am  besten  scheinen  mir  die 
Nesselwarzeu  geeignet,  die  Arten  der  Pelagien  untei'scheiden  zu  lassen.  Sie  werden  bei  allen  Beschrei- 
bungen derselben  erwähnt.  Es  lassen  sich  daher  nach  den  Diagnosen  von  Haeckel  auf  Grund  der  ver- 
schiedenen Form  und  (Irösse  der  Nesselwarzen  mehrere  Gruppen  bilden: 

1)  Pelagien  mit  grossen  resp.  sehr  grossen,  länglichen  Nesselwarzen. 

2)  Pelagien  mit  rundlichen,  kleinen  Nesselwarzeu. 

3)  Pelagien  mit  sehr  kleinen,  rundlichen  Nesselwarzen. 

4)  Pelagien  ohne  deutliche  Nesselwarzen. 

Augenscheinlich  beziehen  sich  die  Ausdrücke  ,,gross'''  und  „klein"  auf  die  bekannten  Verhältnisse 
der  leicht  aus  dem  Mittelmeer  zu  beschaffenden  Pelagia  noctiluca.  Haeckel  nennt  die  Nesselwarzen  der- 
selben gross,  sehr  grosse  Nesselwarzen,  wie  sie  der  Pelagia  flaveola  Eschsch.  zukommen,  müssen  daher  die 
Grösse  jener  verhältnissmässig  übertreffen,  kleine  dürfen  dieselbe  der  älehrzahl  nach  nicht  erreichen.  Sehr 
kleine  Nesselwarzen  endlich  heissen  solche,  die  noch  nicht  halb  so  gross  als  diejenigen  der  normalen 
P.  noctiluca  sind.  Die  allgemeine  Form  der  Nesselwarzen  aber  ist  zur  Classification  der  Pelagien  noch 
nicht  geeignet,  da  es  zuweilen  zweifelhaft  ist,  ob  rundliche  oder  längliche  Nesselwarzen  vorliegen.  Deshalb 
untersuchte  ich  die  Nesselwarzen  genauer  auf  dünnen  Stückchen  der  Exumbrella  bei  schwacher  micro- 
scopischer  Vergrösserung  und  erhielt  folgende  Resultate:  Alle  von  mir  untersuchten,  gut  erhaltenen  Exemplare 
zeigten  stets  eine  für  die  betreffende  Art  characteristische  Faltung  der  Nesselwarzen.  Bei  länglichen  sowohl 
wie  bei  rundlichen  Nesselwarzen  sind  zwei  Formen  zu  unterscheiden:  solche  die  einen  Längskamm  besitzen, 
der  von  Querfalten  durchbrochen  wird  (Taf.  VI,  Fig.  1 — 5),  und  andere,  denen  bei  Jlangel  des  Längskamms 
allein  Querfalten  zukommen  (Taf  VI,  Fig.  6 — 12).  Ist  der  Schirm  in  Folge  mangelhafter  Conservirung  stark  con- 
frahirt  oder  scheibenförmig  ausgebreitet,  so  erscheinen  die  Nesselwarzen  verdrückt  oder  verkürzt.  Diespecielle 
Faltung  der  Nesselwarzen  ist  nur  durt  deutlich  zu  beobachten,  wo  die  Nesselkapseln,  die  die  Warzen  sonst  dicht 
bedecken,  fehlen.  Dieses  scheint  bei  den  meisten  conservirten  Exemplaren  der  Fall  zu  sein,  da  ich  nur  bei 
wenigen  aus  der  zoologischen  Station  von  Neapel  eingesandten  Pelagien  die  Nesselkapseln  noch  erhalten  fand- 

Obwohl  es  mir  nun  aus  Mangel  an  Vergleichsmaterial  nicht  möglich  war,  den  Werth  der  durch 
die  Nesselwarzen  gegebenen  Merkmale  bei  Pelagia  perla,  P.  cyanella,  P.  denticulata  und  P.  flaveola  endgültig 
zu  prüfen,  so  werde  ich  dennoch  bei  der  folgenden  Beschreibung  der  Arten  die  Verschiedenheiten  der 
Nesselwarzen  zur  Unterscheidung  benutzen.  Ich  habe  mich  gescheut  neue  Arten  aufzustellen,  weil  die  Art- 
berechtigung der  bisher  bekannten  ja  von  Haeckel  selbst  angezweifelt  wird.  Dennoch  entschied  ich  mich 
dafür,  solche  Formen  als  besondere  Arten  anzusehen,  die  deutliche  Unterschiede  erkennen  Hessen,  da  ich 
mich  bei  dem  Gedanken  beruhigte,  dass  erst  eine  geschlossene  Reihe  vermeintlicher  Arten  diese  als  Varie- 
täten einer  grossen  veränderlichen  Art  unzweifelhaft  kennzeichnet.  Die  Frage  nach  der  Artberechtigüng 
würde  ja  mit  Sicherheit  nur  durch  die  Entwicklung  jeder  einzelnen  Form  entschieden  werden.  Die  Be- 
obachtung derselben  dürfte  sich  jedoch  wegen  der  Schwierigkeit  pelagische  Thiere  im  engen  Raum  zu  er- 
halten einstweilen  noch  nicht  ausfuhren  lassen. 


— ogo      8      o®o— 

1.  Pelagia  noctiluca  Peron  et  Lesueur.  Gut  entwickelte  Exemplare  von  Pelagia  noctiluca  lagen 
mir  vor  von  der  italienischen  Küste  westlich  Neapel  (gesammelt  am  20.  und  21.  IV.  1882,  5  Stück),  von 
der  Durchfahrt  zwischen  Sicilien  und  Sardinien  (23.  IV.  1882.  1  St.),  aus  dem  Jlittelmeer  östlich  der  Strasse 
von  Gibraltar  (9.  V.  1882.  10  St.),  und  aus  der  Strasse  von  Gibraltar  selbst  (12.  V.  1882.  3  St.).  Messungen 
an  diesen  Thieren  und  an  3  verschiedenen  Formen  einer  CoUection  aus  der  zoologischen  Station  in  Neapel 
ergeben  folgendes: 


Schirmbreite. 


20.  IV.  82 


21.  IV.  82 


9.  V.  82 


12.  V.  82 


Zool.  Stat. 
zu   Neapel 


53  mm 


35  mm 


70  mm 


47 


4'i  mm 


23.  IV.  82       65  mm 


\    30 


mm 


25  mm 


65 

mm 

57 

mm 

65 

mm 

60 

mm 

42 

mm 

Schirmhöhe. 


Im 
Verhältniss. 


Mundrohr. 


18  mm 


3:1 


17  mm 


2:1 


30  mm 


20  mm 


18  mm 


28  mm 


18 


33  mm 


18  mm 


21/3:1 


2V3:1 


2V3 : 1 


21/4:1 


1%:1 


34  mm        22  mm 


11/3:1 


10  mm 

2i/s 

:1 

30  mm 

21/6 

:1 

25  mm 

21/3 

.1 

2^/5 

1 

l*/5 

:1 

21/3 

:1 

13 

mm 

25 

mm 

20 

mm 

19 

mm 

25 

mm 

10 

mm 

7 

mm 

25 

mm 

22  mm 


25 


22 


15 


15  mm 


Mundarm. 


Im 

Verhältniss. 


29  mm 


85  mm 


18  mm 


80  mm 
50  mm 


80  mm 


55 


50  mm 


28 


1:21/4 


1:3^/5 


60  mm 

1:3 

40  mm 

1:2 

75  mm 

1:3 

20  mm 

1:2 

1:21/2 


l:3i/ö 


1 

21/3 

1 

31/5 

1 

21/3 

1 

31/3 

l:l'k 


Die  angeführten  Zahlen  beweisen  für  Pelagia  noctiluca,  dass  die  Höhe  und  Breite  des  Schirms, 
ebenso  wie  die  Länge  von  Mundrohr  und  Mundarmen  keine  constanten  Verhältnisse  zeigen;  sie  schwanken 
von  1:11/2 — 3  imd  1 :  l^/s — 31/3.  Im  einzelnen  gestalten  sich  diese  Verhältnisse  noch  etwas  anders,  da  bei 
jungen  Thieren  zuweilen  der  Schirm  fast  flach,  scheibenförmig  ist,  also  Höhe  und  Breite  sich  ungefähr  wie 
1 : 4  verhalten.  Ferner  ist  das  Mundrohr  bei  denselben  relativ  kürzer.  Für  Thiere  mit  gut  entwickelten 
Gonaden  dagegen,  von  denen  die  kleinsten  25  mm  breit  waren,  stimmt  im  Allgemeinen  das  von  Haeckel 
angegebene  Verhältniss  von  Höhe  zur  Breite  des  Thieres,  1 : 2.  Die  Mundarme  aber  sind  im  Durchschnitt 
länger,  als  Haeckel  angiebt,  nicht  2  Mal,  sondern  mindestens  21/3  Mal  so  lang,  als  das  Älundrohr.  Bei  der 
zweiten  Pelagienart,  die  mir  in  genügender  Anzahl  von  Exemplaren  vorlag,  konnte  ich  ähnliches  Variiren  be- 
obachten. Ich  glaube  daher  berechtigt  zu  sein,  im  Allgemeinen  die  Wölbung  des  Schirms  imd  Länge  von 
Mundrohr  und  Mundarmen  bei  den  Pelagien  für  veränderlich  zu  halten.  Angaben  darüber  sind  also  bei 
der  Bestimmung  nur  brauchbar,  wenn  zahlreiche  Individuen  untersucht  werden  können. 


— o®o      9      ogo— 

Die  Gallerte  der  Exunibrella,  welche  nach  Haeckel*)  meist  von  ziemlich  gleicher  Dicke  sein,  nur 
nach  dem  Rande  zu  allmählich  an  Dicke  abnehmen  soll,  zeigte  bei  Pelagia  noctiluca  mit  ganz  vereinzelten 
Ausnahmen,  wie  auch  bei  den  meisten  anderen  der  mir  vorliegenden  Ai'ten,  in  der  Mitte  eine  zapfenartige 
Verdickung.  Dieselbe  liegt  direct  über  der  Öffnung  des  Mundrohres  in  die  Leibeshöhle;  sie  scheint  mir 
geeignet,  letztere  bei  entsprechender  Contraction  zu  verschliessen  und  eine  zu  starke  Verdünnung  der 
ernährenden  P'lüssigkeit  durch  Seewasser  zu  verhindern.  Die  Randlappen  sind  ebenso  hoch  als  breit.  Die 
Mundarme  gleichen  einem  schmalen  zusammengefalteten  Blatt  mit  kräftiger  Mittelrippe,  deren  Seiten  einander 
fast  berühren,  während  der  der  Blattspreite  entsprechende,  faltenreiche  Hautsaum  jederseits  nach  aussen 
zurückgeschlagen  ist.  Den  Ausdruck  „cylindrische  Mittelrippe"  kann  ich  daher  nicht  adoptiren.  Die  Mittel- 
rippen der  Arme  bilden  die  directe  Foi-tsetzung  der  vorspringenden  Pfeiler  des  Mundrohres.  Ein  Querschnitt 
zeigt,  dass  die  Gallerte  in  den  Buchten  zwischen  den  Pfeilei'n  ebenso  dick  ist  wie  in  den  Pfeilern  selbst: 
der  Hautsaum  der  Arme  beginnt  also  erst  mit  dem  Ende  des  Mundrohrs  (Taf  I,  Fig.  5  u.  6). 

Exumbrella ,  Randlap])en ,  Mundrohr  und  Älundarme  sind  von  zahlreichen  Nesselwarzen  bedeckt. 
Dieselben  treten  am  Pol  klein  und  weniger  dicht,  unregelmässig  zerstreut  auf,  sind  in  der  mittleren  Zone 
des  Schirms  gross,  langgestreckt,  meist  in  Längsreihen  geordnet  und  werden  nach  dem  Rande  zu  wieder 
kleiner.  Bei  einem  typischen  Exemplar  von  65  mm  Schh-mbreite  sind  sie  im  Durchschnitt  2  mm  ausnahms- 
weise 3  mm  lang  ^ji — 1  mm  breit.  Die  Nesselwarzen  auf  dem  Mundrohr  und  den  Mundarmen  sind  hier 
wie  auch  bei  den  übrigen  Pelagien  bedeutend  kleiner  als  diejenigen  des  Schirms.  Bei  allen  von  mir 
beobachteten  Pelagien  des  Mittelmeers  mit  alleiniger  Ausnahme  von  4  an  der  Ostküste  Sardiniens  gefangenen 
Exemplaren,  die  als  besondere  Art  beschrieben  werden,  waren  die  Nesselwarzen  der  Exumbrella  länglich- 
elliptisch, ungefähr  2^ji  mal  so  lang  als  breit  und  zeigten  bei  genauerer  Untersuchung  in  der  Mitte  einen 
schmalen  Längskamm ,  der  durch  zahlreiche  Querfalten  oft  unterbrochen  wurde.  Ich  glaube  daher  diese 
Form    der  Nesselwarzen   als  characteristisch  für  Pelagia  noctiluca  ansehen  zu  müssen  (Taf.  VI,  Fig.  1 — 5). 

Fassen  wir  alle  wesentlichen  Merkmale  zusammen,  so  erhalten  wir  für  P.  noctiluca  folgende  Art- 
beschreibung: Schirm  flach  scheibenförmig  bis  halbkugelig,  bei  geschlechtsreifen  Exemplaren  im  Durch- 
schnitt doppelt  so  breit  als  hoch.  Nesselwarzen  der  Exumbrella  gross,  länglich  elliptisch  mit  Längskamm,  den 
zahlreiche  Querfalten  kreuzen,  am  Pol  weniger  zahlreich,  zerstreut  und  kleiner  als  in  der  mittleren  Zone.  Rand- 
lappen ebenso  hoch  als  breit.  Länge  des  Mundrohi-es  ungefähr  gleich  ^/s  des  Schu-mradius.  Mundarme  kräftig 
mit  breitem  Faltensaum.     Die  Schirmbreite  geschlechtsreifer  Thiere  schwankt  zwischen  25 — 80  mm. 

Früheren  Beobachtungen  entsprechend  wurde  Pelagia  noctiluca  auch  bei  der  Expedition  des  „Vettor 
Pisani"  nur  im  Mittelmeer,  nicht  mehr  jenseits  der  Strasse  von  Gibraltar,  beobachtet. 

Pelagia  neglecta  Vh.  n.  sp.  Von  dieser  der  Pelagia  noctiluca  sehr  ähnlichen  Meduse  wurden 
am  26.  IV.  1882  nahe  der  üstküste  von  Sardinien  4  und  am  3.  VI.  1882  im  Bereich  der  Canarischen  Insel- 
gruppe 8  Exemplare  erbeutet  Die  4  Thiere  des  Mittelmeeres  und  ebenso  4  aus  dem  atlantischen  Ocean 
waren  nicht  besonders  günstig  erhalten,  zeigten  aber  untereinander  die  genaueste  Uebereinstimmung.  Die 
Zusammengehörigkeit  aller  12  Exemplare  wurde  erwiesen  durch  die  gleichartige  Ausbildung  der  grossen 
Nesselwarzen,    welclie    bei    den  weniger    gut   conservirten  Thieren  mit    stark    contrahirtem  Schirm  rundlich, 


*)  Haeckel,  System  der  Medusen.    Th.  I.  jiag.  455. 


— =Sc.      10      osgo- 

bei  den  übrigen  aber  länglieh  elliptisch  erschienen  und  nur  von  wenigen  Quertalten  bei  gänzlichem  3Iangel 
eines  Längskammes  durchsetzt  waren  (Taf.  VI,  Fig.  6 — 12).  Diese  Form  der  Nesselwarzen  allein  schon 
unterscheidet  P.  neglecta  von  allen  übrigen  von  mir  beobachteten  Pelagienarten.  Die  Masse  der  4  wohl- 
erhaltenen Exemplare  sind  folgende: 


Schirmbreite. 

Schirmhöhe. 

Verhältnis^. 

Mundrohr. 

Mundann. 

Verhältniss. 

57  mm 

28  mm 

2:1        i 

25  mm 

68  mm 

l:2-^/a 

60  mm 

25  mm 

22/5 : 1 

15  mm 

85  mm 

1:5% 

55  mm 

25  mm 

2%:1 

15  mm 

75  mm 

1:5 

53  mm 

23  mm 

2'/3:l 

18  mm 

72  mm 

1:4 

Daraus  ergiebt  sich,  dass  die  Mundarme  im  Vei'hältniss  etwas  länger  sind  als  bei  P.  noctiluca,  was 
um  so  mehr  auftallt,  als  die  Mittelrippe  nicht  so  kräftig  und  der  Hauptsaum  weniger  breit  als  bei  dieser 
ist.  Von  den  bei  Haeckel  aufgeführten  Arten,  mit  denen  P.  neglecta  verwechselt  werden  könnte,  kommen 
nur  in  Betracht  P.  noctiluca  und  P.  phosphora.  Sie  unterscheidet  sich,  abgesehen  von  der  speciellen  Gestalt 
der  Nesselwarzen,  von  der  ersteren  durch  die  längeren  schwächeren  Mundarme  und  dm-ch  kiü'zeres  Mund- 
rohr, von  der  letzteren  besonders  durch  die  quadratischen  Randlappen  und  die  grösseren  Nesselwarzen,  die 
keineswegs  flach  und  klein  genannt  werden  können,  wenn  sie  auch  zuweilen  rundlich  erscheinen.  P.  neglecta 
gleicht  der  P.  noctiluca  in  ihrer  Grösse  und  in  den  stark  vortretenden  Nesselwarzen;  sie  besitzt  auch  den 
in  die  Leibeshöhle  ragenden  Zapfen  der  Exumbrella.  Ihr  Verbreitungsgebiet  erstreckt  sich  vom  atlantischen 
Ocean  bis  ins  Mittelmeer  und  daher  ist  es  wohl  möglich ,  dass  diese  Art  sich  unter  den  Synonymen  der 
P.  noctiluca  schon  beschrieben  tindet.  Doch  dürfte  sich  die  Identität  derselben  mit  einer  früher  beschriebenen 
Art  schwer  constatiren  lassen ,  da  auf  die  specielle  Gestalt  der  Nesselwarzen ,  die  hier  allein  entscheidet, 
bisher  kein  Gewicht  gelegt  wurde. 

3.  Pelagia  crassa.  Vh.  n.  sp.  (Taf.  I,  Fig.  1  u.  2).  Pelagia  crassa  nenne  ich  eine  Meduse,  die  sich 
vor  allen  übrigen  Pelagien  auszeichnet  durch  die  auffallend  dicke  Gallerte  der  Exumbrella  und  sich  im  Besonderen 
noch  unterscheidet  von  P.  noctiluca  und  P.  perla  durch  die  Form  der  Kandlappen,  welche  doppelt  so  breit  als 
hoch  sind,  von  P.  phosphora  und  P.  cyanella  durch  die  kürzeren  Mundarme  und  die  Form  und  Vei'theilung 
der  Nesselwarzen.  Sie  ist  daher  als  besondere  Art  genügend  characterisirt.  Die  typische  Form  wurde 
gesammelt  am  19.  VI.  1882  unter  27"  W.  L.  nach  Greenwich  und  7''oO'  N.  B.  in  der  Mitte  der  schmälsten 
Stelle  des  atlantischen  Oceans  zwischen  Africa  und  Südamerika.  Die  kurzen  kräftigen  Mundarme,  die  nur 
wenig  unter  dem  hochgewölbten  Schirm  seitlich  hervorragen,  da  das  Mundrohr  ebenfalls  kurz  ist,  bedingen 
ein  kugelförmiges  Aussehen.  Die  5  vorliegenden  Exemplare  hatten  ziemlich  gleiche  Grösse  und  Gestalt. 
Die  Verhältnisse  deuten  folgende  Masse  an,  die  dem  grössten  Exemplar  entnommen  wurden:  Schirmbreite 
35  mm,  Schirmhöhe  13  mm,  Mundrohr  8,  Mundarme  34  ram.  In  der  geräumigen  Leibeshöhle  wurde  stets 
der  von  der  Exumbrella  hervorragende  Gallertzapfen  bemerkt.  Die  Exumbrella  ist  im  Scheitel  sowohl  wie 
in  der  mittleren  Zone  mit  Nesselwarzen  bedeckt,  die  verhältnissmässig  gross  genannt  werden  müssen,  die 
aber  nach  dem  Rande  zu  kleiner  werden  und  verschwinden.  In  ihrer  Form  erinnern  sie  an  diejenigen  von 
P.  noctiluca,  da  sie  einen  mittleren  Längskamm  besitzen,  doch  sind  die  Querfalten  viel  weniger  zahlreich, 


-ogc      1 1      c^- 


selir  flach  luul  treten  daher  fast  gar  nicht  liervor  (Taf.  VI,  13 — 15).  Die  Pfeiler  des  Mmidrohrswie  auch  die 
Mittelrippen  der  Arme  erscheinen  durch  sehr  kleine  im  Gegensatz  zu  P.  noctiluca  rundliche  Kesselwarzen  fein  ge- 
körnelt.  Als  Varietät  der  eben  beschriebenen  Form  betrachte  ich  eine  Pelagia,  die  südlich  vom  Fundorte  dieser 
am  22.  VI.  1882  unter  24°30'  W.  L.  u.  5°  N.  Br.  gefunden  wurde.  Dieselbe  scheint  auf  den  ersten  Blick 
wesentlich  von  jener  verschieden,  völlig  glatt  und  noch  gewölbter,  mehr  kugelig  zu  sein.  Bei  genauerer 
Betrachtung  jedoch  zeigt  sich  in  allen  wesentlichen  Merkmalen,  Dicke  der  Gallerte,  in  der  ganzen  Gestalt, 
der  Form  von  Mundrohr  und  Mundarmen  die  völlige  Uebereinstimmung  mit  der  typischen  P.  crassa.  Nur 
die  Nesselwarzen,  welche  ebenso  wie  dort  Scheitel  und  mittlere  Zone  bedecken,  ferner  den  Längskamm 
und  sehr  flache  Querfalten  erkennen  lassen,  treten,  obwohl  sie  dieselbe  Form  und  Grösse  wie  bei  der 
typischen  P.  crassa  haben ,  fast  garnicht  hervor  und  sind  gewissermassen  nur  als  Fleckenzeichnung  zu 
bemerken.  Alle  drei  am  erwähnten  Fundort  gefangenen  Exemplare  sind  durch  solche  flache  Nesselwarzen 
ausgezeichnet:  ich  halte  mich  daher  für  berechtigt,  diese  als  P.  crassa  var.  sublaevis  von  der  typischen 
Form  zu  unterscheiden. 

4.  Pelagia  phosphora  Haeckel.  Pelagia  phosphora,  sagt  Haeckel,*)  spielt  eine  dominirende  Rolle 
in  der  tropischen  und  subtropischen  Zone  des  atlantischen  Uceans  und  steht  in  der  Mitte  zwischen  P.  noc- 
tiluca und  P.  cyanella.  Daher  rechne  ich  dazu  jene  Medusen,  welche  vom  21.  Juni  bis  29.  Juli  1882' 
die  Tropenzone  des  atlantischen  Oceans  von  5°  N.  Br.  —  12"  S.  Br.  bewohnend,  gefangen  wurden.  Sie 
zeichnen  sich  vor  P.  noctiluca  aus  durch  kleinere  schwächere  Form  und  weniger  hohe  Randlappen,  kürzeres 
Mundrohr  und  längere  Arme,  gleichen  derselben  aber  in  der  Gestalt  der  Nesselwarzen.  Diese  bei  den 
meisten  Exemplaren  klein  und  rundlich  treten  bei  dem  grössten,  48  mm  Schirmbreite  messenden  Thier  in 
ähnlicher  Weise  wie  bei  P.  noctiluca  hervor  und  erinnern  in  der  speciellen  Faltung  bei  allen  auch  an  die 
Nesselwarzen  dieser.  Sie  zeigen  einen  von  vielen  Querfalten  durchsetzten  Längskamm,  doch  ist  die  Faltung 
unregelmässig  und  der  Längskamm  häufig  in  mehrere  unterbrochene  Parallelfalten  aufgelöst  (Taf.  VL  Fig.  18  u.  1 9). 
Die  gleiche  Faltung  der  Nesselwarzen  liess  eine  von  Herrn  Professor  Chun  bei  Tenerifla  erbeutete  Pelagia,  die  in 
ihrer  Färbung  ganz  der  P.  noctiluca  glich,  als  P.  phosphora  erkennen.  Der  Schirm  derselben  war  45  mm  breit 
18  mm  hoch,  die  Länge  des  Mundrohrs  betrug  15,  die  der  Mundarme  50  mm.  Die  Nesselwarzen  finden 
sich  im  Scheitel  spärlicher,  setzen  sich  aber  über  die  ganze  Exumbrella  bis  zum  Schirmrande  fort,  wodurch 
sich  P.  phosphora  von  P.  cyanella  und  P.  crassa  unterscheidet.  Von  letzterer  ist  sie  ausserdem  noch  wegen 
der  geringen  Dicke  der  Schirmgallerte  und  der  -weniger  geräumigen  Leibeshöhle  verschieden.  Der  Jlittel- 
zapfen  der  Exumbrella  ist  auch  hier  vorhanden.     Drei  wohlerhaltene  Exemplare  zeigten  folgende  Masse: 


Schirmbreite. 

Schirmliüho. 

Verhältiiiss.j 

Mundrohr. 

Mundarme. 

Verhältniss. 

\    48  mm 
3    VIT    '^'>  < 

25  mm 

2:1       I 

12  mm 

60  mm 

1:5 

(    40  mm 

15  mm 

2%:1     i 

11  mm 

45  mm 

1:4 

29.  VII.  82. )     34  mm 

14  mm 

21/2:1 

10  mm 

40  mm 

1:4 

*)  System  der  Medusen  pag.  507 


— O^        12        0®C— 


Mit  P.  phosphora  Haeckel  stimmen  diese  Thiere  ausser  in  der  Verbreitung  in  den  Grössenverhält- 
nissen  der  Organe,  in  der  Form  inid  Vertheilung  der  Nesselwarzen  überein.  Dagegen  tinde  ich,  abweichend 
von  den  Beobachtungen  Haeckels,  dass  die  Mitteh'ippe  nicht  besonders  dick  zu  nennen  ist  luid  dass  der 
Hautsaum  der  Mundarme  nur  bei  weniger  gut  erhaltenen  Thieren  sehr  schmal  erscheint. 

5.  Pelagia  minuta.  Vii.  n.  sp.  Am  gleichen  Fundort  mit  einigen  Exemplaren  der  oben  erwähnten 
P.  phosphora  am  2.  Juli  1882  bei  Pernambuco  wurden  ca.  60  Individuen  einer  kleinen  Meduse  erbeutet, 
die  ich  anfangs  für  ein  jüngeres  Stadium  jener  hielt,  nach  genauer  Untersuchung  jedoch  für  eine  besondere 
Art  ansehen  musste.  Icli  nenne  dieselbe  Pelagia  minuta,  weil  die  grössten  Exemplare  mit  wohl  ausgebildeten 
wenn  auch  noch  nicht  völlig  reifen  Gonaden  nur  eine  Schirmbreite  von  25  mm  erreichten.  P.  minuta, 
welche  der  P.  phosphora  in  ihrer  Gestalt  gleicht  und  wie  diese  auch  kleine  rundliche  Nesselwarzen  besitzt, 
zeigt  folgende  Verhältnisse. 


Schirmbreite. 

Schinnhöhe. 

Verhältniss. 

Mundrohr. 

Mundarme. 

Verhältniss. 

25  mm 

5  mm 

5:1 

7  mm 

40  mm 

1:5% 

20  mm 

6  mm 

SVa-.l 

6  mm 

20  mm 

l:3Vs 

15  mm 

5  mm 

3:1 

5  mm 

17  mm 

1:3^/5 

12  mm 

3  mm 

4:1 

5  mm 

12  mm 

1:22/5 

Hier  bestätigt  sich  die  früher  bei  P.  noctiluca  aufgestellte  Behauptung,  dass  die  Verhältnisse  von 
Mundrohr  mid  Mundarmen  wie  Schirmbreite  und  Hübe  des  Schirmes  nicht  constant  sind.  Die  Exumbrella 
ist  meist  flach,  seltener  etwas  mehr  gewölbt.  Die  Leibeshöhle  ist  daher  wenig  geräumig  und  wii'd  durch 
den  mittleren  Schirmzapfen  noch  verengt.  Die  Kandlappen  sind  breiter  als  hoch  wie  bei  P.  phosphora. 
Der  Schirm  wird  vom  Scheitel  bis  zu  den  Randlappen  gleichmässig,  sehr  dicht  von  kleinen  Nesselwarzen 
bedeckt.  Sie  stehen  dichter  als  bei  P.  phosphora  und  unterscheiden  sich  von  den  Nesselwarzen  aller  übrigen 
von  mir  beobachteten  Medusen  durch  die  auifallend  dichte  Querfaltung.  Von  P.  phosphora  sind  sie  speciell 
noch  durch  das  Fehlen  des  Längskammes  verschieden  (Taf.  VI,  Fig.  16  u.  17).  P.  minuta  als  Jugendform 
aufzufassen  nehme  ich  Anstand,  weil  niemals  von  mir  beobachtet  wurde,  dass  jüngere  Thiere  enger  gefaltete 
Nesselwarzen  als  ältere,  grössere  besassen.  Ferner  lässt  das  verhältnissmässig  lange  Mundrohr  schon  auf 
weiter  entwickelte  Thiere  schliessen  und  endlich  waren  die  angeführten  Unterschiede  auch  nachzuweisen, 
wenn  man  gleich  grosse  Exemplare  von  P.  minuta  und  P.  phosphora  verglich. 

6.  Pelagia  placenta.  Haeckel.  Unter  den  Medusen,  welche  von  Dr.  Sander,  Stabsarzt  auf  S.  M.  S. 
„Prinz  Adalbert"  gesammelt  wurden,  beschreibt  Professor  Götte*)  13  Pelagien,  eine  von  Zanzibar,  eine  von 
Callao  und  11  aus  dem  stillen  Ocean  imter  37°42'  S.Br.  und  83°25'  W.L.  von  der  Westküste  Südamerikas. 
Die  beiden  ersterwähnten  Medusen  stimmten  ihm  mit  P.  denticulata  Brandt,  die  11  letzten  besser  mit 
P.  flaveola  Eschsch.  überein.  Da  sicli  Uebergänge  bedingt  durch  Variabilität  in  der  Form  des  Schirms  imd 
in  der  Länge  von  Mundrohr  und  Mundarmen  zwischen  beiden  Formen  zeigten,  zog  er  die  später  aufge- 
stellte Art  P.  denticulata  ein  und  bestimmte  sämmtliche  Exemplare  als  P.  flaveola  Eschsch.     Herr  Professor 


*)  Sitzungsberichte  der  Königlich  Prcussischen  Academie  der  Wissenschaften  zu  Berlin.  XXXIX.  1886. 


-o®o       13       C®0- 


E.  von  Martens  hatte  die  Güte  mir  auf  meine  Bitte  von  den  erwäinaten  11  Medusen  zwei  aus  dem  Berliner 
zoologischen  Museum  zur  Vergleichung  zu  übersenden,  wofür  ich  hier  ihm  noch  einmal  meinen  herzlichsten 
Dank  sage.  Diese  beiden  Pelagien  gleichen  genau  einem  Exemplar,  welches  von  Herrn  Lieutenant  Chierchia 
auf  dem  Wege  von  Panama  nach  den  Galopagosinseln  unter  82°  W.L.  3°  N.B.  am  17.  März  1884  erbeutet 
wurde.  Der  Verbreitungsbezirk  der  erwähnten  Art  dehnt  sich  daher  auf  die  ganze  Westküste  Süd- 
amerikas aus. 

Die  mir  vorliegenden  3  Exemplare,  wenn  icli  die  von  Professor  Götte  beschriebenen  mitzähle,  zeigten 
folgende  Masse: 


Sander  12.  IV.  85. 


Schirmbreite. 

Schirinhöhe. 

Verhältniss. 

Mundrohr. 

Mundarme. 

Verhältniss. 

52  mm 

12  mm 

4V3:1 

10  mm 

30  mm 

1:3 

42  mm 

10  mm 

41/6:1 

10  mm 

30  mm 

1:3 

36  mm 

13  mm 

3:1 

6  mm 

25  mm 

1:4 

Der  Schirm  ist  demnach  flach  scheibenförmig,  ungefähr  4  mal  so  breit  als  hoch,  das  Mundrohr 
'/a  —  Vi  so  lang  als  der  Schii-mradius.  Dieselben  Verhältnisce  beschreibt  Haeckel  bei  P.  placenta.  Die  Mund- 
arme sind  dünn,  3 — 4  mal  so  lang  als  das  Mundrohr  und  erreichen  ^fi  der  Länge  des  Schirmdurchmessers. 
I\Iir  scheint  es  kein  wesentlicher  Unterschied  wenn  für  P.  placenta  von  Haeckel  angegeben  wird:  „Mundarnie 
4  mal  so  lang  als  das  Mundrohr  und  doppelt  so  lang  als  der  Schirmradius."  Alle  von  Professor  Götte 
beobachteten  Medusen,  die  er  zu  P.  flaveola  rechnet,  hatten  nur  sehr  kleine  Nesselwarzen.  Ich  schliesse 
dieses  daraus,  dass  er  bei  der  Beschreibung  gar  nicht  von  Nesselwarzen,  sondern  von  einem  „Zottenbesatz 
der  Exumbrella"  spricht,  von  dem  er  angiebt,  „dass  er  bei  allen  ihm  vorliegenden  Exemplaren  der  gleiche 
zu  sein  scheint."  Erwägt  man  nun,  dass  auch  hier  die  Nesselwarzen  sehr  klein  und  zahlreich  sind,  nicht 
besonders  autfallen,  so  dass  das  Thier  fast  glatt  erscheint  und  sich,  wie  auch  bei  P.  placenta  hervorgehoben 
wird,  an  P.  discoidea  Eschsch.  anschliesst,  so  muss  man  die  genaue  Uebereinstimmung  unserer  und  der  von 
Professor  Götte  als  P.  flaveola  beschriebenen  Meduse  mit  P.  placenta  wohl  anerkennen.  Ueber  die  specielle 
Gestalt  der  Nesselwarzen  kann  ich  nichts  Genaues  angeben,  da  mir  nur  ein  Exemplar  zur  Verfügung  stand, 
welches  in  dieser  Hinsicht  nicht  genügend  erhalten  war.  (Taf.  VI,  Fig.  20). 

Pelagia  flaveola  und  P.  denticulata  aber,  die  ich  allerdings  nur  nach  der  Beschreibung  Haeckels 
kenne,  können  unmöglich  mit  unserer  Pelagia  von  der  Westküste  Südamerikas  identiflcirt  werden.  Bei 
P.  denticulata  ist  der  „Schirm  annähernd  kugelig,  ebenso  hoch  als  breit,  die  Nesselwarzen  sind  gross,  lang- 
gesti-eckt,  die  ganze  Oberfläche  bedeckend.  Die  Mundarme  sind  etwa  6 — 8mal  so  lang  als  das  Mundrohr 
fast  doppelt  so  lang  als  die  Schirmbreite."*)  Bei  P.  flaveola  Eschsch.  ist  der  Schirm  flach  gewölbt  bis  halb- 
kugeHg,  das  Mundrohr  sehr  kurz,  die  Mundarme  sind  kurz,  die  Nesselwarzen  der  Exumbrella  sehr  gross 
und  dichtstehend,  und  Eschscholtz  **)  sagt  selbst  von  ihnen,  dass  sie  ,.grosse  krystallhelle  aufrechtstehende 
Warzen  von  einer  Linie  Länge"  bilden.     P.  placenta  unterscheidet  sich  also  von  P.  flaveola  und  P.  discoidea. 


*)  Haeckel,  System  der  Medusen  pag.  508. 
**)  Eschscholtz,  System  der  Acalephen     ag.  76. 


— o®o       14      ogo— 

deren  Identität  keineswegs  erwiesen  ist,  abgesehen  von  dei-  verschiedenen  Gestalt  besonders  durcli  ihre 
Kesselwärzen,  welche  sehr  klein  sind,  während  die  von  P.  denticulata  gross,  die  von  P.  flaveola  sehr  gross 
genannt  werden. 

Ausser  P.  placenta  könnte  zum  Vergleich  mit  unserer  fraglichen  Meduse  nur  noch  P.  panoi>yra 
herangezogen  werden,  die  im  Tropengürtel  des  pacitischen  Oceans  von  Australien  bis  Peru,  also  auch  an 
der  südamerikanischen  Küste  beobachtet  ^^•urde,  falls  nicht  eine  Verwechselung  beider  Formen  vorliegt.  Von 
P.  panopyra  aber  unterscheidet  sich  unsere  P.  placenta  durch  die  bedeutend  kleineren  Nesselwarzen,  welche 
bei  jener  nur  klein  zu  nennen  sind,  wie  bei  P.  phosphora.  Ausserdem  aber  sind  bei  P.  panopyra  auch 
Mvmdrohr  iind  Mundarme  bedeutend  länger  und  die  Randlappen  fast  quadratisch,  während  sie  bei  P.  placenta 
doppelt  so  breit  als  hoch  und,  wie  auch  Götte  beobachtete,  nicht  deutlich  zweilappig  sind.  P.  placenta, 
welche  nach  Haeckel  bisher  im  Philippinenmeer  und  im  Gebiet  der  Carolineninseln  beobachtet  wurde,  ist 
demnach  die  doniinirende  Form  an  der  ganzen  Westküste  Südamerikas. 

7.  P.  panopyra.  Peron  et  Lesueur.  P.  panopyra  wurde  am  4.  und  5.  August  1884  im  paci- 
fischen  Ocean  zwischen  Handwichinseln  und  Carolinen  unter  167"  30'  östl.  L.  und  17"  nördl.  Br.  in  wenigen 
Exemplaren  gesammelt,  von  denen  nur  eines  genügend  entwickelt  und  erhalten  war.  Dasselbe  zeigt  folgende 
Verhältnii^se: 


Schirmbreite.i  Sebirmhöhe.  ]  Verhältuiss. ''    Mundrohr. 


Mundarm.      Verbältniss. 


27  mm    I      6  mm         41/2:!     1    15  mm    !     27  mm    |      l:l*/5 

Wenn  die  übrigen  Masse  auch  nicht  genau  mit  der  Beschreibung  Haeckels  stimmen,  so  ist  doch 
diese  Meduse  vor  allen,  die  mir  vorlagen,  durch  das  lange  Mundrohr  ausgezeichnet.  Die  Nesselwarzen  sind 
klein  und  rundlieh  wie  bei  P.  phosphora,  auch  erinnern  sie  an  die  dieser  atlantischen  Meduse  in  ihrer 
speciellen  Faltung,  welche  allerdings  von  mir  nur  bei  einem  Exemplar  untersucht  werden  konnte  (Taf  VI, 
Fig.  21).  Die  rundlich  erscheinenden  Nesselwarzen,  ebenso  wie  das  küi-zere  Mundrohr,  die  küi'zeren  Mund- 
arme  und  die  flache  scheibenförmige  Gestalt  des  Schirms  erkläi-en  sich  leicht  aus  dem  geringen  Alter 
des  Thiers,  da  dieses  an  Grösse  um  die  Hälfte  hinter  den  von  Haeckel  beschriebenen  Exemplaren 
zurückbleibt.  Die  Aehnlichkeit  mit  P.  phosphora  wird  auch  von  Haeckel  bei  P.  panopyra  erwähnt  und 
daher  glaube  ich  nicht  zu  irren,  wenn  ich  die  vorliegende  Meduse  mit  dieser  Art  identificire. 

Chrysaora.   Perou  et  Lesueur. 

Die  Kenntniss  der  Gattung  Chrysaora  hat  durch  die  Expedition  des  „Vetter  Pisani"  ebenfalls  eine 
nicht  unbedeutende  Bereicherung  erfahren.  Unter  den  4  gesammelten  Arten  findet  sich  eine  neue,  während  eine 
zweite,  die  nur  ungenügend  bekannt,  zu  den  Verschollenen  zu  rechnen  war,  wieder  aufgefunden  worden  ist. 

8.  Chrysaora  mediterran ea.  Peron  et  Lesueur.  Der  ausführlichen  Schilderung  von  Haeckel 
ist  kaum  etwas  hinzuzufügen.  Die  6  mir  vorliegenden  Exemplai-e  wurden  bei  Gibraltar  gesammelt.  Der 
Verbreitungsbezirk  von  Ch.  mediterranea ,  die  ja  von  Haeckel  bei  Smyrna  und  Constantinopel,  ferner  bei 
Triest,  Lesina,  Nizza  und  Marseille  beobachtet  wurde,  ist  daher  über  das  ganze  Mittelmeer  ausgedehnt.  Bei 
der  Vergleichung   ergab    sich  in  den  meisten  der  angeführten   Merkmale  die  £,enaue  Uebereinstimmung  mi 


-:®o     15    ogjo- 

der  Beschreibung  von  Haeckel,  doch  fand  ich,  (Uiss  einige  seiner  Oharactere  niclit  ganz  constant  sind.  So 
zeigte  es  sich  zaweikni,  dass  ÖciUar-  und  Tentacuhirlappen  gleich  breit,  dass  die  ocularen  Taschen  in  der 
Mitte  ebenso  breit  wie  die  tentacuLaren  und  die  Mundarme  nur  so  lang  als  der  Schirmdurchmesser  waren. 
Dieses  aber  sind  nach  Haeckel  Merkmale  für  Cii.  isosceles.  Die  Chrysaora  von  Gibraltar  nähert  sich  also 
in  gewisser  Hinsicht  der  Ch.  isosceles  Eschsch.  und  daher  scheint  es  mir  nicht  unwahrscheinlich,  dass  Claus, 
der  beide  Arten  für  identisch  erklärt,  schliesslich  Recht  behält. 

9.  Chrysaora  Blossevillei.  Lesson  (Taf.  I,  Fig.  3).  Chrysaora  Blossevillei  wurde  bei  der  Welt- 
umsegelung der  „Coquille'-  an  der  Küste  von  Brasilien  entdeckt,  1829  von  Lesson  beschrieben  und  abgebildet.*) 
Seither  ist  dasThier  nicht  wieder  aufgefunden  worden,  hat  jedenfalls  nicht  mit  Sicherheit  wiedererkannt  werden 
können.  Mir  liegen  zwei  Medusen  vor,  bei  Pernambuco  im  Juli  1S82  gesammelt,  die  ich  für  unzweifelhaft  iden- 
tisch mitCh.  Blossevillei  halten  muss.  Der  Schirm  ist  flach,  -Imal  so  breit  als  hoch,  die  Exumbrella  gleichmässig, 
sehr  dicht  mit  sehr  kleinen  runden  Xesselwarzen  besetzt.  Die  Mundarme  sind  auffallend  kurz,  lanzettlich 
und  stumpf  gelappt,  ähnlich  wie  Lesson  es  abbildet,  obwohl  er  sie  federartig  gelappt  nennt.  Der  flache 
Schirm,  die  runden  Nesselwarzen,  welche  ja  nach  Lesson  länglich  sein  sollen,  ebenso  wie  die  kurzen  Mund- 
arme sind  wol  zu  erklären  durch  das  geringe  Alter  dieser  beiden  Thiere.  Sie  haben  nur  eine  Schirmbreite 
von  28  und  37  mm.  Die  Randlappen,  tentaculare  wie  ocuiare,  sind  gleich,  etwas  höher  als  breit.  Die  Aus- 
buchtung des  Randes,  welche  der  Mitte  einer  Magentasche  ent.spriclit,  und  demnach  entweder  ein  Rhopalium 
oder  einen  mittleren  Tentakel  trägt,  ist  doppelt  so  tief  als  diejenige,  welche  in  der  Richtung  der  Magensepten 
auftritt  und  einem  seitlichen  Tentakel  zur  Anheftung  dient.  Daher  kommt  es  —  was  übrigens  bei  jeder 
Chrysaora,  wenn  auch  weniger  deutlich  zu  beobachten  ist,  da  die  Rhopalien  und  mittleren  Tentakeln  immer 
tiefer  als  die  seitlichen  stehen  —  dass  der  Rand  aus  16  grösseren  Lappen,  je  einer  zwischen  Rhopalien  und 
mittlerem  Tentakel,  zusammengesetzt  ei'scheint,  von  denen  jeder  durch  die  weniger  tiefe  Einbuchtung  für 
einen  seitlichen  Tentakel  wieder  in  zwei  kleinere  Lappen,  die  ocularen  und  tentacularen  Randlappen  getheilt 
wird.  Darauf  beruht  die  Nachricht  von  der  doppelten  Reihe  der  Randlappen,  welche  Agassiz  veranlasste, 
die  neue  Gattung  Lobocrocis  aufzustellen**",  Avährend  sie  Haeckel  zu  der  Vermuthung  führte,  dass  Lesson 
eine  marginale  Faltung  oder  Zeichnung  der  Exumbrella  für  Randlappen  gehalten  hätte*''''").  Endlich  halte 
ich  die  Vermuthung  Haeckels  für  zutreibend,  dass  auch  Zygonema  volutata  mit  Ch.  Blossevillei  identisch  ist. 
Agassiz  sagt  von  dieser  Meduse****):  „All  the  Segments  between  the  eyes  show  four  larger  lobes  subdi^^ded 
by  shallow  indentations  from  which  arise  four  tentacles."  Es  finden  sich  hier  -i  gleichartige  Randlappen 
zwischen  zwei  Rhopalien,  die  „shallow  indentations"  dagegen  kann  ich  nicht  erkennen,  sie  treten  vielleicht 
erst  bei  älteren  Thieren  auf.  Andererseits  sind  in  einem  Octanten  statt  der  bei  Chrysaora  üblichen  3  Ten- 
takeln in  der  That  4  vorhanden  (Taf.  I,  Fig.  3.  x.)  Die  darauf  bezüghche  Angabe  von  Agassiz  dürfte 
daher  wol  stimmen  und  es  ist  anzunehmen,  dass  demselben  ein  abnorm  ausgebildetes  Exemplar  vorlag. 
Erklären  lässt  sich  diese  Bildung  in  der  Weise,  dass  in  der  Einbuchtung  zwischen  (_)cularlappen  und  dem 
accessorischen  Läppchen,    welches    das  Septum  der  Radialtaschen    von   jenem    abtrennt,    zuweilen  ein  neuer 


*)  Duperrey,  Voyage  de  „la  Coquille".     Zool.  pag.  185  PI.  XIII.  Fig.  2.     Paris  1826  u.  1830. 
**)  Agassiz,  Contributions  to  the  natural  history  of  the  Uniteil  States  IV  p.  166. 
***)  Haei-kel,  System  der  Medusen  pag.  Ü14. 
****)  Contributions  to  the  natural  history  of  the  United  States  IV  pag.  127. 


— 0®0        16        0®O— 

Tentakel  entstehen   kann.      Dabei    müssten    allerdings   iu  jedem    Octanten  5  Tentakeln    sich   finden,    doch 
konnten  bei  abnormer  Ausbildung  einzelne  derselben  unterdrückt  werden. 

10.  Chrysaora  plocamia  Haeckel.  Eine  bei  Puntas  Arenas  m  Patagonien  gesammelte  Chrysaora 
bestimme  ich  als  Ch.  plocamia.  die  von  Lesson  im  gleichen  Gebiet,  an  der  pacifischen  Küste  von  Südamerika 
entdeckt  wiirde.  Sie  hat  halbkreisförmige  Randlappeu  und  besitzt  auch  die  dieser  Art  eigenthümlichen, 
verhältnissmässig  kurzen,  gardinenartigen  Mundarme.  Die  Randlappen,  oculare  wie  tentaculare,  sind  ziemlich 
von  gleicher  Grösse  und  anscheinend  gleichweit  vorspringend.  Die  Radialtaschen  sind  sämmtlich  gleich  breit 
von  ihrer  Basis  bis  zur  halben  Länge,  dann  erweitern  sich  die  Oculartasclien  allmählich  vmd  erreichen  ihre 
grösste  Breite  in  der  Zone  dicht  unter  den  Rhopalien.  Vo  da  ab  verengern  sie  sich  in  gleicher  Weise  bis 
zur  Höhe  der  seitlichen  Tentakeln.  Die  Septen  wenden  sich  nun  unter  stumpfem  Winkel  in  radialer 
Richtung  dem  Rande  zu,  so  dass  die  ocularen  Taschen  dort  ungefähr  halb  so  breit  als  die  tentacularen 
werden.  Das  vorliegende  Exemplar  hat  eine  Schirmbreite  von  83  mm ;  die  wol  nicht  vollständig  erhaltenen 
Mundarme  sind  kaum  so  lang  als  der  Durchmesser.  Die  Gallerte  der  ExumbreUa  ist  weniger  fest  und  auch 
die  breiten  gardinenförmigen  Mundarme  sind  weniger  kräftig  als  bei  Ch.  mediterranea.  Eine  Sternzeichnimg 
auf  der  Exumbrella  ist  nicht  zu  erkennen,  sie  scheint  durch  die  Conserviruug  zerstört  zu  sein. 

11.  Chrysaora  chinensis.  Vh.  n.  sp.  Diese  bisher  nicht  beschriebene  Art  wurde  im  Oktober 
1884  im  südchinesischen  Meer  in  der  Nähe  von  Hongkong  entdeckt.  Das  einzige  mir  vorliegende  Exemplar  hat 
eine  Schirmbreite  von  70  mm  bei  30  mm  Höhe.  Die  Exumbrella  ist  mit  zahlreichen  sehr  kleinen  Warzen, 
die  schuppenartig  hervorragen,  vom  Scheitel  bis  zu  den  Randlappen  dicht  besetzt.  Oculare  und  tentaculare 
Randlappen  springen  gleich  weit  vor  und  haben  auch  gleiche  Breite.  Beide  sind  höher  als  breit  und  endigen 
mit  stumjjfer  Spitze,  da  ihre  Ränder  beiderseits  weit  nach  innen  umgeschlagen  sind.  Der  vom  Ocularlappen 
durch  die  geschweiften  Septen  abgetrennte  Theil  ist  deutlich  von  dem  übrigen  Randlappen  unter  stumpfem 
Winkel  abgesetzt  und  erreicht  nur  die  halbe  Höhe  des  ganzen.  Dieser  Umstand  bedingt,  dass  die  Ocular- 
lappen schmäler  und  spitzer  als  die  tentacularen  erscheinen.  Die  Radialtaschen  sind  an  ihrer  Basis  unter 
einander  gleich  breit.  Die  Septen,  welche  eine  oculare  Radialtasche  einschliessen,  verlaufen  fast  bis  zum 
letzten  Drittel  gerade,  sind  dann  ausgeschweift,  da  sich  die  Oculartaschen  bis  zur  doppelten  Breite  der 
tentacularen  erweitern.  Im  letzten  Viertel  ihres  Verlaufs  nähern  die  Septen  sich  wieder,  so  dass  die 
Oculartaschen  distal  nur  halb  so  breit  als  die  Tentaculartaschen  werden.  Die  Mundarme  messen  mehr  als 
250  mm,  sind  daher  S'/oinal  so  lang  als  der  Schirmdurchmesser.  Nahe  der  Mundöftnung  sind  sie  fast  so 
breit  wie  der  Schirmi-adius  und  könnten  gardinenförmig  genannt  werden,  da  die  Mittelrippe  schwach  und 
der  Faltensaum  dünn  ist.  Schon  in  der  Peripherie  des  Schirms  aber  sind  die  Arme,  wenn  man  sie  seitlich 
ausbreitet,  bis  zu  Va  des  Schirmradius  verschmälert  und  bleiben  dann  von  gleichmässiger  Breite.  Eine 
Sternfigur  der  Exumbrella  ist  bei  dem  conservirten  Exemplar  nicht  zu  erkennen ;  sie  scheint  nur  dadurch 
angedeutet,  dass  die  Warzen  der  Exumbrella  in  den  Falten  des  Schirms  besser  erhalten  sind. 

Chrysaora  chinensis  unterscheidet  sich  nach  dieser  Beschreibung  von  den  ähnlichen  Arten  durch  die 
deutlich  hervortretenden  Warzen,  die  nur  noch  bei  Ch.  Blossevillei  erwähnt  werden.  Die  sehr  langen  Mund- 
arme, wie  sie  sich  bei  Ch.  calliparea  finden,  machen  eine  Verwechslung  mit  Ch.  melanaster  unmöglich,  die 
ausserdem  zungenförmige  distal  sich  verbreiternde  Randlappen  besitzt.  Vor  Ch.  calliparea  zeichnet  sie  sich 
durch  die  hohen,  spitzen  Randlappen  aus. 


-0^       1 7      c-gjo- 


Desmonema.   L.  Agassiz. 

Das  Genus  Desmonema  wurde  1862  von  L.  Agassiz  flu-  Cbrysaora  Gaudichaudi  Lesson  gegründet. 
Die  Beschreibung  und  Abbildung  dieser  Meduse  war  jedoch  so  ungenau,  dass  Agassiz  die  Zusammen- 
gehörigkeit dieser  Art  mit  einer  später  am  gleichen  Fundorte  unweit  der  Küste  des  Feuerlandes  entdeckten 
nicht  erkannte  und  für  die  letztere  eine  neue  Gattung  aufstellte,  der  er  nach  ihrem  Entdecker  den  Namen 
Couthouyia  gab.  Ohne  Zweifel  aber  bestätigt  sich  die  Vermuthung  Haeckels,  dass  beide  Thiere  nächst- 
verwandt sind  und  höchstens  verschiedene  Ai-ten  derselben  Gattung  bilden. 

L.  Agassiz  characterisirt  das  Genus  Couthouyia  folgendermassen*):  Cyanea  ähnhche  Medusengattung 
mit  16  breiten  Eadialtaschen,  8  grossen  Tentakelbündeln,  4  langen  Mundarmen  ähnlich  denen  von  Chrysaora. 
Die  Tentakeln  sind  in  einer  Reihe  geordnet  und  stehen  parallel  dem  Rande  der  8  tentacularen  Randlappen, 
während  sie  sich  bei  Cj'anea  um  die  zwischen  zwei  Rhopalien  gelegenen  Randlappenausschnitte  gruppiren. 
Die  ocularen  Lappen  sind  von  den  tentaciUaren  deutlich  abgesetzt.  Die  Radialtaschen  sind  untei-einander 
fast  gleich  breit,  nicht  so  vmgleich  wie  bei  Cyanea,  und  die  Gonaden  hängen  nicht  so  weit  wie  bei  dieser  herab. 
Die  angeführten  Unterschiede  genügen  jedenfalls,  eine  neue  Gattung  neben  Cyanea  aufstellen  zu 
lassen.  Zu  dieser  Gattung  Desmonema  gehört  nun  auch  eine  Semaeostome,  welche  von  Lieutenant  Chierchia 
bei  Puntas  Arenas  gesammelt  wurde. 

Haeckel  aber  giebt  folgende  Genusdiagnose  für  Desmonema**):  „Cyanide  mit  8  Sinneskolben  und 
mit  zahlreichen  Tentakeln,  welche  8  adradiale  Bündel  an  der  Subumbrella  bilden;  alle  Tentakeln  eines 
Bündels  in  einer  Reihe  nebeneinander.     (Schirmradius  mit  8  Haupt-  und  16 — 32  Nebeulappen.)" 

Dieselbe  ist  nicht  brauchbar,  da  sie  kein  wesentliches  Merkmal  enthält.  8  Sinneskolben  und  8  Ten- 
takelbündel kommen  in  gleicher  Weise  jeder  Cyanea  zu  und  in  einer  Reihe  angeordnete  Tentakeln  lassen 
sich  bei  den  meisten  jüngeren  Exemplaren  von  Cyanea  ebenfalls  constatiren.  Wie  ich  an  zahlreichen 
Exemplaren  von  C.  capillata  aus  der  Danziger  Bucht  beobachtete,  tritt  zuerst  die  dem  Centi-um  zunächst 
liegende  Reihe  von  Tentakeln  allein  auf,  denen  sich  später  bei  grossen  Thieren  zwischen  dieser  Reihe  und 
dem  Schirmrande  neue  Reihen  schwächerer  Tentakeln  hiuzugesellen.  Dem  einzigen  brauchbaren  Merkmal, 
den  8  Hauptlappen  und  16 — 32  Nebenlappen,  legt  Haeckel  keinen  Wcrth  bei  und  stellt  es  daher  in  Klam- 
mern. Dieses  geschieht  wol,  weil  es  für  die  von  ihm  neu  beschriebene  Art  Desmonema  Annasethe  nicht 
zutrifft  Desmonema  Annasethe  aber  gehöi-t  garnicht  zum  Genus  Desmonema,  sondern  ist  eine  echte  Cyanea. 
Sie  hat  mit  Desmonema  niu-  die  einreihigen  Tentakelbündel  gemein,  die  jedoch  wie  oben  erwähnt  auch 
bei  jüngeren  Thieren  von  Cyanea  capillata,  selbst  noch  bei  Exemplaren  von  70  mm  Durchmesser  sich  finden 
und,  wie  ich  glaube,  bei  allen  Cyaneaarten  in  gewissem  Stadium  beobachtet  werden  können.***)  Im 
Uebrigen  besitzt  sie  wie  Cyanea  8  grossere  Randlappen,  die,  durch  die  Rhopalienbucht  getheilt,  in  16  kleinere 
zerfallen  und  von  denen  sich  die  Ocularlappen  nur  wenig  absetzen.  Ferner  sind  auch  ihre  Mundarme 
gardinenartig,    die  Gonaden  tief  herabhängend    und  die  Tentakeln  tief  in  die  Musculatur  der  Subumbrella 


*)  1.  c.  pag.  118. 
**)  1.  c.  pag.  526. 

***)  Haaete  erwähnt  einreihige  Teutakelbündel  bei  Jugemlformen  von  Cj'anea  Müllerianthe.    W.  Haacke,  die  Syphomedusen 
des  S  .  Vincent  Golfes.    Jenaisehe  Zeitschrift  für  Naturwissenschaft  Bd.  XX.     Jena  1887.    pag.  613. 

3 


-=ä!o      18      ofeV- 

hiiiein  gerückt,  wo  sie  in  hoch  nach  innen  gewölbtem  Bogen  den  Ausschnitt  zwischen  zw-ei  grossen  Lappen 
umgeben.     Desmonema  Annasethe  muss  daher  richtig  Cyanea  Annasethe  heissen. 

Aus  denselben  Gründen  ist  auch  Desmonema  imporcata  Haeckel  aus  der  Gattung  Desmonema  zu 
entfernen.  Auch  sie  hat  gardinenturmige  Jlundarme,  herabhängende  Gonaden  und  getheilte  Tentacularlappen 
wie  iede  Cyanea.  Wir  geben  ihr  daher  den  alten  Namen  Cyanea  imporcata  wieder  zurück,  der  ihr  1865 
von  Norman  beigelegt  wurde. 

Die  wesentlichen  Merkmale  für  die  Gattung  Desmonema  dagegen  gab  schon  Agassiz  an,  als  er  das 
Genus  Couthouyia  beschrieb.  Ich  fasse  dieselben  in  folgender  Diagnose  zusammen.  Desmonema:  Cyanide 
mit  8  Sinneskolben,  8  Tentakelbündeln,  8  tentacularen  und  16  ocularen,  von  jenen  deutlich  abgesetzten 
Randlappen.  Die  Tentakeln  stehen  in  einfacher  Keihe  an  der  Basis  der  Tentakularlappen.  Die  Mundarme  sind 
ki'äftig  aus  breiter  Basis  verschmälert.    Die  Gonaden  sind  kurz,  hängen  nicht  so  weit  wie  bei  Cyanea  herab 

12.  Desmonema  Chierchiana.  Vh.  n.  sp.  (Taf.  I,  Fig.  4).  Nachdem  wir  nachgewiesen  haben,  dass 
Desmonema  Annasethe  und  D.  imporcata  zur  Gattung  Cyanea  gehören,  bleiben  nur  noch  2  schon  beschriebene 
Arten  von  Desmonema  übrig:  D.  Gaudichaudi  L.  Agassiz  undD.  pendula  Haeckel.  Die  Beschreibung  und  Ab- 
bildung der  ersteren  durch  Lesson*)  sind  jedoch  so  ungenau  und  wenig  deutlich,  dass  wahrscheinlich  niemals 
eine  Meduse  sicher  mit  dieser  wird  identiticirt  werden  können.  Auch  bei  der  kurzen  Beschi-eibung  der 
letzteren,  seiner  Couthouyia  pendula  giebt  Agassiz  fast  nur  Gattungsmerkmale  an.  Obwohl  nun  die  Mög- 
lichkeit nicht  geleugnet  werden  kann,  dass  das  mir  vorliegende  Exemplar  von  Desmonema  vielleicht  mit 
einer  der  beiden  erwähnten  Arten  identisch  ist,  oder  dass  selbst  alle  3  nur  Varietäten  einer  einzigen  Art 
sind,  so  sehe  ich  mich  doch  genötliigt,  auf  Grund  gewisser  Unterschiede  für  dasselbe  eine  neue  Art  auf- 
zustellen, die  ich  D.  Chierchiana  nenne. 

D.  Chierchiana  unterscheidet  sich  von  D.  Gaudichaudi  durch  kürzere  Mundarme,  durch  die  breiten 
sanft  gerundeten,  nicht  abgerundet  dreieckigen,  vorspringenden  Tentakellappen,  die  in  der  Abbildung  der 
letzteren  auch  höher  erscheinen ,  und  durch  die  deutlich  hervortretenden  Ocularlappen.  D.  pendula  aber 
scheint  von  jener  besonders  durch  ihre  ausserordentlich  langen  Mundarme  verschieden  zu  sein. 

Die  beiden  mir  vorliegenden  Exemplare  dieser  neuen  Art  wurden  im  November  1883  bei  Puntas 
Arenas  gesammelt.  Das  grössere  von  ihnen  hat  eine  Schirrabi-eite  von  140  mm  und  ist  50  mm  hoch.  Die 
Mundarme  sind  kräftig,  ähnlich  wie  bei  Chrysaora  gebildet.  Sie  sind  in  der  Nähe  des  Mundes  schmal, 
verbreitern  sich  dann  und  erreichen  die  grösste  Breite  in  der  Peripherie  der  Mundpfeiler.  Von  dort  nehmen 
sie  allmählich  an  Breite  ab,  bis  sie  in  der  Peripherie  der  Randlappen  plötzlich  ganz  schmal  werden.  Sie 
überragen  die  Randlappen  nur  wenig  und  lu^ben  eine  Länge  von  HO  mm  =  1'/.,  Schirnn-adien.  Die  Gonaden 
sind  schwach  gefaltet  und  treten  ähnlich  wie  bei  Pelagia  nur  wenig  zwischen  den  Mundpfeilern  hervor. 
Die  Subumbrella  ist  in  16  ziemlich  gleichmässig  breite  Felder  durch  gerade  Septen  getheilt  nnd  durch 
kräftige,  gleichmässige  Ringmuskulatur  ausgezeichnet.  Lappenmuskel  senkrecht  zur  Ringmuskulatur  wie  sie 
bei  Cyanea,  auch  bei  C.  Annasethe  sich  finden,  fehlen  hier  vollständig.  Der  Schirmrand  wird  von  8  halb- 
kreisförmig liervortretenden  Tentacularlappen  und  mit  ihnen  abwechselnd  von  8  Paar  deutlich  abgesetzten, 
jedoch  weniger  hohen  Ocularlappen  gebildet.    Die  Tentacularlappen  sind  ungefähr  3  mal  so  breit  wie  jeder 


*)  Duperrey,  Voyage  de  „la  Coquille."  pag.  114.  PI.  XIII.  Paris  1S26  u.  lÖ&O. 


-  o©o      19      ogo— 

einzelne  Oculailapiien.  An  der  Grenze  zwisclien  der  ^Musciilatur  der  Suburabrella  und  den  Tentacularlappen 
stehen,  die  Basis  der  letzteren  bezeiclniend,  kräftige,  verschieden  zahlreiche  Tentakeln  zu  8  einreihigen 
Bündeln  geordnet.  In  jedem  Bündel  linden  sich  zwischen  10 — 14  gleichmässig  starken  Tentakeln  zuweilen 
einzelne  schwächere.  Bei  D.  Gaudichaudi  scheinen  nach  der  Abbildung  Lessons  nicht  mehr  als  f)  Tentakeln 
in  jedem  Bündel  aufzutreten,  obwohl  das  Thier  100  mm  Schirmbreite  erreicht,  also  an  Grösse  nicht  sehr 
weit  hinter  dem  mir  vorliegenden  zurückbleibt.  Die  Tentakelreihe  schliesst  sich  hier  wie  bei  Cyanea  an 
die  Muskulatur  der  Subumbrella  au,  bildet  aber  bei  letzterer,  da  noch  Lappenmuskeln  hinzutreten,  einen 
hohen  nach  aussen'  geöffneten  Bogen,  während  sie  bei  D.  Chierchiana  der  Peripherie  der  Subumbrella  folgt. 
Die  Exumbrella  ist  wie  bei  D.  Gaudichaudi  sehr  glatt,  hat  aber  weder  Federstreifung  noch  irgend  welche 
andere  Zeichnung. 

Eine  zweite  kleinere  Meduse  vom  gleichen  Fundort  gehört  meiner  Ansicht  nach  zu  der  eben  be- 
schriebenen Art.  Der  Schirm  ist  55  mm  breit  und  nur  wenig  gewölbt.  Die  Mundarme  erscheinen  weniger 
kräftig,  mehr  gardinenartig  als  bei  der  grösseren  Form.  Muskulatur  und  Randlappen  sind  wie  bei  dieser 
gebildet  und  die  Gonaden  sind  ebenso,  mu-  in  Anbetracht  der  geringen  Grösse  weit  entwickelt.  Der  einzige 
Unterschied,  der  dieses  Exemplar  auszeichnet  ist  die  geringere  Anzahl  von  Tentakeln.  Es  finden  sich 
nämlich  in  jedem  Bündel  nur  3 — 5  kräftige  Tentakeln  in  der  Mitte,  an  welche  sich  auf  jeder  Seite  2 — 3 
schwächere  anschliessen.  Die  verschiedene  Stärke  derselben  deutet  zeitlich  verschiedenes  Auftreten  an,  und 
da  wir  auch  bei  der  grösseren  Meduse  solche  schwächere  Tentakeln  zwischen  stärkeren  beobachteten,  so  ist 
der  Schluss  berechtigt,  dass  hier  eine  Jugendform  vorliegt,  die  sich  von  der  erwachsenen  nur  durch  geringere 
Anzahl  von  Tentakeln  allein  unterscheidet.  Von  Medora  reticulata  Couthou}-  aber,  in  der  Haeckel  eine 
Jugendform  von  C(.iuthouyia  pendula  vermuthet,  ist  unsere  Meduse  verschieden.  Die  geringere  Anzahl  von 
Tentakeln  ist  allerdings  unwesentlich,  dagegen  lässt  sich  die  Stellung  der  drei  Tentakeln,  einer  in  der  Mitte 
vmd  zwei  an  den  Seiten  des  Tentacularlappens  nicht  mit  dem  Befunde  bei  dieser  in  Einklang  bringen, 
selbst  wenn  man  keinen  Werth  auf  die  Angabe  Agassiz's  legen,  dass  die  Tentacularlappen  in  zwei  kleinere 
Lappen  getheilt  seien  und  diese  Bildung  durch  Zerreissimg  grösserer  Lapi^en  erklären  wollte.  Bei  der 
jugendlichen  D.  Chierchiana  sind  die  Tentacularlappen  ungetheilt  luid  die  grössten  Tentakeln  stehen  dicht 
neben  einander  in  der  Mitte  des  Lappens. 

A  u  r  e  1  i  a. 

Es  ist  allgemein  bekannt,  dass  unsere  so  häufige  A.  aurita  höchst  variabel  ist  und  zahlreiche  Mon- 
strositäten bildet.  So  wurden  von  mir  ausser  den  regelmässig  4 strahligen  Formen  der  Ostsee  auch  ein 
5strahliges  Exemplar  und  nicht  selten  6strahlige  Thiere  beobachtet.  Ferner  ist  das  Canalnetz  bei  A.  aurita 
keineswegs  immer  gleichartig  gebildet,  sondern  es  finden  sich  statt  der  3  regelmässig  in  jedem  Genitalsinus 
auftretenden  Kanäle,  einem  interradialen  verästelten  und  zwei  einfachen  adradialen,  ausnahmsweise  5  wie  bei 
A.  colpota,  da  die  beiden  seitlichen  Aeste  des  Interradialcanals  zuweilen  vom  mittleren  Stamm  abgetrennt 
sind.  Ausserdem  beobachtete  ich,  dass  die  gewöhnlich  unverästelten  Adradialcanäle  nicht  nur  dui'ch  Ana- 
stomosen mit  den  Aesten  des  interradialen  Canals  wie  bei  A.  colpota  verbuntlen  sein,  sondern  selbst  kräftige 
Aeste  nach  der  Peripherie  entsenden  können,  die  ihi'erseits  wie  es  von  A.  hyalina  bekaimt  mit  dem  inter- 
radialen   Canalsystem    communiciren.     Die   Unregelmässigkeit   des    Canalsystems    bei  A.    flavidula,    welche 

3* 


-o®o       20       0®C- 

erwachsen  7  Canalwurzeln  in  jeder  GenitalLuclit  besitzen  soll,  wird  von  Agassiz  ausführlich  beschrieben  und 
ist  auch  in  der  Abbildung  erkennbar.  Unterschiede  in  der  Verästelung  des  Canalnetzes  sind  daher  als 
Artmerkmale  nur  mit  grosser  Vorsicht  zu  brauchen.  Auch  die  übrigen  Charactere,  auf  welche  gewöhnlich 
Werth  gelegt  wird ,  wie  grössere  oder  geringere  Tiefe  der  Ocularbucht  und  Verhältniss  von  Mundarmen 
und  Genitalradius  zum  Schirmdurchmesser  bedürfen  meiner  Ansicht  nach  genauerer  Prüfung.  Wie  es  mit 
der  Trennung  der  beiden  Subgenera  Aureletta  und  Aurelissa  steht,  will  ich  dahin  gestellt  sein  lassen,  da 
ich  von  der  letzteren  Gruppe  kein  Original  gesehen  habe.  Eine  geringe  Einbuchtung  des  Schirmrandes  den 
adradialen  Canälen  entsprechend  ist  aber  bei  jeder  A.  aurita  nachzuweisen  und  auch  bei  der  Abbildung  der 
A.  flavidula  bei  L.  Agassiz  zu  erkennen.  Unzureichende  Diagnosen  allein  sind,  wie  ich  glaube,  Schuld  daran, 
da  SS  einzelnen  Arten  eine  Verbreitung  über  die  halbe  Erdkugel  trotz  zwischenliegender  Erdtheile  zuge- 
muthet  wird.  So  z.  B.  ist  es  mir  sehr  unwahrscheinlich,  dass  bei  Zanzibar,  wie  Götte  angiebt,  die  3  Arten 
A.  colpota,  A.  flavidula  und  A.  limbata  zusammen  auftreten  sollen,  von  denen  die  erste  von  Japan  bis  zum 
Cap  verbreitet  ist,  während  die  zweite  bisher  nur  an  der  Küste  von  Grönland  und  der  atlantischen  Küste 
des  nördlichen  America,  die  dritte  im  nördlichen  Theile  des  pacifischen  Ocean  bei  Kamtschatka  beobachtet 
wurde.  Richtiger  scheint  es  mir  eine  für  den  nördlichen  pacitischen  Ocean  characteristische  Art  A.  limbata 
eine  für  den  nördlichen  atlantischen  Ocean  A.  flavidula  und  eine  Aurelia  des  indischen  Oceans  A.  colpata 
anzunehmen;  doch  habe  ich  für  diese  Annahme  keine  Beweise. 

Es  ist  nm-  meine  Absicht  hier  darauf  aufmerksam  zu  machen,  dass  die  bisher  unterschiedenen  Arten 
der  Gattung  Aurelia  nicht  genügend  praecisirt  sind.  Aus  Mangel  an  Vergleichsmaterial  bin  ich  ausser  Stande 
bessere  Diagnosen  zu  geben  und  sehe  mich  genöthigt,  die  bisherigen  Artunterschiede  im  vollen  Umfange 
gelten  zu  lassen.  Für  die  einzige  aus  dieser  Sammlung  mir  vorliegende  Aurelia  muss  daher  eine  neue  Art 
gegründet  werden.  Vielleicht  führt  eine  grössere  Anzahl  genau  beschriebener  Arten  dazu,  Uebergänge 
constatiren  und  eine  kritische  Untersuchung  dieser  weit  verbreiteten  Medusengruppe  vornehmen  zu  lassen. 

13.  Aurelia  dubia.  Vh.  n.  sp.  Ein  Exemplar  dieser  Meduse  wurde  im  persischen  Meer  am 
7.  März  1885  gesammelt.  Dasselbe  ist  3  mal  so  breit  als  hoch  und  hat  eine  Schirmbreite  von  130  mm. 
Die  Mundarme  sind  kurz ,  erreichen  an  Länge  nur  %  des  Schirmradius,  sind  ferner  ausgezeichnet  durch 
einen  grossen  Lappen  nahe  der  Mundöfi'nung,  sonst  aber  wenig  gekräuselt.  8  tiefe  Ocularbuchten  theilen 
den  Schirmrand  in  ebenso  viele  schwach  gewölbte  Lappen,  wie  bei  A.  flavidula.  Der  Genitalradius  ist 
gleich  Vs  des  Schirmradius.  Von  jedem  Genitalsinus  gehen  7  Canäle  aus,  die  sämmtlich  durch  Anastomosen 
vereinigt  ein  dichtmaschiges  Canalnetz  bilden.  Die  Maschen  sind  am  Rande  kurz  und  zahlreich ,  in  der 
mittleren  Zone  schmal  und  langgestreckt.  Das  Thier  stimmt  mit  A.  flavidula,  wie  sie  Agassiz  abbildet, 
überein  im  Verhältniss  von  Genitalradius  zum  Schirmradius,  hat  dieser  ganz  ähnlich  gebildete  Ocularbuchten, 
und  auch  das  Canalnetz  zeigt  im  allgemeinen  ähnliche  Maschenbildung,  wie  sie  bei  dieser  auftritt.  Es 
unterscheidet  sich  jedoch  von  ihr  durch  die  kürzeren  Mundarme,  welche  hier  ^/s  des  Schirmradius  nur  er- 
reichen, während  sie  dort  mit  ihren  Enden  den  Rand  der  Exumbrella  berühren  und  ferner  dadurch,  dass 
auch  die  Adradialcanäle  verzweigt  sind  und  sicli  am  Canalnetz  betheiligen.  Von  Aurelia  colpota,  in  deren 
Gebiet  A.  dubia  gefunden  wurde,  unterscheiden  sie  die  kürzeren  ]Mundarme,  die  nicht  in  ihrer  ganzen  Aus- 
dehnung gelappt  sind,  die  geringere  Weite  des  Genitalkreises,  die  tieferen  Ocularbuchten  und  das  Auftreten 
von  7  statt  5  Canalwurzeln  in  iedem  Genitalsinus.     Uebereinstimmond   sind  bei  beiden  die  langgestreckten 


-oSo       21       C®0— 

Maschen  des  Cauahietzes  und  die  Anastomosen  der  Adradialcanäle.  Auf  letztere  ist  jedoch  nur  weniff  zu 
geben,  da  sie  wie  oben  gezeigt  auch  bei  A.  aurita  vorkommen. 

A.  marginalis  aber  hat  bedeutend  grössere  Genitaltaschen  und  A.  hyalina  kann  desiialb  nicht  mit 
A.  dubia  identificirt  werden,  weil  sie  längere,  schmale,  nicht  gelappte  Mimdarme  und  nur  5  Canalwurzeln 
in  jedem  Genitalsinus  besitzt ,  die  allerdings  auch  sämmtlich  Aeste  abgeben  und  ein  zusammenhängendes 
Canalnetz   bilden. 

A.  dubia  hat  demnach  tiefe  Ocularbuchten  ähnlicli  wie  A.  cruciata,  A.  flavidula  und  A.  hyalina, 
die  Mundarme  sind  kiü-zer  als  der  Schirmradius,  wie  bei  A.  aurita,  A.  cruciata,  A.  marginalis  und  A.  flavidula 
nnd  gelappt  wie  bei  A.  cruciata,  A.  colpota  und  A.  flavidula.  In  Bezug  auf  den  Genitalradius  gleicht  sie 
A.  aiu-ita  und  A.  flavidula  und  der  verzweigten  Radialcanäle  wegen  der  A.  hyalina,  während  die  lang- 
gestreckten Maschen  des  Canalnetzes  wieder  an  A.  colpota  imd  A.  flavidula  erinnern.  Mit  A.  colpota  theilt 
sie  das  gleiche  Verbreitungsgebiet,  doch  ist  nach  Götte  auch  A.  flavidula  dort  beobachtet.  Sie  steht  daher 
in  der  Mitte  zwischen  A.  flavidula  und  A.  colpota,  unterscheidet  sich  jedoch  von  beiden  durch  Merkmale, 
die  anderen  Arten  zukommen.  Daher  muss  man  A.  dubia  als  besondere  Art  betrachten,  mindestens  so  lange 
bis  genügend  zahlreiches  Material  ein  sicheres  Urtheil  über    den  Werth    der    einzelnen  Charactere  gestattet 


Systematische  Uebersicht  über  die  bisher  behandelten  Gattungen  der  Semaeostomen. 


Obwohl  die  Gattungen  Pelagia,  Chrysaora,  Desmonema  und  Aurelia,  welche  in  der  Sammlung  von 
Chierchia  vertreten  sind,  zusammen  mit  Cyanea,  die  ich  selbst  conserviren  konnte,  mit  ihren  Arten  mehr 
als  die  Hälfte  sämmtlicher  Semaeostomen  ausmachen,  so  ist  es  mir  doch  nicht  möglich  eine  Uebersicht  über 
diese  ganze  Medusenfamilie  zu  geben.  Denn  gerade  die  fehlenden  Gattungen  mit  nur  wenigen  Arten  sind 
von  besonderer  Wichtigkeit  für  die  Systematik,  da  sie  zwischen  jenen  artenreichen  Gattungen  vermitteln, 
gewissermassen  Uebergänge  von  der  einen  zur  anderen  bilden.  In  Betrefi"  ihrer  aber  bin  ich  allein  auf  die 
Beschreibung  Haeckels  angewiesen,  die,  nur  durch  wenige  Abbildungen  unterstützt,  nicht  im  Stande  ist,  die 
seltenen  Originalexemplare  zu  ersetzen.  Deshalb  beschränke  ich  mich  hier  darauf,  die  Arten  der  4  erst- 
genannten Gattungen  übersichtlich  zusammenzustellen. 

Pelagia.  Semaeostome  mit  8  Tentakeln,  16  Randlappen,  mit  einfachen,  breiten  Radialtaschen,  die 
je  zwei  Zipfel  in  die  Randlappen  entsenden,  ohne  Ringcanal,  mit  Mundrohr  und  Mundarmen. 

P.  noctiluca.  Per.  et  Lesueur.  Schirm  halbkugelig;  Nesselwarzen  länglich  elliptisch,  gross, 
mit  Längskamm  und  deutlichen  Querfalten;  Randlappen  quadratisch;  Mundrohr  kaum  so  lang  als  der 
Schirmradius  =  r,  Mimdarme  =  2  r.     Fundort:  Mittelmeer. 

P.    neglecta.    V  h.    n.    s  p.     Schirm  halbkugelig;  Nesselwarzen  rundlich  bis  elliptisch,  gross,  ohne 
Läng.skamm   mit  deutlichen  Querfalten;  Randlappcn  quadratisch;  Mundrohr  kürzer  als  r,  Mundarme  =  2^^  r 
Fundort:  Mittelmeer  und  Nordwestküste  von  Afrika. 


— o®o     22    o^— 

r.  perla.  II;ieckel.  Schirm  fast  kugelig,  Nesselwarzen  klein,  flach,  rundlich;  Randlappen  qua- 
dratisch; Mundrohr  =   ','3  r;  Mundarme  =  o  r.     Fundort:  Atlantische  Küste  von  Europa. 

P.  crassa.  Vh.  n.  sp.  Schirm  fast  kugelig,  Gallerte  sehr  dick;  Nesselwarzen  gross,  elliptisch, 
zuweilen  sehr  flach,  am  Schirmrand  fehlend,  mit  Längskamm  und  wenigen  undeutlichen  Querfalten:  Rand- 
lappen doppelt  so  breit  als  hoch;  Mundrohr  =  %  r;  Mundarme  =  2  r.  Fundort:  Atlantischer  Ocean 
zwischen  Afrika  und  Südamerika, 

P.  phosphora.  Haeckel.  Schirm  halbkugelig;  Nesselwarzen  klein,  rundlich,  mit  Längskamm 
und  Querfalten;  Randlappen  breiter  als  hoch;  Mundrohr  ^  Va  r:  Mundarme  =  2  r.  Fundort:  Tropenzone 
des  Atlantischen  Oceans. 

P.  cyanella.  Per.  et  Lesueur.  Schirm  fast  kugelig;  Nesselwarzen  klein,  rundlich,  nur  in  der 
mittleren  Zone  des  Schirms ;  Randlappen  doppelt  so  breit  als  hoch :  Mundrohr  =  r ;  Mundarme  =  3  r. 
Fundort:    Ostküste  von  Nordamerika. 

P.  niinuta.  Vh.  n.  sp.  Schirm  flach  gewölbt;  Nesselwarzen  rundlich,  klein,  dichtstehend,  ohne 
Längskamm,  mit  sehr  dichten  Querfalten;  Randlappen  breiter  als  hoch;  Mundrohi'  =  ^/a  r;  Mundarme  ^  2  r. 
Fundort:  Ostküste  von  Südamerika  bei  Pernambuco. 

P.  dcnticulata.  Brandt.  Schirm  kugelig;  Nesselwarzen  gross,  länglich,  am  Scheitel  am 
dichtesten;  Randlappen  quadratisch;  Mundrohr  =   1/2  r;  Mundarme  fast  =  4  r.     Fundort:  Behringsmeer. 

P.  f  1  a  V  e  0  1  a.  E  s  c  h  s  c  h.  Schirm  flach  gewölbt ;  Nesselwarzen  sehr  gross  und  dichtstehend ;  Rand- 
lappen '? ;  Mundrohr  sehr  kurz ;  Mundarme  kurz ;  Fundort :  Japanisches  Meer. 

P.  p  a  n  0  p  y  r  a.  Per.  et  L  e  s  u  e  u  r.  Schirm  halbkugelig ;  Nesselwarzen  klein ,  rundlich-elliptisch, 
mit  Längskamm  und  Quei'falten ;  Randlappeu  quadratisch;  Mundrohr  fast  =  2  r;  Mundarme  =  'S  r. 
Fundort :  Tropenzone  des  pacifischen  Oceans. 

P.  p  a  p  i  1 1  a  t  a.  Haeckel.  Schirm  flach  gewölbt ;  Nesselwarzen  hoch,  conisch ,  dicht  stehend ; 
Randlappen  doppelt  so  breit  als  hoch,  tief  ausgerandet;  Mundrohr  =  2  r;  Mundarme  kaum  =  2  r. 
Fundort:   Indischer  Ocean. 

P.  placenta.  Haeckel.  Schirm  flach,  scheibenförmig;  Nesselwarzen  sehr  klein  und  flach:  Rand- 
lappen doppelt  so  l)reit  als  hoch,  schwach  ausgerandet;  Mundrolir  =  1/2  •"  Mundarme  =  2  r.  Fundort: 
Philip))inenmeer  und  Westküste  Südamerikas. 

P.  discoidea.  Eschsch.  Schirm  flach,  scheibenförmig;  Nesselwarzen  fehlend;  Randlappen  flach, 
zweilappig,  tief  ausgerandet;  Mundrohr  sehr  kurz;  Mundarme  =  3  r.     Fundort:   Gap  der  guten  Hofi'uung. 

Chrysaora.  Peron  et  Lesueur.  Semaeostome  mit  24  Tentakeln,  32  Randlappen,  mit  breiten 
Radialtaschen,  von  denen  die  ocularen  je  2,  die  tentacularen  je  4  Zipfel  in  die  Randlappen  entsenden,  ohne 
Ringcanal,  ohne  Mundrohr,  mit  4  Mundarmen,  die  distal  verschmälert  sind. 

Gh.  medi  terr  anea.  Per.  et  Lesueur.  Schirm  flach  gewölbt;  Randlappen  flach  abgerundet 
oculare  Radialtaschen  in  der  Mitte  ^U,  distal  1/2  so  breit  als  die  tentacularen;  Mimdarme  von  der  Basis 
nacli  der  Spitze  verschmälert  =  3—4  r.     Fundort:   Mittelmeer. 

Gh.  isosceles.  Eschsch.  Schirm  flach  gewölbt,  Randlappen  fast  halbkreisförmig,  die  ocularen 
weniger  vorspringend;  Radialtaschen  in  der  Mitte  gleich  breit,  oculare  distal  '/s  so  breit  als  tentaculare; 
Mundarme  an  der  Basis  etwas  eingeschnitten  =  2  r.     Fundort:  Atlantische  Küste  von  Europa. 


-o®o        23       0®O- 

Cli.  fulgida.  Haeckel.  Schirm  halbkugelig;  Randlappen  knrz  und  breit,  fast  halbkreisförmig; 
Radialtaschen  ?;  Mundarme  nicht  sehr  faltenreich;  lanzettförmig,  in  der  Mitte  1/2  r  breit,  an  Länge  =  4 — 6  r. 
Fundort :  Cap  der  guten  Hoffnung. 

Ch.  Blossevillei.  Lesson.  Schirm  flach  gewölbt  bis  halbkugelig;  Randlappen  eiförmig;  Radial- 
taschen in  der  Mitte  ziemlich  gleichbreit,  ocularo  distal  Vä  so  breit  als  die  tentacularen ;  Mundarme  lanzett- 
förmig, gelappt,  kürzer  als  2  r.     Fundort :  Brasilianische  Küste. 

Ch.  helvola.  Brandt.  Schirm  flach  gewölbt;  Randlappen  fast  eiförmig,  am  Rande  schwach 
gezähnelt,  die  ocularen  stärker  als  die  tentacularen  vorspringend;  die  ocularen  Radialtaschen  fast  lanzett- 
förmig, in  der  ]\[itte  doppelt,  distal  ^a  so  breit  als  die  tentacularen;  Mundarme  lanzettförmig  =  4  r,  in  der 
Mitte   ^J3   so  breit  als  r.     Fundort:  Nördlicher  Pacitischer  (_)cean 

(J  h.  m  e  1  a  n  a  s  t  e  r.  B  r  a  n  d  t.  Schirm  flach  kegelförmig ;  Randlajjpen  zungenförmig  abgerundet, 
ihre  Basis  schmäler  als  der  Pistalrand ;  oculare  und  tentaculare  Radialtaschen  fast  von  gleicher  Grösse  und 
Form,  gleichschenklig  dreieckig,  Seitenränder  fast  gerade;  Mundarme  aus  breiter  Basis  verschmälert,  länger 
als  2  r,  in  der  JMitte   Vs  i"  breit.     Fundort:  Nördlicher  Pacifischer  Ocean. 

C  h.  p  1  o  c  a  m  i  a.  H  a  c  c  k  e  1.  Schirm  fast  halbkugelig ;  Randlappen  fast  halbkreisförmig ;  Radial- 
taschen in  der  Mitte  gleich  breit,  oculare  distal  halb  so  breit  als  die  tentacularen;  Mundarme  zart  und 
gardinenförmig  =  3  r,  in  der  Mitte  fast  so  breit  als  r.     Fundort:  Westküste  von  Südamerika. 

C  h.  calliparea.  Haeckel.  Schirm  flach  gewölbt;  Randlappen  fast  nierenförmig,  die  Basis 
derselben  schmäler  als  der  Distalrand,  die  ocularen  breiter  und  weniger  vorspi'ingend.  Oculare  Radial- 
taschen eiförmig,  in  der  Mitte  ebenso  breit,  distal  ^/a  so  breit  als  die  tentacularen:  ]\lundarme  gardinen- 
förmig =  6 — 8  r.     Fundort:  Indischer  Ocean. 

C  h.  chinensis.  Vh.  n.  sp.  Schirm  flach  gewölbt  bis  halbkugelig;  Randlappen  höher  als  breit, 
abgerundet  dreieckig;  oculare  Radialtaschen  in  der  Mitte  doppelt,  distal  halb  so  breit  als  tentaculare.  Mund- 
arme sehr  lang  =  1  r,  zart,  fast  gardinenartig,  in  der  Mitte  so  breit  als  r.    Fundort:  Südchinesisches  Meer. 

Desmonema.  L.  Agassiz.  Semaeostome  mit  8  einreihigen  Tentakelbündcln,  24  Randlappen,  breiten 
Radialtaschen,  die  verästelte  Canäle  in  die  Randlappeu  entsenden,  ohne  Ringcanal,  ohne  IMundrohr,  mit 
4  distal  verschmälerten  Mundarmen. 

D.  Gaudichaudi.  L.  Agassiz.  Schirm  halbkugelig:  Ocularlappcn  schniai,  in  der  tiefen  Ocular- 
bucht  versteckt;  Tentacularlappen  hoch  und  spitz;  Mundarme  =  2  r.     Fundort:  Falklandsinseln,  Cap  Hörn, 

D.  pendula.  H  a  e  c  k  e  1.  Schirm  flach  gewölbt,  scheibenförmig ;  Ocularlappen  schmal,  scharf  ab- 
gesetzt; Tentacularlappen  breit;  Mundarme  sehr  lang,  länger  als  2  r.  Fundort:  Küste  des  Feuerlandes, 
Cap  Hörn. 

D.  Chierchiana.  Vh.  n.  sp.  Schirm  flach  gewölbt  bis  halbkugehg;  Ocularlappen  Vs  so  breit 
als  Tentacularlappen,  Tentacularlappen  breit;  Mundarme  =  IV2  ''■  Fundort:  Küste  von  Patagonien, 
Puntas  Arenas. 

Aurelia.  Peron  et  Lesueur.  Semaeo.stome  mit  zahlreichen  kleinen  Tentakeln  an  der  esumbralen 
Oberseite  der  velaren  Randlappen,  die  mit  kleinen  Dorsalläppchen  alterniren,  mit  verästelten  engen  Radial- 
canälen,  mit  Ringcanal,  ohne  Mundrohr,  mit  4  einfachen  Mundarmen. 

A.  aurita.    Lamarck.       8  Velarlappen  vorhanden;    Ocularbucht  seicht;    Mundarme  kürzer  als  r 


-  c<§o      24      oSgc— 

nicht  gelappt,  Genitalradius  =  1/3  r;  Canalnetz  mit  wenig  Maschen,  in  jedem  Genitalsinus  3  CanalT\nn-zeh:, 
die  Adradialcanäle  unverästelt.     Fundort:  Europäische  Küste. 

A.  cruciata.  Haeckel.  8  Velarlappen,  Ocularbucht  tief;  Mmidarme  kaum  länger  als  1/2  i'?  an 
den  Rändern  gelappt;  Genitalradius  =  V2  i"  i»  jedem  Genitalsinus  5—7  Canalwurzebi;  Adradialcanäle  un- 
verästelt.    Fimdort:  Atlantische  Küste  von  Mitteleuropa. 

A.  c  0 1  p  o  t  a.  B  r  a  n  d  t.  8  Velarlappen,  Ocularbucht  seicht ;  Mundarme  länger  als  r,  in  ganzer  Aus- 
dehnung gelappt,  an  der  Basis  sehr  breit  und  tief  eingeschnitten;  Genitalradius  ^  1/2  i"!  5  Canalwurzeln  in 
jedem  Genitalsinus,  Maschen  wenig  zahlreich,  langgestreckt,  Adradialcanäle  Anastomosen  bildend.  Fundort: 
Indischer  Ocean. 

A.  dubia.  Vh.  n.  s  p.  8  Velarlappen,  Ocularbucht  tief;  Mundarme  =  ^k  r,  am  Grunde  gelappt; 
Genitalradius  =  '/s  i"  ^  Canalwurzeln  in  jedem  Genitalsinus,  Maschen  zahlreich  lang  gestreckt,  alle  Canäle 
verästelt.     Fundort:  Arabisches  Meer. 

A.  flavidula.  Peron  et  Lesueur.  8  Velarlappen,  Ocularbucht  tief  und  breit;  Mundarme  fast 
=  r,  am  Grunde  gelappt;  Genitalradius  =  1/3  r;  7  Canalwurzeln,  Maschen  langgestreckt  zahlreich;  Adradial- 
canäle nicht  verästelt.     Fundort:  Atlantische  Küste  von  Nordamerika,  Grönland. 

A.  m  a  r  g  i  n  a  1  i  s.  L.  A  g  a  s  s  i  z.  8  Velarlappen,  Ocularbucht  ?;  Mundarme  bedeutend  kürzer  als  r; 
Genitalradius   grösser    als   '/a   r;    Canaluetz  ?;   Fundort:  Atlantische  Küste  der  Vereinigten  Staaten,  Florida. 

A.  hyalin  a.  Brandt.  8  Velarlappen,  Oculai-bucht  tief  und  breit;  Mundarme  länger  als  r.  Genital- 
radius Va — ^U  !■•  5  Canalwurzeln  in  jedem  Genitalsinus,  Maschen  zahlreich;  Alle  Canäle  verästelt.  Fundort: 
Nördlicher  Pacifischer  Ocean,  Aleuten. 

A.  lab  lata.  Chamisso  u.  Eysenhardt.  16  Velarlappen  durch  tiefe  Einschnitte  getrennt; 
Mundarme  =  ^/s  r,  an  der  Basis  mit  Sseitig  pyramidalem  Lippenwulst;  Genitalradius  =  V*  i"  Radialcanäle  ?; 
Fundort:  Pacifische  Küste  von  Nordamerika. 

A.  clausa.  Lesson.  16  Velarlappen;  Mundarme  schmal,  dünn  mit  Lippenwulst,  Radialcanäle  ? 
Fundort:  Südpacifischer  Ocean. 

A.  limbata.  Brandt.  16  Velarlappen,  durch  tiefe  Einschnitte  getrennt;  Mundarme  etwas  kürzer 
als  r;  9  Canalwurzeln  an  jeder  Genitalbucht,  alle  Canäle  durch  Anastomosen  verbunden.  Fundort:  Küste 
von  Kamtschatka. 


-o®o       25       0®O- 

II.    Rhizostomata. 


Die  schöne  Sammlung-  der  mir  zur  Bearbeitung  übergebenen  Rhizostomen  umfasst  8  Genera  mit 
folgenden   11  Arten,  von  denen  6  bisher  nicht  beschrieben  wurden. 

Cassiopeia  Andromeda.  Eschsch.  Stomoloplius  Ciiunii.  Vh.  n.  sp. 

Cassiopeia  picta.  Vh.  n.  sp.  Rhizostoma  pulmo.  L.  Agassiz. 

Cotylorhiza  tuberculata.  L.  Agassiz.  Rhizostoma  hispidum.  Vh.  n.  sp. 

Loborhiza  ornatella.  Vh.  n.  g.  et  sp.  Mastigias  ocellata.  HaeckeL 

Lyclmorhiza  flagellata.  Vh.*)  Mastigias  Orsini.  Vh.  n.  sp. 

Desmostoma  gracile.  Vh.  n.  g.  et  sp. 
Nach  einer  Charaeterisirung  der  Gattimgen  und  einer  genaueren  Beschreibung  der  hier  angeführten 
Arten,  benutze  icli  die  hiei-bei  gewonnenen  Resultate  zu  einer  kritischen  Beurtheilung  des  geltenden  Rhizo- 
stomensystems  und  zur  Aufstellung  einer  nach  neuen  Prinzipien  geordneten  Bestimmungstabelle. 

Cassiopeia.  Peroii  et  Lesiieur.  Das  Genus  Cassiopeia  wird  characterisirt  durch  gefiederte  Mund- 
arme, 32  lladialcanäle  und  1(J  Sinneskolben.  Es  waren  5  Arten  desselben  bekannt:  2  aus  dem  pacitischen 
Ocean,  eine  aus  dem  indischen  Ocean  und  2  aus  dem  rothen  Meer.  Die  eine  der  beiden  mir  vorliegenden 
Arten,  welche  aus  dem  Rothen  Meer  stammen,  C.  picta  wurde  als  neu  erkannt.  Wir  haben  demnach 
6  Cassiopeiaarten ,  von  denen  3 ,  C.  Andromeda  Eschsch. ,  C.  polypoides  Keller  und  C.  picta  im  Rothen 
Meer  vorkommen. 

Cassiopeia.  Peron  et  Lesueur.  Zwei  Exemplare  dieser  Meduse  wurden  im  März  1885  bei 
Massaua  gesammelt.  Sie  stimmen  genau  mit  der  Beschreibung  von  Haeckel  überein.**)  Da  C.  Andromeda 
im  Gegensatz  zu  C.  ornata  dort  nur  mit  wenigen  Worten  abgefertigt  wird,  sollen  hier  einige  Eigenthüm- 
lichkeiten  dieser  Art  noch  besonders  hervorgehoben  werden.  Die  Exumbrella  ist  ausgezeichnet  durch  16 
grosse,  weisse  Ocularflecken,  die  distal  verschmälert  und  schwach  ausgerandet  sind;  keiner  von  ihnen  ist  wie 
bei  C.  ornata  bisquit-  oder  zungenförmig,  distal  verbreitert.  Von  den  3  zwischen  diesen  liegenden  kleineren 
Flecken  trägt  der  mittlere  nie  einen  punktartigen  Tüpfel;  die  ocularen  Randflecken  dagegen  sind  wie  bei 
C.  ornata  gebildet.  Die  Subumbrella  ist  ungefleckt,  doch  trennt  ein  weisser  Ring  Subumbrella  und  Arm- 
scheibe. Die  Anne  zeigen  dorsal  einen  weissen  Fleckenstreif,  der  allen  ihren  Verzweigungen  folgt.  Die 
Randlappen  sind  ähnlich  wie  bei  C.  ornata  gebildet,  der  mittlere  der  5  zwischen  2  Ocellen  gelegenen  Raud- 
lappen  springt  ebenfalls  etwas  vor,  die  Ocularausschnitte  aber  sind  breiter  und  tiefer.  Fast  Vs  des  Raumes 
zwischen  Schirmrand  und  Armscheibe  wird  von  einer  Ringmuskelzone  eingenommen,  die  nach  der  Mitte  zu 
in  die  sogenannten  Arkaden  übergeht.  Die  8  Arme  sind  breit  und  kraus  und  bedecken  die  ganze  Subum- 
brella. Den  Schirmrand  überragen  sie  um  1/3  ihrer  Länge.  Die  Bläschen  zwischen  den  Armzotten  sind 
zugespitzt,  kolbenförmig  bis  lanzettlich.  In  der  Mitte  der  Mundscheibe  finden  sich  einige  grössere  Blasen, 
welche  sich  flach  verbreitern,  meist  zugespitzt  keulenförmig,  theils  auch  gelappt  erscheinen.  Die  Arme  haben 
mindestens    ebenso    viele  Aeste  wie  C.  ornata    nach  Haeckels  Abbildimg,  nicht,  wie  angegeben  wird,  2 — 3 


*)  Cramborhiza  flagellata.  Haeckel. 
**)  1.  c.  pag.  569. 


— o®c      26      ogc- 

Paar  statt  3  — 4  bei  dieser.  Sie  erscheinen  nur  weniger  schlank,  weil  sie  dichtere  Zottenbüschel  und  grössere 
Blasen  tragen.  Aeltere  Thiere  scheinen  schlankere  Arme  zu  haben.  Die  Breite  der  Exumbrella  beti-ägt 
70  und  80  mm  bei  den  vorliegenden  Exemplaren.  Die  Arme  des  grösseren  Thiers  messen  43  mm.  Gonaden 
sind  bei  beiden  äusserlich  nicht  erkennbar. 

C.  picta.  Vh.  n.  sp.  (Taf.  II,  Fig.  1  u.  2).  Diese  neue  Art  wurde  im  rothen  Meer  bei  Beilul  im 
Dezember  1884  von  Orsini  entdeckt.  Bei  der  Angabe  des  Fundortes  wird  erwähnt,  dass  dieselbe  auf  dem  Grunde 
nur  wenige  Centimeter  unter  der  Oberfläche  des  Wassers  zu  liegen  pflegt,  doch  auch  in  grösseren  Tiefen  vor- 
kommt, da  sie  gedretscht  wurde.  Sie  führt  ganz  ähnliche  Lebensweise  wie  Polyclonia  frondosa  an  den  Küsten  von 
Florida,*)  wie  Cassiopeia  Mertensi  von  Ualan,**)  ferner  wie  die  von  Guppy***)  in  den  Mangrovesümpfen 
der  Salomonsinseln  beobachtete  Cassiopeia,  wie  C.  Andromeda,  die  von  Haeckelf)  im  rothen  Meer  gedretscht 
wurde  und  auch  wie  die  von  Keller  ff)  aus  dem  rothen  Meer  beschriebene  C.  polypoides.  Alle  diese 
Cassiopeiaarten  scheinen  träge  auf  dem  Grunde  ruhende  Thiere  zu  sein  und  damit  hängt  wohl  die  bei  dieser 
Gattung  so  häufig  beobachtete  abnorme  Ausbildung  des  Schirms  zusammen.  C.  picta  ist  in  zwei  Exemplaren 
vorhanden  die  folgende  Dimensionen  zeigen: 

Schirmbreite:  60  mm  und  85  mm 
Mundscheibe:  29  mm  und  40  mm 
]Mundarme:       38  mm  und  52  mm, 
letztere  von  der  Mitte  der  Mundscheibe  gemessen.     Der  Schirm  ist  ganz  flach  und  bei  beiden  Exemplaren 
unregelmässig  ausgebildet.   Zwischen  zwei  ocularen  Randlappen  scheinen  regelmässig  5  interoculare  zu  liegen, 
wie  es  die  gut  erhaltenen  Sectoren  des  grösseren  Thieres  zeigen.    Beim  kleineren  sind  ebenfalls  meist  5  aber 
aiich  0,  3,  8,  10  Velarlappen  zwischen  zwei  Ocularlappen  zu  beobachten.     10  Randlappen  finden  sich  dort, 
wo    zwei  Rhopalien    nebeneinander    liegen ,    wodurch    ebenfalls    die  Annahme    bestätigt  wird ,    dass   normal 
zwischen    2    ocularen    5    volare  Randlappen   auftreten.     Ferner  hat  die  Sternzeichnung  der  Exumbrella  bei 
ersterem  nur  14  statt  16  Strahlen  und  auch  bei  dem  letzteren    sind  2  von   diesen  nur  schwer  zu  erkennen, 
was  jedoch  hier  durch  verheilte  Zerreissung  des  Schirmrandes  bedingt  zu  sein  scheint. 

Die  Zeichnung  der  Exumbrella  besteht  aus  16  grossen  weissen  Flecken,  die  über  den  Rhopalien 
schmal  und  ausgebuchtet  sind,  nach  der  Jlitte  zu  aber  sich  verbreitern  und  bei  grösseren  Thieren  sich  zu 
einem  Kranz  vereinigen.  Ausserhalb  dieses  Kranzes  finden  sich  den  Randlappen  entsprechend  noch  32  oculare 
und  80  interoculare,  weisse  Randflecke,  von  denen  die  ocularen  am  kleinsten,  die  mittleren  interocularen  die 
grössten  sind.  Zuweilen  verschmelzen  einige  dieser  Flecke,  besonders  die  kleinen  ocularen  und  die  grösseren 
Mittelflecke  mit  dem  Fleckenkranz.  An  die  oben  beschriebene  Randzone  der  Exumbrella  schliesst  sich  nach 
innen  eine  annähernd  ebenso  breite  dunkler  gefärbte  Zone,  die  durch  deutliche  Grenzhnie  von  der  opalartig 
halbdurchsichtigen  Mitte  des  Schirmes  getrennt  ist.    In  dieser  erkennen  wir  durchschimmernd  einen  dunkleren 


*)  L.  Agassiz.    Contributions  to  thc  natural  history  of  the  United  States  vol.  IV.  pag.  140. 

Fewkes.    Notes  on  Acalephs  of  tbe  Tortugas.  Bull.  Mus.  Comp.  Zool.  CaniLridge.  vol.  9.  N.  7. 
**)  Haeckel,  System  der  Medusen,  pag.  ^12. 
***)  Guppy,  Habits  of  Scyphomedusae,  Nature  vol.  27  pag.  31. 

t)  1-  c.  pag.  569. 
+t)  Untersuchungen  über  neue  Medusen  aus  dem  rothen  Meer.  Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.  Bd.  38.   1883. 


16strahligen  Stern,  verursacht  durch  weisse  Fleckenzeichnung  der  SuLumbrella,  in  welchem  die  Gonaden, 
eingeschlossen  vom  inneren  Eand  der  Subumbrella,  heller  hervortreten.  Die  Zeichnung  der  Subumbrella 
besteht  aus  16  grossen  eiförmigen  Flecken,  deren  Seitenränder  bei  grösseren  Exemplaren  sich  fast  be- 
rühren. Das  stumpfere  Ende  derselben  ist  nach  innen  gekehrt.  Entfernt  man  das  weniger  durchsichtige 
Ectoderm,  so  zeigt  sich,  dass  dieselben  in  eine  weisspunktirte  breite  Randzone  der  Subumbrella  überzugehen 
scheinen.  In  der  That  aber  sind  die  Flecke  distal  ausgerandet,  und  die  Randzone  bildet  diesen  Ausran- 
dungen  entsprechend  breitere  und  abwechselnd  mit  ihnen  halb  so  breite  niedrige  Lappen.  In  den  dunklen 
Dreiecken,  deren  Seiten  die  Subumbrellarflecke,  deren  Basis  die  kleinen  Lappen  der  Randzone  bilden,  sieht 
man  durchschimmernd  je  einen  veriLstelten  Radialcanal. 

Die  112  Randlappen  sind  stumpf,  bei  normaler  Ausbildung  gleich  gross  und  springen  alle  gleich 
weit  vor.  Die  Musculatur  ist  wie  bei  C.  ornata  gebildet.  Die  Radialcanäle ,  in  derselben  Weise  wie  bei 
jener  verästelt,  sind  durch  die  Musculatur  der  Subumbrella  hindurch  zu  ei-kennen.  Die  Ai-mscheibe  nimmt 
ungefiihr  die  Hälfte  der  Schirmbreite  ein  und  verdeckt  die  kleinen  Genitalostien  völlig.  Die  Mundarme 
sind  schlank,  haben  kürzere  Aeste  wie  diejenigen  von  C.  ornata  und  sind  durch  weissen  Dorsalstreif  geziert. 
Ausser  den  Saugkrausen,  welche  beim  grösseren  Exemplar  spärlicher,  beim  kleineren  dichter  sind,  ti-agen 
die  Mundarme  kleine  lanzettliche  Saugkolben.  Dieselben  sind  in  der  Nähe  des  Centrums  grösser  und  stehen 
dichter,  während  sie  auf  den  Armen  zerstreut  auftreten. 

C.  picta  unterscheidet  sich  nun,  abgesehen  von  ihrer  schönen  Zeichnung,  durch  die  Anzahl  der 
Randlappen  von  allen  übrigen  Arten.  Wir  kannten  bisher  Cassiopeiaarten  mit  3,  6  imd  7  Velarlappen 
zwischen  zwei  Ocularlappen.  C.  picta  allein  besitzt  deren  5.  Ferner  zeichnet  sie  sich  durch  die  ungewöhnlich 
breite  Armscheibe  aus.  In  ihrer  Zeichnung  erinnert  sie  am  meisten  au  C.  polypoides  Keller,  die  jedoch 
des  Saugnapfes  der  Exumlirella  und  der  grossen  keulenförmigen  Blasen  wegen  niemals  mit  ihr  verwechselt 
werden  kann. 

Cotylorhlza.  L.  Agassiz.  Rhizostome  mit  einfach  gabeltheiligen  Mundarmen,  mit  gefiederten 
Gabelästen  und  gestielten  Saugnäpfen. 

Mit  vollem  Recht  trennt  Claus  die  Gattung  Cotylorhiza  von  Versura  und  vereinigt  sie  mit  Cephea 
zu  seiner  Gruppe  der  Cepheiden.  Sie  schliesst  sich  an  Cephea  an  durch  ihre  unzweifelhaft  gabelspaltigen 
Mundarme,  die  Radialmusculatur  und  die  engen  Subgenitalostien.  Cotylorhiza  wurde  bisher  nur  in  2  Arten 
aus  dem  Atlantischen  Ocean  und  dem  Mittelmeer  beobachtet.  Die  letztere  ist  nun  auch  im  Rothen  Meer 
gefunden,  scheint  sich  also  dm-ch  den  Suezcanal  weiter  ausgebreitet  zu  haben  und  aus  dem  Gebiet  des 
Atlantischen  in  das  des  Indischen  Uceans  vorgedrungen  zu  sein. 

Cotylorhiza  tuberculata.  L.  Agassiz.    Ein  junges  Exemplar  dieser  bisher  nur  aus  dem  Mittelmeer 

bekannten  Meduse  wurde  am  10.  Juni  IS.'^.ö  bei  Assab  im  Rothen  Meer  von  Orsini  erbeutet-    Es  unterscheidet 

sich  von  grossen,  characteristischen  Thieren  dieser  Art   aus  dem  Mittelmeer,   die  mir  in  zwei  schönen  Prä- 

pai-aten  des  hiesigen  Museums  vorlagen,    nur  dadurch,    dass    die  Gallertknöpfe    nur  kurz  gestielt   sind   und 

dass   8   statt   16  Velarlappen   zwischen   zwei    ocularen  Lappen    aufti-eten.     Beide  Verschiedenheiten  erklären 

sich  durch  das  geringere  Alter  des  Thiers,  welches  einen  Schirmdurchmesser  von  nur  37  mm  hat.     Exum- 

brella,  Randlappen,  Musculatur  der  Subumbrella  und  Canalsystem  ebenso  wie  die  Mundarme    sind  wie  bei 

den  typischen  Exemplai-en  gebildet. 

4* 


-0^    28    o^- 

Loborhiza.  Vh.  li.  g.  Die  Gattung  Loborhiza  schliesst  sich  an  Lychnorhiza  Haeckel  an.  Sie 
besitzt  wie  diese  stark  gelappte,  breite,  dreiflügelige  Mundarme,  denen  jedoch  Peitschenfilamente  oder  sonstige 
Anhänge  fehlen  (Taf.  II,  Fig.  5  u.  6).  Auch  dasCanalnetz  erinnert  an  diese  wegen  der  sehr  breiten  Anastomosen. 
Im  Uebrigen  gleicht  das  Canalnetz  dem  von  Crambessa,  bei  der  wir  ja  auch  die  Armanhilnge  vermissen. 
Da  alle  bekannten  Crambessaarten  aber  deutlich  3kantige  Mundarme  haben,  die  dicht  von  Saugkrausen 
bedeckt  sind,  so  musste  eine  neue  Gattung  gegründet  werden,  welche  sich  zu  Lychnorhiza  ähnlich  wie 
Crambessa  zu  Mastigias  verhält. 

Loborhiza  ornatella.  Vh.  n,  g.  et  sp.  (Taf.  II, Fig.  3—6).  L.  ornatella  wurde  an  der  Westküste  Süd- 
amerikas in  der  Nähe  der  Insel  Puna  bei  Guayaquil  entdeckt  Sie  ist  ausgezeichnet  durch  die  starkgelappten, 
kurzen  Mundarme,  die  schön  geschwungenen  Formen  der  Armscheibe  und  die  ki-äftigen  Armpfeilcr,  welche  der 
Meduse,  wenn  man  sie  von  unten  betrachtet,  das  Aussehen  eines  prachtvollen  Ornaments  geben.  Der  Schirm 
ist  flach  gewölbt  und  von  dicker  Gallertschicht  gestützt.  Die  Exumbrella  ist  sehr  fein  und  gleichmässig 
granulirt,  nur  auf  den  Randlappen  vereinigen  sich  die  Körnchen  zu  sehr  feinen  Leisten.  Der  Rand  zerfällt 
in  80  Lappen;  in  jedem  (Jctanten  finden  sich  4  Paar  velare,  die  stumpf  abgerundet  sind,  und  zwei  sehr 
kleine  oculare  von  lanzettlicher  Form.  Die  beiden  velaren  Lappen,  welche  zwei  oculare  einschliessen, 
springen  etwas  stärker  als  die  übrigen  hervor.  Die  ganze  Subumbrella  trägt,  soweit  sie  nicht  von  der 
Armscheibe  bedeckt  ist,  eine  kräftige  Ringmuskelzone,  welche  nur  undeutlich  durch  die  ocularen  Canäle 
unterbrochen  wird  und  undurchsichtig  ist.  Das  von  ihr  verdeckte  Canahietz  ist  nm-  zu  erkennen,  wenn 
man  die  Gallerte  der  Exumbrella  genügend  abträgt.  Dann  sieht  man,  dass  alle  Kanäle  durch  unregel- 
mässige Anastomosen  zu  einem  dicliten  Netzwerk  verbunden  sind,  welches  wegen  der  bedeutenden  Breite 
der  Anastomosen  nur  wenige  und  kleine  Maschen  hat.  Der  Ringcanal  ist  nicht  deutlich  unterschieden,  da 
er  die  übrigen  Canäle  nicht  besonders  an  Breite  übertrifft.  Ein  Subgenitalporticus  ist  vorhanden  und  das 
Genitalkreuz  gleicht  dem  von  Lychnorhiza.  Die  Armscheibe  besteht  aus  den  ein  Kreuz  bildenden  Ai-m- 
pfeilern,  welche  durch  dreieckige,  vorspringende  Gallertlappen  mit  geschweiften  Seiten,  die  Subgenitalklappen 
Haeckels,  verbunden  sind.  Die  Armpfeiler  sind  fast  ebenso  breit  als  die  (Jstien  des  Subgenitalporticus, 
verbreitern  sich  aber  dann  um  das  Doppelte,  indem  sie  sich  zu  theilen  und  seitlich  der  Peripherie  der  Arm- 
scheibe folgend  umzulegen  scheinen.  Der  Zugang  zu  den  Ostien  wird  dadurch  stark  eingeengt.  Ausserdem 
ist  der  mittlei-e  Theil  der  Ostien  durch  die  Spitze  der  Subgenitalklappen  verdeckt,  so  dass  jene  in  zwei 
Hälften  mit  gemeinsamem  Zugang  getheilt  werden.  Die  Armpfeiler  erscheinen  durch  Längsmusculatur  fein 
gestreift.  Aus  der  Ebene  der  Mundpfeiler  und  Subgenitalklappen  erhebt  sich  dann  ein  Sstrahliger,  regel- 
mässiger Gallertstern,  der  die  Basis  der  8  Mundarme  bildet  und  nach  innen  zu  steil  trichterförmig  zur 
Mundkreuznaht  abfällt.  Die  Mundarme  sind  kräftig  aber  sehr  kurz,  ungefähr  so  lang  wie  der  halbe  Schirm- 
radius. Am  Ende  des  kurzen  Oberarms  entspringen  zwei  stai'ke  dorsale  Flügel,  welche  die  Länge  des 
Unterarms  erreichen.  Die  beiden  von  ihnen  ausgehenden  dorsalen  Saugkrausenreihen  vereinigen  sich  mit 
der  ventralen  unter  stumpfem  Winkel  zu  einer  wenig  hervortretenden  dreilappigen  Spitze.  Die  Saugkrausen 
folgen  in  schmalen,  wenig  dichten  Reihen  den  zahlreichen  Lappen  der  breiten  Arme.  Peitschenfilamente 
oder  Saugkolben  sind  nicht  vorhanden. 

Lychnorhiza.    Haeckel.     Das  Genus  Lychnorhiza   wird  characterisirt   durch  stark  gelappte,   drei- 
flügelige Mundarme,  mit  Peitschenfilamenten  zwischen  ihren  Saugkrausen.    Ich  trage  kein  Bedenken,  dasselbe 


-5^         29         0®0- 

mit  der  Gattung  Cramborhiza  Haeckol  zu  vereinigen,  obwolil  die  letztere  sieh  von  jenem  durch  das  Auf 
treten  eines  Subgenitalporticus  unterscheiden  soll.  Bestätigt  sich  diese  Angabe  bei  weiterer  Untersuchung, 
so  ist  damit  nur  bewiesen,  dass  das  Fehlen  oder  Vorhandensein  eines  Subgenitalporticus  nicht  als  Gattungs- 
merkmal  betrachtet  werden  darf,  da  die  zu  den  beiden  Gattungen  gerechneten  Arten  in  allen  wesentlichen 
Merkmalen  genau  übereinstimmen,  was  in  der  folgenden  Artbeschreibung  gezeigt  werden  soll. 

Lychnorhiza  flagellata.  Vh.  (Taf  II,  Fig.  7,Taf.IlI,rig.l— 3).  Diese  von  Haeckel  im  Nachtrage  des 
ersten  Theils  seiner  Monographie  als  Cramborhiza  flagellata  beschriebene  Art*)  wurde  in  zwei  Exemplaren  an  der 
Küste  von  Brasilien  bei  Pernambuco,  ihrem  bekannten  Fundorte  gesammelt.  Haeckels  Speciesdiagnose  ist  völlig 
zutreffend;  die  speeielle Beschreibung  dieser  ausgezeichneten  Meduse  ist  jedoch  sehr  kurz  und  besteht  meist  aus 
Hinweisen  auf  Lychnorhiza  lucerna.    Sie  soll  daher  auf  Grund  des  vorliegenden  Materials  vervollständigt  werden. 

Der  sehr  kräftige  von  dicker  Gallerte  gestützte  Schirm  erscheint  äusserlich  fein  granulirt.  Nach 
dem  Rande  zu,  besonders  auf  den  Randlappen  werden  die  Kornchen  etwas  grösser  und  gehen  in  kleine 
leistenartige  Warzen  über,  die  sich  in  Längsreihen  anzuordnen  pflegen.  Der  Rand  wird  von  48  Lappen 
gebildet,  4  grossen,  gerundet  dreieckigen,  velaren  Lappen,  die  ziemlich  von  gleicher  Breite  sind,  zwischen 
zwei  kleinen  lanzettlichen  ocularen  Lappen.  Letztere  erreichen  kaum  die  halbe  Länge  der  velaren,  die  daher 
ums  Doppelte  weiter  hervorragen.  Die  Sinneskörper  gleichen  denen  von  Crambessa.  Auf  der  Subumbrella 
fällt  zimächst  die  ki-äftige  Ringmuskulatur  auf,  die  durch  die  ocularen  Radialcanäle  nur  iindeutlich  unter- 
brochen wird.  Dieselbe  nimmt  den  ganzen  Raum  zwischen  der  Armscheibe  imd  dem  Rande  ein  und  wird 
nur  auf  der  Spitze  der  Randlappen  etwas  dünner,  so  dass  dort  die  Maschen  des  Canalnetzes  hindurch- 
schimmern. Trägt  man  die  Gallertschicht  der  Exumbrella  ab  bis  sie  genügend  durchsichtig  geworden,  so 
erkennt  man  deutlich  den  Verlauf  der  Radialcanäle.  Es  giebt  deren  8  oculare  und  8  interoculare,  welche 
von  einem  breiten  Ringcanal  aufgenommen  werden.  Dieser  verläuft  innerhalb  der  Randfurche  vmd  entsendet 
zwischen  je  zwei  Radialcanäle  ein  paar  breite  noch  in  der  Ringmuskelzone  blind  endigende  Canäle.  Zu- 
weilen stossen  die  Enden  derselben  auf  einandei',  verschmelzen  dann  und  bilden  einen  Canalbogen  über  dem 
betreffenden  Abschnitt  des  Ringcanals  (Taf.  III,  Fig.  2).  Da  Haeckel  angiebt**):  „Zwischen  je  zwei  Radial- 
canälen  geht  nur  ein  einziger  kolbenförmiger  blinder  Centripetalcanal  nach  innen  vom  Ringcanal  ab,"  so  hat  er 
sich  entweder  geirrt  oder  derVerlaiif  der  Canäle  ist  nicht  constant.  Die  ocularen  Radialcanäle  setzen  sich  über 
den  Ringcanal  hinaus  bis  zum  Rhopalium  fort,  während  die  interocularen  schon  dort  endigen.  Die  ganze  Rand- 
zone einnehmend  zwischen  diesen  Verlängerungen  der  ocularen  Canäle  findet  sich  ein  dichtes ,  ziemlich 
regelmässiges  Canalnetz,  gebildet  von  zahlreichen  schmalen  Canälen,  die  vom  Ringcanal  nach  dem  Rande 
verlaufen  und  den  senkrecht  davon  ausgehenden  Anastomosen  (Taf.  III,  Fig.  3).  Legt  man  durch  Abtragen 
der  Gallerte  das  Genitalkreuz  frei,  so  zeigt  sich,  dass  dieses  ringsum  von  der  centralen  Magenhöhle  wie  von 
einem  sich  eng  anschliessenden  Canal  umgeben  wird,  von  dem  aus  den  Buchten  des  Kreuzes  die  langen 
interradialen  Canäle  und  von  den  Enden  der  Arme  desselben  3  kurze  Canäle  je  ein  perradialer  und  zwei 
adradiale  nach  dem  Ringcanal  entsendet  werden. 

Das  Genitalkreuz  setzt  sich  aus  4  einen  rechten  Winkel  bildenden  Gonaden  zusammen,  die  dicht 
gefaltet  sind  und  das  Geuitalband  hell  durchschimmern  lassen.     Gastrogenitalhöhle  und  Subgenitalporticus. 


*)  1.  e.  pag.  646. 
**)  1.  c.  pag.  OiG. 


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sind  sehr  niedrig  und  wenig  geräumig.  Die  kräftige  Armscheibe,  deren  Durchmesser  ungefähr  gleich  dem 
Schirmradius  ist,  hat  die  Form  eines  Achtecks,  welches  4  schmale  und  4  breite  Seiten  zeigt;  die  schmalen 
den  Armpfeilern,  die  breiten  den  Subgenitalostien  entsprechend.  Letztere  sind  3  mal  so  breit  als  jene. 
Von  der  Armscheibe  entspringen  8  starke  Mundarme,  die  nur  wenig  länger  als  der  Schirmradius  sind. 
Der  Unterarm,  etwas  länger  als  der  Oberarm,  beginnt  mit  zwei  verhältnissmässig  grossen  dorsalen  Flügeln, 
von  denen  getrennt  zwei  Reihen  dorsaler  Saugkrausen  ausgehen.  Diese  vereinigen  sich  mit  den  ventralen 
Saugkrausen  erst  an  der  Spitze  des  Arms.  Die  starke  Lappenbildung  und  Faltung  des  Unterarms  lässt 
die  3  flügelige  Gestalt  erst  bei  genauerer  Betrachtung  erkennen.  Die  am  Ende  der  Lappen  zwischen  den 
Saugkrausen  hervortretenden  Peitschenfilamente  sind  bei  den  vorliegenden  Exemplaren  bedeutend  kürzer  als 
bei  Lychnorhiza  lucerna,  vielleicht  nicht  vollständig  erhalten. 

Sehr  auffallend  ist  die  Uebereinstimmung  unserer  L^'chnorhiza  flagellata  mit  L.  lucerna,  die  auch 
Haeckel  nicht  entgangen  ist.  Leider  war  es  mir  nicht  möglich,  die  Originale  zu  vergleichen,,  da  das  einzige 
vorhandene,  im  Berliner  Museum  aufbewahrte  Exemplar  von  L.  lucerna  der  Gefahr  des  Transports  nicht 
ausgesetzt  werden  durfte.  Nach  der  ausführlichen  Beschreibung  Haeckels  gleichen  sich  die  beiden  Thiere 
auf  das  Genaueste,  da  der  Hauptunterschied  die  IMonodemnie  und  Tetradenmie  als  imwesentlich  anerkannt 
wiirde.  Wir  finden  bei  beiden  die  körnige  Exumbrella  mit  den  feinen  Leisten  am  Schirmrande,  ferner  die 
gleiche  Bildung  der  Randlappen,  des  Canalsystems  und  der  Mundarme.  Bei  beiden  sind  die  Subgenitalostien 
mehrmals  breiter  als  die  Armpfeiler;  auch  halte  ich  es  für  nicht  unmöglich,  dass  bei  geschlechtsreifen 
Thieren  die  Gonaden  aus  den  Ostien  herausti-eten,  da  sie  bei  dem  von  mir  untersuchten  Exemplar  in  den 
Subgenitalp  orticus  hineinragten. 

Zwischen  den  betreffenden  Arten  lassen  sich  ausser  dem  fehlenden  oder  vorhandenen  Subgenital- 
porticus  nur  folgende  Unterschiede  anführen.  Der  Schirm  ist  bei  L.  lucerna  nach  Haeckels  Figur  flacher 
und  weniger  gross  im  Verhältniss  zum  Armbüschel.  Die  Gallerte  erreicht  bei  L.  flagellata  die  doppelte 
Dicke,  und  die  Peitschenfilamente  sind  kürzer  bei  dieser.  Nach  den  Zeichnungen  Haeckels  ist  auch  das 
Canalsystem  etwas,  wenn  auch  nur  wenig  bei  beiden  verschieden.  Bei  L.  lucerna  nämlich  finden  sich  in 
jedem  Octanten  3  Canäle  vom  Ringcanal  nach  den  Buchten  zwischen  den  Randlappen  verlaufend,  die  durch 
ein  vinregelmässiges  Netzwerk  schmälerer  Canäle  verbunden  werden.  Diesem  letzten  Unterschiede  möchte 
ich  jedoch  nicht  zu  grossen  Werth  beilegen.  Haeckel  hatte  nur  ein  Exemplar,  das  geschont  werden  musste, 
und  konnte  sich',  wie  ich  vermuthe,  nicht  mit  Sicherheit  vom  Verlauf  der  Canäle  überzeugen.  Die  merk- 
würdige Uebereinstimmung  beider  Medusen,  die  auch  im  gleichen  Gebiet  beobachtet  wurden,  macht  es  ti-otz 
der  soeben  erwähnten  Unterschiede  mir  höchst  wahrscheinlich,  dass  sie  einer  gleichen  Art  angehören,  doch 
ist  es  klar,  dass  solche  Identifizirung  nicht  ohne  Vergleichung  der  Originale  sicher  geschehen  kann. 

Stomolopliu.s.  L.  Agassiz.  Das  Genus  Stomolophus  schliesst  sich  aufs  engste  an  Rhizostoma  an. 
Beide  Gattungen  zeichnen  sich  vor  allen  übrigen  —  von  der  zweifelhaften  Form  Brachiolophus  darf  man 
wol  absehen  —  durch  das  Auftreten  von  Scapuletten  aus;  ferner  sind  auch  Canalsystem  und  Mundarme 
bei  einzelnen  ihrer  Arten  fast  gleich  gebildet.  Bei  Betrachtung  der  Mvmdarme  kann  man  zuweilen  zweifelhaft 
sein,  ob  sie  gabelspaltig  oder  dreiflügelig  sind.  Doch  hilft  über  diese  Schwierigkeit  das  Vorhandensein  der 
Scapuletten  fort.     Ich  vereinige  daher  beide  Gattungen,  die  sich  nur  durch  verwachsene  resp.  freie  Mundarme 


— og^      31      o®a— 

unterscheiden,  zur  Familie  der  Rliizostomata  scapulata.  Durch  die  Expedition  des  „Vettor  Pisani"  wurde 
eine  neue  Art,  die  vierte  des  Genus  Stomolophus  entdeckt. 

Stomolophus  Chunii.  Vh.  n.  sp.  (Taf.  III,  Fig.  4  u.  5,  Tat.  IV,  Fig.  1\  Drei  verschiedene  Stadien 
dieser  Art  wurden  im  Februar  1884  im  Golf  von  Panama  gesammelt.  Von  einer  ausführlichen  Beschreibung 
der  Gattung  kann  ich  absehen,  da  Stomolophus  schon  von  Haeckel  eingehend  geschildert  und  die  wesent- 
lichen Merkmale  von  ihm  wie  auch  von  Agassiz  abgebildet  wxirden.  Ich  will  nur  erwähnen,  dass  bei  allen 
drei  Exemplaren,  selbst  bei  dem  grössten  von  fast  90  mm  Schirmbreite,  das  Mundrohr  nicht  geschlossen 
war,  sondern  dass  die  trichterförmige  Einsenkung  zwischen  den  ]\Iundarmeii  mit  der  Gastrogenitalhöhle 
communich't.    Die  Gonaden  lagen,  jede  von  der  Gastrogenitalmembran  eingehüllt,  getrennt  in  der  letzteren. 

Stomolophus  Chunii  ist  ausgezeichnet  durch  hohen  Schirm,  der,  ungefähr  so  hoch  als  breit,  ^j^  des 
Armbusches  einhüllt,  durch  8  oculare  Randeinschnitte,  12  Velarlappen  zwischen  zwei  ocularen  und  durch  die 
scharfen  Stützleisten  der  Scapuletten.  Er  unterscheidet  sich  von  St.  fritillaria  durch  das  Fehlen  der  inter- 
ocularen  Eandeinschnitte,  durch  die  halbkugelige  nicht  zonale  Form  des  Schulterkrausenbüschels  und  dadurch, 
dass  die  Scheibe  der  Armkrausen  nur  wenig  breiter  als  die  der  Schulterkrausen  ist.  Zwischen  Scapuletten 
und  Armen  treten  die  Träger  der  Schulterkrausen  als  scharfe  Leisten  hervor.  Die  Arme  sind  kürzer  als 
bei  St.  fritillaria.  112  Randlappen  sind  vorhanden.  In  jedem  Octanten  finden  sich  12  velare  und  zwei 
oculai'e  Randlappen;  die  ocularen  sind  spitz  und  ragen  nicht  über  den  übrigen  Schirmrand  hinaus,  die 
Velaren  sind  sanft  abgerundet. 

Bei  St.  meleagris  ti'eten  10  spitze  Velarlappen  (in  einem  Octanten  bildet  Agassiz  11  ab)  statt  der 
12  stumpfen  auf  und  die  ocularen  Randlappen  sind  länger,  nicht  kürzer  als  die  velaren.  Die  Schulterkrausen 
bilden  zusammen  bei  St.  Chunii  eine  Halbkugel,  nicht  wie  bei  St.  meleagris  einen  Cylinder;  ausserdem 
sind  die  Leisten  des  Mundrohrs  bei  letzterem  gerundet.  Stomolophus  agaricus  Haeckel,  welcher  im  gleichen 
Gebiet  mit  St.  Chunii,  an  der  pacifischen  Küste  Südamerikas,  gefunden  wurde,  ist  von  diesem  am  meisten 
verschieden.  Bei  ihm  werden  von  dem  halbkugeligen  Schirm  nicht  einmal  die  Scapuletten  bedeckt,  femer 
sind  16  tiefe  Randeinschnitte  und  16  Velarlappen  in  jedem  Octanten  vorhanden.  Die  jüngeren  Stadien,  von 
denen  das  kleinste  20  mm  Schirmdurchmesser  hat,  unterscheiden  sich  von  dem  älteren  nur  durch  etwas 
flacheren  Schirm,  kürzere  Scapuletten  und  davon  abhängig  durch  längeres  Mundrohr,  die  Canalnetzarcaden 
sind  nicht  so  hoch  wie  bei  alten  Thieren  imd  die  Mundarme  weniger  ausgebreitet.  Von  unten  gesehen 
bilden  die  letzteren  ein  deutliches  Kreuz,  da  die  Zusammengehörigkeit  von  je  zwei  hier  noch  besser  er- 
kennbar ist. 

Rhizostoma  Cut.  Die  Gattung  Rhizostoma  ist  ausgezeichnet  durch  freie,  nicht  verwachsene 
Mundarme,  die  Schulterkrausen  und  Gallertknöpfe  ti-agen.  Ich  sehe  nicht  ein,  weshalb  der  alte  gebräuch- 
liche Name  Rhizostoma  Cuv.  gegen  Pilema  Haeckel  vertauscht  werden  soll  und  behalte  daher  dem  Bei- 
spiel von  Claus  folgend  Rhizostoma  als  Gattungsnamen  bei.  Zudem  hat  man  häutig  in  der  Systematik 
einer  grösseren  Gruppe  einen  Namen  gegeben,  der  einer  kleineren,  besonders  tj'pischen  entlehnt  wurde. 
Wir  haben  demnach  im  System  die  Ordnung  Rhizostomata  den  Semaeostomen  entsprechend  und  die 
Gattung  Rhizostoma  zu  unterscheiden.  Es  liegen  mir  zwei  Arten  dieser  Gattung  vor,  von  denen  sich  die 
eine,  Rh.  hispidum,  als  neu  erwiesen  hat. 

Rhizostoma  pulmo.  L.  Agassiz.     Es  wurde  in  zwei  kleinen  Exemplaren  im  Mittelmeer,  Mai  1882, 


-ogSo      32      oÄo— 

gesammelt.  Das  grössere  hat  eine  Schirmbreite  von  45,  das  kleinere  von  lO  mm.  Ich  bin  weder  im  Stande 
Haeckels  Beschreibung  des  ausgewachsenen  Thiers  noch  der  ausführlichen  Darstellung  der  Entwicklungs- 
geschichte durch  Claus*)  etwas  wesentliches  hinzuzufügen.  Daher  constatire  ich  nur,  dass  das  kleinere 
Exemplar,  dem  die  Gallertkolben  macroscopisch  betrachtet  noch  fehlen,  schon  erkennbare  Schulterkrausen 
trägt  und  zwischen  2  ocularen  nur  2  velare  Eandlappen  besitzt.  Beim  grösseren  treten  G — 8  velare  Rand- 
lappen zwischen  zwei  ocularen  auf.  Die  Saugkolben  desselben  sind  in  ihrer  ganzen  Länge  ziemlich  gleich 
breit,  einige  jedoch  sind  distal,  dort  wo  der  Centralkanal  sich  zu  verästeln  beginnt,  etwas  verdickt.  Dieses 
noch  nicht  völlig  entwickelte  Exemplar  macht  daher  eine  Ausnahme  von  der  Regel  Haeckels,  dass  bei 
Rh.  pulmo  stets  der  Terminalknopf  der  Mundarme  an  der  Basis  am  breitesten,  von  da  gegen  die  Spitze 
verdünnt  ist.  Im  Uebrigen  stimmt  dasselbe  völlig  mit  einem  zweiten  aus  der  Sammlung  des  hiesigen 
zoologischen  Instituts  überein. 

Rhizostoma  hispidum.  Vh.  n.  sp.  (Taf  V,  Fig.  1  u.  2).  Im  October  1S84  wurden  9  Exemplare 
dieser  Meduse  bei  Hongkong  gesammelt.  In  ihrer  Grösse  differiren  sie  von  20 — 90  mm  Schirmbreite.  Der 
Schirm  der  grösseren  Thiere  ist  flachgewölbt  bis  halbkugelig:  bei  den  kleineren  ist  er  scheibenförmig  mit  einge- 
schlagenem Rande.  Die  Exumbrella  ist  ausgezeichnet  dm-ch  einen  ziemlich  dichten  Besatz  von  niedrigen,  spitz 
kegelförmigen  Warzen,  die  bei  den  grösseren  Thieren  kurzen  Stacheln  ähnlich  hervortreten  und  ein  rauhes  Aus- 
sehen bedingen.  Der  Schirm  ist  nur  von  dünner  Gallerte  gestützt.  Am  Rande  finden  sich  zw^ischen  zwei 
Paaren  kleiner  zurücktretender  Ocularlappen  8  abgerundet  dreieckige  velare,  also  im  Ganzen  80  Lappen. 
Bei  jüngeren  Thieren  sind  noch  je  zwei  von  ihnen  vereinigt,  so  dass  dort  nur  40  Randlappen  auftreten. 
Die  16  Arcaden  des  Canalnetzes  berühren  wie  bei  Stomolophus  die  Armpfeiler  bei  den  grösseren  Exem- 
plaren, doch  schliessen  sie  sich  nicht  so  eng  an  die  Radialcauäle  an,  so  dass  jederseits  von  ihnen  noch  ein 
freier  Raum  bleibt.  Diese  Zwischenräume  schimmern  hell  durch  die  Exumbrella  hindurch  und  rufen  eine 
IGstrahlige  Steruzeichnung  hervor.  Ein  breiter  Ringcanal,  wie  bei  R.  octopus,  ist  nicht  vorhanden.  Die 
adradialen  Canäle  verhalten  sich  zu  den  Arcaden  anders  als  die  perradialen  und  interradialen.  Die 
letzteren  beiden  sind  nahe  der  Mitte  des  Schirms  schon  nach  einem  Viertel  ihrer  Länge  mit  den  Arcaden 
durch  seitliche  Anastomosen  verbunden,  die  nach  den  Rändern  zu  in  immer  Ideiner  werdenden  Abständen 
sich  wiederholen.  Die  adradialen  Canäle  dagegen  zeigen  in  der  Mitte  ihres  Verlaufs  eine  Erweiterung,  von 
der  erst  die  Anastomosen  beginnen.  Die  Gonaden  sind  auch  bei  den  grösseren  Thieren  noch  klein  und 
treten  wenig  aus  den  breiten  Ostien  zwischen  den  um  ^/s  schmäleren  Armpfeilern  heraus.  Die  Scapuletten 
finden  sich  schon  bei  Exemplaren  von  20  mm  Durchmesser  —  den  kleinsten,  die  mir  vorlagen  —  sind  dort 
im  Verhältniss  zu  den  Mundarmen  kurz,  während  sie  bei  den  grösseren  ebenso  lang  wie  der  Oberarm  sind. 
Jede  Schulterkrause  trägt  zahlreiche  kleine  Peitschenfilamente  und  zwischen  ihren  äussersten  Lappen  ein 
grösseres  Filament.  Thieren  von  65  mm  Schirmbreite  fehlen  diese  Anhänge  noch.  Ferner  treten  4  stärkere 
perradiale  Peitschenfilamente  in  der  Mitte  der  Mundscheibe  auf,  je  eines  zwischen  den  proximalen  Enden  zweier 
Mundarme,  die  auch  bei  Thieren  von  nur  30  mm  Durchmesser  noch  deutlich  erkennbar  waren.  Die  dieser 
Gattung  eigenthümlichen  Gallertknöpfe  am  distalen  Ende  der  Mundarme  sind  gestielt.  Sie  fehlten  nur  bei  dem 
kleinsten  vorhandenen  Exemplar.    Der  Stiel  derselben  erreicht  höchstens  die  Länge  des  Endknopfes.    Aehnliche 

*)  Studien  über  Polypen  und  Quallen  der  Adria.  Denkschriften  der  Kaiserlichen  Academie  der  Wissenschaften.  Math.- 
Nr.turw.    Cl.    XXXVIII.    Wien  1878.    pag.  47. 


—3^    33    ogo— 

Saugkolben,  nur  verhältnissmässig  kleiner,  finden  sich  bei  den  grösseren  Thieren  auch  am  Ende  der  Arm- 
zweige. Zuweilen  sind  dieselben  durch  einfache  Filamente  ersetzt,  woraus  hervoi-geht,  dass  diese  Peitschen- 
filamente  und  Saugkolben  gleichwerthige  Gebilde  sind.  Wäre  dieses  nicht  der  Fall,  so  müsste  R.  hispidum 
von  den  übrigen  Arten  der  Gattung  Rhizostoma  als  einzige  Art  einer  neuen  Gattung  getrennt  werden. 

Aus  der  oben  gegebenen  Beschreibung  geht  hervor,  dass  das  Auftreten  von  Endkolben  an  den 
Armzweigen  nicht  als  Gattungscharacter  aufgefasst  werden  darf,  sondern  allein  als  Altersunterschied  zu 
betrachten  ist.  Daher  ist  es  nicht  weiter  wunderbar,  dass  Haeckel  solche  Gallertknöpfe  auch  bei  R.  octopus 
antraf.     Das  Genus  Rhopilema  muss  also  eingezogen  werden. 

Man  könnte  nun  vennuthen,  dass  R.  hispidum  mit  R.  clavigerum  identisch  ist,  welches  ebenfalls  bei 
Hongkong  gefunden  win-de.  An  Grösse  bleibt  das  von  Haeckel  beschriebene  Exemplar  von  80  mm  Schirm- 
breite nur  wenig  hinter  dem  grössten  unserer  Meduse  zurück.  Daher  kommt  die  geringere  Zahl  der  Rand- 
lappen 48  bei  R.  clavigerum  gegen  80  bei  R.  hispidum  auch  in  Betracht:  Die  Exumbrella,  bei  letzterem 
stachelig,  wird  bei  dem  ersteren  grobkörnig  genannt.  Peitschenfilamente  fehlen  jenem  vollständig  und  die 
Stiele  seiner  Gallertkolben  sind  ebenso  lang,  „kaum  länger"  als  der  Oberarm,  während  sie  bei  R.  hispidum 
noch  nicht  halb  so  lang  sind. 

Rhizostoma  (Rhopilema)  rhopalophorum  aus  dem  Indischen  Ocean,  das  seiner  zahlreichen  Gallert- 
kolben wegen  ebenfalls  in  Betracht  zu  ziehen  ist,  unterscheidet  sich  durch  die  doppelte  Zahl  der  velaren 
Randlappen  von  R.  hispidum,  ferner  durch  seine  längeren  Gallertknöpfe,  die  ebenso  lang  wie  die  Unterarme 
sind.  Da  ausserdem  nichts  erwähnt  wird  vom  Stachelbesatz  der  Exumbrella  und  von  Peitschenfilamenten, 
was  bei  einem  Thier  von  100  mm  Schirmdurchmesser  nicht  zu  übersehen  ist,  so  muss  man  die  vorliegende 
Meduse  als  neue  Art  anerkennen. 

Mastigias  L.  Agassiz.  Zum  Genus  Mastigias  rechne  ich  im  Sinne  von  Agassiz  alle  Rhizostomen, 
deren  äkantig  pyramidale  Mundarme  Gallertknüpfe  tragen,  wobei  es  gleichgültig  ist,  ob  die  Gallertknöpfe 
nur  am  Ende  der  Mundarme  oder  auch  seitlich  zwischen  den  Saugkrausen  avifti'eten.  Auf  das  letztere 
Vorkommen  gründete  Haeckel  das  Genus  Eucrambessa.  Dieses  ist  jedoch  aus  den  bei  R.  hispidum  angeführten 
Gründen  ebenso  wenig  haltbar  wie  Rhopilema.  Von  Mastigias  liegen  zwei  Arten  vor:  M.  ocellata,  die 
bisher  nur  ganz  kurz  beschrieben  wurde,  iind  M.  Orsini,  die  neu  ist.  Bei  beiden  finden  wir  seitliche  und 
terminale  Gallertknöpfe. 

Mastigias  ocellata  Haeckel.  (Taf  V,  Fig.  3 — 6).  Dieser  Art  gehören  zwei  Medusen  an,  welche  im 
October  1884  bei  Hongkong  gesammelt  wurden.  Die  Exumbrella  ist  von  zahlreichen  braun  gerandeten  hellen 
Augenflecken  mit  brauner  Pupille  bedeckt.  Die  Zwischenräume  zwischen  den  Flecken  sind  dicht  braun  punktirt. 
Der  Schirm  ist  flach,  scheibenförmig,  mit  eingeschlagenem  Rande  und  hat  beim  grösseren  Exemplar  einen 
Durchmesser  von  50,  beim  kleineren  von  25  mm.  Bei  beiden  Thieren  finden  sich  zwischen  zwei  vor- 
springenden ocularen  Randlappen  6  velare,  die  stumpf  abgerundet  sind  und  paarweise  verschiedene  Grösse 
haben.  Die  beiden  den  Ocularlappen  zunächst  liegenden  sind  die  kleinsten,  die  diesen  benachbarten  etwas  grösser 
und  die  beiden  mittleren  am  grössten.  Ausnahmsweise  bemerkt  man,  dass  einzelne  Randlappen  sich  theilen. 
Auf  der  Unterseite  zeigt  sich  vom  Rand  bis  zum  Beginn  der  Mundpfeiler  ausgedehnt  eine  kräftige  Ring- 
muskelzone, die  nur  durch  die  8  ocularen  Radialcanäle  imterbrochen  wird.  Diese  ocularen  Canäle  beginnen 
mit    schmaler  Oeffnung,   sind    dann  nahe   ihrem  Ursprung  flaschenartig  erweitert  und  verlaufen  allmählich 


— ofgo       34       0®0- 

sich  verschniälernd  dem  Rande  zu.  Zwischen  ihnen  liegen  lö— 20  Radialcanäle ,  welche  mittelst  ihrer 
Anastomosen  ein  dichtmaschiges  Netzwerk  bilden.  Dasselbe  steht  mit  den  breiten  ocularen  Canälen  nur 
durch  den  Ringcanal  in  Verbindung.  Der  Rand  wird  von  einem  noch  dichteren  Canalnetz  durchzogen. 
Das  Genitalkreuz  ist  durch  eine  dünne  häutige  Membran  von  dem  Subgenitalporticus  getrennt.  Der  Durch- 
messer der  Armscheibe  ist  gleich  dem  Radius  des  ausgebreiteten  Schirms  und  die  Ostien  des  Subgenital- 
porticus sind  mehr  als  doppelt  so  breit  als  die  sie  trennenden  Armpfeiler.  Die  Mundarme  sind  kräftig  und 
kurz.  Der  ungetheilte  Oberarm  ist  imgefähr  ebenso  lang  als  der  Unterarm,  der  durch  die  abstehenden 
dorsalen  Flügel  ums  Doppelte  verbreitert  wird.  Erst  in  der  Mitte  des  Unterarms  werden  die  Arme  stumpf 
pyramidenförmig,  da  die  Saugkrausen  der  3  Kanten  dort  einander  berühi-en.  Die  Pyramide  erscheint  jedoch 
zusammengedrückt;  die  den  Radien  entsprechenden  Seiten  derselben  sind  breiter  als  die  tangentiale  Seite, 
welche  zwischen  den  beiden  Dorsalflügeln  liegt.  Zwischen  den  Mundarmen  des  grösseren  Exemplars  finden 
sich  4  Peitschenfilamente  an  den  perradialen  Pfeilergabelu  und  ein  centrales  Peitschenfilament.  Am  distalen 
Ende  jedes  Mundarms  finden  wir  einen  gestielten  Skantigen  Nesselknopf,  der  bei  einigen  Armen  des 
grösseren  Thiers  nebst  Stiel  die  Länge  des  Schirmradius  ei-reicht.  Beim  kleineren  Thier  tragen  sämmtliche 
Arme  nur  ganz  kurz  gestielte  Nesselknöpfe.  Zwischen  den  Armkrausen  zerstreut  endlich  ti-eten  kleine,  kurz 
gestielte,  runde,  knopfartige  Bläschen  auf. 

Die  soeben  gegebene  Beschreibung  stimmt  mit  der  Diagnose  Haeckels  überein  bis  auf  die  Anzahl 
der  Randlappen  und  die  knopfartigen  Bläschen  zwischen  den  Saugkrausen.  Dass  hier  nur  die  halbe  Anzahl 
der  Velarlappen  auftritt,  6  statt  12  scheint  mir  kein  Hinderniss  diese  Meduse  mit  M.  ocellata  zu  identificiren 
obwohl  das  von  Haeckel  erwähnte  Exemplar  sie  nicht  viel  an  Grösse  übertrifft,  besonders  da  einzelne  Rand- 
lappen schon  eine  Theilung  erkennen  lassen.  Die  zwischen  den  Saugki-ausen  zerstreuten  Bläschen  aber 
werden  von  Agassiz*)  als  „small,  sparse,  white  papillae"  bei  Hidroticus  rufus  erwähnt,  dessen  Identität  mit 
M.  ocellata  Haeckel  selbst  für  höchst  wahrscheinlich  hält. 

Mastigias  Orsini.  Vh.  n.  sp.  (Taf.  IV,  Fig.  2 — 4).  Diese  schöne  Rhizostome  wurde  am  10.  Juni 
1884  von  Orsini  bei  Assab  entdeckt.  Es  liegen  davon  3  Exemplare  vor;  doch  fehlen  den  beiden  kleineren 
sämmtliche  Mundarme.  Das  gi'össte  wohl  erhaltene  Exemplar  hat  eine  Schii'mbreite  von  65  mm.  Der  Schirm 
ist  flach  gewölbt  mit  eingeschlagenem  Rande,  die  Exumbrella  glatt,  halbdurchsichtig,  das  Genitalkreuz  matt 
durchschimmern  lassend.  Der  Rand  ist  in  144  zugespitzte  Lappen  getheilt,  16  volare  zwischen  zwei  etwas 
schmäleren  nur  w-enig  vorspringenden  ocularen.  Die  Sinnesorgane  treten  etwas  aus  der  Ebene  der  Rand- 
lappen hervor.  Die  Subümbrella  zeigt  eine  tiefe  Randfurche,  innerhalb  welcher  der  breite  Ringcanal  verläuft 
Eine  kräftige  Ringmuskelzone  bedeckt  die  Innenseite  des  Randes  und  den  halben  Raum  zwischen  Randfm-che 
und  Armscheibe.  Durch  sie  hindurch  ist  undeutlich  der  Verlauf  der  Radialcanäle  erkeimbar.  Es  treten 
16  derselben  auf,  8  oculare  und  8  interoculare.  Zwischen  ihnen,  bis  zum  inneren  Rande  der  Muskelzone 
reichend,  findet  sich  ein  niedriges  Canalnetz  mit  wenigen  Maschen,  das  nur  mit  dem  Ringcanal  in  Verbindung 
steht  und  dessen  Canäle  ungefähr  die  halbe  Breite  der  Radialcanäle  haben.  Der  Durchmesser  der  Arm- 
scheibe ist  gleich  dem  Schirmradius.  Die  Armpfeiler  sind  breiter  als  die  Ostien  des  Subgenitalporticus, 
Der  Oberarm  der  Mundarme,  der  nur  venti-ale  Saugkrausen  trägt,  ist  sehr  km-z,  ungefähr  ebenso  lang  wie 


*)  Contributions  ...  IV.  pag'.  15S. 


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die  beiden  kurzen,  ersten  dorsalen  Aeste.  Dabei  ist  er  verhältnissmässig  sehr  dünn,  so  dass  die  schweren 
Skantigen  Unterarme  leicht  abbrechen.  Der  Unterarm  mit  dem  ungestielten  Terminalknopf  ist  dreimal  so 
lang  als  der  Oberarm  und  im  eigentHchsten  Sinne  des  Worts  dreikantig  (Taf.  IV,  Fig.  4).  Alle  3  Seiten  der 
Pyramide  sind  gleich  breit  und  unterscheiden  sich  nur  dadurch,  dass  auf  der  äusseren,  tangentialen  Seite  der 
Gallertknopf  höher,  ungefähr  bis  zur  halben  Höhe  des  gesammten  Unterarms  hinaufreicht,  während  derselbe 
auf  den  beiden  radialen  Seiten  nur  '/s  des  Unterarms  einnimmt.  Ausserdem  steigt  jederseits  zwischen  den  ven- 
tralen und  den  dorsalen  sonst  die  Arme  dicht  bedeckenden  Saugkrausen  eine  tiefe  Furche  vom  Oberarm  herab. 
Dicht  über  dem  sehr  grossen  Terminalknopf  finden  sich  besonders  auf  den  dorsalen  Kanten  des  Unterarms 
einzelne  längliche,  schmale,  ungestielte  Gallertknöpfe,  die  sich  zuweilen  längs  der  ganzen  Kante  heraufziehen, 
gleichsam  als  wollten  sie  die  Saugkrausen  der  tangentialen  Seite  einrahmen.  An  einem  Quei-schnitt  erkennt 
man  die  bedeutende  Dicke  der  Schirmgallerte  und  der  Armscheibe  mit  den  Mundpfeilern.  Die  Gastro- 
genitalhöhle  ebenso  wie  der  Subgenitalporticus  sind  wenig  geräumig.  Von  dem  Gastralraum  entspringen 
8  mächtige  Armkanäle,  die  an  die  Saugkrausen  Aeste  abgeben  nnd  bis  zur  S])itze  des  Termmalknopfes 
verlaufen.  Im  Gallertknopf  geben  sie  ebenfalls  nach  den  3  Kanten  senkrechte  Stämme  ab,  die,  im  Bereich 
der  Kanten  dm-ch  Anastomosen  verbunden,  ein  wenigmaschiges  Netzwerk  bilden. 

DesmOStOlHii.  Vh.  U.  g.  Das  Genus  Desmostoma  wird  für  eine  Rhizostome  gegründet,  welche 
bei  Assab  im  Rothen  Meer  durch  Orsini  entdeckt  wurde.  Es  schhesst  sich  an  das  Genus  Mastigias  an, 
hat  wie  dieses  8  dreiseitig  pyramidale  Mundarme  mit  Terminalknopf,  zwischen  denen  vom  Centrum  der 
Mundscheibe  ein  Büschel  starker  Peitschenülamente  herabhängt. 

Desmostoma  gracile.  Vh.  n.  sp.  (Taf  IV,  Fig.  5 — 7).  Diese  zierliche  Meduse  liegt  in  3  Exemplaren 
aus  dem  rothenMeer  bei  Assab  vor,  wo  sie  im  September  1884  von  Orsini  entdeckt  wurde.  Alle  drei  sind  ziem- 
lich gleich  gross,  haben  ungefähr  35  mm  Schirmbreite.  Der  Schirm  ist  flach  bis  hutförmig  gewölbt,  mit  ab- 
stehendem oder  nach  innen  eingeschlagenem  Rande.  Die  Exumbrella  ist  von  sehr  dicker  Gallerte  gestützt  und 
äusserlich  von  kleinen  Warzen,  die  zu  unregelmässigen  Flocken  zusammentreten,  dicht  bedeckt.  Der  Rand 
ist  unregelmässig  gelappt,  da  zwischen  zwei  kleinen  lanzettlichen  Ocularlappen  wenigstens  5  Velarlappen 
liegen,  die  sich  wieder  zu  theilen  pflegen,  so  dass  5 — 10  Velarlappen  in  den  verschiedenen  Octanten  zu 
beobachten  sind.  Dazu  kommt  noch,  dass  die  Rhopalien  ebenfalls  unregelmässig  auftreten,  so  dass  bei  dem 
einen  Exemplar  drei  nebeneinander  ohne  dazwischen  liegende  Velarlappen  gefunden  wm-den.  Der  hoch- 
gewölbte Schirm  schliesst  eine  geräumige  Gastrogenitalhöhle  und  einen  sehr  niedrigen  Subgenitalporticus 
ein.  Verdünnt  man  die  Schirmgallerte,  so  sieht  man  die  Gastrogenitalhöhle  mit  dem  Gonadenkreuz  und 
das  von  ihr  ausgehende  Canalnetz  durchschimmern.  Das  Canalnetz  wird  von  4  langen  interradialen, 
4  kurzen  perradialen  und  zahlreichen  zwischen  diesen  entspringenden  schwächeren  Canälen  gebildet,  die 
sämmtlich  vei'ästelt  und  dm-ch  Anastomosen  verbunden  sind.  In  der  Randzone  nimmt  sämmtliche  Canäle 
der  Ringeanal  auf  Ausserhalb  desselben  setzen  sich  nur  die  starken  ocularen  Canäle  fort,  während  zwischen 
ihnen  ein  von  sehr  schmalen  Canälen  gebildetes,  enges  Netzwerk  auftritt.  Die  Subumbrella  wird  von  einer 
breiten  und  kräftigen  Ringmuskelzone  bedeckt,  welche  jedoch  nicht  bis  zur  Peripherie  der  Armpfeiler 
heranreicht.  Die  Subgenitalostien  sind  breiter,  zuweilen  doppelt  so  breit  als  die  Armpfeiler.  Aus  ihnen 
treten  die  äusseren  Schenkel  je  zweier  Gonaden  paarweise  heraus,  welche  mitunter  durch  den  zwischen 
diesen  liegenden  Gallertbalken  völlig  getrennt  sind,  so  dass  scheinbar  8  Subgenitalostien  entstehen. 


— ofto    3G    og->- 

Die  Mundarme  sind  kurz,  kaum  so  laug  als  der  Scliirmradius  und  bestehen  aus  einem  stark  ver- 
kürzten Oberarm  und  einem  3 — 4  mal  so  langen  gerundet  3kantigen  Unterarm,  der  dicht  mit  Saugkrausen 
bedeckt  ist  und  ausser  dem  terminalen  noch  zuweilen  einzelne  zerstreute,  kleinere  Gallertknöpfe  zwischen 
den  Saugkrausen  trägt.  Zwischen  den  Mundarmen  endlich,  die  ganze  Mundscheibe  einnehmend,  hängt  ein 
starkes  Büschel  von  mehr  als  20  Peitschentilamenten  herab,  die  ungefähr  l^/»  mal  so  lang  als  der  Schirm- 
durchmesser sind.  Bei  dem  einen  mir  vorliegenden  Exemplar  jedoch,  welches  weniger  kräftig  ist  als  die 
beiden  anderen  und  flach  gewölbten  Schirm  hat,  finden  sich  nur  8  solcher  Peitschenfilamente. 


Das  System  der  Rhizostomen. 


Unter  den  oben  beschriebenen  Rhizostomen  sind  Vertreter  der  Toreumiden,  Pilemiden,  Versuriden 
und  Crambessiden  vorhanden,  d.  h.  alle  4  Familien,  in  welche  Haeckel  die  Rhizostomen  theilen  zu  müssen 
glaubte.  Da  sich  mir  ausserdem  vorzüglich  conservirtes  Vergleichsmaterial  bietet  aus  der  Sammlung  des 
hiesigen  zoologischen  Museums,  darunter  zwei  Haeckel'sche  Originale  von  Rhizostoma  octopus  und  Cram- 
bessa  Pictonum  und  da  dieses  Material  ergänzt  wird  dui'ch  die  vorzüglichen  Abbildungen  von  Haeckel, 
Agassiz,  Claus,  Grenacher  und  Noll,  so  bin  ich  im  Stande,  mir  ein  allgemeines  Urtheil  über  die  gesammte 
Gruppe  der  Rhizostomen  zu  bilden.  Ein  solcher  Ueberblick  berechtigt  mich,  eine  kritische  Beurtheilung 
und  Verbesserung  des  alten  Systems  der  Rhizostomen  zu  versuchen.  Die  Nothwendigkeit  eines  neuen 
Systems  der  Rhizostomen  wurde  von  Claus*)  schon  1883  dargethan,  indem  er  nachwies,  dass  das  Haupt- 
eintheilungsprinzip  Haeckels,  das  Aufti-eten  oder  Fehlen  eines  Subgenitalporticus  nicht  einmal  als  Art- 
character  gelten  könne,  weil  sonst  ältere  und  jüngere  Thiere  derselben  Art  getrennt  werden  müssten. 
Dem  zweiten  Einwui'f,  den  Claus  dem  System  Haeckels  macht,  muss  ich  ebenfalls  zustimmen.  Es  lässt 
sich  keine  deutliche  Grenze  zwischen  Unicrispaten  und  Multicrispaten  ziehen.  Das  von  Claus,  der  Phyllo- 
rhiza  und  Cotylorhiza  vergleicht,  gewählte  Beispiel  scheint  mir  nicht  recht  geeignet,  dieses  Verhalten  zu 
demonstriren,  Phyllorhiza  besitzt  nach  den  allerdings  zu  kurzen  Bescbreibimgen  deutlich  dreilappige  Arme, 
während  Cotylorhiza  einfach  gabelspaltige  Arme,  wie  die  übrigen  Cepheiden,  hat,  die  nur  gezwungen  als 
dreilappig  gedeutet  werden  können.  Mehr  erinnert  die  Armbildung  der  Cotylorhiza  an  die  Unterarme  der 
Stomolophiden,  wo  man  allerdings  zweifelhaft  sein  kann,  ob  Gabeltheilung  oder  dreiflügelige  Bildung  vor- 
liegt. Die  Zweifel  werden  aber  einfach  gelöst,  wenn  man  andere  Eigenschaften  in  Betracht  zieht.  Die 
Stomolophiden  schliessen  sich  an  die  Gattung  Rhizostoma  durch  die  Ausbildung  der  Scapuletten  au,  Coty- 
lorhiza jedoch  darf  nicht  von  den  Cepheiden  getrennt  werden,  der  Radialmusculatur,  die  sonst  nur  bei 
Cepliea  und  Archirhiza  zu  beobachten  ist,  und  der  kleinen  Subgenitalostien  wegen. 

Nachdem  Claus  dann  noch  auf  die  Verästelung  der  Arme  bei  den  Unicrispaten  emgegangen  und 
L.  Agassiz    auch   hierbei   wieder   gegen  Haeckel  zu  seinem  Recht  verholten  hat,  giebt  er  eine  „vorläufige 


*)  Untersuchungen  über  die  Organisation  und  Entwicklung  der  Medusen.  1883   pag.  57 — 61. 


— 0®0        ij(  &$0— 

Orientiruug"  der  Medusen,  die  in  der  That,  um  seinen  eigenen  Ausdruck  zu  gebrauchen,  gegenüber  den 
künstlichen  Categorien  des  Haeckel'schen  Rhizostomensystems  geradezu  ein  Bedürfniss  war.  Zum  Vergleich 
mit  der  später  vorzuschlagenden  Gruppirung  lasse  ich  die  von  Claus  gegebene  Eintheilung  hier  folgen. 

Rhizostomae*). 

1.  Farn.:  Archirhizidae. 

Archirhiza,  Haplorhiza,  Cannorhiza. 

2.  Fam.:  Cassiopeidae. 

Toreuma,  Polyclonia,  Cassiopeia,  Versura,  Crossostoma- 
'^.  Fam.:  Cepheidae. 

Cephea,  Polyrhiza,  Phyllorhiza,  Cotylorhiza,  Stylorhiza. 
.  Fam.:  Lychnorhizidae. 

Toxoclytus,  Lychnorhiza. 

5.  Fam.:  Stomolophidae. 

Brachiolophus,  kStomolophus. 

6.  Fam.:  Rhizostomidae. 

Eupilema,  Rhizostoma,  Rhopilema. 

7.  Fam.:  Catostylidae. 

Catostylus  (Crambessa),  Mastigias,  Eucrambessa. 

8.  Fam.:  Leptobrachiidae. 

Thysanostoma,  Himantostoma,  Leptobrachia,  Leonura. 
Claus  vermeidet  es  das  Prinzip  flu-  seine  Eintheilung  der  Rhizostomen  anzugeben;  wir  können 
dasselbe  nur  aus  den  Diagnosen  seiner  8  Familien  vermuthen.  In  diesen  Diagnosen  finden  sich  aber  so 
viele  überflüssige  und  relative  bei  der  einzelnen  Bestimmung  nichts  entscheidende  Begriffe,  dass  die  wesent- 
lichen Merkmale  nicht  genügend  hervortreten.  Die  Familien  stehen  ausser  aller  Beziehung  zu  einander  und 
man  weiss  nicht,  ob  eine  Eigenschaft  die  einer  derselben  zukommt  bei  einer  anderen  fehlt  oder  nicht. 
Mit  einem  Wort  die  Diagnosen  sind  nicht  präcise  genug,  daher  ist  es  bedeutend  erschwert,  nahezu  unmöglich 
gemacht,  einzehie  Thiere  in  diesen  Familien  unterzubringen.  Als  Beweis  für  meine  Behauptung  führe  ich 
an,  dass  bei  den  Archirhiziden  „geringe  Körpergrösse"  als  Merkmal  angeführt  und  dass  bei  allen  übrigen 
Gruppen  die  Beschaffenheit  der  Armscheibe,  welche  entweder  „breit  und  flach",  „stielförmig  verlängert" 
„sehr  breit  und  stielförmig  verlängert"  oder  „sehr  breit"  ist,  an  erster  Stelle  erwähnt  wird.  Das  Canalsystem 
oder  Gefässnetz  wird  uns  als  „einfach",  „sehr  eng  und  dicht",  als  „relativ  einfach"  und  als  „eng"  geschildert. 
Alle  diese  Ausdrücke  sind  doch  ohne  genaue  Definition  oder  Hinweis  auf  eine  normale  Form  nicht  zu  ver- 
stehen und  solche  wie  „meist"  oder  „relativ"  müssen  unbedingt  aus  jeder  Diagnose  fortbleiben.  Bei  der 
7.  und  8.  Familie,  den  Catostyliden  und  Leptobrachiiden  hebt  Claus  endlich  noch  die  Ausbildung  eines 
Subgenitalporticus  hervor,  ohne  zu  bedenken,  dass  dieses  Merkmal  zu  Irrungen  führen  muss,  weil  dasselbe 
auch  einigen  Gattungen  anderer   Familien  zukommt,  wo  nichts  davon  erwähnt  wird. 


*)  Die  Pluralform  von  Rhizostoma  heisst  Rhizostomata. 


— ogjo      38      o®o— 

Die  Diagnosen  der  Familien  können  demnach,  da  sie  zur  Bestimmung  nicht  geeignet  sind,  nich 
beibehalten  werden.  Dagegen  muss  ich  anerkennen,  dass  die  (xruppirung  der  Gattungen  im  Allgemeinen 
der  natürlichen  Verwandtschaft  entspricht.  Nur  im  Einzelnen  habe  ich  einige  Ausstellungen  zu  machen. 
So  halte  ich  es  für  nöthig,  Versura  von  den  Cassiopeiden  zu  trennen,  da  jene  durch  die  dreiflügeligen 
Mundarme,  ferner  durch  die  breiten  Subgenitalostien  und  durch  die  Musculatur  der  Subumbrella  sich  von 
diesen  unterscheidet.  Ob  Crossostoma  ebenfalls  von  Cassiopeia  getrennt  werden  und  mit  Versm'a  vereinigt 
bleiben  muss,  kann  ich  nicht  entscheiden,  da  die  kurzen  Beschreibungen  ihrer  Arten  keine  selbstständige 
Beurtheilung  gestatten.  Ich  schliesse  mich  in  dieser  Frage  an  Haeckel  an,  der  doch  wenigstens  eine  Art 
dieser  Gattung  gesehen  hat.  Ferner  kann  ich  Claus  darin  nicht  beipflichten,  dass  er  Phyllorhiza  zu  den 
Cepheiden  rechnet.  Obwohl  ich  diese  Meduse  nicht  gesehen  habe,  scheint  es  mir  klar,  dass  dieselbe  deut- 
lich Sflügelige,  nicht  gabelspaltige  Mundarme  besitzt.  Phyllorhiza  muss  daher  zu  Lychnorhiza  gestellt 
werden,  wo  sie  auch  Haeckel  unterbringt,  der  sie  aus  eigener  Anschauung  kennt. 

Vergleicht  man  endlich  die  Diagnosen  der  Stomolophiden  und  Rhizostomiden  bei  Claus,  so  ergiebt 
sich,  dass  beide  Familien  wesentlich  nur  durch  verwachsene  resp.  freie  Mundarme  sich  unterscheiden.  Da 
derselbe  Unterschied  nun  nach  Claus  nicht  hinreicht,  die  Gattungen  der  Archirhiziden  in  zwei  Familien 
zu  ti-ennen,  so  liegt  auch  kein  Grund  vor,  Stomolophiden  und  Rhizostomiden  als  besondere  Familien  zu 
betrachten. 

Nachdem  ich  einige  der  Momente  hervorgehoben  habe,  welche  eine  Aenderung  des  Systems  wünschens- 
werth  erscheinen  lassen,  will  ich  die  Prinzipien  entwickeln,  die  mich  bei  der  Aufstellung  des  neuen  Systems 
leiten.  Jedes  natürliche  System  hat  den  Zweck,  möglichst  scharf  begrenzte  Gruppen  durch  \^erwandtschaft 
zusammengehöriger  Arten  zur  leichteren  Uebersicht  zusammenzustellen.  Die  beiden  Anforderungen  aber, 
dass  das  System  den  natürlichen  Verhältnissen  Rechnung  tragen  und  gleichzeitig  übersichtHch  sein  soll, 
widersprechen  einander,  denn  in  der  Natur  giebt  es  kein  System,  d.  h.  die  verschiedenen  Arten  sind  durch 
verwandtschaftliche  Beziehungen  verbunden,  jede  Gruppirung  derselben  ist  jedoch  mehr  oder  weniger  will- 
kürlich und  nur  durch  practische  Rücksichten  geboten.  Deshalb  werden  sich  immer  Beziehungen  und  Ueber- 
gänge  unter  den  sogenannten  natlü'lichen  Gruppen  finden,  die  als  Mängel  des  Systems  hervortreten.  Um 
solche  auffallende  Mängel  möglichst  zu  vermeiden,  wählte  ich  als  Haupteintheilungsprinzip  der  Rhizostomen 
die  Beschaffenheit  der  Mundarme,  deren  Bedeutung  für  die  Classification  ja  in  allen  früheren  Systemen 
schon  anerkannt  wiirde.  Die  Mundarme  sind  nächst  dem  Schirm  die  auffallendsten  Organe  der  Medusen. 
Sie  sind  es,  die  das  ganze  Aussehen,  den  Habitus  derselben  im  höchsten  Grade  beeinflussen,  während  die 
Verschiedenheiten   des  Schirms   weniger  characteristisch   sind. 


— o^    39    0^— 


Rhizostomata.*) 


1.  Rhizostomata  simplicia.     Mundarme  einfach,  ungetheilt. 

Archirhiza  Haeckel.     Mundarme  frei,  Subgenitalpoi-ticus  fehlt.**) 

A.  pr imor dialis.  Haeckel.     48  Randlappen;  Arme  cylindrisch,  so  lang  als  der  Schirmradiws 

Adradialcanäle  unverästelt.     Fundort:  Bassstrasse. 
A.  aurosa.  Haeckel.     80  Randlappen;  Arme  conisch,  1 1/2 mal  so  lang  als  der  Schirmradius  =  r 
Adradialcanäle  verästelt.     Neuseeland. 
Haplorhiza.  Haeckel.     Mundarme  frei;  Subgenitalporticus  vorhanden. 

H.  simples.  Haeckel.     48  Randlappen,    Ocularlappen    vorspringend;    Subgenitalostien   so  breit 

als  die  Armpfeiler.     Bassstrasse. 
H.  punctata.  Haeckel.     176  Randlappen,    Ocularlappen  eingezogen;  'Subgenitalostien   3mal  so 
breit  als  die  Pfeiler.     Küste  von  Nordaustralien,  Arnheims  Land. 
Cannorhiza.  Haeckel.     Mundarme  verwachsen. 

C.  connexa.  Haeckel.  80  Randlappen;  Subgenitalostien  so  breit  als  die  Pfeiler.  Südpaeifischer 
Ocean  bei  Neuseeland. 

2.  Rhizostomata  dichotoma.     Mundarme  gabeltheilig. 

Cephea.  Peron  et  Lesueur.  Mundarme  einfach  gabeltheilig***),  mit  zahlreichen  Peitschenfilamenten ; 
Exumbrella  mit  Höckern  bedeckt. 

C.  Forskale a.  Haeckel.  Gabellappen  der  Arme  doppelt  so  lang  als  der  Obei-arm;  Ocular- 
einschnitte  der  Exumbrella  sehr  tief;  Velarlappcn  rechteckig;  zwischen  den  Armbasen  16  grosse 
und  starke  Peitschenfilamente  imd  zahlreiche  kleiuei-e.     Rothes  Meer  bei  Djedda. 

C.  fusca.  Peron  et  Lesueur.  Gabellappen  der  Arme  dreimal  so  lang  als  der  Oberarm;  Ocu.lar- 
einschnitte  der  Exumbrella  seicht;  Peitschenfilamente  zahlreich,  von  der  Armbasis  an  Grösse  distal 
abnehmend;  Velarlappen  stumpf  abgerundet.  Lidischer  Ocean,  Malabar,  Nordwestküste  von 
Australien. 

C.  diplopilus.  Haeckel.  Gabellappen  der  Arme  so  lang  als  der  Oberarm;  zahlreiche  Peitschen- 
filamente, 24 — 32  stärkere  darunter;  Velarlappen  zugespitzt,  fast  eiförmig  dreieckig.  Sandwichinseln. 


*)  In  der  hier  folgenden  Zusammenstellung  fehlen  die  Arten  Phyllorhiza  punctata,  v.  Lendenfeld,  Pseudorhiza  aurosa. 
V.  Lendenield  und  Monorhiza  Haeckelü  Haacke.  Es  ist  mir  nicht  möglich,  nach  den  vorhandenen  Abbildungen  und  Beschrei- 
bungen ein  sicheres  Urtheil  über  die  Gestalt  ihrer  Mundarmo  zu  gewinnen.  Die  Familie  der  Chaunostomiden,  in  welcher  die 
beiden  letzteren  vereinigt  wurden,  characterisirt  durch  die  bleibende  centrale  Mundöflnung,  ist  jedoch  meiner  Ansicht  nach  un- 
haltbar, da  auch  bei  anderen  Rhizostomen,  z.  B.  wie  ich  beobachtete  bei  Stomolophus,  die  Mundöffnung  persistirt.  Monorhiza 
Baeckelii  scheint  einige  Aehnüchkeit  mit  Leptobrachia  und  Leonura  zu  zeigen.  Dafür  spricht  die  übereinstimmende  Täfelung  der 
Exumbrella  und  die  analoge  Bildung  der  Mundarme.  Wenn  wir  nämlich  die  Arme  als  rudimentär  und  das  von  Haacke  nur 
einmal  beobachtete  Auftreten  von  Armkrausen  an  dem  Terminalknopf  als  Rückschlag  betrachten,  so  lassen  sich  an  diesem  am 
wenigsten  rückgebüdeten  Mundarm  3  Abschnitte  ähnlich  wie  bei  jenen  Gattungen  erkennen:  1)  obere  Saugkrausen;  2)  ein  mittlerer 
Skautiger  Theil  ohne  Saugkrausen,  der  sogenannte  Terminalknopf,  und  diesem  anhängend  3)  untere  3flügelige  Saugkrausen. 

**)  Nur  hier  habe  ich  das  Fehlen  resp.  Auftreten  eines  Subgenitalporticus  als  Gattungsmerkmal  gelten  lassen,  weil  keine 
wesentlichen  Unterschiede  erwähnt  werden. 

***}  Xur  bei  C.  conifera  sind  die  beiden  GabeUappen  distal  in  zwei  kleine  Läppchen  gespalten. 


-o®o     40     ogc— 

C.  conifera.   Haeckel.      Gallertlappen  dei-  Arme    doppelt    so    laug    als  der  Oberarm,    an    ilurer 

Spitze  in  zwei  kleine  Läppchen  gespalten,  'Velarlappen  rechteckig,    Peitschenfilamente  sehr  lang 

und  zahlreich,  ungefähr  100  von  ilmeu  länger  als   der  Schirmdurchmesser,  darunter  4  sehr  dicke 

an  den  perradialen  Pfeilergabeln.     Carolinen,  Samoainseln. 

Polyrhiza.  L.  Agassiz.     Mundarme  wiederholt  gabeltheilig,  mit  zahlreichen  Peitschenfilamenten;  Exum- 

brella  ohne  Höcker,  von  Eadialfurchen  durchsetzt. 

P.  vesiculosa.  L.  Agassiz.  32  dichotome  Radialfurchen  der  Exumbrella;  Velai-lappen  recht- 
eckig; Arme  den  Schirmrand  wenig  überragend;  Peitschen  zahlreich,  laug,  länger  als  der  Schirm- 
durchmesser.    Rothes  Meer. 

P.  h  0  m  opneusis.  Haeckel.  16  einfache  Radialfurchen;  Velarlappen  kurz,  spitz  dreieckig; 
Arme  den  Schirmrand  um  mehr  als  die  Länge  des  Schirnn-adius  überragend;  Peitschen  kurz  und 
zahlreich.     Neuguinea,  Waigiouinseln. 

P.  Orithyia.  Haeckel.     16 — 32  verzweigte  Eadialfurchen;  Velarlappen  kurz  und  stumpf;  Arme 
den  Schirmrand   übeiTagend;   Peitschen   zahlreich   und   kurz,   4  (oder  8)    grössere    im  Centrum. 
Mollukkensee. 
Cotylorhiza.  L.  Agassiz.    Mundarme  einfach  gabeltheilig,  Gabeläste  gefiedert  mit  gestielten  Saugnäpfen 

C.  t  u  b  e  r  c  u  1  a  t  a.  L.  Agassiz.  Velarlappen  stumpf;  Arme  kürzer  als  r,  den  Rand  wenig  über- 
ragend, Gabeläste  ungefähr  so  lang  als  der  Oberarm;  die  längsten  Saugrölu'eu  au  der  Gabel- 
theilung der  Arme  länger  als  der  Oberarm.     Mittelmeer  und  Rothes  Meer. 

C.  ambulacrata.  Haeckel.    Velarlappen  rechteckig;  Arme  länger  als  r,  Gabeläste  fast  doppelt 
so  lang  als  der  Oberarm;  die  längsten  Saugröhren  kürzer  als  der  Oberai-m.    Atlantischer  Ocean. 
Stylorhiza.  Haeckel.     Mundarme  wiederholt  gabeltheilig  mit  langgestielten  Saugnäpfen. 

St.  octostyla.  Haeckel.  Velarlappen  abgerundet;  Subgeuitalostien  fast  doppelt  so  breit  als  die 
Pfeiler;  Arme  so  lang  als  r;  8  lange  und  zahlreiche  kürzere  gestielte  Saugnäpfe.  Rothes  Meer, 
Arabische  Küste. 

St.  polj-styla.  Haeckel.  Velarlappen  rechteckig,  abgestutzt;  Subgeuitalostien  kaum  so  breit  als 
die  Pfeiler;  Arme  doppelt  so  lang  als  r;  zahlreiche  Saugröhren,  darunter  16  lange.  Lidischer  Ocean. 

3.  Rhizostomata  pinnata.    Mundarme  gefiedert. 

Toreuma.  Haeckel.     16  Radialcanäle;  8  Sinneskolben. 

T.  theophila.  Haeckel.    96  Randlappen;  Exumbrella  grobkörnig,  warzig;  Arme  so  lang  als  r; 
grosse  kolbenförmige   Blasen;   an  C.  Andronieda  im  Habitus  erinnernd.     Lidischer  Ocean,   Nord- 
westküste von  Australien. 
T.  thanino  Stoma.  Haeckel.    120 — 160  Randlappen;  Exumbrella  feinkörnig;  Arme  fast  doppelt 

so  lang  als  r;  kolbenförmige  Blasen  klein,  so  gross  wie  die  Randläppchen.     Lidischer  Ocean. 
T.  Gegenbauri.  Haeckel.    80  Randlappen;  Exumbrella  papillös;  Arme  =  l'/a  r:  an  der  Basis 
jedes  Arms  eine  sehr  grosse,  sonst  kleine  kolbenförmige  Blasen.     Tropenzone  des  Lidischen  Oceans 
Polyclonia.  L.  Agassiz.     24  Radialcanäle:  12  Sinneskolben. 

J*.  frondosa.  L.  Agassiz.    Exumbrella  mit  12  hellen  Radialstreifen:  Armscheibe  ''3 — '/<  r  breit; 


-o®o     41      o®>- 

Arme  ungefähr  ^  r,  mit  zalilreicheii  kleinen  kolbenförmigen  Blasen  zwischen  den  Zottenbüscheln. 
Westindien,  Küste  von  Florida. 
Cassiopeia.  Peron  et  Lesueur.     32  Radialcanäle,  IG  Sinneskolben. 

C.  A  n  d  r  0  m  e  d  a.  E  s  c  h  s  c  h  o  1 1  z.  80  Randlappen;  96  weisse  Radialfleeken  auf  der  Exumbrella;  Sub- 
umbrella  nngefleckt;  Arme  kaum  so  lang  als  r;  Armscheibe  ^/a  r  breit;  Arme  mit  zahlreichen 
kleinen,  neben  zerstreuten  grossen  kolbenförbigen  Bläschen  zwischen  den  Zotten.  Rothes  Meer 
und  Sundaarchipel. 

C.  o  r  n  a  t  a.  H  a  e  c  k  e  1.  80  Randlappen ;  96  Radialflecke  der  Exumbrella,  32  auf  der  Subumbrella; 
Arme  etwas  länger  als  r;  Armsclieibe  ^\i  r  breit;  zahlreiche  kleine  kolbenförmige  Bläschen.  Küsten 
von  Neuguinea  und  Australien. 

C.  Mertensii.  Brandt.  128  Randlappen;  32  Radialflecke  der  Exumbrella;  Arme  l'/s  r  lang, 
mit  zahlreichen  sehr  grossen  keulenförmigen  Blasen.     Carolinenarchipel,  Ualan. 

C  depressa.  Haeckel.  144  Randlappen;  Exumbrella  ohne  Radialflecke;  Arme  kürzer  als  r; 
keulenförmige  Blasen  zahlreich  und  sehr  klein.  Südwesten  des  Indischen  Oceans  bei  Madagascar 
und  den  Querimbainseln. 

C.  p  olyp  0  i  de  s.  Keller.  80  Randlappen;  64  Radialflecke  (die  16  grossen  Flecke  sind  mit  zwei 
kleinen  Flecken  der  ocularen  Randlappen  verschmolzen);  Subumbrella  mit  16  lanzettlichen  weissen 
Radialflecken;  Arme  so  lang  oder  länger  als  r;  grosse  und  kleine  kolbenförmige  Bläschen;  Exum- 
brella mit  Saugnapf.     Südlicher  Theil  des  Rothen  Meeres. 

C  picta.  Vanhöffen.     112  Randlappen;    128  Radialflecke    (zuweilen    die  grösseren    mit    einigen 
kleineren  verschmolzen);  Subumbrella  mit  16  grossen,  eiförmigen  weissen  Flecken;  Arme  kürzer 
als  r;  Armscheibe  so  breit  als  r;  nur  kleine  kolbenförmige  Bläschen.     Rothes  Meer  bei  Beilul. 
4.  Rhlzostomata  triptera.     Mundarme  dreiflügelig.    (Die  ventrale  Saugkrausenreihe  und  die  der  dorsalen  Flügel 
berühren  sich  erst  am  distalen  Ende  des  Arms.) 
Loborhiza.  Vanhöffen.     Mundarme  3flügelig,  ohne  besondere  Anhänge. 

L.  ornatella.  Vanhöffen.    80  Randlappen;  Exumbrella  fein  granulirt;  Velarlappen  stumpf  ab- 
gerundet; Arme  sehr  kurz,  vom  Centrum  gemessen  =  ^/s  r.     Westküste  Südamerikas,  Insel  Puna 
bei  Guayaquil. 
Phyllorhiza.  L.  Agassiz.    Die  Mundarme  endigen  mit  3  kleeblattähnliclien  getrennten  Lappen.  Zwischen 
den  Saugkrausen  Peitschenfilamente. 

P.  trifolium.  Haeckel.  96  Randlappen;  Exumbrella  feinkörnig;  Arme  mit  3  halbkreisförmigen, 
fiederspaltigen  getrennten  Lappen,  mit  24  sehr  langen  (länger  als  2  x)  und  zahlreichen  kurzen 
Peitschenfilamenten.     Japanisches  Meer. 

P.  chinensis.  L.  Agassiz.    80  Randlappen;  Exumbrella  papillös;  Arme  31appig  gefranzt;  zahl- 
reiche lange  Peitschenfilamente.     Chinesisches  Meer. 
Lychnorhiza.  Haeckel.     Arme  mit  3  breiten  stark  gelappten  Flügeln  und  Peitschenfilamenten. 

L.  lucern a.  Haeckel.  48  Randlappen;  Arme  fast  so  lang  als  die  Schirmbreite:  Exumbrella 
femkörnig;  120 — 160  Peitschenfilamente,  länger  als  die  Arme;  Subgenitalporticus  fehlt.  Brasilia- 
nische Küste,  Rio  de  Janeiro. 


-o®o      42      o®<:- 

L.  flagellata.   Vanliüffen.     48  Randlappen;  Exumbrella  fein  granulirt;  Arme  so  lang  als  der 
Schirmradius;   Peitschenfilamente    kürzer  als  die  Arme;   Subgenitalporticus  vorhanden.     Brasilia- 
nische Küste  bei  Pernambuco. 
Versura.  Haeckel.*)    Arme  mit  3  breiten  tief  gelappten  Flügeln  und  keulenförmigen  Blasen  zwischen 
den  Saugkrausen;  ohne  centrale  Zottenrosette. 
V.    palmata.    Haeckel.      112    verwachsene    Randlappen;    Oculareinschnitte    seicht;    Velarlappen 
schmal  rechteckig;  Subgenitalostien  doppelt  so  breit  als  die  Pfeiler;  Arme  kürzer  als  r,  so  lang 
als  breit.     Simdasee,  Java. 
V.  pinnata.   Haeckel.     144  verwachsene  Randlappen;    Oculareinschnitte  tief;    Velarlappen  qua- 
dratisch;   Subgenitalostien  so  breit  als  die  Pfeiler;  Arme  etwas  länger  als  r,  doppelt  so  lang  als 
breit.     Indischer  Ocean,  Cocosinseln. 
V.  vesicata    Haeckel.     208  Randlappen;  Oculareinschnitte  tief;  Velarlappen  schmal  rechteckig; 
Subgenitalostien  halb  so  breit  als  die  Pfeiler;  Arme  so  lang  als  r,  so  lang  als  breit;  die  kolben- 
förmigen Blasen  am  Ende  der  Mundarme  gross,   '/<  r  lang.    Australische  Küste. 
Crossostoma.**)  L.  Agassiz.     Arme  mit  3  breiten  tiefgelappten  Flügeln  und  keulenförmigen  Blasen; 
centrale  Zottenrosette  vorhanden. 
C.  c  0  r  0 1 1  i  f  1 0  r  u  m.  H  a  e  ck  e  1.  96  Randlappen;  Velarlappen  halbkreisförmig;  Oberarm  kurz,  »/s  des 
Unterarms;  8  quastenförmige  Zottenbüschel  bilden  die  Mimdrosette.    Canarische  Inseln.    Teneriffa. 
C.  frondiferum.  Haeckel.  112  Randlappen;  Velarlappen  abgerundet;  Obei-arm  sehr  kurz,  kaum 
angedeutet;  Zottenbüschel  im  Centrum.     Chinesisches  Meer  zwischen  Macao  und  Canton. 
5.  Rhizostomata  scapulata.     Mundarme  mit  Schulterkrausen. 

Brachiolophus.  Haeckel.     Mundarme  nur  an  der  Basis  verwachsen. 

B.  collaris.  Haeckel.***)     16  seichte  Randeinschnitte;  80  Randlappen,  Velarlappen  quadratisch: 
Armbusch    um  die    ganze    Schirmhöhe    vom    oberen    Rand    der  Scapuletten  an    aus    dem  Schirm 
herausragend.     Galopagosinseln. 
.Stomolophus.  L.  Agassiz.     Mundarme  bis  zu  den  Endästen  verwachsen. 

S  t.  fr  iti  Ilaria.  Haeckel.  16  seichte  Randeinschnitte;  208  Randlappen,  Velarlappen  stumpf 
rechteckig;  Armbusch  um  '/4  der  Schirmhöhe  herausragend;  Scapuletten  ganz  vom  Schirm  be- 
deckt. Küste  von  Surinam. 
St.  meleagris.  L.  Agassiz.  8  tiefe  Ocidareinschnitte;  96  Randlappen,  Velarlappen  spitz;  Arra- 
biisch  nur  Vs  der  Schirmhöhe  herausragend;  Unterrand  der  Scapuletten  in  der  Höhe  des  Schirm- 
randes.    Atlantische  Küste  von  Nordamerika. 


*)  Die  Zusammengehörigkeit  von  Versura  und  Lychnorhiza  ergiobt  sich  aus  den  unzweifelhaft  Sflügeligen  Armen  (vergl. 
Haeckel,  Syst.  d.  Medusen,  Taf.  XXXX  Fig.  9  u.  11),  den  sehr  breiten  Subgenitalostien  und  der  Ringmusculatur. 

**  Crossostoma  Dubreuillei  Haeckel  gehört  nach  der  AbbUdung  in  Lesson  „Centurie  zoologique"  zu  urtheilen  zu  Cram- 
bessa.  Gölte,  „Verzeichniss  der  Medusen,  welche  von  Dr.  Sander,  Stabsarzt  auf  S.  M.  S.  Prinz  Adalbert,  gesammelt  wurden",  erwähnt 
zwe  neue  Arten  von  Crossostoma,  nhne  sie  zu  benennen.  Sitzungsberichte  der  königl.  preussisclien  Academie  der  Wissenschaften 
zu  Berlin  XXXIX.  1886. 

**•)  Wahrscheinlich  Jugendform  zu  St.  agaricus. 


-O®0        43        0®0- 

8t.  agaricus.  Haeckel.  IG  tiefe  Randcinschnitte:  144  Randlappen,  Velarlappen  rechteckig  ab- 
gerundet; Armbuscli  um  mehr  als  Schirmhöhe  herausragend;  Scapuletten  ganz  ausserhalb  der 
Schirmhöhle.     Pacifische  Küste  von  Central-  und  Südamei'ika. 

St.    Chunii.   Vanh offen.      8    tiefe    Oculareinschnitte ;    112    Randlappen,    Velarlappen   gerundet 
rechteckig;    Armbusch    um    V4    der   Schirmhöhe    hervorragend;    Scapuletten   ganz    innerhalb    der 
Schirmhöhle.     Pacitischer  Ocean,  Golf  von  Panama. 
Eupilema.  Haeckel.     Mundarme  frei,  nicht  verwachsen,  ohne  besondere  Anhänge. 

E.  s  c  a  p  u  1  a  r  e.  Haeckel.  144  Randlappen,  Velarlappen  rechteckig;  Arme  so  lang  als  der  Schirm- 
radius; der  freie  Theil  der  Oberarme  etwas  kürzer  als  die  Unterarme.    Sundaarchipel.   Sumatra. 

E.  c  1  a  u  s  t  r  a.  Haeckel.    64  Randlappen,  Velarlap])eu  breit  3eckig ;  Arme  1  '/a  mal  so  lang  als  r; 
der  freie  Theil  der  Oberarme  etwas  länger  als  die  Unterarme.     Marquesasiuselu. 
Rhizostoma.  Cuvier.     Mundarme  frei,  Gallertknöpfe  vorhanden. 

Rh.  capeuse.  Haeckel.  64  Randlappen,  Velarlappen  breit  halbkreisförmig;  Oberarm  imgefähr 
so  lang  als  der  Unterarm;  Terminalknöpfe  sitzend,  halb  so  lang  als  der  Oberarm,  3kantig  pjra- 
midal.     Südafrika,  Tafelbay. 

Rh.  pulmo.  L.  Agassiz.  80  Randlappen;  Exumbrella  feinkörnig;  Velarlappen  gross,  halbkreis- 
förmig; Oberai-m  etwas  länger  als  der  Unterarm;  Terminalknopf  kürzer  als  der  Oberarm,  3kantig 
ungestielt,  an  der  Basis  am  breitesten.     Mittelmeer. 

Rh.  octopus.  Okeu.  Ü6 — 112  Randlappen;  Velai'lappen  gxoss,  abgestutzt;  Exumbrella  feinkörnig; 
Oberarm  etwas  kürzer  als  der  Unterarm;  Terminalknopf  länger  als  der  Oberarm,  Skantig,  un- 
gestielt, an  der  Basis  aber  verdünnt.     Atlantische  Küste  von  Europa. 

Rh.  Corona.  Haeckel.  140 — 180  Randlappen;  Velarlappen  schmal,  abgestutzt;  Oberarm  fast 
doppelt  so  lang  als  der  Unterarm;  Terminalknöpfe  sitzend,  viel  kürzer  als  der  Oberarm,  3kantig. 
Rothes  Meer. 

Rh.  luteum.  Eschscholtz.  80  Randlappen;  Exumbrella  rauh;  mit  leistenförmigen ,  radiären 
Wärzchen;  Velarlappen  spitz  eiförmig;  Oberarm  etwas  länger  als  der  Unterarm;  Terniinalknopt 
keulenförmig,  gestielt;  Stiel  länger  als  der  ganze  Arm.     Meerenge  von  Gibraltar. 

Rh.  clavigerum.  Haeckel.  48  Randlappen;  Exumbrella  grobkörnig;  Velarlappen  eiförmig, 
3eckig;  Oberarm  ungefähr  so  lang  als  der  Unterarm.  Terminalknopf  keulenförmig,  langgestielt; 
Stiel  so  lang  als  der  Oberarm.  Chinesisches  Meer,  Hongkong.) 
Rh.  r  hop  aloph  0  ru  m.*)  Vanhöffen.  144  Randlappen;  Velarlappen  schmal  i'echteckig;  Ter- 
minalknopf 3kantig,  so  lang  als  der  Unterarm;  Oberarm  halb  so  lang  als  der  Unterarm.  In- 
discher Ocean,  östlich  von  Madagascar. 
Rh.  hispidum  Vanhöffen.  80  Randlappen;  Exumbrella  mit  conischen  Stacheln  besetzt;  die 
Mundarme  tragen  Peitschenfilamente ;  Velarlappen  abgenmdet  dreieckig;  Oberarm  ungefähr  so 
lang  als  der  Unterarm ;  Terminalknopf  nebst  Stiel  so  lang  als  der  Oberarm.     Hongkong. 


♦)  Ehopilema  rhopalophora.  Haeckel. 


6.  Rhizostomata  trigona.     Mundarme  dreikantig  pyramidal,  dicht  mit  Saugkrausen  bedeckt. 
Crambessa.  Haeckel,     Mundarme  ohne  besondere  Anhänge. 

C.  triptera.  Vanh offen.*)  48  Randlappen;  Velarlappen  fast  quadratisch;  Arme  etwas  länger 
als  r;  Oberarm  doppelt  so  lang  als  der  Unterarm.     Westküste  des  tropischen  Afrika. 

C.  Dubreuill).  Vanhöff en.**)  48  Eandlappen;  Velarlappen  stumpf  abgerundet;  Arme  ungefähr 
so  lang  als  r;  Oberarm  halb  so  lang  als  der  Unterarm.     Indischer  Ocean,  Pondichery. 

C.  cruciata.  Haeckel.  48  Randlappen;  Velarlappen  gleichseitig  3eckig;  Exumbrella  mit  Radial- 
furchen; Mundarme  IV2  r  lang;  Oberarm  V«  so  lang  als  der  Unterarm.  Brasilianische  Küste, 
Rio  de  Janeiro. 

C.  palmipes.  Haeckel.  64  Randlappen;  Exumbrella  fein  granulirt;  Velarlappen  quadratisch  ab- 
gestutzt; Arme  etwas  kürzer  als  r;  Oberarm  halb  so  lang  als  der  Unterarm.  Küste  von  Nord- 
austr  allen. 

C.  T  a  o-  i.  H  a  e  c  k  e  1.  80  Randlappen;  Exumbrella  mit  dendritisch  verzweigten  Furchen;  Velarlappen 
gleichschenklig  dreieckig;  Mundarme  länger  als  2  r.    Küste  von  Portugal  und  Senegambien  (Greeff.). 

C.  Pictonum.  Haeckel.  80  Randlappen;  Velarlappen  gleichseitig  Seckig;  Exumbrella  qua- 
dratisch getäfelt:  Muudarme  kürzer  als  der  Schirmdurchmesser.     Küste  der  Bretagne. 

C.  mosaica.  Haeckel.    Gegen  200  Randlappen;  Velarlappen  schmal,  Mundarme  kürzer  als  2  r; 
Exumbrella  papillös.     Ostküste  von  Australien, 
Mastigias.  L.  Agassiz.     Die  Mundai-me  tragen  Gallertknöpfe. 

M.  papua.  L.  Agassiz.  80  Randlappen;  Exumbrella  mit  zahkeichen  weissen,  grossen  Flecken; 
Velarlappen  halbki-eisförmig;  Arme  etwa  so  lang  als  r,  Oberarm  so  lang  als  der  Unterarm;  End- 
anhang äkantig  prismatisch,  etwas  länger  als  2  r.     Küste  von  Neuguinea,  Chinesisches  Meer. 

M.  ocellata.  Haeckel.  112  Randlappen;  Exumbrella  mit  weissen,  braun  gerandeten  Augen- 
flecken; Velarlappen  stumpf  abgerundet;  Arme  kürzer  als  r,  Oberarm  etwas  länger  als  der 
Unterarm;  Endanhang  keulenförmig,  Skantig,  nicht  länger  als  r.  Ostlicher  Theil  des  Indischen 
Oceans,  Sundastrasse,  Hongkong  (Chierchia). 

M.  p  a  n  t  h  e  r  i  n  a.  Haeckel.  144  Randlappen ;  Velarlappen  schmal  i-echteckig  abgestutzt ;  Arme 
fast  =  2  r  lang,  Oberarm  kaum  halb  so  lang  als  der  Unterarm;  Endanhang  dünn,  prismatisch, 
Skantig,  2 — 3mal  so  lang  als  2  r;  Exumbrella  dunkelbraun  mit  weissen  Augenflecken.  Tropisch- 
pacifischer  Ocean,  Samoainseln. 

M.  Mülleri.  Vanhöf f en.***)  80  Randlappen;  Velarlappen  gross,  quadratisch;  Arme  so  lang  als 
2  r.     Indischer  Ocean,  Madagaskar. 

M.  Orsini.  Vanhöffen.  144  Randlappen;  Velarlappen  schmal,  zugespitzt;  Unterarm  3mal  so 
lang  als  der  Oberarm;  Mundarme  mit  Endknopf  ungefähr  =  r;  Endknopf  sehr  gross,  imgestielt, 
tetraedrisch.     Rothes  Meer  bei  Assab  (Orsini). 


*)  Toxoclytus  tripterus.  Haeckel. 
**)  Crossostoma  Dubreuilli.  Haeckel. 
***)  Eucraiubessa  Mülleri.  Haeckel. 


— o®o    45    o^  — 

^[.  roseus.   V  anh  ö  1 1  cii.*)     ÖG — G4  Rancllappen;  Velarlappen    schmal,   lang,    abgerundet;    Arme 
kaum  so  lang  als  r,  Oberarm  ungefähr  so  lang  als  der  Unterarm;  Exumbrella  mit  Radialfurchen; 
Terminalknöpfe  klein,  ungestielt.     Tropengürtel  des  Atlantischen  Oceans. 
Desmostoraa.  Vanhöffen.     Mundarme  mit  Gallertknöpfen;  Mundscheibe  mit  einem  Büschel  kräftiger 
Peitschenlilamente. 
D.  gracile.    Van  hoffen.     5 — 10    stumpfe  Velarlappen    zwischen   2   lanzettlichen   Ocularlappen; 
56 — 96  Randlappen;  Exumbrella  mit   kleinen  Warzen,  flockig  bedeckt;    Subgenitalostien  breiter 
als  die  Armpfeiler;  Mimdarme  kaum  so  lang  als  r;  Unterarm  3 — 4mal  so  lang  als  der  Oberarm; 
Terminalknopf  allseitig   abgerundet,   sitzend;   Peitschentilamente   bis   3  r   lang.     Rothes  Meer  bei 
Assab.     (Orsini.) 
7.  Rhizostomata  lorifera.     Mundarme  dreikantig,  riemenförmig  (sehr  lang  und  dünn  mit  3  Saugkrausenreihen). 
Thysanostoma.  L.  Agassiz.     Die  Mundarme  tragen  in  ihrer  ganzen  Länge  Saugki-ausen;  Terminal- 
knöpfe fehlen. 
T  h.  thysanura.  Haeckel.    9G  Randlappen;  Velarlappen  stumpf  gerundet;  Exumbrella  unregel- 
mässig getäfelt,  die  polygonalen  Felder  mit  Wärzchen  bedeckt;  Subgenitalostien  4 — 6  mal  so  breit 
als  die  Pfeiler;  Arme  4 — 6  mal  so  lang  als  r.     Australische  Küste. 
Th.   melitea.   Haeckel.     80  (?)  Randlappen;    Velarlappen    abgestutzt,    rechteckig;    Exumbrella 
regelmässig  getäfelt;  Arme  mehrmals  länger  als  2  r.     Neu  Guinea. 
Himantostoma.  L.  Agassiz.     Die  Arme  tragen  ihrer  ganzen  Länge  nach  Saugkrausen  und  endigen 
mit  einem  Gallertknopf. 
H.  Lesueurii.  L.  Agassiz.    56  Randlappen ;  Velarlappen  durch  seichte  Buchten  getrennt;  Ter- 
minalknopf zugespitzt.     Chinesisches  Meer. 
H.  loriferum.  Haeckel.    G4  Randlappen ;  Velarlappen  abgestutzt,  eingekerbt  zweilappig;  Ocular- 
lappen rudimentär,  stumpf;  Subgenitalostien  3 — 4  mal  so  breit  als  die  Armpfeiler.    Arme  so  lang 
als  4  r;  Gallertknopf  eiförmig.     Rothes  Meer  bei  Tur. 
H.  flagellatum.   Haeckel.     80  Randlappen;   Velarlappen  seicht,   stumpf,  abgerundet;   Ocular- 
lappen spitz;   Subgenitalostien  2 — 3mal   so   breit   als  die  Armpfeiler;   Arme  ^  3  r  lang.     Nord- 
pacitischer  Ocean,  Sandwichinseln. 
Leptobrachia.  Brandt.    Mundarme  im  oberen  Drittel  mit  ventralen,  in  der  Mitte  ohne  und  im  unteren 
Drittel   mit   ventralen    und   dorsalen    Saugkrausen.     Gallertknopf  vorhanden;    ohne   Zottenrosette   im 
Centrum  der  Mundscheibe. 
L.  leptopus.  Brandt.     48  (?)  Randlappen;   Velarlappen  rechteckig;   Subgenitalostien  doppelt  so 
breit   als   die  Pfeiler;  Arme   ungefähr  =  4  r  lang;  Terminalknopf  spitz   Skantig.     Tropengürtel 
des  pacifischen  Oceans,  Radackinseln. 
Leonura.  Haeckel.     Mundarme  im  oberen  Drittel  mit  ventralen,  in  der  Mitte  ohne  luid  im  unteren 
Drittel  mit  ventralen  und  dorsalen  Saugkrausen.  Gallertknopf  vorhanden;  mit  Zottenrosette  im  Centrum 
der  Armscheibe. 


*)  Toxoclytus  roseus.  L.  Agassiz.  Aus  der  Beschreibung  und  Abbildung  dieser  Meduse  in  Lesson  „Centurie  zoologiqae" 
ergiebt  sich,  dass  nicht  nur  am  Bistalende  der  ilundarme,  sondern  auch  swischen  den  Saugkrausen  Gallertknöpfe  auftreten.  Sie 
muis  daher  zu  Mastigias  gerechnet  werden. 


— 5gC        46         0®0— 

L.  ieptiira.  Haeckel.    80  Randlappen;  Velarlappen  rechteckig;  Ocularlappen  spitz  3eckig;  Sub- 

genitalostien  3mal  so  breit  als  die  Pfeiler;  Arme  fast  =  6  r  lang;  Terminalknopf  spitz  Skantig. 

Südpacifisclier  Ocean  bei  Neuseeland. 
L.  terminalis.   Haeckel.     80  Randlappen;   Velarlappen  spitz  Seckig;   Subgenitalostien  3mal  so 

breit   als  die  Pfeiler;  Mundarme  =  2  r  lang;  Terminalknopf  spitz   Skantig.     Pacifischer  Ocean 

unweit  Juan  Fernandez. 


III.  Geographische  Verbreitung  der  Semaeostomen  und 
Rhizostomen.     (Dazu  eine  Karte.) 


Es  scheint  bisher  ausser  durch  von  Lendenfeld,*)  welcher  die  Vertheilung  der  14  australischen 
Rhizostomen  bespricht,  kein  Versuch  gemacht  zu  sein,  die  geographische  Verbreitung  der  Medusen  festzu- 
stellen. Der  Grund  dafür  liegt  wol  darin,  dass  man  einmal  diese  pelagischen  Thiere  nicht  an  engere  Gebiete 
gebunden  hielt  in  dem  Gla^xbeu,  die  weite  Verbreitung  einzelner  Arten,  resp.  vermeintlicher  Arten  constatirt  zu 
haben,  dann  auch  in  dem  Umstände,  dass  man  unsere  Kenntniss  der  Medusen  als  nicht  ausreichend  für 
derartige  Zwecke  ansah.  Auch  ich  hoffte  kaum  durch  Zusammenstellung  der  Semaeostomen  und  Rhizo- 
stomen nach  ihren  Fundorten  zu  allgemeinen  Resultaten  zu  gelangen,  sondern  wollte  mich  hauptsächlich 
über  diejenigen  Gebiete  orientiren,  von  denen  uns  nur  wenige  oder  keine  Medusen  bekannt  sind,  deren 
Erforschung  daher  wahrscheinlich  zur  Entdeckung  neuer  Arten  führen  würde.  Dennoch  stellten  sich  dabei 
noch  einige  andere  interessante  Ergebnisse  heraus ,  die  ich  hier  nicht  unberücksichtigt  lassen  will ,  da  sie 
Anregung  zu  weiteren  Beobachtungen  geben,  obwohl  ich  überzeugt  bin,  dass  neue  Entdeckungen  jene  nicht 
imwesentlich  modifiziren  werden. 

Medusen  des  Atlantischen  Oceans. 

Semaeostomata.  Rhizostomata. 

1.     Mittelländisches  Meer. 
Pelagia  noctiluca.  Cotylorhiza  tuberculata. 

Pelagia  neglecta.  Rhizostoma  pulmo. 

Chrysaora  mediterranea.  Rhizostoma  luteum. 

Drymoneraa  ■väctoria. 
Drymonema  dalmatina. 
Cyanea  Lamarcki. 
Umbrosa  lobata. 
Undosa  stelligera. 
Phacellophora  sicula. 
Aurelia  aurita. 


*)  R.  V.  Lendenfeld ,  The  geographica!  distribution  of  the  Auatralian  scyphomedusae.    Proceedings  of  the  Linno  n  socioty 
of  New  South  Wales.  Vol.  IX.  part.  2. 


Semaeostomata. 
2. 

Pelagia  perla. 
Chrysaora  icosceles. 
Cyanea  capillata. 
Cyanea  Lamarcki. 
Cyanea  imporcata. 
Aurelia  aurita. 
Aiirelia  cruciata. 


-dga      47      o®o- 

Rhizostomata. 
Westküste  von  Europa. 

Rhizostoma  octopus. 
Crambessa  Tagi. 
Crambessa  Pictonum. 


3. 


Pelagia  neglecta. 
Pelagia  discoidea. 
Chrysaora  fulgida. 
Cyanea  Annasethe. 
Undosa  undulata. 


Westküste  von  Afrika. 

Rhizostoma  capense. 
Crarnbessa  triptera. 
Crambessa  Tagi. 


4.     Ostküste  Nordamerikas. 
Pelagia  cyanella.  Polyclonia  frondosa. 

Dactylometra  quinquecirra.  Stomolophus  meleagris. 

Stenoptycha  dactylometra. 
Cyanea  versicolor. 
Cyanea  arctica. 
Phacellophora  ornata. 
Aurelia  flavidula. 
Aurelia  marginalis. 

5.     Ostküste  Südamerikas. 

Pelagia  minuta.  .                                Lychnorhiza  lucerna. 

Chrysaora  Blossevillei.  Lychnorhiza  flagellata. 

Dactylometra  lactea.  Stomolophus  fritillaria. 

Stenoptycha  Goetheana.  Crambessa  cruciata. 
Drymonema  Gorgo. 
Desmonema  Gaudichaudi. 


Pelagia  crassa. 
Pelagia  phosphora. 
Patera  cerebriforrais. 
Ulmaris  prototypus. 


Offener  Ocean. 

Crossostoma  corolliflorum. 
Mastigias  roseus. 
Cotylorhiza  ambulacrata. 


-0®C      48      ogc- 

Medusen  des  indischen  Oceans. 

Semaeostomata.  Rhizostomata. 

1 .     R  0 1  h  e  s  Meer. 

Cassiopeia  Andromeda. 
Cassiopeia  polypoides. 
Cassiopeia  picta. 
Cepliea  Forskalea. 
Polyrhiza  vesiculosa. 
Cotylorhiza  tuberculata. 
Stylorhiza  octostyla. 
Rhizostoma  Corona. 
Mastigias  Orsini. 
Desmostoma  gracile. 
Himantostoma  loriferum. 

2.     Westlicher  Theil. 
Pelagia  papillata.  Cassiopeia  depressa. 

Chrysaora  calliparea.  Cepliea  fusca. 

Procyanea  protosema.  Rhizostoma  rhopalophorum. 

Aurelia  dubia.  Crambessa  Dubreuillii. 

Aurelia  colpota.  Mastigias  MüUeri. 

3.     Oestlicher  Theil. 
Pelagia  papillata.  Toreuma  theophila. 

Chrysaora  calliparea.  Toreuma  thamnostoma. 

Chrysaora  chinensis.  Toreuma  Gegenbauri. 

Floscula  promethea.  Cassiopeia  Andromeda. 

Aurosa  furcata.  Cephea  fusca. 

Sanderia  malayensis.  Polyrhiza  Orithyia. 

Versura  p  ahn  ata. 

Versura  pinnata. 

Versura  vesicata. 

Rhizostoma  clavigerum 

Rhizostoma  hispidum. 

Medusen  des  Pacifisclien  Oceans. 

Semaeostomata.  Rhizostomata 

1.     Küste  von  Nordamerika. 
Pelagia  denticulata. 
Chrysaora  helvola. 


— c^go     49     o^o- 

Semaeostomata.  Rhizostomata. 

Chrysaora  melanaster. 
Cyanea  Postelsii. 
Phacellophora  ambigiia. 
Phacellophora  camtschatica. 
Aurelia  hyalina. 
Aurelia  labiata. 

2.  Küste  von  Südamerika. 

Pelagia  placenta.  Loborhiza  ornatella. 

Chrysaora  plocamia.  Brachiolophus  collaris. 

Medora  reticulata.  Stomolophus  agaricus. 

Desmonema  pendula.  Stomolophus  Chunii. 

Desmonema  Chierchiana.  Leonura  terminalis. 
Melusina  formosa. 

3.     Küste  von  Asien. 
Pelagia  denticulata.  Phyllorhiza  trifolium. 

Pelagia  flaveola.  Phyllorhiza  chinensis. 

Chrysaora  melanaster.  Crossostoma  frondiferum. 

Dactylometra  pacifiea.  Himantostoma  Lesueurii. 

Cyanea  ferruginea. 
Patera  donacostoma. 
Sthenonia  albida. 
Phacellophora  camtschatica. 
Aui'elia  limbata. 

4.     Australische  Küste  und  Inselgebiet. 
Pelagia  panopyra.  Archirhiza  primordialis. 

Pelagia  placenta.  Archirhiza  aurosa. 

Stenoptycha  rosea.  Haplorhiza  simplex. 

Cyanea  Annaskala.  Haplorhiza  punctata. 

Cyanea  Müllerianthe.  Cannorhiza  connexa. 

Floscula  pandora.  Cassiopeia  ornata. 

Floresca  parthenia.  Cassiopeia  Mertensi. 

Floresca  palladia.  Cephea  diplopilus. 

Aurelia  clausa.  Cephea  conifera. 

Auricoma  Aphrodite.  Polyrhiza  homopneusis. 

Eupilema  claustra. 

Crambessa  palmipes. 

Crambessa  mosaica. 


-  oJBo     50     0^- 

Semaeostomala.  Rhizostomata. 

Mastigias  papua. 
Mastigias  pantherina. 
Thysanostoma  thysanura. 
Thysanostoma  melitea. 
'  Himantostoiua  flagellatum 

Leptobrachia  leptopus. 
Leonura  leptura. 
Phyllorhiza  punctata. 
Pseudorhiza  aurosa. 
Monorhiza  Haeckelii. 


Aus  dieser  Zusammenstellung  ergiebt  sich ,  dass  Semaeostomen  und  Rhizostomen,  die  in  ziemlich 
gleichei-  Artenzahl  vorhanden  sind,  in  verschiedener  Weise  sich  über  die  Meere  vertheilen.  Es  fällt  zunächst 
auf,  dass  im  Rothen  Meer  die  Semaeostomen  und  an  der  Paeifischen  Küste  Nordamerikas  die  Rhizostomen 
völlig  fehlen,  während  dort  Rhizostomen  hier  Semaeostomen  reichlich  vorhanden  sind.  Wir  finden  ferner 
im  Atlantischen  Ocean  und  an  der  Asiatischen  und  Amerikanischen  Küste  des  Paeifischen  Oceans  mehr 
als  doppelt  so  viele  Arten  von  Semaeostomen  als  Rhizostomen,  im  Indischen  Ocean  dagegen  an  den  Austra- 
lischen Küsten  und  im  Inselgebiet  des  Stillen  Oceans  zeigt  sich  das  umgekehrte  Verhältniss.  Diese  ursprüng- 
lich befremdende  Thatsache  findet  ihre  einfache  Erklärung  darin,  dass  Rhizostomen  im  Allgemeinen  warme 
Meere  lieben,  während  die  Semaeostomen  in  gemässigten  Zonen  stärker  vertreten  sind.  Damit  hängt  wol 
zusammen,  dass  jene  reich  gegliederte  Küsten,  diese  mehr  das  freie  Meer  bevorzugen.  Den  Beweis  für  diese 
Behauptung  finde  ich  in  folgendem.  Betrachtet  man  die  Fimdorte  der  einzelnen  Medusen,  so  ergiebt  sich, 
dass  die  Rhizostomen  nach  unserer  ji-tzigen  Kenntniss  nicht  über  50"  nördlicher  Breite  und  50"  südlicher 
Breite  hinausreichen,  während  die  Semaeostomen  zwischen  750  nördlicher  und  60"  südlicher  Breite  beobachtet 
wurden.  Von  den  ersteren  finden  sich  aber  nur  3  ausserhalb  der  Zone  von  40"  n.  Br.  —  40"  südl.  Breite. 
Es  sind  dieses  Crambessa  pictonum  und  Rliizostoma  octopus  an  der  Westküste  Europas  und  Stomolophus 
agaricus  an  der  Paeifischen  Küste  Patagoniens.  Doch  braucht  man  nicht  anzunehmen,  dass  diese  Thiere 
besonders  sich  an  kältere  Zonen  gewöhnt  hätten;  das  weitere  Vorrücken  derselben  nach  Norden  resp.  nach 
Süden  erklärt  sich  aOein  schon  dadurch,  dass  beide  Gebiete  durch  aequatoriale  Strömungen  erwärmt  werden. 
Auch  indirect  lässt  es  sich  leicht  zeigen,  dass  die  Rhizostomen  an  warme  Meere  gebunden  sind,  da  sie  überall 
fehlen,  wo  kalte  Strömungen  die  Küsten  berühren.  Sie  fehlen  daher  der  Küste  von  Californien  und  Mexico, 
treten  an  den  Galopagosinsehi  und  im  Busen  von  Panama,  die  von  aequatorialer  Strömung  bespült  werden  auf 
und  verschwinden  wieder  im  Bereich  des  Perustroms.  An  der  Atlantischen  Küste  Amerikas  vermissen  wir 
Rhizostomen,  soweit  Labrador-  und  Falklandstrora  die  Küste  bestreichen.  Ebenso  finden  sich  keine  Rhizo- 
stomen südlich  vom  Aequator  an  der  afiükanischen  Westküste ,  die  der  Benguelastrom  abkühlt ,  und  im 
Gebiet  des  Nordafricastroms  bei  den  Canarischen  Inseln  tritt  nur  das  seltene  Crossostoma  coroUiflorum  auf. 


-o®o     51      c®o- 

Eine  grosse  Anzahl  von  Rhizostomen  bevölkert  dann  die  Küsten  des  Indischen  Oceans  und  des  indisch- 
australischen Inselgebiets.  An  der  Westküste  des  Pacifischen  Oceans  steigen  sie  nur  bis  zum  40°  nördlicher 
Breite  herauf,  da  dort  kältere  Strömungen  beginnen. 

Bei  den  Semaeostomen  ist  irgend  welche  Abhängigkeit  von  der  Meerestemperatur  nicht  so  klar 
nachzuweisen.  Sie  sind  von  750  nördlicher  Breite  bis  60'  südlicher  Breite  über  alle  Zonen  vertheilt,  er- 
scheinen allerdings  zahlreicher  in  den  gemässigten  von  den  ßhizostomen  gemiedenen  Gebieten.  Die  kräf- 
tigen Formen  der  Cyaniden,  im  Norden  durch  Cyanea,  im  Süden  durch  Desmonema  vertreten,  dringen  am 
weitesten  gegen  die  Polarkreise  vor.  Die  Tropenzone  wird  von  der  Gattung  Pelagia  beherrscht,  deren 
Arten  P.  phosphora,  P.  crassa,  P.  minuta,  P.  panopyra,  P.  placenta  und  P.  papillata  in  grösseren  Schwärmen 
den  offenen  Ocean  beleben.  P.  denticulata  aus  dem  Behringsmeer  jedoch  finden  wir  noch  unter  ÖO"  nörd- 
licher Breite  und  P.  placenta  und  P.  discoidea  scheinen  am  weitesten  nach  Süden,  bis  40"  südl.  Breite  verbreitet. 

Genauere  Untersuchungen  über  die  Verbreitung  der  Medusen,  die  interessante  Resultate  versprechen, 
sind  erst  möglich  nach  einer  rationellen  Durchforschung  der  Meere.  Es  giebt  noch  weite  Gebiete,  aus  denen 
uns  nur  wenige  oder  keine  Medusen  bekannt  sind,  die  aber,  nach  der  Analogie  mit  anderen  Meeren  zu 
urtheilen,  zahh-eiche  Arten  beherbergen  müssen. 

Als  solche  führe  ich  an  den  Meerbusen  von  Mexico  mit  dem  Antillenmeer  imd  den  persischen  Meer- 
busen, die  reich  gegliederte  Küsten  und  hohe  Temperatur  wie  die  medusem-eichen  Gewässer  des  mittel- 
ländischen und  rothen  Meeres  haben.  Ferner  scheinen  mii-  der  Californische  Meerbusen  ebenso  wie  die 
Nordküste  des  Arabischen  Meeres,  die  zahlreichen  Buchten  von  Vorder-  und  Hinterindien  und  das  Ocho- 
tskische  Meer  genauerer  Berücksichtigung  werth.  Die  Untersuchung  dieser  Gebiete  würde  nicht  allein  zur 
Entdeckung  neuer  Arten  fülu-en,  sondern  liesse  auch  durch  Beobachtung  und  Sammeln  bekannter  Arten  die 
Ausdehmmg  des  von  ihnen  bewohnten  Gebiets  constatiren  imd  den  Werth  der  Artmerkmale  prüfen. 


7* 


Benutzte  Literatur. 


Duperrey,  Voyage  de  „la  CoquUle",  Zoologie.    Paris  1826  u.  1830. 

Lesson,  Centurie  zoologique.     Paris  1830. 

L.  Agassis,  Contributions  to  the  natural  history  of  the  United  States  vol.  III.  u.  IV.     Boston  1860  u.  1862. 

Grenadier  und  NoU,  Beiträge  zur  Anatomie  und  Systematik  der  Rhizostomen.  Abhandlungen  herausgegeben  von  der  Senken- 
bergischen  naturforschenden  Gesellschaft.     Bd.  X.  1876. 

Claus,  Studien  über  Polypen  und  Quallen  der  Adria.  Denkschriften  der  Kaiserlichen  Academie  der  Wissenschaften.  Math.-Naturw. 
Cl.  Bd.  XXXVIII.    Wien  1878. 

Haeckel,  Monographie  der  Medusen.     Theil  I.  u.  II.    Jena  1880 — 1881. 

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vol  III.  No.  8.    Cambridge  1881. 

C.  Lendenfeld,    üeber  Coelenteraten  der  Südsee.     Zeitschrift  für  wissenschaftliche  Zoologie.    Bd.   XXXVTI.    Leipzig  1882. 

V.  Lendenfeld,  üeber  eine  Uebergangsform  zwischen  Semostomen  und  Rhizostomen.    Zoologischer  Anzeiger  Jahrg.  V.    Leipzig  1882. 

Fewkes,  Notes  on  acalephs  of  the    Tortugas.    Bull.  mus.  comp,  zool     Cambridge  1882.    vol.  9.  No.  7. 

Claus,  Untersuchungen  über  die  Organisation  und  Entwicklung  der  Medusen.     Prag  und  Leipzig  1883. 

Keller,  Untersuchungen  über  neue  Medusen  aus  dem  rothen  Meere.  Zeitschrift  für  wissenschaftliche  Zoologie.  Bd.  XXXVIIl. 
Leipzig  1883. 

Gwppij,  Habits  of  scyphomedusae,  Nature  vol.  27.     1883. 

V.  Lendenfeld,  The  geographica!  distribution  of  the  Australian  scyphomedusae.  Proceedings  of  the  Linneau  society  of  New  South 
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V.  Lendenfeld,  The  Scyphomedusae  of  the  southern  hemisphere.  Proceedings  of  the  Linnean  society  of  New  South  Wales, 
vol.  IX.  part.  2. 

Wagner,  Die  Wirbellosen  des  weissen  Meeres.     Leipzig  1885. 

Chierchia,  Collezioni  per  studi  di  scienza  naturali  fatte  nel  viaggio  intorno  al  monde  dalla  R.  corvetta  „Vettor  Pisani"  (comman- 
dante  G.  Palumbo)  anni  1882—1885.     Rom  1885. 

Goette,  Verzeichniss  der  Medusen,  welche  von  Dr.  Sander,  Stabsarzt  auf  S.  M.  S.  „Prinz  Adalbert"  gesammelt  wurden.  Sitzungs- 
berichte der  königl.  Preussischen  Academie  der  Wissenschaften,     xx  XTY     Berlin  1886. 

Haacke,  Die  Scyphomedusen  des  St.  Vincent  Golfes.     Jenaische  Zeitschrift  für  Naturwissenschaft.    Bd.  XX.    Jena  1887. 

V.  Lendenfeld,  Neue  Arbeiten  über  australische  Polypomedusen.    Biologisches  Centralblatt.    Bd.  Vlll.    Erlangen  1838. 


Erklärung  der  Tafeln. 


Taf.  I. 

Fig.     1,  2.     Pelagia  crassa  n.  sp.     1.  Ansicht  von  unten;  "2.  Längsschnitt. 

Fig.    3.     Chrysaora  Blossevillei.     Lesson. 

Pig.    4.    Desraonema  Chierchiana  n.  sp.     In  einem  Octanton  sind  die  Tentakeln  entfernt  um  die  Musculatur  am  Kando  der  Sub- 

umbrella  zu  zeigen. 
Fig.    5.     Querschnitt  durch  das  Mundrohr  von  Pelagia  noctiluca  Peron  et  Lesueur. 
Fig.     G.     Querschnitt  durch  einen  Mundarm  von  Pelagia  noctiluca. 

Taf.  II. 

Fig.    1,  2.     Cassiopeia  picta  u.   sp.     1.  Exumbrella:   ein   Theil  des  Epithels  ist  entfernt  um   die   Zeichnung   der  Subumbrella, 

Canalsystem  und  Gonaden  deutlicher  hervortreten  zu  lassen.    2    Subumbrella. 
Fig.    .'i-(3.     Loborhiza  ornatella  n.  sp.     3.  Ansicht  von  unten;  nur  zwei  Mundarmn  sind   erhalten,   die    Lage  der  (Jonaden  ist 

durch  Abtragen  eines  halben  Arnipfeilers  kenntlich  gemacht     4.  Läugschnitt.     5.  Querschnitt  durch  denMundarni  dicht 

über  den  dorsalen  Flügeln.    G.  Querschnitt  durch  die  Mitte  des  Unterarms. 
Fig.     7.    Lychuorhiza  flagellata  Vanhoffen.     Unterseite  des  Schirms  nach  Entfernung  der  Mundarme. 

Taf.  IIL 

Fig.     1—3.    Lychnorhiza  flagellata  Vanhöffon.      1.  I,ängsschnitt.     2.  Gonaden   und   Canalsystem,   freigelegt  durch  Abtragen  der 

Schirmgallerte  bis  zur  üastrogenitalhühle.    3.  Boden  des  Subgenitalparticus  und  Canalsystem  des  Randes. 
Fig.    4,  5.  Stomolophus  Chunii  n.  sp.     4.  Längsschnitt  durch  ein  junges  Exemplar,   5.  Fuss  des  ausgewachsenen  Thieres  von  unten 

Taf.  IV. 

Fig.     1.     Stomolophus  Chunii.     n.  sp.     Der  vordere  Theil  des  Schirms  entfernt,  Gonaden  und  Armbusch  freigelegt. 

Pig.  'J— 4.  Mastigias  Orsini.  n.  sp.  2.  Ansicht  von  unten:  vier  Mundarme  und  ein  Theil  des  Schirmrandes  sind  weggeschnitten, 
3.  Längsschnitt  durch  Schirm  und  Mundarme.  4.  Querschnitte  durch  einen  Mundarm:  a.  Schnitt  dicht  über  dem  Be- 
ginn der  dorsalen  Saugkrausen;  ß.  Schnitt  durch  die  ersten  dorsalen  Zweige;  y.  Schnitt  durch  die  Mitte  des  Mund- 
arms; 6.  Schnitt  durch  den  Gallertknopf. 

Fig.    5—  7.     Desmostoma  gracile  n.  sp.    5.  Längsschnitt,     (j.  Seitenansicht  des  Thiers.     7.  Canalsystem. 

Taf.  V. 

Fig.     1,  2.    Rhizostoma  hispidum  n.  sp.     1.  Längschnitt.     2.  Ansicht  von  unten,  ein  Theil  des  Randes  ist  zurückgeschlagen  um 

den  Stachelbesatz  der  Exumbrella  zu  zeigen. 
Vig.    3—6.     Mastigias    ocellata   Haeckel.      3    Längsschnitt.      4.   Ansicht    der   Subumbrella    nach   Entfernung   der   Mundarme. 

5.  Exumbrella.    6.  Canalsystem  und  Gonaden  nach  Abtragung  eines  Tlieils  der  Schirmgallerte  erkennbar. 


Taf.  VI. 


1,  2.  vom  23.  IV.  82,  Tyrrhenisches  Meer.    3,   4  Buclit  von 
9—12  vom  3.  VI.  82,  Atlantischer  Ocean. 


Fi!;.     1—5.    Nesselwarzen  von  Pelagia  noctiluca  Pt'ron  et  Lesueur. 

Neapel.    5.  vom  12.  V.  82,  Mittelmeer  bei  Gibraltar. 
Fig.    6  —  12.     Nesselwarzon  von  Pelagia  neglecta  n.  sp.     G— 8  vom  26.  IV.  82,  Mittelmeer 
Fig.  13—14.     Nessolwarzen  von  Polagia  crassa  n.  sp. 
Fig.  15.    Nesselwarzen  von  Pelagia  crassa  var.  sublaevis. 
Fig    16,  17.    Nesselwarzen  von  Pelagia  minuta  n.  sp. 

Fig.  18,  19.     Nesselwarzen  von  Polagia  pbosphora  Haeckel.     18.  vom  2.  VII.  82.     19.  vom  29.  VII.  82 
Fig.  20.    Nesselwarzen  von  Pelagia  plaeenta  Haeckel. 
Fig.  21.    Nesselwarzen  von  Pelagia  panopyra  P^ron  et  Lesueur. 


Bedeutung  der  Buchstaben. 


a.  br.  (1.  Annflügel  mit  dorsaler  vSaugkrausenreihe. 

a.  br.  V.  Armflügel  mit  ventraler  Saugkrausenreihe. 
ap.  1.  Seitlicher  Gal!crtkuo])f. 

ap.  t.  Torminalknopf. 

asch.  Armscheibe. 

b.  br.  Armbasis, 
br.  Mundarm 
br.  inf.  Unterarm, 
br,  sup.  Oberarm. 

b.  sgp.  Boden  der  Subgenitalporücus. 
bs.  1.  Lappentasche. 

b   t.  Tentakelbasis. 

c.  ar.  Adradialcanal. 
c.  br.  Aimcanal. 

c.  c.  Eingcanal. 

c.  ir.  Interradialcanal. 

c.  pr.  Perradialcanal. 

c.  pt.  Centi-ipetilcanal. 

c.  sc.  Schulterkrausencanal. 

exu.  Exumbrella. 

f.  Peitschenfilament. 

f.  rh.  Rhopaliengrubo. 

g.  Gonaden. 
gb.  Geni  talband. 


ggh- 

Gastrogenitalhöble. 

ggm. 

GastrogenitalmoMibrau. 

1.  mg. 

Eandlappen. 

1.    0. 

Ocularlappen. 

1.    V. 

Velarlappen. 

mm. 

Ringmuskulatur. 

m.  exu. 

Radialfleck  der  Exumbrella. 

m.  0. 

Ocularfleck. 

mr. 

Mundrohr. 

m.  sbu. 

Radialfleck  der  Subumbrella. 

m.  V. 

Velarfleck. 

p.  br. 

Armpfeiler. 

r.  c. 

Radialcanal. 

s. 

Septum. 

sc. 

Schulterkrausen,  Scapuletten. 

sgo. 

Subgenitalostien. 

sgp- 

Subgenitalporticus. 

st. 

MuudOfi'nung. 

t. 

Tentakel. 

V.  s. 

Keulenförmige  Blasen. 

V.  sg. 

Subgcuitalklappo. 

I. 

Abnorm  ausgebildeter  Tentakel 

z. 

Gallertzaiifen  der  Exumbrella. 

Taf.  1. 


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Artim  Anal  v  Tli  I'isthur,  CäüsI  . 


BIBLIOTHECA  ZOOLOGICA. 


Original  -Abhandlung  en 


aus 


dem  Gesammtgebiete  der  Zoologie, 


Herausgegeben 


von 


Dr.  Rud.  Leuckart  Or.  Carl  Chun 

in  Leipzig.  und  in  Königsberg. 


Heft  4. 

Untersuchungen  über  die  Entwicklungs-  und  Lebensgeschichte  des  Distomum  macrostomum 

von  Dr.  Grustav  A.  Heekert. 

Mit  4  Tafehi. 


C  A  S  S  E  L. 

Verlag  von  Theodor  Fischer. 

1889. 


LEUCOCHLORIDIUM  PARADOXUM. 


MOIOGEAPHISCHE   BAESTE1LUI& 

DER 

ENTWICKLUNGS-  UNI)  LEBENSGESCHICHTE 

DES 

DISTOMUM    A4ACROSTOMUM. 


VON 


m-  GUSTAV  A.  HECKERT 


AUS 


BERLIN. 


CASSEL. 
VERLAG  VON  THEODOR  FISCHER. 

1889. 


Unter  einer  grösseren  Anzahl  im  Sommer  1885  eingesammelter  und  behufs  anatomischer  Unter- 
suchung in  (las  zoologische  Institut  zu  Leipzig  gebrachter  Individuen  von  Succinea  amphibia,  befand  sich 
auch  ein  Exemplar,  das  bereits  auf  den  ersten  Blick  sich  als  mit  Leucochloridium  paradoxum  behaftet 
erwies:  in  den  stark  aufgetriebenen  Fühlei'n  zeigten  sich  die  grün  und  weiss  gefärbten  Schläuche  in  lebhaft 
pulsierender  Bewegung. 

Begreiflicher  Weise  erregte  diese  Entdeckung  im  Institute  das  allgemeinste  Interesse,  denn  bis  dahin 
war  von  einem  Vorkommen  des  Parasiten  in  der  Umgebung  von  Leipzig  noch  nichts  bekannt  gewesen, 
und  Alles  wanderte  hinaus,  um  womöglich  weitere  Exemplare  zu  erbeuten.  Das  wollte  nun  zwar  nicht 
jedem  gelingen,  immerhin  aber  wurde  durch  diese  vereinten  Bemühungen  festgestellt,  dass  das  Vorkommen 
des  Leucochloridium  paradoxum  in  den  sumpiigen  Waldungen  der  Umgebung  von  Leipzig  ein  gar  nicht 
seltenes  ist.  Da  also  gegründete  Aussicht  vorhanden  wai-,  es  werde  an  dem  nötigen  Material  Mangel  nicht 
eintreten,  beschloss  ich  auf  Anraten  des  Leiters  imseres  Institutes,  des  Herrn  Geheimrat  Leuckart,  die 
Anatomie  und  Entwicklungsgeschichte  des  interessanten  Parasiten  einer  eingehenderen  Untersuchung  zu 
untei-werfen.  Es  ist  mir  eine  angenehme  Pflicht,  auch  an  dieser  Stelle  meinem  hochverehrten  Lehrer  für 
die  wohlwollende  Anleitung,  sowie  für  das  nie  ermüdende  Interesse  und  die  stetige  Förderung,  welche  er 
meiner  Arbeit  während  ihrer  -ganzen  Dauer  zu  Teil  werden  Hess,  meinen  herzlichsten  Dank  auszusprechen. 
Desgleichen  kann  ich  nicht  umhin,  Herrn  Professor  Dr.  Fraisse  für  die  freundliche  Ueberlassung  seines 
Gartens,  sowie  für  die  gern  gestattete  Benutzung  seiner  Bibliothek  wärmsten  Dank  zu  sagen. 

Da  die  vollständige  Kenntnis  der  eigentümlichen  und  complizierten  Entwicklungs-  und  Lebens- 
geschichte der  Saugwürmer  erst  eine  Errungenschaft  der  letzten  Jahrzehnte  ist,  so  kann  es  nicht  Wunder 
nehmen,  wenn  die  älteren  Forscher,  die  über  die  Natur  von  einzeln  auftretenden  Entwicklungsstadien  jener 
Würmer  noch  völlig  im  Dunkeln  waren,  dieselben  als  Repräsentanten  nicht  nur  besonderer  Arten,  sondern 
sogar  eigener  Gattungen  und  Familien  auftassten.  So  verdankt  unter  vielen  anderen  auch  unser  Leuco- 
chloridium paradoxum ,  das  wir  heute  als  die  Jugendform  des  Distonuun  _  macrostomum  kennen ,  diesem 
Umstände  seinen  Namen  als  besondere  Form,  einen  Namen,  in  dem  der  Namengebei-,  C.  G.  Carus,  selbst 
deutlich  genug  ausdrückt,  dass  er  mit  dem  sonderbaren,  grün-weissen  Dinge  nichts  rechtes  anzufangen 
wusste.     In    um    so    höherem    Grade    aber    musste  es   in    Folge    dessen   bei   seiner    auflalligen   Gestalt  imd 


— o®o      6      o®o— 

Lebensweise  das  Interesse  seiner  Beobachter  in  Anspruch  nehmen,  und  das  um  so  mehr,  als  infolge  des 
spärlichen  und  sporadischen  Auftretens  es  nur  wenige  Begünstigte  waren,  welche  aus  eigener  Anschauung 
das  seltsame  Wesen  lebend  beobachten  und  einer  genaueren  Untersuchung  unterwerfen  konnten. 

Aus  diesem  Grmide  finden  wir  denn  auch  in  der  älteren  Litteratur  nur  verhältnismässig  wenige 
und  durch  lange  Zeiträume  getrennte  Mitteilungen  über  das  Leucochloridium  vor;  diese  enthalten  neben 
vielem  ungenügend  Beobachteten  und  Irrigen,  was  durch  die  herrschenden  wissenschaftlichen  Anschauungen 
der  Zeit  bedingt  war,  doch  auch  manches  richtig  und  gut  Erkannte  und  trugen  so  zur  endlichen  Erkenntnis 
des  wahren  Sachverhaltes  und  der  eigentlichen  Natur  des  merkwürdigen  Wesens  das  ihre  bei.  Jedenfalls 
diu-fte  es  sich  verlohnen,  vorerst  in  kurzen  Zügen  ein  Bild  von  der  Entdeckimgsgeschichte  unseres  Leuco- 
chloridium zu  geben. 

Ohne  Zweifel  hat  man  die  von  dem  Leucochloridium  hervorgerufene  Auftreibung  der  Schnecken- 
fühler schon  seit  langer  Zeit  gekannt:  auf  einem  sehr  alten  Hallenser  Kupferstiche  fand  Carus'),  der  denselben 
von  Nitzsch  zur  Ansicht  erhielt,  in  freilich  etwas  roher  Abbildung  unter  anderem  auch  eine  Bernsteinschnecke 
gezeichnet,  deren  Fühler  in  der  charakteristischen  Weise  durch  mehrere  der  lebhaft  gefärbten  Schläuche  des 
Leucochloridium  entstellt  waren,  so  dass  ein  Zweifel  an  der  wahren  Natur  dieser  Abnormität  sofort  als 
ausgeschlossen  erscheinen  musste.  Das  Alter  dieses  Bildes  festzustellen  war  allerdings  nicht  ausführbar, 
immerhin  dürfte  es  doch  kein  allzu  geringes  gewesen  sein. 

Der  erste,  welcher  von  einer  eigenen  Beobachtung  des  Leucochloridium  Mitteilung  machte,  war 
August  Ahrens«).  Derselbe  fand  1810  in  der  Dollnitzer  Aue  bei  Halle,  einer  von  der  Elster  durchflossenen_ 
sumpfigen  Waldniederung,  wie  er  erzählt,  eine  Erdschnecke,  Helix  puü-is  (Succinea  put.,  Succ.  amphibia), 
in  deren  Fühlern  vier  dicke,  buntgefärbte  Schläuche  in  fortwährender,  lebhaft  stossender  Bewegung  sofort 
in  die  Augen  fielen.  Ahrens  nahm  die  Schnecke  mit  nach  Hause,  um  sie  dort  weiter  zu  beobachten.  Hier 
erkannte  er  zunächst,  dass  die  Schläuche  nicht  in  den  Hörnern  des  Tieres,  wohl  aber  am  Halse,  gleichsam 
am  Rücken  desselben  ihren  Wohnsitz  haben. 

Bei  der  nach  dem  bald  erfolgten  Tode  der  Succinea  vorgenommenen  Untersuchung  der  Schläuche 
vermisst  unser  Gewährsmann  zunächst  die  Anwesenheit  von  Apparaten  zur  Nahrungsaufnahme:  weder  Fress- 
noch  Saugwerkzeuge  kann  er  mit  seinen  Sehgläsern  auffinden,  dagegen  constatiert  er  die  Anwesenheit  eines 
kleinen  Schwänzchens  am  hinteren  Leibesende. 

Den  Inhalt  der  Schläuche  bilden  Eier  von  blassgrünHcher  Farbe,  die  etwas  durchsichtig  und  mit 
einem  augenfönnigen  Flecke  versehen  sind.  Ein  Platzen  des  einen  Schlauches  in  Folge  des  Druckes,  sowie 
darauffolgendes  Hervorquellen  des  Inhaltes  glaubt  er  als  Eierlegen  in  Anspruch  nehmen  zu  müssen;  ob  aber 
das  ganze  Individuum  für  eine  Insectenlarve  oder  für  einen  Intestinalwm-m  zu  halten  sei,  darüber  kann  er 
sich  nicht  klar  werden,  obgleich  ihm  das  Eierlegen  an  sich,  sowie  der  Gegenwart  der  Eier  überhaupt,  mehr 
für  die  Wurmnatur  des  fraglichen  Gebildes  zu  sprechen  scheint. 

Zur  genaueren  mikroskopischen  Untersuchung  sandte  Ahrens  zwei  Schläuche  an  RamdohrS),  der 
das    Ergebnis    dieser    seiner    Untersuchung    als   Nachtrag   zu   der  Ahrens'schen   Beschreibung  veröfl'entlicht. 


')  C.  G.  Carus.     Nov.  Act.  Curios.  Vol.  XVII.  P.  1.  1837,  pag.  91.    Beobachtung  über  Leucochloridium  par.  etc. 
»)  August  Ahrens,     Magazin  der  Gesellschaft  uaturf.  Freunde.    Berlin  1810.     pag.  ^93.     Tab.  LX.    Fig.  19. 
")  Ramdohr,     Mag.  der  Gesellsch.  naturf.  Freunde.     Berlin  1810.    pag.  295. 


Auch  er  konnte  an  dem  Sclilauehe  weder  Nerven,  Darm,  noch  sonstige  Organe,  eben  so  wenig  wie  Mund- 
resp.  Fresswerkzeuge  auffinden,  überzeugte  sich  aber,  dass  derselbe  keine  Insectenlarve  sei,  sondern  ein 
Wurm.  Die  im  Inneren  enthaltenen  Gebilde  werden  von  ihm  ebenfalls  für  Eier  erklärt.  Den  neuen  Wurm 
zu  benennen,  sowie  ihm  einen  Platz  im  System  anzuweisen,  überlilsst  Ramdohr  Ahrens  als  dem  Entdecker: 
doch  scheint  letzterer  dies  nicht  gethan  zu  haben,  da  sich  ein  Jahr  später  in  einem  Referate  Okens^)  über 
den  Fund  Ahrens'  kein  Name  für  das  Tier  findet,  welches  nach  Okens  Ansicht  wahrscheinlich  in  die  Sipp- 
schaft von  Echinorhynchus  gehören  soll. 

Dementsprechend  führt  auch  Rudolph!-)  in  seiner  Entozoorum  Synopsis  den  Wurm  ohne  Namen 
unter  der  Rubrik  Entozoa  vel  generis  dubii  vel  fictitia  auf. 

Seine  Taufe  als  Leucochloridium  paradoxum  erhielt  unser  Parasit  erst  von  Carus'),  welcher  im 
Jahre  1833,  ohne  von  dem  Ahrens'schen  Funde  Kenntnis  zu  haben,  auf  einer  bewaldeten  Eibinsel  eine 
infizierte  Succinea  entdeckte,  die  er  einer  näheren  Untersuchung  unterwarf. 

Die  Resultate,  zu  denen  Carus  gelangte,  waren  schon  weitergehend  und  genauer,  als  die  seiner  Vor- 
gänger. Zwar  hielt  er  noch  immer  den  Inhalt  der  Schläuche  für  Eier,  erkannte  aber,  dass  die  Embryonen 
in  denselben  Distomen  waren,  sowie,  dass  diese  sich  auf  verschiedenen  Stadien  der  Entwicklung  befanden; 
an  den  älteren  und  ausgebildeteren  Individuen  wurden  bereits  deutlich  das  Excretionssystem,  sowie  im 
hinteren  Körperteile  rundliche  Organe  erkannt,  über  deren  Natur  (es  sind  Geschlechtsdrüsen)  Carus  jedoch 
im  Zweifel  blieb. 

Des  weiteren  wurde  constatiert,  dass  die  jungen  Distomen  von  ihren  angeblichen  EihüUen  nicht 
blos  umgeben  waren,  sondern  mit  ihnen  sich  in  einem  entschiedenen  genetischen  Zusammenhange  befanden. 

Als  Keimstätte  für  die  Eier  glaubte  Carus  den  vorderen  Teil  des  Schlauches  in  Anspruch  nehmen 
zu  müssen,  da  er  dort,  wo  die  grünen  und  weissen  Bänder  zusammenstossen ,  kleine  sannnetartige,  weisse 
Wülste  beobachtete,  die  als  pilzartige  Körperchen  der  Wand  aufsitzen  sollten.  Ausserdem  stellte  er  fest, 
dass  der  Schlauch  nicht  mit  einem  Schwänzchen  endigte,  wie  Ahrens  glaubte,  sondern  in  Verbindung  stand 
mit  einem  „Convolut  imregelmässiger  Rühren  mit  ästigen  Enden",  welche  ebenfalls  Eier  enthielten  und  ver- 
mutlich Entwicklungsstadien  der  grossen  Schläuche  repräsentierten. 

Bei  der  Beurteilung  der  eventuellen  Abstammung  und  Entstehung  jenes  parasitischen  Convoluts  von 
Schläuchen  in  der  Leber  der  Schnecke  M'ird  Carus  von  der  zu  jener  Zeit  herrschenden  Theorie  der  Generatio 
aequivoca  beeinflusst;  nach  seiner  Ansicht  entsteht  jenes  Gebilde  aus  der  Leber,  wie  er  sich  ausdrückt,  „durch 
parasitische  Selbstzeugung  in  Folge  eines  Uebermasses  von  bildender  Kraft  im  Schneckenkörper." 

Bemerkenswert  ist  es  übrigens,  dass  in  Bezug  auf  die  Systematik  Carus  dem  Leucochloridium, 
trotzdem  er  die  unzweifelhafte  Distomennatur  seiner  Brut  erkannt  hatte,  in  der  Nähe  der  Echinorhynchen 
eine  Sonderstellung  anwies,  an  einem  Orte  also,  wohin  bereits  Oken  unseren  Wurm  gestellt  wissen  wollte. 

Einen  bedeutsamen  Schritt  weiter  thut  Wiegmann*),  der  in  einem  Referate  über  die  Fortschritte  der 
Zoologie  im  allgemeinen  diesen  Carus'schen  Ansichten  sich  anschliesst,   aber  gewichtige  Bedenken  dagegen 


')  üken;  Isis.    Encyclopädische  Zeitschrift.    Jena  1818.     1.  Bd.  pag.  1467. 
-)  Rudolphi,  C.  Ä.     Entozoorum  Synopsis.     1819.     pag.  568. 
^)  Carus,  C.  G.    Xov.  Act.  Natur.  Cur.    Vol.  XVU.     P.  1.    1837.    pag.  87. 
*)  Wiegmanns  Archiv  für  Naturgeschichte.    Bd.  I.     pag.  334.     1835. 


— o®o      S      oCgo— 

äussert,  Gebilde  von  der  Natur  und  BeschaflFenheit  des  Leucochloridium  als  selbstständige  Tiere  mit  Gattungs- 
namen zu  belegen  und  in  das  System  aufzunehmen,  da  dieselben  doch  nur  vorübergehende,  zu  dem  Ent- 
wicklungscyklus  einer  bestimmten  Tierart  gehörige  Formen  seien,  welche  sich  dereinst  aus  dem  System  als 
eigene  Arten  verlieren  müssten. 

Diesen  Auseinandersetzungen  "Wiegnianns  pflichtet  Nordmann \i  völlig  bei  und  nimmt  deshalb  auch 
Anstand,  das  Leucochloridium  als  selbstständige  Form  in  das  Helminthensystem  einzureihen. 

Vollständiges  Licht  über  die  wahre  Natur  des  eigentümlichen  Schneckenparasiten  und  anschliessend 
daran  über  den  Ort,  wohin  derselbe  im  System  einzig  und  allein  gehört,  wurde  durch  Steenstrups^)  Unter- 
suchungen verbreitet,  die  er  in  seiner  epochemachenden  Schrift  über  den  Generationswechsel  darlegte. 

Danach  wird  die  Möglichkeit  einer  ürerzeugung,  entgegen  den  Carus'schen  Ansichten,  mit  Bestimmt- 
heit in  Abrede  gestellt;  der  sonderbare  Wurm  Leucochloridium  paradoxum  ist  vielmehr  nichts  anderes,  als 
eine  Amme,  deren  Inhalt  aus  einer  Menge  entwickelter  Distomen,  nicht  aber  aus  Eiern  besteht. 

So  grundlegend  und  einleuchtend  aber  die  Steenstrup'schen  Resultate  waren,  dauerte  es  doch  immer- 
hin noch  einige  Zeit,  ehe  sie  zu  allgemeiner  Anerkennung  gelangten. 

Während  in  der  Folge  Dujardin^)  das  Leucochloridium  in  gleicher  Weise  als  Amme  auffasst,  und 
diesen  »sac,  contenaut  de  jeunes  trematodes  analogues  aux  distomes«,  im  Anschluss  an  die  K.  E.  v.  Baer'sche*) 
Bezeichnung  der  Keimkörner  als  sporae,  mit  dem  Namen  Sporocyste  belegt,  ist  es  Diesing^),  der,  wie  er 
überhaupt  den  Ergebnissen  der  neueren  Trematodenforschung  gegenüber  eine  längere  Zeit  hindurch  eine 
ablehnende  Haltung  einzunehmen  für  gut  fand,  mit  den  Cerkarien  auch  dem  Leucochloridium  wiederum 
eine  selbstständige  Stellung  einräumt  und  dasselbe  in  seinem  Systema  helminthum  als  Subordo  1  der  Cer- 
karien aufführt.  Erst  später  erkennt  auch  er  die  Zusammengehörigkeit  von  Distomen  und  Cerkarien  an 
und  gibt  dieser  Erkenntnis  auch  in  seiner  Revision  der  Cerkarien^)  Ausdruck. 

Eine  ebenfalls  unrichtige  Ansicht  über  den  Bau  der  in  dem  Leucochloridiumschlauche  enthaltenen 
Gebilde  finden  wir  in  Carl  Vogts')  Bildern  aus  dem  Tierleben;  derselbe  beschi-eibt  diese  als  Cerkarien  mit 
blasenformigem  Schwanz,  in  den  sich  der  Körper  der  Tiere  zurückstülpt,  so  dass  es  aussieht,  als  ob  dieser 
in  einer  Eihülle  läge,  eine  Anschauung,  die  nicht  unwahrscheinlicher  Weise  von  den  Finnen  der  Blasen- 
würmer herübergenommen  ist.     Dass  dies  völlig  unzutreffend  ist,  dürfte  sich  wohl  von  selbst  verstehen. 

So  war  es  erst  v.  Siebold")  vorbehalten,  die  Frage  nach  der  wahren  Natur  der  Organisations-  und 
Lebensverhältnisse  des  Leucochloridium  ihrer  endgültigen  und  richtigen  Lösung  entgegen  zu  führen.  Durch 
thatsächliche  Beobachtung  stellt  w  zunächst  fest,  dass  das  gesammte  Schlauchwerk  des  Parasiten  mit  der 
Leber  der  Schnecke  in  keinerlei  organischem  Zusammenhange  steht,   also  auch  wohl  kaum  aus  demselben 


')  Nordmann;  Lamark;  Hist.  nat.  d.  anim.  s.  vert.    1840.    T.  III.    pag.  592. 
')  Steenstrup;  Über  den  Generationswechsel  oder  die  Fortpfl.  etc.  Copenhagen.     1845.    pag.  105. 
')  Dujardin;  Hist.  nat.  des  heim.     Paris  1845.     pag.  479. 

*)  K.  E.  V.  Uaer.     Nov.  Acta  .4cad.  Nat.  Cur.     T.  XIII.     pag.  645.     1827.     Vergleiche   auch   v.   Siebold.    Art.  Parasiten 
in  Wagner's  Handwörterbuch  der  Physiologie. 

*)  Diesing.     Systema  helminthum.     Vindob.  1850—51.     pag.  303. 

*j  Diesing.    Revision  der  Cerkarien.    Wiener  Sitzungsberichte.    1855.    Bd.  XV.    pag.  377. 

')  C.  Vogt.    Bilder  aus  dem  Tierlebon.     1852.    pag.  183  u.  191. 

»j  von  Siebold;  Zeitschrift  für  wissenschft.  Zool.    1853.    IV.  Bd.    pag.  425. 


— o®o      9      o®o— 

durch  Urerzeugung  hervorgegangen  sein  kann.  Während  er  dann  weiter  in  Bezug  auf  den  feineren  Bau 
der  grossen  Schläuche  die  Angaben  der  älteren  Forscher  im  allgemeinen  bestätigt,  tritt  er  mit  aller  Ent- 
schiedenheit der  Auflassung  entgegen,  welche  in  den  Inhaltskörpern  der  Schläuche  Eier  erblickt.  Nicht 
Eier  sind  diese  Gebilde,  sondern  Keimkörper,  wie  sie  bereits  Steensti'up  in  den  Ammen  anderer  Trematoden 
vorgefunden  hatte,  die  sich  durch  Wachstum  und  Weiterentwicklung  in  die  den  Cerkarien  entsprechenden 
Formen  umwandeln.  Gegen  die  Einatur  jener  Keimkörper  sprechen  auch  die  beiden  thatsächliclien  Gründe, 
dass  einmal  die  von  Carus  als  solche  angesprochene  Keimstätte  weiter  nichts  ist,  als  eine  Anhäufung  weisser, 
körniger  Pigmentzellen,  und  dass  anderenteils  auch  diese  Pseudoeier  selbst  weder  mit  einer  der  Eihülle  ent- 
sprechenden Haut,  noch  mit  Keimbläschen  und  Keimfleck  ausgestattet  sind.  Im  Laufe  ihrer  Weiterent- 
wicklung, die  von  v.  Siebold  genauer  verfolgt  wird,  legen  sich  nach  und  nach  die  verschiedenen  Organe 
des  Trematodenleibes  an;  den  Schluss  derselben  bildet  die  Encystierung,  nach  v.  Siebold  ein  reiner  Häutungs- 
prozess,  bei  dem  die  abgeworfene  Haut  aber  nicht  verloren  geht,  sondern  als  elastische,  durch  Flüssigkeit 
prall  aufgeti'iebene  Hülle  den  Körper  auch  weiterhin  umgibt.  Das  Vorhandensein  von  geschwänzten,  durch 
active  Wanderung  an  den  Ort  ihrer  Bestimmimg  gelangenden  Cerkarien  ist  somit  nicht  für  alle  Trematoden 
charakteristisch:  völlig  richtig  erkennt  von  Siebold  in  dem  Leucochloridium  eine  Trematodenamme,  deren 
Brut  bis  auf  die  Wanderung  dui-ch  den  Stiel  nach  den  grossen  Schläuchen  passiv  bleibt,  während  die  Amme 
selbst  durch  ihre  auffällige  Färbmig  und  Bewegung  für  die  Weiterbeförderung  ihrer  Nachkommenschaft 
Sorge  trägt.  Die  fertig  gebildete  Larve  mrd  dem  Distomum  holostomum  ähnlich,  darum  vermutet  auch 
von  Siebold  den  Wirt  fiü"  den  geschlechtsreifen  ^^'urm  unter  den  Vögeln,  am  wahrscheinlichsten  unter  den 
Ralliden.     Fütterungsversuche  an  Fröschen  ergaben  ein  negatives  Resultat. 

Anschliessend  an  die  Untersuchungen  von  Siebolds  beschäftigt  sich  auch  Wagener^)  mit  dem  Leuco- 
chloridium und  spricht  im  Anschluss  an  dessen  Mutmassungen  geradezu  das  Distomum  holostomum  als 
Geschlechtsform  desselben  an. 

Durch  die  umfassenderen  Untersuchungen  Zellers  2)  endlich  werden  die  Vermutungen  der  früheren 
Forscher  experimentell  durch  Fütterungs-  und  Zuchtversuche  geprüft  und  zum  Teil  bestätigt. 

Entgegen  der  Vermutung  von  Siebolds  wurde  constatiert,  dass  vor  allem  auch  Singvögel  die  in 
Thätigkeit  begrifi'enen  Leucochloridiumschläuche  begierig  verzehrten,  imd  dass  im  Darme  namentlich  junger 
Nestvögel  die  in  den  Schläuchen  eingeschlossene  Bi'ut  nach  Verlauf  von  6  Tagen  sich  zu  geschlechtsreifen 
Individuen  von  Distomum  macrostomum  umbildete,  ein  Umstand,  der  Zeller  bewog,  das  Distomum  macrostomum 
mit  dem  auch  sonst  wenig  von  ihm  unterschiedenen  Distomum  holostomum  völlig  zu  identifizieren. 

Die  durch  die  Vögel  ihrer  Insassen  beraubten  Succineen  gingen  nicht  nm'  nicht  zu  Grunde,  sondern 
es  entwickelten  sich  von  dem  in  der  Leber  gelegenen  Schlauchwerk  aus  nach  nicht  allzu  langer  Zeit  neue 
Schläuche,  welche  an  die  Stelle  ihrer  Vorgänger  traten  imd  deren  Thätigkeit  fortsetzten. 

Somit  erhalten  wii-  durch  die  Zeller'sche  Arbeit  zum  ersten  Male  eine  wenigstens  in  der  Hauptsache 
vollkommen  abgeschlossene  Kenntnis  von  dem  Entwicklungscyklus  des  Wm-mes,  dem  das  Leucochloridium 
als  Jugendform  angehört;    die  weiteren  Vermutungen,    dass  der  aus  dem  reifen  Distomumei  hervorgehende 


M  Wagener.    Beiträge  zur  Entwickl.  der  Eingeweidew.     Naturk.  Verhaudl.  etc.     1857.    pag.  107. 
»)  E.  Zeller.     Zeitschrift  für  wiss.  Zeel.     1874.    Bd.  24.     pag.  564—578. 


-oäßo      10      o®o- 

Embryo  auf  irgend  eine  Weise  wiederum  in  die  Schnecke  gelangen  müsse,  um  da  zu  dem  Leucochloridium 
auszuwachsen,  ergab  sich  dann  von  selbst. 

Mit  Ausnahme  einiger  Referate  über  die  Zeller'sche  Arbeit  sind  nun  bis  heutigen  Tages  keine 
weiteren  Mitteilungen  erschienen,  welche  thatsächlich  Neues  zu  dem  bereits  Bekannten  hinzufügten. 

Meine  eigenen  Untersiichungen  nun,  zu  deren  Darstellung  ich  jetzt  übergehe,  haben  vor  allem  den 
Zweck  gehabt,  das  bis  jetzt  Bekannte  einer  erneuten  Kritik  zum  Teil  mit  Hülfe  ausgebildeterer  Unter- 
suchungsmethoden zu  unterwerten,  das  bis  jetzt  nur  Vermutete  aber  durch  Experimente  und  Versuche  zu 
begründen,  und  so  unseren  Parasiten  auf  seinem  gesamraten  Lebenswege  zu  verfolgen.  Wenn  über  einige 
Punkte  hierbei  die  völlige  Klarheit  noch  nicht  erzielt  werden  konnte,  so  hat  das  seinen  Grund  in  der  zum 
Teil  ausserordentlichen  Kleinheit  und  Zartheit  der  Objecte,  welche  die  Beobachtung  allenthalben  erschwerten, 
Lücken,  die  aber  durch  spätere  Beobachtungen  noch  auszufüllen  sein  werden. 

Bei  der  Darstellung  werde  ich  im  allgemeinen  chronologisch  vorgehen,  d.  h.  nach  einander  zunächst 
das  Leucochloridium,  das  geschlechtsreife  Tier,  darauf  Embryonalentwicklung,  Entstehung  der  Sporoyste 
und  schliesslich  Keimballenbildung  behandeln. 

Die  gesammte  Untersuchung  nahm  mit  kleinen  Unterbrechimgen  die  Zeit  vom  November  1885  bis 
zum  Dezember  1887  in  Anspruch,  nachdem  Sommer  und  Herbst  1885  fast  ausschliesslich  zu  biologischen 
Beobachtungen,  sowie  zur  Beschaffung  von  Material  verwendet  worden  waren.  Letztere  wurde  zuerst  so 
betrieben,  dass  möglichst  viele  Schnecken  gesammelt  und  zu  Hause  die  infizierten  ausgesondert  wurden;  da 
bei  diesem  Verfahren  jedoch  die  Gefahr  nahe  lag,  durch  zu  starke  Verminderung  der  Zahl  der  Succineen 
ein  häufiges  Fortbestehen  des  Parasiten  in  Frage  zu  stellen,  so  wurden  später  die  Schnecken  gleich  an  Ort 
und  Stelle  angesehen  und  nur  die  infizierten  zurück  behalten,  ein  Verfahren ,  welches  zwar  langwieriger 
war,  bei  einiger  Übung  aber  immerhin  genügende  Resultate  ergab. 

Von  den  anfänglich  eingesammelten  Schnecken  erwies  sich  unter  ungefähr  500  Stück  eine  als  mit 
Leucochloridium  behaftet;  auf  einem  kleinen  sumpfigen  Terrain,  das  nachmals  von  mir  hauptsächlich  als 
Jagdrevier  benutzt  wurde,  fand  sich  dagegen  schon  unter  50 — 70  Individuen  der  Schnecke  ein  infiziertes 
Exemplar. 

Es  erübrigt  nun  noch,  einiges  über  die  von  mir  angewandten  Methoden  zu  sagen;  wohl  von  selbst 
versteht  es  sich,  dass  die  Beobachtung  intra  vitam  den  ersten  und  hauptsächlichsten  Platz  einnahm;  erst  wo 
diese  im  Stiche  liess,  sowie  zur  Controle  der  auf  diese  Weise  erlangten  Resultate  wurde  zur  Behandlung 
der  Objecte  mit  Reagentien,  sowie  zur  Conservierungs-  und  Schnittmethode  geschritten. 

Die  Abtötung  und  Conservierung  der  Tiere  geschah  vermittelst  einer  kaltgesättigten  Sublimatlösung 
von  Stubentemperatur;  nach  ausgiebiger  und  sorgfältiger  Auswässerung  des  Quecksilbersalzes  wurden  die 
Objecte  in  96 "/o  Alkohol  aufbewahrt.  Die  Färbung  geschah  vermittelst  verschiedener  Färbeflüssigkeiten; 
die  besten  Resultate  hatte  ich  mit  Hämatoxylin,  sowie  mit  nicht  saurem  Boraxkarmin,  welches  mit  Säure- 
alkohol ausgezogen  wurde.  Das  Einbetten  geschah  nach  der  Entwässerung  mittelst  Alkohol,  nach  Über- 
führung der  Objecte  dm-ch  Nelkenöl  und  Terpentin,  zumeist  in  Paraffin. 

Da  die  zarten  Elemente  unseres  Tieres  nach  dem  Schneiden  jedoch  nicht  immer  in  einheitlich  guter 
Weise  erhalten  wurden,  so  verwendete  ich  Celloidin  zur  Fixierung  derselben.  Ich  brachte  die  Objecte  dann 
aus  dem  absoluten  Alkohol  in  ein  Gemisch  von  gleichen  Teilen  Alkohol  und  Äther,  darauf  in  reinen  Äther 


— 0®C       11       o^— 

und  aus  diesem  in  eine  dickflüssige  Lösung  von  Celloidin  in  Äther.  Nachdem  dieselben  hier  mehrere  Tage 
gelegen,  überführte  ich  sie  in  Origanumöl  und  dann  in  Paraffin. 

Die  so  eingeschmolzenen  Objecte  wurden  jedoch,  wahrscheinlich  in  Folge  der  Behandlung  in  der 
Wärme,  so  hart  und  spröde,  dass  ein  Schneiden  derselben  vmmöglich  ausführbar  war.  Es  wurden  deshalb 
die  Präparate  in  reinen  Äther  von  dem  10 — 20  fachen  Volumen  zurückgeführt  und  so  das  Celloidin  bis  auf 
wenige  Reste  völlig  ausgezogen.  Diese  geringen  Überbleibsel  aber  genügten,  um  ein  Schrumpfen  sowohl, 
wie  ein  Keissen  der  zarten  Gewebselemente  zu  hindern  und  so  recht  brauchbare  Bilder  zu  liefern. 

Die  Schnitte  wurden  zuerst  nach  der  Giesbrecht'schen  Schellackmethode  auf  dem  Objectträger  ge- 
ordnet und  befestigt:  da  man  hier  jedoch  vor  einem  schliesslichen  Davonschwimmen  der  Schnitte  nie  ganz 
sicher  ist,  so  verwendete  ich  später  mit  recht  gutem  Erfolge  das  Mayer'sche  Eiweissglycerin ;  dasselbe  bot 
vor  allem  neben  der  absolut  sicheren  Wahrung  der  Lageruugsverhältnisse  selbst  der  kleinsten  Teilchen  die 
Möglichkeit  des  Nachfärbens  auf  dem  Objectträger. 

Weim  übrigens  gewisse  Resultate  mittelst  einer  besonderen  Methode  erlangt  wurden,  so  wird  dieses 
Verfahren  an  der  betreffenden  Stelle  eingehend  geschildert  werden;  es  ist  wohl  kaum  nötig,  zu  erwähnen, 
dass  dies  flu-  die  objective  Beurteilung  und  Controlierimg  einer  Arbeil  und  ihrer  Resultate  von  entschiedenster 
Bedeutung  ist. 

Vorkommen    und    Verbreitung. 

Das  Vorkommen  des  Leucochloridium  paradoxum  ist  unseren  jetzigen  Erfahrungen  zu  Folge  an 
das  Vorhandensein  der  Succinea  amphibia  gebunden;  bis  heutigen  Tages  wenigstens  liegen  keine  Mitteilungen 
vor,  däss  eine  andere  Schneckenart  als  Träger  unseres  Parasiten  beobachtet  worden  wäre:  auch  hat  es  mir 
trotz  verschiedener  Versuche  nicht  gelingen  wollen,  eine  andere  der  bei  ims  häutig  vorkommenden  Gasteropoden- 
arten  künstlich  mit  Leucochloridium  zu  infizieren. 

Keineswegs  ist  aber  da,  wo  die  Succinea  vorkommt,  überall  auch  das  Leucochloridium  zu  Hause; 
im  Gegenteil  scheint  dieses  keine  allzu  weite  Verbreitung  zu  haben.  Eine  weitere  Existenzbedingung  für 
dasselbe  ist  natüj'licherweise  auch  das  Vorkommen  der  beti-eö'enden  Vogelarten,  welche  die  Träger  des  aus- 
gebildeten Distomums  sind;  dies  können  andererseits  wiederum  nur  solche  sein,  welche  wie  die  Succinea 
in  feuchten  und  sumpfigen  Wäldern  vorzugsweise  ihren  Aufenthalt  haben.  Nur  an  derartigen  Stellen  sind 
die  Bedingungen  für  die  Weiterentwicklung  der  Distomenbrut  gegeben,  ganz  abgesehen  davon,  dass  nur 
an  dem  Wohnort  der  Schnecke  selbst  die  Infection  der  Vögel  stattfinden  kann.  Es  können  nämlich, 
wie  sich  durch  mehrfache  Versuche  ergeben  hat,  die  Eier  des  Distomum  macrostomimi"  ein  Ein- 
ti-ocknen  nicht  vertragen;  in  je  höherem  Maasse  also  an  einem  Orte  die  mit  dem  Kote  der  Vögel  abge- 
gangenen Eier  der  Eventualität  des  Austrocknens  ausgesetzt  sind,  um  so  geringer  wird  für  sie  die  AA'ahr- 
scheinlichkeit  sein,  in  lebens-  und  entwicklungsfähigem  Zustande  in  die  Schnecken  übertragen  zu  werden. 

In  Folge  dessen  werden  feuchte  Laubwaldungen,  wie  sie  vielfach  die  Niederungen  von  Flussthälern 

begleiten,  die  vorzüglichsten  Fundorte  des  Leucochloridium  sein,   da  sie  einerseits  den  Schnecken  passende 

Aufenthaltsorte,  den  Vögeln  aber  gute  Nistplätze,  sowäe  reichliche  Nahrung  gewähren,  so  dass  hier  Existenz- 

und  Entwicklmigsbedingungen  für  dasselbe  in  denkbar  günstigstem  Maasse  zusammentrefiTen.     Dass  dies  in 

2* 


— o®o      12      oSo— 

der  That  der  Fall  ist,  bestätigte  sich  vollkommen  bei  meinen  Excursionen  für  Leipzig  und  seine  Umgebung. 
Füi-  die  übrigen,  bis  jetzt  bekannten  Fundorte  des  Leucochloridium  paradoxum  scheinen  die  Verhältnisse 
ganz  ähnlich  zu  liegen. 

So  hat  Ahrens')  die  intizierte  Succinea  amphibia  in  der  sumptigen,  mit  Laubwald  bestandenen  Elster- 
niederung  der  Döllnitzer  Aue  bei  Halle  gefunden;  unter  gleichen  Verhältnissen  wiu-de  sie  Elsteraufwärts 
von  mir  bei  Gaschwitz  an  den  der  Elster  und  Pleisse  zufliessenden  Gewässern  beobachtet.  Saaleabwärts 
war  es  Pieper^),  dem  es  gelang,  bei  Bernburg  wiederholt  infizierte  Bernsteinschnecken  aufzufinden.  Im 
Eibgebiet  traf  sie  Carus^)  auf  einer  Eibinsel  bei  Pillnitz;  an  der  Oder  fanden  von  Siebold  und  HenseH) 
ihrer  viele  bei  Breslau.  Sodann  hat  man  sie  in  neuerer  Zeit  auch  in  der  Weichselniederung  bei  Danzig 
beobachtet*),  wo  sie  von  Siebold  früher  vergeblich  gesucht  hatte. 

Aus  den  gebirgigen  Teilen  Deutschlands,  dem  Süden  und  Westen,  sind  die  Beobachtungen  weit 
spärlicher.  So  hat  man  bei  Würzburg  das  Leucochloridium  gesucht,  aber  ohne  Resultat,  ebenso  bei  Pi-langen 
und  Freibiu-g  im  Breisgau.  Dagegen  verfügte  Zeller^)  in  Winnenthal  in  Württemberg  über  reiches  Material, 
Leydig')  fand  es  bei  Bonn. 

Aus  alledem  scheint  hervorzugehen,  dass,  soweit  unsere  gegenwärtigen  Kenntnisse  reichen,  das 
Leucochloridium  zwar  räumlich  eine  ziemlich  ausgedehnte  geographische  Verbreitung  besitzt,  dass  es  aber 
immer  nur  an  einzelne,  mit  ganz  bestimmten  Qualitäten  ausgestattete  und  örtlich  eng  begrenzte  Gebiete 
gebunden  ist.  Es  scheint  mir  jedoch  nicht  zweifelhaft,  dass  bei  genauerem  und  sorgfältigerem  Nachsuchen 
dasselbe  noch  an  manchen  Orten  entdeckt  werden  wird,  an  denen  sein  Vorkommen  bis  jetzt  noch  nicht 
constatiert  ist.  Freilich  ist  das  Suchen  des  Leucochloridium,  wenigstens  in  der  Umgebung  von  Leipzig 
eine  Aufgabe,  zu  deren  Losung  ein  gewisse  Dosis  Heroismus  gehört.  Neben  vielen  sehr  interessanten  und 
harmlosen  Dingen  beherbergen  die  zahlreichen  Lachen  und  Tümpel  der  Niederung  auch  Tausende  von 
Stechmückenlarven,  die,  so  lange  sie  im  Wasser  sind,  keinerlei  üble  Eigenschaften  verraten,  deren  geflügelte 
Angehörige  aberj>^  dem  genus  Homo  ohne  Ansehen  der  Person  blutige  Feindschaft  geschworen  zu  haben 
scheinen  und  dem  friedlichen  Spaziergänger  in  gleicher  Weise  wie  dem  strebsamen  Forscher  den  Aufent- 
halt in  ihrem  Revier  nach  Kräften  verleiden. 


Über  den  Bau  des  Leucochloridium. 

Wie  bereits  durch  die  früheren  Untersuchungen  festgestellt  wurde  (Carus*),  setzt  sich  der  gesammte 
Complex  des  Leucochloridium  aus  zwei  Hauptteilen  zusammen;    das  ursprüngliche,    primäre   an  demselben 


•)  Ahrens.    1.  c.  pag.  •293. 

')  Pieper.    Wiegmanns  Archiv  für  die  Naturgeschichte.     1851.    Bd.  I.     pag.  313. 
')  Carus.     1.  c.  jiag.  87. 
*)  von  Siebold.    1.  c.  pag.  425. 

^)  E.  Schumann.   Zur  Kenntnis  der  Weichtiere  Westpreussens.    Naturforschende  Ges.  zu  Danzig.    N.  P.   VI.  Bd.   4.  Heft, 
pag.  8.     Sep.-Abd.     Der  Parasit  wird  als  Eristalislarve  bestimmt. 
«)  Zeller.    1.  c.  pag.  561. 

')  Leydig.    Berichte  der  niederrhein.  naturf.  Gesellsch.    Bonn. 
')  cf.  Einleitung,    pag.  10. 


-:«o      13      o®o- 

ist  das  „Netzwerk  feiner  Fäden  mit  ästigen  Enden'",  in  dem  die  jungen  Cerkarien  ihren  Ursprung  nehmen; 
wenn  die  Keimlinge  dann  eine  gewisse  Grösse  und  Ausbildung  erreicht  haben,  werden  sie,  um  weiteren 
Keimproducten  Platz  zu  machen,  in  besondere  Reservoire  oder  Depots  gebracht,  Teile  des  Fadenwerkes, 
die  in  Folge  dieser  Anfüllung  mit  der  Distomenbrut  an  Umfang  nach  und  nach  immer  mehr  zunehmen, 
und  schliesslich  in  völlig  fertig  gebildetem  Zustande  die  grossen,  lebhaft  gefäi-bten  Schläuche  darstellen, 
welche  die  älteren  Beobachter  allein  von  dem  gesammten  Leucochloridium  kannten  und  nach  denen  das 
Ganze  benannt  wurde.  Wir  finden  in  Folge  dessen  an  einer  alten  Sporocyste  ausser  einem  oder  mehreren 
ausgewachsenen  und  ausgefärbten  Schläuchen  auch  eine  Anzahl  jüngerer  auf  verschiedenen  »Stadien  der 
Füllung,  deren  Färbung  ebenfalls  alle  möglichen  Übergänge  zeigt,     (cf.  Fig.  i.) 

Was  nmi  zunächst  die  eigentliche  Keimstätte  anlangt,  so  repräsentiert  dieselbe  eine  mehr  oder 
minder  grosse  Masse  reich  verzweigter  Fäden,  die  wie  die  Äste  eines  Baumes  von  einem  gemeinsamen 
Mittelpunkte  aus  ihren  Ursprtmg  nehmen  und  mit  abgerundeten  Spitzen  endigen.  Sie  durchsetzen  die  L.eber 
ihres  Trägers  nach  allen  Richtungen,  so  dass  es  so  gut  wie  unmöglich  ist,  eine  ältere  Sporocyste  in  toto 
unvei'letzt  aus  derselben  heraus  zu  präparieren.  Diese  Fäden  besitzen  eine  durchschnittliche  Dicke  von 
0,06 — 0,034,  sind  aber  in  ihrem  Verlauf  nicht  überall  gleich  stark,  sondern  zeigen  allenthalben  Einschnürungen, 
vielfach  auch  seitliche  buckelartige  Auftreibungen,  die  später  zu  den  Seitensprossen  des  Hauptfadens  sich 
weiter  entwickeln  und  eine  reichere  Entfaltung  des  gesammten  Schlauchwerkes  bedingen.  Im  Inneren  sind 
diese  Fäden  hohl;  sie  sind  mit  einer  lymphatischen  Flüssigkeit  gefüllt,  in  der  die  verschiedenen  Stadien 
der  Keimkörper  frei  suspendiert  gefunden  werden.  Diese  innere  Höhlung  setzt  sich  naturgemäss  auch  in 
die  dem  Nestwerk  anhängenden  Schläuche  fort. 

Einige  der  freien  Enden  des  Sporocystenfadenwerkes  wachsen  etwas  länger  aus  und  erhalten  an  ihrer 
Spitze  eine  an  Grösse  immer  mehr  zunehmende  Auftreibung,  die  nach  hinten  aber  noch  ganz  allmählich 
bis  zur  normalen  Dicke  der  Genisttaden  abnimmt.  Die  grösseren  unter  diesen  jungen  Schläuchen  zeigen 
bereits  einen  Beginn  der  späteren  Färbung,  doch  scheint  deren  definitive  Ausbildung  erst  von  dem  Zeitpunkt 
an  einzutreten,  wo  die  Schläuche  bereits  soweit  mit  Brut  gefüllt  sind,  dass  sie  nach  vorn  in  den  Schnecken- 
fühler einzutreten  beginnen.  Erst  von  dieser  Zeit  an  datiert  auch  die  eigentümliche  rhythmische  Bewegung 
der  Schläuche,  auf  die  wir  weiter  unten  ausführlicher  zurückkommen  werden. 

Die  völlig  ausgebildeten  reifen  Schläuche  erinnern  in  ihrer  ganzen  äusseren  Erscheinung  augen- 
fällig an  gewisse  Dipterenlarven,  ein  Umstand,  der  es  erklärlich  macht,  dass  die  älteren  Forscher  im  Un- 
klaren über  das  Wesen  derselben  bleiben  konnten.  Sie  besitzen  einen  cylindrischen,  nach  vorn  sich  etwas 
konisch  zuspitzenden  Leib  von  1,5  mm  Dicke  und  10  mm  durchschnittlicher  Länge,  der  sich  gegen  den 
Communikationsschlauch,  der  diese  mit  der  Sporocyste  verbindet,  ziemlich  scharf  absetzt,     (cf  Fig.  1.) 

Das  eigentümlich  geringelte,  au  die  segmentierten  Fliegeularven  erinnernde  Aussehen  der  Schläuche 
ist  nicht  der  Ausdruck  einer  inneren  Gliederimg,  sondern  wird  lediglich  bedingt  durch  die  Färbung.  Es 
finden  sich  nämlich  auf  der  Schlauchoberfläche  in  ziemlich  regelmässigen  Abständen  von  einander  pigmen- 
tierte Ringe  von  nur  geringem  Durchmesser,  zu  denen  sich  am  Vorderteil  des  Schlauches  zwei  breite  nach 
hinten  noch  durch  eine  Reihe  schwarzer  Punkte  begrenzte  Ringe  von  viel  dunklerer  Färbung  gesellen.  Die 
Spitze  des  ganzen  ist  dunkelbraunrot  gefärbt  und  mit  einer  Anzahl  mehr  oder  minder  regelmässig  gruppierter 
schwarzer,  buckelartiger  Erhebungen  ausgestattet. 


-o«c      14      0^- 

In  weitaus  den  meisten  Phallen  min  ist  das  Pigment,  welches  die  oben  beschriebene  ringförmige 
Zeichnung  bedingt,  lebhaft  grün,  nach  hinten  mehr  in  blasses  Gelb  abnehmend;  in  seltenen  Fällen  jedoch 
auch  braun.  Es  kommt  sogar  vor,  dass  man  in  ein  mid  derselben  Schnecke  sowohl  grüne  als  braune 
Schläuche  vorfindet;  ich  überzeugte  mich  aber  dann,  dass  dieselben  verschiedenen  Sporocysten  angehörten, 
so  dass  es  scheint,  als  könne  eine  Sporocyste  entweder  nur  grüne  oder  nur  braune  Schläuche  bilden. 

Unter  gewöhnlichen  Umständen  findet  man  in  den  frei  lebenden  Schnecken  nur  einen  oder  zwei 
reife  Schläuche  entwickelt,  die  dann  meist  beide,  seltener  zusammen  niu"  den  einen  der  beiden  Fühler  er- 
füllen. Wenn  jedoch  für  Entfernung  der  reifen  Schläuche  sich  keine  Gelegenheit  findet,  dann  wächst  deren 
Zahl  bedeutend  an;  so  habe  ich  mehreremale  Schnecken  gefunden,  die  bis  zu  8  Schläuchen  entwickelt 
zeigten,  von  denen  dann  je  einer  in  jedem  Fühler  völlig  ausgestreckt  pidsierte,  während  die  anderen  auf 
jede  mögliche  Weise  tastend  und  drückend  so  weit  wie  möglich  nach  vorn  zu  gelangen  suchten,  (cf  Fig.  2.) 

Wie  schon  ei-wähnt,  dienen  diese  grossen  Schläuche  gleichsam  als  Reservoire,  in  denen  die  jungen 
Distomen,  deren  Entstehung  m  den  Fäden  des  Genistes  ihren  Anfang  nahm,  gesammelt  und  zu  weiterer 
geeigneter  Verwendung  aufbewahrt  werden.  Bereits  ehe  der  erste  Schlauch  mit  der  grösstraöglichen  Anzahl 
junger  Individuen  gefüllt  ist,  hebt  schon  die  Bildung  mid  Füllung  eines  zweiten  an.  Gar  nicht  selten  gelingt 
es  übrigens,  die  jimgen  Larven  auf  ihrer  Wanderung  durch  den  Stiel  zu  ertappen;  einmal  fand  ich  deren 
sogar  drei  hinter  einander  in  ein  und  demselben  Stiele,  ein  Umstand,  der  einen  weiteren  Beweis  für  die 
rege  Production  in  der  Sporocyste  abgibt. 

Der  junge  grosse  Schlauch  beginnt  dann  zuerst  an  der  Spitze,  später  immer  weiter  nach  hinten  zu 
anzuschwellen;  zugleich  dehnt  und  streckt  er  sich  nach  vorn  zu,  in  einer  Richtung,  welche  durch  die  von 
dem  Ösophagus  der  Schnecke  freigelassenen  Teile  der  Leibeshöhle  vorgezeichnet  ist,  und  in  der  noch  am 
meisten  Raum  für  den  immer  mächtiger  schwellenden  Teil  des  Parasiten  bleibt.  Die  ihrer  völligen  Aus- 
bildung sich  nähernden  Schläuche  dringen  dann  unter  der  Atemhöhle  hin  bis  in  die  Fühler  vor,  mid  schieben 
dabei  Bindegewebe  und  Muskulatur  auf  die  Seite.  Durch  diese  im  Verhältnis  immerhin  kolossale  Auf- 
treibung wird  die  gesammte  Fühlerwand  natürlich  ausserordentlich  gedehnt  und  dadui'ch  oft  so  dünn, 
namentlich  wenn  mehrere  Schläuche  in  ein  imd  denselben  Fühler  eingedrungen  sind,  dass  diese  von  selbst 
reisst  und  die  Insassen  dann  nach  aussen  hervortreten.  Doch  bleibt  ti'otz  dieser  Dehnung  und  Schwächung 
die  Muskulatur  der  Fühler  immer  noch  stark  genug,  um  bei  einem  vorkommenden  Sichzurückziehen  der 
Schnecke  den  Parasiten  ohne  weiteres  mit  dem  B\ihler  zurückzuziehen. 

Ich  machte  mir  übrigens  diese  Beobachtung  zu  nutze,  indem  ich  später,  wenn  ich  frische  Schläuche 
zui-  Untersuchung  resp.  Verfütterung  brauchte,  einfach  die  ausgestreckten  imd  mit  Insassen  versehenen 
Fühler  der  Schnecken  vorsichtig  anschnitt  und  mich  so  in  den  Besitz  lebenden  Materials  setzte,  ohne  die 
Schnecke  resp.  ihren  Parasiten  opfern  zu  müssen;  denn  erstere  regenerierte  binnen  kiu'zem  den  ihr  zugefügten 
Schaden  >ind  der  Parasit  ersetzte  den  verloren  gegangen  Schlauch  durch  einen  neuen. 

Obgleich  nun  der  auf  diese  Weise  befreite  Schlauch  von  dem  Stiel,  durch  den  er  mit  dem  Geniste 
in  Verbindung  steht  und  durch  den  die  junge  Brut  in  ihn  einwandert,  abreisst,  und  trotzdem  er  mit  der- 
selben prall  gefüllt  ist,  tritt  sein  Inhalt  doch  dui-ch  die  Rissstelle  des  Stieles  nicht  nach  aussen  hervor,  und 
zwar  wird  dies  durch  einen  ganz  besonderen  Mechanismus  verliindert.  Wie  wir  schon  oben  bemerkten, 
setzt  sich  der  grosse  Schlauch  an  seinem  Hinterende  gegen  den  Stiel  sehr  scharf  ab.    An  dieser  Übergangs- 


— 0®0  15         OgjCr- 

stelle  findet  sich  im  Inneren  ein  Polster  eigentümlich  gebauter  Zellen  vor,  dessen  genauere  Bekanntschaft 
wir  bei  der  Besprechung  des  histologischen  Aufbaues  des  Leucochloridium  machen  werden;  dasselbe  scheint 
vor  allem  die  Function  eines  elastischen  Sicherheitsventiles  zu  haben,  indem  es  nach  dem  Durchpassieren 
einer  Larve  sich  sofort  wieder  schliesst  imd  ein  Zurückti-eten  des  einmal  in  den  grossen  Schlauch  gelangten 
Tieres  unmöglich  macht.  Naturgemäss  hat  auch  diese  Abschnürung  ihre  besondere  Bedeutung.  Wäre  die 
hintere  Öffnung  des  Schlauches  in  beiden  Richtungen  in  gleicher  Weise  durchlässig,  so  würde  der  ganze 
Inhalt  desselben  im  Momente  des  Abreissens  austreten  und  der  fressende  Vogel  höchstens  einen  kleinen 
Teil  der  Brut  in  sich  aufnehmen,  die  grösste  Menge  derselben  somit  flu-  die  Erhaltung  der  Art  verloren 
gehen.  Die  Zahl  der  in  einem  Schlauch  enthaltenen  jungen  Distomen  ist  natüilich  nach  dem  Alter  desselben 
sehr  verschieden,    bei   alten  und   ausgewachsenen   Individuen   zählte  ich    deren  in  einem  einzigen  über  160. 

Von  dem  Zeitpunkt  an,  wo  der  Schlauch  unter  der  Atemhöhle  der  Schnecke  hinweg  nach  vorn 
getreten  ist,  wo  also  der  Schlussmechanismus  gegen  den  Stiel  hin  sich  völlig  ausgebildet  hat,  beginnt  auch 
die  Bewegung  desselben.  Ist  der  Schlauch  jung,  so  zeigt  er  eine  von  der  Spitze  nach  der  Basis  sich  fort- 
pflanzende peristaltische,  ist  er  älter,  eine  rhythmische  Bewegimg.  Diese  besteht  in  einem  in  regelmässigen 
Zeitabschnitten  wiederkehrenden  Zusammenziehen  und  Wiederausdehnen,  so  dass  man  das  Ganze  mit  einem 
Pulsieren  vergleichen  kann.  Dasselbe  findet  eigentlich  nur  in  der  Gegend  der  beiden  vorderen,  dunkel 
gefärbten  Ringe  statt;  es  verringert  sich  an  dieser  Stelle  der  Umfang  ganz  bedeutend,  und  die  durch  diese 
Contraction  verdrängten  Inhaltsmassen  ti-eten  nach  dem  hinteren,  nicht  activ  beteiligten  Teile  des  Schlauches 
über,  ohne  aber  in  Folge  des  dort  angebrachten  Verschlussmechanismus  in  den  Stiel  mid  die  Sporocyste 
zurücktreten  zu  können,  so  dass  dessen  Querschnitt  sich  etwas  vergrössert.  Lässt  in  dem  darauf  folgenden 
Momente  die  wirkende  Kraft  im  Vorderteile  nach,  so  tritt  vermöge  der  Elastizitätsverhältnisse  die  verdrängte 
Masse  wieder  nach  vorn,  und  der  Schlauch  erhält  seine  ursprüngliche  Form  zuräck.  Es  tritt  also  bei  diesen 
pulsierenden  Bewegungen  eine  active  Contraction  der  Längsrichtung  fast  gar  nicht  oder  doch  nur  in  unter- 
geordnetem Maasse  auf,  eine  Beobachtung,  die  man  sehr  gut  au  Schläuchen  machen  kann,  die  man  aus 
der  Schnecke  befreit  und  auf  einer  Glasplatte  oder  dergleichen  sich  bewegen  lässt.  Die  Geschwindigkeit, 
mit  der  diese  Bewegimgen  erfolgen,  ist  eine  wechselnde;  im  Sonnenlicht  ist  sie  grösser  als  im  Schatten. 
Zelleri)  gibt  für  die  Dauer  einer  Minute  90  Contractionen  an.  Diese  Bewegungen  werden  von  dem  Schlauche 
selbst  ausgelöst;  daher  mag  es  auch  kommen,  dass  die  Schläuche  einer  Sporocyste  selten  im  Takte,  ja, 
nicht  selten  niclit  einmal  im  gleichen  Rhythmus  pulsieren. 

Auch  bei  der  Betrachtimg  des 

histologischen  Aufbaues  des  Leucochloridium 

findet  man  zwischen  dem  Fadenwerk  der  eigentlichen  Keimstätte  und  den  ausgebildeten  reifen  Schläuchen 
derartige  Verschiedenheiten  vor,  dass  man  ohne  Kenntnis  der  Übergangsformen  leicht  versucht  sein  könnte, 
beide  Teile  für  völlig  von  einander  unabhängige  und  verschiedene  Bildungen  zu  halten.  Es  wird  sich  des- 
halb auch  hier  empfehlen,  erst  den  Aufbau  der  Fäden  genauer  abzuhandeln,  um  dann  durch  Vergleichung 
der  Übergangsformen  die  abweichende  Structur  der  grossen  Schläuche  verständlich  zu  machen. 


»)  Zeller.    1.  c.  pag,  565. 


IG 

Der  ganze  Parasit  zeig-t  sich  in  der  Schnecke  eingehüllt  von  einer  nicht  sehr  dicken  faserigen 
Bindegewebslage,  die  nur  aus  den  bindegewebigen  Stützen  der  von  demselben  verdrängten  Organe  zu  be- 
stehen scheint  und  zugleich  njit  dem  zunehmenden  Schwellen  des  Schmarotzers  an  Mächtigkeit  zunimmt. 
Einen  aus  zahh-eichen  Blutkörperchen  gebildeten  Paletot,  wie  ihn  Biehringeri)  von  den  Limnaeen  um  ihre 
Parasiten  (Cercaria  arniata)  herum  abgeschieden  vorfand,  differenzieren  die  Succineen  nicht. 

Was  nun  unsere  Sporocyste  selbst  anlangt,  so  besteht  ihre  ^^'andung  aus  einer  Anzahl  mehr  oder 
minder  schai-f  von  einander  getrennter,  ursprünglich  aber  in  allen  Teilen  ganz  in  gleicher  AVeise  angelegter 
Schichten,  die  den  inneren,  mit  einer  serösen  Flüssigkeit  erfüllten  Raum  einschliessen. 

Die  äussere  Grenze  der  Sporocyste  -nörd  von  einer  zarten  Membran  (0,001 — 0,002  mm)  gebildet, 
die  auf  conservierten  Präparaten  doppelt  contouriert,  stark  lichtbrechend  und  meist  dunkel  tingiert  erscheint; 
steilenweise  verdickt  sie  sich  etwas,  und  man  bemerkt  dami  an  diesen  Stellen  flache  kleine  Kerne  (0,003  mm) 
mit  meist  deutlich  hervortretendem  Kernkörperchen.  Biehringer^),  der  zuerst  das  Vorhandensein  von  Kernen 
in  der  äusseren  Bedeckung  der  Sporocysten  nachwies,  kommt  durch  theoretische  Gründe  zu  dem  Schluss, 
es  müsse  die  in  Rede  stehende  Haut  die  Epidermis  der  Ammen  darstellen.  Ziegler  *)  nennt  die  entsprechende 
Schicht  der  Cerkarien  „Hautschicht", 'da  sich  die  Art  der  Entstehung,  sowie  ihr  definitives  Aussehen  nicht 
mit  den  Begriffen  vertragen,  welche  wir  gewöhnlich  mit  dem  Worte  Epidermis  verbinden,  und  ihm  schliesst 
sich  Schwarze*)  vollkommen  an.  Da  die  Verhältnisse,  wie  sie  bei  unserer  Sporocyste  auftreten,  vollkommen 
mit  den  von  diesen  Forschern  gefundenen  übereinstimmen,  werde  auch  ich  aus  denselben  Gründen  den 
Namen  „Hautschicht"  für  diese  äusserste  Lage  benutzen. 

Auf  diese  Hautschicht  folgt  nach  innen  zu  eine  nicht  gerade  stark  ausgebildete  Muskellage,  die 
überall  aus  feinen,  mitunter  mit  den  benachbarten  anastomisierenden  Fasern  und  Faserzügen  sich  zusammen- 
setzt. Dieser  Muskelschlauch  besteht  aus  zwei  getrennten  Systemen,  von  denen  das  eine,  äussere  aus  ring- 
förmig um  den  Sclilauch  herumlaufenden,  das  imiere  aus  solchen  Fasern  besteht,  die  in  der  Längsausdehnung 
der  Oberfläche  parallel  laufen.  Diese  beiden  Faserschichten  liegen  nicht  unmittelbar  unter  einander,  sondern 
sind  durch  eine  helle,  sehr  feinkörnige  und  sich  nur  schwach  färbende  Substanzlage  getrennt,  in  die  sich 
nicht  selten  auch  blasse  Kerne  (0,005  mm)  eingelagert  finden.  Die  Mächtigkeit  dieser  Schicht  ist  eine  wechselnde; 
wähi-end  sie  bei  ganz  jungen,  noch  nicht  lange  Zeit  gebildeten  Proliferationen  der  Sporocyste  die  grösste 
Ausdehmmg  (im  Mittel  0,008  mm)  besitzt,  reduziert  sie  sich  mit  dem  zmiehmendcn  Alter  der  Schläuche 
immer  mehr,  um  schliesslich  so  weit  zu  schwinden,  dass  sie  fast  nicht  mehr  nachweisbar  ist;  bei  den  völlig 
reifen  Leucochloridiumschläuchen  dagegen  tritt  sie  wieder  auf  und  zwar  zugleich  in  ganz  charakteristischer 
Ausbildung,  wie  wir  später  sehen  werden,     (cf  Fig.  10,  11,  14.) 

Unter  dieser  Muskellage  findet  sich  endlich  nach  innen  zu  noch  eine  dritte  Schicht  von  wechselnder 
Mächtigkeit,  der  es  in  Folge  der  allmählich  erfolgenden  Umbildung  ihrer  Elemente  vor  allem  zuzuschreiben 
ist,  dass  Querschnitte  durch  verschiedene  Altersstufen  der  Sporocystenfäden  ein  so  abweichendes  Bild  dar- 


')  Biehringer.   Beiträge  zur  Anatomie  und  Entwicklungsgeschichte  der  Trematoden.    Arbeiten  aus  d.  zool.-zoot.  Institut 
Würzburg.    Bd.  VII.    pag.  12  d.  Sep.-Abdr. 
^)  Biehringer.    1.  c.  pag.  6.    S.-A. 

")  Ziegler.    Bucephalus  und  Gastorostomum.     Zeitschr.  f.  w.  Zool.     1883.    39.  Bd.    pag.  547. 
*)  Schwarze.     Die  postembryonale  Entwicklung   der  Trematoden.     Zeitschr.  f.  w.  Zool.     1885.    41.  Bd.    pag.  10.     S.-A. 


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bieten.  Es  wird  sich  in  Folge  dessen  am  besten  ein  Einblick  in  den  gegenseitigen  Zusammenhang  und  die 
Beziehung  der  einzelnen  Structuren  zu  einander  gewinnen  lassen,  wenn  wir  dem  Gewebe  auf  seinem  Ent- 
wicklungsgange schrittweise  folgen. 

Zum  besseren  Verständnis  des  ganzen  müssen  wir  hier  in  etwas  vorgreifen  und  erwähnen,  dass  das 
Wachstum  der  jungen,  eben  nur  hervorsprossenden  Proliferationen  nicht  so  erfolgt,  dass  etwa  die  Spitze 
zuerst  gebildet  und  dann  durch  weiteres  Wachsen  von  der  Basis  aus  voi-geschoben  wird,  sondern  dass  ganz 
so,  wie  es  z.  B.  bei  den  Pflanzenwurzeln  der  Fall  ist,  nur  in  der  Nähe  der  Spitze  das  noch  nicht  differen- 
zierte, proliferierende  Gewebe  zu  suchen  ist,  und  dass^demnach  die  der  Ursprungsstelle  des  sich  bildenden 
Schlauches  am  nächsten  gelegenen  Gewebe  zugleich  die  ältesten  und  am  weitesten  veränderten  sind. 

So  treffen  wir  zunächst  in  dem  blinden  Ende  eines  wachsenden  Schlauches  unter  der  Muskelhülle 
eine  ziemlich  mächtige  Lage  von  Zellen  an,  die  für  das  Lumen  im  Inneren  nur  einen  ganz  unbedeutenden, 
spaltförmigen  Raum  übrig  lassen.  Diese  Zellen  scheinen  in  lebhafter  Vermehrung  begriffen,  sie  liegen  ausser- 
ordentlich dicht  gedrängt  zu  mehreren  um-egelmässig  übereinander  und  sind  in  Folge  des  von  den  Seiten  her 
wirkenden  Druckes  in  der  Längsrichtung  nach  dem  Schlauchinneren  zu  am  meisten  ausgedehnt.  Ihr  Plasma 
ist  körnig,  der  Kern  gross  und  rund,  deutlich  sichtbar  und  mit  ein  oder  zwei  Kernkörperchen  ausgestattet. 
Gegen  das  Lumen  zu  ist  diese  Zellenlage  abgegrenzt  durch  eine  feine,  mitunter  spärliche,  flachgedrückte 
Kerne  zeigende  Haut,  die  Binnenmembran  (cf.  Fig.  9).  Schon  kurze  Zeit  später,  d.  h.  also,  nachdem  die  Spitze 
ein  wenig  über  die  in  Rede  stehende  Stelle  hinausgewachsen  ist,  hat  vor  allem  der  innere  Hohlraum  nicht 
unbedeutend  an  Weite  zugenommen,  indem  die  vorher  in  mehreren  Lagen  vorhandenen  Wandzellen  etwas 
auseinandergewichen  sind  mid  sich  unter  gleichzeitiger  Abrundimg  in  eine  etwas  geringere  Zahl  unrcgel- 
mässiger  Lagen  gruppiert  haben.  Es  beginnen  auch  schon  jetzt  vereinzelt,  später  in  immer  wachsender 
Anzahl,  helle  Räume  aufzutreten,  anscheinend  dadurch  veranlasst,  dass  das  Protoplasma  der  beti'eflenden 
Zellen  aufquillt  imd  eine  etwas  andere  optische  und  chemische  Beschaffenheit  annimmt.  Es  wird  blass  und 
trübe,  verliert  seine  Färbbarkelt  immer  mehr  und  sammelt  sich  vor  allem  in  dem  oberen,  nach  dem  Hohl- 
raum des  Schlauches  zu  gelegenen  Ende  der  Zelle  an,  indem  es  zu  gleicher  Zeit  dieses  kugelförmig  nach 
aussen  hervortreibt.  Ein  immermehr  schwindender  Rest  imveränderten  Protoplasmas,  der  zugleich  den  normal 
gebliebenen  Kern  enthält,  bleibt  im  Grunde  der  so  veränderten  Zelle  liegen.  Wenn  mm  dieser  Auflösimgs- 
prozess,  denn  als  ein  solcher  ist  die  eben  beschriebene  Umwandelung  wohl  ohne  Zweifel  aufzufassen,  auch 
den  bei  weitem  grössteu  Teil  der  im  Umkreis  der  Schlauchwand  gelegenen  Zellen  ergreift,  so  finden  wir 
doch  immer  noch  eine  gewisse  Anzahl  von  Zellen,  welche  davon  verschont  bleiben.  Diese  unverändert  den 
früheren  embryonalen  Typus  bewahrenden  Elemente  liegen  stets  zu  grösseren  oder  kleineren  Nestern  ver- 
einigt, unregelmässig  an  der  inneren  Schlauchwand  verteilt;  sie  zeigen  sich  anfangs  in  der  Aufsicht  unter 
einander  noch  verbimden  durch  ein  Netzwerk  von  Strängen,  die  aus  reihenweise  gruppierten  und  ebenfalls 
ihren  fi-üheren  Habitus  unverändert  beibehaltenden  Zellen  zusammengesetzt  erscheinen;  diese  Brücken  ver- 
schwinden jedoch  ebenfalls  nach  kurzer  Zeit.  Die  Binuenmembran  zieht  über  alle  diese  Zellen  noch  con- 
tinuirlich  hinweg. 

Im  weiteren  Verlaufe  des  Auflösungsprozesses  scheinen  nun  die  aufgequollenen  Zellen  zu  platzen; 
sie  entleeren  ihren  blassen  Inhalt;  während  sie  zusammenfallen,  ü-eten  zugleich  neue  von  unten  her  an  ihre 
Stelle.     Der  nach  und  nach  immer  reichlicher  entleerte  Inhalt,    der   auf  conservierten  Präparaten,   wie  alle 


-o®o       18       0®O- 

lymphatischen  Flüssigkeiten,  eine  fein  granulierte,  trübe  Masse  darstellt,  beginnt  nun  die  Binnenmembran  von  den 
darunter  gelegenen  Zellen  abzuheben  und  blasenartig  vor  sich  herzutreiben.  Da  dieselbe  aber  an  allen  den 
oben  erwähnten  Stellen,  wo  die  darunter  liegenden  Zellen  sich  unverändert  erhalten,  auch  fest  an  denselben 
haften  bleibt,  so  erhalten  wir  jetzt  im  Inneren  des  Schlauches  einen  unregelmässigen  blasigen  Belag,  der 
ungefähr  dasselbe  Bild  darbietet,  wie  es  dicht  an  einanderstossende  Luftblasen  auf  der  Oberfläche  einer 
dünnen  Gummi-  oder  Eiweisslösung  geben. 

Schliesslich  ist  auch  die  aufgetriebene  Binnenmembran  nicht  mehr  im  Stande;,  dem  Drucke  der 
immer  mehr  zunehmenden  Flüssigkeit  unter  ihr  zu  ^widerstehen;  sie  platzt  und  das  Umwandlungs- 
prodiict  der  früheren  Wandzellen  tritt  jetzt,  wahrscheinlich  als  Nährflüssigkeit  für  die  junge  Brut,  in  das 
Innere  des  Schlauches  über.  Die  so  ihrer  Stütze  beraubte  Blasenhaut  fällt  nunmehr  zusammen  und  legt 
sich  dicht  avif  die  ebenfalls  mehr  oder  minder  veränderten  untersten  Wandzellen,  die  nun  in  einfacher  Lage 
den  Innenraum  des  Sporocystenschlaviches  auskleiden;  da  inzwischen  auch  die  Zellen,  welche  das  oben  be- 
schriebene Netzwerk  zusammensetzten,  in  das  Niveau  der  übrigen  Wandzellen  herabgesunken  sind,  so  erhalten 
wir  jetzt  als  innere  Auskleidung  der  Schlauchwand  eine  von  einer  Membran  überzogene  einfache  Schicht 
von  Zellen,  in  der  nur  von  Zeit  zu  Zeit  die  ebenfalls  oben  erwähnten  Inseln  und  Nester  embryonal  ge- 
bliebener Zellen  auftreten,  deren  Bedeutung  wir  später  kennen  lernen  werden.  Die  Elemente  dieser  am 
Ende  der  Umwandlung  auftretenden  einfachen  Zellenlage  zeigen  unter  sich  nicht  allenthalben  die  gleiche 
Beschafi'enheit.  überragt  schon  in  der  Regel  ihre  Höhe  um  nichts  oder  doch  nur  um  ein  weniges  den 
Durchmesser  des  Kernes,  so  kommen  auch  zahlreiche  Stellen  vor,  wo  die  ganze  Scliicht  fast  vollkommen 
geschwunden  erscheint,  so  stark  haben  sich  die  Elemente  wahrscheinlich  in  Folge  der  Dehnung  der  Schlauch- 
wand abgeplattet.  Auch  ihr  Inhalt  zeigt  nicht  überall  gleiche  Beschaffenheit;  während  das  Protoplasma 
einzelner  Zellen  sich  noch  völlig  normal  zeigt,  scheinen  andere  von  dem  früher  besprochenen  Degenerations- 
prozesse befallen  worden  zu  sein,  ohne  dass  dieser  jedoch  zur  Perfection  gelangt  ist;  kurz,  das  ganze  Gewebe 
macht  einen  mehr  oder  minder  weit  zerstörten,  trümmerhaften  Eindruck,  überhaupt  geht  auch  der  ganze 
Umbildungsprozess  niemals  in  der  Regelmässigkeit  vor  sich,  wie  wir  ihn  eben  beschrieben  haben;  selbst  an 
gleichalterigen  Stellen  finden  wir  ihn  bald  schneller,  bald  langsamer  fortschi-eiten,  so  dass  die  Erkenntnis 
des  ganzen  Vorganges  mit  mannigfachen  Schwierigkeiten  verbunden  war. 

Dass  während  dieser  ümwandlungsvorgänge  der  inneren  Zellenlage  auch  die  die  Muskeln  enthaltende 
äussere  Substanzlage  nahezu  ganz  geschwunden  ist,  wurde  bereits  früher  hervorgehoben. 

Was  nun  die  vorhin  erwähnten  Nester  und  Inseln  embryonal  gebliebener  Zellen  anbelangt,  so  haben 
wir  in  ihnen  die  Ursprungstätte  der  sogenannten  Keimballen  vor  uns,  die  auf  den  verschiedensten  Entwick- 
lungsstufen die  Innenräume  des  gesammten  Schlauchwerkes  erfüllen,  jener  Gebilde,  die,  auf  ungeschlechtlichem 
Wege  entstanden,  sich  allmählich  zu  den  Distomenlarven  umbilden  und  so  den  Ausgangspunkt  einer  neuen 
Descendenz  darstellen.  Es  sind  die  wandständigen  Keimlager  unserer  Sporocyste,  meistens  nicht  sehr  gross, 
aiich  nur  selten  scharf  und  bestimmt  gegen  den  übrigen  Wandbelag  sowohl,  wie  gegen  die  unter  ihnen 
liegende  Substanzlage  abgegrenzt.  Nur  in  jüngeren  Schläuchen,  in  denen  die  Differenzierung  des  Wandbe- 
lages noch  nicht  in  dem  Maasse  vorgeschritten  ist,  wie  bei  den  älteren,  heben  sie  sich  durch  ihr  homogenes 
Aussehen  und  ihre  etwas  dunklere  Färbung  mehr  von  der  Umgebung  ab.  In  älteren  Schläuchen  dagegen 
sind  sie  nur  daran  erkennbar,  dass  das  Protoplasma  ihrer  Zellen  stark  mit  feinen  Körnchen  (wahrscheinlich 


-O®0         19         0®C- 

Reservestoft'en)  erfüllt  ist,  ein  Umstand,  der  aber  andererseits  einen  genaueren  Einblick  in  ihre  Structur 
nicht  zulässt.  In  der  Peripherie  dieser  Keiralager  nun  liegen  die  jungen  Keimballen,  welche  sich  meist  erst 
durch  eine  besondere  Membran,  von  der  sie  umgrenzt  sind,  als  gesonderte  Elemente  zu  erkennen  geben. 
Etwas  deutlicher  treten  sie  hervor  auf  Präparaten,  die  mit  Fette  extrahierenden  Flüssigkeiten  behandelt 
sind;  es  zeigen  sich  dann  neben  diesen  fertigen  Ballen  noch  anderweitige  mehr  oder  minder  gesonderte 
Zellcomplexe,  welche  jüngere  Zustände  der  fertigen,  durch  eine  Membran  allseitig  abgeschlossenen  Ballen 
darstellen,     (cf.  Fig.  13.) 

Diese  letzteren  liegen  alle  peripherisch  und  treten  bei  ihrer  ferneren  Entwicklung  immer  mehr  und 
mehr  aus  dem  übrigen  Keimlager  heraus  gegen  die  Binnenmembran  vor,  so  dass  sie  zuletzt  nur  noch  von 
dieser  in  der  Nähe  ihrer  ürsprungsstelle  festgehalten  werden. 

Es  kann  keinem  Zweifel  imterliegen,  dass  auch  Biehringer^)  diese  Keimlager  bei  den  von  ihm  be- 
obachteten Sporocysteu  der  Cercaria  armata  imd  macrocerca  gesehen  hat,  Avenn  sie  auch  von  ihm  nicht  als 
spezifisch  ausgebildete  Teile  der  Schlauchwand  erkannt  wurden;  denn  er  fand  bei  Sporocysten  von  Cercaria 
macrocerca  „die  Keimkörner  an  der  Peripherie  eines  körnigen  einige  Kerne  enthaltenden  Gerinnsels,  welches 
dem  innerhalb  der  Epithelzellen  befindlichen  vollständig  glich.  In  einem  anderen  Falle  schien  von  einer 
Stelle  der  seitlichen  Wandung  aus  eine  starke  Zellwucherung  stattzvifinden,  welche  ebenfalls  an  ihrer  Peri- 
pherie kleine  Keimkörper  aufwies".  Dass  diese  Wuchermigen  den  schon  beschriebenen,  mit  Nahrungsmaterial 
stark  erfüllten  Keimlagern  unserer  Sporocyste  vollkommen  analoge  Gebilde  sind,  glaube  ich  ohne  weiteres 
annehmen  zu  können.  Da  nun  Biehringer  aber  vorher  bei  jungen  Sporocysten  von  den  Kiemen  von  Cyclas 
beobachtet  hatte,  dass  „eine  Zelle  an  einer  beliebigen  Stelle  des  Epithels"  sich  teilt  und  einen  Keimballen 
bilden  kann,  da  er  auch  Zwischenstadien  nicht  untersuchte  und  „das  Theoretisieren''^)  hasst,  so  vermochte 
er  natürlich  nicht,  beide  Bildungsweisen  mit  einander  in  Einklang  zu  bringen. 

Die  undeutliche  und  wenig  scharf  markierte  Abgrenzung  der  Keimlager  gegen  den  angrenzenden 
inneren  Wandbelag  der  Sporocyste,  in  Verbindung  mit  der  bei  zunehmendem  Wachstum  des  Schlauches 
immer  grösser  werdenden  Zerstremmg  derselben  macht  es  begreiflich,  dass  namentlich  bei  ältei-en  Sporocysten 
ihre  Auffindung  und  Erkennung  lange  Zeit  nicht  gelingen  wollte;  erst  das  Studium  der  Entwickhmgs- 
geschichte  konnte  hierüber  definitiven  Aufschluss  geben.  Da  ich  nun  erst  gegen  das  Ende  meiner  Unter- 
suchungen hin  in  der  Lage  war,  auch  die  jungen  Sporocysten  des  Distomum  macrostomum  untersuchen  zu 
können,  würde  es  mir  wahrscheinlich  sehr  schwer  gefallen  sein,  die  Entstehung  der  Keimballen  aus  diesen 
wandständigen  Keimlagern  ausser  Zweifel  zu  stellen,  hätte  ich  nicht  zufällig  Gelegenheit  gefunden,  an  einer 
noch  nicht  näher  untersuchten,  wahrscheinlich  noch  unbekannten  Sporocyste  aus  der  Leber  von  Liniax 
agrestis  die  gleichen  ^'erhältnisse  klar  und  deutlich  erweisen  zu  können.  Weiter  wurden  diese  Beobachtungen 
in  überzeugender  '\\'eise  bestätigt  gefunden  in   Präparaten  von    den  Sporocysten   des  Distomum  hepaticum, 


')  1.  c.     pag.  -20  u.  •>2.    Fig.  25— •_'«. 

2)  Bern.  „Denn  mit  blossem  Theoretisiereu  ist  man  noch  selten  besonders  weit  gekommen."  (pag. 23.)  Natürlich, 
denn  es  müssen  für  jede  Speculation  ja  immer  bestimmte,  durch  Beobachtungen  festgestellte  Grundlagen  vorerst  vorhanden  sein, 
auf  Grund  deren  theoretisirt  werden  kann;  was  ist  demnach  „blosses  Theoretisieren?"  —  Oder  meint  Biehringer  vielleicht,  dass 
man  durch  blosses  Beobachten  und  recht  peinliches  und  ausführliches  Beschreiben  des  Beobachteten  „weiter"  kommen 
wird?  —  „Lasst  uns  auch  diesmal  doch  nur  die  Mttelstrasse  betreten." 

3* 


— o®o      20      o®o- 

die  ich  der  Güte  des  Herrn  Geheimrat  Leuckart  verdankte;  es  waren  hier  jedoch  meist  nur  einzelne  Keim- 
zellen, welche  der  Wand  noch  auflagerten,  während  die  übrigen  aber  in  grösserer  Mehrzahl  frei  in  jenen 
befindlich  waren. 

Ich  möchte  hier  übrigens  hervoi'heben,  dass  ich  völlig  selbstständig  und  unbeeinflusst  zu  diesen 
Resultaten  gelangte,  da  mir  damals  weder  die  Ai-beit  von  Thomas i),  noch  die  von  Biehringer  bekannt  war. 
Bemerken  will  ich  an  dieser  Stelle  noch,  dass  es  mir  trotz  eingehender  Untersuchung  nicht  gelungen  ist, 
bei  unserer  Sporocyste  Spuren  eines  Excretionsgefässsystems  aufzufinden,  wie  solches  bei  anderen  Sporocysten 
in  einer  den  ausgewachsenen  Plattwürmern  ganz  analogen  Bildung  aufgefunden  worden  ist.  Weder  von 
Gelassen  noch  von  flimmernden  Endtrichteru  war  das  Vorhandensein  zu  constatiei-en. 

Die  Leibeshöhle  der  Sporocyste  ist,  wie  schon  einmal  erwähnt,  von  einer  serösen  Flüssigkeit 
erfüllt,  die  zum  Teil  wahrscheinlich  ein  Product  des  Zerfalles  der  die  Sporocyste  im  Inneren  auskleidenden 
Wandzellen  ist.  Diese  Nahrungsflüssigkeit  ist  von  hellem,  wässerig  trüben  Aussehen  und  führt  neben  vielen 
granulierten  Körperchen  0,014  mm  grosse  Zellen  mit  hellem  Plasma,  in  dem  ein  0,008  mm  grosser,  durch- 
sichtiger Kern  mit  starkcontouriertem  Kernkörperchen  liegt.  Sie  sind  amöboid  beweglich,  bewegen  sich 
aber  bei  gewöhnlicher  Temperatur  auf  dem  Objectträger  nur  langsam,  lebhafter  dagegen,  sofern  man  den 
Objecttisch  auf  mehr  als  20"  Gels,  erwärmt.  Auf  Schnittpräparaten  sind  sie  leicht  nachzuweisen;  es  zeigt 
sich  hier  der  Kern  homogen  hell,  das  Plasma  intensiv  dimkel  gefärbt.  Eine  Vermehrung  derselben  scheint 
durch  Teilung  zu  erfolgen;  wenigstens  konnte  ich  wiederholt  lebende  Exemplare  mit  vier  Kernen  beobachten. 
Über  die  Natur  dieser  zelligen  Gebilde  (cf.  Fig.  17)  vermag  ich  bestimmtes  nicht  anzugeben. 

Trabekeln,  welche  die  Leibeshöhle  von  einer  Wand  zu.r  anderen  gehend  durchziehen,  wie  sie  Thomas*) 
und  andere  bei  ihren  Untersuchungsobjecten  beobachteten,  finden  sich  bei  unserem  Tiere  nicht. 

Was  nun  die  grossen,  beweglichen  Schläuche  anlangt,  so  haben  wir  in  ihren  Wandungen 
naturgemäss,  da  sie  ja  nur  in  besonderer  Mächtigkeit  entwickelte  Sporocystenschläuche  sind,  dieselben 
histologischen  Bestandteile  vor  uns,  wie  wir  sie  auch  in  den  Sporocystenwandungen  fanden,  nur  dass  in 
Folge  der  lebhaften  Färbung  und  Beweglichkeit  teils  neue  Elemente  hinzugeti-eten,  die  früher  nicht  vor- 
handen waren,  teils  aber  die  alten  einer  progressiven  oder  regressiven  Metamorphose  anheim  gefallen  sind. 

Die  äussere  Bedeckung  der  grossen  Schläuche  bildet  die  directe  Fortsetzung  der  Sporocystenhaut 
als  eine  Schicht  von  cuticulaartigem  Aussehen,  die  sich  durch  Druck  leicht  von  der  unterliegenden  Wand 
ablöst  und  so  leicht  studiert  werden  kann.  Sie  erscheint  doppelt  contouriert  und  stark  lichtbrechend;  ein 
zelliger  Bau  ist  in  ihr  nicht  wahrnehmbar,  höchstens  sind  bei  noch  nicht  völlig  ausgewachsenen  Schläuchen 
noch  Kerne  aufzufinden. 

Unter  dieser  Hautschicht  liegt  die  Körpermuskulatur,  die  sich  ebenfalls  aus  einer  Ring-  und  Längs- 
faserlage  zusammengesetzt,  und  namentlich  im  vorderen  Teil  des  Schlauches,  den  wir  bereits  früher  vor- 
zugsweise als  den  Sitz  der  pulsierendexi  Bewegung  kennen  lernten,  eine  ganz  enorme  und  exquisite  Ent- 
wicklimg  erreicht.     Beide  Muskellagen  treten  nicht  mehr  als  einzelne  Fasern  auf,    sondern   gruppieren   sich 


')  Thomas.    The   Life   History   of  the  Liver-fluke.     (Pasciola  hep.)     Quarterly   Journal   of  Micr.    Science  1883.    Vol. 
23.    pag.  99-134. 

-)  1.  c.    pag.  124. 


-0®0         21         0^'>- 

zu  Bündeln  von  grösserer  oder  geringerer  Stärke,   die  in   wechselnder  Entfernung  einander   parallel  laufen 
und  nicht  selten  mit  den  benachbarten  Bündeln  einen  Austausch  einzelner  Fibrillen  bewirken. 

Ganz  augenfällig  tritt  dies  bei  der  Ringmuskulatur  hervor.  AVährend  dieselbe  im  Stiel  und  dem 
unteren  Teil  des  Schlauches  sich  nicht  über  eine  Stärke  von  0,010  mm  hinaus  erhebt,  erreicht  sie  im  vorderen 
Schlauchende  eine  ganz  gewaltige  Entwicklung.  Sie  stellt  hier  nicht  mehr  eine  einfache  Faserlage  dar, 
sondern  eine  Anzahl  starker  und  breiter  Ringe  vielfach  neben-  und  übei-einander  liegender  Muskelzüge. 
Zum  Teil  verlaufen  dieselben  als  einheitliche  Schicht,  die  der  cylindrischen  Oberfläche  des  Schlauches  im 
grossen  und  ganzen  parallel  liegt  und  bei  einer  Stärke  der  einzelnen  Fasern  bis  zu  0,004  mm  eine  Mächtig- 
keit von  ungefähr  0,04  mm  erreicht.  An  den  Stellen  jedoch,  wo  die  buckelartigen  Auftreib ungen  vorhanden 
sind,  spaltet  sich  diese  Ringfaserschicht  in  eine  schwächere  innere  und  eine  stärkere  äussere  Lage,  von 
denen  die  letztere  in  einer  Fläche  verläuft,  welche  der  äusseren  Oberfläche  des  Buckels  parallel  geht, 
während  die  innere  ihr  ixrsprüngliches  Verhalten  beibehält.  Es  entsteht  so  unter  diesen  Erhebungen  jedes- 
mal ein  Hohlraum  zwischen  den  Faserlagen,  der  mit  einer  Oewebsmasse  gefüllt  ist,  die  wir  weiter  unten 
kennen  lernen  werden. 

Die  Zwischenräume,  welche  die  einzelnen  RingfaserbUndel  zwischen  sich  lassen,  werden  da,  wo 
äusserlich  die  breiten  dunkel  gefärbten  Ringe  vorhanden  sind,  ausgefüllt  von  einer  Unzahl  kleiner  Pigment- 
zellen (0,006  mm),  die  so  stark  mit  kleinen  oder  gröberen  Pigmentkörnchen  von  grüner  Farbe  erfüllt  sind, 
dass  der  Kern  in  ihnen  nicht  mehr  sichtbar  ist.  In  den  Buckeln  selbst,  die  durch  ihre  fast  schwarze  Farbe 
sich  noch  mehr  hervorheben,  ist  die  Pigmentmetamorphose  des  Zelleninhaltes  womöglich  in  noch  stärkerem 
Maasse  aufgeti-eten;  die  Färbung  ist  hier  dunkel  schwarzbraun. 

Die  Längsmuskulatur  bleibt  hinter  dieser  Ringmuskulatnr  bedeutend  an  Stärke  zurück;  es  treten 
hier  höchstens  10  Fasern  (je  0,001  mm)  zu  einem  Bündel  zusammen;  doch  werden  diese  letzteren  auch  hier 
breiter  und  kräftiger  im  vorderen  Teil  des  Schlauches,  über  dessen  Spitze  sie  in  fast  doppelter  Breite  hin- 
ziehen, um  auf  der  anderen  Seite  wieder  nach  hinten  zurückzulaufen. 

Während  nun  in  dem  vorderen  Teile  der  grossen  Schläuche  diese  beiden  Muskellagen  dicht  über 
einander  hinziehen  und  keinerlei  Zwischensubstanz  zwischen  sich  nehmen,  tritt  am  Schluss  des  ersten  Körper- 
drittels zwischen  beiden  eine  Gewebslage  auf,  die  von  da  ab  bis  an  das  Hinterende  in  gleicher  Mächtigkeit 
vorhanden  bleibt.  Es  ist  dies  die  schon  früher,  bei  Besprechung  der  histologischen  Zusammensetzung  der 
jiingen  Sporocyste  erwähnte,  blasse  Substanzlage  mit  eingelagerten  Kernen,  die  später  allmählich  verschwindet 
und  erst  in  diesen  grossen  Schläuchen  wieder  auftritt. 

Bei  zwar  noch  nicht  völlig  erwachsenen,  aber  schon  durch  einen  Stiel  gegen  die  Sporocyste  abge- 
setzten Schläuchen  ti'efi'en  wir  sie  noch  ganz  in  der  oben  beschriebenen  Art  und  Weise  entwickelt  an;  mit 
der  zunehmenden  Ausbildixng  der  Schläuche  jedoch  treten  in  derselben  Umwandlungen  auf,  die  dem  früher 
mehr  gleichartigen  und  indifferenten  Gewebe  ein  Aussehen  geben  ganz  ähnlich  dem,  wie  es  das  Körper- 
parenchym  der  ausgebildeten  Distomen  aufweist.  Es  treten  in  der  homogenen  Grundmasse  nach  und  nach 
immer  zahlreicher  grosse  blasse  Zellen  auf,  welche  die  letztere  immer  (mehr  verdrängen  und  die  Dicke 
des  gesamniten  Gewebes  nicht  unbeträchtlich  erhöhen.  Auf  Flächenschnitten  kann  man  dann  am  besten 
die  Zusammensetzung  desselben,  sowie  dessen  Ähnlichkeit  mit  der  Gnmdmasse  des  Distomenkörpers  erkennen. 


— <xgo    22    o^- 

In  den  Zwischenräumen,  welche  die  grossen  hellen  Zellen  zwischen  sich  lassen,  finden  sich  vielfach  ver- 
ästelte kleinere,  aber  mit  Färbeflüssigkeiten  dunkler  sich  tingierende  Elemente  vor. 

Ob  aber  dieses  neu  entstandene  Gewebe  lediglich  ein  Umwandlungsproduct  der  ursprünglich  vor- 
handen gewesenen,  indifierenten  Substanzlage  ist,  oder  ob  an  der  Bildung  desselben  noch  andere,  neu  hinzu- 
getretene Elemente  sich  beteiligt  haben,  muss  ich  unentschieden  lassen. 

Auch  der  innere  Wandbelag,  den  wir  bei  den  jungen  wachsenden  Schläuchen  des  Fadenwerkes  der 
Sporocyste  vorfanden,  erstreckt  sich  in  die  grossen  und  abgeschnürten  Schläuche  hinein.  Er  bewahrt  hier 
noch  eine  längere  Zeit  völlig  seinen  indifferenten  Character  und  kleidet  dieselben  in  ganzer  Ausdehnung  in 
fast  gleicher  Mächtigkeit  ringsherum  aus.  Doch  behält  auch  dieses  Gewebe  während  der  definitiven  Aus- 
bildung des  Schlauches  seinen  früheren  Habitus  nicht  bei,  sondern  es  erfahren  alle  oder  nur  einzelne  seiner 
Bestandteile  Umbildungen  in  verschiedener  Weise,  in  Folge  deren  auch  hier  wieder  das  vordere  Schlauch- 
drittel ein  anderes  Aussehen  erhält  als  die  beiden  hinteren. 

Was  zunächst  das  erstere  anlangt,  so  sieht  man  bald  in  der  hier  9 — 10  schichtigen  Lage  indifferenter 
Zellen  um  einzelne  Kerne  herum  blasse,  helle  Hohlräume  auftreten,  die  nach  der  Oberfläche  des  Schlauches 
zu  sich  lang  ausziehen  und  durch  Auseinanderweichen  der  benachbarten  Zellen  entstanden  zu  sein  scheinen. 
Später  gewahrt  mau  jedoch,  dass  diese  scheinbaren  Hohlräume  nichts  anderes  sind,  als  das  etwas  gequollene 
und  blass  gewordene  Zellprotoplasma,  das  noch  allseitig  von  einer  deutlichen,  sich  auch  auf  den  Ausführungs- 
gang fortsetzenden  Membran  umgeben  ist,  während  der  Zellkern  nur  wenig  verändert  dem  Hinterende  der 
Zelle  genähert  liegen  geblieben  ist.  Diesen  ersten  so  veränderten  Zellen  folgen  bald  alle  übrigen  nach 
und  wir  sehen  dann  aus  dem  ursprünglichen  Wandbelag  eine  Anhäufung  äusserst  zahlreicher,  flaschenförmiger 
Drüsenzelleu  hervorgehen,  welche  ihr  Sekret  nach  aussen  ergiessen  und  namentlich  da,  wo  an  der  Aussen- 
fläche  die  Buckel  hervorragen,  so  dicht  gedrängt  stehen,  dass  sie  ebenfalls  buckeiförmig  in  den  Innenraum 
des  Schlauches  hineinragen.  Auch  die  bereits  oben  erwähnten  Zwischenräume  zwischen  den  auseinander- 
weichenden ßingfaserzügen  werden  von  diesen  Drüsenmassen  erfüllt,     (cf.  Fig.  16.) 

Während  nun  in  dem  vorderen  Drittteile  des  Schlauches  der  gesammte  Wandbelag  in  der  eben  be- 
schriebenen Weise  einer  Umbildung  zu  Drüsenzellen  anheimfällt,  ist  in  den  hinteren  Dritteln  der  Meta- 
morphosierungsprozess  nicht  ein  so  einheitlicher,  indem  neben  den  flaschenförmigen  Zellen  auch  Pigmentzellen 
gebildet  werden  und  das  übrig  bleibende  Gewebe  eine  Structur  annimmt  völlig  gleich  der,  welche  das 
zwischen  den  beiden  Muskelschichten  gelegene  aufweist.  Wie  schon  aus  dem  soeben  Gesagten  ersichtlich, 
können  dann  auch  in  diesem  Körperabschnitte  die  Drüsenzellen,  obwohl  sie  vorhanden  sind,  doch  bei 
weitem  nicht  die  Mächtigkeit  und  die  bedeutende  Anzahl  der  im  Vorderteile  gelegeneu  erreichen;  sie  treten 
nach  hinten  zu  immer  spärlicher  auf  und  verschwinden  zuletzt  ganz.  Diese  Anhäufung  der  Drüsenzellen 
namentlich  an  jenen  Stellen  des  Schlauchkörpers,  an  denen  vorzugsweise  die  Bewegung  stattfindet,  scheint 
darauf  hinzudeuten,  dass  das  nach  aussen  ergossene  Sekret  derselben  wahrscheinlich  dazu  dient,  den  Para- 
siten sowohl,  wie  namentlich  die  umgebenden  Weichteile  des  Schneckenfühlers  vor  den  verderblichen  Ein- 
flüssen der  starken  Reibung  in  etwas  zu  schützen. 

Neben  diesen  Drüsenelementen  finden  sich  in  dem  hinteren  Schlauchabsclmitte  weiter  Pigmentzellen 
vor,  die  bedeutend  grösser  sind,  als  die  zwischen  den  Kirgmuskeln  gelegenen.  Sie  scheinen  membranlos 
zu  sein,  besitzen  einen  Durchmesser  von  0,015 — U,02  mm,  einen  Kern  von  0,00ü  mm  und  ein  Kernkörperchen. 


— o®o    23     o^— 

Die  in  ihnen  enthaltenen  Pigmentkörnehen  von  grüner  oder  branner  Farbe  sind  niemals  so  dicht  abgelagert, 
dass  sie,  wie  in  den  mehrfach  erwähnten  kleineren  Pigmentzellen,  den  Kern  der  Zelle  völlig  verdecken,  imd 
finden  sich  gewöhnlich  an  der  Peripherie  der  Zelle  am  dichtesten  angehäuft,  während  sie  nach  der  Mitte  zu 
dünner  gelagert  sind,  ein  Verhalten,  das  sie  in  gewisser  Beziehung  den  Dotterzellen  ähnlich  erscheinen  lässt. 
Nicht  unerwähnt  möchte  ich  hier  lassen,  dass  dies  grüne  Pigment  in  Alkohol  ziemlich  schnell  verblasst. 

Die  ganze  übrige,  nicht  in  Drüsenzellen  und  nicht  in  Pigment  verwandelte  Masse  des  ursprünglichen 
Wandbelags  nimmt  während  derselben  Zeit  die  Stnictur  des  zwischen  den  beiden  Muskellagen  befindlichen 
Gewebes  an,  so  dass  beide  Bildimgen  dann  eine  scheinbare  Einheit  darstellen.  Ausschliesslich  diese  Ausbildung, 
ohne  jede  Einlagerung,  weder  von  Drüsen,  noch  von  Pigment,  besitzt  die  Wandschicht  an  der  Übergangsstelle 
in  den  Stiel,  wo  sie  allein  es  ist,  die  den  schon  früher  erwähnten  Verschluss  des  Schlauches  gegen  die 
Keimstätte  hin  bewirkt.  Wir  finden  hier  in  mächtiger  Ausbildung  die  grossen,  hellen,  mit  deutlichem 
Kern  und  Kernkörperchen  versehenen  Zellen,  die  in  das  Netzwerk  der  kleineren  verästelten  Zellen  ein- 
gelagert sind  imd  durch  ihre  beträchtliche  Volumenzunahme  die  ganze  Gewebslage  so  verdickt  haben,  dass 
unter  gewöhnlichen  Umständen  das  Lumen  ganz  verschwindet  und  nur  dann  sichtbar  wird,  wenn  eine  Larve 
durch  dasselbe  ihren  Weg  nimmt. 

Gegen  den  inneren  Hohlraum  zeigt  sich  die  Siiorocystenwand,  deren  histologischen  Aufbau  wir 
soeben  genauer  besprochen  haben,  diirch  eine  einfache  Zellenlage  abgegrenzt,  deren  Dicke  von  der  Spitze 
aus  nach  dem  Stiel  zu  von  0,006  auf  0,0005  mm  abnimmt;  während  sie  vorn  aus  deutlichen,  0,006  mm 
dicken,  auf  Flächenschnitten  als  Platten  erscheinenden  Zellen  mit  grossen  Kernen  (0,004  mm)  besteht,  stellt 
sie  im  Stiel  nur  noch  eine  doppelt  contourierte  jMeinbran  dar,  aus  der  sich  einzelne  flache  Kerne  heraixs- 
wölben.  Sie  hat  also  hier  schon  ganz  das  Aussehen,  wie  die  Binnenmembran  der  Spoi'ocyste,  in  die  sie 
auch  ohne  deutliche  Abgrenzung  übergeht.  In  gleicher  Weise,  wie  die  Sporocyste,  ist  auch  der  Schlauch 
mit  der  hellen  lymphatischen  Flüssigkeit  erfüllt,  in  der  sich  jedoch  fast  duixhgängig  nur  erwachsene,  von 
einer  doppelten  Hülle  bedeckte  Larven  vorfinden. 

Was  nun  diese  letzteren  anbelangt,  so  weisen  dieselben  schon  jetzt  vollkommen  den  Bau  der  aus 
ihnen  hervorgehenden  Distonien  auf;  es  sind  meist  regelmässig  ovale  Gebilde  (0,8  mm  laug,  0,5  mm  breit, 
0,3  mm  dick)  mit  hellem,  durchscheinenden  Körperparenchym,  in  dem  die  Lagerung  der  Organe  darum 
leicht  zu  constatieren  ist. 

Die  Tiere  sind,  wie  schon  Carus  gesehen,  echte  Distomen:  Die  Saugnäpfe,  nahezu  gleich  gross 
(0,18  mm),  treten  scharf  hervor;  an  den  Mundsaugnapf  setzt  sich  der  kugelige  Pharynx  an,  der  fast  un- 
mittelbar in  die  zwei  Darmschenkel  übergeht.  Diese  letzteren  verlaufen  zuerst  wagerecht  gegen  die  Körper- 
wand hin,  biegen  dann  um  und  ziehen  nach  dem  hinteren  Körperende,  in  dessen  Nähe  sie  endigen. 

Die  Excretionsgefässe  mit  ihren  zahlreichen  Windungen  scheinen  in  ihrem  ganzen  Verlauf  klar  und 
deutlich  durch  die  Körpermasse  hindurch.  Sie  zeigen  sich  schon  völlig  so  entwickelt,  wie  sie  beim  ausge- 
bildeten Tiere  gefimden  werden  und  sollen  dort  eine  eingehendere  Beschreibung  finden. 

Unterhalb  des  Bauchsaugnapfes  liegen  die  Genitalorgane,  welche  jetzt  noch  einen  verhältnismässig 
sehr  kleinen  Teil  des  Tierkörpers  einnehmen.  Man  unterscheidet  gewöhnlich  vier  kugelige  Gebilde,  von 
denen  zwei  die  Anlage  der  Hoden,  eines  die  des  Ovariums  imd  eines  die  der  Schaalendrüse  darstellt. 
Am  Ende  des  Körpers  liegen  die  Geschlechtsöfiiiungen,  vor  denselben  die  ebenfalls  als  dunklerer,  compacter 


24 

Zellencomplex  sich  darstellende  Anlage  des  Cirrusbeutels  mit  dem  Penis,  und  der  Vagina.  Die  Ausfuhrungs- 
wege  der  Geschlechtsdrüsen  sind  als  solide  Zellstränge  ebenfalls  nachweisbar,  wenn  auch  selten  sehr  deuthch 
zu  erkennen  (cf.  Fig.  5 — 7). 

Die  Larve  ist  als  völlig  ausgewachsen  anzusehen,  wenn  sie  von  einer  doppelten,  äusseren  und  inneren 
Haut  umschlossen  ist.  Diese  Hüllen  erscheinen  im  Jugendzustande  bei  auffallendem  Lichte  bläulich-,  im 
Alter  gelblich-milchweiss ;  die  von  ihnen  eingeschlossenen  Hohlräume  sind  von  einer  wässerigen  Flüssigkeit 
erfüllt;  in  derjenigen,  welche  den  zwischen  dem  Körper  und  der  inneren  Haut  befindlichen  Zwischem'aum 
ausfüllt,  finden  sich  ausserdem  noch  mehr  oder  minder  zahlreiche,  feine  körnige  Abscheidungsproducte  des 
Tiei-es,  die,  wie  man  leicht  beobachten  kann,  aus  dem  Excretionsporus  hervorgestossen  werden.  Öfter 
finden  sich  diese  Körnchen  nach  der  mittleren  Haut  zu  in  grösserer  Menge  angehäuft  als  an  der  eigentlichen 
Körperwand  der  Larve  (cf.  Fig.  5).  Sie  erhöhen  dami,  im  Verein  mit  den  zwischen  der  ersten  und  zweiten  Haut 
auftretenden  concentrischen  Streifungen  den  Eindruck,  als  ob  wir  es  hier  mit  einer  einzigen  nur  bedeutend 
verdickten  Haut  zu  thun  hätten  (von  Siebold).  Dass  dem  nicht  so  ist,  lehrt  die  Entwicklungsgeschichte 
der  Larve,  resp.  die  Entstehung  dieser  beiden  Häute. 


Der   geschlechtsreife  Wurm. 


1.  Fütterungs-  und  Zuchtversuehe. 

Um  die  in  den  reifen  Schläuchen  des  Leiicochloridium  enthaltenen  jungen  Wüi-mer  zur  vollen 
Geschlechtsreife  heranwachsen  zu  lassen,  war  es  nötig,  sie  in  den  Darm  geeigneter  Träger  überzufuhren. 
Es  wurden  zu  diesem  Zwecke  die  Schläuche  auf  die  bereits  früher  geschilderte  Weise  den  Schnecken  ent- 
nommen und  an  Vögel  verfüttert:  in  seltneren  Fällen  gab[,ich  auch  ganze,  mit  Parasiten  behaftete  Schnecken 
ein.  Von  den  Vögeln  konnten,  wie  bereits  angedeutet,  nur  solche  in  Betracht  gezogen  werden,  die  Insekten 
und  ihre  Larven,  eventuell  auch  Succineen  als  Nahrung  geniessen.  Ich  versuchte  es  zunächst  mit  älteren 
Tieren,  die  am  leichtesten  zu  beschaffen  waren;  doch  schlugen  bis  auf  einen  einzigen  mit  Sitta  europaea 
alle  diese  Versuche  fehl,  obwohl  die  Fütterung  zu  wiederholten  Malen  vorgenommen  worden  war.  Auf- 
fallend musste  es  ausserdem  erscheinen,  idass  die  Vögel  fast  durchgängig  kurze  Zeit  nach  der  Fütterung 
an  Darmentzündung  zu  Grunde  gingen:  ob  in  Folge  der  Infection,  konnte  ich  nicht  constatieren;  doch 
scheint  mir  dies  weniger  wahrscheinlich,  da  ich  kurz  nach  der  Fütterung  zahlreiche  freie  und  ihi-er  Hüllen 
entledigte,  sonst  aber  anscheinend  nicht  weiter  entwickelte  Würmer  abgestorben  in  den  Excrementen  der 
Versuchstiere  vorfand.  Die  zu  diesen  ersten  Versuchen  benutzten  Vögel  gehörten  den  folgenden  Arten  an: 
Turdus  musicus  und  merula,  Sitta  europaea,  Motacilla  alba,  l'arus  coeruleus,  major  und  ater,  Sylvia  cinerea 
Luscinia  rubicula,  Ruticilla  tithys,  sowie  Cotui'nix  dactylisonans;  Passer  montanus  und  domesticus. 

Gern  hätte  ich  auch,  um  von  Siebolds*)  Vermutung  zu  prüfen,  mit  Pialliden|  Versuche  angestellt; 
allein  trotz  der  grössten  Mühe,  die  ich  mir  gab,  konnte^  ich  nicht  in  den  Besitz  eines  dieser  Vögel  gelangen. 
Wahrscheinlich  würde  aber  auch  hier  das  Resultat  ein  negatives  gewesen  sein. 

Belehrt  dui'ch  diese  Misserfolge,  sowie  beeintiusst  durch  die  Zellei''schenä)  Fütterungsversuche,  wendete 
ich  im  Frühjahr  1886  mein  Augenmerk  vorzüglich  auf  die  Erlangung  von  möglichst  jungen  Vögeln.  Die 
Herbeischaffung  derselben  war  zum  Teil  mit  rechten  Schwierigkeiten  verbunden.  Jn  Folge  der  mitunter 
sehr  grossen  Entfernungen  war  ich  ausserdem  meist  genötigt,  Idie  ganzen  Nester  mit  mir  zu  nehmen  und 
die  Jungen  selbst  zu  füttern,    ein  Verfahren,    welches   vielfach   Einbussen    diu-ch   den  Tod^der  Versuchtiere 


1.  c.    pag. 

1.  c.    pag   .OTl  u.  572. 


-o^    26    o®c- 

mit  sich  brachte.  Erst  als  ich  eriiannt  hatte,  dass  die  Vögel  sich  um  so  besser  hielten,  je  jünger  sie  dem 
Nest  entnommen  und  je  öfter  sie  tagsüber  mit  Wenigem  gefüttert  wurden,  verminderten  sich  diese  Verluste 
in  vorteilhafter  Weise.  Wo  es  jedoch  irgend  anging,  wurde  die  Fütterung  an  Ort  und  Stelle  im  Nest 
vorgenommen,  die  Jungen  dort  belassen  und  überwacht. 

Auf  diese  Weise  versuchte  ich  es  mit  Turdus  musicus  und  merula,  Luscinia  rubicula.  Ruticilla  tithys, 
Phyllopneuste  sylvicola,  Sylvia  garrula  und  cinerea,  Calamoherpe  pratensis  und  Passer  domesticus.  Letzterer 
stellte  das  Hauptcontingent  der  Versuchstiere,  da  die  Dachrinnen  des  Instituts,  sowie  die  Staarkästen  im 
Garten  des  Herrn  Professor  Fraisse  reichlich  und  ausdauernd  von  ihm  als  Brutstätte  benutzt  wurden.  Auch 
erwiesen  sich  die  Spatzen  im  Laufe  der  Untersuchungen  als  ganz  brauchbar,  da  von  ihnen  imgefähr  jeder 
zweite  die  Würmer  wenigstens  bis  zur  Geschlechtsreife  gross  zog.  Als  die  eigentlichen  und  natürlichen 
Träger  des  geschlechtsreifen  Distomum  macrostomum  möchte  ich  aber  meinen  Erfahrungen  zufolge  die 
Sylvien  in  Anspruch  nehmen.  Von  einem  Neste  Phyllopneuste  sylvicola  nämlich,  welches  ich  dem  Orte 
entnommen,  an  welchem  ich  im  Sommer  1886  die  meisten  infizierten  Succineen  gefunden,  hatten  alle  drei 
Individuen  nach  je  zweimaliger  Fütterung  die  ganze  Kloake  mit  Distomen  besetzt,  d.  h.  jedes  Tier  gegen 
70—80  Stück.  Einen  gleich  schönen  Erfolg,  wie  mit  Phyllopneuste,  hatte  ich  im  folgenden  Jahre  mit  je 
einem  Neste  von  Sylvia  garrula  und  cinerea.  Völlig  resultatlos  dagegen  blieben  auch  hier  wieder  die  Ver- 
suche mit  den  grossen  Turdiden.  Ein  weiterer  Versuch,  ihnen  noch  lebende,  aber  nicht  ganz  geschlechts- 
reife  Distomen  aus  dem  Darme  von  einige  Tage  nach  der  Fütterung  gestorbenen  Vögeln  diu-ch  den  After 
gleich  an  den  definitiven  Sitz,  in  die  Kloake  einzuspritzen,  lieferte  auch  keinen  Erfolg. 

Ob  nun  eine  solche  Fütterung  gelungen  ist  oder  nicht,  dass  lässt  sich  natürlicherweise  an  den  Ver- 
suchstieren während  des  Lebens  nicht  sogleich  constatieren,  denn  der  Einfluss  der  sich  entwickelnden  Para- 
siten auf  den  Wirt  ist  bei  ihrer  Kleinheit  jedenfalls  kein  allzugrosser.  Das  einzig  sichere  Kennzeichen 
ist  das  Vorhandensein  der  reifen  Distomeneier  in  den  Abgängen  der  Vögel.  Es  wurde  bereits  früher  erwähnt, 
dass  das  Distomum  macrostomum  in  der  Kloake  seinen  Sitz  hat;  es  finden  sich  infolge  dessen  auch  die 
von  demselben  produzierten  Eier  nicht  in  den  Fäces  selbst,  sondern  nur  in  der  dieselben  umhüllenden  Harn- 
schicht vor.  Um  also  die  Anwesenheit  reifer  Parasiten  zu  constatieren,  ohne  die  Vögel  unnötiger  Weise 
töten  zu  müssen,  brauchten  nur  die  Abgänge  derselben  aufgefangen  und  die  mit  Wasser  abgespülte  Ham- 
schicht  auf  Eier  untersucht  zu  werden.  Es  ist  diese  Untersuchung  der  Kleinheit  der  Eier  wegen  nicht  so 
einfach;  auch  muss  sie,  da  die  Eier  nicht  in  grossen  Mengen  und  schnell  hintereinander  zur  Ablage  ge- 
langen, öfters  wiederholt  werden,  wenn  anders  das  Resultat  kein  trügerisches  sein  soll.  Die  auf  diese  Weise 
als    infiziert  erkannten  Vögel  wurden  dann  getötet  und  ihre  Parasiten  zu  weiteren  Untersuchungen  benutzt. 


2.     Die  Umbildung  der  Larve    zum   geschlechtsreifen 

Distomum    macrostomum. 

Während  in  dem  Vogelmagen  der  Leucochloridiumschlauch  mit  seinen  weichen  muskulösen  Wandungen 
ohne  Verzug  der  Einwirkung  der  Magensäfte  zum  Opfer  fällt,  sind  die  in  demselben  enthaltenen  jungen 
Würmer  mit  ihi-en  resistenzfähigen  doppelten  CuticularhüUen  weit  besser  in  der  Lage,  den  Angriffen  dieser 


-o®o      27      oSio- 

Säfte  erfolgreichen  Widerstand  leisten  und  den  Magen  ihrer  Träger  unversehrt  passieren  zu  können.  Freilich 
geht  die  CuticidarhüUe  auf  diesem  Wege  verloren,  aber  sie  hat  dann  auch  ihren  Zweck  erfüllt  und  ist 
entbehrlich  geworden.  Man  trifft  so  wenige  Stunden  nach  der  Fütterung  schon  die  jungen  Würmer  ihrer 
Hüllen  entledigt,  im  Darme  an,  dessen  ganze  Länge  sie  in  ziemlich  kurzer  Zeit  durchwandern,  so  dass  sie 
schon  am  zweiten  Tage  nach  der  Fütterung  in  die  Kloake  gelangen,  wo  sie  ihren  delinitiveu  Aufenthalt 
nehmen.  Sie  sind  dann  schon  beträchtlich  gewachsen,  vor  allem  aber  sind  es  die  Geschlechtsorgane  und 
von  diesen  besonders  die  Greschlechtsdrüseii,  welche  ansehnlich  in  ihrer  Entwicklung  vorgeschritten  sind, 
während  gleichzeitig  die  Erzeugung  der  Geschlechtsstoffe  ihren  Anfang  genommen  hat.  Obgleich  die  topo- 
graphischen Verhältnisse  des  gesamten  Geschlechtsapparates,  sowie  die  gegenseitigen  Beziehungen  seiner 
einzelnen  Teile  zu  einander  erst  an  späterer  Stelle  einer  eingehenderen  Betrachtung  unterzogen  werden 
sollen,  so  mögen  doch  die  Veränderungen,  welche  bis  zum  Eintritt  der  Geschlechtsreife  an  den  Elementen 
der  Keimdrüsen  Platz  gi-eifen,  hier  ihre  spezielle  Beschreibung  finden. 

Zuerst  macht  sich  dieser  Umwandlungsprozess  der  Elemente  in  den  centralen  und  denjenigen  Teilen 
der  Geschlechtsdrüsen  geltend,  welche  dem  Ausfühi-ungsgange  am  nächsten  gelegen  sind.  In  ziemlich  kurzer 
Zeit,  meist  schon  am  4.  Tage  nach  der  Überführung  in  einen  geeigneten  Träger,  sind  die  ersten  Geschlechts- 
producte  zur  Reife  gelangt,  so  dass  man  von  jetzt  ab  alle  einzelnen  Stadien  der  Entwicklung  der  Zeugungs- 
stoffe neben  einander  in  einem  Präparate  zur  Anschauung  bekommen  kann.  Was  nun  zunächst  die  Hoden 
anbelangt,  so  sind  diese  an  dem  erwähnten  Tage  äusserlich  von  0,075:0,045  auf  0,12.5 : 0,095  mm  ange- 
wachsen und  enthalten  die  ersten  reifen  Spermatogemmen.  Die  Bildung  geschieht  hier  ganz  nach  der  be- 
reits von  Schwarze')  beschriebenen  Art,  durch  Auflösung  des  Nukleolus  mit  darauffolgendem  Auftreten 
feiner  Chromatinkörner  an  der  Peripherie  des  Kernes;  darauf  zerfällt  dieser  in  eine  grössere  Anzahl  Teil- 
stücke, die  sich  peripherisch  anordnen  und  schliesslich  ziu'  Bildung  des  Spermatozoenköpfchen  führen,  ein 
Modus  also,  der  eine  allgemeinere  Geltung  zu  haben  scheint.  Auch  die  Bildung  des  Oirrus  und  seines 
Beutels  hat  unterdessen  weitere  Fortschritte  gemacht:  Das  Lumen  ist  fertig,  der  Penis  durch  eine  Membran 
bestimmt  nach  aussen  abgegrenzt. 

Das  0  V  a  r  i  u  m  hat  während  derselben  Zeit  eine  Volumenvergrösserung  von  0,072  :  0,048  auf 
0,1:0,075  mm  erfahren;  die  Reifung  seiner  Elemente  macht  sich  hauptsächlich  nur  in  einer  Grössenzunahme 
der  Eizellen  bemerkbar,  vor  allem  in  einer  beträchtlichen  Vermehrung  des  Protoplasmas.  Die  Zellen  der 
Schalendrüse  haben  einen  deutlicher  drüsenartigen  Habitus  angenommen  und  sich  wahrscheinlich  infolge 
Vermehrung  und  grösseren  gegenseitigen  Druckes  in  die  Länge  gezogen.  Auch  die  Dotter  stocke  haben 
bis  zum  vierten  Tage  nach  der  Übertragung  fast  ihre  völlige  Ausbildung  erlangt,  obgleich  in  der  reifen 
Larve  von  ihnen  noch  fast  keine  Spur  vorhanden  war.  An  den  jederseits  im  Tierkörper  von  vorn  bis  hinten 
ziehenden  Längsstämmen  sitzen  zahlreiche  einzelne  oder  zu  Träubchen  vereinigte  kleine  Blindschläuche  auf, 
von  denen  jeder  im  Innern  eine  Anzahl  von  Zellen  erkennen  lässt.  Diese  Zellen  sind  die  Bildnerinnen  der 
Dottersubstanz;  im  Grunde  der  Schläuche  am  kleinsten,  vermehren  sie  sich  durch  Teilung  und  werden,  je 
mehr  sie  sich  dem  mit  dem  Längsgange  in  Verbindung  stehenden  Ende  des  Säckchens  nähern,  immer 
grösser,    während    sie    zugleich    in    ihrem    Inneren   die   Dottermassen  m  Gestalt  kleiner  runder,    stark  licht- 

')  1.  e.    pag.  33. 


— ogc    28    oigc— 

brechender  und  gelblich  gefärbter  Kügelchen  luid  Tröpfchen  absondern.  Das  Protoplasma  dieser  membran- 
losen Zellen  ist  hell,  Kern  und  Kernkörperchen  deutlich.  Die  Dotterkörnchen  gruppieren  sich  ceatrifugal, 
so  dass  sie  zuerst  einen  peripherisch  gelegenen  Kranz  in  der  Zelle  bilden;  später,  wenn  der  Prozess  fort- 
schreitet, ti-eten  sie  auch  in  den  centralen  Partien  des  Zellenleibes  auf,  immer  aber  so,  dass  sie  in  der 
äussersten  Zone  am  dichtesten  und  massenhaftesten  vorhanden  sind.  Sehr  oft  zeigen  sich  schliesslich  die 
Dottei'zellen  so  stark  mit  diesen  Körnchen  erfüllt,  dass  von  dem  immer  noch  vorhandenen  Kern  und  dem 
unveränderten  Protoplasma  keine  Spur  mehr  zu  erkennen  ist,  und  die  ganze  Dotterzelle  wie  ein  Ballen 
zusammengeklebter  Dotterkörnchen  aussieht.  Infolge  dieses  letzteren  Umstandes  erklärt  sich  auch  eine 
Meinungsdifferenz,  die  sich  zwischen  einigen  Forschern  erhoben  in  Bezug  auf  den  morphologischen  Wert 
der  Dotterballen,  welche  bei  der  Eibildung  in  das  Innere  der  Eier  aufgenommen  werden.  Während  nämlich 
einige  Forscher  (Sommer  ^)  etc.)  glauben,  dass  die  reifen,  völlig  mit  Dotterkügelchen  gefüllten  Zellen  bald 
zerfallen,  und  nur  ihre  Trümmer  die  Leitungswege  der  Würmer  ei-füUen,  behaupten  andere  (Kerbert  ^), 
Thomas'),  Lorenz^)  etc.),  dass  es  reife  und  immer  ganze  Dotterzellen  sind,  welche  durch  die  Dottergänge 
nach  den  Eibildungsstätteu  geführt  und  dort  in  die  jungen  Eier  aufgenommen  werden.  Meine  eigenen 
Erfahrungen  für  Distomum  macrostomum,  sowie  die  Beobachtungen  Leuckarts  über  die  Eibildung  von 
Distomum  hepaticum  und  anderen,  sprechen  für  die  letztere  Ansicht.  Auf  Totalpräparaten,  die  mit  Häma- 
toxylin  oder  Bismarckbraun  schwach  gefärbt  waren,  konnte  man  deutlich  ganze  Zellen  in  den  transversalen 
Dottergängen  constatieren,  von  denen  grossenteils  auch  noch  der  Kei'n  zu  erkennen  war.  In  dem  Lauer'- 
schen  Kanäle  dagegen  fanden  sich  auch  nicht  selten  Dottermassen  vor,  hier  jedoch  augenscheinlich  immer 
nur  einzelne  Dotterkörnchen  oder  Trümmer  von  Zellen,  ein  Umstand,  den  ich  mir  so  erkläre,  dass  öfters, 
sei  es  durch  Druck,  sei  es  aus  irgend  einem  anderen  Grunde,  einzelne  der  mit  Dotterkörnchen  reichlich 
durchsetzten  Zellen  platzen  und  dann  nicht  mehr  verwendet  werden  können.  Derartig  übei'flüssiges,  resp. 
unbrauchbares  Dottermaterial  wird  dann  durch  den  Lauer'schen  Kanal  nach  aussen  entfernt  werden. 

Es  würde  dies  übrigens,  vorausgesetzt,  dass  die  gegebene  Erklärung  die  richtige  ist,  in  unserem 
Falle  für  den  Lauer'schen  Kanal  eine  Function  ergeben,  ähnlich  der,  wie  sie  ihm  bereits  von  Sommer^) 
zugeschrieben  wurde;  nur  dass  es  sich  hier  nicht  um  im  Uberfluss  produzierte  und  deshalb  als  unbrauchbar 
zu  entfernende,  sondern  um  zerstörte,  und  deshalb  für  die  weitere  Verwendung  thatsächlich  nicht  nutzbare 
Dottermassen  handelt.  Dass  jedoch  die  Entfernung  dieser  die  alleinige  Function  des  in  Rede  stehenden 
Ganges  repräsentieren  sollte,  scheint  mir  doch  wenig  wahrscheinlich. 


')  Sommer.    Die  Anatomie  des  Leberegels.    Beiträge  zur  Anatomie  der  Plattwürmer.    111.  Heft.    1880.    Zeitschrift  für 
wiss.  Zool.    34.  Bd.    Sep.-Abd.    pag.  70. 

*)  Kerbert.    Beitrag  z.  Kenntnis  der  Trematoden.    Archiv  für  raikrosk.  Anatomie.    Bd.  19.    pag.  5G6. 

')  1.  c.     pag.  108.     Thomas  für  Dist.  hep. 

*)  Lorenz.    Axine  und  Microcotyle.    Arb.  aus  d.  Zool.  Inst.  z.  Wien.    pag.  19  u.  27. 

«)  1.  c.    pag.  79. 


3.  Der  Bau  des  gesehleehtsreifen  Distomum  maerostomum. 

Alle  diese  bis  jetzt  beschriebenen  Wachstums-  und  Entwicklungsvorgänge  spielen  sich  also,  wie 
bereits  eingangs  erwähnt,  in  den  ersten  vier  Tagen  nach  der  Überti'agung  in  den  Vogel  ab.  Es  wird  dann, 
nachdem  die  Zeugungsstoffe  in  genügender  Menge  fertig  vorhanden  sind,  eine  Begattung  eintreten  müssen, 
doch  ist  es  mir  niemals  gelungen,  eine  solche  thatsächlich  zu  beobachten.  Im  Anschluss  an  diese  Begattung 
nimmt  dann  die  Eibildung  ihren  Anfang.  Zwischen  dem  6.  (Zeller)  ^)  und  8.  Tage  nach  der  Fütterung 
kann  man  dann  gewöhnlich  bei  unseren  Würmern  unter  sonst  günstigen  Lebensbedingungen  die  ersten  fertig 
gebildeten  Eier  zu  Gesicht  bekommen;  die  fernere  Production  derselben  geht  dann  gewöhnlich  mit  so 
rapider  Schnelligkeit  vor  sich,  dass  nach  kurzer  Zeit  die  anfangs  nur  spärlich  entwickelten  Uterusschlingen 
strotzend  mit  den  Eiern  erfüllt  sind  und  ausser  den  Saugnäpfen  den  bei  weitem  grössten  Teil  des  Tier- 
leibes einnehmen. 

Ungefähr  vom  14.  Tage  erfolgt  schliesslich  die  Ablage  der  Eier;  dieselben  haben  daim  den 
Uterus  in  seiner  ganzen  Länge  passiert,  während  zugleich  ihr  Inhalt  nach  Ablauf  des  Furchungsprozesses 
zu  einem  völlig  reifen  Embryo  sich  umgebildet  hat. 

Was  den  anatomischen  Aufbau  des  Distomum  maerostomum,  sowie  die  Oontiguration  seiner  Organ- 
systeme anbetrifft,  so  schliesst  es  sich  in  Bezug  auf  diese,  bis  auf  wenige  Abweichungen  ganz  dem  Bauplan 
an,  wie  wir  ihn  von  der  Mehrzahl  der  Distomen  kennen,  so  dass  mir  nur  wenig  hinzuzufügen  bleibt. 

Der  ausgebildete  Wurm  wechselt  in  seiner  Grösse  nicht  unbedeutend,  da  er  auch  nach  Eintritt  der 
Geschlechtsreife,  jedenfalls  infolge  der  bedeutenden  Füllung  des  Uterus  mit  Eiern,  noch  reichlich  wächst. 
Ein  20  Tage  altes  Tier  mass  nach  der  Conservierung  ungefähr  1,8  mm  in  der  Länge,  0,8  mm  in  der  Breite 
und  0,45  mm  in  der  Dicke;  es  ist  ohne  weiteres  einleuchtend,  dass  diese  Maasse  durch  Oontractionen  Tind 
Bewegungen  in  der  verschiedensten  imd  mannigfachsten  Weise  beim  lebenden  Tiere  modifiziei't  werden 
können.  Im  Allgemeinen  sind  aber  unsere  Würmer  bei  weitem  nicht  so  beweglich,  wie  dies  von  anderen 
Trematodenformen  bekannt  ist. 

Als  unter  allen  Umständen  charakteristisch  für  unseren  Wurm  können  zwei  Eigentümlichkeiten  an- 
geführt werden;  es  sind  dies  einmal  die  Bildung  des  Kopfendes,  und  dann  die  Lage  der  Geschlechtsöffnung. 

Was  zunächst  das  Kopfende  anbelangt,  so  erscheint  dieses,  wie  schon  Zeller  ■^)  angibt,  in  der  Öeiten- 
lage  wie  schief  abgeschnitten,  freilich  nicht  lediglich  infolge  des  von  Zeller  angegebenen  Umstandes,  dass 
die  Körperbedeckung  auf  der  Rückenseite  kragenartig  über  den  Mundsaugnapf  emporgezogen  erscheint 
Der  Hauptgrund  dieser  Eigentümlichkeit  dürfte  meiner  Ansicht  nach  bei  weitem  mehr  in  der  Thatsache 
liegen,  dass  auch  die  dorsale  Wand  des  Mundsaugnapfes  viel  länger  ist,  als  die  ventrale  (0,35:0,28  mm)'), 
und  dass  schon  durch  diesen  Umstand  die  Offmxng  des  Mu.ndsaugnapfes  eme  ziemlich  starke  Neigung  nach 
der  Bauchfläche  zu  erfährt,  welche  in  der  Seitenansicht  die  bereits  erwähnte  Eigentümlichkeit  hervorruft. 
Es  scheint  ausserdem  diese  Eigentümlichkeit  nicht   ohne  Nutzen  und  praktischen  Wert  für  unseren  Wui-m 


')  1.  c.  pag.  572. 
«)  1.  c.  pag.  568. 
')  Auch  bei  anderen  Arten  walton  ähnliche  Verhältnisse  ob.     (Distomum  hepaticum  u.  s.  w.) 


zu  sein.  Denn  die  Thatsache,  dass  auch  der  Mundsaugnapf  mit  seiner  Öffnung  nach  der  Ventralfläche 
gerichtet  ist,  ermöglicht  es,  beide  Saugnäpfe  zu  gleicher  Zeit  als  Befestigungsmittel  in  Thätigkeit  zu  setzen. 
Man  findet  sehr  oft  die  Parasiten  mit  beiden  Saugnäpfeu  fest  an  der  Wand  der  Kloake  festgesogen,  so 
fest,  dass  die  Tiere  durch  Ziehen  allein  nicht  von  ihrem  Sitz  entfernt  werden  können,  sondern  mit  einem 
Messer  zugleich  mit  der  obersten  Schicht  der  Kloakenwand  abgehoben  werden  müssen;  bei  der  Untersuchung 
findet  man  dann  einen  förmlichen  grossen  Kegel  derselben  in  das  Saugnapflumen  hineingezogen.  Einmal 
war  ein  solches  Distomum  bei  der  Wahl  seines  Wohnortes  etwas  fehlgegangen  imd  hatte  ein  anderes  er- 
grifi^en,  dessen  ganzes  Hinterteil  dann  in  seinem  Mundsaugnapfe  ein  Unterkommen  gefunden  hatte. 

Überraschend  ist  übrigens  bei  Junseren  "V^''ürniern  eine  derartige  feste  und  sorgfältige  Fixierung 
nicht.  An  einem  Orte  mit  einem  so  ausgiebigen  und  energischen  Durchgangsverkehr,  M-ie  ihn  die  Kloake 
der  Vögel  repräsentiert,  wo  die  Parasiten  leicht  in  die  Lage  kommen  können,  unfreiwillig  mit  an  die  Luft 
gesetzt  zu  werden,  sind  natürlicherweise  die  mit  starken  und  sicheren  Haftapparaten  ausgerüsteten  Tiere 
am  besten  imstande,  den  Kampf  um's  Dasein  mit  Erfolg  zu  bestehen. 

Auch  die  Lage  der  Geschlechtsöifnung  bietet  ein  nicht  unwesentliches,  charakteristisches  Merkmal 
unseres  Distomum  macrostomum,  indem  der  gemeinsame  Genitalporus  nicht,  wie  gewöhnlich,  auf  der  Bauch- 
seite, sondern  terminal  gelegen,  ja  öfters  sogar  etwas  nach  der  Dorsalseite  emporgerückt  erscheint,  sodass 
dann  die  hinter  demselben  gelegene  Excretionsöffnung,  die  sonst  am  Hinterende  allerdings  gewöhnlich  etwas 
dorsal  gelegen  ihren  Platz  hat,  sich  völlig  auf  die  Rückeuseite  verschoben  findet.  Es  teilt  unser  Wurm 
diese  abweichende  Bildung  ausser  mit  den  Holostomen,  besonders  noch  mit  dem  Genus  Gasterostomum,  zu 
dem  er  auch  bemerkenswerter  Weise  durch  die  sonderbar  verästelte  Form  seiner  Sporocyste  in  näherer 
Beziehung  steht.  Während  Gasterostomum  aber  auch  sonst  nicht  unbeträchtliche  Abweichungen  von  der 
gewöhnlichen  Organisation  der  Distomen  aufweist,  bewahrt  unser  Tier  dieselbe  in  typischer  und  normaler 
Weise,  sodass  die  Diagnose  des  Genus  völlig  auf  dasselbe  Anwendung  findet. 

Obgleich  unser  Wurm  im  allgemeinen  in  anatomischer  sowohl,  wie  bereits  erwähnt,  als  auch  in 
histologischer  Hinsicht  nur  wenig  von  dem  als  typisch  bekannten  Aufbau  der  Distomen  abweicht,  so  mögen 
doch  der  Vollständigkeit  halber  auch  über  die  histologischen  Verhältnisse  einige  thatsächliche 
Angaben  hier  Platz  finden. 

Rindenschicht. 

Bedeckt  ist  der  Körper  des  Distomum  macrostomum  von  einer  Hautschicht  (0,0015  mm),  in  welche 
über  die  ganze  Oberfläche  des  Körpers  hin  sich  kleine  Stacheln  (0,0035)  eingesenkt  finden.  An  Stellen, 
wo  sie  einer  starken  Abnutzung  ausgesetzt  ist,  wächst  sie  zu  einer  bedeutenden  Stärke  (0,01  mm)  an,  so 
namentlich  an  den  Umschlagstellen  in  die  Saugnäpfe. 

Unter  der  Hautschiclit  liegt  der  Hautmuskelschlauch,  der  sich  aus  einer  dreifachen  Muskellage  zu- 
sammensetzt, aber  mit  Ausnahme  der  Nackengegend  nü'gends  eine  grosse  Stärke  und  Leistungsfähigkeit 
erlangt,  ein  Umstand,  aus  dem  sich  wohl  die  bereits  früher  hervorgehobene  geringe  Beweglichkeit  unseres 
Wurmes  erklären  mag. 

Zu  äusserst  liegen,  wie  auch  sonst,  eine  Ring-  und  eine  Längsfaserlage,  aus  zwar  zahbeichen,  aber 
schwachen  Fasern  zusammengesetzt,  die  in  den  einzelnen  Schichten  imt(!r  sich  anastomosieren.    Die  zirkulär 


.-o®o       31       0®C- 

verlaufenden  Fibrillen  erscheinen  auf  (»»uerschnittcn  als  Punkte  (0,0009  mm);  sie  haben  einen  Abstand  von 
0,0009  mm  von  einander  und  liegen  in  einer  sich  hell  und  homogen  färbenden  Grundsubstanz.  Die  Längs- 
fasern  haben  nur  0,0004  mm  und  stehen  durchschnittlich  0,0008  mm  auseinander.  Als  innerste  Schicht  trifft 
man  auf  ein  Netz  zarter  Diagonalzüge  (0,0006),  die  in  einer  Entfernung  von  0,0014  mm  einander  parallel 
laufen  und  sich  unter  einem  Winkel  von  150  <"  schneiden. 

Auch  bei  unserem  Wurme  finden  sich  nun  unter  dem  Hautmuskelschlauche  in  das  Körperparenchym 
eingelagert,  aber  doch  zur  Haut  in  näherer  Beziehung  stehend,  in  grösserer  Anzahl  zellige  Gebilde  vor,  wie 
solche  bereits  von  anderen  Forschern  des  öfteren  beschrieben  worden  sind.  So  treffen  ^ir  zunächst  im 
gesammten  Umkreise  des  Körpers  eine  Schicht  von  dunklen,  sich  stärker  als  die  Umgebung  färbenden 
Kernen  au  (0,005  mm);  dieselben  sind  nur  von  einer  geringen  Menge  von  Protoplasma  umgeben;  dieses 
aber  nimmt  Farbstoffe  intensiv  auf  und  wird  bei  Hämatoxylinfärbung  fast  schwarz.  Öfters  sah  ich  auf 
Schnittpräparaten  feine  Nervenästchen  in  unmittelbarer  Nähe  dieser  Gebilde  endigen;  doch  möchte  ich  ohne 
directen  Nachweis  einer  thatsächliclien  Verbindung  dieser  Nervenästchen  mit  unseren  Apparaten  denselben 
nicht  ohne  weiteres  eine  nervöse  Natur  zuschreiben.  Übrigens  haben  sie  auch  eine  nicht  geringe  Ähnlichkeit 
mit  gewissen  Zellen,  die  wir  bald  bei  der  Beschreibung  der  Saugnäpfe  kennen  lernen  werden. 

Zwischen  diesen  Elementen  finden  sich  weiter,  jedoch  in  geringerer  Anzahl,  Zellen  mit  hellem,  in 
seltneren  Fällen  aber  auch  feinkörnigem,  sich  schwach  färbenden  Protoplasma,  bläschenförmigem  grossen 
Kern  mid  stark  hervorti-etendem  Kernkörperchen.  Auch  sie  sind  über  die  ganze  Körperfläche  verteilt,  am 
stärksten  jedoch  in  dem  bereits  beschriebeneu  Kopflappen  und  dessen  Umgebung  augehäuft.  Da  sich  an 
ihnen  nicht  selten  ein  nach  der  Körperoberfläche  hinführender,  feiner  Ausführungsgang  mit  Sicherheit  nach- 
weisen lässt,  möchte  ich  sie  als  Drüsenzellen  in  Anspruch  nehmen,  obgleich  sie  in  ihrem  sonstigen  Habitus 
viel  Ahnhchkeit  mit  den  von  Schwarze  >)  beschi'iebenen  und  als  elastische  Elemente  gedeuteten  „Blasen- 
zellen" aufweisen.  Auch  der  mehrfach  beobachtete  körnige  Inhalt  unserer  Gebilde  dürfte  mehr  für  die 
Drüsennatur  derselben  sprechen.  Ganz  ähnliche  Elemente  hat  Looss^j  bei  Distomum  palliatum  gesehen 
lässt  jedoch  unentschieden,  ob  sie  nicht  eventuell  auch  Ganglienzellen  darstellen. 

Mittelschicht. 

Die  Mittelschicht  besteht  bei  unserem  Tiere  wie  bei  allen  Distomen  aus  dem  Bindegewebe  des 
Körperparenchyms  imd  den  diesem  eingelagerten  Organen. 

Körperparenchym.  Das  Körperparenchym  zeigt  den  bereits  von  Taschenberg  beschriebenen 
und  dann  von  späteren  Forschern  bestätigten  Aufbau  aus  zweierlei  Elementen;  den  zu  einem  Maschenwerk 
vereinigten  BindegewebszeUen  und  den  in  dieses  eingelagerten  hellen,  membranlosen  Zellen.  Zum  Studium 
dieser  Verhältnisse  kann  man  bei  unserem  Wurme  nur  jüngere,  höchstens  acht  Tage  alte  Individuen  ver- 
wenden, da  bei  den  älteren  Distomen  der  ganze  Körper  so  von  den  stark  gefüllten  Uterusschlingen  durch- 
setzt ist,  dass  die  hellen  Zellen  fast  gänzlich  verdrängt  werden,  und  nur  noch  die  Lückenräume  erscheinen, 
von  deren  ursprünglicher  Gestalt  auch  nur  noch  wenig  zu  erkennen  ist. 


')  1.  c.    pag.  19. 

*)  Looss.     Beiträge  zur  Kenntnis  der  Trematoden.     Zeitschft.  f.  wisa.  Zool.    41.  Bd.    pag.  395. 


-ogc      32      o^c— 

Die  kleinen  Kerne  dei  Bindegewebszellen  treten  deutlicli  durch  ihre  starke  Färbung  hervor,  weniger 
deutlich  sind  die  Kerne  der  hellen  Zellen,    doch    ei-kennt   man    auch   sie  leicht  bei  einiger  Aufmerksamkeit. 

Das  System  der  Parenchymmuskeln  zeigt  wie  der  ganze  Hautmuskelschlauch  im  allgemeinen 
bei  unserem  Wurme  keine  besondei's  mächtige  Entwicklung.  Die  einzelnen  Fasern  sind  dünn  und  schwach 
und  durchziehen  in  verschiedenen  Abständen  von  einander  die  Masse  des  Tierleibes.  Nur  die  nach  den 
Haft-  und  Locomotionsorganen,  das  ist  den  Saugnäpfen,  hinziehenden  Faserzüge  zeigen  eine  bedeutendere 
Entwicklung,  namentlich  was  ihre  Zahl  anlangt.  Es  lassen  sich  hier  verschiedene  Gruppen  unterscheiden. 
Vor  allem  mächtige  und  zahlreiche  Muskeln  laufen  von  dem  Vorderteile  des  Mundsaugnapfes  aus  schräg 
nach  hinten  nach  der  Körperwand;  durch  ihre  Contraction  ziehen  sie  den  Vorderteil  des  Wurmkörpers 
lippenartig  über  die  Ränder  des  Mundsaugnapfes  empor. 

Eine  Insertion  der  Fasern  an  der  Hautschicht  nach  vorhergehender  yiinselförmiger  Auflösimg,  wie 
dies  verschiedentlich  (Kerbert  ^)  Looss  ^) )  beschrieben  worden  ist,  scheint  bei  diesen  Muskeln  nicht  statt  zu 
finden,  während  ich  es  bei  den  übrigen  Parenchymmuskeln  nicht  selten  beobachten  konnte;  dagegen  setzen 
sich  dieselben  mit  den  Längs-  und  Diagonalzügen  des  Hautmuskelschlauches  in  Verbindung. 

Auch  von  dem  Umfange  des  Bauchsaugnapfes  aus  geht  ein  Complex  von  Muskelfasern  nach  der 
Rückenfläche  des  Körpers  empor,  die  in  der  Hauptsache  in  der  Mantelfläche  eines  Kegels  angeordnet  liegen, 
ohne  jedoch  zu  einer  geschlossenen  Muskelhaut  zusammen  zu  treten.  Was  die  Verbindung  aller  dieser 
Parenchymfaserzüge  mit  den  Saugnäpfen  resp.  deren  Muskulatur  anbelangt,  so  ist  „ein  directer  Übergang 
dieser  Muskeln  in  die  Muskulatur  des  Saugnapfes  bei  Distomen  nur  selten  zu  constatieren".^)  Und  das  um 
so  mehr,  als  die  beti-effenden  Verhältnisse  fast  nur  an  Schnitten  studiert  werden  können,  auf  denen  natür- 
licherweise die  in  den  verschiedenen  Richtungen  des  Raumes  verlaufenden  und  mannigfach  sich  kreuzenden 
Muskelzüge  nicht  in  längerem  Verlaufe  getroffen  werden  können.  Was  aber  durch  sorgfältige  Berechnung 
und  bewusste  Absicht  nicht  erzielt  wird,  das  gibt  vielfach  der  Zufall  an  die  Hand;  so  auch  hier;  auf  einem 
Schnittpräparate  von  Distomum  hepaticum,  das  ich  der  Güte  des  Herrn  Geheimrat  Leuckart  verdankte, 
konnten  zwei  breite  Muskelbänder  bis  weit  hinein  in  den  Saugnapf  verfolgt  werden,  wo  sie  am  Rande  des 
Lumens  hin  nach  vorn  verliefen  und  schliesslich  zwischen  den  Saugnapfmuskeln  endigten.  Auch  bei  unserem 
Distomum  macrostomum  war  ein  solches  Verhalten  der  in  Rede  stehenden  Parenchymfaserzüge  nicht  selten 
nachzuweisen,  wenngleich  es  mir  niemals  glücken  wollte,  ein  derartig  schönes  Präparat,  wie  das  von  Distomum 
hepaticum  zu  Gesicht  zu  bekommen. 

Dass  durch  ein  solches  Eindringen  in  die  Saugnäpfe  die  gegenseitige  Verbindung  der  betreffenden 
Elemente  nicht  unbedeutend  erhöht  wird,  bedarf  wohl  kaum  des  Nachweises. 

Der  Verdauungsapparat  entspricht  in  seinem  Baue  vollständig  dem  der  übrigen  Trematoden. 
An  den  äusserst  stark  und  kräftig  entwickelten  Mundsaugnapf  schliesst  sich  ein  ebenfalls  ansehnlicher 
Pharynx  an,  der  fast  mimittelbar  in  die  beiden  einfachen  Darmschenkel  überführt.  In  histologischer  Hin- 
sicht dürfte  noch  das  Folgende  erwähnenswert  sein. 

Der  Mundsaugnapf  ist,  wie  gesagt,    ein  sehr  kräftiger  Hohlmuskel,   welcher  den  grössten  Teil 

')  1.  c.  pag.  544. 
')  1.  c.  pag.  401. 
")  Leuckart.    Die  Parasiten  des  Menschen.    1886.    II.  Teil.    pag.  21. 


-oigo     33      oiäo- 

des  vorderen  Körperendes  einnimmt.  Er  ist  0,35  mm  laug,  0,3  dick  und  besitzt  ein  grösstes  Lumen  von 
0,13  mm.  Seine  Wandungen  (dm-chschnittlich  0,09  mm  dick)  sind  am  Kücken  etwas  höher  gewölbt  als  am 
Bauche;  es  ragt  auch  die  dorsale  Wand  etwas  über  die]  ventrale  vor,  so  dass,  wie  bereits  an  anderer  Stelle 
(cf.  pag.  29)  hervorgehoben,  die  (JfFnung  desselben  nicht  nach  vorn,  sondern  sehr  nach  unten  gerichtet  erscheint. 

Nach  aussen  wird  der  Mundsaugnapf  begrenzt  von  einer  zarten  Membran  (0,0007),  innen  von  einer 
etwas  dickeren  Haut  (0,0012),  welche  den  Eindi-uck  einer  Cuticula  macht,  da  zellige  Elemente  in  ihr  nicht 
wahrnehmbai'  sind  und  sie  sich  avisserdem  mit  Farbstoffen  stark  mid  homogen  färbt. 

Von  dieser  inneren  und  äusseren  Begrenzungshaut  umschlossen  finden  sich  dieselben  Muskelgruppen, 
wie  sie  auch  sonst  bereits  bekannt  sind;  die  Äquatorial-  und  Meridionalfasern  sind  schwächer  ausgebildet, 
während  die  Radiärzüge  auch  hier  die  grösste  Mächtigkeit  besitzen.  Nur  an  den  Lippen  nehmen  auch  die 
Ringmuskelzüge  eine  etwas  stärkere  Entwicklung  (0,006  mm)  an. 

Die  Radiärfasern  stehen  nicht  an  allen  Stellen  gleich  dicht;  namentlich  da,  wo  sie  am  spärlichsten 
gelagert  erseheinen,  tritt  auch  das  die  Grundmasse  des  Saugnapfes  bildende  Gewebe  deutlich  hervor;  es  ent- 
spricht dasselbe  in  seiner  Ausbildung  völlig  demjenigen,  welches  wir  auch  als  die  Grundmasse  des  übrigen 
Körpers  kennen;  indem  zwischen  die  Maschen  des  aus  den  kleinen  und  dunkel  sich  färbenden  Zellen  zusammen- 
gesetzten Netzwerkes  die  grossen  blassen  und  membranlosen  Zellen  sich  eingelagert  finden  (cf.  Fig.  18  u.  19). 

Die  eben  geschilderten  Verhältnisse  gelten  in  gleicher  Weise  natürlich  auch  für  den  Bauchsaug- 
napf, nur  dass  dieser  etwas  grösser  ist  (er  misst  0,3  mm  in  der  Länge,  0,4  in  der  Breite  bei  einem  grössten 
Lumen  von  0,38  mm,  die  Wandungen  sind  0,08 — 012  mm  dick)  und  im  ganzen  einen  etwas  festeren  und 
kräftigeren  Bau  erkennen  lässt. 

Die  Lippen  des  Mundsaugnapfes  sind  beim  lebenden  Tiere,  so  lange  es  keinen  passenden  Fixations- 
pimkt  hat  (was  ja  gewöhnlich  während  der  Beobachtung  unter  dem  Miki-oskope  der  Fall  ist)  in  einer  fort- 
währenden Bewegimg,  die  sich  auch  der  kragenartigen  Hervon-agimg  der  Körpermasse  am  vorderen  Leibes- 
ende mitteilt  und  dadm-ch  wahrscheinlich  das  von  Zeller  beobachtete  Undulieren  desselben  hervorruft. 

In  histologischer  Hinsicht  zeigt  die  Muskulatur  dieser  Lippen  einen  etwas  abweichenden  Aufbau. 
Man  sieht  nämlich  auf  einem  in  der  Meridionalebene  des  Saugnapfes  geführten  Schnitte  (cf.  Fig.  19)  von  dem 
äussersten  Rande  desselben  aus  nach  rechts  und  links  unter  45 "  nach  der  äusseren  und  inneren  Grenzmembran 
des  Mimdsaugnapfes  hin  Muskelbündel  verlaufen,  von  denen  das  nach  der  inneren  Wand  hinziehende  stets 
stärker  ist,  als  das  andere.  Da  die  unteren  Enden  dieser  Faserzüge  dm-ch  die  ersten  Radiärmuskeln  ver- 
bunden werden,  so  erblickt  man  gewöhnlich  auf  einem  solchen  Schnitte  in  dem  oberen  Rande  des  Saug- 
napfes ein  durch  die  erwähnten  Lippenmuskeln  und  die  obersten  Radiärfasern  gebildetes  Dreieck,  welches, 
da  sein  Innenraum  von  Muskeln  völlig  frei  ist,  die  Zellen  des  Grundgewebes  deutlich  erkennen  lässt. 

An  dem  Bauchsaugnapfe  findet  sich  eine  Lippenmuskulatur  in  dem  ausgesprochenen  Maasse,  wie 
bei  dem  Mundsaugnapfe,  nicht  vor,  dagegen  kann  man  auch  hier  des  öfteren  die  ganz  der  übrigen  Körper- 
masse gleichende  Structur  des  Grundgewebes  erkennen. 

Es  scheint  dieses  letztere  eine  ganz   ausgesprochene  elastische    Function    zu    haben,    indem    es    bei 

seiner    augenfällig    weichen   Beschaffenheit    bei  einer   Contraction   der  Saugnapfmuskeln  zusammengedrückt 

werden    kann,   bei   einem  Nachlassen   der  Muskelkraft  aber  durch  seine  Elastizität  die  m-sprüngliche  Form 

von  selbst  wieder  herstellt. 

5 


— o®o       34       0®C— 

Der  P  h  a  r  y  n  x ,  der  unmittelbar  auf  den  Jlundsaugnapf  folgt,  scliliesst  sich  in  Bezug  auf  seinen 
Bau  im  allgemeinen  diesem  an.  Er  ist  ein  länglich  ovales  Gebilde  (0,24  mm  hoch  und  0,25  mm  breit),  das 
bedeutend  an  Grösse  hinter  dem  Öaugnapfe  zurücksteht.  Ein  zwischen  Mundnapf  und  Pharynx  sich  ein- 
schiebender Vorhof,  wie  er  bei  zahlreichen  Distomen  vorzukommen  scheint,  wie  ihn  bei  Distomum  hepaticum 
Leuckart,  bei  Distomum  Westermani  Kerbert,  bei  Distomum  palliatum  Looss  beobachtete,  kommt  bei  unserem 
Distomum  macrostomum  nicht  so  typisch  zur  Anschauung;  er  ist  hier  kaum  grösser,  als  ihn  die  Schluck- 
bewegvmg  unseres  Tieres  gerade  erheischt,  da  in  der  Hauptsache  auch  seine  Thätigkeit  durch  die  ungleich 
mächtigere  und  ansehnlichere  Ausbildung  des  Mundsaugnapfes  entbehrlich  geworden  ist. 

Ein  eigentlicher  Ösophagus  ist  fast  gar  nicht  vorhanden.  Nur  bei  der  grössten  Längsstreckung 
des  Wurmes. zeigt  sieh  wahrscheinlich  erst  infolge  der  Dehnimg  zwischen  dem  Hinterende  des  Phaiynx 
und  der  Gabelungsstelle  des  Darmes  ein  unpaares  Rohr  von  höchstens  0,0ö  mm  Länge.  Dieses  ist,  wie 
der  Pharynx  und  Vorhof,  mit  einer  Haut  ausgekleidet,  welche  die  Fortsetzung  der  den  Mimdsaugnapf  be- 
gi'enzenden  Innenmembran  bildet,  die  sich  auch  noch  eine  kurze  Strecke  in  die  paarigen  Darmschenkel 
hinein  fortsetzt;  sie  hat  eine  durchgehende  Stärke  von  0,0018—0,002  mm. 

Die  Länge  der  einfachen  Darmschenkel  beträgt  1,35  mm;  hiervon  kommen  ungefähr  0,35  mm  auf 
den  nach  den  Seiten  des  Körpers  und  1  mm  auf  den  in  der  Längsrichtung  nach  hinten  laufenden  Teil;  je 
nach  den  Contractionszuständen  ist  natürlicherweise  der  Winkel,  den  diese  beiden  Richtungen  mit  einander 
bilden,  u.nd  der  niemals  eine  sehr  scharfe  Spitze  hat,  ein  ausserordentlich  wechselnder;  bei  stark  zusammen- 
gezogenen Tieren,  wie  es  namentlich  die  conservierten  fast  immer  sind,  haben  die  querlaufenden  Teile  des 
Darmes  sogar  eine  Richtung  schräg  nach  oben  (cf.  Fig.  5).  Auf  Querschnitten  erscheint  das  Darmrohr 
als  ein  Uval  von  0,07 : 0,045  mm. 

Was  den  histologischen  Bau  anlangt,  so  finden  wir  als  äusserste  Begrenzung  des  Darmes  eine 
Eigenmembran,  der  eine  nicht  unansehnlich  entwickelte  Muskelschicht,  wie  dieselbe  vielfach  am  Darm  der 
Trematoden  beobachtet  worden  ist,  aufgelagert  erscheint.  Dieselbe  besteht  auch  bei  imserem  Wurme  aus 
einer  Ring-  und  Längsmuskulatur  von  ziemlich  gleich  starker  Entwicklung  (0,0008 : 0,0006  mm).  Nach  innen 
folgen  auf  die  Eigenmembran  zwei  Zellschichten,  die  sich  in  jeder  Hinsicht  scharf  und  deutlich  von  ein- 
ander unterscheiden.  Die  unterste,  direkt  der  Tunica  propria  aufliegende  dieser  Zellschichten  ei'gibt  sich 
bei  näherer  Betrachtung  als  die  unmittelbare  Fortsetzung  der  Membranen,  welche  wir  als  innere  Auskleidmig 
sowohl  des  Mundsaugnapfes  und  des  Pharynx,  als  auch  des  Anfangteiles  des  Darmes  kennen  gelernt  haben. 
Diese  Zellenlage  besteht  au.s  hohen  Cylinderzellen,  in  denen  die  Kerne  deutlich  hervortreten.  Dieser  unteren 
Zellschicht  ist  eine  zweite  von  derselben  Höhe  und  derselben  Zusammensetzung  aufgelagert;  sie  kleidet  den 
Darm  seiner  ganzen  Länge  nach  aus,  reicht  aber  nach  vorn  zu  nui"  bis  kurz  hinter  den  Pharynx,  wo  sie 
ziemlich  plötzlich  verschwindet.  Beim  lebenden  Tiere  besitzen  diese  Zellen  feine  Strichelchen,  zwischen 
denen  reihenweise  eingeordnet  Körnchen  von  Fettstoffen  eingelagert  sind;  diese  letzteren  lassen  sich  mit 
Äther  leicht  und  völlig  extrahieren,  so  dass  [dann  die  Zellgrenzen,  sowie  die  Kerne  schön  und  deutlich 
hervortreten. 

In  Bezug  auf  ihr  chemisches  Verhalten  zeigen  diese  beiden  Schichten  eine  ausgesprochene  Ver- 
schiedenheit, indem  sich  die  eine  stets  anders  (färbt,  als  die  andere.  Während  z.  B.  bei  Färbung  mit 
Bismarckbraun    die    untere    sich    stark   imbibiert  und    die   obere  ganz  blass  bleibt,    ist    es  bei  Karmin  und 


— 0®O        35        0®0- 

Hämatoxylin  gerade  umgekehrt,  indem  liier  die  untere  viel  heller  bleibt,  wälu-end  die  obere  namentlich  mit 
Hämatoxylin  fast  schwarz  wird. 

Über  die  Natur  und  physiologische  Bedeutung  dieser  beiden  so  differenten  Epithellagen  lassen  sich 
so  natürlich  positive  Angaben  nicht  machen. 

Drüsen.  Neben  den  schon  früher  erwähnten  zu  der  Haut  in  Beziehung  stehenden  einzelligen 
Drüsen  finden  sich  noch  massig  entwickelte  Speicheldrüsen  auf  der  Bauchseite,  an  der  Übergangsstelle  des 
Pharynx  in  den  Darm  vor.  Dieselben  sind  ebenfalls  einzellig  (0,02:0,016  mm),  haben  einen  feinkörnigen, 
stark  lichtbrechenden  Inhalt,  in  dem  ein  Kern  nicht  sichtbar  ist  und  besitzen  einen  lang  ausgezogenen 
Ausführimgsgang,  vermittelst  dessen  sie  ihren  Inhalt  in  den  Ösophagus  entleeren. 

Das  Excretionsgefässsystem  zeigt  weder  in  topographischer  noch  in  histologischer  Hinsicht 
bemerkenswerte  Abweichungen  von  dem  sonst  bei  den  Distomen  bekannten  Verhalten.  Die  betreffenden 
Verhältnisse  lassen  sich  am  besten  an  Larven  oder  ganz  jugendlichen  Distomen  beobachten,  da  mit  der 
weiteren  Entwicklung  und  dem  fortschreitenden  Anwachsen  der  Geschlechtsorgane  diese  zarten  G-ebilde 
mehr  und  mehr  verdeckt  werden.  Der  Perus  excretorius,  der  infolge  der  eigentümlichen  Contractionsver- 
hältnisse  des  Tieres  meist  in  der  Mittellinie  des  Rückens  gelegen  ist,  führt  in  den  Sammelraum,  dessen 
0,002  mm  dicke  Wandungen  an  der  Aussenseite  von  einer  feinen  Längs-  und  Ringfaserschicht  überzogen 
werden.  Ein  Epithel  war  im  Inneren  nicht  nachzuweisen.  Die  äussere  Form  der  Sammelblase  ist  infolge 
der  sie  von  allen  Seiten  einengenden  Uterusschläuche  vielfach  eine  ganz  unregelmässige.  Von  ihr  aus 
nimmt  nun,  wie  bei  fast  allen  Distomen,  je  ein  Längsgefäss  auf  jeder  Seite  seinen  Ursprung,  das  in  mannig- 
fachen Windungen  nach  vorn  bis  in  die  Höhe  des  Mundsaugnapfes  zieht  und  von  dort,  nachdem  es  einen 
kleinen  Zweig  nach  vorn  abgegeben  hat,  bis  weit  nach  hinten  zurückkehrt.  Hier  löst  es  sich  dann  in  di'ei 
kleinere  Gefässe  auf,  von  denen  das  eine  noch  weiter  nach  rückwärts  in  die  Gegend  des  Oirrusbeutels 
geht,  die  beiden  anderen  aber  nach  dem  Kopfe  zu  zurückkehren,  um  sich  weiter  aufzulösen  (cf.  Fig.  4).  Die 
Wandungen  dieser  Gefässe  sind  devxtlich  doppelt  contoiu-iert  (0,0007  mm),  doch  lassen  sich  Kerne  nicht  in 
ihnen  nachweisen.  Eine  Flimmerbewegung  existiert  in  diesen  Längsstämmen  ebenfalls  nicht.  Kapillaren 
und  Flimmertrichter,  die  auch  hier  reichlich  vorhanden,  wenn  auch  nicht  immer  leicht  aufzufinden  sind, 
schliessen  sich  völlig  den  bereits  von  anderen  Formen  beschriebenen  Verhältnissen  an. 

Das  Nervensystem.  Was  den  Aufbau  des  nervösen  Apparates  bei  imserem  Wurme  anbelangt, 
so  ist  als  abweichend  von  dem  gewöhnlichen  Verhalten  nm-  hervorzuheben,  dass  die  beiden  Hauptnerven- 
stämme,  welche  von  den  beiden  durch  eine  Commissur  verbundenen^ Hauptgauglien  nach  hinten  ziehen, 
auf  der  rechten  und  linken  Seite  des  Tierkörpers  nicht  ganz  den  gleichen  Verlauf  besitzen.  Man  kann 
nämlich  an  gut  gelungenen  Überosmiumsäure-,  ebenso  wie  an  Hämatoxylinpräj^araten  leicht  sehen  imd  auf 
Schnittpräparaten  bestätigen,  dass  der  linke  Ast  in  der  Hauptsache  an  den  Bauchsaugnapf,  der  rechte  da- 
gegen mehr  an  die  Genitalien  und  nach  den  hinteren  Körpei-partien  hinläuft. 

Indessen  gibt  auch  der  linke  Sti'ang  nach  hinten  feine  Astchen  ab,  ebenso  wie  der  rechte  an  den 
Bauchsaugnapf.  Es  stehen  aber  diese  Faserzüge  ganz  bedeutend  hinter  den  beti-effenden  Hauptästen  zurück 
sodass  thatsächlich  eine  ganz  augenfällige  Asymmetrie  vorhanden  ist. 

Entsprechend  der  Mehrzahl  der  Geschlechtsdrüsen  löst  sich  der  rechte  Stamm  kurz  unterhalb  des  Bauch- 


— T®o    36    oa<— 

saiignapfes  in  mehrei'e  Zweige  auf,  von  denen  je  einer  an  die  Hoden  sowohl,  als  auch  an  das  Ovarium 
herantritt,  während  ein  vierter  nach  dem  hinteren  Körperende  an  den  Cirrusbeutel  sich  begibt. 

Natürlicherweise  existieren  auch  bei  unserem  Wurme  ausser  den  beiden  Hauptlängsnerven  noch  eine 
Anzahl  anderer,  hier  drei,  von  denen  einer  ebenfalls  nach  hinten  aber  mehr  nach  der  Rückenseite  hin  ver- 
läuft und  sich  niemals  weit  verfolgen  lässt,  während  die  beiden  anderen  nach  vorne  sich  wenden  und  an 
den  Saugnapf  heran-,  teilweise  sogar  in  denselben  hineintreten. 

Aufmerksam  gemacht  durch  die  Gaffron'schen  Untersuchvmgeni),  der  bei  Distomum  isostomum  die 
bekannte  eigentümliche,  an  die  Verhältnisse  der  ectoparasitischen  Tristomen,  sowie  gewisser  Anneliden  und 
Mollusken  erinnernde  Architektonik  des  nervösen  Apparates  entdeckte,  wandte  ich  mein  Augenmerk  auf  die 
Feststelhmg  etwaiger  analoger  Bildungen.  Obwohl  nun  schon  der  Asymmetrie  der  Hauptnervenstränge 
halber  ein  solches  typisches  Verhalten  nicht  wohl  zu  erwarten  war,  so  gelang  es  mir  doch,  allerdings  erst 
nach  mannigfachen  Bemühungen,  wenige  sehr  zarte  und  feine  Nervenästchen  aufzufinden,  welche  miterhalb 
des  Bauchsaugnapfes  ohne  allen  Zweifel  von  einem  Nervenstamme  zum  anderen  hinüber  gingen.  Bei  den 
geschlechtlich  vollkommen  entwickelten  und  mit  Eiern  vollgepfropften  Wüi-mern  lässt  sich  von  diesen  Ver- 
hältnissen natürlich  nichts  erkennen;  es  müssen  hierzu  am  besten  junge  Distomen  verwandt  werden,  die 
1 — 2  Tage  im  Vogeldarm  verweilt  haben. 

In  histologischer  Hinsicht  dürften  noch  folgende  Punkte  erwähnenswert  erscheinen.  Die  Ganglien- 
zellen sind  bipolar,  besitzen  eine  nicht  ganz  constante  Grösse,  homogenes  Protoplasma  mit  Kernen  von 
0,006  mm  Durchmesser  und  sind  nur  in  geringer  Anzahl  vorhanden.  Einzelne  Faserzüge  lassen  sich  bei 
den  nach  den  Saugnäpfen  verlaufenden  Nerven  mit  aller  Sicherheit  in  das  Innere  derselben  hinein  verfolgen 
Bemerkenswert  ist  das  Vorhandensein  einer  distincten  bindegewebigen  Nervenscheide,  die  bis  jetzt  entweder 
geleugnet,  oder  doch  wenigstens  nicht  aufgefunden  wurde,  deren  spezifische  Natur  sich  aber  auf  entwick- 
lungsgeschichtUchem  Wege  sicher  feststellen  lässt  (cf.  Fig.  60). 

Die  Fortpflanzungsorgane.  Nachdem  wir  bereits  bei  der  Besprechung  der  reifen,  im  Leuco- 
chloridiumschlauche  befindlichen  Larven  die  Anlage  der  Geschlechtsorgane,  sowie  später  die  Reifung  der 
in  den  Keimdrüsen  sich  bildenden  Zeugungsstoffe  näher  kennen  gelernt  haben,  wird  es  sich  jetzt  darum 
handeln,  den  Zusammenhang,  sowie  den  feineren  Bau  des  gesammten  Apparates,  wie  er  sich  beim  völlig 
erwachsenen  Tiere  präsentiert,  noch  einer  etwas  näheren  Betrachtimg  zu  unterwerfen. 

Die  Genitalorgane  behalten  wie  bei  der  Larve  ihre  Lage  im  hinteren  Körperende  bei,  nm-  der 
Uterus  dringt  weiter  nach  vorn  bis  an  die  Basis  des  Mundsaugnapfes  vor  und  erfüllt  mit  seinen  zahl- 
reichen Schlingen  fast  den  ganzen,  von  den  Saugnäpfen  freigelassenen  Raum  des  Wm'mkörpers. 

Die  männlichen  Organe  behalten  ihre  kugelige  Form  (0,14  mm)  meist  unverändert  bei;  sie 
sind  von  einer  zarten  Membran  (0,0004  mm)  umgeben,  in  der  die  während  der  Larvenperiode  vorhanden 
gewesenen  Kerne  nur  noch  wenig  nachweisbar  sind.  Im  Inneren  liegen  dieser  Tunica  propria  die  pro- 
liferierenden Zellen  an;  sie  besitzen  Kerne  bis  0,004  mm  Grösse  mit  Kernkörperchen;  ihr  Plasma  ist  gegen 
das  der  Nachbarzellen  nur  undeutlich  und  unvollkommen  abgegrenzt,  so  dass  oft  das  Bild  von  Kernen  in 
einer  gemeinsamen  Protoplasmamasse  vorgeführt  wird. 


Gaffron.    Zum  Nervensystem  der  Trematoden.    Schneider's  Zool.  Beiträge.    Breslau.    1885. 


— o®c  37  OSO- 
Weiter  nacli  innen  zn  liegen  die  Spermatogemmen  in  verschiedenen  Entwicklungsstadien  (cf. Fig.  22), 
deren  Entstehung  bereits  an  früherer  Stelle  erwähnt  Avnrde;  sie  erreichen  bis  0,03  mm  Grösse;  es  zeigen  sich 
aber  innerhalb  der  Hoden  auch  bei  ganz  alten  Tieren  nur  selten  geplatzte  Spermatogemmen,  so  dass  nur 
ganz  vereinzelte  Bündel  reifer  Spermatozoen  als  lockenförmige  Bildungen  in  denselben  angetroffen  werden 
während  sonst  in  den  Hoden  der  Distomen  eine  Unzahl  solcher  reifer  Samenfäden  sich  vorfinden.  Es 
scheint  demnach  bei  unserem  Wurme,  dessen  Hoden  im  Verhältnis  zu  der  gesammten  übrigen  Körpermasse 
als  relativ  recht  klein  bezeichnet  werden  müssen,  als  Ersatz  hierfür  die  Production  eine  ausserordentlich 
rapide  zu  sein.  Zugleich  wird  das  soeben  gebildete  Material  sofort  abgeführt,  um  neuen  Entwicklungs- 
producten  Platz  zu  machen,  eine  Annahme,  die  übrigens  auch  durch  die  rasche  erste  Entwicklung  der 
Keimstoffe  wahrscheinlich  gemacht  wird. 

Die  Samenfäden  haben  eine  Länge  von  0,1  mm;  0,013  mm  unterhalb  der  Spitze  erleiden  sie  eine 
Anschwellung  in  Gestalt  eines  Knöpfchens  von  0,006.5  mm  (cf  Fig.  21). 

Die  Ausführungsgänge  verlaufen  von  den  Hoden  aus  ziemlich  gestreckt  nach  der  Mitte  und  ab- 
wärts, um  sich  bald  zu  vereinigen;  das  gemeinsame  Vas  deferens,  das  wie  die  Vasa  efferentia  eine  der 
Eigenmembran  aussen  aufliegende  feine  Ring-  und  Längsfaserschicht  besitzt,  begibt  sich  nach  hinten  und 
mündet  nach  kurzem  Laufe  in  den  Cirrusbeutel.  Innerhalb  desselben  verläuft  es  dann  in  wenigen  starren 
Windungen  nach  abwärts  als  ein  in  allen  seineu  Teilen  ziemlich  gleichweites  Rohr  (0,06  mm),  das  im 
Inneren  mit  einer  dicken,  cuticulaartigeu  Schicht  ausgekleidet,  aussen  von  einer  doppelten,  aber  nicht  sehr 
starken  Muskelhülle  umgeben  ist.  Der  letzte  Teil  dieses  Vas  deferens  kann  als  Penis  ausgestülpt  werden, 
sodass  dann  die  innere  Cuticularbekleidung  die  äussere  Wand  bildet,  die  jetzt  deutlich  mit  sehr  zahlreichen, 
aber  kleinen  spitzen  Hervorragungen  besetzt  ist.  Der  ausgestülpte  Penis  hat  einen  Durchmesser  von  0,012  mm. 
Was  die  weiblichen  Organe  anbelangt,  so  bietet  deren  anatomischer  Bau  keine  Besonderheiten 
dar,  ebenso  schliessen  sich  die  histologischen  Verhältnisse  vielfach  den  bekannten  an. 

Das  Ovarium,  kugelig  oder  von  eiförmiger  Gestalt  (0,16:0,12  mm),  ist  von  einer  zai'ten  Membran 
umgeben  uad  im  Inneren  von  primitiven  Eizellen  erfüllt,  die,  wie  dies  bereits  früher  hervorgehoben  wurde, 
nach  dem  Centrum  zu  etwas  an  Grösse  zunehmen;  dieselben  besitzen  keine  Zellhaut,  sind  0,01  mm  gross 
und  haben  einen  0,006  mm  grossen  Kern  mit  deutlich  und  stark  hervoi'tretendem  Kernkörperchen.  Der 
von  dem  Ovarium  ausgehende  Keimgang,  in  dessen  Wandungen  deutliche  Zellen  (0,004  mm)  mit  Kernen, 
in  der  Regel  vier  auf  einem  Querschnitt,  erkennbar  sind,  führt  alsbald  in  die  Schalendrüse,  deren  Zellen 
demselben  m  regelmässiger  Anordnimg  wie  ein  Epithel  anliegen.  Sie  sind  von  mehr  oder  minder  länglicher 
Gestalt,  haben  helles,  homogenes  Plasma,  in  dem  nur  selten  körnige  Elemente  sichtbar  sind:  der  Kern 
(0,006  mm)  ist  scharf  contouriert,  färbt  sich  intensiv  und  zeigt  kein  Kernkörperchen.  Eingelagert  sind  diese 
Zellen  in  eine  bindegewebige  Grundmasse  (cf  Fig.  22). 

Mit  dem  Keimgange  setzt  sich  innerhalb  des  Schalendrüsencomplexes  der  Dottergang  in  Ver- 
bindung. Die  Dotterstöcke  durchziehen  als  schmale,  lang  traubentormig  ausgezogene  Stöckchen  von  etwas 
wechselnder  Länge  die  äussersten  Seitenränder  des  Tierleibes  von  vorn  bis  hinten;  die  in  ihnen  gebildeten 
Dottermassen  fli essen  zunächst  jederseits  in  den  gemeinsamen  Längscanal,  von  dem  dann  ein  transversaler 
Dottergang  nach  der  Schalendrüse  hinläuft  und  bei  der  Vereinigung  mit  demjenigen  der  anderen  Seite 
ein  ziemlich  ansehnliches,  fast  stets  mit  Dotterzellen   prall  erfülltes  Dottei-reservoir  darstellt  (cf.  Fig.  8  u.  22). 


-oKo    38     OSO- 
Aus  diesem  Sammelraum  entspringt  der  gemeinsame  Dottergang,    der   schliesslich    mit   dem  Keimgang   in 
Verbindtmg  tritt.    Eine  besondere  Strvictur  scheinen  die  Wandungen  aller  dieser  Dotterwege  nicht  zu  besitzen. 

rxleich  neben  der  Mündung  des  Dotterganges  entspinngt  auch  der  in  einzelneu  schwachen  Windungen 
nach  der  Rückenfläche  sich  wendende  Lauer'sche  Kanal,  in  dem  Bruchstücke  von  Dotterzellen  in  mehr  oder 
minder  starker  Anhäufung  sich  vorfinden. 

Die  Fortsetzung  des  Keimganges  bildet  der  Uterus;  nachdem  derselbe  die  Schalendrüse  verlassen 
hat,  verläuft  er  noch  eine  kurze  Strecke  nach  abwärts,  um  dann  umzubiegen  und  fast  den  ganzen  vorderen 
Körperteil  mit  seinen  Schlingen  zu  erfüllen-  zuletzt  kehrt  er  nach  dem  hinteren  Teil  zurück  und  mündet 
endlich  neben  dem  männlichen  Ausführungsgange  am  Körperende. 


Die  Embryonalentwieklung. 

Das  fertige  Ei  des  Distomum  macrostomum  ist  von  länglich  elliptischer  Gestalt  und  wie  die  Eier 
aller  Trematoden  an  dem  einen  Pole  mit  einem  Deckel  versehen;  es  misst  in  der  Länge  0,03  mm,  in  der 
Breite  0,02,  doch  ti-eten  in  der  Längsausdehnung  sowohl,  als  in  der  Breitenausdehnung  nicht  unbeträchtliche 
Schwankungen  auf,  so  dass  die  Eier  unseres  Wurmes  nicht  nur  verschiedene  Grösse,  sondern  auch  oft 
wechselnde  Gestalt  aufweisen.  Die  Eischale  hat  eine  Dicke  von  0,001  mm  und  besitzt  eine  ausserordentliche 
Widerstandskraft  gegen  Druck  sowohl,  wie  gegen  die  Einwirkung  von  Reagentien.  Sie  ist  anfangs 
ganz  hell  und  durchsichtig,  dunkelt  später  aber  ohne  an  Dicke  zuzunehmen  sehr  stark  nach  und  wird 
schliesslich  braun  und  ganz  undurchsichtig. 

Zugleich  mit  dem  Vorschreiten  im  Uterus  findet  nun,  wie  bei  der  Mehrzahl  der  Trematoden,  auch 
die  Klüftung  und  Bildung  des  Embryo  statt,  sodass  die  nach  aussen  abgelegten  Eier  einen  völlig  ausge- 
bildeten und  zu  weiterer  Entwicklung  fertigen  Keimling  einsch Hessen. 

Während  nun  infolge  des  eben  erwähnten  Nachdunkeins  der  Schale  bei  jungen,  noch  nicht  lange 
gebildeten  Eiern  mit  blasser  vmd  dm-chsichtiger  Hülle  die  in  demselben  sich  abspielenden  Entwicklungs- 
vorgänge sich  verhältnismässig  leicht  und  ohne  grosse  Mühe  studieren  lassen,  ist  dies  ohne  Anwendung 
von  Reagentien  bei  den  älteren  nur  noch  imvollkommen  und  schliesslich  so  gut  wie  gar  nicht  mehr  der 
Fall.  Und  das  um  so  mehr,  als  der  Eiinhalt  selbst  sich  durch  ausserordenthche  Zartheit  imd  nur  geringes 
Lichtbrechimgs vermögen  auszeichnet,  Eigenschaften  also,  welche  in  keinem  Falle  ziu-  Erleichterung  der 
Beobachtung  beitragen. 

Um  also  über  die  späteren  Entwicklungsstadien  des  Eiinhaltes  einigen  Aufschluss  zu  bekommen, 
musste  ich  danach  trachten,  dieselben  so  miversehrt  als  möglich  aus  der  Schale  herauszudrücken;  alle  Ver- 
suche jedoch,  so  viele  deren  auch  und  so  vorsichtig  sie  angestellt  wurden,  lieferten  keine  genügenden 
Resultate,  da  an  dem  unversehrten  Ei  der  Deckel  noch  so  fest  sitzt,  dass  viel  eher  die  Eischale  an  irgend 
einer  anderen  Stelle  reisst,  als  dass  der  Deckel  sich  abhebt.  Endlich  entdeckte  ich  in  der  Kalilauge  *)  ein 
Mittel,  welches  geeignet  ist,  dem  erwähnten  Ubelstande  abzuhelfen ;  eine  5  */ß  ige  Lösung  verändert  nämlich 


';  Mit  Eau  de  Javelle  hatte  ich  keine  Erfolge. 


-o^    39 

nach  einer  einvievtelstündigen  Einwirkung  auf  die  Eier  die  Schale  so,  dass  jetzt  schon  nach  schwachem 
Drucke  der  Deckel  leicht  abspringt  und  den  Inhalt  nach  aussen  treten ..  lässt. 

Aber  auch  an  derartig  behandelten  Objecten  ist  es  noch  schwer  und  gelingt  es  verhältnismässig 
nvu'  recht  selten,  den  Eiinhalt  unversehrt  zu  isolieren,  da  derselbe  fast  stets  an  den  Schalenteilen  hängen 
bleibt.  Um  denselben  gegen  die  Wirkungen  des  Druckes  etwas  widerstandsfähiger  zu  machen,  härtete  ich  die 
Eier  vorher  mit  Überosmiumsäiu-e,  Sublimat  oder  Pikrinschwefelsäure,  doch  nahm  infolge  der  geringen  Durch- 
lässigkeit der  Eischale  dieser  Prozess  einen  nicht  geringen  Zeitraum  in  Anspruch.  Die  so  conservierten 
Objecte  wiu-den  gefärbt  und  schliesslich  in  Glycerin  eingeschlossen;  bei  Anwendung  von  saurem  Karmin, 
Piki'okarmin,  Hämatoxylin,  Rosanilin  und  Bismarckbraun  erhielt  ich  mit  letzterem  die  besten  Resultate. 

Die  ohne  vorherige  Härtung  aiis  den  Eischalen  hervoi'gedrückten  Inhaltsmassen  wurden,  um  die 
Elemente  deutlicher  hervortreten  zu  lassen,  mit  Essigsäure  behandelt  oder  mit  Ammoniakkarmin  resp.  mit 
Methylgrün  augefärbt,  ein  Verfahren,  welches  mitunter  ganz  brauchbare  Bilder  lieferte. 

Den  Inhalt  des  eben  gebildeten  Eies  repräsentiert  die  befruchtete  Eizelle,  die  an  dem  Deckelpol  ge- 
legen und  von  einem  Quantum  Dottermaterial  umgeben  ist.  Sie  ist  in  fast  allen  Fällen  kugelrund  (0,007 — 0,01 
im  Dvu'chmesser)  und  besteht  aus  einem  hellen,  durchsichtigen  Plasma,  in  dem  der  grosse  Kern  (0,004 — 0,00ü  mm) 
mit  seinem  scharf  contourierten  Kemkörperchen  sich  scharf  imd  deutlich  hervorhebt.  Das  Dottermaterial 
erfüllt  als  Nahrungsdotter  den  übrigen  Teil  des  Eies ;  es  lässt  die  Eizelle  meist  ganz  frei,  so  dass  dieselbe 
imter  dem  Deckel  fast  immer  klar  hervortritt.  Ob  dieses  Dottermaterial  aus  noch  ganzen,  intacten  Dotter- 
zellen oder  aus  Bruchstücken  derselben  sich  zusammensetzt,  habe  ich  durch  directe  ßeobachtimg  nicht  fest- 
stellen können;  ich  glaube  jedoch  behaupten  zu  können,  dass  das  erstere  der  Fall  ist,  sowohl  der  Analogie 
mit  anderen  Trematodenformen  wegen,  als  auch  deshalb,  weil  in  den  Dottergängen  und  dem  Dotterreservoir 
nur  ganze,  unversehrte  Dotterzellen  sich  vorfuden  (cf.  oben  pag  28). 

Die  Beobachtung  Schauinslands  '),  dass  Eizellen  mit  zwei  Kernen  vorkommen,  ohne  dass  im  Proto- 
plasma auch  mu"  eine  Spur  von  beginnender  Zellteilung  bemerkbar  wäre,  kann  ich  bestätigen,  jedoch  lagen 
sie  bei  mir  fast  immer  unter,  nicht  neben  einander,  ein  Umstand,  der  noch  mehr  für  die  Wahrscheinlichkeit 
spricht,  dass  damit  der  Beginn  einer  Teilung  in  zwei  Zellen  angekündigt  ist. 

Was  nun  die  Eifiirchung  selbst  und  den  Verlauf  derselben  anbelangt,  so  entzieht  sich  dieser  infolge 
des  mehrfach  erwähnten  Ubelstandes  begreiflicher  Weise  sein-  bald  der  directen  Beobachtung.  Mit  Zuhülfe- 
nahme  der  Bilder  aber,  die  ich  von  einzelnen  späteren  Stadien  der  Klüftung  nach  der  Oonseryierung  durch 
Aufdi-ücken  zur  Anschauung  brachte,  glaube  ich  behaupten  zu  können,  dass  im  grossen  und  ganzen  der 
Prozess  kaum  anders  verläuft,  als  dies  dm-ch  Schauinslands  schöne  und  sorgfältige  Beobachtungen  für 
andere  Trematodenformen  festgestellt  worden  ist. 

An  das  bereits  erwähnte  Stadium,  bei  dem  sich  in  der  noch  einfachen  Eizelle  zwei  Kerne  vorfinden, 
schhesst  sich  zunächst  das  mit  zwei  gesonderten  Eizellen  an  (cf.  Fig.  24).  Diese  zwei  Zellen  sind  nicht  viel  kleiner 
als  die  ursprüngliche  Eizelle;  siezeigen  auch  unter  sich  keine  nennenswerten  G-rössendiflerenzen  und  liegen  in  der 
Längsaxe  des  Eies  hinter  einander.  Hierauf  bilden  sich  drei  Furchungskugeln,  die  aber  nicht  mehr  in  einer  Linie 
hintereinander  liegen,  sondern  von  denen  die  eine  stets  seitlich  aus  der  Längsaxe  heraustritt  (cf.  Fig.  25  u.  26); 


')  Schaninsland.    Beitrag  zur  Kenntnis  der  Embryonalentwickl.  der  Trematoden.    .Jenaische  Zeitschft.    16.  Bd.    pag.  479. 


-0®0  4:0  0®0- 

welche  der  beiden  vorher  vorhandenen  Zellen  durch  Teilung  diese  dritte  Zelle  liefert,  Hess  sich  nicht  fest- 
stellen. Auch  diese  drei  Furchungskugeln  sind  noch  sehr  gross  und  von  ungefähr  gleichem  Umfange;  dagegen 
ist  der  Nahrungsdotter  jetzt  schon  bedeutend  aufgebraucht;  derselbe  liegt  zwar  im  allgemeinen  noch  dem 
Deckelpol  gegenüber,  ist  aber  dadurch,  dass  die  neugebildeten  Zellen  sich  in  ihn  hineindi'ücken  und  ihn  zur 
Seite  drängen,  vielfach  seitlich  an  den  Eiwandungen  und  zwischen  den  Keimkugeln  nach  vorn  getreten, 
so  dass  seine  Menge  bei  Eiern  derselben  Entwicklungsstufe  häufig  ganz  verschieden  erscheint.  Bei  fort- 
schreitender Entwicklung  bilden  sich  nun  nach  und  nach  vier,  fünf  und  mehr  Furchungskugeln  (cf.  Fig. 
27 — 33),    deren  Zahl  nicht  in  jedem  Falle  leicht  festzustellen  ist,    da  sie  sich  häufig  gegenseitig  verdecken. 

Zugleich  beginnt  von  jetzt  ab  die  Grösse  der  neu  entstehenden  Embryonalzellen  allmählich  abzu- 
nehmen, in  demselben  Maasse,  als  das  wenige,  noch  vorhandene  Dottermaterial  aufgezehrt  wird.  Immerhin 
behalten  die  Bestandtheile  unter  sich  eine  nahezu  gleiche  Grösse  bei,  so  dass  derartig  bedeutende  Grössen- 
unterschiede,  wie  sie  Schauinsland  von  einer  Anzahl  der  von  ihm  untersuchten  Formen  beschreibt,  bei  unserem 
Di.stomum  maci-ostomum  nicht  angetroffen  werden, 

Es  beginnen  jetzt  auch  am  unteren  Eipole  helle,  stai'k  lichtbrechende  Tropfen  aufzutreten,  die  sich 
während  der  weiteren  Entwicklung  des  Embryos  zum  Teil  recht  stark  vermehren;  es  sind  dies  Ausscheid- 
imgen  des  sich  bildenden  Embryonalkörpers,  Producte  des  Stoffwechsels,  wie  solche  auch  vielfach  bei  Eiern 
anderer  Formen  am  Schlüsse  der  Embryonalentwicklung  vorgefunden  wurden.') 

Auch  eine  „Hüllmembran",  wie  sie  Schauinsland  nennt,  ist  bei  unserem  Wurme  vorhanden.  Dieselbe 
scheint  sich  sehr  früh  anzulegen,  da  sie  auf  dem  Stadium  der  Figur  31  fertig  vorhanden  ist,  und  zwar  wii'd 
die  Dottermasse  schon  vollständig  mit  von  ihr  umschlossen.  Ihre  Entstehung  geht  höchst  wahrscheinlich 
ganz  in  der  von  Schauinsland  angegebenen  Art  und  Weise  vor  sich;  bei  den  in  den  Figuren  31,  35  imd  36 
abgebildeten  Embryonalkörpem  beobachtete  ich  in  ihr  zum  Teil  am  Deckelpol,  zum  Teil  an  dem  entgegenge- 
setzten Ende  zellige  Elemente,  die  zwar  eine  ausserordentliche  Kleinheit  besitzen,  aber  doch  in  typischer 
Weise  dieselben  Bildungen,  wie  die  entsprechenden,  von  Schauinsland  gezeichneten  darstellen.  Beim  Ausdrücken 
des  Embryonalkörpers  aus  der  Schale  bleibt  die  Membran  auch  hier  meistens  ganz  oder  teilweise  zurück  (Fig.  31). 

über  die  Bildung  eines  Ecto-  und  Entoblastes  war  Genaueres  nicht  zu  beobachten;  ich  fand  Bilder 
(wie  sie  z.  B.  Figur  34  angiebt),  wonach  ein  Ectoblast  in  ganz  dünner  Schicht  den  gesammten  Embryo 
zu   überziehen  scheint;  mit  Sicherheit  konnte  ich  dies  jedoch  nicht  feststellen. 

Diese  gesammte  Embryonalentwicklung  wird,  wie  bereits  früher  hervorgehoben,  in  derselben  Zeit 
durchlaufen,  wähi-end  welcher  das  Ei  die  Länge  des  Uterus  passiert;  doch  ist  bei  den  nach  aussen  abge- 
legten Eiern  von  einer  Organisation  des  in  ihnen  enthaltenen  jimgen  Wurmes  mit  Sicherheit  so  gut  wie 
nichts  wahrzunehmen.  Aus  diesem  Grunde  versuchte  ich  die  Eier  längere  Zeit  aufzubewahren,  um  sie  wo- 
möglich zum  Ausschlüpfen  zu  bi'ingen,  wie  solches  von  einer  ganzen  Anzahl  anderer  Arten  bekannt  ist. 
Ich  zerzupfte  zu  diesem  Zwecke  ältere  Distomen,  deren  Uterusschlingen  reichlich  mit  reifen  Eiern  erfüllt 
waren,  wusch  die  so  gewonnenen  Eier  aus  den  anhängenden  Uterusfragmenten  aus ,  und  brachte  sie  mit 
Wasser  zum  Teil  in  Urschälchen,  zum  Teil  in  kurze  Glasröhren  von  1 — 2  cm  Höhe  und  ^/j  — */*  cm  Weite, 
deren  unteres  Ende  zugeschmolzen  war.    Um  das  Wasser  in  denselben  frisch  zu  erhalten,  setzte  ich  in  alle 


•)  cf.  Leuckart.    1.  c.     pag.  62;  Thomas  1.  c.     ])ag.  110. 


— o^      41      o5gc— 

einige  Lenina.  In  eine  Anzahl  anderer  Schiilchen  wurde  physiologische  Kochsalzlösung  gegeben,  noch  andere 
wurden  im  Brutofen  einer  constanten  Temperatur  von  ungefähr  19  "  Gels,  ausgesetzt.  In  allen  Fällen  erhielten 
sich  nun  die  auf  die  verschiedenen  Weisen  behandelten  Eier  gut,  die  Embryonen  blieben  ein  Vierteljahr 
lang  am  Leben,  aber  ein  selbstständiges  Ausschlüpfen  derselben  trat  nirgends  ein. 

Infolge  dieses  übereinstimmenden  Verhaltens  lag  nun  die  Annahme  am  nächsten,  es  möchte  ein  Ver- 
lassen der  Eischale  seitens  der  Embryonen  im  Freien  überhaupt  nicht  stattfinden,  vielmehr  die  Eier,  wie 
dies  von  Schauinsland  i)  für  Distomum  tereticolle  vermutet  und  von  Leuckart ")  für  Distomum  ovocaudatum 
nachgewiesen  ist,  mit  der  Nahrung  in  den  Darm  der  Schnecke  gelangen  und  dort  erst  infolge  mechanischer 
oder  chemischer  Einflüsse  die  Embryonen  frei  werden. 

Während  aller  der  vorerwähnten  Versuche  jedoch,  und  bevor  die  eben  ausgesprochene  Vermutung 
ihre  Bestätigung  finden  konnte,  strebte  ich,  durch  das  bereits  früher  vielfach  geübte  Conservieren  und 
Ausdrücken,  so  gut  es  ging,  einen  Einblick  in  den  Bau  und  die  (Jrganisationsverhältnisse  des  Embryos  zu 
gewinnen.  Waren  die  auf  diese  Weise  erlangten  Resultate  auch  düi-ftig  genug,  so  Hessen  sich  doch  immer- 
hin schon  einige  Eigentümlichkeiten  erkennen,  durch  welche  die  Embrj-onen  unseres  Wurmes  vor  allen  bis 
jetzt  bekannten  Formen  sich  auszeichnen. 

Der  aus  der  Schale  herausgedrückte  Embryo  erweist  sich  als  ein  sehr  lichtschwacher,  kleiner  Körper 
von  elliptischer,  der  Form  des  Eies  angepasster  Gestalt  von  0026  mm  Länge  und  0,019  mm  Dicke,  der 
nach  Behandlung  mit  ICssigsäure  und  Anfärben  mit  Ammoniakkarmin  zellige  Zusammensetzung  zeigt,  ob- 
gleich deutliche  Zellgrenzen  nicht  hervortreten.  Man  erkennt  auf  dem  optischen  Querschnitt  gegen  zwanzig 
scharf  begrenzte  und  mit  Kernkörperchen  ausgestatte  Kerne,  an  denen  eine  weitere  Differenzierung  kaum 
nachweisbar  ist,  höchstens  dass  einige  durch  bedeutendei'e  Grösse  sich  auszeichnen  (cf.  Fig.  39).  An 
beiden  Enden  besitzt  der  Embryo  je  ein  stachelartiges,  stark  lichtbrechendes  Gebilde,  über  deren  Function, 
namentlich  aber  über  die  des  hinteren,  ich  mir  vorläufig  keine  klare  Vermutung  zu  bilden  vermochte. 

Auf  der  einen,  und  zwar  meist  auf  der  etwas  flacheren  Seite,  zeigt  der  Körper  eine  von  einem  Ende 
zum  anderen  reichende,  cristenartige  Erhöhung  ohne  nachweislich  zellige  Structur,  auf  der  gegen  zwanzig 
starre  protoplasmatische  Fortsätze  stehen.  Dieselben  sind  stark  lichtbrechend,  am  Grunde  0,004  mm  dick, 
und  machen  mehr  den  Eindruck  von  Borsten  oder  Stacheln;  eine  Bewegvmg  vor  allem  war  an  ihnen  nie 
zu  bemerken.  Ungefähr  in  der  Mitte  zeigt  dieser  Borstenkamm  eine  Einkerbung,  von  der  aus  die  Fortsätze 
nach  den  beiden  Enden  des  Embryonalkörpers  hingerichtet  erscheinen  und  so  zwei  von  einander  getrennte 
Gruppen  bilden  (cf  Fig.  39).     Das  ist  alles,  was  ich  vor  der  Hand  an  den  Embryonen  beobachten  konnte. 

Da  ich  also  zu  der  Gewissheit  gelangt  war,  dass  dieselben  im  Freien  die  Eischale  nicht  verliessen, 
sondern  dass  es  der  Einführung  in  den  Verdaimgsapparat  der  Schnecke  bedurfte,  um  sie  aus  ihren  Hüllen 
zu  befreien,  versuchte  icli,  dieselben  an  Schnecken  zu  verfüttern.  Diese  Einführung  konnte  bei  der  Lebens- 
weise der  Succineen  im  Freien  auf  zweierlei  Weise  möglich  erscheinen.  Da  die  Schnecken  sehr  gerne  in 
das  Wasser  gehen  und  dieses  trinkend  aufnehmen,  so  lag  einmal  die  Möglichkeit  vor,  dass  die  embryonen- 
haltigen  Eier,  die  sich  ja,  wie  erwiesen,  im  Wasser  gut  und  lange  hielten,  mit  diesem  von  den  Tieren  auf- 


1)  1.  c.    pag.  487. 
')  1.  c.    pag.  66. 


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genommen,  anderseits  war  es  aber  auch  denkbar,  dass  sie  mit  den  Futterpflanzen  gefressen  wurden.  Der 
erstere  Weg  hat  auf  den  ersten  Blick  die  geringere  Wahrscheinlichkeit  für  sich;  denn  kommen  einmal  hier 
nur  diejenigen  Eier  in  Betracht,  die  mit  dem  Kote  der  Vögel  gerade  zufällig  in  das  Wasser  fallen,  so  werden 
diese  dm'cli  dasselbe  weiterhin  in  dem  Maasse  verteilt  und  auseinandergeführt,  dass  eine  lufection  auf  diese 
Weise  als  grosser  Zufall  beti'achtet  werden  muss.  Anders  bei  den  Eiern,  die  mit  dem  Futter  aufgenommen 
werden.  Bereits  bei  früherer  Gelegenheit  hob  ich  hervor,  dass  die  Eier  des  Distomum  macrostomum  sich  nicht 
in  dem  eigentlichen  Kote  des  W^irtes,  sondern  in  der  denselben  umgebenden  Harnschicht  vorfinden.  Diese  Harn- 
Bchicht  nun  breitet  sich  bei  dem  Herabfallen  der  Excremente  auf  ein  Pflanzenblatt  bei  ihrer  nahezu  flüssigen 
Consistenz  wie  ein  aufschlagender  Wasserti'opfen  viel  flächenhafter  aus ,  als  die  gröberen  und  trockneren 
Kotmassen;  sie  tritt  auch  mit  der  (.)berfläche  des  Blattes  in  eine  viel  innigere  Berührimg,  welche  einmal 
ein  rasches  Abspülen  durch  nachfolgenden  Regen  verhindert,  anderseits  aber  auch  dazu  beiträgt,  dass  selbst 
bei  ti'ockener  Luft  durch  den  Wassergehalt  des  Blattes  der  Eiinhalt  feucht  und  lebensfähig  erhalten  bleibt. 
Es  kommt  als  förderndes  Moment  in  dieser  Hinsicht  noch  ausserdem  in  Betracht,  dass  der  ausgebildete 
Wurm  namentlich  in  jungen  Vögeln  zur  Entwicklung  kommt,  bei  denen  ohnehin  die  Excrementstofife  viel 
dünner  und  flüssiger  sind,  als  bei  den  älteren  Tieren. 

Von  diesen  Erwägungen  ausgehend,  sammelte  ich  den  Kot  infizierter  Vögel,  hielt  ihn  feucht  und 
brachte  ihn  zum  Teil  in  Terrarien,  in  denen  ich  Succineen  hielt,  zum  Teil  streute  ich  ihn  an  geeigneten 
Stellen  des  Waldes  aus.  Von  mehreren  Himderten  von  hier  nach  einiger  Zeit  entnommener  und  untersuchter 
Schnecken  gelang  es  mir  zweimal,  in  der  Leber  einen  kleinen  Ballen  (0,0<S  mm)  zu  finden,  von  dem  vor 
allem  ausser  Zweifel  gestellt  werden  konnte,  dass  er  mit  der  Schnecke  in  keinem  organischen  Zusammen- 
hang stand  und  der  auch  in  seinem  Baue  Ähnlichkeiten  mit  gewissen  jungen  Sporocysten  aufwies ,  dessen 
Zugehörigkeit  zu  dem  Distomum  macrostomum  aber  nicht  zu  erweisen  war.  Über  den  letzteren  Punkt 
konnten  jedenfalls  nur  weitere  Versuche  sicheren  Aufschluss  ergeben;  immerhin  aber  war  doch  wenigstens 
die  Wahrscheinlichkeit  vorhanden,  dass  diese  Gebilde  dem  Entwicklungscyklus  unseres  Parasiten  ange- 
hören mochten. 

Bestärkt  wurde  ich  in  dieser  Vermutung  durch  eine  entsprechende  Beobachtung  von  Wagener^). 
Derselbe  spricht  sich  nämlich  dahin  aus,  es  bilde  sich  der  Embryo  des  Distomum  tereticolle  dii-ect  in  die 
Amme  um,  weil  er  in  einer  Anodonta  eine  hohle  kleine  Blase  von  0,01  mm  mit  zwei  von  ihr  ausgehenden 
dünnen  Schläuchen  gefunden  hatte,  die  beide  zusammen  Vs  mm  Länge  besassen.  Vor  allem  aber  enthielt 
das  Bläschen  Zellen,  welche  in  ihrem  Habitus  stark  an  die  Cerkarienkeime  erinnerten. 

Obgleich  nun  die  von  mir  in  der  Leber  der  betreffenden  Schnecken  beobachteten  kleinen  Bläschen 
noch  keine  Schlauchbildung  zur  Schau  trugen,  so  war  doch  nach  dem  eben  gesagten  durch  ihr  ganzes 
Aussehen  sowohl,  als  durch  ihr  Vorkommen  die  Annahme  nicht  ungerechtfertigt,  dass  sie  in  den  Entwick- 
lungscyklus unseres  Wurmes  hineingehören  möchten. 

Dass  aber  diese  Art  der  Untersuchung,  das  Ausstreuen  des  Vogelkotes,  sowie  das  spätere  Einsammeln 
von  Schnecken,  zu  zeitraubend  war,  ist  leicht  ersichtlich,  ebenso  dass  die  Resultate  dieser  Methode,  unsicher 
und    lückenhaft,    wie    sie    uatm-gemäss    waren,    in   keinem  Vergleich  zu  der  aufgewendeten  Zeit  und  Mühe 


')  Wagener.    Zeitschft.  f.  wiss.  Zool.    Bd.  9.    1858.    pag. 


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standen.    So  war  es  denn  im  nächsten  Jahre  mein  Bestreben,  wenige  Succineen  möglichst  stark  zu  infizieren 
ein  Zweck,  den  ich  durch  ein  einfaches  Verfahren  leicht  und  sicher  erreichte. 

Ich  verschaffte  mir  zunächst  möglichst  viele  Eier  durch  Zerzupfen  von  geschlechtsreifen  Distomen, 
und  brachte  dieselben  dann  mittelt  Pipette  und  Pinsel  mit  möglichst  wenig  Wasser  auf  ein  kleines  Stückchen 
Salat.  Diese  Salatblätter  wurden  dann  in  einem  kleinen  Glasschälchen  mit  aufgeschliffenem  Deckel  (Feucht- 
kammer) an  junge  Succineen  verfüttert,  die  vorher  1 — 2  Tage  gehungert  hatten. 

Von  diesen  infizierten  Schnecken  wurden  zur  Controle,  ob  der  Versuch  geglückt,  zunächst  die 
ersten  wieder  ausgeschiedenen  Excremente  untersucht.  In  diesen  fanden  sich  denn  auch  zu  menier  grossen 
Befriedigung  ausser  zahlreichen,  unversehrt  durch  den  Darm  hindurch  gegangenen  noch  nicht  völlig  reiten 
Eiern  auch  viele  abgedeckelte  und  ihrer  Insassen  entledigte  Eischalen  vor;  ein  Zeichen  also,  das  thatsächlich 
ein  Ausschlüpfen  der  Embryonen  und  anknüpfend  daran  wahrscheinlich  eine  Infection  stattgefunden  hatte. 
Bei  der  unmittelbar  darauf  vorgenommenen  Untersuchung  des  Darminhaltes  konnten  jedoch  trotz  eifrigster 
und  anhaltender  Bemühungen  freie  Embryonen  niemals  aufgefunden  werden.  Ich  setzte  dann  den  Rest 
dieser  gefütterten  Schnecken  in  besondere  Terrarien  und  untersuchte  sie  nach  8 — 14  Tagen  genauer.  Wieder- 
holt fand  ich  nun  hier  die  schon  vor  Jahresfrist  beobachteten  runden  Ballen,  die  in  einzelnen  Fällen  auch 
schon  einige  kleine  seitliche  Ausbiichtimgen  geti-ieben  hatten ,  die  ersten  Anzeigen  einer  Verästelimg ,  wie 
sie  später  in  so  ausgedehntem  Maasse  auftritt.  Nach  14  Tagen  bis  3  Wochen  hatten  nun  die  kleinen 
Sporocysten  ein  Aussehen  erlangt  ganz  gleich  demjenigen,  welches  die  von  Wagener  beobachteten  Bläs- 
chen aufwiesen. 

Um  nun  die  noch  fehlenden  jüngei-en,  sowie  ältere  Entwicklungsstadien  möglichst  alle  zur  An- 
schauung zu  bringen,  wurden  erneute  und  zahlreichere  Fütterungen  vorgenommen.  Dabei  wurde  ich 
übrigens  noch  sehr  vom  Glück  begünstigt,  indem  ich,  trotz  des  vorgerückten  Sommers  1887  mehrere  Nester 
mit  jimgen  Insectenfressern  erlangte,  die  mir  wieder  reichliche  Mengen  ausgewachsener  Distomen  lieferten, 
so   dass  ich  später  einige  Hundert  infizierter  Schnecken  zur  Verfügung  hatte. 

Da  nun,  wie  schon  früiier  erwähnt,  in  den  Fäces  der  Versuchstiere  die  reifen  Eier  wohl  abgedeckelt 
waren,  im  Darm  aber  trotzdem  freie  Embryonen  nicht  beobachtet  werden  konnten,  da  ich  ferner  tand,  dass 
die  Eier  auch  schon  im  vorderen  Teil  des  Darmes  entleert  waren,  so  blieb  nur  die  Annahme  übrig,  es  ge- 
schehe das  Ausschlüpfen  erstens  ganz  im  Anfange  des  Darmtractus,  und  weiter  es  durchsetzen  die  Embryonen 
schon  ganz  kurze  Zeit  darauf  die  Darmwände,  um  in  die  Leibeshöhle  einzudringen.  So  verweilen  sie  nur 
ganz  kurze  Zeit  in  dem  Darme  und  können  dann  begreiflicher  Weise  im  hinteren  Theil  desselben  nicht 
mehr  zur  Beobachtung  kommen. 

Jetzt  nahm  ich  nun  Schnecken,  die  wiederum  12 — 24  Stunden  gehungert  hatten,  Hess  sie  den  mit 
Eiern  bestrichenen  Salat  fressen  und  untersuchte  bereits  nach  10 — 15  Minuten  den  Magen  sammt  Inhalt. 
Sofort  fielen  mir  lebhaft  flimmernde  und  unstät  umherschwimmende,  infusorienartige  Tierchen  auf,  in  denen 
ich  alsbald  trotz  ihrer  lebhaften  Bewegung  die  Embryonen  des  Distomum  macrostomum  wiedererkannte. 
Ihre  Natur  als  Distomenembryonen  offenbarten  sie  ganz  augenfällig  dadm-ch,  dass  sie  nicht  um  die  ihnen 
entgegenstehenden  Hindernisse  herumschwimmen,  sondern  dieselben  unter  vermehrter  Thätigkeit  der  Flimmer- 
bewegung mit  dem  Kopfzapfen  zu  durchbohren  versuchten;    denn    es    zeigte  sich  hier,    dass  die  früher  als 

borstenartige  Fortsätze  beschriebenen  Gebilde  thatsächlich  Flimmerhaare  sind.      Sowohl   beim    Schwimmen 

6* 


-0*0        44        O®0- 

als  bei  diesen  Bohrversuehen  war  der  Fleischzapfen  am  hinteren  Körperende  lang  und  dünn  ausgezogen 
und  diente,  seinen  Bewegungen  nach  zu  urteilen,  dem  Tiere  als  Steuer  (cf.  Fig.  ■•}7).  Nach  kürzerer  oder 
längerer  Zeit  lebhaften,  eigentümlich  taumelnden  und  drehenden  Umherschwimmens  wurden  sie  allmählich 
matt  und  blieben  einige  Zeit  liegen.  Während  dessen  zeigten  sie  nicht  selten  Contraction  des  Körpers  so. 
wohl  in  der  Längs-,  als  in  der  Querrichtung ,  Bewegungen  also ,  wie  sie  beim  Durchsetzen  des  Darmes 
wahrscheinlich  auch  ausgeführt  werden. 

Nachdem  ich  so  die  Gewissheit  eidangt,  dass  zum  Ausschlüpfen  des  Embryos  das  Gefressenwerden 
des  Eies  seitens  der  Schnecke  notwendig  war,  blieb  weiter  noch  die  Frage  offen,  ob  diese  Entleerung  des 
Eiinhaltes  ermöglicht  wird  lediglich  durch  die  chemische  Einwirkung  des  Magen-  resp.  Speicheldrüsensaftes, 
oder  ob  dasselbe  mechanisch  eine  Folge  der  Wirkung  der  Radula  ist.  In  letzterer  Hinsicht  schien  der 
Umstand  von  Bedeutung  zu  sein,  dass  die  Entfernmig  der  einzelnen  Radulazähne  von  einander  nur  wenig 
verschieden  ist  von  der  durchschnittlichen  Länge  der  Eier.  Directe  Beobachtungen  Hessen  sich  hier  freilich 
nicht  gut  anstellen. 

Um  die  chemische  Einwirkung  der  Magensäfte  auf  die  Eier  festzustellen,  zerzupfte  ich  ein  Distomum 
auf  einem  Objectträger  und  setzte  den  Magensaft  mehrerer  Schnecken  hinzu:  nach  einer  Stunde  waren  fast 
alle  Embryonen  ausgeschlüpft. 

Hierdm'ch  war  klar  bewiesen,  dass  der  chemische  Reiz  des  Magensaftes  allein  im  Stande  ist,  den 
Embryo  zum  Verlassen  der  Eischale  zu  bringen.  In  der  Folge  war  ich  jederzeit  leicht  in  der  Lage, 
lebende  Embryonen  zur  Ansicht  zu  bringen.  Um  bei  diesen  Experimenten  mit  möglichst  reinem ,  durch 
Nahrungsbestandteile  wenig  verunreinigtem  Magensafte  experimentiei'en  zu  können,  warf  ich  Schnecken,  die 
längere  Zeit  nichts  zu  saufen  bekommen  hatten,  in  Wasser,  nahm  sie  nach  einiger  Zeit  heraus  und  schnitt 
ihnen  den  Kopf  ab.  Den  jetzt  hervorquellenden,  prall  gefüllten  Magen  nahm  ich  vorsichtig  heraus,  brachte 
ihn  auf  einen  Objetträger  und  Hess  seinen  Inhalt  unter  ein  Deckgläschen  laufen,  unter  dem  sich  bereits 
Eier  in  möglichst  wenig  reinem  Wasser  befanden.  Das  Ausschlüpfen  ging  dann  schneUer  von  statten,  wenn 
der  Objecttisch  auf  18 — 20  "  erhitzt  wiirde. 

Die  Beobachtung  des  lebenden,  frei  schwimmenden  Embryos  setzte  mich  nun  zwar  nicht  in  den 
Stand,  der  bereits  früher  gegebenen  anatomischen  Beschreibung  wesentlich  Neues  hinzuzufügen,  wohl  aber 
bekam  ich  über  die  physiologische  Bedeutung  verschiedener  Eigentümlichkeiten  den  nöthigen  Aufscliluss, 
wie  dies  bei  Gelegenheit  schon  hervorgehoben  worden  ist. 

In  der  Nähe  des  vorderen  Körperendes  finden  sich  zwei  dunkler  hervortretende  Stellen.  Ferner 
tiifft  man  in  der  Mitte  des  Embryonalkörpers  einen  Absatz,  der  namentlich  deutlich  dann  hervorti-itt,  wenn 
der  Embryo  fest  liegt  und  die  oben  beschriebenen  Bewegungen  ausführt.  In  der  hinteren  Körperhälfte 
tritt  femer  regelmässig  ein  grösserer  heller  Fleck  mit  stark  lichtbrechenden  Köi-perchen  hervor.  Von  einem 
Gefässsystem  resp.  von  Flimmertrichtern  war  dagegen  niemals  etwas  wahrnehmbar. 

Diese  Thatsachen  liefern  überdies  den  Beweis,  dass  Steenstrup  ')  im  Irrtum  war,  wenn  er  mehrere 
ovale,  sehr  lebhafte,  flimmerhaarige  Tierchen,    die  er  in  den  ersten  Sommermonaten  in  den  Tentakeln  der 


')  Steenstrup.    1.  c.    pag.  105. 


— ^So     45     o®o- 

Succineen  auffand ,  und  die  der  <  )palma  ranaruni  Ehreiiljg.  nicht  unähnlich  waren ,  für  die  Jugendformen 
des  Leucochloridium  erklärte;  es  waren  dies  wirkliche  Infusorien,  keine  jungen  Würmer. 

Um  weiterhin  festzustellen ,  ob  die  Embryonen  auch  längere  Zeit  nach  der  Ablage  der  Eier  noch 
lebensfähig  bleiben  und  ihi-e  Schale  verlassen ,  wurden  die  Eier  unter  Anwendung  der  früher  schon  be- 
schriebenen Vorsichtsmassregeln  aufbewahrt  und  nach  vier  Wochen  in  gleicher  Weise  an  hungernde  Schnecken 
verfiittert.  Gleich  beim  ersten  V^ersuch  wurden  mehi'ere  ausgeschlüpfte  Embryonen  gefunden.  Es  ist  mir 
sonach  unter  Berücksichtigung  der  früheren  Beobachtungen  nicht  zweifelhaft,  dass  auch  noch  nach  längerer 
Zeit,  als  vier  Wochen,  bei  geeigneter  Verfütterung  ein  Ausschlüpfen  der  Embryonen  und  Entwicklung  des 
Keimes  stattfindet.  Gern  hätte  ich  diese  Vermutung  durch  weitere  Experimente  geprüft,  allein  der  in- 
zwischen hereingebrochene  Winter  gestattete  dies  nicht. 

Die  lange  Lebensfähigkeit  des  Embryos  bei  imserem  Wurme  ist  für  die  Erhaltung  der  Art  von 
grösster  Bedeutung,  ein  Umstand,  der  übrigens  begreiflich  genug  erscheint,  wenn  man  bedenkt,  wie  gering 
doch  eigentlich  die  Wahrscheinlichkeit  einer  Infection  mit  den  Eiern  für  die  Schnecke  ist  imd  um  wie 
vieles  sie  noch  geringer  sein  würde ,  wenn  nicht  die  in  Rede  stehende  Thatsache  als  förderndes  Moment 
hinzukäme. 

War  nun,  nachdem  der  richtige  Weg  einmal  eingeschlagen  ward,  die  Auffindung  der  ausgelaufenen 
Embryonen  im  Darm  leicht  und  mit  nennenswerten  Schwierigkeiten  nicht  verbunden ,  so  gelang  es  mir 
trotz  der  eifrigsten  Bemühungen,  trotz  wiederholter  Fütterungen  mit  massenhaften  Eiern,  trotz  stundenlangen 
Suchens  niemals ,  die  Embryonen  nach  der  Durchbohrung  der  Darmwände  im  Blute  oder  in  den  Organen 
der  Schnecken  aufzufinden;  bei  der  Kleinheit  der  Tiere  und  ihrer  zarten  Beschaifenheit  ist  dies  jedenfalls 
niclit  zu  verwundern. 

Ich  verliess  micli  deshalb ,  um  zugleich  mein  Material  nicht  allzusehr  anzugreifen ,  auf  die  Unter- 
suchung mittelst  der  Schnittmethode.  Es  wurden  in  immer  grösseren  Zeiträumen  nach  der  Fütterung  je 
eine  Anzahl  der  infizierten  Schnecken  conserviert  (V2,  1  Tag,  2,  3  und  so  fort  bis  8  Tage,  2,  3  und  so  fort 
bis  8,  12  Wochen),  so  dass  mir  eine  ununterbrochene  Entwicklungsreihe  der  Sporocyste  von  der  Infection 
an  in  conserviertem  Material  zur  Verfügung  stand. 

Bei  der  nun  folgenden  Untersuchung  stellte  sich  zunächst  heraus,  dass  die  Embryonen  bei  dem 
Bemühen,  die  Darmwand  zu  durchsetzen,  wahrscheinlich  den  Flimmerkamm  einbüssen.  Wenigstens  war 
bei  den  Individuen,  welche  ich  in  der  Darmwaud  auffand  und  die  ich  mit  Bestimmtheit  für  die  Embryonen 
des  Distomum  in  Anspruch  nehmen  kann,  kein  solcher  mehr  wahrzimehmen.  Definitive  Entscheidung  möchte 
ich  hierübe  jedoch  nicht  trefi'en,  da  alle  die  hierhergehörigen  meiner  Präparate  aus  irgend  einem  Grunde 
zu  wünschen  übrig  lassen,  und  ich  nicht  mehr  in  der  Lage  war,  neue  Infectionen  machen  und  an  besserem 
Material  prüfen  zu  können.  Unwahrscheinlich  ist  übrigens  ein  solches  Abwerfen  der  Flimmerung  von  vorn 
hereüi  nicht,  da  es  bei  mit  vollständigem  Flimmerkleid  ausgestatteten  Formen  direct  beobachtet  worden 
ist.*)  Zu  beachten  ist  aber,  dass  bei  diesen  Formen  die  FHmmerhaare  mit  den  Zellen  des  Ectoderms  zu- 
gleich abgelöst  werden;  es  müsste  also  bei  unserem  Tiere  entsprechend  ein  Abwerfen  des  Ectoderms  statt- 
finden, wenn  auch  vielleicht  nur  partiell  in  Gestalt  des  Flimmerkammes. 

')  Leuckart.  Zur  Entwicklungsgesch.  d.  Leberegels.  Zool.  Anz.  1881.  Sep.-Abd.  pag.  3  und  Archiv  für  Naturgesch. 
48.  Jahrgang.    1.  Bd     pag.  98.     1882.  


Die  Sporoeyste  und  ihre  Entwicklung. 

Nach  der  Durchwanderimg  der  Darmwände  scheinen  die  Embryonen  sehr  bald  zu  ermatten;  sind 
sie  eine  grössere  oder  geringere  Strecke  in  die  dem  Darme  anliegenden  Organe  hineingedrungen,  so  bleiben 
sie  an  Ort  imd  Stelle  liegen.  Ein  Umtrieb  derselben  im  Schueckenkörper  durch  das  Blut  findet  nicht  statt, 
so  dass  jetzt  die  vielen  vergeblichen  Bemühungen,  die  Embryonen  im  Blut  aufzufinden,  erklärlich  erscheinen. 
Übrigens  würde  eine  derartige  Beförderung  mittelst  der  Blutwelle  auch  nur  dann  als  geboten  erscheinen, 
wenn  etwa  die  späteren  Sitze  der  aus  den  Embryonen  hervorgehenden  Spoi'ocysten  von  dem  Anfangsteile 
des  Darmes  sehr  entlegen  wären;  hier  aber,  wo  sämmtliche  Eingeweide  auf  engem  Räume  dicht  verpackt 
liegen,  dürfte  dies  von  vorn  herein  unnötig  sein. 

Wie  erwähnt,  ist  die  Wanderung  der  jungen  Würmer  [niemals  eine  grosse;  während  einzelne, 
vielleicht  auf  irgend  eine  Art  begünstigte  verhältnismässig  weit  sich  vom  Darme  entfernen,  gelingt  es  anderen 
kaimi,  die  denselben  umgebende  Bindegewebshülle  völlig  zu  durchsetzen;  immer  aber  sind  es  nicht  die 
Organe  selbst,  welche  von  ihnen  aufgesucht  werden,  sondern  nur  das  diese  umgebende  Bindegewebe,  [in 
welchem  jedenfalls  das  Vordringen  ein  leichteres  ist.  Es  hängt  hiermit  auch  zusammen,  dass  eine  besondere 
Auswahl  des  definitiven  Wohnsitzes,  resp.  eine  Bevorzugung  eines  gewissen  Organes  nicht  stattfindet;  denn 
bei  einer  halbwegs  starken  Infection  triff't  man  die  jungen,  sich  entwickelnden  Sporocysten  in  den  Binde- 
gewebszügen  der  Zwitterdrüse  ebensowohl,  als  in  der  Leber;  bemerkenswert  ist  nur,  dass  es  immer 
allein  die  dem  Anfangsteile  des  Darmes  dicht  anliegenden  Teile  der  genannten  Organe  sind,  welche 
bewohnt  erscheinen. 

An  der  Stelle  nun,  wo  er  zur  Ruhe  gekommen  ist,  wächst  der  Embryo  zur  Sporoeyste  aus.  Dieser 
Prozess  ist  im  grossen  und  ganzen  ein  sehr  einfacher,  indem  er  in  der  Hauptsache  zuerst  in  einem  Wachs- 
tum durch  Vermehrung  der  Elemente,  später  dann  in  einer  weiteren  Difterenzierimg  derselben  besteht. 

In  den  ersten  Tagen  nach  der  Verfütterung  zeigt  sich  die  Sporoeyste  als  ein  kleines  Bläschen  von 
mehr  oder  minder  der  Kugelform  angenäherter  Gestalt,  das  sich  nur  durch  die  etwas  bedeutendere  Grösse 
(0,035)  und  den  Mangel  der  Locomotious-  und  Bohrapparate  von  dem  Embryo  unterscheidet;  an  die  Stelle 
der  letzteren  ist  jetzt  eine  mit  Kernen  durchsetzte,  distincte  Hülle  getreten,  welche  in  Gestalt  einer  zarten 
Membran  die  Körpermasse  umgibt  und  dieselbe  von  dem  umgebenden  Gewebe  der  Schnecke  scheidet. 

Im  Inneren  ist  inzwischen  eine  merkliche  Vermehrung  der  Zellen  eingetreten,  welch  letztere  mehr 
an  den  grossen  Kernen  mit  deutlichem  Kernkörperchen,  als  an  den  nicht  eben  deutlich  hervortretenden 
Zellgrenzen  erkennbar  sind.  Diese  Vermehrung  scheint  dm'cli  eine  directe  Kernteilung,  die  leicht  zu  sehen 
ist,  eingeleitet  zu  werden;  es  treten  erst  zwei  Kernkörperchen  auf,  die,  nachdem  sie  zuerst  dicht  neben 
einander  lagen,  mehr  und  mehr  von  einander  wegrücken,  wähi-end  zugleich  eine  Scheidewand  die  Masse 
des  Kernes  in  2  Teile  spaltet;  später  runden  sich  dann  auch  diese  neuen  Kerne  ab,  indem  sie  sich  zugleich 
von  einander  entfernen.  Ob  auch  im  Protoplasma  Teilungsvorgänge  stattfinden,  ist  nicht  zu  sehen,  da  wie 
gewöhnlich  die  Zellgrenzen  nicht  deutlich  sind. 

Diese  Art  der  Vermehrung  scheint  für  die  jungen  Sporocysten  die  Regel  zu  sein.  Ich  fand  sie  nicht 
nur  bei  denen  des  Distomum  macrostomum,  sondern  auch  bei  den  entsprechenden  Entwicklungsstadien  des 


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Distonmm  hepaticum,  tlie  ich  zur  Vergleichimg  heranzog,    dessen   Elemente  überdies  den  Vorzug  besitzen, 
dass  sie  viel  klarer,  deutlicher  und  grösser  sind,  als  die  des  ersteren. 

Ausser  der  directen  kommt  aber  auch  eine  Vermehrung  der  Zellen  auf  mitotischem  Wege  vor:  bei 
Distomum  hepaticum  wenigstens  gelang  es  Leuckart  wiederholt,  schöne  Kernteilungsiiguren  zu  beobachten 
Bei  Distomum  macrostomum  sind  sie,  wenn  sie  überhaupt  vorhanden,  doch  nicht  erkennbar. 

Die  äussere  Hülle  der  Sporocyste  besitzt  eine  Dicke  von  0,0005  mm;  die  in  ihr  enthaltenen  Kerne 
(0,'002  mm)  sind  oft  sehr  zahlreich;  auf  einem  einzigen  Schnitte  zählte  ich  einmal  deren  sieben,  ein 
Zeichen,  dass  das  Wachstixm  ein  sehr  energisches  ist  und  mit  ziemlicher  Schnelligkeit  vor  sich  geht. 
Mitunter  hält  dieses  mit  dem  des  Inhaltes  nicht  ganz  gleichen  Schritt,  indem  die  Hülle  schneller  wächst 
als  die  Innenmasse;  es  bildet  sich  dann  hier  zeitweilig  ein  Missverhältnis  heraus,  welches  aber  nicht  bestehen 
bleibt,  sondern  beim  ferneren  Wachstum  regelmässig  wieder  verschwindet.  Eine  analoge  Erscheinung  konnte 
auch  bei  den  Keimballen  beobachtet  werden  und  zwar  hier  nicht  nur  auf  Schnitten,  sondern  auch  an  lebenden 
in  ihrer  Flüssigkeit  schwimmenden  Objecten.  War  ich  anfangs  geneigt,  diese  Erscheinung  als  eine  patho- 
logische anzusehen,  so  blieb  es  doch  auffällig,  dass  dieselbe  so  häufig  und  nahezu  stets  auf  dem  gleichen 
Entwicklimgsstadium  auftritt,  so  dass  doch  die  Annahme  einer  künstlich  hervorgebrachten  Störung  ausge- 
schlossen erscheint.  Was  bei  den  Keimballen  die  Ursache  für  ein  derartiges  ungleiches  Wachstum  sein 
mag,  kann  ich  nicht  sagen,  bei  der  jimgen  Sporocyste  aber  fällt  es  zusammen  mit  der  ersten  Anlage  des 
inneren  Hohlraumes,  der  später  bei  der  reifen  Sporocyste  das  gesammte  Schlaiichwerk  durchsetzt:  durch 
verzögertes  Auftreten  dieser  Höhlung  mag  vielleicht  eine  vorübergehende  Ungleichmässigkeit  im  Wachstum 
der  Oberfläche  imd  des  Inhaltes  eintreten,  die  aber,  wie  hervorgehoben,  später  sich  ausgleicht,  sowohl  bei 
den  Sporocysten,  wie  bei  den  Keimballen,  so  das.s  die  innere  Zellenmasse  der  umhüllenden  Haut  anliegt, 
ungefähr  wie  der  Primordialschlaixch  der  Pflanzenzelle  der  Zellmembran. 

Über  Entstehung  dieser  Sporocystenhaut  habe  ich  bestimmtes  nicht  beobachten  können;  die  Kerne 
in  ihr  beweisen,  dass  sie  einen  zelligen  Ursprung  hat. 

Das  Auftreten  der  bereits  erwähnten  inneren  Höhlung  des  Sporocystenkörpers  geschieht  nicht  ganz 
gleichmässig,  aber  innerhalb  der  ersten  8  Tage.  Die  jimgen  Sporocysten  haben  dann  eine  Grösse  von  un- 
gefähr 0,035  mm  im  Durchmesser  erreicht  und  in  der  Hauptsache  ihre  kugelige  Form  bewahrt;  im  Inneren 
beginnen  sich  jetzt  die  Elemente,  die  bisher  eng  aneinander  gedrückt,  keinen  zelligen  Character  erkennen 
Hessen,  zu  lockern  und  als  gesonderte,  wohl  gegeneinander  abgesetzte  Zellen  erscheinen.  Sie  stellen  sich 
dann  als  grosse  kugelige  Gebilde  (0,01  mm)  mit  feinkörnigem  Plasma  dar,  in  denen  der  helle  Kern  (0,006  mm), 
meist  excentrisch  gelegen,  mit  dem  scharf  begrenzten  Kernkörperchen  zu  erkennen  ist.  Auf  einem  Quer- 
schnitte gewährt  infolge  dieses  Aufbaues  die  Sporocyste  auf  diesem  Entwicklungsstadium  einen  Anblick, 
der  täuschend  an  die  Sti-uctiu-  des  Ovariums  bei  dem  ausgebildeten  Wurme  erinnert.  Diesen  eizellenartigen 
Character  bewahren  die  Elemente,  welche  den  Leibesraum  der  Sporocyste  erfüllen,  noch  bis  in  das  spätere 
Leben  ziemlich  lange  Zeit  fast  unverändert  bei. 

Nach  kurzer  Zeit,  zuerst  bei  einer  Grösse  von  0,08:0,06  mm,  begmnt  der  der  Membran  im  Inneren 
dicht  anliegende  Zellenbelag  sich  etwas  zu  verändern.  Es  tritt  nämlich  unter  der  Membran  ein  Saum 
hellen,  feinkörnigen  Protoplasmas  auf,  in  dem  wenige,  helle  Kerne  sichtbar  sind:  Das  erste  Auftreten 
einer  gesonderten  Hautmuskelschicht  im  Gegensatz  zu  dem  inneren  Keimepithel,  eine  entsprechende  Bildmig, 


-o®o     48     sSc- 

wie  sie  Julin  ')  bei  den  Ortliouectiden  fand.  In  diese  Schicht  finden  wir  später  die  Muskehi  gebettet;  die 
Anlage  eines  Teiles  derselben,  die  Ringrnuskiilatur,  scheint  schon  kurz  vor  der  Bildung  des  hellen  Saumes 
zu  erfolgen;  man  sieht  wenigstens  auf  Schnitten  an  den  Stellen,  wo  die  helle  Zone  noch  nicht  erscheint, 
an  der  Innenseite  der  Membran  Zellen  gelegen,  deren  Plasma  sich  in  lange,  peripher  verlaufende  Fortsätze 
auszieht,  die  mit  denen  der  benachbarten  Zellen  in  Verbindung  treten  (cf.  Fig.  48  MZ).  Die  Kerne 
dieser  Muskelzellen,  nur  noch  von  wenig  Protoplasma  umgeben,  liegen  als  buckelartige  Hervorragungen 
der  Innenseite  der  Sporocystenwand  dicht  an;  diese  selbst  erscheint  deutlich  doppelt  contouriert. 

Die  Ringmuskeln,  welche  ihre  periphere  Lage  dicht  unterhalb  der  Oberhaut  beibehalten,  werden 
im  Laufe  der  weiteren  Entwicklung  immer  deutlicher,  wenn  auch  die  einzelnen  Fasern  infolge  der  Streckung 
einen  geringeren'  Durchmesser  annehmen.  Bei  einer  Sporocyste  von  14  Tagen  erschienen  dieselben  auf 
Schnitten  als  scharf  hervortretende  feine  Punkte  oder  zarte  Fasern  von  nur  0,0005  mm  Dicke.  Das  Tier 
hat  während  dieser  Zeit  eine  Grösse  von  0,2:0,18  mm  erreicht  und  in  seinen  Teilen  eine  bedeutende  Weiter- 
entwicklung erfahren,  indess  die  der  Kugelgestalt  genäherte  Form  auch  hier  noch  ziemlich  vollkommen 
erhalten  ist.  Scharf  ti-itt  die  doppelt  contourierte  Membran  hervor;  unter  ihr  liegt  die  etwas  stärker  ge- 
wordene Hautmuskelschicht,  in  der,  dieser  genähert,  die  Ringmuskeln  verlaufen.  Der  Hautmuskelschicht 
liegt  das  Keimepithel  in  hier  meist  dreifacher  Lage  von  Zellen  an.  Dasselbe  beginnt  jetzt  durch  eine 
besondere  Haut,  die  Innenmembran,  sich  gegen  die  centrale  Höhlung  abzugrenzen.  Diese  Grenzmembran 
wird  wahrscheinlich  in  derselben  Art  und  Weise  wie  alle  häutigen  Gebilde  des  Sporocystenkörpers  ihren 
Ursprung  nehmen;  sie  besteht  wenigstens  aus  Zellen,  deren  Plasma  flächenhaft  ausgebreitet  ist  und  deren 
Kerne  noch  später  als  Verdickungen  und  Erhebungen  sichtbar  sind. 

Schon  auf  diesem  verhältnismässig  noch  jungen  Stadium  machen  sich  nun  Differenzierungen  geltend, 
die  in  ihrem  weiteren  Verlaufe  zur  Bildung  einer  neuen  Generation  von  Individuen  innerhalb  des  mütter- 
lichen Sporocystenkörpers  hinführen.  Es  beginnen  aus  dem  Keimlager,  dessen  Elemente,  wie  wir  schon 
früher  hervorgehoben,  so  auffällig  den  Habitus  typischer  Eizellen  zur  Schau  tragen,  einzelne  sich  heraus- 
zulösen und  in  den  inneren  Hohlraum  des  jungen  Blasenkörpers  hineinzufallen  und  dort  infolge  stetiger 
Teilung  zu  jenen  Gebilden  heranzuwachsen,  die  wir  unter  dem  Namen  Keimballen  in  der  Entwicklungs- 
geschichte, sämmtlicher  Distomen  wenigstens,  als  den  Ausgangspimkt  einer  neuen  Folge  von  Individuen 
kennen   gelernt  haben. 

Dass  diese  Keimlinge  in  der  That  dem  mehrschichtigen  Keimepithel  entstammen,  ist  nicht  schwer 
zu  erweisen;  man  findet  an  dem  inneren  freien  Rande  desselben  die  jungen  Keimballen  in  allen  möglichen 
Stadien  der  Entwicklung,  teils  schon  frei,  teils  noch  in  mehr  oder  weniger  fester  Verbindung  dem- 
selben anliegen. 

Vor  der  Ausbildung  der  inneren  Grenzmembran  fallen  diese  mm  ohne  weiteres  in  den  Binnenraum 
der  Sporocyste  herein;  ist  dieselbe  aber  völlig  entwickelt,  was  meist  in  der  dritten  Woche  geschieht,  so 
geht  dies  nicht  mehr  ohne  weiteres  an.  Sie  bleiben  dann  so  lange  unter  dieser  Grenzhaut  liegen  und  treiben 
diese  buckelartig  vor  sich  her,  bis  sie  dieselben  durch  fortgesetztes  Anwachsen  zum  Platzen  bringen  und 
nun  frei  in  den  Innenraum  gelangen  können.    Infolge  dieses  Umstandes  wird  die  Continuität  dieser  Membran, 


')  Julin.    Recherchea  sur  rorganis.  et  le  dövelop.  enibry.  des  Orthonectides. 


— 3®C        49         C®C- 

zumal  bei  jungen  Sporocysten,  wo  die  Keimballenbildung  eine  sehr  reichliche  ist,  beständig  gestört  und 
kann  bei  diesen  daher  nm-  selten  unverletzt  zur  Beobachtimg  kommen.  Später  verschwindet  in  ihr  auch 
die  zellige  Textur  mehr  und  mehr  (5  Wochen),  bis  zuletzt  nur  noch  die  Kerne  sichtbar  sind. 

Da  die  jungen  Keimballen,  sowie  ihre  ferneren  Schicksale  bis  zur  Umwandlung  in  die  Distomen- 
larve  in  einem  späteren  Abschnitte  Gegenstand  spezieller  und  eingehender  Betrachtung  sein  werden,  lassen 
wir  dieselben  jetzt  ausser  Acht  und  beschäftigen  uns  ausschliesslich  mit  der  Sporocyste  und  ihrer  fort- 
schreitenden Entwicklung. 

In  der  dritten  Woche  erfolgt  auch  die  Bildung  einer  zweiten,  unterhalb  der  früher  entstehenden 
Ringfaserlage  gelegenen,  longitudinal  verlaufenden  Muskelschicht.  Dieselbe  zeigt  sich  zunächst  eine  längere 
Zeit  von  der  Ringnuiskellage  durch  einen  breiten  Streifen  der  feinkörnigen,  hellen  Hautmuskelschicht  ge- 
trennt; erst  später,  wahrscheinlich  infolge  der  Dehnung  der  Sporocystenwand,  wird  dieser  Protoplasmastreifen 
dünner,  und  tritt  zuletzt  so  zurück,  dass  er  kaum  mehr  als  besondere  Zone  zu  erkennen  ist. 

Bis  gegen  das  Ende  der  zweiten  Woche  stellt  die  Sporocyste  wie  bereits  erwähnt,  noch  einen  kleinen 
Ballen  von  annähernd  kugeliger  Gestalt  dar;  von  diesem  Zeitpunkte  an  machen  sich  nun  allenthalben  kleine 
Buckel  und  Hervorragungen  bemerkbar,  die  ersten  Anfänge  der  später  so  massenhaft  auftretenden  Ver- 
ästelungen. Diese  kleinen  Höcker  nehmen  bald  an  Grösse  zu,  so  dass  man  in  der  dritten  Woche  schon 
mit  blossem  Auge  kleine  Schläuche  wahrnehmen  kann;  je  älter  dann  die  Sporocyste  wird,  je  weiter  sie 
wächst,  um  so  grösser  wird  die  Zahl  ihrer  Ausläufer.  Dass  diese  Proliferation  erfolgt,  um  einerseits  die  auf- 
nehmende Oberfläche  zu  vergrössern  und  andererseits  für  die  massenhaft  erzeugte  und  im  Inneren  verbleibende 
Brut  den  nötigen  Raum  zu  schatfen,  ohne  Ernährungsstörungen  herbeizuführen,  scheint  unschwer   erklärlich. 

Bald  reichen  denn  auch  die  primären  Verästelungen  nicht  mehr  aus  und  es  beginnen  die  bis  jetzt 
einfachen  Schläuche  selbst  wieder  Seitenzweige  zu  treiben  (5.  Woche).  Zuerst  ist  dies  bei  den  ältesten 
Schläuchen  der  Fall  und  zwar  wiedenini  zmiächst  an  ihrem  ältesten  Teile,  der  Basis. 

Es  hängt  diese  Thatsache  mit  dem  bereits  früher  vorgreifend  erwähnten  Umstände  zusammen,  dass 
das  Wachstum  des  Schlauches  ganz  ähnlich,  wie  dies  von  den  Wurzelfasern  der  Pflanzen  bekannt  ist,  nur 
in  der  Nähe  der  Spitze  stattfindet.  Man  kann  sich  von  der  Wahrheit  des  Gesagten  leicht  an  Schnitten 
durch  verästelte  Schläuche  von  6 — 7  Wochen  Alter  überzeugen,  wenn  man  den  histologischen  Bau  der 
Spitze  des  wachsenden  Schlauches  mit  dem  der  Basis  desselben  vergleicht. 

So  sieht  man  z.  B.  an  Längsschnitten  dui'ch  einen  wachsenden  Schlauch  der  jungen  Sporocyste  an 
der  Basis  die  quergeschnittenen  Ringmu.skeln  als  grosse  Punkte  auftreten.  Nach  vom  zu  werden  diese  aber 
immer  feiner,  bis  sie  zuletzt  in  der  Nähe  der  Spitze  gar  nicht  mehr  constatiert  werden  können,  so  dass  also 
die  Ringfasern  im  ganzen  ein  Verhalten  darbieten,  vollkommen  gleich  dem,  wie  es  die  ersten  sich  entwickelnden 
Fasern  bis  zu  ihrer  völligen  Ausbildung  in  der  jungen  Sporocyste  zur  Schau  trugen  (cf  Fig.  12). 

Es  entstehen  diese  Proliferationen  durch  lokal  verstärktes  Wachstum  der  Sporocystenwand,  indem 
zunächst  das  Keimepithel  stark  wuchert  imd  die  ganze  Schlauchwand  buckelartig  nach  aussen  hervorti-eibt. 
Es  entsteht  so  ein  anfangs  noch  ganz  solider,  von  Embryonalzellen  gebildeter  Zapfen,  dessen  Elemente  ur- 
sprünglich noch  alle  die  gleiche  Beschafienheit  zeigen.  Während  nun  aber  die  Spitze  weiter  wächst,  machen 
sich  an  den  älteren  Teilen  alle  die  Umbildungen  geltend,  die  wir  bereits  kennen,  uiid  es  tritt  zugleich  durch 
allmähliches  Auseinanderweichen  der  Wandzellen   eine  zenti'ale  Höhlung    auf,  die,   von  dem  Innenraum  der 


-o®o      50      ojgo- 

Sporocyste  ausgehend,  immer  weiter  in  den  sich  bildenden  Schlauch  vordringt.  Die  weitere  Metamorphose 
der  Wandbestandteile  nimmt  dann  ganz  den  gleichen  Verlauf,  wie  wir  ihn  bereits  früher  kennen  gelernt  haben. 

Die  Weiterentwicklung  der  Sporocyste  besteht  in  der  folgenden  Zeit  äusserlich  zunächst  und  vor- 
zugsweise in  einer  Verlängerung  und  Vermehrung  der  Verzweigungen,  die  nach  und  nach  eine  äusserst 
reichliche  Ausbildung  erfahren.  Mit  8  Wochen  haben  die  ältesten  dieser  Ausläufer  bereits  eine  recht  be- 
deutende Länge  erreicht;  einzelne  sind  bis  3,5  mm  Länge  herangewachsen  (cf.  Fig.  40 — 46). 

Das  Hervorwachsen  der  secundären  Seitenäste  hat  dabei  natürlicherweise  auch  Fortgang  genommen, 
doch  schreitet  die  Entstehimg  derselben  nicht  schneller  nach  vorn,  als  die  Spitze  des  primären  Schlauches 
weiterwächst,  so  dass  dabei  immer  die  jungen  eben  entstehenden  dieser  Sprossen  eine  gewisse  Sti-ecke  hinter 
der  Spitze  des  primären  Schlauches  ziu'ückbleiben  (cf.  Fig.  46);  sie  hören  ungefähr  in  der  Mitte  (1,8  mm)  des- 
selben auf,  sind,  wie  zu  erwarten,  hier  am  kleinsten  imd  nehmen  nach  der  Basis  hin  allmählich  an  Grösse 
zu.  Lifolge  dieses  Umstandes  scheinen  die  uuverästelten  Teile  der  wachsenden  Schläuche  um  so  länger  aus 
dem  Gewirrdes  übrigen  Genistes  hervorzuragen;  erhöht  wird  dieser  Eindruck  noch  durch  die  kolbige  An- 
schwellung, welche  dieselben  bald  an  ihrer  Spitze  erleiden,  eine  Anschwellung,  die  in  letzter  Instanz  hinführt 
zur  Bildung  jener  merkwürdigen,  fast  selbstständigen  Organe,  die  unsere  Sporocyste  vor  allen  übrigen  bis 
jetzt  bekannten  Arten  auszeichnen. 

Die  gesammten  Eigentümlickeiten,  welche  diese  Organe  in  fertigem  Zustande  in  anatomischer  sowohl, 
wie  in  histologischer  Hinsicht  aufweisen  (cf  pag.  13  und  15  ff.),  sind  nach  ferneren  vier  Wochen  in  der  Haupt- 
sache vollendet,  so  dass  wir  sagen  können,  es  ist  ungefähr  ein  Vierteljahr  notwendig  zm*  Entwicklung  vom 
Embryo  bis  zur  völligen  Ausbildung  der  ersten  reifen  und  gefüllten  Leucochloridiumschläuche.  Von  diesem 
Zeitpunkt  an  beschränkt  sich  die  Lebensthätigkeit  der  Sporocyste  Ln  der  Hauptsache  auf  die  Entwicklung 
weiterer  Depots  füi-  die  produzierten  Larven,  die  schliesslich,  wenn  keine  davon  gefressen  werden,  in  ganz 
bedeutender  Anzahl  nebeneinander  sich  finden  (cf.  Fig.  2).  Rechnen  wir  hierzu  weiter,  dass,  wie  meine  eigenen 
Erfahrungen  gelehrt  haben,  die  eigentlichen  Sporocysten  nicht  nur  einmal,  sondern  zwei,  vielleicht  auch  noch 
ein  drittes  Mal  überwintern  und  wahrscheinlich  nur  durch  den  Tod  des  Wohntieres  zu  Grunde  gehen,  so 
ergibt  sich  daraus  die  Thatsache,  dass  ein  einziges  Ei  unseres  Distomum  macrostomum  im  Stande  ist, 
natürlicherweise  unter  günstigen  Bedingungen,  eine  Nachkommenschaft  zu  erzeugen,  so  enorm,  dass  vielleicht 
niu:  wenige  seiner  Verwandten  in  dieser  Beziehung  sich  mit  ihm  messen  kömien. 

Wie  aber  unserer  heutigen  Erkenntnis  entsprechend  nichts  in  der  gesammten  lebenden  Schöpfung 
überflüssig  und  ohne  bedeutungsvollen  Grund  bestehend  erkannt  wird,  so  steht  auch  hier  die  ausserordentliche 
Productivität  der  Sporocyste  in  directer  und  augenfälliger  Beziehung  zu  der  geringen  Wahrscheinlichkeit, 
welche  sich  für  die  Beförderung  der  Brut  an  den  rechten  Ort  für  erfolgreiche  Weiterentwicklung  darbietet. 
Denn  es  ist  klar,  dass  die  reifen  Leucochloridien  dadurch,  dass  sie  so  täuschend  gewisse  Insectenlarven 
nachahmen,  in  hohem  Maasse  die  Aufmerksamkeit  ihrer  Feinde  auf  sich  lenken  und  dieselben  geradezu  zu 
ihrer  Vertilgung  auffordern  i);  es  ist  weiter  klar,  dass  in  der  That  eine  ganze  Anzahl  von  Vögeln  begierig 
die  Schläuche  verzehren  und  deren  Inhalt  in  sich  aufnehmen;  aber  unsere  Versuche  sowohl,  wie  die  früheren 
von  Zeller  haben  jedenfalls  unzweifelhaft  dargethan,  dass  von  allen  diesen  Vögeln  immer  nur  ein  geringer 

')  cf.  Zeller.    1.  c.    pag.  öTti. 


— o®o      51      o®o— 

Prozentsatz  auch  in  der  Lage  ist,  die  von  ihnen  aufgenommenen  Larven  zur  vollen  Entwicklung  bis  zur 
Geschlechtsreife  zu  bringen.  Schon  hieraus  ergibt  sich,  dass  bei  weitem  nicht  alle  der  erzeugten  Keime 
für  die  Erhaltung  der  Art  in  Beti-acht  kommen  können  und  dass  es  infolge  dieses  Ausfalles  einer  beträchtlich 
erhöhten  Productivität  der  Sporocyste  bedarf. 

Es  kommt  hierzu  aber  noch  ein  zweites.  Wir  können  jetzt  als  ausgemacht  betrachten,  dass  es  in 
der  Hauptsache  nur  junge  Vögel  sind,  welche  vorzugsweise  die  Distomenbrut  in  ihrem  Darme  gross  zu 
ziehen  vermögen.  Je  älter  die  Vögel  werden,  desto  mehr  schwindet  diese  Fähigkeit,  desto  mehr  schwindet 
zugleich  die  Fähigkeit,  die  bereits  ausgebildeten  und  im  Darme  befindlichen  Parasiten  daselbst  zu  erhalten. 
Ich  habe  oft  genug  Gelegenheit  gehabt,  zu  beobachten,  dass  von  Vögeln  eines  und  desselben  Nestes,  die 
alle  mit  der  gleichen  Anzahl  von  Schläuchen  gefüttert  worden  waren,  die  einen,  wenn  sie  einige  Wochen 
nach  der  Infection  untersucht  wurden,  eine  beträchtliche  Menge  reifer  und  gut  entwickelter  Parasiten  in  ihrem 
Darme  zeigten,  während  diejenigen,  die  länger  am  Leben  gelassen  wurden,  nach  kurzer  Zeit  fast  täglich 
in  dem  entleerten  Kote  abgestorbene  Parasiten  zeigten  und  schliesslich  bei  späterer  Untersuchung  nur  noch 
ganz  wenige  oder  gar  keine  Insassen  mehr  besassen.  Es  erhellt  also  aus  diesen  Befunden,  dass  der  aus- 
gebildete Wurm  jedenfalls  eine  lange  Lebensdauer  nicht  besitzt,  dass  ebenso  die  günstigsten  Aussichten 
für  seine  volle  Entwicklung  und  Ausbildung  zwischen  weiten  Grenzen  nicht  eingeschlossen  sind.  Endlich 
sind  auch  für  die  von  den  geschlechtsreifen  Distomen  produzierten  Eier  die  Bedingungen,  unter  denen  der 
in  ihnen  enthaltene  Embryo  sein  weiteres  Fortkommen  finden  kann,  wie  wii-  dies  bereits  oben  hervorgehoben 
haben,  nicht  grade  die  günstigsten:  begreiflich,  dass  unter  solchen  Umständen  die  Sporocj'ste  durch  reichliche 
und  ausgiebige  Production  von  Keimen  dafür  Sorge  tragen  muss,  den  Ausfall,  der  durch  die  Ungunst  der 
betreffenden  Bedingungen  für  das  erfolgreiche  Fortkommen  der  Briit  veranlasst  wird,  in  der  nötigen  Weise 
zu  decken. 

Über  die  äusserlich  sichtbai-en  Veränderungen,  welche  die  jungen,  eben  angelegten  grossen  Schläuche 
erfahren,  bis  sie  zu  ihrer  vollen  Grösse  und  Reife  herangewachsen  siml,  ist  bereits  an  li'üherer  Stelle  Aus- 
führlicheres mitgeteilt  worden  (cf  pag.  12  ff.),  so  dass  wir  hier  darauf  verweisen  können.  Ein  Umstand  er- 
scheint mir  aber  an  dieser  Stelle  noch  erwähnenswert,  dass  nämlich,  wie  dies  auch  sonst  im  Tierreiche  des 
öfteren  beobachtet  worden  ist,  die  Grösse  des  Tieres  in  einer  gewissen  Correlation  steht  zu  der  Ausdehnung 
seines  Wohnortes.  Es  zeigt  sich  oft  ganz  augenfällig,  dass  in  noch  kleinen  und  jimgen  Exemplaren  der 
Succinea  die  grossen  Schläuche,  obgleich  sie  völlig  reif  und  ausgefärbt  sind,  bei  weitem  nicht  die^Länge 
imd  Dicke  erlangen,  wie  in  einer  älteren  und  grösseren  Schnecke. 

Während  derselben  Zeit  hat  auch  die  Wandung  der  Sporocyste  sowohl,  wie  die  des  sich  ausbildenden 
Schlauches  eine  bedeutende  M^eiterbildung  und  Umformung  erfahren,  die  ebenfalls  schon  oben  (cf.  pag.  15  ff.) 
des  näheren  beschrieben  worden  sind.  Es  erübrigt  hier  nur  noch,  etwas  näher  auf  das  Keimepithel  und 
seine  Schicksale  während  des  Wachstums  des  Ganzen  einzugehen. 

Wir  haben  bereits  gesehen,  dass  die  jugendliche  Sporocyste  ursprünglich  aus  einem  gleichmässigen, 
embryonalen,  von  der  Hautschicht  umschlossenen  Grundgewebe  bestand,  welches  sich  später  in  dem  peri- 
pheren Teile  zur  Hautmuskelschicht  differenzierte  und  nach  innen  durch  eine  Membran  sich  gegen  die  vor- 
her entstandene  Schlauchhöhle  abgrenzte.  Wir  sahen  weiter,  dass  aus  der  zwischen  der  Hautmuskelschicht 
und  der  Binnenmembran  gelegenen,  mehrfachen  Lage   embryonaler  Zellen  die  Keimballen   ihren   Ursprung 


-o®o    52    o^c- 

nahmen;    gewöhnlich   zeichnen   sich  die   am    meisten  nach  der  Höhhmg  zu  gelegenen,    älteren  Zellen  durch 
eine  etwas  bedeutendere  Grösse  vor  denen  der  tieferen  Schichten  aus. 

Während  also  bei  diesen  jugendlichen  Sporocysten  der  gesammte,  den  Iniienraum  auskleidende 
Zellenbelag  noch  ein  einheitliches,  zusammenhängendes  Keimlager  repräsentiert,  aus  dem  die  Keimballen 
in  grosser  Menge  und  in  schneller  Folge  ihren  Ursprung  nehmen,  treten  bei  dem  weiteren  Wachstum  der 
Schläuche  die  bereits  früher  eingehend  dargestellten  Veränderungen  auf,  infolge  deren  auch  das  Keimepithel 
in  seiner  Continuität  gestört  und  auf  bestimmte  Stellen  der  Wand  lokalisiert  wird.  Ist  nun  schon  von  vorn- 
herein zu  erwarten,  dass  an  diesen  isolierten  imd  älter  gewordenen  Keimlagern  die  Production  weiterer 
Nachkommen  nicht  mehr  eine  so  rege  und  lebhafte  sein  wird,  wie  in  früherer  Zeit,  bedenkt  man  weiter 
dass  in  den  älteren  Sporocysten  jene  Keimlager  immer  spärlicher  werden  und  sich  immer  weniger  aus  dem 
übrigen  Wandbelag  hervorheben',  so  wird  begreiflich  werden,  dass  die  Erkenntnis  und  vor  allem  der 
directe  Nachweis  des  wahren  Sachverhaltes  sehr  schwierig  war. 


Die    Keimballen. 

Die  Entstehung  der  Keimballen  aus  der  m-sprünglich  continuirlichen,  später  in  einzelne  kleine  Inseln 
zerteilten  Lage  embryonaler  Zellen  in  der  Wand  der  Leucochloridiumschläuche»ist  bereits  mehrfach  er- 
wähnt worden. 

Wir  sahen,  dass  bereits  nach  14  Tagen  die  Höhlung  der  jungen  Sporocysten  mit  Keimkörpern 
verschiedener  Entwicklung  erfüllt  ist.  Es  wurde  auch  hervorgehoben,  dass  auf  einem  so  fi-ühen  Entwicklungs- 
stadium noch  leicht  der  Nachweis  gelingt,  dass  jedesmal  es  eine  einzelne,  dem  Keimepithel  der 
Sporocystenwand  entstammende  Zelle  ist,  die  den  Ausgangspunkt  ziu-  Bildung  der  neuen  Nach- 
kommenschaft liefert.  Entspricht  also  schon  in  dieser  Hinsicht  eine  solche  Keimzelle  fnnctionell  vollkommen 
der  Eizelle  des  Geschlechtstieres,  so  ist  auch  die  Übereinstimmung  im  äusseren  Habitus  beider  Elemente 
schon  mehrfach  als  eine  ganz  augenfällige  hervorgehoben  worden,  so  dass  eine  Gleichstellung,  wie  sie  von 
Leuckart  füi-  beiderlei  Gebilde  in  Anspruch  genommen  worden  ist,  ihre  volle  Berechtigung  hat. 

Die  Keimzellen  (0,01  mm)  besitzen  ein  feinkörniges  Plasma  und  hellen,  excenti-isch  gelegenen  Kern 
(0,006  mm)  mit  stark  contouriertem  Kernkörperchen.  Eine  Zellenmembran  haben  sie  eben  so  wenig  wie 
die  Eizellen.  Diese  erste  Embryonalzelle  teilt  sich  nun  in  2,  3  und  mehr  Zellen,  von  denen  gewöhnlich  eine 
die  anderen  an  Grösse  etwas  überragt.  Der  so  entstandene  Keimballen  bildet  auf  diesem  Stadium  einen 
Zellenhaufen  von  brombeerartigem  Aussehen,  an  dem  vorläufig  keine  weiteren  auffälligen  Bildungen  zu 
sehen  sind.  Die  Vermehrimg  der  Zellen  scheint  auf  directem  Wege  zu  erfolgen,  denn  man  findet  häufig 
Kerne  mit  zwei  oder  mehr  Kernkörperchen,  sowie  Zellen  mit  zwei  oder  drei  Kernen.  Die  Teilung  des  zu- 
gehörigen Protoplasmas  ist  schwieriger  zu  beobachten;  einmal  aber  war  ich  in  der  Lage,  eine  Teilung  im 
Protoplasma  als  deutliche  scharfe  Linie  sehen  zu  können. 

Der  erste  Fortschritt  in  der  Entwickkmg,  welchen  das  neu  entstandene  Wesen  erkennen  lässt,  ist 
wiederum  die  Differenzierung  emer  Hautschicht.     Schwarze*)  lässt  dieselbe  durch  allmähliche  Umwandlung 


.0  1.  c.    pag.  9. 


53 

der  peripheren  Zellen  des  Kcimköi-pers ,  die  er  Meristemzellen  nennt,  entstehen,  indem  „jede  Zelle  selbst- 
ständig in  diesen  Umwandlungsprozess  eintreten  soll,  so  dass  man  selten  mehr  als  drei  in  der  Metamorphose 
begriffene  Zellen  an  einer  Keimkugel  bemerkt.  Demnach  hat  die  Hautschicht  zwar  einen  zelligen  Ursprung, 
doch  gruppieren  sich  die  Zellen  nie  zu  einem  eigentlichen  Epithel;  man  kann  derartige,  in  der  Umwandlung 
begriffene  Zellen  noch  an  jungen  Cerkarien,  bei  denen  der  Schwanz  angelegt  ist,  erkennen". 

Demnach  will  es  mir  scheinen,  als  ob  Schwarze  sich  das  mit  der  Grössenzunahme  des  Keimballens 
verbundene  Flächen  Wachstum  dieser  Hautschicht  so  erklärt,  dass  von  der  Körpermasse  aus  immer  neue 
der  Peripherie  nahe  gelegene  Zellen  sich  umwandeln  imd  in  den  Complex  der  bereits  metamorphosierten 
Hautzellen,  jedenfalls  durch  Auseinanderweicheu  dieser  letzteren,  aufgenommen  werden.  Dieser  Ansicht 
kann  ich  nun  nach  den  Beobachtungen,  welche  ich  an  imserem  Tiere  machte,  nicht  zustimmen.  Schon  dass 
zwar  alle  peripheren  Zellen,  zu  gleicher  Zeit  aber  nicht  mehr  wie  drei  den  Umwandlungsprozess  eingehen 
sollen,  ist  etwas  ungewöhnliches,  denn  ein  einigermassen  plausibler  Grund  füi-  diese  Bevorzugung  der  Drei- 
zahl scheint  mir  kaum  erbringlich;  auch  konnte  ich  bei  meinen  jungen  Keimballen  nicht  drei,  sondern  oft 
sieben  und  mehr  Kerne  in  der  entstehenden  Hautschicht  auf  einem  einzigen  Schnitte  ringsherum  zählen. 
Demnach  wäre  es  jedenfalls  wahrscheinlicher,  dass  alle  peripheren  Zellen  zu  gleicher  Zeit  sich  aus  dem 
Verbände  der  übrigen  Keimzellen  loslösen  und  die  Membran  bilden,  so  dass  deren  Flächenwachstum  dann 
durch  allmähliche  Ausbreitung  dieser  Zellen  vor  sich  ginge.  Aber  auch  dies  scheint  mir  nicht  richtig,  und 
zwar  aus  folgenden  Gründen. 

Schon  früher  ei'wähnte  ich,  dass  es  ein  häufiges  Vorkommen  sei,  dass  das  Wachstum  des  Keim- 
ballens und  der  ihn  umgebenden  Haut  sich  nicht  immer  das  Gleichgewicht  hält,  dass  vielmehr  die  letztere 
zu  Zeiten  eine  schnellere  Grössenzunahme  aufweist,  als  jener.  Ein  solches  Verhalten  ist  aber  mit  der 
Schwarze'schen  Ansicht  nicht  zu  vereinigen,  vielmehr  nur  denkbar,  wenn  beide  Teile  ein  selbstständiges 
Wachstum  haben,  in  ihren  Elementen  also  nicht  direct  von  einander  abhängig  sind.  Es  würde  also  hieraus 
hervorgehen,  dass  die  Hautschicht,  nachdem  sie  sich  einmal  als  besondei-es,  von  den  übrigen  Zellen  des 
Keimballens  gesondertes  Gebilde  differenziert  hat,  von  diesem  keine  neuen  Elemente  mehi-  aufnimmt,  sondern 
sich  durch  seitliche  Teilung  ihrer  Zellen  vergrössert,  ganz  ähnlich  wie  es  Schauinsland  für  die  Elemente 
der  HüUraembran  bei  den  Embryonen  beschreibt. 

An  noch  ganz  jimgen  Keimballen,  die  nur  ungefähr  sechs  Kerne  im  optischen  Durchschnitte  zeigten, 
fand  ich  eine  grosse  calottenförmige  Zelle  mit  deutlichem  Kern,  welche  fast  die  Hälfte  des  Ballens  umfasste 
und  deren  Plasma  sich  stets  heller  als  das  der  übrigen  Zellen  färbte.  Nicht  selten  traf  ich  auch  Hüllzellen 
an,  deren  Kern  aus  zwei  einander  dicht  angelagerten  Teilen  bestand,  die,  wenn  auch  das  Plasma  keinerlei 
Teilungserscheinungen  aufwies,  doch  als  Anzeichen  einer  stattfindenden  Spaltung  aufgefasst  werden  konnten. 

Hiernach  scheint  es  mir,  als  ob  auch  die  Anlage  dieser  Haut  in  derselben  Art  und  Weise  erfolgt 
wie  es  Schauinsland  für  die  Hüllmembran  der  Embryonen  nachgewiesen  hat. 

Bei  einer  Grösse  von  ungefähr  0,025  mm,  zu  einer  Zeit,  wo  sich  imgefähr  12  Kerne  im  optischen 
Durchschnitte  zählen  lassen,  ist  der  Keimling  schon  völlig  von  der  Hautschicht  umschlossen. 

Später,  wenn  derselbe  auf  0,075  mm  herangewachsen  ist,  finden  wir  um  ihn  herum  unter  der  oberen 
Hautschicht  noch  eine  zweite  Hautlage  von  ganz  der  gleichen  Beschaffenheit  gelegen;  über  Art  und  Ent- 
stehung dieser  habe  ich  nichts  bestimmen  können.     Die  obere  ist  jetzt  gegen  die  Einwii-kung  des  Wassers 


-o®o      54      o®o- 

sehr  empfindlich  geworden  und  saugt  sich  stark  mit  demselben  voll,  während  die  untere  ganz  unverändert 
dem  Keimkörper  dicht  anliegen  bleibt.  Bemerkenswert  ist  hierbei,  dass  die  Kerne,  welche  ebenfalls  be- 
trächtlich aufquellen ,  jvöllig  frei  in  dem  hierbei  entstehenden  Hohlraum  zu  liegen  scheinen  fcf.  Fig.  51). 
Setzt  man  dem  Wasser  noch  etwas  Essigsäure  (1:500)  zu,  so  sieht  man  grosse  Blasen  in  ihr  entstehen, 
die  nach  einiger  Zeit  platzen.  Bei  den  entwickelten  Larven  war  eine  solche  doppelte  Haut  nicht  mehr  nach- 
zuweisen; entweder  war  sie  innerlich  verändert  und  homogen,  und  infolge  der  durch  das  Wachstum  bedingten 
Dehnung  sehr  dünn  geworden,  so  dass  sie  der  unteren  Schicht  ganz  dicht  auflag  und  nicht  mehr  nachzu- 
weisen war,  oder  sie  war  völlig  verschwunden,  so  dass  wir  hier  ein  Beispiel  der  Häutung  der  Larve 
während  ihrer  Entwicklung  vor  uns  hätten. 

Kurze  Zeit  nach  der  Bildung  der  ersten  Haut  (bei  einer  Grösse  der  Larve  von  0,025  mm),  kann 
man  unter  [dieser  einen  hellen  schmalen  Saum  wahrnehmen,  der  im  deutlichen  Gegensatz  steht  zu  dem 
inneren  sich  dunkel  färbenden  Teil;  wahrscheinlich  haben  wii-  hier  eine  der  Hautmuskelschicht  der  Sporo- 
cyste  entsprechende  Bildung  vor  uns,  aus  der  anscheinend  der  gesammte  Hautmuskelschlauch  nicht  nur, 
sondern  auch  das  Körperparenchym  seinen  Ursprung  nimmt,  während  aus  dem  inneren  Teile  die  verschiedenen 
Organe  entstehen.  Doch  konnte  etwas  Bestimmteres  über  die  Vorgänge  nicht  beobachtet  werden,  da  die 
jungen  Keimballen  mit  zunehmendem  Alter  bald  undiu-chsichtig  werden.  Es  kommt  hierzu  als  ein  fernerer 
Ubelstand,  dass  die  Objecto  auch  Wasser  nicht  vertragen  und  in  Glycerin  ein  gleichmässig  granuliertes 
Aussehen  annehmen.  Auch  Essigsäure  bewirkt  hier  keine  Aufhellung,  sondern  erteilt  der  'ganzen  Masse 
ein  bräunliches,  ti'iibes  Ansehen.  Da  ich  schon  früher  erkannt  hatte,  dass  die  Ursache  hiervon  eine  An- 
häufung von  Nahrungselementen  in  den  Zellen  der  Keimballen  war,  so  versuchte  ich  durch  Hungemlassen 
der  Schnecken  diesem  Übel  abzuhelfen,  hatte  hiermit  jedoch  keinen  Erfolg.  Auch  die  Anwendung  mannig- 
facher chemischer  Agentien  hatte  keine  bedeutende  Vorteile  im  Gefolge.  Die  besten  Resultate  erzielte  ich 
noch  mit  Benzin  und  der  Brass'schen  Flüssigkeit,  i)  Wurden  dann  die  ganzen  Sporocysten  mitsammt  ihrem 
Inhalte  schwach  mit  Hämatoxylin  oder  Boraxkarmin  gefärbt,  in  Kanadabalsam  gebracht  und  dort  erst  zer- 
zupft (Glycerin  ist  hier  wieder  unbrauchbar),  so  erhielt  ich  Präparate,  in  denen  sich  die  Anlage  und  all- 
mähliche Entwicklung  der  einzelnen  Organe  gut  verfolgen  Hess,  wenn  auch  zui-  genaueren  Beobachtung, 
namentlich  der  histologischen  Details,  Schnittpräparate  unumgänglich  notwendig  waren. 

Schon  bei  einer  Grösse  von  0,05 — 0,055  mm  kann  man  im  dimklen  Teile  des  Keimballens  eine  zarte 
Contoiu-  wahrnehmen,  welche  einen  rundlichen  ZeUhaufen  aus  der  übrigen  Körpermasse  abgrenzt.  Während 
nun  der  Keimkörper  sich  etwas  zu  strecken  beginnt  und  eine  mehr  ovale  Gestalt  annimmt,  folgt  dieser 
ersten  weiter  hinten  eine  zweite  solche  Linie:  die  Grenzmembranen  der  Saugnäpfe,  mnerhalb  deren^nach 
ganz  kurzer  Zeit  auch  schon  die  Entstehung  des  Lumens  zu  erkennen  ist. 

Bei  zarter  Tinction  kann  man  jetzt  deutlich  die  helle  äussere  Körperschicht  von  grossblasigem 
Aussehen  von  der  dunklen  inneren,  organbildenden  Masse  unterscheiden,  die  sich  in  mehrere  Gruppen,  an- 
scheinend drei,  zu  sondern  anhebt.     Doch  lassen  sich  genauere  Beobachtungen  über   das   weitere  Verhalten 


'1  Brass.     Biologische  Stud.    Hallo  a/S.     1883.    I.  Teil.    (1  gr.  Chromsäuro,  1  gr.  Platinchlorid,  1200  Wasser;  und  auf 
je  100  gr.  Wasser  1—3  Tropfen  Essigsäure.) 


— o®c      55      o®o— 

dieser  Zellencomplexe  und  namentlich  über  deren  Beziehungen  zu  den  später  auftretenden  Organen  der 
Undurchsichtigkeit  der  Massen  halber  mit  Sicherheit  nicht  anstellen. 

Bei  einer  Grösse  von  0,18:0,13  mm  zeigt  die  Larve  die  ersten  Conti'actionen;  die  Saugnäpfe,  sowie 
der  kurze  Zeit  nach  diesen  angelegte  Pharynx  heben  sich  jetzt  deutlich  als  spezifische  Gebilde  hervor.  Die 
Anlagen£von  Darm  und  Excretionsgefässsystem  sind  ungefähr  bis  in  die  Höhe  des  Bauchsaugnapfes  vor- 
geschritten und  treten  bei  dem  lebenden  Tiere  als  gerade  oder  nur  wenig  gebogene  helle,  beim  conservierten 
und  gefärbten  Objecto  als  dunkle,  gegabelte  Stränge  heraus.  Die  im  Hinterkörper  gelegene  Genitalanlage 
erscheint  noch  nicht  gesondert;  man  sieht  sie  als  noch  compacte  Masse  der  Hinterseite  des  Bauchsaugnapfes 
dicht  anliegend  und  nur  durch  eine  seichte  Einkerbimg  von  diesem  getrennt.  Erst  später,  wenn  die  Larve 
auf  0,35:0,16  mm  herangewachsen  ist,  hat  sie  sich  soweit  von  demselben  abgetrennt,  dass  wir  sie  als  ein- 
heitlichen rundlichen  Ballen  im  hinteren  Leibesende  vorfinden.  Verhältnismässig  spät  trennen  sich  aus 
diesem  die  einzelnen  Drüsen  ab;  es  haben  dann  auch  der  Darm,  die  Excretionsgefässe,  sowie  das  Nerven- 
system ihre  völlige  Ausbildung  erlangt. 

Mit  dem  hellen  äusseren  Saum  sind  inzwischen  auch  Verändei-ungen  vor  sich  gegangen;  die  ursprünglich 
aus  deutlichen,  blassen  und  runden  Zellen  bestehende  Masse  hat  sich  zuerst  am  Kopfe,  daim  weiter  nach 
hinten  fortschreitend,  allmählich  ganz  in  die  typische  Form  der  Körpergrundsubstanz  verwandelt.  Zur  Zeit 
der  Isolierung  der  Genitalanlage  haben  wir  nur  noch  im  äussersten  Hinterteile  des  Körpers  die  frühere 
indifferente  Beschaffenheit  desselben  vor  uns. 

Es  erübrigt  nun  die  bei  diesen  Entwicklungsvorgängen  stattfindenden 

histologischen    Prozesse 

etwas  näher  in's  Auge  zu  fassen.     Was  zunächst  die 

Hautmuskelschicht  anlangt,  so  wird  die  dreifache  Muskulatur  des  ausgebildeten  Tieres  selbst- 
verständlich schon  während  der  Larvenperiode  in  ihrer  späteren,  typischen  Form  vorgebildet,  doch  ist  es 
mir  nie  recht  gelungen,  die  ersten  Anfänge  der  Muskelbildung  zu  Gesicht  zu  bekommsn.  Gewöhnlich  be- 
merkt man  erst  das  Vorhandensein  der  Muskelbildung  bei  verhältnismässig  alten  Larven  (0,18 : 0,13  mm). 
Ich  kann  daher  auch  nur  wenig  über  die  Bildung  dieser  Muskeln  angeben.  Die  Ringzüge  sind  die  zuerst 
entstehenden  und  auf  Schnitten  nachweisbaren,  wie  denn  auch  die  karz  vorher  erwähnten  frühesten,  selbst- 
ständigen Bewegungen  der  jungen  Larven  in  einer  Contraction  dieser  eben  gebildeten  zirkulären  Muskel- 
züge bestehen.  Da  in  denselben  Kerne  nachweisbar  sind,  so  glaube  ich,  dass  dieselben  ganz  ähnlich  ent- 
stehen, wie  wir  dies  fi-üher  von  den  Muskeln  der  Sporocyste  kennen  gelernt  haben.  Erst  später  folgt  der 
Bildung  dieser  Ringfaserschicht  die  der  Längs-  und  Diagonalfaserlage. 

Der  Veränderungen,  welche  das  Körper parenchym  erleidet,  ist  schon  oben  kurz  gedacht 
worden.  Es  bildet  urspriüiglich  eine  gleichmässig  homogen  sich  färbende  Masse,  aus  der  nur  helle  Kerne 
mit  deutlichem  Kernkörperchen  heraustreten.  Mit  dem  Auftreten  der  Parenchymmuskelzüge  erhält  es  nach 
mid  nach,  durch  den  parallelen  Verlauf  der  Fasern  bedingt,  eine  regelmässig  säulenförmige  Structur,  die 
sich  namentlich  auf  Schnitten  deutlich  ausgeprägt   zeigt.      Schon  Leuckart  ^)  beobachtete   dies    anscheinend 


')  Leuckart.    Die  Parasiten  des  Menschen,     pag.  14.    11.  Teil. 


— o®o    56    c>ao— 

eigentümliche,  lamellöse  Verhalten  des  Parenchyms,  ohne  jedoch  zu  entscheiden,  ob  es  allem  eine  Folge  der 
Parenchymmuskelentstehung  ist. 

Man  kann  jetzt  auch  die  Elemente  des  ursprünglichen  Gewebes  deutlicher  erkennen;  es  besteht  aus 
grossen,  membranlosen  Zellen  mit  stark  sich  färbendem  Plasma,  deren  Kerne  gross,  hell  imd  mit  stark 
hervortretenden  Kernkörperchen  ausgestattet  sind.  Auch  diese  Zellen  haben,  gerade  wie  die  ursprünglichen 
Inhaltszellen  der  Sporocyste,  einen  indifferenten,  entschieden  eizellenartigen  Character,  der  erst  mit  dem 
Wachstum  und  den  weiteren  Umbildungen,  welche  das  Gewebe  erfährt,  verloren  geht. 

Diese  Umwandlung  des  Gewebes  schreitet,  wie  schon  gesagt,  von  vorn  nach  hinten  fort  und  beginnt 
zuerst  in  der  Mittellinie  des  Körpers,  von  da  nach  der  Körperwand  zu  fortschreitend,  so  dass  man  im 
Centrum  zuerst  umgewandelte,  heller  gewordene  Partien  antrifft,  während  die  peripheren  Teile  noch  völlig 
den  embryonalen  Typus  tragen.  Ein  derartiges  noch  in  der  Umwandlung  begriffenes  Körperparenchym 
ist  von  Looss^)  für  das  als  Larve  zu  betrachtende  Distomum  reticulatum  beschrieben  worden,  bei  welchem 
in  der  Körpermitte  bereits  umgewandeltes  Gewebe  zu  treffen  war,  während  die  peripheren  Teile  noch  einen 
indifferenteren  Character  zur  Schau  trugen  (cf.  Fig.  ö9). 

Noch  zur  Zeit,  wo  das  Tier  die  erste  Häutung  eingeht  (8  Wochen),  besitzt  ein  breiter  Streifen  des 
Körperrandes  das  gleichmässige  Aussehen,  ja,  einige  Teile  desselben  bewahren  es,  bis  der  Wurm  in  den 
Vogel  gelangt,  um  sich  erst  hier  zu  einem  spezifischen  Gebilde,  zu  den  Dotterstöcken,  umzuwandeln. 

Die  Entstehung  der  das  Parenchym  durchziehenden  Muskelfasern  lässt  sich  im  Gegensatz  zu  den 
Muskeln  der  Haut  klar  und  deutlich  verfolgen;  es  entstehen  dieselben  durch  Aneinanderlagerung  von  Zellen, 
deren  Plasma  sich  lang  auszieht.  Am  klarsten  sind  diese  Verhältnisse  sichtbar  an  den  von  der  Körperwand 
nach  den  Saugnäpfen  ziehenden  Fasern;  man  kann  bei  jungen  Stadien  sogar  die  Anzahl  der  Zellen  be- 
stimmen, welche  solch  einen  Muskel  zusammensetzen,  da  die  Kerne  sich  ziemlich  stark  aus  dem  lang  und 
dünn  sich  aufziehenden  Plasma  herausheben.  Bei  dem  zunehmenden  Wachstum  und  der  damit  verbimdenen 
Streckung  werden  dieselben  jedoch  immer  dünner  und  flacher,  so  dass  sie  später  nur  noch  sehr  selten  als 
Gebilde  spezifischer  Natur  zu  erkennen  sind.  Es  ist  deshalb  auch  kaum  zu  verwundern,  dass  dieselben 
nicht  öfter  beobachtet  werden;  nur  Kerbert*)  gelang  es  bei  Distomum  Westermani,  Kerne  mit  Sicherheit  in 
den  Muskelfasern  zu  constatieren. 

Der  D  arm  tr  actus.  Die  Bildung  der  die  Saugnäpfe  zu.erst  gegen  die  übrige  Körpermasse  ab- 
grenzenden Membran  erfolgt  in  derselben  Weise,  wie  wir  es  früher  bei  anderen  häutigen  Gebilden  des 
Tieres  kennen  lernten.  Zuerst  ist  sie  von  Schwarze*)  beschrieben  worden.  Das  Lumen  der  Saugnäpfe  jässt 
derselbe  durch  Einstülpung  sich  bilden.  War  mir  nun  schon  von  vom  herein  eine  solche  Entstehung  des  Lumens 
durch  „Einstülpung"  sehr  unwahrscheinlich,  so  gelang  es  mir  auch  nicht,  bei  der  Larve  des  Distomum 
macrostomum  auch  nur  die  Spur  eines  Prozesses  aufzufinden,  der  mit  dem  Namen  eines  Einstülpungs- 
prozesses belegt  werden  könnte.  Vielmehr  fand  ich,  dass  das  Lumen  durch  Spaltung  und  allmähliches 
Auseinanderweichen  der  central   gelegenen  Zellschichten  entsteht.     Der  Vorgang  ist  hierbei  folgender: 

Nachdem    die    durch    die  Membran   nach  aussen  begrenzten  beiden  Zellhaufen  eine  Zeit  lang  das 


M  1.  c.  pag.  432. 
')  1.  c.  pag.  544. 
")  1.  c.    pag.  13. 


—yso    57    o®o- 

inilifFerente  Aussehen  des  Ürmeristems  (Schwarze)  bewahrt  haben,  tritt  in  ihrem  Inneren  eine  Differenzierung 
auf,  indem  die  Bestandteile  verschiedene  Tinctionsfähigkeit  annehmen  und  zwar  so,  dass  ein  äusserer  hellerer 
und  ein  innerer  dunklerer  Teil  entsteht,  welch  letzterer  als  solider  Zapfen  in  die  hellere  Umgebung  einge- 
senkt erscheint.  Während  in  der  äusseren  Zone  vor  der  Hand  keine  Weiterbildung  bemerkbar  ist,  meta- 
morphosieren  sich  die  Zellen  des  Zapfens,  wobei  sie  heller  werden  und  ihre  Kerne  sowohl  wie  ihre  Grenzen 
mehr  und  mehr  hervortreten  lassen.  Bei  zunehmendem  Wachstum  der  Larve  beginnt  nun  dieser  Zapfen 
in  seiner  Mitte  allmählich  von  vorn  nach  hinten  sich  zu  spalten,  indem  die  Zellen  auseinander  weichen  und 
so  ein  Lumen  zwischen  sich  nehmen.  Auf  ganz  die  gleiche  Art,  durch  Spaltung,  geschieht  auch  die  Bildung 
des  Lumens  bei  dem  Pharynx  und  dem  Darme,  ebenso  wie  bei  den  Hauptstämmen  des  Escretionsgefäss- 
systems  und  den  Geschlechtswegen,  kurz,  so  weit  ich  es  beobachten  konnte,  bei  allen  röhrigen  Organen 
des  Larvenkörpers. 

Dass  das  Lumen  der  paarigen  Darmschenkel  auf  diese  Weise  entsteht,  hat  auch  Schwarze')  bei 
seinen  Cerkarien  gesehen ,  während  er  für  den  Pharynx  und  den  unpaaren  Darm  eine  Entstehung  des 
Lumens  auf  noch  andere  ^"^eise  in  Anspruch  nimmt,  nämlich  durch  Zerfall  der  axialen  Zellen.  Er  schreibt 
hierüber:  „Die  axialen  Zellen  erfahren  eine  eigentümliche  Metamorphose.  Sowohl  die  Kerne  wie  das 
Plasma  werden  allmählich  heller  und  nehmen  an  Grösse  zu.  Schliesslich  schwindet  das  Plasma  durch 
Resorption  oder  Ausleerung  nach  aussen,  wodurch  das  Darmlumen  entsteht."  Es  sind  dies  augenscheinlich 
dieselben  Umbildungsvorgänge,  wie  ich  sie  oben  bei  den  Zellen  des  Zapfens  in  den  Saugnäpfen  beschrieben 
habe.  Schwarze  fährt  dann  fort:  „Die  Zellkerne  der  axialen  Zellen  sind  noch  ziemlich  lange  innerhalb 
des  Lumens  nachweisbar." 

Anfangs  glaubte  ich  nun  diesen  Zerfallprozess  und  die  Producte  desselben  auch  bei  meinen  Larven 
zu  sehen.  Ich  beobachtete  auf  meinen  Schnittpräparaten  nämlich  im  Mundsaugnapfe  und  Pharynx  stets 
viele  Zellkerne,  deren  Auftreten  ich  mir  nur  mit  Hülfe  der  von  Schwarze  gegebenen  Deutung  erklären 
konnte:  dass  das  Lumen  hier  durch  Zerfall  der  axialen  Zellen  gebildet  werde,  obgleicli  es  mir  nicht 
recht  plausibel  erscheinen  mochte,  dass  hier  auf  einmal  ein  so  grundsätzlich  verschiedener  und  auch  sonst 
kaum  beobachteter  Prozess  der  Lumenbildung  statt  haben  sollte.  Spätere  Beobachtung  an  Objecten,  die, 
um  jedes  Kunstproduct  zu  vermeiden,  mit  grösstmöglicher  Sorgfalt  behandelt  worden  waren,  ergaben  denn 
auch  die  völlige  Berechtigung  dieser  Zweifel.  Auf  Präparaten,  die  ich  vor  dem  Einschmelzen  mit  Celloidin 
behandelt  hatte  und  an  denen  die  zartesten  Verhältnisse  wohl  erhalten  waren,  fand  ich,  dass  ein  Auswerfen 
von  Zellenelementen  nach  aussen  nicht  statt  findet,  dass  dieselben  vielmehr  der  Wand  aufliegen  bleiben  und 
bei  zunehmendem  Wachstum  der  Larve  allmählich  alle  in  die  das  Lumen  des  Saugnapfes  und  Phaiynx 
auskleidende,  zuletzt  einschichtige  Zellenlage  aufgenommen  werden.  Ein  Loslösen  einzelner  Kerne  und  ein 
Auftreten  derselben  innerhalb  des  Lumens  ist  auf  so  behandelten  Präparaten  bei  keinem  Entwicklungs- 
stadium unserer  Larve,  weder  im  Pharynx,  noch  in  dem  Lumen  anliegender  Organe  zu  constatieren. 

Aber  auch  das  Bild,  welches  Schwarze  in  Fig.  7  (vh)  gibt,  zeigt,  dass  er  den  meinigen  entsprechende 
Beobachtungen  gemacht  hat;  nur  durch  das  Vorhandensein  freier  Zellelemente  sah  er  sich  dann  zu  dem 
Schlüsse  gezwungen,  dass  das  Lumen  des  Pharynx  und  des  unpaaren  Darmes  anders  gebildet  werde,  als  das 


>)  1.  c.    pag.  16. 


-0®C        58        0®0  - 

der  paarigen  Darmschenkel.  Ich  meinerseits  vermute,  dass  bei  den  von  Schwarze  beobachteten  Cerkarien 
nicht  nur,  sondern  bei  allen  Formen  die  Bildung  der  Lumina  lediglich  durch  allmähliches  Auseinander- 
weichen der  ursprünglich  central  gelegenen  Zellen  ohne  Ausstossung  von  Elementen  vor  sich  geht. 

Der  äussere  Teil  der  Saugnäpfe,  welcher  bisher  sein  gleichmässiges  Aussehen  bewahrt  hatte,  be- 
ginnt jetzt  ebenfalls  sich  weiter  zu  differenzieren.  Es  fangen  zunächst  die  Radiärmuskeln  an,  sich  zu 
bilden  und  zwar  gerade  so  wie  die  Parenchymmuskeln  durch  Aneinanderlagerung  von  Zellen,  deren  Plasma 
sich  lang  auszieht;  meist  fand  ich  zwei  Kerne  in  den  einzelnen  Muskelfasern;  dieselben  sind  im  jugendlichen 
Alter  mit  einem  hellen  Plasmahof  umgeben,  sowie  mit  deutlichem  Kernkörperchen  versehen.  Beim  weiteren 
Wachstume  verschwindet  beides,  die  Kerne  sind  zuletzt  höchstens  noch  als  kleine,  knopfartige  Auftreibungen 
der  Fasern  bemerkbar.  Die  Entwicklung  derselben  ei-folgt  nach  und  nach;  während  erst  nur  wenige  vor- 
handen sind,  nehmen  sie  später  an  Zahl  immer  mehr  zu,  bis  sie  zuletzt  in  grosser  Menge  die  Wandungen 
der  Saugnäpfe  durchsetzen.  Durch  diese  Muskelzüge  wird  der  zelligen  Grundmasse  derselben,  gerade  wie 
dem  Körperparenchym  durch  die  Parenchymmuskeln,  das  Ansehen  eines  lamellösen  Baues  gegeben;  doch 
hat  hier  wie  dort  diese  Erscheinung  mit  der  Bildung  der  Muskeln  nichts  zu  thun,  sie  ist  lediglich  be- 
gleitender Nebenumstand. 

Diese  Grundsubstanz  behält  noch  ziemlich  lange  ihren  indifferenten,  zelligen  Character  bei;  erst 
nach  7  Wochen  sehen  wir  grössere  Bindegewebszellen  auftreten,  die  bei  der  Färbung  ein  gleiches  Ver- 
halten zeigen,  wie  es  Looss  ^)  für  die  entsprechenden  Elemente  des  Distomum  ti-igonocephalum  angibt 
(cf.  Fig.  62  BG).  Die  Zellen  treten  characteristisch  aus  der  übrigen  Masse  hervor,  sind  gross  und  haben 
ein  feinkörniges,  sich  dunkel  färbendes  Protoplasma;  der  Kern  ist  hell  und  mit  einem  stark  hervorti'etenden 
Kernkörperchen  versehen.  Je  älter  die  Larve  wird,  um  so  mehr  derartige  Gebilde  treten  auf;  jedoch  nehmen 
sie  den  ausgesprochen  grossblasigen  Charakter,  wie  wir  ihn  bei  dem  ausgebildeten  Wurme  kennen  gelernt 
haben,  erst  nach  der  Überführung  der  Larve  in  den  Vogelmagen,  also  während  der  letzten  Periode  der  Um- 
bildung in  das  geschlechtsreife  Tier  an. 

Des  Eintrittes  von  Körperparenchymmuskeln  in  die  Gewebe  der  Saugnäpfe  ist  bereits  bei  der  Be- 
schreibung des  geschlechtsreifen  Wurmes  gedacht  worden;  bei  den  Larven  sind  die  beti'effenden  Verhältnisse 
noch  viel  deutlicher  und  klarer  zu  erkennen,  da  die  eintretenden  Muskelfasern  sich  ausgesprochener  gegen 
die  mehr  zellige  und  erst  wenige  Fibrillen  zeigende  Masse  der  Saugnäpfe  abheben. 

Das  gleiche  gilt  auch  von  den  Nervenfasern.  Während  es  bisher  nie  gelungen  ist,  mit  Sicherheit 
den  Nachweis  zu  liefern,  dass  solche  bei  den  Distomen  in  das  Innere  der  Saugnäpfe  eintreten,  (Lang 
beobachtete  es  nur  bei  Tristomum  *)  fällt  es  hier  nicht  schwer,  auf  Schnitten,  namentlich  solchen,  wo  die 
ober-ste  Fläche  der  Saugnäpfe  getroffen  ist,  zu  beobachten,  wie  Nervenäste  als  starke  Bündel  in  dieselben 
eintreten  und  sich  dort  verzweigen.  Die  Eintrittsstellen  finden  sich  gewöhnlicli  seitlich  efrn'as  unterhalb 
der  Mitte  des  Saugnapfes  und  zeigen  sich  als  scharf  gegen  die  Umgebung  abgegrenzte  Offnungen.  Durch 
dieselben  tritt  je  ein  Nervenstrang,  der  rückwärts  leicht  bis  zu  den  Ganglien  verfolgt  werden  kann  und 
innerhalb  des  Saugnapfes  in  schräger  Richtung  nach  oben  verläuft,    indem    er    sich    in    eine  Anzahl  feiner 


')  1.  c.    pag.  400.    Fig.  6. 

*)  Lang.    Mitth.  a.  d.  Zool.  Stat.    Neapel.  1880.    pag.  42. 


-o®c       59       0®O- 

Äste  auflöst.  Die  einzelnen  Nervenfasern  endigen,  so  weit  ich  es  verfolgen  konnte,  in  je  einer  sich  dunkel 
färbenden  Zelle,  die  alle  in  einer  der  inneren  Wand  des  Saugnapfes  parallelen  Zone  angeordnet  sind 
(cf  Fig.  61  und  62). 

Die  vorstehenden  Angaben  beziehen  sich  in  der  Hauptsache  auf  den  Mundsaugnapf,  jedoch  haben 
sie  im  grossen  und  ganzen  auch  für  den  Bauchsaugnapf  Geltung. 

Der  Bildung  des  Mundsaugnapfes  vollkommen  analog  erfolgt  die  des  Pharynx.  Derselbe  tritt  zu- 
erst als  eine  rundliche,  durch  eine  Membran  begrenzte  Zellenmasse  auf;  die  centi'alen  Partien  machen  die 
beschriebene  Wandlung  durch,  welche  allmählich  vom  Mundsaugnapfe  her  zur  Bildung  des  Lumens  führen. 
Erst  ein  feiner  Spalt,  vergrössert  sich  dasselbe  nach  u^nd  nach  durch  Auseinanderweichen  der  Zellen,  indem 
es  sich  zugleich  nach  hinten  zu  fortpflanzt. 

Die  Wände  des  Pharynx  gehen  denen  des  Saugnapfes  entsprechende  Umwandlungen  ein,  doch  war 
ein  Übertreten  von  Muskeln  oder  Nerven  hier  niemals  zu  constatieren. 

Die  Schenkel  des  Darmes  sind  auf  Schnitten  anfangs  als  kurze  solide  Zellstränge  zu  erkennen,  deren 
Elemente,  wie  namentlich  auf  Längsschnitten  deu^tlich  zu  sehen  ist,  regelmässig  hinter  einander  gelegen  und 
in  reger  Teilung  begriifen  sind  (cf.  Fig.  56  D).  Dieselbe  findet  nicht  nur  an  der  Spitze,  sondern  an  allen 
Teilen  desselben  in  gleicher  Weise  statt.  Auf  Querschnitten  erkennt  man  dann  als  Querschnitt  der  Darm- 
anlage 4  dicht  aneinderliegende  Zellen  ohne  deutliche  Grenzen,  so  dass  also  der  ganze  Darm  aus  vier 
Längsreihen  dicht  gedrängt  stehender  Zellen  zusammengesetzt  ist.  Später  vermehren  sich  diese  Zellen  auch 
in  der  Querrichtimg,  so  dass  wir  in  der  Peripherie  der  Darmanlage  eine  immer  mehr  wachsende  Anzahl 
von  Kernen  erhalten;  der  infolge  dieser  Ei-weiterung  entstehende  und  dann  ebenfalls  sich  vergrössernde 
Innenraum  füllt  sich  ebenfalls  mit  undeutlich  gegen  einander  sich  abgrenzenden  Zellen,  die  wahrscheinlich 
von  den  Wandzellen  abstammen,  aber  sofort  durch  eine  stärkere  Neigung,  Farbstoffe  in  sich  aufzunehmen, 
von  diesen  sich  unterscheiden.  Auch  jetzt  noch  ist  die  Darmanlage  vollkommen  solide;  erst  wenn  in  der 
äusseren  Zellenlage  12,  in  der  inneren  Kerne  bis  5  gezählt  werden  können,  beginnt  ein  Lumen  in  Gestalt 
eines  feinen  Spaltes  avifzutreten ;  es  ist  dann  auch  schon  die  Darmmuskulatur  vorhanden.  Nach  dem  Auf- 
treten des  Lumens  können  wir  demnach  an  der  Darmwand  vier  Schichten  unterscheiden:  zu  äusserst  die 
Darmmuskuiatur ,  darauf  die  feine  Eigenmembran  und  schliesslich  das  doppelt  geschichtete  imd  in  den 
beiden  Lagen  different  sich  verhaltende  Epithel.  Auf  diesem  Stadium  der  Entwicklung  bleibt  der  Darm- 
apparat auch  an  völlig  ausgebildeten  Tieren  bestehen. 

Das  Excretionsgefässsystem.  Der  Sammeh-aum  und  die  Gefässstämme  werden  einheitlich 
und  zwar  mit  den  Darmschenkeln  zu  gleicher  Zeit  angelegt,  während  Schwarze  *)  bei  der  Cercaria  armata 
fand,  dass  der  excretorische  Apparat  in  derselben  Weise  zwar,  wie  der  Darm,  jedoch  später  als  dieser  ge- 
bildet wird,  sowie  dass  das  Lumen  desselben  durch  Zerfall  der  axialen  Zellen  entsteht. 

Bei  unserer  Larve  fand  ich,  entsprechend  der  Gleichzeitigkeit  der  ersten  Anlage,  auch  das  Lumen 
in  beiden  Organen  meist  zu  gleicher  Zeit  vorhanden;  bei  einer  Grösse  des  Tieres  von  0,18:0,13  mm  er- 
strecken sich  beide  bis  zur  Mitte  des  Bauchsaugnapfes  hin;  es  haben  demnach  die  Schenkel  des  Exeretions- 
gefässsystems    ungefähr    die    doppelte   Länge  (0,1  mm)  der    Darmschenkel.      Auch    das    weitere    Wachstum 

')  1.  c.    pag.  18. 

8* 


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beider  geht  in  gleicher  Intensität  vor  sich,  so  dass,  wenn  der  Darm  seine  definitive  Länge  erreicht  hat,  auch 
das  Excretlonsgefässsystem  In  der  Hauptsache  fertig  gebildet  ist,  d.  h.  dass  die  Gefässstämme  in  ihrem 
ganzen  Verlaufe  bis  zum  hinteren  Leibesende  vorhanden  sind. 

Die  Längenzunahme  der  Gefässstämme  wird  herbeigeführt  durch  Querteilung  der  einzelnen  Zellen, 
die  mit  ziemlicher  Lebhaftigkeit  vor  sich  geht  und,  da  eine  Zunahme  im  Umfange  kaum  stattfindet,  ein 
ausgiebiges  Längenwachstum  im  Gefolge  hat.  Die  Bildung  des  Lumens  findet  im  Sammelraum  und  den 
diesen  zunächst  gelegenen  Teilen  der  Gefässstämme  ebenfalls  durch  vom  Perus  her  fortschreitendes  Aus- 
einanderweichen der  Wände  statt;  wie  dieselbe  in  den  hinteren  Partien  vor  sich  geht,  habe  ich  zwar  nicht 
beobachten  können,  doch  dürfte  sie  wohl  kaum  besondere  Eigentümlichkeiten  und  Abweichungen  aufweisen. 

Das  Plasma  der  Wandzellen  dehnt  sich  bei  zunehmender  Grösse  des  Tieres  immer  flächenhafter 
aus;  die  Kerne  treten  dann  stark  nach  dem  inneren  Lumen  hervor  und  verschwinden,  wie  wir  schon  öfter 
gesehen  haben,  später  mehr  oder  minder,  wenn  auch  selten  so  vollständig,  dass  man  sie  nicht  mehr  nach- 
weisen kann.  Im  Inneren  können  der  Wandung  mitunter  noch  Zellen  aufliegen,  wie  sie  Schwarze  Fig  9  eo. 
zeichnet.  Ihr  Verhalten  während  des  ferneren  Wachstums  dürfte  dem  der  im  Mundsaugnapf  und  Pharynx 
beschriebenen  Zellen  entsprechen.  Eine  Flimmerung  ist  in  den  Gefässen  nicht  vorhanden.  Mit  8  Wochen, 
also  zur  Zeit  der  ersten  Häutung,  konnte  ich  zum  ersten  Male  Flimmertrichter  in  den  jungen  Larven 
auffinden. 

Das  Nervensystem  legt  sich  schon  auf  einem  ziemlich  frühen  Stadium  unterhalb  des  Mund- 
saugnapfes zu  Seiten  des  Pharynx  als  zwei  i'undllche  Massen  an.  Am  besten  lässt  sich  der  Bau  des  ge- 
sammten  Nervenapparates  zur  Zeit  der  Bildung  des  Darmlumens  studieren,  da  einmal  dasselbe  schon  zu 
dieser  Zelt  in  seiner  ganzen  definitiven  Ausdehnung  vorhanden  ist,  und  weil  hier  auch  die  histologischen 
Verhältnisse  noch  klar  und  leicht  ersichtlich  zu  Tage  liegen. 

In  ersterer  Beziehung  kann  also  nur  auf  die  Angaben  verwiesen  werden,  welche  bei  der  Besprechung 
des  geschlechtsreifen  Wurmes  gemacht  wui-den,  was  die  letzteren  anlangt,  so  zeigen  sich  sämmtliche  Nerven- 
stränge umgeben  von  einer  Schicht  von  Zellen,  deren  Plasma  gering  ist  und  deren  Kerne  darum  eng  an- 
einander gelagert  erscheinen.  Auf  Sagittalschnitten  liegen  sie  wie  Perlschnüre  an  den  Hauptstämmen 
entlang;  bei  feineren  Nervenfasern  treten  sie  ebenfalls,  wenn  auch  einzelner  auf,  eine  Eigenschaft,  vermöge 
deren  man  leicht  beobachten  kann,  sowohl  wie  die  Nerven  sich  verzweigen,  als  auch  wie  und  an  welche 
Organe  sie  herantreten.  Mit  zunehmendem  Alter  und  Wachstum  des  Tieres  werden  die  Kerne  dieser  Zellen 
immer  weiter  auseinander  gerückt,  so  dass  es  bei  späteren  Stadien  unmöglich  wird,  die  Zugehörigkeit  dieser 
Elemente  zum  Nervensystem  festzustellen  (cf.  Fig.  60). 

Beobachtet  sind  diese  Zellen  zuerst  von  Ziegler  i)  bei  Gasterostomum ,  der  sie  als  Ganglienzellen 
deutete,  sodann  von  Schwarze  ^),  der  zwischen  den  Zellkernen  mid  der  eigentlichen  Gehirnmasse  meist  einen 
glashellen,  ungefärbten  Saum  fand  und  aus  diesem  Grunde  schon  schliessen  zu  können  glaubte,  dass  er  es 
hier  mit  einer  Nervenscheide  zu  thun  hätte.  Ich  habe  diesen  hellen  Saum  ebenfalls  beobachtet,  glaube 
ihm  aber  keine  besondere  Bedeutung  zuschreiben  zu  können;    denn    einmal    ist    sein   Auftreten,    namentlich 

')  1.  c.    pag.  501. 
«)  1.  c.    pag.  22. 


— o^      61      c^o— 

bei  älteren  Tieren,  niemals  ein  constantes,  indem  er  oft  auf  längere  Strecken  ganz  fehlt,  dann  wieder  in 
wechselnder  Stärke  auftritt,  anderseits  zieht  über  diesen  Saum  stets  unverändert  die  sich  dunkel  färbende 
Kernschicht  hin  und  zeigt  den  Verlauf  des  Nerven  an.  Während  ich  nun  der  Ansicht  zuneige,  dass  dieser 
glashelle  Saum  nichts  anderes  ist  als  ein  Kunstproduct,  entstanden  dadurch,  dass  sich  die  Kernschicht 
stellenweise  etwas  von  der  darimter  gelegenen  Nervenmasse  losgelöst  hat,  stimme  ich  aber  Schwarze  völlig 
darin  bei,  dass  diese  Keralage  keine  nervöse  Function  besitzt,  sondern  eine  selbstständige,  bindegewebige 
Nervenscheide  darstellt. 

Die  Ganglien,  sowie  die  Nervenstämme  bestehen  auch  bei  der  Larve  aus  einer  feinfaserigen  Masse, 
in  der  sparsam  Ganglienzellen  eingelagert  sind. 

Die  Genitalorgane.  In  Folge  des  gleichmässigen  Aussehens  des  Körperparenchyms  gelang 
es  mir  nicht,  die  Anlage  der  Genitalorgane  bis  zurück  zu  ihrem  ersten  Anfange  bei  der  Larveneiitwicklung 
zu  verfolgen.  Das  erste  Auftreten  der  Geschlechtsanlage  als  eines  besonderen  Zellencomplexes,  sowie 
dessen  Zerfall  in  die  einzelnen  Zellenhaufen,  aus  denen  die  Keimdrüsen,  sowie  einzelne  Teile  der  Leitungs- 
wege hervorgehen,  habe  ich  schon  oben  besprochen  und  kann  darum  hier  gleich  zur  Beschreibung  der 
Organe  selbst  übergehen,  wie  sie  sich  gegen  das  Ende  der  Larvenentwicklung  hin  ausgebildet  zeigen. 

Die  Hoden  erscheinen  als  zwei  rundliche  oder  ovale  Gebilde  (0,078 :(),(M5  mm),  die  nach  aussen 
durch  eine  zarte  Membran  begrenzt  sind;  in  dieser  sind  viele  noch  wenig  abgeflachte,  auf  die  Entstehung 
der  Membran  hindeutende  Kerne  (0,004  mm)  nachweisbar.  Das  Innere  der  Hoden  ist  von  einer  gleich- 
mässigen Zellenmasse  erfüllt,  in  der  Zellgrenzen  nicht  sichtbar  werden;  die  Kerne  sind  gross  (0,006  mm) 
und  besitzen  ein  deutliches   Kernkörperchen. 

Auch  die  Anlage  des  Cirrusbeutels  hat  sich  nach  aussen  durch  eine  Membran  abgegrenzt;  erfüllt 
ist  dieselbe  von  gleichmässig  homogen  sich  färbenden  Zellen,  in  deren  Mitte  ein  sich  dunkler  färbender 
Strang  sichtbar  ist,  die  Anlage  des  Penis;  ein  Lumen,  entstanden  durch  Auseinanderweichen  der  centralen 
Zellen,  ist  in  demselben  meist  schon  auf  eine  kurze  Strecke  vorhanden.  Die  aus  den  Hoden  ihren  Ursprung 
nehmenden  Vasa  efferentia,  sowie  das  gemeinsame  Vas  deferens  sind  als  solide  Zellstränge  ebenfalls  leicht 
zu  erkennen. 

Das  Ovarium  (0,072:0,048  mm)  unterscheidet  sich  von  den  Hoden  nur  durch  die  kleineren  Kerne 
(0,004  mm)  seiner  Inhaltsmasse.  Für  die  Schalendrüse  ist  eine  abgrenzende  Haut  nicht  nachweisbar;  ihre 
Zellen  haben  jetzt  noch  einen  völlig  indifferenten  Charakter.  Der  Uterus  ist  als  ein  dicker  Zellstrang  vor- 
handen, der  sich  vom  Ovarium  aufwärts  bis  zur  Höhe  des  oberen  Randes  des  Bauchsaugnapfes  und  ab- 
wärts bis  zur  Geschlechtsöffnung  erstreckt  (cf.  Fig.  7).  Ein  Lumen  ist  in  dem  Endteil  der  weiblichen 
Geschlechtswege  noch  nicht  zu  erkennen,  doch  sind  die  Zellen  in  der  Metamorphose  so  weit  vorgeschritten, 
dass  ilu'e  Grenzen  sichtbar  sind,  und  dass  man  auch  die  Linie  verfolgen  kann,  in  der  die  Bildung  des- 
selben vor  sich  gehen  wird. 

Den  Schluss  der  Larvenentwicklung  bildet  die  Encystierung;  diese  besteht  in  einem  doppelten 
Häutungsprozesse,  der  so  vor  sich  geht,  dass  die  in  der  Ablösung  begriffene  Haut  als  helle,  zart  con- 
tom-ierte  und  structurlose  Membran  der  darunterliegenden  neuen  und  sich  im  Gegensatz  zu  dieser  stark 
färbenden    Haut   fest    aufliegen    bleibt.      Die  Ablösung   der  äusseren  Hülle  erfolgt  zuerst  an  den   vorderen 


-oSo      62      c@o- 

Partien  und  zwar  dadm-ch,  dass  wahrscheinlicli  eine  Flüssigkeit  zwischen  ihr  und  der  Körperhaut  abge- 
schieden ^vird,  (wodurch  sie  aufgebauscht  und  blasenartig  nach  aussen  hervorgetrieben  wird;  im  ganzen 
erfolgt  die  Ablösung  jedoch  nie  vollständig,  da  die  Haut  immer  an  den  Übergangsstellen  in  die  Körper- 
organe mit  diesen  fest  verbunden  bleibt.  In  die  Lumina  der  Saugnäpfe  erstreckt  sich  die  Häutung 
übrigens  hinein,  wie  leicht  bei  gelindem  Druck  auf  das  Deckgläschen  zu  sehen  ist;  es  stülpt  sich  dann 
die  abgelöste  Membran,  die  nur  mit  den  Saugnapfrändern  in  festem  Zusammenhange  zu  bleiben  scheint, 
sackartig  nach  aussen  hervor  (cf.  Fig.  7). 


Für   die  Ausführung   der  beigefügten   Abbildungen  fühle   ich    mich  meinem  Freunde  Dr.  Looss  zu 
wärmstem  Danke  verpflichtet,  dem  ich  hierdurch  wenigstens  in  etwas  Ausdruck  geben  möchte. 


Erklärung  der  Abbildungen. 


Sämmtliche  Äbbildnngen  sind  mit  Anenahme  der  Figuren  1 — 3  und  22  nach  mikroskopischen  Präparaten  mit  dem 
Zeiss'schen  Zeichenapparate  gezeichnet. 

Tafel  I. 

Figur  1—3  sind  mit  der  Lupe  resp.  mit  blossem  Auge,  Figur  4 — 8  bei  Objectiv  A  und  Ocular  11,  Zeiss,  gezeichnet. 

Fig.  1.  Leucochloridium  paradoxnm  aus  der  Schnecke  herauspräpariert.  Man  erkennt  an  den  Spitzen  der  älteren 
Schläuche,  an  deren  Basalteüen  die  secundären  Proliferationen  sich  mehr  oder  minder  entwickelt  zeigen,  die  zu  den  grossen 
Schläuchen  anwachsenden  Endstücke,  deren  allmähliche  Entwicklung  und  Ausfarbung  hier  deucUch  zu  sehen  ist.  Die  Auftreibung 
in  dem  Stiele  des  untersten  Schlauches  wird  durch  eine  denselben  passierende  reife  Larve  hervorgerufen.  Der  oben  in  der 
Mitte  gelegene  Schlauch  ist  vollkommen  erwachsen  und  in  den  Fühler  der  Schnecke  eingetreten,  der  Stiel  aber,  der  Raumersparnis 
halber,  hier  viel  kürzer  gezeichnet,  als  er  im  richtigen  Verhältnis  sein  würde.     Vergrösserung  ungefähr  dreifach. 

Fig.  2.  Eine  Succinea  amphibia,  deren  Parasit  8  reife  Schläuche  zur  Entwicklung  gebracht  hat,  die  sämmtUch  in  die 
Fühler  einzutreten  bestrebt  sind.    Natürliche  Grösse. 

Fig.  3,  Succinea  amphibia  mit  einem  Schlauche  der  braunen  Varietät  des  Leucochloridium  paradoxum.  Der  andere 
nicht  besetzte  Fühler  zeigt  die  für  die  Anwesenheit  des  Parasiten  charakteristische  Auftreibung.    Natürliche  Grösse. 

Fig.  4.  Eine  noch  nicht  völlig  erwachsene  Distoraenlarve  aus  einem  der  reifen  Schläuche;  unter  der  äusseren,  in 
weitem  Bogen  den  Tierkörper  umgebenden  Haut  sieht  man  die  an  wenigen  Stellen  sich  eben  ablösende  zweite  Hülle.  Von  den 
inneren  Organen  ist  vor  allem  das  Excretionsgefässsystem  vollständig  eingezeichnet. 

Fig.  5.  Eine  vöUig  ausgebildete  und  zur  LTbortragung  reife  Larve,  von  der  doppelten  Hülle  umgeben;  der  inneren 
sind  viele  Körnchen  angelagert.  Am  Kopfe  tritt  der  Kopf  kragen  deutlich  hervor;  von  den  inneren  Organen  erkennt  man  ausser 
den  Saugnäpfen  mit  dem  Darme  deutUch  die  Anlagen  der  Geschlechtsdrüsen,  sowie  das  Nervensystem  mit  den  beiden  asymetrisch 
verlaufenden  Längsnervenstämmen. 

Fig.  6.  Eine  reife  Larve  von  der  Seite  gesehen,  mit  ihren  beiden  HüUen,  von  denen  die  erste  sich  auch  in  die 
Lumina  der  Saugnäpfe  hinein  erstreckt. 

Fig.  7.  Dieselbe  Larve,  etwas  gedrückt;  infolge  dessen  sind  die  in  den  Saugnapf lumina  gelegenen  Teüe  der  äusseren 
Haut  sackartig  nach  aussen  hervorgetreten;  es  sind  hier  ausserdem  die  Hauptbündel  der  Parenchymmuskeln  gezeichnet,  sowie  im 
hinteren  Körperteile  die  bis  in  die  Höhe  des  Bauchsaugnapfes  reichende  Anlage  des  Uterus. 

Fig.  8.  Geschleohtsreifes  Distomum  macrostomum.  Die  grossen  Sangnäpfe  machen  ein  Drittel  des  gesammten  Tier- 
körpers aus;  die  Dotterstöcke  liegen  ausschüesslicu  in  den  Seitenfeldern  zwischen  Darm  und  Körperwand;  von  dem  Darme  sind 
infolge  der  stark  gefüllten  Uterusschlingen  nur  die  Endabschnitte  sichtbar;  die  Geschlechtsorgane  sind  im  hinteren  Körperab- 
schnitt, sowie  die  Ausmündungsstellen  derselben  am  hinteren  Körperende  gelegen;  cf.  Fig.  22. 

Tafel  11. 

Figur  9 — 17  gehören  zur  Histologie  des  Leucochloridium  paradoxum. 

Fig.  9.  Das  äussere  Ende  eines  jungen  wachsenden  Sporocystenschlauches  auf  dem  Längsschnitte.  Unter  der  von  der 
Cnticnla  C,  der  Eingmuskellage  BM  und  der  Längsmnskulatur  LM  gebildeten  äusseren  Haut  Uegt  das  innere,  ans  dicht  gedrängt 


stehenden  Zollen  zusammengesetzte  Wandepithel ,  das  im  Inneren  des  Schlauches  nur  einen  ganz  schmalen  Hohlraum  frei  lässt. 
Nach  rechts  zu  beginnen  die  demselben  anliegenden  Wandzellen  bereits  Anzeichen  der  Metamorphosierung  ihres  Inhaltes 
aufeuweisen. 

Fig.  10.  Längsschnitt  durch  die  Wand  eines  etwas  älteren  Schlauches.  Zwischen  den  beiden  Muskellagen  der  Haut 
findet  sich  die  mit  blassen  Kernen  durchsetzte  feinVömige  Substanzlage;  die  Zellen  des  Wandbelages  zeigen  sich  nach  innen 
blasig  aufgetrieben,  die  Kerne  sind  grundständig  geworden. 

Fig.  11.  Schnitt  durch  die  Wand  eines  noch  etwas  älteren  Schlauches.  Der  Wandbelag  besteht  aus  einer  einfachen, 
unregelmässigen  Zellenlage,  über  der  hier  und  da  Kerne  der  Binnenmembran  erkennbar  sind. 

Fig.  12.  Medianer  Längsschnitt  durch  eine  secundäre  Proliferation  eines  Sporocystenschlauches,  auf  dem  alle  Phasen 
der  Umwandlung  des  Wandbelages  sowie  die  Entstehung  der  Hautmuskulatur  neben  einander  zu  beobachten  sind. 

Fig.  13.  Ein  Keimlager  (KL)  in  einem  ausgebildeten  Sporocystenschlauche.  Aus  demselben  haben  mehrere  Keim- 
ballen (KB)  ihren  Ursprung  genommen;  vier  derselben  auf  verschiedenen  Entwicklungsstufen  werden  von  der  mit  Kernen  durch- 
setzten Membran  M  noch  an  ihrer  Entstehungsstelle  festgehalten;  ein  fünfter,  noch  weiter  entwickelter  ist  bereits  frei  in  das 
Innere  des  Schlauches  hineingetreten. 

Fig.  14.  Ein  Stück  aus  dem  zweiten  Drittel  der  Wand  eines  ausgefärbten  Schlauches.  Unter  der  Cuticnla  C  in  der 
Ringmuskellage  EM  finden  sich  vereinzelt  kleine  grüne  PigmentzeUen  P,  in  dem  Wandbelage  der  Innenseite  mehrere  grosse 
grüne  und  eine  braune. 

Fig.  1.^.  Flächenschnitt  durch  einen  grossen  Schlauch  ungefähr  im  letzten  Drittel,  der  infolge  der  Cylinderform  des- 
selben rechts  dicht  unter  der  Cuticula  hingeht,  während  nach  links  zu  die  tieferen  Partien  des  Wandbelages  getroffen  sind.  Man 
erkennt  unier  den  Ring-  und  Längsfasern  den  Zellenbelag,  bestehend  aus  den  grossen  Blasenzellen,  zwischen  denen  die  stern- 
förmigen Bindegewebszellen  sich  ausbreiten;  ein  grosser  Teil  der  Zellenmasse  ti'ägt  noch  den  Charakter  der  ursprünglichen 
Bindegewebszellen ;  auch  in  den  BlasenzeUen  findet  man  am  Grunde  (rechts)  noch  oft  Kerne  gelegen,  die  keine  Veränderung  den 
anderen  gegenüber  zeigen. 

Fig.  16.  Querschnitt  durch  einen  der  grossen  Buckel  im  Vorderteil  des  Schlauches.  Man  sieht  die  starke  Pigmentierung, 
die  Teilung  der  Ringmuskellage  und  die  ausserordentliche  Anhäufung  der  DrüsenzeUen,  welche  ebenfalls  buckelfSrmig  nach 
innen  hervortreten. 

Fig.  17.    Zwei  amöboide  Zellen  aus  der  Flüssigkeit  des  Schlauches;    die  eine  mit  einem,   die  andere  mit  vier  Kernen. 

Fig.  18 — 21  aus  der  Histologie  des  ausgebildeten  Wurmes. 

Fig.  18.  Flächenschnitt  durch  drn  Rand  des  Bauchsaugnapfes,  auf  dem  man  zwischen  den  Muskeln  deutlich  die  reich- 
liche Ausbildung  des  Grundgewebes  erkennen  kann. 

Fig.  19.  Meridionalschnitt  durch  den  dorsalen  Rand  des  Mundsaugnapfes,  auf  dem  man  bei  *  den  dreieckigen  von 
Muskeln  freien,  aber  von  Grundgewebe  erfüllten  Raum  sehen  kann.  C  die  Cuticula  mit  den  feinen  Stacheln,  die  beim  Übergang 
auf  den  Rand  des  Saugnapfes  beaeutend  sich  verdickt.  MB  die  Ansätze  der  von  dem  Rücken  des  Saugnapfes  nach  der  Körper- 
fläche hinziehenden  Parenchymmuskeln. 

Fig.  2U.    Ein  Bündel  reifer  Spermatozoon,  das  eben  aus  der  Mutterzelle  herausgetreten  ist. 

Fig.  21.     Zwei  reife  Spermatozoon. 

Tafel  III. 

Fig.  '22.  Die  Geschlechtsorgane  des  ausgebildeten  Distomum  macrostomum.  Tj  und  T^  die  beiden  Hoden,  deren  Vasa 
efferentia  zu  dem  gemeinsamen,  hier  zu  einer  prall  mit  freien  Spermatozoon  erfüllten  Vesicula  seminaUs  erweiterten  Vas  defeens 
zusammentreten,  das  direct  in  den  Cirrusbeutel  GB  übertritt.  In  diesem  Hegt,  von  Drüsen  umgeben,  der  Ductus  ejaculatorius, 
dessen  unteres  Ende  als  Penis  durch  die  Geschlechtsöffnung  MGO  nach  aussen  ausgestülpt  werden  kann.  Ov  Ovarium;  KG 
Keimgang,  der  in  die  hier  nur  angedeutete  Schalendrüse  SB  eintritt  und  den  Ausführungsgang  des  Dotterreservoirs  DE  in  sich 
aufnimmt.  TDG  die  transversalen  Dottergänge,  mit  ganzen  Dotterzellen  gefüllt;  Ut  Uterus,  in  dem  mehrere  eben  gebildete 
Eier  liegen.     LK  Lauer'scher  Kanal  mit  Dotterbruchstücken.     WGO  weibliche  GeschlechtsöfEaung. 

Fig.  23—30.  Frisch  untersuchte  Eier,  bei  denen  die  Grenzen  der  Embryonalzellen  durch  Essigsäure  deutlicher 
gemacht  wurden. 

Fig.  -23.  Am  Deckclpol  liegt  die  Eizelle,  mit  Kern  und  Kemkörperchen  ausgestattet.  Den  übrigen  Teil  des  Eies  erfüllt 
der  mit  stark  lichtbrochenden  Elementen  versehene  Dotter. 

Fig.  24.    Ei  mit  zwei  En\bryonalzellen. 

Fig.  25  und  2(5.     Eier  mit  drei  Embryonalzellen  in  verschiedener  Lage. 

Fig.  21.    Ei  mit  fünf  Embryonalzellen. 

Fig    28.     Ei  mit  sieben  Embryonalzellen. 


65 

Fig.  29  und  30.  Eier  mit  mehr  Embryonalzellen,  bei  denen  der  Dotter  fast  ganz  aufgebraucht  und  zum  Teil  zwischen 
den  Purchunijselementen  nach  vorn  getreten  ist. 

Figur  31 — 36.     Eier  nach  Conservierung  und  Färbung  des  Inhaltes. 

Fig.  31.  Karminfärbung.  Der  Embryo  hat  sich  durch  Einwirkung  von  Glycerin  zusammengezogen;  in  der  hier  bereits 
gebildeten  Hüllmembran  sind  zwei  Kerne  sichtbar. 

Fig.  32  und  33.     Optische  Durchschnitte  zweier  in  Sublimat  consorvierter  Eier  auf  verschiedenen  Entwicklungsstadien. 

Fig.  34  und  35.  Zwei  in  Sublimat  conservierte  und  ausgedrückte  Embryonalkörper,  bei  denen  ausser  der  mit  Kernen 
versehenen  Hüllmembran  im  Inneren  je  zwei  etwas  dunklere  Flecke  wahrzunehmen  sind.    Bismarckbraun. 

Fig.  3G.  Der  Embryonalkörper  lässt  um  sich  herum  einen  hellen  Saum  EK  erkennen.  (Ektoblast)  En  Entoblast. 
Säurekarmin. 

Fig.  37.  Ein  unversehrt  aus  der  Eischale  herausgedrückter  Embryo ;  mit  Ammoniakkarmin  angefärbt  und  im  optischen 
Durchschnitt  gezeichnet.     Vorn  und  hinten  je  ein  stark  lichtbrechender  Zapfen;  über  den  Kücken  zieht  der  Borstenkamm. 

Fig.  38.    Lebender  Embryo  aus  dem  Magen  der  Schnecke  während  der  Ruhe. 

Fig.  39.     Derselbe  freischwimmend;  der  hintere  Zapfen  ist  als  Steuer  lang  ausgezogen. 

Figur  40— 4ü.    Darstellung  des  allmählichen  Wachstums  und  der  Proliferationen  der  jungen  Sporocyste.    (Zeiss  a*,  I.) 

Fig.  40.    Nach  acht  Tagen. 

Fig.  41.     Nach  vierzehn  Tagen.    Erster  Beginn  der  Schlauchbildung. 

Fig.  42.    Nach  3—4  Wochen.    Die  Schläuche  haben  an  Zahl  zugenommen. 

Fig.  43.     Nach  4 — 5  Wochen. 

Fig.  44.    Nach  5  Wochen. 

Fig.  45  und  4G.    Nach  7—8  Wochen.  Die  Sporocyste  zeigt  bis  auf  den  Mangel  der  grossen  Schläuche  die  volle  Ausbildung. 

Tafel  IV. 

Fig.  47.  Querschnitt  durch  eine  junge  Sporocyste  von  ungefähr  6  Tagen.  Dieselbe  ist  aussen  von  der  kernhaltigen 
Hülle  H  umgeben  und  zeigt  im  Inneren  einen  Haufen  gleichartiger,  embryonaler  Zellen. 

Fig.  48.  Nach  ungefähr  10  Tagen.  Unter  der  Hülle  H  ist  die  Hautrauskelschicht  HM  aufgetreten,  in  der  durch  die 
der  Hülle  eng  anliegenden  Zellen  HZ  die  Muskeln  entstehen.    Auftreten  des  inneren  Hohlraumes  EB. 

Fig.  49.  Nach  14—16  Tagen.  In  der  Hautmuskelschicht  EM  sind  die  Muskeln  fertig  gebildet;  der  innere  Hohlraum 
ist  bedeutend  gewachsen;  der  Wandbelag  differenziert  die  ersten  Keimballen  KB.    Auftreten  der  Binnenmembran  BM. 

Figur  50—62  zur  Histologie  der  sich  entwickelnden  Larve  gehörig. 

Fig.  50.  Keimballen,  dessen  Hautschicht  sich  von  der  inneren  Zellmasso  abgehoben  hat;  in  der  Hautschicht  sind  Kerne 
mit  geringem  hellen  Plasmahofe  sichtbar. 

Fig.  51.  KeimbaUen  mit  doppelter  Hautschicht  i7,  und  iZj.  Die  oberste  (fl,)  hat  sich  infolge  Einwirkung  von  Wasser 
abgehoben;  die  Kerne  Ä",  scheinen  frei  in  dem  inneren  Hohlräume  zu  liegen. 

Fig.  52.  Bildung  des  Lumens  im  Mundsaugnapfe  (SN)  und  Pharynx  (PK).  Die  Zellelemente  der  Wandungen  des 
Saugnapfes  und  des  Pharynx  tragen  noch  einen  indifferenten  Charakter;  im  centralen  TeUe  sehen  wir  die  heller  gewordenen, 
metamorphosierten  Zellen  {ZW),  welche  durch  Auseinanderweichen  das  Lumen  (L)  zu  bilden  beginnen.     JV  Nervensystem. 

Fig.  53 — 55.  Dasselbe.  Drei  zugehörige  Schnitte,  ein  vierter,  zwischen  den  beiden  ersten  gelegen,  ist  weggelassen. 
Die  Schnittführung  ist  diagonal  zu  der  Flächen-  und  Querrichtung  des  Tieres.  Das  Lumen  [L)  im  Saugnapfe  ist  etwas  grösser 
geworden,  als  es  die  Figur  52  zeigt;  es  wird  nach  unten  zu  immer  enger,  erscheint  im  Pharynx  (Figur  54)  nur  noch  als  enges 
Loch  [L)  zwischen  den  metamorphosierten  Zellen  (ZW)  und  ist  auf  dem  nächsten  Schnitt,  Fig.  55,  noch  nicht  vorhanden. 

Fig.  56.  Das  Lumen  {L)  ist  bis  zu  den  Darmschenkeln  fertig  gebildet.  Die  heUen  Zellen  {ZW)  liegen  in  ganzer  Aus- 
dehnung der  Wand  des  Saugnapfes  und  Pharynx  an.  Im  Darm  (Z»)  finden  wir  vielfach  Kerne,  welche  eng  aneinanderUegen  und 
eine  Teilung  der  darmbildenden  Zellen  anzeigen.     Die  Darmanlage  erscheint  auf  diesem  Schnitt  aus  zwei  ZeUreihen  bestehend. 

Fig.  57.  Die  Zellen  der  Wandungen  des  Mundsaugnapfes  haben  begonnen  MuskelfibriUen  zu  bilden.  Aus  der  Grösse 
des  Lumens  ersehen  wir,  dass  die  Larve  sich  auf  einem  weit  vorgeschrittenen  Entwicklungsstadium  befindet;  in  der  den  Saug- 
napf auskleidenden  Haut  sind  noch  grosse  Kerne  mit  Plasmahof  sichtbar;  desgleichen  finden  sich  auch  in  der  den  Sangnapf 
nach  aussen  begrenzenden  Haut  viele  Kerne. 

Fig.  58.  Bildung  des  Darmlumens.  Wir  unterscheiden  die  beiden  Epithelien  Ei  und  ifj  und  erkennen  innerhalb  des 
letzteren  das  Darmlumen,  welches  nach  hinten  zu  immer  enger  wird  und,  wie  der  nächste,  hier  jedoch  nicht  wiedergegebene 
Schnitt  zeigt,  im  Endteü  des  Darmes  noch  gar  nicht  vorhanden  ist. 

Fig.  59.  Querschnitt  durch  die  Larve.  Im  Bauchsaugnapfe  sehen  wir  die  Bildung  der  Kadiärfibrillen  (MZ)  durch 
Zellen,  deren  Plasma  sich  lang  auszieht.    Desgleichen  sehen  wir,    dass  die  Bildung  der  den  Bauchsaugnapf  mit  der  Körperwand 

9 


-o®c      66      o®o— 

verbindenden  Parenchymmuskeln  (PM)  auf  dieselbe  Weise  geschieht.  Im  Inneren  der  Larve  hat  sich  das  Körperparenchym 
schon  metamorphosiert,  während  die  peripheren  TeOe  noch  den  embryonalen  Typus  tragen.  Deutlich  tritt  dort,  wo  die  Paren- 
chymmuskeln vom  Saugnapfe  nach  der  Körperwand  gehen,  der  lamellöse  Bau  des  Körperparenchyms  hervor.  Im  Darme  (D)  sind 
beide  Epithelien,  jedoch  noch  kein  Lumen  vorhanden. 

Fig.  60.  Verlauf  der  Hauptstämnie  des  Nervensystems.  Die  Kerne  der  Bindegewebszellen  liegen  wie  Perlschnüre  den 
Nervenstämmen  an.  *  Eintritt  je  eines  Astes  in  den  Mund-,  **  in  den  Bauchsaugnapf.  Unter  dem  Bauchsaugnapfe  sehen  wir 
die  Commissur  von  einem  Nerveustamme  zum  anderen  verlaufen.  Um  die  Larve  herum,  sowie  in  den  Saugnäpfen  derselben  ist 
die  Haut  (H,)  zur  ersten  Häutung  schon  differenziert.     GÄ  Genitalanlage. 

Fig.  61.  *  Eintritt  eines  Nervenastes  in  den  Mundsaugnapf.  Die  Verzweigungen  desselben  enden  in  der  Gegend  des 
Lumens  in  kleinen  Zellen 

Fig.  62.  Dasselbe.  Der  Nervenast  (NF)  gibt  nach  und  nach  viele  Zweige  ab.  von  denen  j'^der  in  einer  kleinen  Zelle 
mit  dunkel  sich  färbendem  Plasma  und  hellem  Kern  endigt.  Es  sind  noch  mehrere  derartige  Zellen  vorhanden,  ohne  dass  ein 
an  sie  herantretender  Nervenzweig  nachgewiesen  werden  kann.  BG  Die  von  Looss  als  durch  ihre  Färbung  charakteristisch 
beschriebenen  Bindegewebszellen  der  ausgebildeten  Distomen,  welche  sich  bei  unserem  Thiere  in  die  Blasenzellen  umwandeln. 


Taf.  1. 


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Artist.  AnsLv  Th.  Fisi:h"?r,  tXisel, 


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Taf.  IV. 


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Artist  AnsLv  TTi  FiScher.  Cassel 


BIBLIOTHECA  ZOOLOGICA. 


Original  -  Abhandlungen 


aus 


dem  Gesammtgebiete  der  Zoologie. 


Heraiisgegebeu 


von 


Dr.  Rud.  Leuckart  ^  Dr.  Carl  Chun 

und 
in  Leipzig  in  Königsberg. 


Heft  5. 
Beiträge  zur  Kenntniss  der  holutriclien  Ciliaten  von  Dr.  W.  Sclieiviakoff.  —  Mit  7  Tafeln. 


C  A  S  S  E  L. 

Verlag  von  Theodor  Fischer. 
1889. 


BEITliÄGE 


ZUR 


KENNTNISS  DER  HOLOTRICHEN  CILIATEN, 


VON 


D«  W.  SCHEAVIAKOFF, 


Mit   sieben   Tafeln. 

(Aus  dem  zoologischen  Institut  zu  Heidelberg'.) 


C  ASSEL. 

Verlag  von  Theodor  Fischer. 
1889. 


Vor-^^^ort. 


Wer  sich  mit  deu  Infusorien  eingeliend  beschäftigt  hat,  wird  zugeben,  dass  unsere  Kenntnisse  ihrer 
Organisation  noch  vieles  zu  wüusclien  übrig  lassen.  Ein  genaueres  Studium  der  Bauverhältnisse  der  ciliaten 
Infusorien  erscheint  erwünscht,  nicht  etwa  wegen  der  Möglichkeit  einer  Ableitung  der  Metazoen  von  denselben, 
sondern  aus  einem  ganz  anderen  Grunde,  welchen  ich  zu  erörtern  versuchen  werde. 

Wie  die  Säugethiere  und  Insekten  die  höchste  Stufe  zweier  verschiedener,  jedoch  von  gemeinsamen 
Ahnen  abstammender  Phylen  der  Metazoen  einnehmen,  behaupten  auch  die  Infusorien  eine  entsprechende 
Stellung  im  Phylum  der  Protozoa.  Während  aber  die  höheren  Metazoen  für  die  verschiedenen  phj'siologischen 
Verrichtimgen  höchst  complicirte  Orgaue  entwickelten,  übernahm  bei  den  Protozoon,  das  Plasma  einer  einzigen 
Zelle  alle  phj'siologischen  Functionen  und  differenzirte  sich  aus  diesem  Grunde  mannigfaltigst.  So  entstanden 
auf  der  morphologischen  Grundlage  einer  Zelle ,  durch  fortgesetzte  Differenzirung  des  Plasmaleibes  Einrich- 
tungen für  Bewegung,  Nahrungsaufnahme  und  Vertheidigung,  welche  besonders  bei  den  ciliaten  Infusorien 
ihren  Höhepunkt  erreichen.  Hier  treten  uns  Organismen  entgegen,  deren  physiologische  Leistungen  denen 
der  Metazoen  gleichzusetzen  wären ;  dagegen  behalten  sie  morphologisch  den  Werth  einer  Zelle  bei.  Letzteres 
dokumentirt  sich  besonders  deutlich  zur  Zeit  der  Fortpflanzung,  welche  vollkommen  als  Zelltheilung  verläuft. 

Von  diesem  Gesichtspunkte  aus  würde  das  Interesse  der  Infusorienforschung  zunächst  dahin  gehen, 
die  verschiedenen,  zur  Verrichtung  gewisser  physiologischer  Functionen  angepassten  Einrichtungen  kennen  zu 
lernen,  welche  uns  die  zahlreichen  Arten  darbieten.  Nun  sind  aber  diese  Organe,  w'enn  man  sie  so  nennen 
darf,  in  keiner  Ordnung  der  cihaten  Infusorien  zu  mannichfaltigeren  Ausbildung  gelangt,  als  bei  den 
holotrichen  Infusorien,  unter  deren  Vertretern  wir  einen  allmählichen  Uebergang  von  ganz  einfach  gebauten, 
resp.  ursprünglichen  zu  hoch  dift'erenzirten  Formen  antreffen. 

Die  Feststellung  oder  genaue  Kenntnis  dieser  Organisationsverhältnisse  bildet  aber  nicht  den  Zweck 
und  das  endliche  Ziel  der  Infiisorienforschung;  die  durch  Beobachtung  gewonnenen  Thatsachen  sind  blos 
Mittel,  welche  weitere  Schlüsse  ermöglichen.  Es  entsteht  zunächst  die  Frage,  auf  welche  Weise  diese  Organe 
durch  fortwährende  Plasmadifferenzirung  entstanden  sind  und  weiterhin  vervollkommnet  wurden. 

Die  Lösung  dieser  Frage  ist  auf  zweifachem  Wege  zu  erreichen:  entweder  durch  phylogenetische  und 
ontogenetische  Studien  oder  durch  vergleichend  anatomische  Untersuchungen.  Da  wir  aber  bei  den  Infusorien, 
wegen  vollkommenen  Mangels  an  paläontologischen  Resten,  durchaus  keine  empirischen  Belege  für  die 
Phylogenie  besitzen   und   nur   theilweise  von  einer  Ontogenie  reden   können,  so  sind  wir  ausschliesslich  auf 

Bibliotheca  zoologicl.     Heft  3.  1 


den  zweiten  Weg  angewiesen.  Selbstverständlich  müssen  wir  wieder  vun  den  einfachsten  Formen,  d.  h.  den 
holotrichen  Infusorien,  ausgehen,  deren  Vergleichung  uns  nicht  nur  zur  Feststellung  ihrer  verwandtschaftlichen 
Beziehungen  führen  kann,  sondern  die  Möglichkeit  geben  wird,  eine  Ableitung  anderer  Infusorienordnungen 
von  denselben  zu  versuchen. 

Nun  sind  aber  gerade  die  holotrichen  Infusorien  am  wenigsten  erforscht  und  verlangen  zunächst  eine 
Neuuntersuchung.  Alle  Beschreibungen,  in  welchen  sie  in  ihrer  systematischen  Gesammtheit  betrachtet 
werden ,  stammen  aus  verhältnissmässig  früher  Zeit  und  sind  desshalb  wenig  genügend.  Die  Unzulänglichkeit 
der  Arbeiten  von  Ehrenberg  (27),  Duj ardin  (24),  Perty  (50),  Claparede  und  Lachmann  (13)  wurde 
von  Stein  erkannt,  als  er  sein  grosses  Werk  (60  und  62)  in  Angriff  nahm,  in  welchem  er  auch  die  bis  zur 
Gegenwart  herrschende  Classification  durchführte.  Leider  starb  dieser  eminente  Protozoenforscher,  ohne  das 
begonnene  Unternehmen  zu  Ende  zu  führen,  sodass  nur  die  Ordnungen  der  hypotrichen  (60)  und  heterotrichen 
Infusorien  (62)  zur  Besprechung  kamen. 

Die  in  der  späteren  Zeit  erschienenen  Arbeiten  von  Diesing  (22  und  23),  Fromentel  (34)  und 
Keut  (3S)  sind  theils  compilatorischen  Characters  und  enthalten  wenig  eigene  Forschungen!  Bedeutend 
wichtiger  für  uns  erscheinen  die  genauen  und  schönen  Untersuchungen  von  Balbiani(4),  Cohu  (20),  Entz 
(29  und  30),  Gruber  (37),  Maupas  (44  und  45),  Wrzesniowsky  (68)  und  anderen,  obgleich  in  den- 
selben nur  einzelne  Formen  der  holotrichen  Infusorien  behandelt  wurden. 

Aber  auch  in  diesen  Arbeiten  sind  gewisse  Lücken  nicht  zu  verkennen;  so  möchte  ich  z.  B.  bei  dieser 
Gelegenheit  auf  ein  Verhältniss  hinw-eisen,  welches  bis  jetzt  wenig  oder  sogar  fast  gar  nicht  beachtet  wurde: 
es  ist  nämlich  die  Körperstreifung  der  Infusorien.  Dieselbe  ist  nach  der  Auffassung  Bütschli"s,  welcher 
ich  vollkommen  beistimme,  von  grosser  Wichtigkeit  für  die  Erkenntnis  der  verwandtschaftlichen  Beziehungen 
einzelner  Infusorien.  Auf  Grund  derselben  wäre  eine  hypothetische  Ableitung  der  höher  entwickelten  Formen 
von  einfachen  zu  versuchen. 

Von  den  eben  geschilderten  Betrachtungen  ausgehend  und  veranlasst  durch  den  Wunsch  meines 
hochverehrten  Lehrers  Prof.  Bütschli,  welcher  gegenwärtig  mit  der  Ausarbeitung  der  Infusorien  für  sein 
Protozoönwerk  beschäftigt  ist,  unternahm  ich  im  Herbste  des  Jahres  1886  eine  Untersuchung  über  die 
holotrichen  Infusorien. 

Bei  diesem  Unternehmen  wurde  ich  von  Prof.  Bütschli  aufs  freundlichste  und  zuvorkommendste 
unterstützt,  welcher  einen  grossen  Theil  meiner  Beobachtungen  controlirte  und  mich  auf  vieles  neue  auf- 
merksam machte.  Viele  der  in  den  folgenden  Zeilen  zu  schildernden  Beobachtungen  sind  daher  eigentüch 
das  Resultat  gemeinsamer  Arbeit  mit  Prof.  Bütschli;  derselbe  hat  in  seiner  Beschreibung  der  Ciliaten  die 
bezügUchen  Beobachtungen  auch  demgemäss  als  von  ihm  und  mir  herrührend  bezeichnet.  Auch  die  Benutzung 
der  von  Prof.  Bütschli  gefertigten  systematischen  Auszüge,  welche  derselbe  mir  freundlichst  gestattete, 
gewährte  mir  mancherlei  V^ortheile.  Ich  möchte  desshalb  Herrn  Prof.  Bütschli  an  diesem  Orte  nochmals 
meinen  aufrichtigsten  und  innigsten  Dank  für  alle  seine  FreuiuUichkeit  und  Güte,  welche  er  mir  fortwährend 
bezeugte,  aussprechen. 

Die  in  nachfolgenden  Zeilen  geschilderten  Beobachtungen  beziehen  sich  auf  25  Formen,  unter  denen 
sich  einige  als  neue  Gattungen  und  Arten  ergaben.  Die  übrigen,  bereits  bekannten  Formen  sind  auf  ihi'e 
Organisationsverhältnisse  neu  untersucht  worden,  aus  Gründen,  welche  wir  schon  oben  betonten.     Es  möge 


erlaubt  sein,  auf  eine  ausführliche  Beschreibung  solch'  allgemein  bekannter  Formen,  wie  Coli)id!um,  Olau- 
coma  und  andere  einzugehen.  Es  sind  häufig  gerade  die  gemeinsten  Formen,  deren  Organisationsverhältnisse 
am  wenigsten  bekannt  sind  und  die  desshalb  auf's  Neue  zu  untersuchen  waren.  Dieser  Umstand  rührt  wohl 
daher,  dass  die  von  den  älteren  Forschern  angestellten  Beobachtungen  für  ausreichend  gehalten  wurden, 
wesshalb  man  bei  späteren  Beschreibungen  nur  auf  gewisse  Bauverhältnisse,  wie  z.  B.  die  des  Mundes  und 
Schlundes  achtete  und  die  übrigen  wie  z.  B.  Ectoplasmastructur  und  Körperstreifung  ausser  Acht  Hess. 

Indem  ich  mich  entschliesse  meine  Befunde  zu  veröffentlichen,  bin  ich  mir  vollkommen  bewusst, 
dass  meine  Untersuchungen  durchaus  nicht  erschöpfend  und  ausreichend  sind.  Namentlich  sind  es  die  höchst 
interessanten  Conjugationserscheiuungen  und,  die  Fortpüanzungsverhältnisse,  über  die  ich  fast  gar  nichts  mit- 
zutheilen  habe.  Die  Untersuchung  der  ersteren  bildet  eigentlich  ein  Gebiet  für  sich  und  wurde  vorläufig  auch 
nicht  beabsichtigt.  Dagegen  erschien  viel  wichtiger  für  die  Zwecke,  die  ich  im  Auge  hatte,  das  Studium  der 
Theilungszustände,  da  ja.  wie  bekannt,  bei  diesem  Processe  einige  Organe  am  Körper  des  Mutterthieres  neu 
angelegt  werden,  so  dass  wir  in  diesem  Falle  von  einer  Ontogenie  in  einem  gewissen  Sinne  sprechen  können. 
Wer  sich  aber  mit  diesen  Untersuchungen  eingehend  beschäftigt  hat.  wird  aus  eigener  Erfahrung  wissen,  dass 
man  dabei  ebenso  viel  auf  Ausdauer,  als  auf  Glück  angewiesen  ist,  was  auch  die  hervorragendsten  Infusorien- 
forscher wie  Stein  und  Bütschli  behaupten. 

Ich  halte  für  verfrüht  gegenwärtig  auf  etwaige  Speculationen  über  die  verwandtschaftlichen  Be- 
ziehungen einzelner  Gebilde  und  Formen  einzugehen,  die  erst  nach  der  Untersuchung  wenigstens  sämmtlicher 
Gattungen  der  holotricheu  Infusorien  sich  natürlich  ergehen  können. 

So  mögen  nun  diese  Beiträge,  wenn  auch  in  ihrer  unvollkommeueu  Gestalt,  erscheinen  und  demnach 
als  ein  Versuch  betrachtet  werden,  unsere  Kenntnisse  über  den  Bau  dieser  interessanten  Wesen  zu  ver- 
mehren. Ich  hoffe  die  dargestellten  Befunde  in  baldiger  Zeit  durch  Untersuchungen  anderer  Formen,  sowie 
der  Theilungs-  und  Conjugationserscheinungeu  zu  ergänzen,  so  weit  mir  die  Möglichkeit  geboten  sein  wird, 
meine  Studien  iu  der  bisheriaen  Weise  fortzuführen. 


Bevor  ich  mich  zur  Schilderung  der  einzelnen  von  mir  untersuchten  Gattungen  und  Arten  wende, 
halte  ich  für  angemessen,  die  technischen  Ausdrücke  und  Bezeichnungen,  deren  ich  mich  bei  der  Beseln'eibung 
bedienen  werde,  zu  erläutern. 

Zur  Bezeichnung  der  relativen  Grösse  der  Infusorien  sind  von  mir  folgende  Ausdrücke  gewählt 
worden:  als  sehr  kleine  bezeichne  ich  die  Formen,  welche  bis  0,04  mm  messen;  als  kleine  —  die  bis  0,07  mm: 
als  mittelgrosse  —  die  bis  0,12  mm:  als  grosse  —  die  bis  0,25  mm  und  schliesslich  als  sehr  grosse,  die 
Formen,  welche  0,25  mm  überschreiten.  Diese  Bezeichnungen  sind  freilich  ganz  willkürlich  und  sollen  nur 
der  besseren  Uebersicht  wegen  die  relativen  Grössenverhältnisse  iu  Worten  ausdrücken. 

Zur  Bezeichnung  der  Formveränderungen,  die  am  Körper  der  Infusorien  wahrzunehmen  sind,  bediene 
ich  mich  der  Ausdrücke,  welche  seinerzeit  von  Cohn  (20;  pag.  260  —  261)  vorgeschlagen  worden  sind,  halte 
aber  die  Unterscheidung  von  retractil  und  contractil  für  unwesentlich  und  bezeichne  in  diesen  Fällen  den 
Körper  kurzweg  contractil.     Demnach  unterscheide  ich: 

1)    starre  Infusorien,  wenn  der  Körper  gar  keine  Formveränderungen  erleidet. 


2)  elastische  Infusorien,  wenn  der  Körper  seine  Gestalt  nicht  selbstthätig,  sondern  infolge  eines 
äusseren  Druckes  verändert  und  beim  Aufhören  desselben,  die  frühere  Form  wieder  annimmt, 

3)  biegsame  oder  flexile  Infusorien,  wenn  der  Körper  selbstthätig  seine  Gestalt  wechseln  kann, 
ohne  jedoch  die  allgemeine  Form  merklich  zu  verändern, 

4)  contractile  Infusorien,  diejenigen,  welche  eine  Dimension  auf  Kosten  der  übrigen  verlängern 
oder  verkürzen  und  demnach  ihre  Gestalt  ganz  bedeutend  verändern  können.  In  solchen  Fällen 
sind  meist  auch  besondere  contractile  Elemente  (Muskeltibrillen)  vorhanden. 

Zur  Orientirung  der  Formen  mit  seitlich  gelegenem  Munde  bezeichne  ich  die  Fläche,  auf  der  die 
Mundöffnung  liegt,  als  Ventraltläche,  die  gegenüberliegende  als  Dorsalfläche  und  die  entsprechenden  nach 
links  und  rechts  von  der  Vcntralfläche  gelegenen,  als  linke  und  rechte  Körperseite  oder  Körperfläche. 

Der  Kern  (Hauptkern)  der  Infusorien  wird  überall  nach  Maupas'  Vorgang  als  Makronucleus  und 
der  gewöhnlich  anliegende  Nucleolus  (Nebenkern)  als  Mikronucleus  bezeichnet. 

Die  unternommene  Untersuchung  des  Ectoplasmas  auf  seinen  feineren  Bau  lehrte  gewisse  Verhält- 
nisse kennen,  auf  die  ich  nun  ganz  kurz  eingehen  möchte.  Das  Ectoplasma  der  Infusorien  erscheint  meist 
als  eine  dünne,  gewöhnlich  scharf  begrenzte  Plasmaschicht,  die  sich  durch  eine  bedeutendere  Dichte  und 
stärkeres  Lichtbrechungsvermögen  vom  übrigen  Körperplasma  unterscheidet.  Dieselbe  erscheint  entweder 
homogen,  oder  besitzt  eine  besondere  Structur,  auf  die  zuerst  Bütschli  hingewiesen  hatte.  Diese  Structur 
lässt  sich  durch  Combinationen  der  Bilder,  die  man  an  optischen  Durchschnitten  und  bei  Flächenansicht  ge- 
wahrt, erkennen.  Betrachtet  man  die  äusserste  Plasmalage  im  optischen  Durchschnitte,  so  erscheint  sie  fein 
radiär  gestreift,  wobei  die  dicht  nebeneinander  gereihten  Streifen,  feine  Plasmabälkchen  sind,  welche  senk- 
recht zur  Oberfläche  stehen.  Bei  der  Flächenansicht  ersieht  man  aber,  dass  diese  Bälkchen ,  welche  als 
dunkle  Punkte  erscheinen,  durch  zarte  Fäden  untereinander  wabenartig  verbunden  sind.  Aus  diesem  Ver- 
halten lässt  sich  der  Schluss  ziehen,  dass  die  zarten  Fäden  dünne  Wände,  die  scheinbaren  Plasmabälkchen 
aber  die  radiären  Kanten  einer  Lage  von  Waben  oder  Alveolen  sind.  Demnach  würde  diese  Plasmaschicht 
einen  wabenartigen  oder  alveolären  Bau  besitzen  und  wäre  nach  dem  Vorschlage  Bütschli's  als  Alveolar- 
schicht  zu  bezeichnen.  Nach  aussen  gehen  die  Alveolenwände  in  eine  ziemlich  scharf  begrenzte  und  stark 
lichtbrechende  Grenzlamelle  über,  welche  mit  Bütschli  als  Pellicula  zu  benennen  wäre.  Die  Bezeichnung 
Pellicula  wurde  statt  der  früher  angewandten  Cuticula  eingeführt,  da  diese  äusserste  Grenzlamelle  kein  todtes 
Absonderuugsproduct ,  sondern  blos  ein  Umwandlungsproduct  des  Protoplasmas  ist. 

Wie  ich  schon  erwähnt  habe,  lässt  sich  der  alveoläre  Bau  des  Ectoplasmas  nicht  bei  allen  Infusorien 
nachweisen;  bei  einigen  erscheint  es  vollkommen  homogen  und  dann  bedeutend  stärker  lichtbrechend.  Es  ist 
aber  sehr  möglich,  wie  Bütschli  meint,  dass  dieses  Aussehen  nur  ein  scheinbares  ist  und  dadurch  bedingt 
wird,  dass  die  jUveolenwände  sehr  nah  aneinander  gerückt  sind,  resp.  die  Alveolen  selbst  äusserst  klein  sind, 
und  somit  die  ganze  Schicht  structurlos  erscheint. 

Unterhalb  der  Alveolarschicht,  also  zwischen  derselben  und  dem  Entoplasma,  lässt  sich  bei  einigen 
Infusorien  noch  eine  besonders  differenzirte  Plasmaschicht  unterscheiden,  die  gleichfalls  nach  dem  Vorschlage 
Bütschli's  als  Corticalplasma  zu  bezeichnen  wäre.  Dieselbe  ist  entweder  anscheinend  homogen  (Rüssel 
des  Lionotus,  Schwanz  von  Dinophrya)  oder  auch  alveolär  gebaut  (Nassula,  Urocentrum),  nur  dass 
das  Wabenwerk  bedeutend  gröber  und  weniger  lichtbrechend,  als  dasjenige  der  Alveolarschicht  ist.  Die  Ab- 
sonderung  dieser  Schicht  vom  Entoplasma  documentirt  sich  in  ihrer  etwas  festeren  Beschaffenheit  und  dass 


sie  immer  frei  von  Xalirimgskörpern  ist.  Auch  nimmt  sie  an  der  Plasmacirculation ,  wenn  solche  eventuell 
vorhanden  ist,  keinen  Antheil.  In  dieser  Schicht  finden  sich  die  Trichocysten  (Nassula)  oder  trichocysten- 
artige  Gebilde  (Urocentrum)  und  Pigmente  (Pigmenttleke  der  Xassula)  eingelagert. 

Die  übrigen  Organisationsverhältnisse,  wie  Korperstreifung,  Mund-  und  Schlundverhältnisse  werden 
an  entsprechenden  Stellen  bei  der  speciellen  Beschreibung  der  einzelnen  Formen  besprochen  werden. 

Zum  Schluss  halte  ich  für  meine  Pflicht  über  die  angewandten  Methoden  der  Untersuchung  kurz 
zu  berichten.  Dieses  umsomelir,  als  die  mikroskopische  Technik  beim  Studium  der  Protozoen  von  grosser 
Wichtigkeit  ist. 

Ich  begann  meine  Beobachtungen  immer  an  lebenden  Exemplaren.  Zu  diesem  Zwecke  wurden  die 
in  Betracht  kommenden  Thiere  in  einem  Tropfen  Wasser  isolirt  und  durch  vorsichtiges  Aufdrücken  eines  mit 
Wachsfüsschen  versehenen  Deckgläschen  an  einer  Stelle  festgelegt.  An  solchen  Präparaten  lassen  sich  die 
Organisationsverhältnisse  beim  lebenden  Thiere  sehr  bequem  studireu,  was  meiner  Ansicht  nach  bedeutend 
ergiebiger  ist  als  die  Untersuchung  der  abgetödteten  Thiere.  Diese  Vorrichtung  ermöglicht  es  auch,  Objecte 
von  verschiedenen  Seiten  zu  betrachten,  indem  man  das  Deckgläschen  vermittels  einer  Präparirnadel  ver- 
schiebt und  durch  einen  entsprechenden  Zusatz  oder  Absaugen  des  Wassers  die  nöthige  Pression  fortwährend 
regulirt.  Der  hergestellte  Druck  darf  aber  nicht  zu  stark  sein,  weil  sonst  die  allgemeine  Gestalt  und  sogar 
einige  Organe  beeinträchtigt  werden,  wodurch  das  Thier  zum  Studium  untauglich  wird. 

Dieses  Verfahren  verlangt  eine  grosse  Sorgfalt  und  gewisse  Uebung,  die  mau  jedoch  schnell  gewinnt. 
-Aber  nicht  alle  Infusorien  ertragen  eine  solche  Pression  auf  längere  Zeit;  manche  gehen  ziemlich  rasch  zu 
Grunde,  indem  ihr  Protoplasma  zerfliesst.  Andere  dagegen,  w;e  z.  B.  Lembadion,  zerfiiessen  nicht, 
sondern  sterben  selbst  beim  gelindesten  Drucke  ab,  wobei  sie  öfters  ihre  Körpercilien  abwerfen.  An  den  auf 
die  beschriebene  Weise  hergestellten  Präparaten  verfolgte  ich  die  Korperstreifung,  Protoplasmastructuren  und 
die  verschiedenen  Gebilde,  welche  zur  Nahrungsaufnahme  dienen.  Auch  wurden  an  ihnen  die  nöthigen 
Messungen  mit  einem  Zeiss'schen  Ocularmikrometer  2  angestellt. 

Die  Aufnahme  und  Ausstossung  der  Nahrung  wurden  folgendermassen  festgestellt.  Ich  isolirte  in 
reinem  Wasser  einzelne  Thiere  im  Uhrschäleben  oder  im  hängenden  Tropfen  und  setzte  sie  in  die  feuchte 
Kammer,  bis  sämmtliche  Nahrung  ausgestossen  wurde.  Dabei  ist  es  gerathen,  kein  frisches,  aus  anderer 
(Quelle  stammendes  Wasser  zu  nehmen,  weil  einige  Thiere  diesen  Wechsel  des  Mediums  nicht  zu  ertragen 
scheinen  und  bald  zu  Grunde  gehen.  Am  besten  ist  es,  wenn  man  das  Wasser  der  entsprechenden  Infusion 
filtrirt  und  die  Objecte  in  das  Filtrat  setzt.  An  solchen  gehungerten  Exemplaren  lassen  sich  die  Beobach- 
tungen noch  besser  anstellen.  Besonders  eignen  sie  sich  aber  zum  Studium  der  contractilen  Vacuolen,  wobei 
man  recht  deutlich  die  zuführenden  Kanäle  erkennen  kann. 

Sobald  die  Thiere  vollkommen  frei  von  Nahrung  waren,  wurde  eine  künstliche  Fütterung  unter- 
nommen. Die  Thiere  wurden  in  einen  Wassertropfen  gebracht,  welchem  die  entsprechende  Nahrung  in  reich- 
licher Menge  zugefügt  wurde.  So  setzte  ich  den  räuberischen  Infusorien  (Dileptus,  Lionotus)  andere  kleine 
Infusorien,  wie  Cyclidium.  Uronema  etc.,  vor.  Die  von  einzelligen  Pflanzen  sich  ernährenden  Formen  (Pro- 
rodon,  Holophrya,  Didinium  etc.)  bekamen  Scenedesmen,  Oscillariaceen  und  Diatomeen  oder  noch  besser 
thierische  Fetttropfen,  welche  durch  Zerdrücken  einer  kleinen  Crustacee  ziemlich  leicht  zu  bekommen  sind.  Bei 
den  von  ßacterien  sich  ernährenden  Infusorien  (Colpidium,  Glaucoma)  wurde  eine  Fütterung  mit  Carmin  oder 


Indigo  unternommen.  Auf  solche  Weise  fällt  es  nicht  schwer,  sowohl  die  Art  der  Nahrungsaufnahme,  wie 
auch  das  Vorhandensein  und  den  Bau  des  Schlundes  festzustellen. 

Hatten  die  Thiere  genügend  Nahrung  zu  sich  genommen,  so  wurden  sie  wieder  in  reines  Wasser 
gesetzt  und  weiter  beobachtet.  Bei  einiger  Ausdauer  konnte  man  sowohl  das  Verhalten  der  aufgenommenen 
Nahrung,  resp.  Verdauung,  wie  die  Ausscheidung  der  Nahrungsreste  und  die  Lage  des  Afters  ermitteln. 

Schliesslich  sei  noch  eines  Verfahrens  gedacht,  welches  für  manche  Zwecke  vorzügliche  Dienste 
leistet.  Es  ist  das  sogenannte  Zerfliessenlassen  der  Thiere.  Nachdem  die  Thiere  auf  die  geschilderte  Weise 
festgelegt  werden,  drückt  man  unter  dem  Mikroskope  mit  der  Präparirnadel  auf  das  Deckgläschen,  bis  das 
Thier  zu  zerfliessen  beginnt.  Bei  dieser  Gelegenheit  konnte  man  das  Ausschnellen  der  eventuell  vorhandenen 
Trichocysten  wahrnehmen;  auch  konnte  man  die  am  Munde  und  Schlünde  vorkommenden  Vorrichtungen 
besser  erkennen,  weil  beim  allmählichen  Absterben  des  Tbieres  die  Bewegungen  immer  langsamer  wurden, 
bis  sie  gänzlich  aufhörten.  Durch  dieses  Verfahren  werden  ferner  der  Makronucleus  und  die  Mikronuclei 
isolirt;  dabei  lassen  sich  auch  die  Structurveränderungen,  welche  beim  Absterben  derselben  auftreten,  mit  grosser 
Genauigkeit  wahrnehmen. 

Sobald  ich  durch  die  angewandten  Methoden  über  die  Organisationsverhältnisse  einigermassen  in's 
Klare  gekommen  war,  unternahm  ich  die  Untersuchung  an  abgetödteten  Thieren,  um  die  gewonnenen  Resultate 
zu  controliren. 

Zum  Abtödten  eignen  sich  am  besten  die  Dämpfe  P/oiger  Osmiumsäure,  welche  den  Tod  ziemhch 
schnell  erfolgen  lassen  —  es  genügt  schon,  den  Tropfen  mit  Infusorien  einige  Secunden  über  die  Flasche 
mit  Osmiumsäure  zu  halten.  Noch  geeigneter  ist  es,  die  Osmiumsäure  in  einem  TJhrschälchen  zu  erhitzen, 
um  die  Einwirkungsfähigkeit  der  Dämpfe  zu  steigern.  Aber  auch  diese  Methode  leistet  nicht  bei  allen  In- 
fusorien die  nöthigen  Dienste.  So  erfolgt  bei  einigen  grösseren  Formen  (Dileptus)  die  Wirkung  wahrschein- 
lich nicht  momentan  genug,  sodass  die  Thiere  nach  dem  Tode  sich  sofort  in  einzelne  Moleküle  aullösen. 
Um  dieses  zu  verhüten  wurden  die  lebenden  Thiere  mit  einem  Capillarröhrchen  in  so  wenig  Wasser  wie 
möglich  herausgefaugen  und  auf  einige  Augenblicke  in  1  %  Osmiumsäure  gebracht.  Der  Tod  erfolgte  so 
plötzhch,  dass  nicht  einmal  die  Trichocysten  vollkommen  ausgeschnellt  wurden;  das  Protoplasma  wird  dabei 
momentan  fixirt,  so  dass  man  am  todten  Thiere  die  Stellen  der  contractilen  Vacuolen  mit  Deutlichkeit 
sehen  kann.  Ein  gehöriges  Auswaschen  ist  unumgänglich ,  weil  die  Präparate  leicht  nachdunkeln  und 
untaugUch  werden. 

Solche  Präparate  eignen  sich  ganz  besonders  zum  Studium  der  Körperstreifuug  und  Protoplasma- 
structuren.  Zur  Feststellung  der  Körperstreifung  wurden  auch  die  von  Cohn  (17;  pag.  423)  beschriebenen 
Abhebungen  der  sogen.  Cuticula  durch  Einwirkenlassen  von  Alkohol  unternommen.  Dieselben  gelingen  jedoch 
nicht  bei  allen  Infusorienarten. 

Will  man  dagegen  die  Bewimperung  oder  andere  zum  Schutz  oder  Nahrungsaufnahme  bestimmten 
Gebilde,  wie  Borsten,  Membranellen  und  undulirende  Membranen  am  Munde  oder  im  Schlünde  besser 
erkennen,  so  ist  eine  nachherige  Behandlung  mit  5 — 10 "/o  Sodalösung  sehr  zu  empfehlen.  Ich  kam  auf  diese 
Methode  ganz  zufällig  bei  Untersuchungen  über  die  chemische  Zusammensetzung  der  Infusorienkörper,  die 
ich  vor   etwa  2  Jahren  angestellt  habe.*)    Ich  fand  nämhch,   dass  die  nach  der  Pepsiuverdauung  unlöslich 


*)  Die  Resultate  dieser  Untersuchungen  beabsielitige  ich  nach  ilu-ein  Abschluss  nächstens  zu  veröffentlichen. 


gebliebenen  Bestandtheile  des  Körperplasmas  theihveise  in  Soda  gelöst  wurden.  Als  ich  die  Versuche  in  um- 
gekehrter Richtung  wiederholte,  erwies  es  sich,  dass  das  Ectoplasma,  Cilien  und  andere  ectoplasmatische 
Gebilde  deutlicher  hervortraten,  indem  nämlich  gewisse  Bestandtheile  aufgelöst  wurden.  Die  besten  Resul- 
tate bei  dieser  Behandlung  werden  erzielt,  wenn  man  zu  den  mit  Osmiumsäure  abgetödteten  Exemplaren 
1 — 2  Tropfen  ganz  schwacher  (3 — 5%)  Sodalösung  zusetzt  und  den  Tropfen  Vi  — Va  Stunde  frei  stehen  lässt. 
Dabei  verdunstet  das  Wasser,  die  Lösung  wird  concentrirter  und  wirkt  somit  nur  allmählich  ein;  beim  plötz- 
lichen Zusatz  von  verhältnissmässig  stärkeren  Lösungen  treten  bei  einigen  Lifusorien  Schrumpfungen  ein, 
welche  die  Untersuchung  der  feineren  Bauverhältnisse  sehr  beeinträchtigen.  Diese  Methode  hat  sich  für  das 
Studium  der  Cilien  und  undulirenden  Membranen  so  bewährt,  dass  ich  sie  nicht  genug  empfehlen  kann. 

Geht  man  darauf  aus,  die  Thiere  von  verschiedenen  Seiten  zu  betrachten,  so  ist  es  rathsam  die 
Objecte  in  Gl3'cerin  überzuführen.  Man  bedient  sich  hier  ebenfalls  einer  in  Wasser  verdünnten  Glycerin- 
lösung  und  lässt  nachträglich  das  Wasser  allmählich  verdunsten.  Diese  in  Glycerin  eingeschlossenen  Prä- 
parate lassen  sich  nämlich  auf  die  oben  beschriebene  Weise  bedeutend  besser  als  in  Wasser  wälzen. 

Zum  Nachweisen  der  Makro-  und  Mikronuclei  sind  ausser  der  Isolirung  auch  Färbungsversuche  ge- 
macht worden.  Am  geeignetsten  erwies  sich  Grenacher"s  Alauncarmin,  bei  vorheriger  Fixirung  mit 
dem  Flemming'scheu  Gemi-sche  von  Chrom-Essig-Osmiumsäure,  welches  ziemlich  reine  Kernfärbungen 
ergiebt  und  eine  kurze  Einwirkungszeit  verlangt.  Diese  Manipulation  wird  bedeutend  vereinfacht  durch  An- 
wendung von  Jodgrünessigsäure  (1%  Essigsäure,  der  eine  Spur  von  Jodgrüu  zugesetzt  wird),  welche 
gleichzeitig  als  Fixirungs-  und  Färbungsflüssigkeit  wirkt.  Was  die  feineren  Structurverhältnisse  der  Kerne 
betrifft,  so  wurden  sie  an  isolirten,  abgetödteten  und  gefärbten  Kernen  studirt. 

Ich  wende  mich  nun  zur  Beschreibung  der  einzelnen  von  mir  untersuchten  Gattungen  und  Arten 
der  holotrichen  Infusorien. 

1.    Urotricha  farcta.     Clap.  und  Lacli 

Claparede  und  Lachmann  13;  pag.  314— 31(j,  Tat'.  XVIII,  Fig.  9. 

Diesing  22;  pag.  528. 

Kent  38;  pag.  50.5,  Taf.  XXVII,  Fig.  2. 

Bütschli  10;  pag.  1347,  1351,  Taf.  LVII,  Fig.  1. 

Synon.:   U.  platystoma.     Stokes65;  pag.  101,  Taf.  I,  Fig.  7. 

?Balanitozoon  agile.     Stokes  65;  pag.  109- Ud,  Taf.  I,  Fig.  19. 

Taf.  I.     Fig.  1. 

Sehr  klein  von  0,02 — 0,024  mm  Länge  und  0,016  — 0.02  mm  Breite.  Körper  etwa  birnförmig,  hinten 
abgestutzt    nach  vorne  halsförmig  verengt,  mit  einer  Mundötluung  an  der  Spitze. 

Der  Körper  wird  von  feinen  und  langen,  ziemlich  dicht  stehenden  Cilien  bedeckt.  Dieselben  sind 
auf  kleinen  Papillen  eingepflanzt,  welche  im  optischen  Durchschnitte  als  deutliche  halbkugehge  Erhebungen 
erscheinen.    Diese  Cihenpapillen  stehen  in  Längsreihen  und  verursachen  die  Längsstreifung  des  Körpers. 

Das  aborale  Körperende  ist  unbewimpert,  dagegen  mit  einer  langen  (0,016  mm)  Fühlborste  (b) 
(früher  als  Springborste  bezeichnet)  versehen.  Dieselbe  ist  in  einer  kleinen  Vertiefung  eingepflanzt,  verdünnt 
sich   allmählich  gegen  das  Ende  und  steht  schief  zur  Längsachse  des  Thieres. 


Das  Ectoplasma  (ek)  ist  sehr  dünn  und  besitzt  einen  radiären  Bau,  aus  welchem  Grunde  man 
^yohl  annehmen  muss,  dass  es  der  Alveolarschicht  entspricht.  Die  äusserste  Grenze  derselben  bildet  eine 
sehr  dünne  Pellicula  (p). 

Das  Entoplasma  erscheint  äusserst  feinkörnig  und  von  iileinen,  stark  lichtbrechenden  Kör- 
perchen  erfüllt. 

Der  Mund  (o)  liegt  an  der  Spitze  des  halsartigen  Vorderendes  und  wird  von  kleinen  Cilien  umgeben, 
die  fortwährend  flimmern  und  eine  lippenartige  Erhebung  vortäuschen.  Auch  stehen  die  Korpercilien  am 
Yorderende  dichter  als  am  ganzen  Körper.  Vom  Munde  entspringt  ein  kurzer,  röhrenförmiger  Schlund  (oe), 
der  sich  nach  hinten  stwas  verengt.  Um  den  Schlund  lassen  sich  sehr  dünne,  stäbchenartige  Gebilde  er- 
kennen, welche  jedoch  wenig  scharf  hervortreten. 

Die  After ö ffnun g  (a)  liegt  dem  Munde  gerade  entgegengesetzt  auf  der  unbewimperten  Körperfläche. 
Man  gewahrt  sie  nur  während  der  Ausstossung  des  Koths. 

Unweit  des  Afters,  ebenfalls  am  Hinterende  des  Körpers,  aber  seitlich  liegt  die  contractile  Va- 
cuale  (c.  V.),  welche  in  der  Nähe  der  Ansatzstelle  der  Fühlborste  nach  aussen  mündet.  Die  Oefl'nung  selbst 
wurde  nicht  direct  beobachtet,  jedoch  lässt  sich  ihre  Lage  daran  erkennen,  dass  die  contractile  Vacuole  sich 
immer  nach  einer   Stelle  zusammenzieht,  wo  natürlich  der  Perus  sich  finden  muss. 

In  der  Mitte  des  Körpers,  oder  etwas  mehr  dem  Hinterende  zu  findet  sich  ein  grosser,  kugeliger 
Makronucleus  (N)  mit  einem  kleinen  anfiegenden  Mikronucleus  (ncl).  Im  lebenden  Zustand  erscheint 
ersterer  fast  homogen  und  stark  hchtbrechend.  Nach  der  Behandlung  mit  Reagentien  kommt  eine  zarte 
Membran  und  eine  äusserst  feinmaschige  Netzstructur  zum  Vorschein;  der  Mikronucleus  ist  zu  klein,  als 
dass  man  etwas  von  seiner  Structur  erkennen  konnte. 

Das  beschriebene  Thierchen  kommt  ziemlich  häufig  vor  und  tritt  dann  in  grösseren  Mengen  auf 
Es  lebt  im  Schlamme  zwischen  Algen  und  verabscheut  putrescirende  Infusionen  nicht.  Vermöge  der  langen, 
feinen  Cilien,  die,  wie  es  scheint,  ohne  jegliche  Ordnung  bewegt  werden,  schwimmt  es  ziemlich  rasch  umher. 
Bei  der  Fortbewegung  geht  das  Vorderende  immer  voran ,  wobei  der  Körper  sich  um  seine  Längsachse  dreht. 
Es  schwimmt  gewöhnlich  in  grossen  Kreisen  umher,  kann  jedoch  ganz  unerwartet  die  Richtung  wechseln, 
woran  die  Fühlborste  Antheil  zu  nehmen  scheint.  Zuweilen  bleibt  es  ruhig  an  einem  Platze  liegen  und 
streckt  dann  die  Cilien  bewegungslos  aus.  Nach  einer  solchen  Ruhepause  fährt  es  öfters  plötzlich  auf,  macht 
einen  Sprung  und  bewegt  sich  ruhig  weiter  fort. 

Der  Körper  ist  elastisch  und  formbeständig;  er  erscheint  farblos  und  durchsichtig,  kann  aber  infolge 
der  aufgenommenen  Nahrung  ganz  undurchsichtig  werden.  Das  Thier  ist  sehr  gefrässig  und  ernährt  sich  von 
einzelligen  Algen.  Bei  der  Nahrangsaufnahme  kann  der  Schlund  bedeutend  erweitert  werden ,  wobei  die 
stäbchenartigen  Gebilde  besser  zu  erkennen  sind. 

U.  farcta  wurde  zuerst  von  Claparede  und  Lachmann  (13;  pag.  314—316)  beschrieben,  jedoch 
sahen  sie  weder  den  Schlund ,  noch  die  ihn  umgebenden  stäbchenartigen  Gebilde.  Die  lippenartige  Hervor- 
wölbung,  welche  nach  ihnen  den  Mund  umgeben  soll,  beruht  auf  den  kleinen,  sehr  dicht  aneinander- 
stehenden  Cilien,  welche  diese  Hervorwölbung  vortäuschen.  Auch  ist  von  diesen  Forschern  weder  die 
Körperstreifung,  noch  die  Bewimperung  richtig  erkannt  worden,  insofern  sie  die  erstere  schaubig  zeichnen 
und  den  Körper  total  bewimpert  abbilden.      Die  von  Stokes  als  U.  platj'stoma  (65    p.  101)  beschriebene 


9 

Form  scheint  wegen  der  allgemeinen  Körpergestalt,  wie  der  Lage  der  Mundöffnung  und  Füblborste  mit 
U.  farcta  identisch  zu  sein;  sie  würde  sich  nur  durch  eine  beträchtlichere  Grösse  (Vgco  engl.  Zoll  -^ 
0,038  mm)  auszeichnen.  Er  fand  bei  ihr  einen  röhrenförmigen  Schlund,  ohne  jedoch  die  Stäbchen  zu  erkennen; 
die  Bewimperung  soll  nach  ihm  eine  totale  sein.  Auch  ist  sehr  wahrscheinhch ,  dass  das  von  demselben 
Forscher  als  Balanitozoon  agile  (n.  g.  et  sp.i  (65;  pag.  109  —  110)  beschriebene  Infusor  ebenfalls  die 
U.  farcta  ist.  Balanitozoon  agile  soll  sich  nur  durch  das  unbewimperte  hintere  Köri^erende  unterscheiden 
—  eine  Eigenschaft,  welche  nach  meiner  Beobachtung  auch  der  U.  farcta  zukommt,  nur  mit  dem  Unter- 
schiede, dass  nach  Stokes  bei  Balanitozoon  das  ganze  hintere  Körperdrittel  unbewimpert  erscheint. 

2.   Urotricha  lagenula.    Kent. 

Kent  38;  pag.  505,  Taf.  XXVII.,  Fig.  1. 
Bütschli  10;  pag.  1347. 

Syiion.:  Holophrya.     Lieberkühii  42;  Taf.  212—213,  Fig.  3—5. 

?  Pantotricbum  lagenula.     Ehrenberg  27;  pag.  248,  Taf.  XXII,  Fig.  9. 

Taf.  I.     Fig.  2. 

Mittelgrosse  Thiere  (bedeutend  grösser  als  die  vorige  Art)  von  0,08—0.01  mm  Länge  und  0,05  — 
0,068  mm  Breite. 

Körper  flaschen-  oder  birnförmig,  mit  vollkommen  abgerundetem  Hinterende  und  halsförmig  aus- 
gezogenem, kurzem  Vorderende.     Mundöffuung  polar. 

Der  ganze  Körper  ist  total  bewimpert.  Die  Cilieu  sind  verhältnissmässig  nicht  sehr  lang  und  sitzen 
auf  kleinen  Papillen,  welche  in  Längsreihen  angeordnet  sind.  Diese  dicht  aneinander  stehenden  Cilien- 
papillen,  welche  die  Längsstreifung  des  Körpers  bedingen,  scheinen  in  seichten  Furchen  zu  stehen,  da  sie 
erst  bei  tiefer  Einstellung  deutlicher  zu  sehen  sind  —  eine  Erscheinung,  welche  auch  hei  anderen  Infusorien 
(Holophrya,  Prorodon)  anzutreffen  ist.  Am  Vorderende  stehen  die  Cilien  sehr  dicht  beisammen  und  nehmen 
gegen  das  Hinderende  allmählich  an  Dichte  ab,  woselbst  sie  ziemlich  spärlich  vorhanden  sind.  Am  Hinter- 
ende sind  3—4  bedeutend  längere,  ziemlich  steife  Fühlborsten  (b)  eingepflanzt. 

Die  Pellicula  (p)  ist  sehr  dünn.  Das  Ectoplasma  (ek)  erscheint  hyalin,  ziemlich  stark  licht- 
brechend und  anscheinend  structurlos.  Das  Entoplasma  ist  feinnetzig  granulirt.  mit  körnigen  Einschlüssen; 
auch  enthält  es  einzelne,  stark  lichtbrechende  Körperchen. 

Die  Mund  Öffnung  (o)  ist  rundlich  und  liegt  am  vorderen  Körperpole;  von  ihr  entspringt  ein  röhren- 
förmiger oder  vielmehr  etwas  kegelförmiger,  dickwandiger  Schlund  (oe),  welcher  von  stäbchenartigen  Gebilden 
(st)  umgeben  wird  und  ein  birnförmiges  Lumen  besitzt.  Der  Bau  des  Schlundes  entspricht  vollkommen  dem 
von  Holophrya  und  Prorodon ,  bei  welchen  er  infolge  der  grösseren  Dimensionen  der  Thiere  deutlicher  zu 
sehen  ist  und  auf  dessen  Schilderung  ich  später  eingehen  werde. 

Der  After  (a)  liegt  terminal,  nnweit  der  Fühlborsten,  in  deren  unmittelbaren  Nähe  auch  die  ziem- 
lich grosse  contractile  Vacuole  (c.  v.)  nach  aussen  ausmündet. 

Der  kugelige,  grosse  Makronucleus  (N)  liegt  etwas  subcentral  und  wird  stets  von  einem  kleinen 
Mikronucleus  (ncl)  begleitet,  welcher  anscheinend  eine  feinstreifige  Structur  besitzt. 

IT.  lagenula  kommt  bedeutend  seltener,  als  die  vorige  Art  vor;  auch  tritt  sie   nie  in  solch  grossen 

Bibliotheca  zoologica.     Heft  3.  2 


10       

Massen  auf.  Die  Bewegungserscheinungen  sind  fast  dieselben  wie  bei  ü.  farcta,  sodass  ich  nichts  hinzu- 
zufügen habe.  Interessant  ist  nur  das  Verhalten  der  Fühlborsten  beim  Wechsel  der  Bewegungsrichtung. 
Diese  Borsten  sind  gewöhnlich  bewegungslos  und  werden  vom  Thiere  so  zu  sagen  nachgeschleppt.  Beab- 
sichtigt es  aber  bei  seinem  Umherschwimmen  eine  andere  Richtung  einzuschlagen,  so  schlägt  es  ein  paar- 
mal mit  dem  Borstenbündel,  oder  verleiht  ihm  auf  einen  Augenblick  eine  schiefe  Stellung,  worauf  eine  Ver- 
änderung der  Bewegungsrichtung  erfolgt.  Ich  glaube  daraus  schliessen  zu  dürfen,  dass  diese  Gebilde  auch 
zum  Steuern  gebraucht  werden. 

Der  Kör]5er  ist  gelblich,  jedoch  scheint  die  Farbe  mit  der  Quantität  und  Art  der  aufgenommenen 
Nahrung  in  Beziehung  zu  stehen.  Gewöhnlich  ernährt  sich  U.  lagenula  von  Algen,  nimmt  aber  mit  grosser 
Vorhebe  auch  Fetttropfen  auf.  Während  der  Nahrungsaufnahme  erweitert  sich  der  Schlund  sammt  seiner 
Wandung  ganz  bedeutend,  so  dass  Nahrungskörper  aufgenommen  werden  können,  deren  Durchmesser  den 
der  Mundöffnung  um  das  Zehnfache  überbietet. 

U.  lagenula  wurde  zuerst  von  Kent  (38;  pag.  50.5)  obgleich  ziemlich  mangelhaft  beschrieben.  So 
erwähnt  er  nichts  von  dem  Vorhandensein  eines  Kerns  und  eines  besonderen,  mit  Stäbchen  versehenen 
Schlundapparates;  er  bildet  nur  die  Lage  der  Mundöffnung  ab.  Er  glaubt  ferner  nur  eine  Fühlborste 
gesehen  zu  haben.  Es  ist  sehr  fraglich,  ob  Ehrenberg"s  Pantotrichum  lagenula  (27)  als  sj^nonym 
mit  U.  lagenula  aufgefasst  werden  kann.  Jedenfalls  ist  die  Beschreibung  desselben  (pag.  248)  nicht  aus- 
reichend genug  dafür  und  weniger  die  beigefügte  Abbildung  (Taf.  XXII  Fig.  9),  welche  sogar  an  die  Identität 
mit  einer  Flagellate  (Trachelumonas  hispida)  zu  denken  veranlasst. 

3.  Holophrya  discolor.    Ehrbg. 

Ehrenberg  27;  pag.  314,  Taf.  XXXII,  Fig.  8. 
Duj ardin  24;  pag.  500. 
Claparfede  und  Lachmaun  13;  pag.  314. 
Stein  60;  pag.  95. 
Kent  38;  pag.  499. 

ßütschli  10;  pag.  1298,  Fig.  14e,  pag.  1362,  1371,  1421-22,  Taf.  LVI,  Fig.  7. 
Synon:?  H.  brunnea.     Dujardin  24;  pag.  499—500,  Taf.  XII,  Fig.  1. 

H.  Kessleri.     Mereschkowsky  46;   pag.  257—258,  Taf.  II,  Fig.  5  und  5a;   aucli  47;  pag.  171  — 

172 ,  Taf.  X,  Fig.  29-30. 
Enchelys  discolor.     Diesing  22;  pag.  526. 

Taf.  I,  Fig.  3-8. 

Mittelgrosse  Thiere  von  0,095 — 0,13  mm  Länge  und  0,06—0,08  mm  Breite.  Körper  contractu, 
daher  die  Gestalt  wechselnd;  in  den  meisten  Fällen  länglich  oval,  am  Vorderende  bedeutend  breiter,  als  am 
hinteren,  jedoch  an  beiden  Enden  abgerundet.  Zuweilen  vollkommen  ellipsoidal,  ja  sogar  fast  kugelförmig. 
Mundöfluung  (Fig.  3  o)  polar. 

Die  feinen,  ziemlich  dicht  stehenden  Cilien  sind  über  den  ganzen  Körper  verbreitet  und  in  Längs- 
reihen angeordnet.  Diese  Längsreihen  sind  sehr  schmal  und  bilden  Einsenkungen  der  Körperoberfläche 
(Fig.  3,  4  und  6),  sodass  sie  als  seichte  Furchen  aufzufassen  sind.  Zwischen  denselben  liegen  bedeutend 
breitere  cilienfreie  Längsstreifen  oder  Bänder,  welche  convex  vorspringen  und  als  Eippenstreifen  (Bfltschli)  zu 
bezeichnen  wären.    Infolge  dieser  untereinander  abwechselnden  schmalen  Längsfurchen  und  breiten,  convex  auf- 


11     

gewölbten  Rippenstreifen  erscheint  der  Körper  bei  Polaransichten  (Fig.  4  und  6j  am  Umfange  deutlich  gelierbt, 
wobei  die  Kerben  selbstredend  durch  die  Läugsfurchen  bedingt  werden.  In  den  Einkerbungen,  resp. 
Furchen,  stehen  auf  einzelnen  kleinen  Papillen  die  Körpercilien  (el)  eingepflanzt,  wodurch  der  Grund  der 
Furchen    selbst  schwach  erhaben  erscheint. 

Die  Zahl  der  Furchen  beträgt  gewöhnlich  82.  Auch  gelang  es  mir  (siehe  den  Anhang),  wenn 
auch  annähernd,  die  Zahl  der  gesammten  Körpercilien  zu  bestimmen,  welche  bei  einer  Form  von  0,096  mm 
Länge  und  0,0(i2  mm  Breite  auf  1400  zu  schätzen  wäre. 

Die  'Wimperreihen  reichen  nicht  ganz  bis  zur  Mundöffnung,  sondern  stossen  auf  ein  kleines,  ellip- 
tisches Mundfeldchen  (Fig.  4  Mf),  in  dessen  Mitte  die  spaltförmige  Mundöffnung  gelegen  ist.  Dieses  Feldchen 
ist  bedeutend  feiner  als  der  übrige  Körper,  radiär  gestreift  und  sehr  dicht  mit  anscheinend  etwas  kürzeren 
Cilien  besetzt.  Die  Streifen  selbst  sind  ebenfalls  nur  der  optische  Ausdruck  der  in  radiären  Reihen  dicht  an- 
einander sitzenden  Cilien,  welche,  wie  alle  Cilien.  an  kleinen  Papillen  befestigt  sind. 

Die  Pellicula  (p)  erscheint  als  ein  äusserst  dünner,  stark  glänzender  Körpersaum,  unterhalb  deren 
eine  schmale,  ziemlich  stark  lichtbrechende  Alveolarschicht  (alj  gelegen  ist. 

Unterhalb  derselben  befinden  sich  noch  besondere  Fibrillen  —  die  sogenannten  Mj'ophane  (Häckel) 
oder  Mj'oneme  (Bütschli),  welche  die  Contractionen  des  Körpers  bedingen.  Diese  Längsfibrillen  (Fig.  7  f ) 
sind  sehr  dünn  und  zeichnen  sich  durch  recht  starkes  Lichtbrechungsvermögen  aus;  sie  sind  in  besondere  helle 
Kanäle  (k)  eingelagert,  welche,  nach  ihrem  optischen  Verhalten  zu  urtheilen.  wahrscheinüch  von  einer  flüssigen 
Masse  erfüllt  sind.  Die  Kanäle  mit  den  ihrer  Umrandung  anliegenden  Fibrillen  verlaufen  unterhalb  der 
Cilienfurchen  und  sind  wahrscheinlich  durch  Einsenkung  aus  der  Alveolarschicht  entstanden.  Auf  dem 
optischen  Querschnitte  erscheinen  die  Fibrillenkanäle  (Fig.  4  und  6k)  als  rundliche  helle  Bläschen,  an  deren 
Wand,  und  zwar  stets  an  der  rechten  Seite  (in  Bezug  auf  den  Beobachter),  der  dunkle  Querschnitt  der 
Fibrille  (f)  liegt.  Diese  Bläschen  hegen  stets  unterhalb  der  Cihenfurche  und  hängen  derselben  durch  einen 
sehr  dünnen  Verbindungskanal  an,  welcher  unzweifelhaft  darauf  hindeutet,  dass  der  Fibrillenkanal  aus  der 
Alveolarschicht  entstanden  ist  und  später  eine  Einsenkung  erfahren  hat.  An  solchen  optischen  Querschnitten 
sieht  man  auch,  dass  die  CUien  (cl)  stets  näher  der  einen  Seite  der  Furche,  und  zwar  unmittelbar  über 
der  Muskelfibrille,  eingepflanzt  sind. 

Das  Entoplasma  (Fig.  5  en)  ist  netzig -gi'anulös  und  gewöhnlich  mit  verschiedenartigen  Nahrungs- 
körpern (nk)  und  unverdauten  Resten  solcher  vollgepfropft.  Ausserdem  findet  man  noch  kleine  stark  licht- 
brechende  Körperchen  eingelagert.     Das  ganze  Entoplasma  ist  in  fortwährender  Circulation  begriffen. 

Die  Mundöffnung  (o)  erscheint  von  vorn  betrachtet  als  ein  unregelmässig  begrenzter  Spalt,  welcher 
ebenso  wie  der  anhegende  Schlund  sehr  erweiterungsfähig  ist.  Der  Schlund  (Fig.  3  und  5oe)  ist  röhren- 
förmig, vorn  etwas  kugelig  angeschwollen  und  nach  hinten  verengt.  Er  besitzt  eine  sehr  dicke  Wand 
(Fig.  5  oe.  w),  welche  aus  einer  dichteren,  besonders  difl'erenzirten  Protoplasmapartie  besteht.  Sein  Aussen- 
rand  wird  von  langen  stäbchenartigen  Gebilden  (st)  umgeben,  welche  untereinander  nicht  verbunden  sind 
und  einen  etwas  schraubigen  Verlauf  besitzen.  Die  Alveolarschicht  des  Ectoplasmas  (al)  reicht  nur  bis  an 
die  Schlundwandimg,  so  dass  wir  uns  dieselbe  durch  Differenzirung  und  Einsenkung  des  Ectoplasmas  hervor- 
gegangen   zu   denken  haben.     Im  gewöhnlichen  Zustande   ist  der  Schlund   vollkommen    geschlossen   bis   auf 


12       

das  vorderste  Ende,  in  welchem  man  ein  birnförmig  erweitertes  Lumen  gewahrt  (Fig.  3).  Bei  der  Nahrungs- 
aufnahme erweitert  sich  der  Schlund  ganz  bedeutend,  es  entsteht  ein  breites,  kegelförmiges  Lumen  (Fig.  5), 
welches  durch  den  ganzen  Schlund  zu  verfolgen  ist  und  das  Eindringen  der  Nahrung  in  das  Entoplasma 
ermöglicht. 

Der  After  (a)  liegt  genau  am  hinteren  Körperpole.  Ein  klein  wenig  vor  dem  After  liegt  in 
einem  der  Rippenstreifen  der  Perus  der  contractilen  Vacuole  (Fig.  3  p.  e).  Kurz  vor  der  Systole  treten 
um  die  contractile  Vacuole  mehrere  kleine  Vacuolen  auf,  welche  nach  stattgefundener  Entleerung  der  con- 
tractilen Vacuole  zusammenfliessen  und  die  erste  Anlage  einer  neuen  bilden.  Während  der  ganzen  Diastole 
treten  radiär  um  dieselbe  ganze  Reihen  von  verschieden  grossen  Vacuolen  auf,  die  allmähhch  mit  der 
grossen  Vacuole  verschmelzen. 

Der  Makronucleus  (Fig.  3  und  5  N)  ist  ziemlich  gross  (bis  0,04  mm),  nierenförmig  und  wird  stets 
von  einem,  gewöhnlich  seiner  concaven  Seite  anliegenden  Mikronucleus  (ncl)  begleitet.  Im  lebenden  Zu- 
stande erscheint  der  Kern  netzig  gekörnt.  Behandelt  man  ihn  mit  Reagentien,  so  kommt  die  Membran, 
wie  die  Netzstructur  noch  deutlicher  zum  Vorschein.  Ausserdem  gewahrt  mau  dann  im  Gerüstwerke 
noch  einzelne,  kleine,  rundliche  Binnenkörperchen  eingelagert.  Dieselben  sind  deutlich  begrenzt  und  ent- 
halten in  ihrer  Mitte  ein  kleines  stark  lichtbrechendes  Körperchen,  von  welchem  radiär  zur  Peripherie 
Fäserchen  ausgehen.  Der  Mikronucleus  ist  ellipsoidal,  homogen  und  ziemlich  stark  lichtbrechend.  An  isolirten 
und  gefärbten  Mikronuclei  bemerkt  man  eine  äusserst  feine  Hülle  und  ein  eigenthümliches  Verhalten  der 
Kernsubstanz.  Die  eine  Hälfte  ist  streifig -körnig  gebaut  und  nimmt  begierig  Farbstoffe  auf,  wogegen  die 
andere  homogen  bleibt  und  fast  gar  nicht  tringirt  wird.  Wir  hätten  somit  schon  im  ruhenden  Zustande  des 
Mikronucleus  eine  Scheidung  seiner  Substanz  in  einen  chromatischen  und  achromatischen  Abschnitt  —  eine 
Erscheinung,  die  bei  vielen  CiUaten  durchaus  nicht  selten  ist. 

Holophrya  discolor  gehört  nicht  zu  den  gemeinsten  Infusorien,  wenigstens  habe  ich  sie  ziemlich 
selten  angetroffen.  Sie  lebt  an  der  Oberfläche  zwischen  Algen  und  scheint  Fäulniss  nicht  zu  ertragen.  Ihre 
Bewegungen,  welche  meist  Vorwärtsbewegungen  sind,  die  von  Rotationen  begleitet  werden,  sind  ziemhch 
rasch  und  behende.  Dabei  sind  die  feinen  dicht  aneinander  stehenden  Körpercilien  immer  nach  hinten 
gerichtet;  nur  die  am  vorderen  Körperpole  stehenden  Cihen  schlagen  nach  der  Mundöffnung  und  können 
eventuell  eine  lippenartige  Erhebung  vortäuschen.  Das  Thier  kann  sich  auch  rüclc^värts  bewegen;  jedoch 
kommt  dies  ziemlich  selten  vor  und  erfolgt  nur  auf  sehr  kleine  Strecken. 

Der  Körper  ist. ziemlich  contractu  und  dalier  metabolisch.-  Die  Farbe  ist  meist  weisslichgrau,  jedoch 
sehr  wechselnd  und  steht  mit  der  Art  der  aufgenommenen  Nahrung  in  Beziehung.  Dieselbe  kann  sehr  ver- 
schieden sein,  jedoch  scheint  das  Thier  eine  besondere  Vorliebe  für  thierische  Fette  (Crustaceen)  zu  haben. 
Es  ist  sehr  gefrässig  und  ist  zuweilen  von  Nahrungskörpern  so  erfüllt,  dass  der  Körper  seine  Gestalt  voll- 
kommen verändern  kann. 

Alle  Beschreibungen,  welch  über  H.  discolor  vorliegen,  sind  sehr  mangelhaft  und  beziehen  sich  nur 
auf  die  allgemeine  Körpergestalt,  Lage  des  Mundes  u.  s.  w.  lieber  die  feineren  Verhältnisse,  wie  den  Bau 
des  Schlundes,  des  Ectoplasmas  und  besonders  der  Muskel fibrillen  liegen  gar  keine  Angaben  vor.  Was  den 
Nucleus  betrifft,  so  will  Stein  (60;  pag.  95)  einen  bandförmigen  gesehen  haben.  .Jedoch  kann  seine  Gestalt 
für    die   Aufstellung    einer    neuen    Art  nicht    ausreichend    betrachtet    werden.      Aus    diesem    Grunde   halte 


13 

ich  die  Aufstellung  der  Holophrya  Kessleri  von  Mereschkowsky  (46  und  47)  für  unbegründet,  welche 
sich  nur  durch  die  Gestalt  des  Makronucleus  und  besondere  Rippen  (Rippenstreifen)  —  die  ja  allen  Holophrya 
und  Prorodon  zukommen  —  von  allen  übrigen  Holophrya-Arten  unterscheiden  soll  (pag.  172).  Gleichfalls 
möchte  Ich  sehr  bezweifeln,  ob  die  Dujardin'sche  H.  brunnea  (24;  pag.  499— 500),  welche  bekanntlich  nur 
durch  ihre  Körpergestalt  und  Farbe  von  H.  discolor  sich  unterscheidet,  wirklich  eine  selbstständige  Art 
bildet.  Die  oben  beschriebene  Unbeständigkeit  der  Körpergestalt  imd  Farbe  scheint  mir  sehr  dafür  zu  sprechen, 
dass  dieselben  nicht  zur  Artunterscheidung  verwendet  werden  können. 

4.  Prorodon  teres.    Ehrbg. 

Ehrenberg  27;  pag.  316,  T.-if.  XXXII,  Fig.  11. 

Dujardin  24;  pag.  501. 

Cohu  16;  pag.  26il-273,  Taf.  XIII,  Fig.  1—6. 

Perty  50;  pag.  147. 

Clapar&de  und  Lachmann  13;  pag.  319. 

Stein  60;  pag.  82,  90,  96  und  100  auch  62;  pag.  169. 

Diesing  22;  pag.  539. 

Kent  38;  pag.  492. 

Bütschli  10;  pag.  1361—62,  1.371,  1421,  1422,  1428,  Taf.  LVII,  Fig.  3a-d. 

Synon:  P.  griseus.     Claparede  und  Lachmann  13;  pag.  319,  Tat'.  XVIII,  Fig.  3. 

Taf.  I,  Fig.  9-1.3. 

Mittelgrosse  bis  grosse  Thiere  von  0,08 — 0,25  mm  Länge  und  0,05 — 0,17  mm  Breite. 

Diese  Form  schliesst  sich  unmittelbar  an  Holophrya  an,  sowohl  wegen  den  allgemeinen  Organisations- 
verhältnissen wie  auch  infolge  der  ganzen  Lebensweise.  Aus  diesem  Grunde  können  wir  bei  der  Beschreibung 
derselben  uns  ziemlich  kurz  fassen. 

Körper  meist  ellipsoidal  bis  kugelförmig,  contractu,  daher  auch  unbeständig  in  der  Form.  Mund- 
öftnung  (o)  polar,  oder  imbedeutend  seitwärts  verschoben. 

Die  Körpercilien  sind  fein  und  stehen  auf  kleinen  Papillen  in  seichten  Längsfurchen  sehr  dicht  an 
einander.  Zwischen  diesen  Längsfurchen,  welche  die  Körperstreifung  bedingen,  befinden  sich  die  convex  auf- 
gewölbten Rippenstreifen  (wie  bei  Holophrya).  Am  hinteren  Körperende  sind  die  Cilien  imbedeutend  länger 
als  am  übrigen  Körper.  .\m  vorderen  Körperpole  befindet  sich  (ebenso  wie  bei  Holophrya)  ein  elliptisches 
Mundfeldchen  (Mf),  welches  dichter  als  der  übrige  Köi-per  gestreift  und  bewimpert  ist  und  in  dessen  Mitte 
die  Mundöffnung  liegt. 

Prorodon  teres  besitzt  eine  deutliche,  ziemlich  breite  Alveolarschicht  (al),  welche  von  einer  sehr 
dünnen  Pellicula  (p)  umgeben  wird.  Unterhalb  den  Cilienfurchen  ziehen  Myoneme  (Fig.  10  und  11  f)  hin, 
welche  in  ihrem  Bau  denen  der  Holophrya  vollkommen  entsprechen.  Das  Entoplasma  (en)  ist  körnig  und 
von  Nahrungskörpern  erfüllt. 

Eine  gewisse  Besonderheit  bietet  der  Bau  des  Mundes  und  Schlundes  dar.  Bei  dieser  Form 
findet  mau  eine  weiter  vorgeschrittene  Ausbildung  des  Schlundapparates  als  bei  Holophrya.  Die  Mund- 
öffnung (Fig.  10  o)  bildet  einen  länglichen  Spalt,  dessen  Umrisse  unregelmässig  und  unbeständig  sind. 
Vom  Munde  führt  ein  ziemlich  langer,  röhrenförmiger,  nach  hinten  etwas  kegelförmig  zugespitzter  Schlund 


14       

(oe),  dessen  dicke  Wandung  (oe.  w.)  aus  dichterem  Protoplasma  besteht.  In  der  Schlundachse  bemerkt 
man  ein  schmales  kegelförmiges  Lumen,  welches  bei  der  Nahrungsaufnahme  (Fig.  11)  zu  einem  breiten 
Eohre  erweitert  wird.  Der  Schlund  wird  von  einem  besonderen,  ebenfalls  kegelförmigen  Gebilde  umgeben, 
welches  schon  von  Ehrenberg  als  reusenartiger  Schlundapparat  beschrieben  wurde.  Dieser  Apparat  be- 
steht aus  dünnen,  dicht  beisammen  liegenden,  etwas  schraubig  verlaufenden  Stäbchen  (st),  welche  unter 
einander  verbunden  sein  müssen,  da  der  ganze  Apparat  vorstreckbar  ist,  und  beim  Zerfliessen  des  Thieres  als 
ein  zusammenhängendes  Gebilde  zu  isohren  ist.  Der  ganze  Stäbchenapparat  kann  sich  frei  an  der  äusseren 
Schlundwandung  bewegen  und  demnach  entweder  in  den  Körper  eingezogen  oder  stark  nach  vorne  vorgestreckt 
werden,  wobei  dann  die  Mundöfifnung  wie  von  einem  lippenartigen  Wulst  umgeben  erscheint. 

Der  After  (a)  liegt  am  Hinterende  des  Körpers  terminal  oder  subterminal.  Unweit  desselben  be- 
findet sich  auch  die  contractile  Vacuole  (c.  v.;,  welche  in  einem  der  Rippenstreifen  durch  einen  besonderen 
Perus  (p.  e.)  nach  aussen  mündet.  Von  dieser  grossen  Vacuole  gehen  radiär  4  Reihen  von  Vacuolen  aus, 
die  unterhalb  der  Alveolarschicht  gelegen  sind  und  an  Grösse  allmählich  nach  vorn  abnehmen.  Unmittelbar 
nach  der  erfolgten  Systole  fliessen  die  vier  grösseren  Vacuolen  zu  einer  neuen  zusammen;  die  anderen  treten 
an  die  Stelle  der  vorhergehenden  und  schwellen  während  der  Diastole  allmählich  an. 

Der  Makronucleus  (N)  ist  ellipsoidal  und  liegt  in  der  Mitte  des  Körpers  oder  etwas  mehr  dem 
Hintereude  zu.  Er  wird  immer  von  einem  kleinen  Mikronucleus  (ncl)  begleitet.  Im  lebenden  Zustande 
erscheint  der  Kern  homogen,  mit  einem  dunkleren  Binnenkörper,  welcher  mit  der  Kernwandung  durch 
dunkle  Verbindungsbrücken  in  Zusammenhange  zu  stehen  scheint.  Bei  Behandlung  mit  Reagentien  (Fig.  13) 
kommt  seine  Netzstructur  zum  Vorschein.  Dieselbe  lässt  sich  an  der  Kernwandung,  um  den  Binnenkörper 
und  in  den  Verbindungsbalken  wahrnehmen,  wogegen  die  dazwischenliegenden  Partieen  fast  homogen  erscheinen 
und  demnach  als  Vacuolen  aufzufassen  wären.  Der  Binnenkörper  zeigt  eine  sehr  feinnetzige  Structur.  Bei 
der  Fixirung  kommt  auch  die  Kernmembran  mit  Deutlichkeit  zum  Vorschein.  Der  Mikronucleus  besitzt  eben- 
falls eine  Hülle  und  besteht  aus  einer  grösseren,  streifigen,  chromatischen  und  einer  kleineren,  homogenen 
(achromatischen)  Hälfte. 

Prorodon  teres  wird  ziemlich  häufig  angetroffen,  gehört  aber  nicht  zu  den  gemeinsten  Infusorien. 
Er  schwimmt  immer  mit  dem  Vurderende  v»ran  unter  fortwährender  Rotationsbewegung.  Der  Körper  ist 
ziemlich  contractu  und  verändert  daher  seine  Form.  Die  Farbe  ist  ebenfalls  sehr  wechselnd  und  scheint  mit 
der  Art  der  Nahrung  in  Beziehung  zu  stehen :  in  den  meisten  Fällen  ist  sie  bräunlich  grau.  Die  Nahrung 
besteht  aus  Algen  oder  thierischen  Fetttropfen. 

Obgleich  P.  teres  von  vielen  Forschern  beschrieben  wurde,  besitzen  wir  in  der  Literatur  nur  die 
eine  Abbildung,  welche  von  Ilhrenberg  (27:  Taf.  XXXH,  Fig.  9)  gegeben  wurde.  Die  Alveolarschicht, 
sowie  der  Bau  des  Schlundapparates  und  sein  Verhältniss  zum  Schlünde  ist  schon  von  Bütschli  (1874) 
erkannt  worden. 

Die  Arten  der  Gattung  Prorodon  sind  bis  jetzt  in  Bezug  auf  ihre  Verschiedenheit  sehr  mangelhaft 
charakterisirt.  Es  scheint  mir  daher  sehr  wahrscheinlich,  dass  eine  Neuuntersuchung  die  grosse  Zahl  der 
beschriebenen  Arten  auf  wenige  reduciren  würde.  Vorläufig  möchte  ich  nur  die  Identität  von  P.  griseus 
Gl.  und  L.  mit  der  eben  beschriebenen  Art  behaupten. 


15 


5.  Didinium  Balbianii.    Btttschli. 

Bütschli  10;  piig.  1286,  133S,  13G4,  136!»,  1395,  Taf.  LVIII,,  Fig.  4a— b. 

Synou :  Monodinium  Balbianii.     Fabre-Domergue  32;  pag.  35 — 39,  Taf.  IV,  Fig.  43—50. 

Taf.  II,  Fig.  U  ~  21. 

Kleine  Tliiere  von  0,05—0,08  mm  Länge  und  O.Oo— 0,05  mm  Breite.  Körper  mehr  oder  weniger 
fingerhut-  oder  glockenförmig,  hinten  abgerundet,  vorne  gerade  abgestutzt  und  in  einen  kegelförmigen,  ver- 
änderlichen Mundzapfen  ausgezogen.  Der  ganze  Körper  ist  contractil,  sodass  das  Hinterende  spitzer  oder 
flacher  erscheinen  kann;  auch  kann  der  Zapfen  im  verschiedenen  Grade  vorgestreckt  und  eingezogen  werden, 
sodass  er  zuweilen  die  Gestalt  eines  kleinen  Hügels  annimmt  (Fig.  14  und  21).  An  der  Spitze  des  Zapfens 
befindet  sich  die  Mundöflfnung  (o). 

Am  Rande  des  abgestutzten  Vorderendes  befindet  sich  ein  Kranz  ziemlich  langer  Cilien  (W), 
welche  in  kleinen  Reihen  sehr  dicht  angeordnet  sind.  Dieselben  erscheinen  auf  den  ersten  Blick 
membranellenartig  und  an  der  Spitze  zerfasert;  es  fällt  aber  nicht  schwer  sich  zu  überzeugen,  dass  es 
einzelne  Cilien  sind,  gewöhnlich  6  an  der  Zahl  (Fig.  17),  welche  sehr  nahe  aneinander  stehen  und  an 
der  Basis  wie  verklebt  erscheinen.  Von  jeder  solcher  Cilienreihe  lässt  sich  ein  Längsstreifen  nach  dem 
Vorder-  und  Hinterende  verfolgen,  wobei  er  nach  hinten  einen  etwas  schraubigen  Verlauf  annimmt.  Diese 
Längsstreifen  sind  seichte  Vertiefungen  oder  Furchen  and  tragen  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung  kleine  punkt- 
artige Erhebungen,  die  mit  Cilienpapillen  zu  vergleichen  sind.  Es  liegt  die  Vermuthung  sehr  nahe,  dass 
diese  Längsstreifen  von  den  ursprünglich  vorhanden  gewesenen  Wimperreihen  abzuleiten  sind,  indem  bei 
der  stattgefundenen  Reduktion  der  Cilien  die  letzteren  sich  auf  einen  Kranz  beschränkten  und  nur  die 
Papillen  zurückblieben. 

Das  Ek  toplasma  (ek),  umgeben  von  einer  zarten  Pellicula  erscheint  homogen.  Das  Entoplasma 
(en)  ist  deutlich  netzartig  und  enthält  viele  kleine  stark  lichtbrechende  Körpercheu.  Es  ist  in  einer  fort- 
währenden, ziemlich  starken  Circulation  begriffen;  dieselbe  geht  so  energisch  vor  sich,  dass  nicht  nur  die 
Nahrungskörper  (nk),  oder  die  eventuell  vorhandenen  Zoochlorellen  (z)  mitgeführt  werden,  sondern  auch 
der  Kern  (N)  fortwährend  seine  Lage  verändert. 

Der  Mund  (o)  liegt  an  der  Spitze  des  zapfenartigen  Vorderendes  und  bildet  eine  kleine  rundliche 
Oeffnung,  die  sehr  erweiterungsfähig  ist.  Es  ist  kein  eigentUcher  Schlund  vorhanden,  da  ich  nichts  von 
einer  besonders  differenzirten  Schlundwandung  sehen  konnte.  Um  die  Mundöfli:ung  steht  ein  Bündel  sehr 
langer,  dünner  Stäbchen  (st),  welche  unter  einander  nicht  verbunden  sind  (Fig.  Ki).  Sie  besitzen  einen 
schraubigen  Verlauf  und  können  ziemlich  weit  nach  hinten  ziehen.  Ja  bei  einigen  Exemplaren  waren  diese 
Stäbchen  so  lang,  dass  sie  am  Hinterende  des  Körpers  (Fig.  15  st)  umbogen  und  noch  eine  Strecke  nach 
vorne  zogen.  Die  Stäbchen  stehen  nicht  in  einem  Kreise  um  den  Mund  (wie  bei  Urotricha  oder  Holophrya), 
sondern  ziemlich  unregelmässig  und  divergiren  dem  Hinterende  zu,  so  dass  das  ganze  Stäbchenbündel  eine 
kegelförmige  Gestalt  besitzt.  Bei  der  Nahrungsaufnahme  erweitert  sich  die  Mundöffnung  ganz  bedeutend, 
das  Stäbchenbündel  geht  weit  auseinander,  was  eine  Aufnahme  von  relativ  grossen  Nahrungskörpern 
ermöglicht.  Ich  konnte  nichts  von  einem  Nahrungskanal  oder  einer  Nahrungshöhle,  welche  kontinuirlich  vom 
Munde  zu  After  ziehen  soll,  wie  es  Balbiani  bei  Didinium  nasutum  (4;  pag.  379—381)  beobachtet  hatte. 


16 

wahrnehmen.  Für  diese  Art  wenigstens  möchte  ich  mit  voller  Bestimmtheit  behaupten,  dass  solch'  ein  Kanal 
nicht  vorhanden  ist.  Ich  verfolgte  mehrere  Male  die  Nahrungsaufnahme,  Verdauung  und  Nahrungsaus- 
stossung  mit  starken  Systemen  und  sah  nichts  von  einem  kontinuirlichen  Kanäle.  Ausserdem  spricht  gegen 
diese  Annahme  die  Lage  der  Nahrungskürper,  welche  in  verschiedenen  Theilen  des  Plasmas  anzutreffen  sind. 
Auch  konnte  ich  nichts  von  einem  zungenartigen  Organe  bemerken,  welches  nachBalbiani  von  D.  nasutum 
beim  Ergreifen  der  Beute  (Paramaecium)  aus  der  Mundöfifnung  hervorgestreckt  werden  soll  (4;  pag.  379, 
Taf.  XVII,  Fig.  6)  und  den  Zweck  hat,  mit  seinem  freien  Ende  sich  an  die  Beute  zu  befestigen,  um  die- 
selbe beim  Zurückziehen  in  die  Nahrungshöhle  zu  befördern. 

Der  After  (a)  liegt  am  Hinterende  des  Körpers.  Dicht  neben  ihm  findet  sich  auch  die  con- 
tractile  Vacuole  (c.  v.). 

Der  Makroniicleus  (Nj  ist  ziemlich  gross,  hufeisenförmig  und  lässt  eine  netzige  Structur  erkennen. 
Er  liegt  in  der  Mitte  des  Körpers  und  verändert  infolge  der  Plasmacirculation  fortwährend  seine  Lage.  An 
seiner  convexen  Seite  bemerkt  man  immer  einen  kleinen,  homogenen  Mikronucleus  (ncl)  anliegen.  An 
fixirten  Hauptkernen  (Fig.  18)  unterscheidet  man  deutlich  eine  Kernmembran  und  im  Netzwerke  einzelne 
kleine,  stark  lichtbrechende  Körperchen.  Der  Mikronucleus  zeigt  die  erwähnte  Sonderung  des  Chromatins  und 
Achromatins. 

Bei  beginnender  Theilung  (Fig.  20)  nimmt  der  Makronucleus  (N)  eine  cylindrische  Gestalt  an: 
seine  Structur  verändert  sich  und  wird,  wie  bei  den  meisten  Infusorien,  aus  der  netzigen  zur  streifigen  oder 
vielmehr  feinfaserigen  (Knäuelstadium),  worauf  die  Zweitheilung  des  Kerns  erfolgt.  Die  Structurveränderungen 
am  Mikronucleus  sind  nicht  näher  untersucht  worden.  Wenn  diese  Veränderungen  sich  am  Kern  ab- 
spielen, entsteht  am  Beginn  des  hinteren  Körperdrittels  ein  zweiter  Wimperkranz  (Wi )  und  zwar  so,  dass  die 
Cilien  aus  den  beschriebenen  Längsreihen  hervorsprossen.  Zuerst  sind  sie  sehr  klein  und  weniger  an  der 
Zahl  (.3 — 4  Cilien  in  jeder  Längsreihe):  darauf  nehmen  sie  allmählich  an  Zahl  und  Grösse  zu,  bis  der  neue 
Wimperkranz  (Wi)  dem  vorderen  (W)  vollkommen  gleich  wird.  Es  bildet  sich  eine  Einschnürung  in  der  Mitte 
zwischen  den  beiden  Wimperkränzen,  die  immer  tiefer  geht,  ixnd  endlich  Zweitheilung  des  Thieres  bewirkt. 
Dabei  wird  auch  der  stäbchenartige  Schlundapparat,  welcher  fast  bis  zum  hinteren  Wimperkranze  reichte, 
durchschnürt,  so  dass  der  hintere  Sprössling  bereits  mit  demselben  versehen  ist.  Selbstredend  erfolgt  vor  der 
defibitiven  Theilung  die  Bildung  einer  neuen  contractilen  Vacuole  für  das  vordere  Thier  und  die  Zweitheilung 
des  Makro-  und  Mikronucleus. 

Die  beschriebene  Art  gehört  wie  D.  nasutum  Stein  zu  den  seltenen  Infusorien.  Sie  wurde  schon 
1874  von  Bütschli  gelegentlich  beobachtet.  Ich  selbst  habe  nur  einmal  Gelegenheit  gehabt  sie  anzu- 
treffen. Sie  war  in  grosser  Menge  vorhanden  und  lebte  mehrere  Tage  in  einem  Wasserbehälter  mit 
Algen,  welcher  fortwährend  durchlüftet  wurde.  Sobald  die  Flüssigkeit  zu  faulen  begann,  ging  sie  sehr 
schnell  zu  Grunde. 

Das  Tbier  schwimmt  sehr  behende  umher,  wobei  es  mit  dem  Vorderende  immer  vorangeht  und  um 
seine  Längsachse  rotirt,  bei  dieser  Gelegenheit  sind  die  Cilien  immer  nach  hinten  gerichtet  (Fig.  15,  20  und 
21).  Es  kann  sich  auch  rückwärts  bewegen,  jedoch  bedeutend  langsamer  —  dann  sind  die  Cilien  nach  vorne 
umgeschlagen  (Fig.  14)  und  das  Thier  macht  Bewegungen,  welche  man  kreiselartige  nennen  könnte. 

Das  Thier  ist  biegsam    und  contractu:  besonders  erstreckt  sich  diese  Eigenschaft  auf  den  Mundkegel, 


17       

welcher  sehr  bedeutend  hervorgestreckt  und  eingezogen  werden  kann.  Die  Farbe  ist  gewöhnlich  weisslich 
grau;  einige  Exemplare  enthielten  eine  grosse  Anzahl  von  Zoochlorellen  (Fig.  14  z),  wodurch  sie  bei 
schwachen  Vergrösserungen  vollkommen  grün  erschienen. 

Die  Nahrung  besteht  aus  kleinen  Algen  und  thierischen  Fetttropfen.  Jedoch  konnte  ich  nie  be- 
merken, dass  diese  Art  gleich  D.  nasutum  sich  von  anderen  Infusorien  ernährte,  obgleich  im  Wasser  eine 
grosse  Zahl  von  C'yclidien,  Uronema  und  Paramaecium  vorhanden  waren. 

D.  Balbianii  unterscheidet  sich  von  D.  nasutum  hauptsächlich  durch  das  Fehlen  des  hinteren 
Wimperkranzes,  welcher  nur  während  der  Zweitheilung  auftritt  und  für  den  neuen  Theilungsspross  bestimmt 
ist.  Demnach  würde  eigentlich  der  Name  Didinium  auf  dieses  Thier  nicht  ganz  passen;  da  es  aber  keine 
weiteren  wesentlichen  Unterschiede  zur  Errichtung  einer  neuen  Gattung  bietet,  so  möchte  ich  mich 
Bütschli's  Auffassung  anschliessen  und  es  als  D.  Balbianii  bezeichnen. 

In  der  neuerdings  erschienenen  Arbeit  Fabre-Domergue's.  welche  ich  nach  dem  Abschluss  meines 
Manuscripts  erhielt,  finde  ich  dieses  Infusor  unter  dem  Namen  Monodinium  Balbianii  (32;  pag.  35— 39) 
beschrieben.  Im  grossen  Ganzen  stimmt  die  gegebene  Beschreibung  mit  der  meinigen  überein;  Fabre- 
Domergue  übersah  aber,  dass  der  Wimperkranz  aus  5—6  Gilienreihen  besteht.  Die  Körperstreifung  ist 
gleichfalls  nicht  beachtet  worden.  Was  die  Nahrungsaufnahme  betrifft,  so  muss  ich  die  von  Fabre- 
Domergue  ausgesprochene  Vermuthung,  dass  sie  ähnlich  wie  bei  D.  nasutum  vorgehen  soll,  durchaus  be- 
streiten, wie  es  aus  meinen  oben  dargestellten  Beobachtungen  zu  ersehen  ist. 

6.    Dinophrya  Lieberkühni.    Bütschli. 

Bütschli  lii;  pag.  1338,  13G4,  1388,  Taf.  LVII,  Fig.  7  a  b,  gegründet  auf  Lieberkühn's,  42  unedirte  Abbildung. 
Taf.  Ui2,  Fig.  l-C. 

Taf.  IL     Fig.  22—26. 

Mittelgrosse  Thiere  von  0,07  —  0,1  mm  Länge  und  0,03—0,045  mm  Breite. 

Körper  keulenförmig;  länglich,  in  der  Vorderregiou  bauchig  erweitert,  nach  vorne  stumpf-kegelförmig 
oder  hügelartig  verengt,  nach  hinten  allmählich  zugespitzt  und  abgerundet.  Das  Hinterende  mehr  oder 
w'eniger  spitz  auslaufend,  zuweilen  in  einen  langen  schwanzartigen  Fortsatz  ausgezogen  (Eig.  23).  Mund- 
öffnung (o)  polar,  an  der  Spitze  des  vorderen  Mundkegels. 

An  der  Vorderregion  des  Körpers,  unmittelbar  vor  der  bauchartigen  ■  Erweiterung,  also  an  der  Basis 
des  Mundkegels,  steht  ein  Kranz  ziemlich  langer  Cilien  (W).  Dieser  Wimperkranz  ist  vollkommen  so  gebaut 
wie  bei  Didinium;  er  besteht  aus  etwa  20  Gilienreihen,  welche  eine  schiefe  Lage  zur  Längsachse  des  Thieres 
einnehmen  und  die  je  aus  4 — 5  ziemlich  langen,  eng  aneinander  gestellten  Cihen  (Fig.  25)  aufgebaut  werden. 
Von  jeder  Cilienreihe  des  Wimperkranzes  zieht  ein  deutlicher  Längsstreifen  nach  dem  Hinterende  des  Körpers, 
welcher  im  optischen  Querschnitte  als  eine  seichte  Furche  erscheint  und  somit  der  Cilienfurche  gleichzusetzen 
ist.  In  denselben  sind  auf  sehr  kleinen  Papillen  16 — 18  feine  Körpercilien  eingepflanzt.  Die  letzteren  sind 
fast  ebenso  lang  wie  die  Cilien  des  Wimperkranzes  und  bedecken  spärlich  den  ganzen  Körper. 

Das  Ectoplasma  (ek),  erscheint  dicht  und  homogen,  seine  äusserste  Grenze  bildet  eine  zarte 
Pellicula  (p).  Das  Entoplasma  ist  körnig  -  netzig  und  enthält  rundliche,  stark  lichtbrechende 
Körperchen. 

Bibliotlieca  zoologica.    Heft  3.  3 


18       

Von  der  runden  Mund  Öffnung  (o)  entspringt  ein  kurzer,  röhrenförmiger,  im  normalen  Zustande 
geschlossener  Schlund,  dessen  Wandung  von  den  hewussten  Stäbchen  (st)  umgeben  wird.  Bei  Betrachtung 
von  Torne  (Fig.  24)  (Oralansicht)  stehen  dieselben  in  einer  Kreislinie  um  den  Mund  und  bilden  einen  kurzen 
kegelförmigen  Stäbchenapparat ;  sie  sind  nicht  fest  imtereinander  verbunden  (also  nicht  wie  bei  Prorodon)  und 
verlaufen  schraubig.  Wir  haben  demnach  dieselben  Verhältnisse,  welche  wir  bei  Holophrya  antrafen,  nur 
dass  die  Mundöflfnung  und  das  Fehlen   eines  Polfeldchens  Didinium   entspricht. 

Der  After  (a)  liegt  in  einem  der  Rippenstreifen  am  schwanzartig  ausgezogenen  Hinterende  des  Körpers, 
jedoch  nicht  an  seiner  äussersten  Spitze.  Etwas  vor  ihm  befindet  sich  die  contractile  Vacuole  (c.  v),  welche 
auf  der  dem  After  entgegengesetzten  Körperfläche  ausmündet. 

Der  Makronucleus  (N)  ist  kugelig  und  liegt  in  der  Körpermitte;  er  wird  stets  von  einem  kleinen 
Mikronucleus  (ncl)  begleitet.  Der  Makronucleus  zeigt  einen  feinnetzigen  Bau,  welcher  bei  fixirten  Exem- 
plaren (Fig.  26)  deutlicher  hervortritt.  Bei  den  letzteren  unterscheidet  man  eine  Kernmembran  imd  im 
Netzwerke  sehr  kleine,  stark  lichthrecbende  Körperchen.  Der  Mikronucleus  erscheint  homogen  und  lässt 
sich  nur  sehr  schwach  tingiren. 

D.  Lieberkühni  kommt  sehr  selten  vor;  ich  fand  es  nur  ein  einziges  Mal  und  dann  war  es  nicht 
in  allzugroser  Zahl  vorhanden.  Es  lel)t  in  reinen  Wässern  und  geht  bei  Fäulniss  des  Wassers  schnell 
zu  Grunde. 

Seine  Bewegungen  sind  ziemüch  rasch  und  bestehen  im  Vorwärtsschwimmen  unter  fortwährender 
Rotation  des  Körpers  um  seine  Längsachse;  zuweilen  schwimmt  es  auch  rückwärts,  jedoch  nur  auf  kurze  Ent- 
fernungen, um  darauf  die  Vorwärtsbewegung  wieder  einzuschlagen.  An  der  Bewegung  nehmen  sowohl  die 
Cilien  des  Wimperkranzes,  als  die  Körpercilien  Antheil.  Die  ersteren  stehen  dabei  unter  einem  Winkel 
von  circa  60  "  zur  Längsachse  des  Thieres  und  schlagen  mächtig ;  bei  Rückwärtsbewegung  werden  sie  voll- 
kommen nach  vorne  umgeschlagen.  Die  Körpercilien  erscheinen  bei  ruhig  liegenden  oder  abgetödteten 
Exemplaren  wie  Borsten;  sie  sind  aber  durchaus  nicht  steif,  sondern  sehr  beweglich.  Die  Bewegungen,  die 
sie  ausführen,  erinnern  sehr  an  die  der  Urotrioha- Wimpern ,  d.  h.  sie  schlagen  pendelartig  ohne  jeglich 
scheinbare  Ordnung. 

Das  Thier  ist  biegsam,  im  gewissen  Grade  auch  contractu,  jedoch  nicht  in  dem  Maasse  wie  Prorodon 
oder  Holophrya.  Die  Farbe  ist  gelblich  grau,  scheint  aber  mit  der  Art  der  aufgenommenen  Nahrung  in  Be- 
ziehung zu  stehen.  Zuweilen  ist  das  Thier,  infolge  der  grossen  Menge  gefressener  Nabrungskörper  (nk)  voll- 
kommen undurchsichtig  imd   sieht  dann  bei  schwachen  Vergrösserungen  braungelb  aus. 

Es  ernährt  sich  von  Algen,  thierischen  Fetttropfen  und  kleinen  Infusorien.  Bei  der  Nahrungs- 
aufnahme erweitern  sich  die  Mundöflnung  und  der  Stäbchenapparat  ganz  bedeutend ,  so  dass  relativ  sehr 
grosse  Nahrungskörper  verschluckt  werden  können.  Beim  Ergreifen  der  Nahrung  wird  die  Mundöffnung  weit 
aufgesperrt,  das  Thier  stürzt  auf  die  Nahrung  los  und  macht  darauf  eine  plötzliche  Rückwärtsbewegung,  wo- 
bei die  Cilien  des  Wimperkranzes  nach  vorne  umgeschlagen  werden.  Währenddessen  hat  die  Nahrung  schon 
den  Schlund  passirt  und  befindet  sich  im  Entoplasma. 

Das  beschriebene  Infusorium  bietet  in  systematischer  Beziehung  ein  grosses  Interesse,  da  es  infolge 
seiner    Organisationsverhältnisse    einen   Uebergang   von   Holophrya   oder    vielmehr   von   Lacrymaria   zu 


19       

Didiuium  bildet  und  somit  eine  enge  Verwandtschaft  dieser  Gattungen  erweist.  Namentlich  sind  es  die 
Mund-  und  Schlundverhältnisse,  wie  die  Bewimperung,  welche  viel  Gemeinsames  aufweisen  und  für  die  innige 
Verwandtschaft  dieser  Formen  sprechen.  Ja,  es  Hesse  sich  sogar  eine  Ableitung  der  einen  Form  von  den 
anderen  versuchen.  Was  zunächst  die  Gestalt  des  Mundes  anbetrifft,  so  entspricht  er  vollkommen  dem 
von  ürotricha  und  Didiuium,  wogegen  der  Bau  des  Schlundes  und  des  Stäbchenapparates  an  Holophrj'a 
erinnert.  Die  Bewimperung  bietet  gleichfalls  Anklänge  an  beide  Formen;  es  erinnern  einerseits  die  Körper- 
cihen  an  Lacrjmaria  und  Holophrya,  andererseits  der  Wimperkranz  an  Didinium.  Infolge  der  stattgefundenen 
Reduction  der  Körpercilien  sind  dieselben  nur  hinter  dem  Wimperkranze  in  spärlicher  Zahl  zurückgeblieben, 
wogegen  sie  am  Mundkegel  rückgebildet  sind.  Bei  Didinium  ist  die  Eeduction,  wie  ich  bereits  erwähnt  habe, 
noch  weiter  fortgeschritten,  da  sämmtliche  Körpercilien,  mit  Ausnahme  jener  des  Wimperkranzes,  verloren  ge- 
gangen sind.    Die  übrigen  Organisationsverhältnisse  stimmen  vollkommen  überein. 

Die  geschilderten  Verhältnisse  gestatten  diese  Form  in  keine  der  erwähnten  Gattungen  unterzubringen, 
sodass  ich  mich  Bütschli's  Auffassung  anschliesse,  welcher  für  sie  die  Gattung  Dinophrya  errichtete.  Die- 
selbe wurde  von  Bütschli  bei  der  Aufstellung  der  Infusoriengattungen  für  sein  Protozoenwerk  gegründet, 
als  er  das  Thier  in  den  Abbildungen  der  Lieberkühn'schen  unedirten  Tafeln  (42;  Taf.  192,  Fig.  1—6)  unter 
dem  Namen  Trichodina  fand  und  seine  Stellung  resp.  verwandtschaftliche  Beziehung  erkannte. 

Es  ist  möglich,  dass  D.  Lieberkühni  schon  von  Eberhard  beobachtet  und  unter  dem  Namen 
Siagonophoros  euglenoides  (25;  pag.  50,  Taf  H,  Fig.  10)  und  später  als  Siagonophorus  lori- 
catus  (26;  pag.  25,  Fig.  33)  beschrieben  wurde.  Jedoch  sind  die  Beschreibungen  und  Zeichnungen  zu  un- 
genügend, als  dass  man  die  Identität  mit  Bestimmtheit  behaupten  könnte. 


7.  Lionotus  fasciola.    Ehrbg. 

Wrzesniowski  67;  pag.  33  (Leionotal  uud  G8;  (Litouotusi  pag.  500-501,  Taf.  XXII— XXIII,  Fig.  29-32. 
Kent  38;  pag.  743-744,  Taf.  XLII,  Fig.  5—11. 
Bütschli  10;  pag.  1372,  1388,  14G1,  Taf.  LIX,  Fig.  6. 

S.vnon:  ?  Vibrio  fasciola.     O.  F.  Müller  48;  pag.  69-70,  Taf.  IX,  Fig.  18-20. 

Amphileptus  lasciola.     Ehreuberg  27;  pag.  356,  Taf.  XXXVIII,  Fig.  3. 

Dujardin  24;  pag.  485,  Taf.  XI,  Fig.  17. 
„  „  Cohn  18;  pag.  434-435,  Taf.  XXII  A,  Fig.  6— 7. 

„  Lacbmann  41;  pag.  365  ff.,  Taf  XIV,  Fig.  12. 

„  „  Diesing  22;  p.  546. 

massiliensis.     Gourret  et  Eoeser  35;  pag.  471— 472,  Taf.  XXIX,  Fig.  2— 3. 
?  Dileptus  folium.    Dujardin  24;  pag.  409,  Taf.  XI,  Fig.  6. 
Loxophj'llum  fasciola.     Claparfede  et  Lachmann  13;  pag.  361—362. 

duplostriatum.     Maupas  44;  pag.  502— 508,  Taf  XX,  Fig.  1—4. 
van  Rees  54;  pag.  9-10,  Taf  XVI,  Fig.  2. 
,,  „  Andrussowa  3;  pag.  256—257,  Taf  II,  Fig.  14. 

Litouotus  trichocys tus.     8tokes  64;  pag.  325,  Taf.  III,  Fig.  17. 

Taf.  II,  Fig.  27—30. 
Mittelgrosse  Thiere  von  0,08—0,1  mm  Länge  und  0,017 — 0,02  mm  Breite. 
Körper  lang  und  schmal,  lanzettartig,   seitlich  abgeplattet  und  S-förmig  gebogen.     Nach  vorne  in 


20 

einen  plattgedrückten,  säbelartigen  Hals  verengt,  welcher  sich  allmählich  verschmälert  und  an  der  etwas 
verbreiterten  Spitze  nach  der  Dorsalkante  umbiegt  (Fig.  27  und  28).  Seine  Länge  entspricht  ungefähr  der 
halben  Totallänge  des  Körpers.  Hinter  dem  Halse  erweitert  sich  der  Körper  und  läuft  in  einen  ziemlich 
spitzen,  jedoch  abgerundeten  Schwanz  aus,  dessen  Ende  gewöhnlich  nach  der  Ventralkante  umgebogen  ist 
(Fig.  27).  Die  rechte  Körperseite  ist  vollkommen  llach  und  eben,  die  linke  dagegen  etwas  gewölbt.  Diese 
Wölbung  erhebt  sich  stärker  am  Hinterende  des  Körpers  und  kann  bei  reichlicher  Erfüllung  mit  Nahrung 
ganz  bauchig  (bis  zu  0,025  mm  Dicke)  aufgetrieben  werden.  Auf  der  linken  (gewölbten)  Körperfläche  befindet 
sich  längs  der  convexen  Ventralkante  in  der  ganzen  Länge  des  Halses  ehie  Furche  (F),  in  welcher  die  lange 
Mundspalte  liegt. 

Nur  die  rechte  (flache)  Körperfläche  (Fig.  28)  und  die  Bauchkante  (Fig.  29)  sind  mit  sehr  feinen, 
verhältnissmässig  kurzen  (0,007  mm)  Cilien  bedeckt.  Am  dorsalen  Rande  der  Furche  zieht  eine  Reihe  längerer 
und  stärkerer  Cilien  (Fig.  27  und  29)  hin,  welche  von  Duj ardin  trefiend  als  Mähne  (criniere)  bezeichnet 
wurden.  Diese  Cilien  stehen  auf  besonderen  Erhebungen  —  Papillen,  welche  dem  linken  Furchenrande 
ein  gekerbtes  Aussehen  verleihen.  Die  linke  (gewölbte)  Körperfläche  (Fig.  27)  ebenso  wie  die  Dorsalkante 
sind  vollkommen  wimperlos  und  nackt.  Die  Körpercilien  der  rechten  Seite  sind  in  7 — 8  Längsfurchen 
(J'ig.  28)  angeordnet  und  stehen  auf  kleinen  Papillen.  Diese  Cilienfurchen  können  nur  bei  gehungerten 
Exemplaren  mit  Deutlichkeit  wahrgenommen  werden  und  sind  sehr  schmal.  Auf  der  linken  Körperfläche 
sind  nur  4 — 5  bedeutend  tiefere  Furchen,  resp.  Längsstreifen  (Fig.  27),  vorhanden,  in  welchen  weder  Cilien 
noch  Papillen  stehen.  Alle  Cihenfurchen  beginnen  am  Hinterende  des  Körpers,  divergiren  in  der  31ittelregion 
und  stossen  unter  einem  spitzen  Winkel  auf  die  beiden  Ränder  der  Mundfurche  (Peristom). 

Am  Ectoplasma  unterscheidet  man  eine  dünne  Alveolarschicht  (al)  —  deren  äusserste  Grenze 
eine  zarte  Pellicula  (p)  bildet. 

Das  Entoplasma  ist  grob  granulirt,  erscheint  jedoch  am  Schwanzende,  sowohl  wie  im  grüssten 
Theil  des  Halses  hyalin.  Manchmal  erstreckt  sich  das  granulirte  Entoplasma  nur  auf  den  Buckel  der  linken 
Körperfläche  und  wird  in  solchem  Falle  allseitig  von  hyaUnem  Protoplasma  (Cortioalplasma)  umgeben. 

Die  Mundöffnung  (o)  liegt  in  der  Furche,  unmittelbar  am  Ventralrand  und  bildet  einen  langen 
Schlitz,  welcher  fast  die  ganze  Länge  der  Furche  einnimmt.     Ein  besonderer  Schlund  ist  nicht  vorhanden. 

Am  Ventralrande  der  Furche  und  senkrecht  zu  ihm  steht  eine  Reihe  ziemlich  starker  Tricho- 
cysten  (tr),  welche  parallel  zu  einander  verlaufen  und  ausgeschnellt  werden  können.  Die  Trichocysten  sind 
auch  im  übrigen  Körper  vorhanden,  geben  jedoch  hinter  der  Furche  ihre  parallele,  reihenförmige  Anordnung 
allmählich  auf  imd  liegen  im  Hinterkörper  (Fig.  27)  ganz  unregelmässig  zerstreut. 

Der  After  (a)  befindet  sich  am  Hinterende  des  Körpers  und  zwar  auf  der  Ventralkante.  Etwas 
vor  ihm  liegt  die  contractile  Vacuole  (c.  v.),  welche  auf  der  Dorsalkante  nach  aussen  mündet. 

Der  Makronucleus  (N)  besteht  aus  zwei  ovalen  Gliedern,  welche  durch  einen  feinen  Verbindungs- 
strang in  Zusammenhang  stehen.  Im  lebenden  Zustande  erscheint  der  Kern  ziemlich  stark  lichtbrechend  und 
homogen;  er  wird  von  einem  kleinen  rundlichen  Mikronucleus  (ncl)  begleitet.  Der  Verbindungsfaden 
lässt  sich  nur  an  isolirten  Kernen  (Fig.  30)  mit  Sicherheit  nachweisen  und  scheint  aus  derselben  Substanz 
wie  die  Kernmembran  zu  bestehen,  da  er  dasselbe  optische  Verhalten  zeigt  und  von  Färbungsmitteln  nicht 
tingirt   wird.     Die  fixirten  Kerne  (Fig.  30)    zeigen   eine  feinnetzige  Structur   und  enthalten  zuweilen  in   der 


21       

Mitte  melirere  dunkele,  stark  lichtbrechende  und  stärker  tingirbare  Körperchen.  Der  Mikronucleus  ist  zu 
klein,  als  dass  man  etwas  von  seiner  feineren  Structur  sehen  könnte. 

L.  fasciola  gehört  zu  den  verbreiteten  Infusorien  und  tritt  gewöhnlich  in  ziemlich  grosser  Menge  auf. 
Er  lebt  auf  dem  Boden  und  hält  sich  zwischen  Algen  und  anderen  Wasserpflanzen  auf.  Er  scheint  putris- 
cirende  Flüssigkeiten  zu  ertragen,  so  dass  man  ihn  leicht  züchten  kann. 

Der  Körper  ist  farblos  und  elastisch;  der  Hals  im  höchsten  Grade  biegsam  und  contractil.  Die 
Bewegungen,  welche  das  Thier  macht,  sind  nicht  sehr  rasch,  obgleich  es  im  reinen  Wasser  ziemlich  behende 
herumschwimmen  kann.  Zwischen  den  Algen  bewegt  er  sich  langsam  gleitend,  immer  mit  dem  Halse  voran- 
gehend, welcher  nach  allen  Seiten  umhergeschlagen  wird.  Eigentliche  Rotationsbewegungen  kommen  nicht 
vor;  er  wälzt  sich  vielmehr  bald  auf  die  eine,  bald  auf  die  andere  Seite  und  kehrt  auf  diese  Weise  dem 
Beobachter  seine  verschiedenen  Körperseiten  zu.  Auf  einem  Platze  bleibt  er  nie  ruhig  liegen,  sondern  ist  in 
fortwährender  Bewegung  begriflen.  Mit  Hülfe  der  kurzen  Körpercilien ,  welche  auf  der  rechten  Körperfläche 
stehen,  kann  er  auch,  gleich  den  hypotrichen  Infusorien,  an  Algen  herumklettern  —  thut  dies  jedoch 
ziemlich  selten. 

L.  fasciola  ist  ein  sehr  gefi'ässiges  Raub  thier.  Er  ernährt  sich  von  anderen  kleinen  Infusorien, 
wie  C}'clidium,  Uronema  etc.  und  überfällt  selbst  grössere  Infusorien.  Das  Ergreifen  der  Nahrung  ge- 
schieht sehr  schnell  und  erfordert  blos  einen  Augenblick.  Bei  einiger  Ausdauer  gelingt  es  diesen  inter- 
essanten Process  zu  verfolgen,  wozu  sich  ganz  besonders  gehungerte  Exemplare  eignen,  denen  man 
Nahrung  in  reichhcher  Zahl  zuführt.  Beabsichtigt  der  Lionotus  ein  Thier  zu  überfallen,  so  hält  er  für  einen 
Moment  in  seiner  Bewegung  inne  und  stürzt  dann  blitzschnell  auf  die  Beute.  Dabei  erweitert  sich  die 
Mundspalte  in  ihrer  ganzen  Länge  sehr  beträchtlich  und  die  Beute  fällt  wie  in  einen  Sack  hinein,  worauf 
der  Mund  sich  schliesst.  Während  des  Ergreifens  und  Verschlingens  der  Beute  schlagen  die  Cilien  der 
Mähne,  welche  am  linken  Rande  der  Furche  stehen,  sehr  lebhaft  einwärts  zur  Mundspalte  und  verursachen 
einen  starken  Wasserstrom,  welcher  die  Zufuhr  der  Nahrung  ermöglicht.  Zuweilen  sieht  man  an  der  Stelle,  wo 
die  Beute  ergriffen  wurde ,  einige  ausgeschnellte  Trichocysten  liegen.  Dieser  Umstand  führt  unwillkürüch  zur 
Annahme,  dass  die  Trichocysten  beim  Ueberfalle  als  Angriffsorgane  gewirkt  haben  und  den  Zweck  hatten, 
die  Beute  in  ihrer  Bewegung  zu  paralysiren.  Dieses  ist  aber  blos  eine  Vermuthung,  welche  auch  von 
Maupas  (44;  pag.  505)  ausgesprochen  wurde.  Ich  konnte  weder  direkt  das  Ausschnellen  der  Trichocysten, 
noch  die  daraus  sich  ergebenden  Folgen  beobachten.  Das  Thier  begnügt  sich  selten  mit  einer  Beute,  sondern 
setzt  das  Jagen  fort  und  verschlingt  gewöhnlich  mehrere  Infusorien  nach  einander.  So  fand  ich  z.  B.  bei  einem 
Individuum  bis  zu  6  Cyolidien  im  Entoplasma  vor,  welche  in  kurzer  Zeit  nach  einander  verschlungen  wurden. 
Andere  dagegen  wollten  durchaus  keine  Nahrung  aufnehmen. 

Ich  verfolgte  auch  die  Verdauung  der  Nahrung.  Sobald  ein  Infusorium  (Cyclidium)  verschlungen 
wiu'de,  bildete  sich  sofort  um  dasselbe  ein  Flüssigkeitstropfen,  welcher  es  vollkommen  umgab.  Diese 
sogenannte  Nahrungsvacuole  bewegte  sich  frei,  obgleich  ziemlich  langsam  im  Entoplasma  des  Körpers  herum, 
wobei  am  Körper  des  aufgenommenen  Thieres  nicht  uninteressante  Veränderungen  vorgingen.  Zuerst  ver- 
schwanden die  Cilien  und  die  Borsten,  darauf  wurde  die  Körperstreifung  und  das  Ectoplasma  undeutlich  und 
das  Thier  ballte  sich  allmählich  zu  einem  Klumpen  zusammen,  in  welchem  nur  der  Kern  durchschimmerte. 
Der  Ballen  schrumpfte  unter  stetiger  Vergrösserung  der  Vacuole  immer  mehr  zusammen,  bis  er  ein  Aussehen 


22 

erhielt,   nach   dem  man   unmöglich  sagen  konnte,    dass  er  aus  einem  Infusorium  hervorgegangen  sei.     Bald 
darauf  wurde  dieser  Verdauungsrest  per  anum  ausgestossen. 

L.  fasciola  besitzt  eine  sehr  reiche  Sj-nonymie,  wie  es  aus  den  oben  angeführten  Citaten  zu  er- 
sehen ist.  Die  älteren  Arbeiten,  wie  die  von  Ehrenberg,  Dujardin,  Claparede  und  Lachmann  ent- 
halten Beschreibungen,  die  sich  nur  auf  den  allgemeinen  Bau  beziehen.  Eingehender  wurde  das  Thier  von 
Wrzesniowski  und  Maupas  untersucht,  wobei  letzterer  es  unter  dem  Namen  Loxophyllum  duplos- 
triatum  beschrieb.  Beide  Forscher  geben  an,  dass  die  Mundöffnung,  Trichocysten ,  und  die  stärkeren 
adoralen  Cilien  am  linken  Seitenrande  des  Halses  (Ventralkante  nach  mir)  stehen,  was  auch  mit  meinen 
Beobachtungen  übereinstimmt.  Da  aber  die  Mundfurche  von  ihnen  nicht  beobachtet  wurde,  so  konnte  auch 
die  bezügliche  Lage  der  adoralen  Wimpern  und  Trichocysten  nicht  festgestellt  werden.  Die  Cilienfurchen 
der  Bauchfläche  (rechte  Körperfläche  nach  mir),  welche  Wrzesniowski  als  Kippen  deutet,  sind  eben- 
falls von  beiden  Forschern  gesehen,  jedoch  ihr  Verlauf  nicht  erkannt  worden.  Maupas  sah  ausserdem  noch 
die  breiten  Furchen  der  Dorsalfläche  (linke  Körperfläche  nach  mir),  welche  er  als  Merkmal  der  Art  (L. 
duplostriatum  n.  sp.)  betrachtete.  Heber  den  Bau  des  Ectoplasmas  liegen  keine  Angaben  vor.  Gleichfalls 
wird  nichts  von  einem  Verbindungsstrange  der  beiden  Glieder  des  Kerns  erwähnt,  aus  welchem  Grunde 
Wrzesniowski  auch  von  2  Nuclei  spricht. 

8.    Dileptus  Anser.    O.  F.  Müller  sp. 

Dujardin  24;  pag.  407--409,  Taf.  VII,  Fig.  17. 
Perty  50;  pag.  152;  Taf.  VI,  Fig.  2-5. 
Stein  60;  pag.  61.  64,  80,  81  und  90. 

Quennerstedt  51;  pag.  44—45,  Taf.  I,  Fig.  7,A— B,  auch  53;  pag  4—8,  Fig.  8-12. 
Diesing  22;  pag.  552. 

Bütschli  10;  pag.  1290,  1364,  Fig.  19,  pag.  1372,  1388,  1461,  14G2,  1465,  Taf.  LIX,  Fig  4a-g. 
Synon.:  Dileptus  gigas.    Wrzesniowski  68;  pag.  504—509,  Taf  XXIII,  Fig.  38-44. 
Vibrio  anser.     O.  F.  Müller  48;  pag.  73—74,  Taf  X,  7—11. 
Amphileptus  anser.     Ehrenberg  27;  pag.  355,  Taf  XXXVII,  Fig.  4. 

„  margaritifer.     Ehrenberg  27;  pag.  355,  Taf  XXXVII,  Fig.  5. 

„  „  Cienkowsky  12;  pag.  302,  Taf  XI,  Fig.  17—18. 

„  moniliger.     Ehrenberg  27;  pag.  356,  Taf  XXXVIII,  Fig.  1. 

„  lougicollis.     Ehrenberg  27;  pag.  357,  Taf  XXXVIII,  Fig.  5. 

„  gigas.     Clapar&de  und  Lachmann  13;  pag.  349—350,  Taf  XVI,  Fig.  3. 

„  „         Ken t  38;  pag.  524,  Taf.  XXVII,  Fig.  68. 

,.  „         Daday  21;  pag.  491. 

„  monilatus.     Slokes  65;  pag.  102—103,  Taf  I.  Fig   9. 

Taf  IIL     Fig.  31—33. 

Sehr  grosse  Thiere  (eines  der  grösseren  Infusorien)  von  0,47— 0,6  mm  Länge  und  0,048—0,057  mm  Breite. 

Körper  langgestreckt,  cylindrisch,  nach  vorn  in  einen  langen  Hals  oder  Rüssel  verschmälert,  nach 
hinten  zugespitzt  und  in  einen  schwanzartigen  Fortsatz  auslaufend.  Der  Hals,  welcher  etwa  %  Totallänge  des 
Körpers  erreicht,  ist  seitUch  etwas  platt  gedrückt  und  säbelartig  dorsalwärts  umgebogen.  Der  Mund  Hegt 
an  der  Basis  der  Ventralseite  des  Rüssels. 

Der  ganze  Körper  wird  von  feinen,  verhältnissmässig  nicht  langen  Cilien  bedeckt,  die  in  Längsreihen 
stehen   und   auf  kleinen  Papillen  der  Cilienfurchen  befestigt  sind.     Dieselben  beginnen  am  Hinterende   des 


23       

Körpers  und  ziehen  schraubig  nach  vorne  (Fig.  31).  Dabei  stossen  die  ventralen  auf  den  Mund ,  die  seit- 
lichen dagegen  biegen  um  denselben  herum  und  stossen  unter  einem  spitzen  Winkel  (Fig.  32)  auf  die  Ventral- 
kante des  Halses  oder  vielmehr  auf  das  schmale,  quergestreifte,  etwas  erhabene  Band,  welches  beiderseits  der 
Ventralkante  hinzieht  vmd  auf  das  ich  weiter  noch  zu  sprechen  kommen  werde.  Auf  diesem  schmalen  Bande 
sind  dichter  gestellte  und  etwas  längere  Cilien  befestigt,  welche  den  Mund  hinten  umziehen  und  somit  eine 
adorale  Zone  bilden.  Zwischen  diesen  Bändern,  also  genau  auf  der  Ventralkante  des  Rüssels  sind  die  grossen 
und  starken  Trichocysten  (tr)  eingelagert;  dieselben  stehen  sehr  dicht  an  einander,  jedoch  ohne  jegliche 
Ordnung,  aber  immer  senki'echt  zur  Oberfläche  des  Halses. 

Die  Alveolarschicht  (al)  des  Ectoplasmas,  nach  aussen  durch  eine  zarte  Pellicula  (p)  begrenzt, 
ist  verhältnissmäss'g  dick  (bis  0,002  mm).  Das  Entoplasma  ist  grobmaschig  und  fein  gekörnt.  In  ihm 
bemerkt  man  in  der  ganzen  Ausdehnung  des  Körpers  (aber  nicht  im  Rüssel)  einzelne  grössere  Stäbchen 
(tr),   welche  ähnlich  wie  die  Trichocysten  aussehen,  aber  grösser  sind  als  diejenigen,  Avelche  am  Halse  stehen. 

Der  Mundapparat  hegt,  wie  gesagt,  an  der  Basis  des  Rüssels  und  zeigt  einen  sehr  complicirten 
Bau.  Die  rundliche  Mundöflhung  (o)  liegt  in  der  Mitte  einer  halbkugehgen  Erhöhung  (kp),  welche  fein 
radiär  gestreift  ist  und  wahrscheinlich  dem  Mundfeldchen  von  Holophrya  und  Prorodon  entspricht.  Diese 
kappenartige  Hervorstülpung  wird  von  einem  wulstig  aufgetriebenen  Ringe  umgeben,  welcher  ebenfalls  radiär, 
jedoch  bedeutend  gröber  als  die  Kappe,  gestreift  ist.  Derselbe  ist  nach  vorne  nicht  geschlossen,  nimmt  all- 
mähhch  an  Breite  ab  und  setzt  sich  in  zwei  schmale,  etwas  erhabene,  quergestreifte  Bänder  fort.  Letztere 
verlaufen ,  wie  ich  schon  bemerkte ,  zu  beiden  Seiten  der  Ventralkante  des  Rüssels  bis  an  seine  vorderste 
Spitze  und  sind  mit  einer  Reihe  adoraler  Cilien  besetzt. 

Von  der  Mundöffnung  (o)  entspringt  ein  röhrenförmiger  oder  vielmehr  trichterförmiger  Schlund  (oe), 
dessen  Wandung  eine  bedeutende  Dicke  besitzt.  Sowohl  die  Mundöffnung,  als  der  Schlund  sind  im  höchsten 
Grade  erweiterungsfähig;  bei  der  Nahrungsaufnahme  können  sie  soweit  aufgesperrt  werden,  dass  der  Rand 
der  Mundöffnnng  fast  bis  an  den  ringförmigen  Wulst  herantritt.  Unmittelbar  unterhalb  dem  lezteren,  in  den 
radiären  Streifen  und  um  die  äussere  Schlundwandung  stehen  zahlreiche,  lange  stäbchenartige  Gebilde  (st), 
welche  in  ihrer  gesammten  Anordnung  einen  kegelförmigen  Stäbchenapparat  bilden  und  wahrscheinlich  die 
radiäre  Streifung  des  Wulstes  bedingen. 

Der  xAfter  (a)  liegt  ventralwärts  am  .Hinterende  des  Körpers,  gerade  an  der  Stelle,  wo  derselbe 
sich  zu  einem  Schwänze  verengt. 

Die  zahlreichen  (gewöhnlich  gegen  20)  contractilen  Vacuolen  (c.  v.)  sind  in  einer  Wellenhnie 
längs  der  Dorsalseite  des  Körpers  angeordnet.  Sie  beginnen  am  Hinterende  und  setzen  sich  auf  eine  Strecke 
in  den  Hals  fort,  wo  sie  in  einer  geraden  Linie  liegen. 

In  den  meisten  Fällen  ist  der  ganze  Körper  von  D.  Ans  er  mit  zahlreichen  (gegen  200)  rundlichen, 
verschieden  grossen  Körpern  erfüllt.  Dieselben  erscheinen  ziemlich  stark  lichtbrechend  und  homogen;  im 
fixirten  Zustande  besitzen  sie  einen  feinnetzigen  Bau  und  werden  von  Färbungsmitteln,  wenn  auch  ziemlich 
schwach  tingirt.  Zwischen  ihnen  lassen  sich  bei  starken  Systemen  kleine  und  äusserst  dünne  Verbindungs- 
stränge erkennen,  welche  jedoch  nur  an  einigen  Stellen  zu  sehen  sind.  Somit  wäre  man  berechtigt,  diese 
Körper,  ihrem  allgemeinen  Verhalten  nach,  für  Kerne  zu  deuten.  Dabei  sprechen  die  Verbindungsstränge  für 
das  Vorhandensein  eines,    und  nicht   mehrerer  Kerne.      Dieses  umsomehr,     da   ich    bei  einigen   Exemplaren, 


24 

einen  langen,  rosenkranzförmigen  Kern  gesehen  habe,  welchem  mehrere  kleine  Mikron uclei  anlagen.  Der- 
selbe ist  auch  von  andern  Forschern  wie  Ehrenberg  (27;  pag.  356),  Stein  (60;  pag.  95),  Stokes(65: 
pag.  102),  Bütschli  (1876)  und  anderen  gesehen  worden.  Dagegen  beobachteten  Maupas  (44;  pag.  653 
Anmerk.)  und  Balbiani*)  eine  grosse  Anzahl  von  Kernen  oder  Kernbruchstfickenffragments). 

Dileptus  Anser  ist  durchaus  nicht  selten,  wenigstens  habe  ich  ihn  einige  Male  angetroifen,  in 
grösserer  Zahl  jedoch  nur  einmal.  Er  lebt  immer  auf  dem  Grunde  des  Wassers,  wo  er  im  Schlamme  zwischen 
den  Algen  herumschwimmt.  Seine  Bewegungen  sind  sehr  majestätisch  und  gleichförmig;  er  schwimmt 
immer  mit  dem  Rüssel  voran,  sich  fortwährend  und  langsam  um  die  Längsachse  wälzend.  Er  bedient  sich 
des  langen  Rüssels  wie  eines  Tastorganes,  da  derselbe  beim  Herumschwimmen  unaufhörlich  nach  allen  Seiten 
umhergeschlagen  wird,  und  die  im  Wege  liegenden  Körper  betastet.  Im  freien  Wasser  bewegt  sich  das  Thier 
bedeutend  schneller,  als  zwischen  den  Algen,  wobei  es  auch  stark  rotirt. 

Der  Körper  ist  bräunlich-gelb  gefärbt  und  sehr  biegsam;  letztere  Eigenschaft  kommt  ganz  besonders 
dem  Rüssel  zu. 

Dileptus  Anser  ist  ein  sehr  gefrässiges  Raubthier.  Er  ernährt  sich  von  lebenden  Infusorien  und  be- 
dient sich  öfters  des  Rüssels,  um  die  Nahrung  dem  Munde  zuzuführen.  Beim  Ergreifen  der  Beute  werden 
Mund  imd  Schlund  weit  aufgesperrt,  so  dass  ziemlich  grosse  Thiere  aufgenommen  werden  können.  Die 
Verdaiumg  der  Nahrung  vollzieht  sich  auf  dieselbe  Weise,    wie  es  bei  Lionotus  geschildert  wurde. 

Am  eingehendsten  ist  D.  Anser  in  der  neueren  Zeit  von  Wrzesniowski  geschildert  worden,  wo- 
gegen die  früheren  Beschreibungen  sich  nur  auf  die  allgemeinen  Organisationsverhältnisse  beziehen.  Ich  will 
nur  kurz  die  Punkte  erwähnen,  in  welchen  meine  Beobachtungen  von  jenen  Wrzesniowski"s  abweichen. 
Das  Vorhandensein  einer  deutlichen  Alveolarschicht  sammt  Pellicula  spricht  für  die  Sonderung  des  Proto- 
plasmas in  zwei  Abschnitle,  welche  von  Wrzesniowski  verneint  wird.  Dann  stehen  an  der  Bauchkante 
des  Halses  die  Trichocysten  (stäbchenförmige  Körper)  nicht  in  einer  Reihe,  sondern  in  einem  ziemlich 
breiten  Band;  die  adoralen  Wimpern  stehen  nicht  nur  an  der  rechten  Rüsselkante  und  um  den  Mund, 
sondern  auch  an  der  linken  und  ziehen  da  ebeufalls  bis  zur  Rüsselspitze  hin.  Die  Mund-  und  Schlund- 
verhältnisse, welche  Wrzesniowski  angiebt,  stimmen  ziemlich  mit  dem,  was  ich  gesehen  habe,  überein. 
Nur  möchte  ich  die  Längsstreifen  des  Schlundes,  nicht  als  Längsfalten  (Wrzesniowski),  sondern  als  stäbchen- 
artige Gebilde  deuten,  da  sie  auch  am  erweiterten  Schlünde  sehr  deutlich  zu  sehen  sind.  Meiner  An- 
sicht nach  stehen  dieselben  in  Reihen  und  zwar  in  den  Radiärstreifen  des  ringförmigen  Mundwulstes,  wo- 
gegen nach  der  Auffassung  Bütschli.'s  die  Stäbchen  plattenartig  sind  und  jeder  Radiärstreifen  einem 
Stäbchen  entspricht.  Schhesslich  liegt  der  After  nicht  am  Rücken  (Wrzesniowski),  sondern  ebenso  wie  bei 
anderen  von  mir  untersuchten  Infusorien  entschieden  auf  der  Bauchseite. 


*)  E.  G.   Balbiani.     Eecherches  exiH'rimentales  .snr  la  iiK'rotnmie  des  infusoires  cilit's.     Recueil  zoolog.  Tome  V 
fasc.  1.     1888.     pag.  60—61. 


25 


9.  Nassula  elegans.    Eln-bg. 

Ehrenberg  27;  pag.  339,  Taf.  XXXVII,  Fig    1. 

Duj ardin  24;  pag.  497     498. 

Cohn  19;  pag.  143—14(5,  Taf.  YII  B,  Fig.  T— G. 

Stein  60;  pag.  90,  100  und  112. 

Diesing  22;  pag.  558. 

Mereschkowsky  4(j;  pag   256. 

Bütschli  10;  pag.  1264,  1328,  1372,  Fig.  21,  pag.  1373,  1395,  1459,  1463. 

Synon.:  N.  flava.     Claparfede  et  Lach  mann  13;  pag.  327—329,  Taf.  XVII,  Fig.  6. 
Gourret  et  Roeser  35;  pag.  462—463,  Taf.  XXVIII,  Fig.  8. 
?     K.  hesperidea.     Eutz  30;  pag.  331—336,  Taf.  XXI,  Fig.  1—5. 

Taf.  III.     Fig.  34-3S. 

Mittelgrosse  Thiere  von  0,1  —  0,14  mm  Länge  und  0,06—0,09  mm  Breite. 

Körper  eiförmig,  hinten  breiter  als  vorne  und  dorso-ventral  schwach  comprimirt.  Das  vordere 
Körperende  unbedeutend  nach  links  umgebogen,  so  dass  die  linke  Körperseite  in  der  Vorden'egion  etwas  aus- 
gehöhlt erscheint.     Mundöflnung  (o)  im  vorderen  Körperviertel  auf  der  Ventralfiäche  gelegen. 

Der  ganze  Körper  ist  von  ziemlich  langen  und  dünnen  Cilien  gleichmässig  bedeckt.  Dieselben  sind 
in  Längsreihen  angeordnet  und  stehen  auf  kleinen  Papillen  eingepflanzt,  welche  in  ihrer  Gesammtheit  den 
Anschein  der  Längsstreifung  bedingen.  Diese  Cilienpapillen  sind  besonders  deutlich  auf  optischen  Durch- 
schnitten (Fig.  37  und  38)  zu  sehen  und  verleihen  dem  Körperrande  ein  gekerbtes  Aussehen.  Die  Körper- 
streifen verlaufen  meridional  vom  hinteren  zum  vorderen  Körperpole;  auf  der  Ventralfläche  ziehen  sie  um 
den  Mund,  biegen  sich  gegen  einander  und  stossen  paarweise  winklig  zusammen.  Auf  diese  Weise  erscheint 
das  vordere,  vor  der  Mundöflnung  gelegene  Körperende  winklig  gestreift,  wobei  die  Linie  der  Zusammen- 
stossungspunkte  der  Streifen  etwas  schief  nach  vorn  und  links  aufsteigt.  Die  median  gelegenen  Streifen  der 
Ventralfläche  biegen  nicht  um  den  Mund  herum,  sondern  stossen  auf  den  unteren  Mundrand.  Ausser  den 
Körpercilien  ist  bei  N.  elegans  noch  eine  sog.  adorale  Zone  (Fig.  3-4  und  35  ad.  w)  von  stärkeren  Wimpern 
(sogenannten  Girren)  vorhanden.  Dieselben  sind  bedeutend  grösser  und  stärker  als  die  Cilien,  nach  der  Basis 
verdickt,  so  dass  sie  im  optischen  Querschnitte  ellipsoidal  erscheinen.  Die  Zone  beginnt  am  vorderen  Rande 
des  Mundes  (Fig.  34  ad.  wi,  biegt  um  seinen  rechten  und  unteren  Rand  herum  und  zieht  ein  wenig  schief  nach 
vorn  und  links.  Sie  setzt  sich  über  die  ganze  linke  Körperseite  fort,  begiebt  sich  auf  die  Dorsalfläche  (Fig.  35 
ad.  w)  und  erreicht  beinahe  die  rechte  Körperseite.  Diese  Zone  zieht  in  einer  seichten  Furche,  welche  be- 
sonders deutüch  am  linken  Körperrande  zu  sehen  ist,  an  welcher  Stelle  die  Ectoplasmaschicht  auch  etwas 
dünner  erscheint  (Fig.  35). 

Das  Eatoplasma  (Fig.  34,  35,  37  und  38  b)  ist  anscheinend  homogen  und  ziemhch  stark  hcht- 
brechend.  Seine  äusserste  Grenze  bildet  eine  zarte  Pellicula  (p).  Zwischen  dem  Ectoplasma  und  dem  körnig- 
wabigen  Eutoplasma  (en)  bemerkt  man  noch  eine  dünne,  fein  radiäre  Schicht  von  Corticalplasma  (cp), 
welche  ein  schwächeres  Lichtbrechungsvermögen  als  das  Ectoplasma  zeigt.  Ihre  Sonderung  documentirt  sich 
noch  darin,  dass  sie  an  den  lebhaften  Strömungen  des  Entoplasmas,  welche  bei  diesem  Infusor  so  schön  zu 
sehen  sind  und  schon  früher  vielfach  beobachtet  wurde,  keinen  Antheil  nimmt  und  ferner  dass  keine 
Nahrungskörper  in  sie  eintreten.      Diesem  Corticalplasma   sind    die  Trichocysten  (tr)    eingelagert,   welche 

Bibliotheca  zoologica.     Heft  3.  4 


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senkrecht  zur  Körperoberfläche  stehen  und  durchaus  nicht  bei  allen  Exemplaren  angetroffen  werden.  Da  die  Tri- 
chosysten  die  Dicke  der  Corticalplasmaschicht  bedeutend  übertreöen  und  somit  mit  ihrem  hinteren  Ende  in  das 
Entoplasma  hineinragen ,  so  erhalten  sie  öfters  infolge  der  starken  Circulation  des  Entoplasmas  eine  ganz 
unregelmässige  Stellung  (Fig.  34  tr).  Dem  Corticalplasma  ist  auch  der  bekannte  Pigmentfleck  (Fig,  34  n. 
35   pij  eingelagert,  welcher  gewohnlich  auf  der  linken  Seite  des  vorderen  Körperendes  gelegen  ist. 

Die  Mundiiffnung  (o)  liegt  in  der  Tiefe  einer  beutelartigen  Einsenkung ,  welche  sich  auf  der 
Ventralfläche  im  vorderen  Körperviertel  befindet  und  als  Vorhöhle  (vh)  zu  bezeichnen  wäre.  Im  ge- 
schlossenen Zustande  ist  die  Mundöffnung  eng,  kreisförmig,  kann  sich  jedoch  bei  Nahrungsaufnahme 
ganz  bedeutend  erweitern.  An  dieselbe  schliesst  sich  ein  dünner  plasmatischer  Kragen  (Fig.  36  kr)  an, 
welcher  dem  vorderen  Ende  des  Reusenapparates  (St)  dicht  anliegt.  Bei  Isolirung  des  letzteren  bleibt 
der  Kragen  mit  ihm  fest  im  Zusammenhange  und  erscheint  als  eine  ringförmige  Membran.  Dieser  plas- 
matische Kragen  besitzt  eine  feine  Radiärstreifung  und  bedingt  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  die  Verengung 
und  Erweiterung  der  Mundöffnung. 

Der  Reusenapparat  bildet  eine  ziemlich  lange  Röhre,  welche  vorne  kolbenartig  aufgetrieben  ist  und 
sich  nach  hinten  allmählich  verschmälert.  Seine  Länge  variirt  bei  verschiedenen  Exemjilaren  ganz  bedeutend 
und  kann  zuweilen  sogar  die  halbe  Körperlänge  erreichen.  Der  Reusenapparat  zieht  vom  Munde  etwas  dor- 
sal wärts  und  nach  hinten  links;  er  wird  aus  zahlreichen  (gegen  16)  dicht  nebeneinander  gelagerten,  stäbcheu- 
artigen  Gebilden  aufgebaut,  welche  meist  einen  schraubigen  Verlauf  besitzen  und  bei  Isolirung  des  Schlund- 
apparates nicht  auseinander  fallen.  Dieselben  bestehen  aus  einer  homogenen,  ziemlich  stark  hchtbrechenden 
Substanz,  welche  sich  gegen  Pepsin  ähnlich  wie  die  Körpercilien  verhält  und  demnach  wahrscheinlich  aus 
demselben  Stoße  bestehen.  Ich  behandelte  nämlich  Thiere,  welche  mit  kochendem  Wasser  abgetödtet  und 
durch  ein  Gemisch  von  Alkohol  und  Äether  entfettet  wurden,  mit  einer  sauren  Pepsinlösung  ^)  und  fand,  dass 
die  Stäbchen  des  Schlundapparates ,  sowie  die  Körpercilien  sofort,  die  Alveolarschicht  erst  nach  einigen 
Minuten  aufgelöst  wurden.  Das  Entoplasma  dagegen,  wie  die  Kernhülle,  wurde  bei  einer  Temperatur  von 
38  "  C.  gewöhnlich  erst  nach  mehreren  Stunden  (12 — 18)  verdaut.  Als  Residuum  blieb  nur  ein  geringer 
Theil  vom  Entoplasma  und  ein  erheblicher  Theil  der  Kernsubstanz  (Nuclein)  zurück,  welche  insofern 
im  weiteren  Verhalten  zu  Reagentien  differirten,  als  das  erstere  von  einer  10  <>/„  Sodalösung  vollkommen, 
dagegen  das  letztere  nur  theilweise  (unlösliches  Nuclein  Zacharias  69)  aufgelöst  wurde.  Bei  Behandlung 
mit  warmer  Natronlauge  wurde  auch  dieser  Rest  vollkommen  gelöst.  Aus  diesem  Veihalten  wäre  man  be- 
rechtigt zu  schliessen,  dass  der  Stäbchenapparat  sehr  wahrscheinlich  aus  einem  Eiweisskörper  besteht. 

Dieser  Reusenapparat  ist  verschiebbar  und  wird  bei  Nahrungsaufnahme  stark  vorgeschoben,  so  dass 
er  sogar  mit  der  Mundöflnung  aus  der  Vorhöhle  hügelartig  vorstehen  kann.  Nach  Analogie  mit  den  entspre- 
chenden Organen,  welche  wir  bei  Holophr3'a,  Prorodon  und  anderen  beobachteten,  liegt  die  Vermuthung 
nahe,  dass  er  einen  besondern  Schlund  umschliesst.  welcher  eine  Fortsetzung  des  Mundes  bildet.  Derselbe 
wurde  jedoch  direkt  nicht  beobachtet  und  muss  wahrscheinlich  sehr  kurz  und  unansehnlich  sein. 


i 


*)  13  Gramm  abpräparirter  Schleimhaut  eines  Schweinemageiis  mit  500  Ccm  ^V'asser  und  8  Ccm  offic.  Salzsäure 
24  Stunden  bei  40"  C.  digerirt;  tlurch  Leinewand  gepresst  und  3  mal  liltrirt.  Die  Lösung  reagirte  sauer  und  löste  Fibrin 
mit  Leichtigkeit  auf. 


Der  After  (a)  liegt  am  ventralen  hinteren  Körperende  in  einem  der  Rippenstreifen  und  ist  nur 
während  der  Entleerung  von  Excrementen  wahrnehmbar. 

Die  contractile  Vacuole  (c.  v.)  liegt  in  der  Mittelregion  des  Körpers  und  zwar  in  der  rechten 
Hälfte:  sie  mündet  durch  einen  deutlich  wahrnehmbaren  Porus  auf  der  Dorsalfläche  nach  aussen. 

Der  Makronucleus  (N)  ist  ziemlich  gross,  oval  und  von  feinnetzigem  Bau.  Er  wird  von  einem 
anliegenden,  kleinen,  rundlichen  Mikronncleus  (ncl)  begleitet,  welcher  ein  homogenes  Aussehen  besitzt. 
Die  Lage  des  Kerns  ist  nicht  konstant,  weil  er  infolge  der  starken  Plasmacirculation  gewöhnlich  im  Körper 
herumgeführt  wird.     Er  ist  jedoch  meist  in  der  hinteren  Körperhälfte  anzutreffen. 

Bei  dieser  Art  gelang  es  noch  eine  Erscheinung  nachzuweisen ,  welche  unter  den  Infusorien  nicht 
sehr  verbreitet  ist.  Bei  fast  allen  untersuchten  Exemplaren  war  nämlich  die  Körperoberfläche  von  einer 
continuirlichen  Gallerthfllle  (Fig.  34,  35,  37  und  38  g)  bedeckt.  Dieselbe  ist  meist  sehr  dünn  (0,001  mm), 
kann  jedoch  bei  einigen  Exemplaren  viel  dicker  werden  (Fig.  85),  so  dass  nur  die  Cilienenden  aus 
ihr  hervorragen.  Die  Bewegung  der  Thiere  ist  dann  ziemlich  beeinträchtigt.  Die  Gallerthülle  lässt  an 
lebenden  Thieren  sich  schwer  wahrnehmen,  namentlich  wenn  sie  sehr  dünn  sind.  Leichter  tritt  sie  an  ab- 
getödteten  hervor,  lunsomehr  da  sie  sehr  quellbar  ist,  speciell  bei  Einwirkung  von  schwachen  Säuren  oder 
Sodalösung.  Bei  einem  Exemplare  quoll  die  Gallerthülle  (Fig.  88  g)  nach  zweistündiger  Behandlung  mit 
5  ö/o  Sodaiösung  so  bedeutend  auf,  dass  sie  die  ursprüngliche  Dicke  um  das  zehnfache  übertraf  und  nun  die 
Cilien  vollkommen  einschloss.  Auch  an  lebenden  Thieren  gelang  es  die  Hülle  sicher  nachzuweisen.  Ich 
leitete  nach  Klebs'  (39)  Vorschlage  schwache  wässerige  Lösungen  von  Fuchsin  oder  Methjienblau  unter  dem 
Deckglas  durch,  worauf  sich  die  Gallerthülle  nach  einiger  Zeit  schwach  roth  oder  blau  färbte.  Die  Tbiere 
ertragen  jedoch  diese  Flüssigkeit  nicht  und  gehen  bald  zu  Grunde;  dabei  tritt  eine  schwache  Quellung  der 
Gallerte  auf  und  die  Färbung  wird  intensiver.  Nach  einiger  Zeit  erblasst  dieselbe  von  neuem,  indem  der  Farb- 
stoff durch  die  Gallerte  durchdringt  und  vom  Protoplasma  aufgenommen  wird.  Setzt  mau  frischen  Farbstoö' 
hinzu,  so  wiederholt  sich  die  Erscheinung  von  neuem.  Von  diesen  Farbstoflen  (namentlich  von  Methylenblau) 
werden  auch  die  Körpercilien  tingirt,  wobei  ich  mich  deutlich  überzeugen  konnte,  dass  dieselben  wenigstens  bei 
dieser  Art  nicht  gleich  dick  sind,  sondern  nach  dem  Ende  spitz  auslaufen.  Es  gelaug  mir  auch  bei  einem 
Exemplare  die  Gallerthülle  zu  isoliren.  Nachdem  dieselbe  schwach  gefärbt  war,  drückte  ich  vorsichtig  mit 
der  Präparirnadel  auf  das  Deckglas  —  das  Thier  schlupfte  sammt  den  Cilien  aus  der  Hülle  heraus  und 
schwamm  lebhaft  davon,  ging  aber  sehr  bald  zu  Grunde.  Die  zurückgebliebene  Gallerte  färbte  sich  intensiver, 
liess  aber  keine  besondere  Structur  erkennen. 

Nassula  elegans  gehört  nicht  zu  den  häufigsten  Infusorien;  wenigstens  konnte  ich  sie  nur  2  oder 
3  mal  beobachten  und  zwar  nur  einmal  in  grossen  Mengen.  Sie  hält  sich  meist  an  der  Wasseroberfläche 
zwischen  Algen  auf.  Sie  schwimmt  schnell  umher,  wobei  sie  sich  meist  um  ihre  Längsaxe  dreht.  Der  Körper 
ist  elastisch  und  formbeständig.  Die  Farbe  ist  schwach  grünlich-weiss ,  jedoch  sehr  wechselnd  und  steht 
sicherlich  mit  der  Art  der  aufgenommenen  Nahrung  in  Beziehung.  Auch  scheint  die  Farbe  des  sogennanten 
Pigmentfleckes  (pi)  davon  abzuhängen.  Die  Nahrung  besteht  gewöhnlich  aus  einzelligen  Algen  und  Diatomeen ; 
mit  besonderer  Vorliebe  ernährt  sich  Nassula  elegans  von  Oscillariaceen,  bei  deren  Verdauung  sich  die  be- 
kannten violetten  oder  blauen  Flüssigkeitstropfen  oder  Vacuolen  bilden.    Auf  die  Entstehung  derselben,  wie  auf 


den  ganzen  Verdauungsakt  werde  ich  bei  der  folgenden  Art  näher  eingehen. 


4* 


28       

Die  Beschreibungen,  welche  wir  von  Nassula  elegans  besitzen,  sind  mangelhaft  und  beziehen  sich 
nur  auf  gröbere  Organisationsverhaltnisse.  Die  Streifung,  der  Bau  des  Entoplasmas  und  der  feinere  Bau  des 
Schlundapparates  wurden  von  den  früheren  Forschern  fast  gar  nicht  berücksichtigt.  Die  zum  Munde  führende 
Vorhöhle  erkannte  schon  Eutz  bei  N.  microstoraa  (30;  pag.  337,  Taf.  XXI,  Fig.  8).  Den  Verlauf  der 
adoralen  Wimper-  oder  vielmehr  Cirrenzone  beschrieb  bereits  Stein  (60;  pag.  112)  vollkommen  richtig.  Entz 
(30;  pag.  332)  dagegen  verfiel  in  einen  Irrthum,  indem  er  sie  auf  der  Rückenfläche  übersah  und  auf 
der  Bauchseite  in  einem  Bogen  nach  dem  vorderen  Körperende  verlaufen  liess.  Ueber  die  Zahl  der  con- 
tractilen  Vacuolen  schwanken  die  Angaben  sehr.  Ehrenberg  (27;  pag.  339)  fand  ihrer  drei,  wogegen 
Cohn  (19;  pag.  144)  \ne  Claparede  und  Lacbmann  (13;  pag.  828)  nur  zwei  beobachtet  haben  wollen. 
Ich  kann  mit  Sicherheit  behaupten,  dass  wenigstens  bei  allen  von  mir  untersuchten  Exemplaren  nur  eine 
einzige  in  der  Mittelregion  des  Körpers  vorhanden  ist.  Es  unterUegt  keinem  Zweifel,  dass  die  von  Clapa- 
rede und  Lachmann  als  N.  flava  fl3;  pag.  327—329)  beschriebene  Art  mit  der  unsrigen  identisch  ist,  da 
die  geschilderten  Organisationsverhältnisse,  abgesehen  von  den  in  Zweizahl  vorhandenen  contractilen  Vacuolen, 
vollkommen  denen  der  N.  elegans  entsprechen.  Ferner  scheint  es  mir  wahrscheinhch ,  dass  auch  die 
N.  hesperidea  von  Entz  (30;  pag.  331 — 336)  mit  der  X.  elegans  identisch  ist,  umsomehr  da  diese  Ver- 
muthung  auch  von  Eutz  ausgesprocheu  wird. 

10.  Nassula  aurea.    Elabg. 

Ehrenberg  27;  pag.  340,  Taf.  XXXVII,  Fig.  3. 
Dujardin  24;  pag.  497. 
Perty  50;  pag.  147,  Taf.  IX,  Fig.  3a— t. 
Stein  (50;  pag.  «8  und  112. 
Diesing  22;  pag.  557. 

Btttschli  7;    pag.   660   und  672,   Taf.    XXVI,    Fig.  20   und  23   (nach    persönHcher  Mittheil.   Bütschli's).    10; 
pag.  1264,  1366,  Fig.  20,  pag.  1367,  1369,  1372,  1395,  1396,  1420,  1459,  1462,  1472,  Taf.  LX,  Fig.  4a— f. 
Synon:  N.  ornata.     Ehrenberg  27;  pag.  339—340,  Taf  XXXVII,  Fi^'.  2. 
Kent  38;  pag.  494-495,  Taf  XXVI,  Fig.  42  und  50. 
„    viridis  Dujardin  24;  pag.  495,  Taf.  XI,  Fig.  18. 

Cienkowsky  12;  pag.  301—303,  Taf  X,  Fig.  1—10. 
Chilodon  aureus  Ehrenberg  27;  pag.  338,  Taf  XXXVI,  Fig.  6. 
ornatus  „       "  27;  pag.  338,  Taf  XXXVI,  Fig.  9. 

Acidophorus  ornatus.  Stein  59;  pag.  59  auch  306;  pag.  63. 

Taf.  in.     Fig.  39—46. 

Diese  Art  unterscheidet  sich  von  der  vorhergehenden  N.  elegans  abgesehen  von  der  beträchtlicheren 
Grösse  durch  die  allgemeine  Gestalt  und  durch  den  complicirteren  Bau  des  Reusenapparates.  Die  übrigen 
Unterschiede  sind  sehr  gering,  so  dass  ich  auf  dieselben  nur  kurz  einzugehen  brauche. 

Grosse  Thiere  von  0,22— 0,24  mm  Länge  und  0,1 -0,14  mm  Breite. 

Köi-per  länglich,  ellipsoidal,  auf  der  linken  Seite  vorn  etwas  eingebuchtet  und  dorsoventral  schwach 
abgeplattet.  Vorne  abgerundet  und  nach  hinten  spitz  auslaufend.  Mundöffnung  auf  der  Ventralfläche  im 
vorderen  Körperviertel. 

Der  ganze  Körper  von  feiuen  nicht  besonders  langen  Cilien  gleichmässig  bedeckt.  Dieselben  stehen 
in  Längsreihen  auf  kleinen  Papillen,  welche  die  Längsstreifung  bedingen.    Die  Cilienpapillen  jeder  Längsreihe 


29 

stehen  durch  einen  zarten  vorspringenden  Saum  unter  einander  in  Verbindung,  wodurch  auf  optischem  Durch- 
schnitte ein  Bild  erzeugt  wird,  welches  in  Fig.  43  wiedergegeben  ist.  Untersucht  man  diese  Längsstreifen 
(Fig.  45  Is)  genauer,  so  findet  man,  dass  dieselben  nicht  vollkommen  gerade  verlaufen,  sondern  zickzack- 
fürmig  sind,  was  mit  der  Anordnung  der  Cilien  zusammenhängt.  Ausser  dem  longitudinalen  Plasmasaum 
erbhckt  man  noch  Querstreifen  (Fig.  45  qs),  welche  die  winkligen  Knickungsstellen  der  Längsstreifen  ver- 
binden. Auf  diese  Weise  entstehen  hexagonale  vorspringende  Maschen,  in  deren  Ecken  die  Cilien  stehen. 
Diese  Längsstreifen  verlaufen  genau  ebenso  wie  die  der  vorigen  Art,  nur  stehen  sie  etwas  dichter  an  einander 
und  stossen  vor  dem  Munde  nicht  winklig  zusammen,  sondern  biegen  mehr  bogenartig  um  den  vorderen 
Mundrand  herum.  Die  adorale  VVimperzone  (Fig.  39  ad.  w)  zieht  in  einer  tieferen  Furche  und  greift  nicht 
so  weit  auf  die  Dorsalfläche  herüber,  als  bei  N.  elegans.  Auch  sind  ihre  Girren  kleiner  und  in  grösserer 
Zahl  vorhanden,  wobei  in  jedem  Längsstreifen  eine  Girre  steht. 

Am  Ectoplasma  ist  eine  deutliche  Alveolarschicht  (Fig.  39  und  43  al.)  zu  unterscheiden,  deren 
änsserste  Grenze  eine  dünne  Pellicula  (p)  bildet.  Auf  dem  optischen  Längsschnitt  sind  die  radiären  Waben- 
wände der  Alveolarschicht  so  geordnet,  dass  jeder  Cilie  ein  ßadiärbalken  (Fig.  43)  entspricht.  Auf  diese 
Weise  erscheint  die  Alveolarschicht  von  oben  gesehen  ziemlich  regulär  sechseckig  (Fig.  44).  Das  tiefer  liegende 
Gorticalplasma  (cp)  ist  sehr  deutlich  und  besitzt  ebenfalls  einen  radiären  Wabenbau.  Trichoc.vsten 
welche  sonst  bei  N.  aurea  häufig  vorkommen,  fehlten  den  von  mir  studirten  Thieren. 

Die  Mundöffnung  (o)  hegt  wie  bei  N.  elegans  in  der  Tiefe  der  beutelartig  eingesenkten  Vorhühle 
(Fig.  40  vh),  deren  Wand  längsgefaltet  ist  (Fig.  42  w.  vh).  An  die  Mundoffnung  schliesst  sich  ein  breiter 
plasmatischer  Kragen  (Fig.  40—42  kr)  an ,  welcher  schraubig  radiärgestreift  ist  und  dem  distalen  Ende  des 
Schlundapparates  eng  anliegt.  Die  Mundöfitiung,  ebenso  wie  der  plasmatische  Kragen  sind  sehr  erweiterungs- 
fähig. Bei  zurückgezogenem  Schlundapparate  (Fig.  40)  erscheint  die  erstere  eng  kreisförmig,  der  Kragen 
dagegen  halbkugelig  gekrümmt.  Wird  der  Schlundapparat  bei  der  Nahrungsaufnahme  nach  vorne  geschoben 
oder  sogar  zuweilen  aus  der  Vorhöhle  hervorgestossen ,  so  erweitert  sich  die  Mundoffnung  sammt  dem  plas- 
matischen Kragen  ganz  bedeutend  (Fig.  41),  wobei  der  letztere  wie  ein  kurzer  Cyhnder  erscheint,  dessen 
distaler  Rand  nach  aussen  umgebogen  ist.  Der  Schlundapparat  ist  stumpf  kegelförmig  und  wird  aus  einzelnen 
etwas  schraubig  verlaufenden  Stäbchen  aufgebaut.  Er  ist  bedeutend  enger  als  bei  N.  elegans  und  nimmt 
eine  etwas  dorsalwärts  nach  hinten  und  links  gerichtete  Lage  ein.  Als  weitere  Gomplication  des  Schlund- 
apparates von  N.  aurea  bemerkt  man,  dass  sein  vorderer  Abschnitt  von  zwei  plasmatischen  Ringen  (r)  um- 
zogen wird,  welche  aus  einer  anscheinend  homogenen  Substanz  bestehen  und  wahrscheinlich  durch  C'ontraction 
das  Hinunterwürgen  der  Nahrungskörper  befördern. 

Der  After  (a),  ebenso  wie  die  contractile  Vacuole  (c.  v)  besitzen  dieselbe  Lage  wie  bei  N. 
elegans,  indem  der  erstere  auf  der  Ventralfläche  im  hinteren  Körpereude  und  die  letztere  in  der  Mitte  des 
Körpers  liegt  und  dorsalwärts  ausmündet.  Interessant  ist  das  Spiel  der  contractilen  Vacuole,  welches  leicht 
wahrzunehmen  ist.  Der  deutlich  begrenzte  Perus  (Fig.  39  und  4(3  p.  e)  der  contractilen  Vacuole,  welcher 
auf  der  Dorsalfiäche  zwischen  zwei  Cihenstreifen  liegt,  setzt  sich  in  einen  kegelförmig  erweiterten  und  seit- 
lich abgeplatteten  Kanal  (Fig.  46)  fort,  welcher  bis  an  das  Entoplasma  reicht.  An  dieser  Stelle  und  zwar  im 
Entoplasma,  wird  stetig  die  contractile  Vacuole  gebildet.  Sobald  dieselbe  im  Wachsen  begriffen  ist,  also 
während  der  ganzen  Diastole  ist  der  ausführende  Canal  durch  eine  dünne  Plasmawand  abgeschlossen.     Nach- 


30 

dem  die  secundäreii  contractilen  Vacuolen,  welche  ventralwärts  von  der  Hauptvacuole  sich  ansammeln  eine 
gewisse  Grösse  erlangt  haben,  erfolgt  die  Systole  der  Hauptvacuole,  indem  die  dünne  Plasmawand  durch- 
brochen und  der  Inhalt  der  Vacuole  nach  aussen  entleert  wird.  Gleichzeitig  damit  fliessen  die  secundären 
Vacuolen  zu  einer  neuen  Hauptvacuole  zusammen,  die  wiederum  durch  eine  dünne  Plasmaschicht  nach 
aussen  abgeschlossen  ist. 

Der  Makronucleus  (N)  ist  gross,  kugelig  und  feinnetzig  gebaut.  Er  wird  gewöhnlich  von 
mehreren  (bis  zu  .3)  kleinen,  dicht  anliegenden  Mikronuclei  (ncl)  von  feinkörnigem  Bau  begleitet:  letztere 
besitzen  eine  dünne  Kernmembran.  Der  Kern  wird  durch  den  Strom  des  Entoplasmas  umbergeführt  und  ist 
gewöhnlich  in  der  hinteren  Körperhälfte  anzutreffen. 

Nassula  aurea  gehört  ebenfalls  zu  den  seltneren  Infusorien;  ich  traf  sie  nur  ein  einziges  Mal» 
jedoch  in  ziemlich  grosser  Menge.  In  Lebensweise  und  Bewegungsart  diff'erirt  sie  gar  nicht  von  der  erst- 
bescbriebenen  Art,  so  dass  ich  hierauf  nicht  einzugehen  brauche.  Die  Farbe  ist  goldgelb,  kann  aber  sehr 
wechseln  und  steht  sicherlich   mit  der  Natur  der  aufgenommenen  Nahrung  in  Beziehung. 

N.  aurea  ernährt  sich  mit  grosser  Vorliebe  von  Oscillariaceen.  Bei  der  Ergreifung  der  Nahrung 
wird,  wie  ich  schon  beschrieben  habe,  der  Schlundai)parat  vorgeschoben  und  die  Oscillarie  gelangt  in  Folge 
des  durch  die  Bewegung  der  adoralen  Wimperzone  erzeugten  Wasserstrudels  in  die  erweiterte  Mundöffnung. 
Gleich  darauf  zieht  sich  der  plasmatiscbe  Kragen  zusammen  und  der  ganze  Schluudapparat  wird  rasch  ein- 
gezogen. Währenddessen  passirt  die  Oscillarie  langsam  durch  den  Stäbchenapparat,  gelangt  in  das  Ento- 
plasma  und  wird  später  von  einem  schmalen  Flüssigkeitssaum  umgeben.  Somit  erhalten  wir  eine  Nahrungs- 
vacuole,  in  welcher  die  Oscillarie  suspendirt  ist  (Fig.  39  nki  i.  Dieselbe  wird  von  der  lebhaften  Protoplasmacir- 
culation  herumgeführt  und  erfährt  dabei  gewisse  Veränderungen.  Zuerst  bemerkt  man,  dass  die  scharfen 
Grenzen  des  Oscillarienfadens  allmählich  zu  schwinden  beginnen,  wobei  die  Nahrungsvacuole  eine  blauviolette 
Farbe  annimmt  (Fig.  39  nk2  und  nks),  die  immer  intensiver  wird.  Bald  darauf  entstehen  im  Umkreise  der 
Nahrungsvacuole  kleine  blaue  Tröpfchen,  welche  mit  den  benachbarten  zusammenfliessen  und  grössere  Tröpfchen 
bilden,  die  im  Körper  weiter  geführt  werden.  Auf  diese  Weise  wird  bei  weiter  fortschreitender  Verdauung 
den  Nahrungsvacuolen  allmählich  der  gesammte  blaue  Farbstoff  entzogen  und  in  Tröpfchen  im  vorderen 
Körperende  (in  der  Nähe  des  Pigmentflecks)  angehäuft.  In  der  entfärbten  Nahrungsvacuole  bleiben  schliess- 
lich einzelne  braungelbe  Nahrungsreste  zurück  (Fig.  39  nki),  welche  per  anum  ausgestossen  werden.  In 
einigen  der  blauen  Tröpfchen  bemerkt  man  noch  1 — 2  kleine  stark  lichtbrechende  Kürperchen,  welche 
jedoch  erst  nachträglich  gebildet  werden  müssen,  da  ich  dieselben  bei  der  Entstehung  der  blauen  Tröpfchen 
aus  den  Nahrungsvacuolen  niemals  wahrnehmen  konnte. 

Dieser  ganze  geschilderte  Vorgang  wäre  folgendermassen  zu  erklären.  Wie  bekannt,  besitzen  die 
Oscillariaceen,  gleich  anderen  Cyanophyceen  ausser  dem  Chlorophyll  noch  zwei  andere  Farbstoffe:  einen  im 
durchfallenden  Lichte  blau  und  im  auffallenden  roth  erscheinenden,  schon  im  kalten  Wasser  löslichen  Farb- 
stoff-Phycocyan  (Kützing)  und  einen  goldgelben  Phycoxanthin  (Nägeli),  welcher  nur  in  Alcohol  lösHch 
ist.*)  Bei  der  Verdauung  wird  das  Phycocyan,  wahrscheinlich  mit  anderen  Substanzen,  wie  z.  B.  Oelen  oder 
Fetten  entzogen   und    bildet    dann   mit    diesen    den  Inhalt  der  blauen  Tröpfchen,   deren   Färbung   von   ihm 


I 


*)  Näheres  über  diese  Farbstoile  bei  J\I.  Kraus  (40;  pag.  L'ft— 35;. 


31     

herrührt.  Dagegen  erscheinen  die  per  anum  auszustossenden  Verdauungsreste  durch  den  in  ihnen  enthaltenen 
Phycoxanthin  goldgelb  bis  braungelb  gefärbt.  Auch  das  chemische  Verhalten  der  Körper  spricht  für  diese 
Erklärung.  Zerdrückt  man  eine  Nassula  unter  dem  Deckelglase,  so  lösen  sich  die  blauen  Tröpfchen  im  um- 
gebenden Wasser  vollkommen  auf,  eine  Eigenschaft,  die  das  Pbycocyan  characterisirt.  Behandelt  man  das 
Thier  mit  kochendem  Wasser,  so  verschwindet  die  Farbe  der  blauen  Tröpfchen  im  Thierkörper,  indem  sie 
vom  Wasser  aufgelöst  wird;  dasselbe  geschieht  auch  beim  Absterben  der  Thiere.  Die  braungelben  Ver- 
dauungsreste bleiben  aber  unverändert,  weil  das  Phycoxanthin  in  Wasser  unlöslich  ist;  dieselben  werden  jedoch 
von  Alkohol  entfärbt.  Was  die  kleinen,  stark  lichtbrechenden  Inhaltskörper  anbetrifft,  die  nachträglich  in 
den  blauen  Tröpfchen  auftreten,  so  wären  sie  nach  ihrem  Verhalten  gegen  Reagenzien  für  Fett  zu  erklären. 
Sie  sind  unbislich  in  kochendem  Wasser,  Pepsinlösung  und  absolutem  Alkohol;  dagegen  löslich  in  einem 
Gemisch  von  Alkohol  und  Aether;  und  werden  von  f/o  Osmiumsäure  geschwärzt.  Beim  Zerfliessen  des  Thieres 
lösen  sich  die  blauen  Tröpfchen  in  Wasser  auf,  wogegen  die  kleinen  stark  lichtbrechenden  Körperchen,  welche 
in  einigen  Tröpfchen  anzutreffen  sind,  unverändert  zurückbleiben;  sie  behalten  sogar  ihre  blaue  Färbung, 
welche  erst  nach  2— .3  Stunden  verschwindet.  Auf  welche  Weise  diese  Fettkörperchen  in  den  blauen  Tröpfchen 
entstehen,  bleibt  noch  unerklärt.  Gleichfalls  unerklärt  bleibt  auch  die  Thatsache,  wesshalb  die  blauen 
Tröpfchen  sich  an  einer  Stelle  der  vorderen  Körperregiou  ansammeln.  Unterwirft  man  das  Thier  einer 
kleinen  Pression  (unter  dem  Deckglase),  so  werden  die  blauen  Tröpfchen  von  dieser  Stelle  fortgeführt  und  im 
ganzen  Körper  vertheilt.  Nach  aufgehobener  Pression  sammeln  sie  sich  von  neuem  an  demselben  Orte  zu- 
sammen. Die  verschiedenen  auf  einander  folgenden  Stadien  der  Verdauung  sind  in  Fig.  39  nki— nki 
dargestellt. 

Die  älteren  Beschreibungen  von  N.  aurea  sind  ziemlich  mangelhaft,  namentlich  in  Bezug  auf  die 
Körperstreifung  und  den  feineren  Bau  des  Ectoplasmas  und  Eeusenapparates.  Die  adorale  Zone  wurde  schon 
von  Stein  (60;  pag.  112J)in  ihrem  Verlauf  richtig  erkannt.  Ebenso  ist  der  eine  plasmatische  Ring, 
welcher  den  Schlundapparat  umgiebt,  schon  von  Lieberkühn  (42;  unedirte  Tafeln)  beobachtet  worden  und  der 
zweite  erst  später  von  Bütschli  (7);  letzterer  beschrieb  auch  die  in  der  Mehrzahl  vorhandenen  Mikronuclei. 
Dass  die  Farbe  der  blauen  Vacuolen  von  anwesendem  Phycocyan  herrührt,  bemerkte  bereits  noch  Cohn 
(19;  pag.  44);  jedoch  gelang  es  ihm  nicht,  den  ganzen  Vorgang  der  Verdauung  zu  verfolgen.  Die  von 
Ehrenberg  als  N.  ornata  (27;  pag.  339—340)  und  von  Dujardin  als  N.  viridis  (24;  p.  495)  beschriebenen 
Arten  sind  unzweifelhaft  mit  N.  aurea  identisch.  Dasselbe  gilt  wohl  auch  von  Chilodon  aureus  und 
ornatus.  Ehrbg.  (27:  pag.  338),  worauf  schon  Stein  (60;  pag.  111)  seinerzeit  hingewiesen  hat. 


32 


11.  Glaucoma  scintillans.    Blirbg 


O' 


Ehren berg  '27;  pag.  335,  Taf.  XXXVI,  Fig.  5. 

Dujardin  24;  pag.  476  -477,  Taf.  VI,  Fig.  13.     Taf.  VII,  Fig.  8  und  Taf.  XIV,  Fig.  4. 

Perty  50;  pag.  147,  Taf.  V,  Fig.  11. 

Stein  58;  pag.  250—251,  Taf.  VI,  Fig.  45-53,  aucli  GO;  pag.  74  und  188. 

J.  Samuelsou  55;  pag.  18-19. 

Claparede  und  Laclimann  13;  pag.  277. 

Die  sing  23;  pag.  76 — 77. 

Fromentel  34;  pag.  188  und  306,  Taf  XVI,  Fig.  2,  Taf.  XXI,  Fig.  24. 

Kent  38;  pag.  795-796,  Taf  XLV,  Fig.  39  -40. 

Maupas  44;  pag.  465-467,  Taf.  XIX,  Fig.  23-24. 

Bütschli  10;  pag.  1345,  1377,  1395,  1417,  Taf.  LXIT,  Fig.  5a-b. 

Syuon:  Aconiia?  Ovulum  Dujardin  24;  pag.  383,  Taf.  VII,  Fig.  7. 
?       „  ovata  "„  24;  pag.  383,  Taf.  VI,  Fig.  12. 

Paramaecium  ovale  Clapartde  und  Laclimann  13;  pag.  269,  Taf  XIV,  Fig.  1. 

Taf.  IV.     Fig.  47—53. 

Kleine  bis  mittelgrosse  Thiere,  von  0,06 — 0,086  mm  Länge  und  0,03—0,056  mm  Breite. 

Körper  oval,  etwas  eiförmig,  dorso- ventral  unbedeutend  abgeplattet  und  nach  vorne  scbwach  ver- 
engt.    Mundöfihung  (o)  gross,  im  vorderen  Körperdrittel,  auf  der  Ventralfläche  gelegen. 

Der  ganze  Körper  ist  von  ziemlich  langen,  feinen  und  dicht  stehenden  Cilien  gleichmässig  bekleidet 
Ich  berechnete  annähernd  (siehe  Anhang)  die  Gesammtzahl  der  Cilien;  dieselbe  beträgt  bei  einem  Individuum 
von  0,064  mm  Länge  und  0,034  mm  Breite  circa  1100. 

Die  Cihen  sind  auf  kleinen  Papillen  befestigt,  welche  in  Längsreihen  stehen  und  somit  die  Längs- 
streifung  des  Körpers  bedingen.  Diese  Längsstreifen  ziehen  meridional  vom  hinteren  zum  vorderen  Körper- 
pole; auf  der  Ventralfläche  (Fig.  48)  stossen  die  median  gelegenen  (4—6)  auf  den  unteren  Rand  der  Mund- 
öffnung, wogegen  die  übrigen  um  dieselbe  herumziehen,  je  zu  zweien  auf  einander  stossen  und  sich  bogenartig 
mit  einander  verbinden.    Auf  diese  Weise  erscheint  das  vordere  Drittel  der  Ventralfläche  bogenartig  gestreift. 

Das  Ectoplasma  (ek)  ist  dünn  und  anscheinend  homogen,  seine  äusserste  Grenze  bildet  die  Pelli- 
cula.  Das  Entoplasma  ist  grobmaschig-netzig  und  fein  gekörnt;  es  enthält  zahlreiche  Nahrungsvacuoleu 
(n  v)  und  rundliche,  stark  lichtbrechende  Körperchen. 

Die  Mund  Öffnung  (o)  ist  ziemlich  gross  und  liegt  von  rechts  vorn  nach  links  hinten  schief  zur 
Längsachse  des  Thieres;  nach  rechts  vorn  ist  sie  verengt,  dagegen  nach  links  hinten  erweitert  und  gerade 
abgestutzt.  Ihr  linker  Rand  (1.  or)  ist  concav  ausgebuchtet,  dagegen  der  rechte  (r.  or)  convex  und  unbe- 
deutend vorgebogen.  Am  linken,  vorderen  und  rechten  Mundrande  zieht  eine  continuirliche,  ziemlich  grosse 
unduhrende  Membran  hin,  welche  im  ausgespannten  Zustande  die  Mundöffnung  haubenartig  von  oben  über- 
deckt. Dieselbe  ist  sehr  zart  und  äusserst  fein  gestreift,  was  zweifelsohne  auf  ihre  Entstehung  aus  unter 
einander  verschmolzenen  Cilien  hindeutet.  Sie  wird  fortwährend  und  abwechselnd  ausgespannt  und  zusammen- 
geschlagen; im  letzteren  Falle  überdeckt  sie  den  vorderen  Theil  der  Mundöfthung  und  wirft  Falten  in  der 
Mitte,  wodurch  zwei  Membranen  vorgetrügt  werden  können.  Von  der  Mundöffnung  führt  ein  kurzer,  aber 
breiter  und  tiefer  Schlund  (oe).  Derselbe  ist  sack-  oder  taschenförmig  und  dorsalwärts  stark  ausgehöhlt, 
so    dass    seine    Dorsalwand    im    optischen    Durchschnitte    bedeutend    grösser  als  die  Ventralwand  erscheint. 


33      

Längs  der  ganzen  Dorsalwand  des  Schlundes  ist  eine  grosse,  plattenförmige  undulirende  Membran  (mi) 
befestigt,  welche  im  vorderen  Schlundabschnitte  höher  als  im  hinteren  emporsteigt.  Diese  Membran  wollen 
wir  zum  Unterschiede  von  der  erst  beschriebenen  äusseren,  als  die  innere  undulirende  Membran  bezeichnen. 
Sie  ist  deutlich  jedoch  fein  quergestreift  (was  ebenfalls  auf  die  Entstehung  aus  Cilien  hinweist)  imd  befindet 
sich  in  fortwährender,  rascher  Bewegung.  Am  hinteren,  verengten  Schlundende,  gerade  an  der  Stelle,  wo 
die  innere  undulirende  Membran  aufhört,  werden  die  Nahrungsvacuolen  (n.  v.)  gebildet. 

Der  After  (a)  liegt  am  Hinterende  des  Körpers,  jedoch  nicht  terminal,  sondern  median  auf  der 
Ventralfläche  und  zwischen  zwei  Längsstreifen.  Etwas  vor  ihm,  aber  an  der  Dorsalfläche,  befindet  sich  eine 
contractile  Yacuole  (c.  v.),  welche  auf  dem  Rücken  nach  aussen  mündet. 

Der  Makronucleus  (S)  ist  kugelig-  und  etwas  subcentral,  nach  dem  Hinterende  zu  gelegen.  Er 
besitzt  einen  feinnetzigen  Bau  und  wird  stets  von  einem  anliegenden  Mikronucleus  (ncl)  begleitet:  derselbe 
ist  klein,  ellipsoidal  und  homogen.  An  fixirten  und  gefärbten  Kernen  kommen  Hülle  und  Netzstructur  deut- 
licher zum  Vorschein ;  der  Mikronucleus  wird  sehr  schwach  tingirt  und  lässt  nichts  von  einem  chromatischen 
und  achromatischen  Abschnitt  unterscheiden. 

Bei  diesem  Thiere  gelang  es  mir  mehrere  Male  die  Theilung  zu  verfolgen.  Dieser  Process  bietet 
viel  Literessautes ,  namentlich  in  Bezug  auf  die  Anlage  des  neuen  Mundes  und  das  Verhalten  der  Körper- 
streifen. 

Die  zur  Theilung  sich  anschickenden  Exemplare  sind  sofort  an  einer  zweiten  Mundöffnung  (Fig.  50oi) 
zu  erkennen,  welche  in  der  hinteren  Körperhälfte  neu  angelegt  wird :  sie  entsteht  immer  auf  der  Ventralseite, 
etwas  rechts  von  der  Medianlinie,  in  Gestalt  eines  schmalen  Spaltes,  welcher  senkrecht  zur  Längsachse 
des  Thieres  steht.  Die  neu  gebildete  Mundöttnunii-  wird  stets  von  einem  schmalen  Saume  umgeben,  welcher 
die  Anlage  der  zukünftigen  äusseren  undulirenden  Membran  ist.  Bald  darauf  erfährt  auch  der  Makro- 
nucleus (N)  gewisse  Veränderungen,  indem  er  eine  längliche,  cj'lindrische  Gestalt  annimmt  und  sein  Netz- 
gerüst zuerst  deutlicher  und  dann  lockerer  wird.  Sobald  nun  der  Mund  auf  die  beschriebene  Weise  angelegt 
und  1 — 2  Längsstreifen  in  ihrer  Continuität  unterbrochen  sind,  giebt  sich  ein  unregelmässiges,  stärkeres 
Wachsthum  einer  gewissen  Körperpartie  kund.  Es  ist  nämlich  der  Körpertheil,  welcher  nach  vorn  luid 
rechts  unmittelbar  vor  dem  neuen  Munde  gelegen  ist,  der  ein  stärkeres  Wachsthum  erfährt.  Infolge 
davon  wird  der  Mund  aus  seiner  Lage  verschoben  imd  nimmt  eine  schiefe  Stellung  zur  Längsachse 
ein,  wobei  die  nach  rechts  von  ihm  gelegenen  Längsreihen  nicht  mehr  gerade  verlaufen,  sondern  den 
Vorderrand  des  Mundes  bogenartig  umgeben  (Fig.  51).  Hand  in  Hand  mit  diesem  stärkeren  Wachsthum  der 
beschriebenen  Körperpartie  geht  auch  die  Einschnürung  des  Körpers  in  der  mittleren  Region,  welche  zuerst 
an  der  rechten  Seite  (rechts  vorn  vor  der  neuen  Mundöfi'nung)  auftritt  und  später  auf  der  linken  Seite  zu 
bemerken  ist.  Diese  Einschnürung  verläuft  nicht  senkrecht  zur  Längsachse  des  Thieres,  wie  z.  B.  bei  In- 
dividuen mit  terminalem  Mund,  sondern  schief  von  rechts  vorn  nach  links  hinten. 

Währenddessen  wird  in  der  Mitte  des  Körpers  eine  neue  contractile  Vacuole  (Fig.  51  ci  Vi)  angelegt 
und  der  Kern  (N)  nimmt  eine  bisquitförmige  Gestalt  an,  wobei  seine  Structur  feinfaserig  wird.  Auch  die 
äussere  undulirende  Membran  wird  grösser  und  beginnt  zu  schlagen.  Der  ganze  Körper  streckt  sich  in  die 
Länge  und  die  Einschnürung  wird  immer  tiefer  und  deutlicher.  Infolge  dieser  Einschnürung  tritt  auf  der 
Ventralfläche  eine  breite  und  ziemlich  tiefe,  schief  nach  hinten  links  verlaufende  Furche  auf,  in  deren  ganzen 

Bibliotlieca  zoologica.    Heft  5.  5*) 


*)  Von  Bogen  5  ab  wurde  die  Correctur  allein  von   dem  Unterzeichneten  besorgt,   da  der  Verfasser  im  April   1889 
eine  mehrjährige  Reise  um  die  Erde  als  zoologischer  Begleiter  des  Herrn  Dr.  Lauterljach  angeti'eten  hat  0.  Bütschli. 


34       — — 

Länge  die  Längsstreifen  durchgeschnürt  werden.  Jetzt  wenden  sich  die  nach  links  von  der  neuen  Mund- 
öffnung  verlaufenden  Längsstreifen  nach  vorne  und  stossen  mit  den  rechten ,  bogenartig  um  den  vorderen 
Mundrand  hinziehenden  paarweise  zusammen,  so  dass  die  Ventralfläche  des  hinteren  Theilsprösslings  ebenso 
gestreift  erscheint,  wie  die  des  vorderen  (Fig.  52).  Dabei  streckt  sich  der  Kern  (N)  noch  mehr  in  die  Länge 
und  wird  später  in  der  Mitte  durchgeschnürt. .  Der  neue  Mund  bekommt  eine  Aushöhlung,  in  welcher  gleich- 
zeitig die  innere  undulirende  Membran  in  Gestalt  einer  zarten  plasmatischen  Leiste  angelegt  wird.  Der 
Process  der  Einschnürung  geht  immer  weiter  (Fig.  53),  bis  die  Zweitheilung  des  Körpers  erfolgt. 

Die  eben  geschilderten  Theilungsverhältnisse,  welche  gewissermassen  als  eine  ontogenetische  Er- 
scheinung aufzufassen  wären,  bestätigen  die  von  Bütschli  und  Schuberg  (57;  pag.  398—399)  aufgestellte 
Vermuthung  über  die  Verschiebung  des  Mundes  und  die  damit  zusammenhängende  Ableitung  der  Formen  mit 
ventral  gelegenem  Munde ,  von  denen  mit  polar  (oder  terminal)  gelegenem. 

Nach  dem  von  mir  Beobachteten  würde  sich  die  Sache  also  folgendermassen  verbalten.  Denken 
wir  uns  bei  irgend  einer  hypothetischen  Form  mit  endständigem  Munde  (ähnlich  der  ürotricha,  Holophr\s  etc.), 
von  dessen  Peripherie  meridionale  Längsstreifen  ausgehen,  an  irgend  einer  Stelle  des  Vorderkörpers  ein 
stärkeres  Wachsthum  auftreten,  so  wird  der  Mund  selbstverständlich  auf  die  entgegengesetzte  Seite  hinüber- 
rücken, d.  h.  eine  seitliche  Lage  bekommen  und  somit  eine  Ventralfläche  zur  Ausbildung  bringen.  Mit  diesem 
ungleichmässigen  Wachsthum  der  vorderen  Körperregiou  halten  auch  die  Längsstreifen  Schritt.  Dabei  stossen 
sie  paarweise  zusammen  und  wandern  gleichfalls  auf  die  Ventralfläche  hinüber,  so  dass  sie  am  vorderen 
Körpereude  den  Mund  bogenartig  umgeben,  an  seinen  Seiten  rechts  und  links  vorbeiziehen  und  am  hinteren 
Körperpole  in  einem  Punkte  zusammenlaufen.  Die  am  unteren  Mundrande  entspringenden  Längsstreifen 
behalten  selbstredend  ihre  frühere  Lage  bei  und  verlaufen  demnach,  ebenso  wie  die  der  Dorsalfläche,  meridional. 

Das  Verhalten  des  Mikronucleus  bei  der  Theilung,  d.  h.  seine  feineren  Structurveränderungen ,  sind 
nicht  näher  untersucht  worden.  Bei  der  Conjugation  vereinigen  sich  die  Thiere  zuerst  mit  ihrer  Mundöfl'nung, 
worauf  später  bei  einer  innigen  Aneinanderlegung  der  Thiere ,  eine  Resorption  des  vorderen  vom  Munde  nach 
vorn  gelegenen  Abschnittes  der  Ventralflächen  erfolgt.  Es  conjugiren  meist  kleine,  zuweilen  nicht  gleich- 
grosse  Thiere. 

Glaucoma  scintillans  gehört  zu  den  verbreitetsten  Lifusorien;  sie  ist  fast  in  jeder  in  Fäulniss 
begriffenen  Lifusion  anzutreffen  und  kommt  gewöhnlich  in  grossen  Massen  vor.  Vermöge  der  feinen,  dicht 
stehenden  Cilien  bewegt  sie  sich  ziemlich  rasch,  unter  fortwährender  Rotation  des  Körpers  um  die  Längs- 
achse. Die  undulirenden  Membranen  sind  ebenfalls  in  einer  ununterbrochenen  Bewegung  begriffen ;  die 
äussere  wird  unaufhörlich  haubenartig  ausgespannt  und  zusammengeschlagen,  wogegen  die  innere  in  einer 
Wellenlinie  sehr  schnell  bewegt  wird  und  dadurch  den  Anschein  einer  zitternden  Bewegung  zeigt. 

G.  scintillans  ernährt  sich  von  Bacterien,  die  am  Ende  des  Schlundes  zu  einem  Ballen  sich  an- 
sammeln, welcher  von  einem  Flüssigkeitstropfen  umgeben  wird.  Sobald  eine  solche  Xahrungsvacuole  (n.  v.) 
eine  gewisse  Grösse  erlangt  hat,  löst  sie  sich  vom  Schlundende  ab,  um  dann  vom  Entoplasma  fortgeführt  zu 
werden.  Die  Verdauung  giebt  sich  darin  kund ,  dass  der  Bacterienballen  immer  mehr  zusammenschrumpft, 
wogegen  die  Vacuole  (Flüssigkeitstropfen)  an  Grösse  zunimmt.  Schliesslich  wird  der  Verdauungsrest  per  anum 
ausgestossen. 

Der  Körper  der  Glaucoma  ist  elastisch,    durchsichtig  und  farblos;  d.  h.  er  besitzt  einen  grünlich- 


35         

blauen  Ton,    welcher  dem  lebenden  Plasma  zukommt.     Zuweilen  kann  jedoch  der  Körper  undurchsichtig  er- 
scheinen, wenn  er  stark  von  Nahrungsvacuolen  erfüllt  ist. 

Die  äussere  undulirende  Membran  ist  schon  von  Stein  vollkommen  richtig  erkannt  worden.  Er  be- 
schreibt sie  (58;  pag.  250)  als  einen  Hautsaum,  welcher  die  Mundöflhung  umfasst  und  aus  „zwei  gegen- 
überliegenden von  vorn  nach  hinten  zu  niedriger  werdenden  und  an  beiden  Enden  in  einander  übergehenden 
Klappen"  (Taf.  VI,  Fig.  46  »  und  a.)  besteht,  „von  denen  die  rechte  beträchtlich  höher  ist,  als  die  hnke, 
welche  meist  nur  als  ein  aufgeworfener  Rand  erscheint".  Durch  die  verschiedene  Grösse  der  beiden  Seiten- 
hälften der  Membran  erklärt  Stein  auch  den  Umstand,  weshalb  Ehrenberg  (27;  pag.  3.35)  nur  von  einer 
zitternden  Klappe  spricht.  In  denselben  Irrthum,  wie  Ehrenberg,  verfiel  auch  Maupas,  insofern  er  die  eine 
Seitenhälfte  der  Membran  übersah.  Das  Gebilde,  welches  Maupas  als  die  rechte  undulirende  Membran 
(44 ;  pag.  466)  deutet,  ist  unzweifelhaft  unsere  innere  undulirende  Membran,  die  an  der  Dorsalwand  des 
Schlundes  befestigt  ist.  Besonders  ersichtlich  ist  es  aus  den  beigefügten  Figuren  (44;  Taf.  XIX,  Fig.  23 
und  24  d),  wo  dieselbe  nicht  am  rechten  Mundrande,  sondern  in  der  Ventralansicht  in  der  Mitte  des  Mundes 
und  in  der  Profilansicht  tief  im  Schlünde  gezeichnet  wird.  Auch  bin  ich  nicht  mit  der  Gestalt  der  Mimd- 
öffnung,  wie  sie  von  Maupas  beschrieben  wird  fvorn  breiter,  als  hinten)  einverstanden,  da  nach  meinen 
Beobachtungen  gerade  das  Gegentheil  sich  herausgestellt  hat. 

12.   Glaucoma  pyriformis.    Ehrbg.  spec. 

Maupas  44;  pag,  4(51—465,  Taf.  XIX,  Fig.  25—27. 
Fabre-Domergue  32;  pag.  132—133,  Taf.  V,  Fig.  69—70. 
ßütschli  10;  pag.  1377. 

Synon.:  Leucophrys  pyriformis.    Ehrenberg  27;  pag.  312 — 313,  Taf.  XXXII,  Fig.  4. 
?  „  carnium.    Ehrenberg  27;  pag.  313,  Taf.  XXXII,  Fig.  5. 

Trichoda  pura.    Ehrenberg  27;  pag.  307,  Taf.  A'XXI,  Fig.  11. 
„  pyrum.     Dujardin  24;  pag.  397 — 398. 

carnium.     Perty  50;  pag.  149,  Taf.  YII,  Fig.  2. 
?  Acomia  costata.     Dujardin  24;  pag.  384,  Taf.  XI, "Fig.  2. 

?  Colpoda  parvifrons.     Claparede  u.  Lachmann  13;  pag.  270—271,  Taf  XIV,  Fig.  3. 
Colpidium  putrinum.     Stokes  65;  pag.  103,  Taf,  I,  Fig;  11. 

Taf.  IV.     Fig.  54-55. 

Diese  Art  imterscheidet  sich  von  G.  scintillans  durch  die  allgemeine  Körpergestalt,  sowie  durch  die 
Lage  und  den  Bau  des  Mundes  und  Schlundes.  Die  übrigen  Organisationsverhältnisse  —  die  Bewimperung,  Kör- 
perstreifung,  Ectoplasma,  Eutoplasma,  After,  contractile  Vacuole  und  Nucleus  sind  vollkommen  dieselben,  wie 
bei  Gl.  scintillans.  Demnach  werde  ich  bei  der  Beschreibung  nur  die  Verhältnisse  berücksichtigen,  welche 
Unterschiede  darbieten. 

Sehr  kleine  bis  mittelgrosse  Thiere  (im  allgemeinen  kleiner  als  die  vorhergehende  Art)  von  0,038 — 
0,08  mm  Länge  und  0,024—0,05  mm  Breite. 

Körper  oval,  eiförmig,  hinten  abgerundet,  vorne  zugespitzt  und  dorso-ventral  etwas  abgeplattet.  Das 
Vorderende  ist  etwas  auf  die  Ventralfläche  umgebogen  (Fig.  54)  und  nach  hinten  schwach  abgestutzt.  Auf 
dieser  abgestutzten  Fläche  befindet  sich  der  Mund  (o);  er  ist  bedeutend  weiter  vorne  gelegen,  als  bei  Gl. 
scintillans,  und  zwar  im  vorderen  Körperviertel. 


36 

Mundöffnung  (o)  oval,  vorn  unbedeutend  verengt  und  in  der  Längsrichtung  des  Körpers  ge- 
legen. Die  Bugen  der  Längsstreifen,  welche  vorn  um  den  Mund  herambiegen,  sind  steiler  als  bei  der  vorigen 
Art.  Der  linke,  vordere  und  rechte  Mundrand  wird  von  einer  continuirlichen  äusseren  Membran  (m) 
eingefasst,  welche  sich  nur  auf  die  vordere  Hälfte  des  linken  Mundrandes  (1.  ov.)  erstreckt.  Im  ausgespannten 
Zustande  erscheint  sie  gleicfhalls  haubenartig,  zeigt  aber  eine  grössere  Differenz  in  der  Grösse  ihrer  beiden 
Seitenhälften:  die  linke  Seitenhälfte  ist  sehr  schmal  und  erweitert  sich  schwach  nach  vorne,  dagegen  ist 
die  rechte  sehr  breit  und  lappenartig  ausgezogen,  sodass  sie  wie  eine  Klappe  erscheint.  Der  Schlund  (oe) 
ist  nicht  so  stark  ausgehöhlt  wie  bei  Gl.  scintillans  und  bildet  dorsalwärts  eine  seichte  Vertiefung.  Längs 
der  Medianlinie  seiner  Dorsalwand  ist  die  innere  undulirende  Membran  (m.  i.)  befestigt.  Dieselbe 
ist  ziemlich  lang  und  läuft  in  eine  Spitze  aus;  ihr  oberer  Rand  ist  mehr  oder  weniger  convex,  der 
untere  dagegen  concav.  Im  allgemeinen  erscheint  sie  zipfel-  oder  zungenförmig  und  ragt  weit  aus  der  Mund- 
öffnung heraus.      Sie  ist  deutlich  längsgestreift  und  kann  sich  zuweilen  in  Längsfalten  zusammenlegen. 

Die  Bewegungen,  welche  man  an  den  Membranen  gewahrt,  ebenso  wie  die  allgemeinen  Körperbewegungen 
entsprechen  vollkommen  jenen,  die  ich  bei  G.  scintillans  geschildert  habe.  Die  Art  der  Ernährung, 
sowie  die  ganze  Lebensweise  bieten  auch  nichts  Eigenthümliches.  Man  könnte  nur  hinzufügen,  dass  G.  pyri- 
formis  weniger  häufig  als  die  andere  Art  ist,  obgleich  sie  ebenfalls  zu  den  gemeinsten  und  verbreitetsten 
Lifusorien  gehört. 

Gl.  pvriformis  wurde  von  Maupas  (44)  genauer  studirt.  Er  erwähnt,  dass  das  Ectoplasma 
(pag.  402)  einen  stäbchenartigen  Bau  besässe,  was  demnach  unserer  Alveolarschicht  entsprechen  würde, 
wovon  ich  mich  aber  leider  nicht  überzeugen  konnte.  Der  Verlauf  der  Körperstreifen  wurde  insofern  nicht 
richtig  angegeben,  da  sie  Maupas  einfach  vom  vorderen  nach  dem  hinteren  Körperpole  hinziehen  lässt, 
ohne  zu  erwähnen,  dass  sie  auf  der  Ventralfläche  um  den  Mund  bogenartig  herumbiegen.  Es  ist  aber  sehr 
wahrscheinlich,  dass  Maupas  denselben  Köriierstreifenverlauf  wie  ich  gesehen  und  darauf  nicht  genauer  geachtet 
hat.  Es  genügt,  die  eine  seiner  Abbildungen  (Taf.  XIV,  Fig.  27),  welche  eine  linksseitige  Ansicht  des 
vorderen  Körperendes  darstellt,  mit  der  entsprechenden  meinigen  (Taf.  XIX,  Fig.  54)  zu  vergleichen.  Mit  den 
undulirenden  Membranen  liegt  derselbe  Falle  wi  bei  der  vorigen  Art  vor.  Nur  entspricht  hier  die  rechte 
undulirende  Membran  Maupas'  unserer  rechten  Seitenhälfte  der  äusseren  Membran,  dagegen  die  linke  unserer 
inneren  undulirenden  Membran.  Die  kleine  linke  Seitenhälfte  der  äusseren  undulirenden  Membran  übersah 
Maupas  wahrscheinlich.  Ferner  Hegt  der  After  entschieden  nicht  auf  der  Dorsal-,  sondern  auf  der  Ventral- 
fläche des  Körpers. 


13.    Glaucoma  macrostoma.  nov.  spec. 

Taf.  IV.    Fig.  56. 

Sehr  kleine  bis  kleine  Thiere  von  0,0.3—0,05  mm  Länge  und  0,018  —  0,028  mm  Breite. 

Diese  Art  unterscheidet  sich,  wie  schon  ihr  Name  sagt,  von  den  beiden  vorherbeschriebenen 
durch  einen  verhältnissmässig  grösseren  Mund  und  Schlund.  Besonders  zeichnet  sich  der  letztere  durch  Grösse 
aus,   da  er  fast  ein  Drittel  der  Körperlänge  einnimmt;    auch   zeigen  die  undulirenden  Membranen  ein  eigen- 


• 37       

tliümliches  Verhalten.  Die  Art  bleibt  bedeutend  kleiner,  als  die  beiden  anderen  und  stimmt  sonst,  abgesehen 
vün  der  Lage  der  contractilen  Yacuole,  mit  ihnen  vollkommen  überein. 

Körper  oval,  an  beiden  Enden  gleichmässig  abgerundet  imd  dorso-ventral  schwach  abgeplattet.  Die 
Mundöffnung  (o)  ist  sehr  gross  i'/i  der  Körperlänge)  und  liegt  in  der  Mitte  der  vorderen  Hälfte  der 
Ventralfläche.  Sie  ist  längsgerichtet  und  nierenförmig ,  mit  einem  convex  vorspringenden  linken  Rande. 
Die  Körperstreifen  sind  sehr  fein  und  biegen  auf  der  Ventralseite  um  den  Mund  bogenartig  herum.  Vom 
Munde  entspringt  ein  langer,  breiter  und  tiefer  Schlund  (oe),  welcher  etwas  nach  links  gekrümmt  ist  und  sich 
gegen  das  Hinterende  verengt.  In  ihm  sind  zwei  undulirende  Membranen  befestigt,  welche  klappenartig 
aus  dem  Munde  hervorstehen.  Die  eine  kleinere,  linke  (m.  1.)  beginnt  am  vorderen  Muudrande  und  zieht  an 
der  linken  Seite  der  Schlunduandung  hinab,  erhöht  sich  unbedeutend  nach  hinten  und  hört  kurz  hinter 
dem  Hinterrande  der  Mundöfinung  auf;  ihr  freier  Rand  ist  demnach  von  vorn  nach  hinten  ein  concav  con- 
vexer.  Die  rechte  undulirende  Membran  (m.  r.j  ist  an  der  rechten  Seite  der  Schlundwand  befestigt  und 
übertrifft  die  linke  an  Länge  und  Höhe.  Sie  beginnt  ebenfalls  am  vorderen  Mundrande,  bildet  eine  klappen- 
artige Hervorstülpung,  wird  weiter  nach  hinten  niedriger  und  zieht  bis  an  das  hintere  Schlundende  hinab; 
ihr  freier  Eand  wäre  also  ein  convex  cuncaver.  Beide  Membranen  sind  deutlich  quergestreift,  wobei  die  rechte 
eine  gröbere  Streifung  aufweist.  Würde  man  sie  mit  den  Membranen  der  zwei  andern  Glaucomaarten 
vergleichen,  so  wäre  die  linke  mit  der  äusseren,  die  rechte  dagegen  mit  der  inneren  zu  homologisiren. 

Ich  halte  für  überflüssig,  auf  die  übrigen  Organisationsverhältnisse  einzugehen,  da  sie  mit  denen  der 
l)eideii  anderen  Arten  vollkommen  übereinstimmen.  Eine  kleine  Verschiedenheit  bietet  nur  die  contractile 
Vacuole  (c.  v.);  sie  hegt  nicht  am  hinteren  Körperende  des  Thieres,  sondern  befindet  sich  in  der  Mitte, 
unweit  des  Schlundes  und  mündet  dorsalwärts  aus. 

In  ihrer  Lebensweise  bietet  G.  macrostoma  ebenfalls  nichts  Besonderes,  ist  aber  seltener  als  die 
beiden  vorigen  Arten. 

Es  ist  schwer  zu  entscheiden,  ob  diese  Art  bereits  von  früheren  Forschern,  wie  Ehrenberg, 
Dujardin  und  anderen  beobachtet  und  beschrieben  wurde;  wenigstens  sind  die  bezügUchen  Beschreibungen 
und  Abbildungen  zu  ungenügend,  als  dass  man  eine  Synonymie  aufzustellen  vermöchte. 


38 


14.  Frontonia  leucas.    Elubg.*) 

Ehreuberg  (Subgeuus  von  Bursaria)  27;  pag.  329,  Taf.  XXXIV,  Fig.  8. 
Claparfede  u.  Lachmaun  13;  pag.  259 — 260. 
Fromentel  34;  pag.  190. 

Bütschli  10;  pag.  1343,  1377,  1388,  1393,  1395,  1417,  1421,  1446,  1448,  1462,  1463,  1465,  Taf.  LXII,  Fig.  3a-c. 
Synon.:  Fr.  vernalis  Ehrenberg  27;  pag.  329,  Taf.  XXXIV,  Fig.  7. 

Bur.saria  leucas.  Allinann  2;  pag.  177—179,  Taf  X,  Fig.  11 — 18. 
Fanophrys  (Bursaria  leucas).    Dujardin  24;  pag.  494. 
,,  „  vernalis  „  24;  pag.  493. 

?  „  chrysalis  Dujardin  24;  pag.  492,  Taf.  XIV,  Fig.  7. 

Cyrtostomum  leucas.  Stein  59;  pag.  59;  auch  60,  pag.  63,  82  u.  87. 

Bütschli  8;  pag.  99,  Taf.  IX,  Fig.  18  u.  Taf.  XIII,  Fig  9—11. 
K:ent:38;  pag.  497,  Taf  XXVI,  Fig.  37. 
Fabre-Domergue  32;  pag.  13-18,  Taf.  II,  Fig.  16—21. 
Nassula  leucas;  Diesiug  22;  pag.  559—560. 
Ophryoglena  Panoplirys  Perty  50;  pag.  142,  Taf.  III,  Fig.  11. 

magna  Blaupas  44;  pag.  467—472,  Taf  XXI,  Fig.  9—12. 
Nassula  divisa  Alenitzin  1;  pag.  111 — 112,  Fig.  10—11. 

Taf.  IV.     Fig.  57—64. 

Mittelgrosse   bis  grosse  Thiere  vou  0,11 — 0,22  mm  Länge  und  0,05  —  0,1  mm  Breite. 

Körper  länglich,  cylin drisch,  vorne  breiter  als  hinten,  an  beiden  Polen  abgerundet  und  dorso-ventral 
abgeplattet.  Die  rechte  Körperseite  flach,  die  linke  dagegen  massig  gewölbt  und  im  vorderen  Körpertheile 
convex  vorspringend.    Mundöffnung  ventral  im  vorderen  Körperdrittel. 

Der  ganze  Körper  ist  von  massig  langen,  dünnen  und  sehr  dicht  neben  einander  stehenden  Cilien 
bedekt.  Dieselben  sind  in  Längsreihen  angeordnet  und  sitzen  auf  sehr  kleinen  Papillen  (Fig.  61),  welche 
in  ihrer  Gesammtheit  den  Anschein  einer  Längsstreifung  bedingen.  Die  Körperstreifen  verlaufen  meridional ; 
auf  der  Ventralfläche  umziehen  sie  den  Mund  und  stossen  in  der  Vorderregion  des  Körpers,  also  vor  dem 
Munde,  winklig  auf  einander. 

Das  Ectoplasma  (Fig.  57  er,  Fig.  61  h.)  ist  dünn  und  anscheinend  homogen;  nach  aussen  wird 
es  durch  eine  zarte  Pellicula  begrenzt.  Unmittelbar  unter  dem  Ectoplasma  bemerkt  man  eine  radiär  ge- 
baute Schicht  von  Corticalplasma  (Fig.  61  c.  p.),  welches  das  erstere  an  Dicke  bedeutend  übertriflt.  In 
dieser  Schicht  sind  die  Trichocysten  (Fig.  57  und  61  tr.  und  Fig.  62)  eingelagert.  Dieselben  erscheinen 
stark  lichtbrechend,  besitzen  im  unausgeschnellten  Zustande  eine  spindelförmige  Gestalt  (Fig.  62  A.)  und 
stehen  senkrecht  zur  Körperoberfläche.  Werden  sie  ausgeschnellt  (beim  Abtödten  des  Thieres  mit  l^/o  Es- 
sigsäure), so  erscheinen  sie  sehr  lang  (um  das  zehnfache  länger),  haarförmig,  in  der  Mitte  etwas  verdickt 
und  am  vorderen  Ende  hakenförmig  umgebogen  (Fig.  62  B). 

Das  Entoplasma  (Fig.  61  en)  ist  feinkörnig,  wabig,  flüssig  und  in  fortwährender,  ziemlich  leb- 
hafter Circulation  begriffen. 


*)  Leider  konnte  die  austührliche  Schilderung,  welche  Balbiani  vor  Kurzem  gab  (s.  Eecherches  experim.  sur  la 
mörotomie  des  infusoires  cili^s.  I.  Partie.  Recueil  zoologique  de  la  suisse  T.  V.  1888),  nicht  mehr  benutzt  werden,  da  sie 
erst  nach  Ablieferung  des  Manuscripts  erschien.     Balbiani's  Darstellung  der  Jlund-  mid  Schlundverhältnisse  weicht  sehr  be- 

Bütschli. 


39       

Die  Mundnffnung  (Fig.  57  und  öS  o)  liegt  auf  der  Ventralfläche  in  der  Tiefe  einer  ziemlich  compli- 
cirt  gebauten  Mundhöhle  oder  eines  Peristoius.  Dasselbe  (Fig.  57—59)  ist  länglich  oval,  nach  vorne  zugespitzt 
und  nach  hinten  gerade  abgestutzt.  Es  bildet  im  vorderen  Körperdrittel  eine  seichte  Vertiefung,  die  allmählich 
von  vorn  rechts  nach  hinten  links  in  den  Körper  geht,  wobei  der  linke  (Fig.  59  1.  Pr.),  sowie  der  untere 
Peristomrand  steil  abfallen.  Diese  Vertiefung  setzt  sich  am  unteren  Peristomrande  in  eine  kleine  sackartige 
Höhle  (oe)  fort,  welche  nach  der  Analogie  mit  den  nahe  verwandten  Gattungen  Glaucoma  und  Colpidium 
als  Schlund  zu  bezeichnen  wäre.  An  der  rechten  Seite  setzt  sich  das  Peristom  in  eine  schmale  und  nicht 
tiefe  Furche  fort,  welche  sich  nach  hinten  schwach  verengt  und  bis  zum  hinteren  Körperdrittel  reicht.  In 
der  Furche  und  im  Peristome  selbst  stehen  vier  Reihen  von  Cilien,  welche  folgenden  Verlauf  besitzen:  die 
erste  Cilienreihe  (wri),  beginnt  am  hinteren  Ende  der  Furche,  zieht  an  ihrem  rechten  Rande  und  später  am 
rechten  Peristomrande  nach  vorne  und  reicht  bis  an  die  vordere  Peristomspitze;  die  zweite  (wr2)  verläuft  in 
der  Tiefe  der  Furche  parallel  der  ersten,  biegt  aber  im  vorderen  Peristomende  nach  links  herum  und  ver- 
läuft eine  kurze  Strecke  parallel  dem  hnken  Peristomrande;  die  dritte  Cilienreihe  (wrs)  beginnt  ebenfalls  am 
hinteren  Ende  der  Furche  und  zieht  an  ihrem  linken  Rande  nach  vorne,  wo  sie  im  vorderen  Peristomende 
nach  links  umbiegt,  parallel  dem  linken  Peristomrande  verläuft  und  bis  in  den  Schlund  hinunterzieht;  endlich 
die  vierte  Cilienreihe  (wri)  beginnt  erst  im  Peristome,  unweit  der  Stelle,  wo  der  hintere  Peristomrand  in  den 
linken  Rand  der  Furche  übergeht,  zieht  nach  vorne,  macht  eine  Umbiegung  und  steigt  nach  hinten  ab, 
wobei  sie  ebenfalls,  wie  die  dritte  Cihenreihe,  bis  an  das  Schlundende  reicht.  Die  Cihen,  welche  diese 
i  Reihen  bilden,  sind  kürzer  als  die  Körpercilien,  jedoch  stärker  und  stehen  so  dicht  neben  einander,  dass 
es  scheint,  als  ob  sie  auf  einer  Leiste  stünden.  Es  ist  nicht  gerade  unmöglich,  dass  ein  solches  Gebilde 
vorhanden  ist,  welches  etwa  durch  Verschmelzung  der  nahe  stehenden  Cilienpapillen  entstanden  wäre.  Ausser 
den  vier  Cilienreihen  befindet  sich  am  Peristome  noch  eine  undulirende  Membran  (m),  welche  an  seinem 
linken  und  hinteren  Rande  befestigt  ist  und  eine  dreieckige  Form  besitzt.  Die  Membran  ist  deuthch  quer- 
gestreift, dabei  ziemlich  dick  und  zeigt  im  optischen  Längsschnitte  (Fig.  60  A  und  B)  sehr  interessante  Ver- 
hältnisse. Betrachtet  man  sie  von  ihrem  freien  Rande,  so  zeigt  sie  bei  hoher  Einstellung  (Fig.  60  A)  eine 
ziemlich  verworrene  Zeichnung,  bei  tiefer  Einstellung  erscheint  sie  dagegen  deuthch  fein  längsgestreift,  wobei 
zwischen  diesen  Längsstreifen  noch  sehr  zarte  Verbindungsfädchen  zu  sehen  sind.  Diese  Erscheinung  wäre 
derart  zu  erklären,  dass  die  Membran  durch  Verklebung  oder  Verschmelzung  mehrerer  dicht  nebeneinander 
stehender  Ciüenreihen  entstanden  sei.  An  ihrem  freien  Rande  kann  sich  die  Membran  wieder  in  einzelne 
Cilien  auflösen,  was  auch  die  Verworrenheit  der  Zeichnung  bei  hoher  Einstellung  (Fig.  60  A)  bedingt. 

Der  After  (Fig.  57  und  58  a)  liegt  ventral  im  hinteren  Körperdrittel  und  zwar  am  hinteren  Ende 
der  Furche,  welche  vom   Peristom  entspringt.     Er  ist  nur  während  der  Nahruugsausstossung  wahrnehmbar. 

Die  contractile  Vacuole  (Fig.  57,  58  und  61  c.  v.)  liegt  in  der  Mittelregion  des  Körpers  und 
zwar  in  seiner  rechten  Hälfte;  sie  mündet  durch  einen  leicht  wahrnehmbaren  Porus  (Fig.  57  und  61  p.  e.) 
auf  der  Dorsalfläche  nach  aussen.  Der  Excretionsporus  liegt  zwischen  zwei  Längsstreifen  und  setzt  sich  in 
einen  kurzen  Kanal  (Fig.  61)  fort,  an  dessen  Ende  die  contractile  Vacuole  stets  gebildet  wird.  Dieselbe  ist 
während  der  ganzen  Diastole  gegen  den  ausführenden  Kanal  durch  eine  dünne  Plasmaschicht  abgeschlossen, 
welche  bei  der  Systole  durchreisst,  wobei  der  Inhalt  der  Vacuole  durch  den  Kanal  und  Excretionsporus  nach 
aussen  befördert  wird.     Die  contractile  Vacuole  ist  von  besonderen  zuführenden  Kanälen  (Fig.  57  e.  c.  v.)  um- 


40        

geben,  welche  mir  bei  ausgehungerten  (von  Nahrungskörpern  befreiten)  Exemplaren  mit  Deutlichkeit  wahrzu- 
nehmen sind.  Dieselben  stehen  radiär  zur  contractilen  Vacuole,  sind  sehr  lang  und  schmal  und  besitzen 
einen  geschlängelten  Verlauf.  Am  deuthchsten  erscheinen  sie  kurz  vor  der  Systole,  nach  welcher  ihr  Inhalt 
zusammenfliesst  um  eine  neue  Vacuole  zu  bilden.    Sie  verlaufen  unmittelbar  unter  der  Corticalplasmaschicht. 

Der  Makronucleus  (Fig.  57,  58  und  63  N)  ist  ziemlich  gross,  länglich  ellipsoidal  und  besitzt  einen 
netzigen  Bau.  An  isohrten  und  fixirten  Kernen  bemerkt  man  eine  deutlich  begrenzte  Kernhülle  und  in  den 
Knotenpunkten  des  Netzwerks  einzelne  kleine  stark  lichtbrechende  Körperchen.  Er  wird  stets  von  1  bis 
mehreren  anliegenden  Mikronuclei  (ncl)  begleitet.  Dieselben  sind  länglich,  ellipsoidal  und  lassen  im 
fixirten  und  gefärbten  Zustande,  ausser  der  Hülle,  noch  zwei  Abschnitte  unterscheiden:  einen  kürzeren, 
homogenen,  achromatischen  und  einen  längeren,  streifigen,  chromatischen  Abschnitt.  Die  Lage  des  Kernes 
ist  ziemUch  wechselnd ,  weil  er  von  der  Plasmacirculation  im  Körper  umhergeführt  wird ;  jedoch  ist  er  meist 
in  der  hinteren  Körperhälfte  anzutreffen. 

Bei  einigen  Exemplaren  fanden  sich  im  Corticalplasma  oder  zuweilen  sogar  im  Entoplasma  noch 
zahlreiche  grüne  Körper  (Fig.  587)  eingelagert,  welche  den  Thieren  eine  grüne  Färbung  verliehen.  Dieselben 
erwiesen  sich  nach  der  Untersuchung  als  selbständige  Organismen,  die  zuerst  von  Brandt  unter  dem 
Namen  Zoochlorella  Conductrix  (5;  pag.  24  und  6;  pag.  151,  Taf.  I,  Fig.  4 — 5  und  16—25)  be- 
schrieben werden.  Diese  Zoochlorellen  lassen  sich  durch  Zerquetschen  der  Frontonien  sehr  leicht  iso- 
liren  und  zeigen  dann  folgenden  Bau.  Es  sind  sehr  kleine  (0,004 — 0,005  mm  im  Durchmesser),  rundliche 
Zellen,  die  vom  hyahuen  Protoplasma  erfüllt  sind,  in  welches  ein  kleiner,  rundlicher,  mit  Haematoxylin 
färbbarer  Kern  (Fig.  64  N)  eingelagert  ist;  ausserdem  enthalten  sie  noch  eine  grosse  durch  Chlorophyll  grün 
gefärbte  Chromatophorplatte,  welche  muldenförmig  gestaltet  ist  (Fig.  64  A  u.  B).  Die  isolirten  Zoochlorellen 
Hessen  sich  im  hängenden  Tropfen  cnltiviren  (gegen  20  Tage),  und  vermehrten  sich  dabei  lebhaft  durch 
Theilung,  welcher  die  Zweitheilung  des  Kerns  und  des  Chromatophors  (Fig.  64  1)  immer  voranging.  Auf 
diese  Weise  wurde  die  Selbständigkeit  dieser  Algen  auch  für  Front onia  leucas  nachgewiesen.  Ja  es  gelang 
mir  sogar  einmal  ein  chlorophylloses  Exemplar  mit  Zoochlorellen  zu  iuficiren,  indem  ich  zu  mehreren  isolirten 
Exemplaren  einige  chlorophyllhaltige  zerdrückte  Thiere  hinzusetzte,  worauf  eines  der  Thiere  am  folgenden 
Tage  mehrere  Zoochlorellen  enthielt,  die  sich  im  Verlauf  von  ein  paar  Tagen  so  stark  vermehrten,  dass 
das  Thier  vollkommen  grün  erschien. 

Diese  Art  der  Symbiose  wurde  von  Brandt  (6;  pag.  147)  als  Vergesellschaftung  von  Algen  mit 
Thieren  bezeichnet,  indem  er  behauptete,  dass  die  Thiere,  welche  genügende  Mengen  von  Zoochlorellen  ent- 
hielten, sich  vermöge  derselben  wie  echte  Pflanzen  ernährten  und  dass  demnach  die  Algen  nur  in  morphu- 
logischer  Hinsicht  als  Parasiten  aufzufassen  sind,  wogegen  in  phj^siologischer  Hinsicht  die  Algen  beher- 
bergenden Thiere,  gewissermassen  als  Parasiten  erscheinen.  Diese  Behauptung  möchte  ich.  wenigstens 
für  Frontonia  leucas,  bezweifeln,  weil  die  grün  gefärbten  Exemplare  sich  ebenso  wie  die  farblosen  ernährten 
und  in  allen  Exemplaren  gefi'essene  Diatomeen  anzutreflen  waren. 

Durch  die  oben  beschriebenen  Culturversuche  der  Zoochlorellen  und  die  Infection  farbloser 
Exemplare  mit  denselben  wäre  ferner  der  Beweis  geliefert,  dass  die  von  Elirenberg  (27:  pag.  329)  als 
Bursaria  (Frontonia)  leucas  und  vernalis  und  von  Dujardin  (24:  pag.  493 — 494)  als  Panophrys 
(Bursaria)    leucas    und    vernalis    beschriebenen   Arten     identisch    sind    und    dass    das    Vorhandensein 


41 

oder  Fehlen  der  Zoochlorellen  nicht  zur  Unterscheidung  der  Arten  dienen  Ivann,  worauf  übrigens  schon 
viele  Forscher  hinwiesen.  Auf  die  Identität  dieser  beiden  Arten  wurde  schon  seinerzeit  von  Claparrde 
und  Lachmann  (13;  pag.  260)  hingewiesen;   später  vertrat  sie  Entz  (28;  pag.  647)  mit  Bestimmtheit. 

Frontonia  leucas  gehört  niclit  zu  den  selteneren  Infusorien,  wurde  jedoch  von  mir  blos  2  oder 
3  mal,  aber  immer  in  grösserer  Menge  angetroffen.  Sie  hält  sich  meist  am  Boden  der  Infusionen  zwischen 
Algen  auf  und  schwimmt  sehr  lebhaft  umher,  immer  mit  dem  Vorderende  voran,  beständig  rotirend.  Der 
Körper  ist  elastisch  und  formbeständig:  die  Farbe  ist  weisshch  grau,  kann  aber  infolge  der  stark  licht- 
brechenden, dunklen  Körperehen,  welche  zuweilen  in  grosser  Menge  im  Entoplasma  vorkommen,  einen  dunkleren, 
ja  sogar  schwärzlichen  Ton  annehmen.  Die  Exemplare,  welche  Zoochlorellen  enthalten,  erscheinen  bei  schwachen 
^'e^grösserungeu  vollkommen  grün. 

Frontonia  leucas  ernährt  sich  mit  grosser  Vorhebe  von  Diatomeen;  sie  ist  sehr  gefrässig,  sodass 
der  Körper  wegen  der  in  grosser  Quantität  aufgenommenen  Nahrung  ganz  undurchsichtig  erscheinen  kann. 
Es  ist  desshalb  rathsam,  solche  Exemplare  einige  Zeit  in  reinem  Wasser  zu  isohren,  da  man  an  ge- 
hungerten Exemplaren  die  Orgauisationsverhältnisse ,  namentlich  den  Bau  des  Mundes  und  Schlundes,  besser 
studiren  kann. 

Frontonia  leucas  wurde  zuerst  von  Ehrenberg  beschrieben.  Stein  (59;  pag.  59  und  60;  pag.  63) 
glaubte  ihre  Verwandtschaft  mit  Nassula  nachgewiesen  zu  haben  und  errichtete  für  sie  eine  besondere  Gattung 
Cyrtostomum,  unter  welchem  Namen  sie  auch  von  anderen  Forschern  beschrieben  wurde.  Desgleichen 
errichtete  auch  Duj ardin  (24;  pag.  491 — 492)  die  Gattung  Panophrjs  für  solche  Bursarien,  welche  einer 
stärkeren  adoralen  Wimperzone  entbehren,  und  zog  unsere  Form  zu  derselben.  Da  aber  der  Gattungsname 
Frontonia  der  älteste  ist,  so  halten  wir  für  gerathen,  ihn  beizubehalten.  Von  anderen  Forschern 
(Perty  50,  Maupas  44)  wurde  sie  mit  der  nahe  verwandten  Gattung  Ophryoglena  vereint  und  von  Ale- 
nitzin  (1)  sogar  mit  Nassula  verwechselt.  Alle  Beschreibungen,  mit  Ausnahme  der  von  Maupas,  sind 
recht  mangelhaft  und  beziehen  sich  nur  auf  gröbere  Organisationsverhältnisse. 

Maupas  erkannte  die  undulirende  Membran  am  Peristom,  verfiel  aber  in  einen  Irrthum  in  Betreff  des 
Schlundes,  indem  er  die  Furche,  welclie  nach  hhiten  vom  Munde  zieht  und  die  von  Alenitzin  schon  als 
solche  erkannt  wurde ,  für  den  Schlund  hielt.  Ferner  verkannte  er  die  4  Cilienreiheu,  welche  in  der 
Furche  und  im  Peristome  verlaufen,  und  hielt  die  optischen  Durchschnitte  der  Cilien  für  Trichocysten,  wo- 
gegen sie  von  Alenitzin  für  zahnartige  Gebilde  gehalten  wurden.  Jedoch  erwähnt  Maupas  (44;  pag.  649), 
dass  auch  am  rechten  Peristomrande  ein  Flimmerorgan  vorhanden  wäre,  welches  aber  bedeutend  weniger 
entwickelt  und  schwerer  zu  sehen  sei,  als  das  am  linken  Peristomrande  befestigte,  so  dass  er  mit  Sicherheit 
nicht  sagen  konnte,  ob  es  eine  Membran  oder  Cilien  wären.  Diese  4  Cilienreiheu  sind  auch  neuerdings  von 
Fabre-Domergue  (32;  pag.  15)  verkannt  worden,  indem  er  die  Cihen  am  rechten  Peristomrande  als 
Stäbchen  deutete ,  welche  in"s  Entoplasma  eingesenkt  sein  sollen.  Die  Lage  des  Afters  wird  richtig  ange- 
geben. Der  Bau  des  Ectoplasma's  differirt  von  meiner  Auffassung;  ferner  sollen  nach  Fabre-Domergue 
(32;  pag.  17  —  18i  die  zuführenden  Kanäle  der  contractilen  Vacuolen  unter  einander  anastomisiren,  was  ich 
nicht  beobachten  konnte  und  entschieden  bestreiten  möchte.  Der  Verlauf  der  Körperstreifen  wurde  von  den 
früheren  Forschern  nicht  festgestellt. 

Bibliotheca  zooloRiea.    Heft  5.  Q 


15.  Colpidium  Colpoda.    Ehrbg.  sp. 

Stein  Gl;  pag.  47  uud  62;  jmg.  158  und  160. 

ßütschli  8;  pag.  100-102,  Taf.  IX,  Fig.  7—11,  Taf.  X,  Fig.  26-28  auch  10;  pag.  1291,  1345,  1377,  1395,  1417, 

Taf.  LXII,  Fig.  6a -b. 
Maupas  44;  pag.  459-460,  Taf.  XIX,  Fig.  30—31. 

Synon:  Colpidium  cucuUus.     Kent  38;  pag.  537-538,  Taf.  XXVII,  Fig.  49. 
Colpidium  striatum.     Stokes  65;  pag.  103—104,  Taf.  I,  Fig.  12. 
Colpoda  Een.    O.  F.  Müller  48;  pag.  107,  Taf.  XV,  Fig.  20—22. 

„  „        Perty  50;  pag.  145,  Taf.  V,  Fig.  7. 

Kolpoda  cucullus.     Dujardin  etc.  24;  pag.  479—481,  Taf.  IV,  Fig.  29. 
Paramaecium  Colpoda.     Ehrenberg  27;  pag.  352,  Taf  XXXIX,  Fig.  9. 
Paramaecium  cucullio.     Quennerstedt  52;  pag.  18—19;  Taf.  I,  Fig.  17—18. 
Plagiopyla  nasuta.     Kent  38;  pag.  538,  Taf.  XXVII,  Fig.  50  und  51  ('?). 
Glaucoma  pyriformi-s.     Gourret  et  Roeser  35;  pag.  513—514,  Taf.  XXXIV,  Fig.  6. 
Tillina  campyla.     Stokes  65;  pag.  101—102,  Taf.  I,  Fig.  8. 

Taf.  V,  Fig.  05-68. 

Mittelgrosse  Thiere  von  0,09 — 0,12  min  Länge  und  0,05 — 0,08  mm  Breite. 

Körper  oval,  eiförmig,  hinten  breiter  als  vorne  und  dorso- ventral  scliwacii  abgeplattet.  Das  vordere 
Körperende  von  rechts  nach  links  tordirt  und  kappenartig  auf  die  Ventraltläche  herübergebogen.  Auf  der 
Ventralfläche  unterhalb  des  herübergebogenen  Vorderendes  befindet  sich  eine  breite  seichte  Vertiefung,  iu 
welcher  der  Mund  (o)  liegt. 

Der  ganze  Körper  ist  von  ziemlich  langen  und  dünnen  Cilien  gleichmässig  hedeckt.  Die  Zahl 
derselben  (siehe  Anhang)  beträgt  bei  einem  0,096  mm  langen  und  0,06  mm  breiten  Individuum  annähernd 
2.300.  Die  Cilien  stehen  in  Längsreihen  auf  kleinen  Papillen ,  welche  in  ihrer  Gesammtheit  die 
Streifung  bedingen.  Dieselbe  zeigt  einen  recht  eigenthümlichen  Verlauf.  Die  Streifen  der  rechten  Körper- 
seite (Fig.  65)  biegen  vor  dem  Mund  nach  links,  steigen  schief  nach  vorn  auf  und  umziehen  auf  diese 
Weise  bogenartig  den  vorderen  Mundrand.  Sie  stossen  mit  den  linksseitigen  Streifen,  welche  meridional  ver- 
laufen und  nur  in  der  vordersten  Körperregion  nach  rechts  umbiegen,  in  einer  Linie  zusammen,  die  auf  der 
Ventraltläche  vom  vorderen  Mundrande  schief  nach  vorn  und  links  aufsteigt.  Dieser  Streifenverlauf  ist 
dadurch  zu  erklären,  dass  der  vordere  (vor  dem  Mund  gelegene)  Körperabschnitt  eine  Torsion  von  rechts 
nach  links  erfahren  hat  und  somit  die  Zusammenstossungslinie,  welche  ursprünglich  vom  vorderen  Mundrande 
gerade  zum  Vorderende  lief  (wie  bei  den  meisten  Formen  mit  ventral  gelegenem  Munde,  z.  B.  Glaucoma, 
Uronema),  auf  die  linke  Seite  geschoben  wurde  und  eine  schiefe  Lage  erhielt.  Betrachtet  man  das  Thier 
von  der  Ventralfläche  (Fig.  66),  so  sieht  man,  dass  die  median  verlaufenden  Streifen  auf  den  hinteren  und 
rechten  Mundrand  stossen ,  die  seitlich  vom  Munde  gelegenen  dagegen  auf  das  kappenartig  herübergebogene 
vordere  Körperende.  Letztere  Erscheinung  wird  dadurch  vorgetäuscht,  dass  das  Vorderende  des  Körpers  in 
der  geschilderten  Weise  auf  die  Ventralfläche  herübergebogen  ist  und  somit  die  Zusammenstossungsstelle  der 
Streifen,  welche  vor  dem  Munde  auf  der  unteren  Fläche  der  Kappe  liegt,  verdeckt  wird.  Stellt  man 
aber  das  Thier  so,  dass  man  in  die  vor  dem  Munde  gelegene  Einsenkung  hineinsehen  kann,  so  fällt 
es  nicht  schwer,  sich  zu  überzeugen,  dass  die  seitlich  vom  Munde  gelegenen  Streifen  in  einander  über- 
gehen und  den  Vorderrand  des  Mundes  bogenartig  umziehen. 


1 


43       

Am  Ectoplasma  unterscheidet  man  eine  deutliche  Alveolarschicht  (al).  deren  äusserste  Grenze 
eine  zarte  Pellicula  (p)  bildet. 

Das  Entoplasma  ist  grobmaschig-netzig  und  feingekörnt.  Es  enthält  zahlreiche  Nahrungsvacuolen 
(n.  V.)  und  grosse  rundliche,  stark  lichtbrechende  Körperchen. 

In  der  vorderen  Körperregion  und  zwar  auf  der  rechten  Haltte  der  Ventralfläche  beiludet  sich  eine 
seichte,  buchtenartig  von  links  nach  rechts  hineinragende  Vertiefung  (Fig.  66),  an  deren  linkem  Eande  die 
Mund  Öffnung  liegt.  Letztere  ist  länglich  oval  und  zieht  von  rechts  vorn  nach  links  hinten  schief  zur 
Längsachse  des  Thieres;  nach  rechts  vorn  ist  sie  erweitert,  nach  links  hinten  verengt  und  unbedeutend  nach 
vorn  umgebogen.  Ihr  linker  Rand  (1.  orj  ist  convex,  der  rechte  (r.  or.)  dagegen  concav.  An  dem 
ganzen  Mundrande,  ausgenommen  den  hintersten,  verengten  Theil,  zieht  eine  continuirhche  undulirende 
Membran  (m).  Dieselbe  ist  nicht  so  breit  wie  bei  Glaucoma  scintillans,  sondern  bildet  einen  ver- 
hältnissmässig  schmalen  aber  dicken  Saum,  welcher  lippenartig  erscheint  und  sich  fortwährend  bewegt. 

Der  Schlund  (oe)  ist  massig  lang  und  schwach  gebogen.  Au  der  Mundöffnung  ist  er  lireit 
und  tief,  verengt  sich  aber  hinter  derselben  und  geht  zuerst  ventral-  und  dann  dorsalwärts  nach  links  und 
hinten.  An  der  Dorsalseite  ist  er  stark  ausgehöhlt  (Fig.  65),  (besonders  in  der  Gegend  der  Mundöffnung) 
und  mit  einer  undulir enden  (inneren)  Membran  (m.  i.)  versehen.  Dieselbe  ist  ziemlich  gross  und  steht 
aus  der  Mundöffnung  klappenartig  hervor;  nach  hinten  wird  sie  allmählich  niedriger  und  zieht  bis  in  das 
hinterste  Ende  des  Schlundes.  Ihre  Gesammtgestalt  ist  die  eines  sphärischen  Dreiecks  und  nimmt  die 
Mittelstufe  zwischen  den  inneren  Membranen  der  Glaucoma  scintillans  und  pyriformis  ein.  Die 
Membran  ist  deutlich  quergestreift  und  wird  sehr  schnell  in  einer  Wellenlinie  bewegt. 

Der  After  (a)  liegt  zwischen  zwei  Längsstreifen  im  hinteren  Körperende  median  auf  der  Ventral- 
fiäche.  Die  contractile  Vacuole  (c.  v.)  findet  sich  ebenfalls  im  hinteren  Körperende,  aber  bedeutend  mehr 
nach  vorn  wie  der  After  und  mündet  gleichfalls  zwischen  zwei  Längsstreifen  auf  der  DorsaMäche  nach  aussen. 

Der  Makronucleus  (Nj  ist  ziemlich  gross,  schwach  nierenförmig.  Er  liegt  central  oder  etwas 
subcentral  und  wird  von  einem  ovalen  Mikronucleus  (ncl)  begleitet,  welcher  gewöhnlich  der  concaven 
Fläche  anliegt.  Im  lebenden  Zustande  zeigt  der  Makronucleus  einen  undeutUchen  netzigen  oder  eher  körnigen 
Bau,  fixirt  erscheint  er  (Fig.  68)  feinnetzig,  mit  kleinen,  stark  lichtbrechenden  Inhaltskörperchen  und 
von  einer  Membran  umgeben.  Der  Mikronucleus  lässt  ausser  der  Membran  noch  eine  deutliche  DifFeren- 
zirung  in  einen  streifigen,  chromatischen  und  einen  homogenen,  achromatischen  Abschnitt  unterscheiden. 

Colpidium  Colpoda  gehört  zweifellos  zu  den  gemeinsten  Infusorien,  da  man  es  fast  in  jeder  In- 
fusion in  grossen  Schaaren  finden  kann.  Sein  Körper  ist  elastisch  und  farblos.  Mittels  der  langen  und 
feinen  Cilien  schwimmt  es  ziemlich  lebhaft  umher,  wobei  es  sich  fortwährend  um  seine  Längsachse  dreht. 
Zuweilen  bleibt  es  einige  Augenblicke  an  einem  Platze  stehen  und  rotirt  dabei  schwach.  Die  un- 
dulirenden  Membranen  schlagen  unaufhörlich  und  strudeln  die  Nahrung  ein,  welche  aus  Bacterien  besteht. 
Die  Bildung  der  Nahrungsvacuolen  (n.  v.)  und  die  Verdauung  geschieht  genau  so,  wie  es  bei  Glaucoma  ge- 
schildert wurde. 

Aus  der  zahlreichen  Sjnouymie,  die  ich  oben  angeführt  habe,  ist  es  zu  ersehen,  dass  Colpidium 
Colpoda  von  vielen  Forschern   mit  anderen  Formen,   so  z.  B.  mit  Colpoda  cucullus,   öfters  verwechselt 

6* 


44 

wurde.  Ehrenberg  beschrieb  es  unter  dem  Namen  Paramaecium  Colpoda  (27;  pag.  352)  und  bildete 
den  Verlauf  der  linksseitigen  Körperstreifen  ziemlich  richtig  ab  (Taf.  XXXIX,  Fig.  9).  Stein,  welcher  zuerst  eine 
undulirende  Membran  (innere)  im  Schlünde  erkannte,  erhob  die  Art  deshalb  zu  einer  eigenen  Gattung 
Colpidium  (61;  pag.  47).  In  der  letzten  Zeit  wurde  es  wieder  von  Maupas  besonders  auf  die  Muud- 
und  Schlundverhältnisse  untersucht.  Maupas  (44;  pag.  459—400)  fand  zwei  unduUrende  Membranen, 
welche  er  im  Schlünde  längs  der  beiden  Mundränder  hinziehen  lässt  und  von  denen  die  rechte  (Taf.  XIX, 
Fig.  30  und  31  «)  beträchtlich  länger  als  die  linke  (c)  sein  soll.  Die  rechte  Membran  entspricht  zweifellos 
derjenigen,  welche  schon  von  Stein  gesehen  wurde  und  demnach  auch  unserer  inneren  unduHrenden  Membran 
(Fig.  65  und  65  m  ii.  Was  die  linke  anbetrifft,  so  entspricht  sie  unserer  äusseren  undulirenden  Membran, 
nur  ist  sie  nicht  an  der  Schlundwand  befestigt,  wie  es  Maupas  behauptet,  sondern  fast  am  ganzen  Mund- 
rande ,  wie  ich  es  oben  schon  beschrieben  habe.  Der  Bau  des  Ectoplasmas  wurde  nicht  berücksichtigt. 
Die  Körperstreifen  bildet  Maupas  (Fig.  30)  entschieden  unrichtig  ab,  insofern  er  die  Längsstreifen 
meridional  verlaufen  lässt  und  die  characteristische  Umbiegung  nicht  andeutet. 


16.  Uronema  marina.    Duj. 

Dujardin  'Ii;  pag.  392,  Taf.  VII,  Fig.  13. 

Quenuerstedt  53;  pag.  17 — 18,  Fig.  7. 

Co  hu  20;  pag.  275-27G,  Taf.  XV,  Fig.  53. 

Kent  38;  pag.  546,  Taf.  XXVII,  Fig.  60-61. 

Bütschli  10;  pag.  1345,  1351,  1417,  Taf.  LXIV,  Fig.  la-b. 

Synon:  Enchelys  triquetra.    Dujardin  24;  pag.  390,  Taf.  VII,  Fig.  4. 
corrugata.  „  24;  pag.  390,  Taf.  VII,  Fig.  11. 

?  Cryptochilum  griseolum.     Maupas  44;  pag.  451 — 453,  Taf.  XIX,  Fig.  28—29. 
?Philastei-  digitiformis.     Fabre-Domergue  31;  pag.  554—556,  Taf.  XXVIII,  Fig.  1—2. 

Taf.  V.     Fig.  69—71. 

Sehr  kleine  bis  kleine  Thiere  von  0,03—0,06  mm  Länge  und  0,014—0,028  mm  Breite. 

Körper  länglich,  ellipsoidal ,  vorne  etwas  schmäler  als  hinten  und  seitlich  unbedeutend  abge- 
plattet.    Die  Mundöflnung  (o)  im  vorderen  Körperdrittel  gelegen. 

Der  ganze  Körper  ist  von  verhältnissmässig  langen  und  dünnen  Cilien  bedeckt,  welche  am  vorderen 
Körpertheile  bedeutend  dichter  stehen  als  am  hinteren.  Sie  sind  auf  kleinen  Papillen  eingepflanzt,  die 
in  Längsreihen  angeordnet  sind  und  somit  die  Körperstreifung  bedingen.  Die  Körperstreifen  verlaufen  ganz 
ebenso  wie  bei  Glaucoma,  indem  die  ventralen  vor  dem  Mimde  zusammenstossen  und  den  vorderen  Mund- 
rand bogenartig  umziehen,  die  übrigen  dagegen  meridional  ziehen.  Am  äussersten  Hinterende  ist  eine 
lange  Fühlborste  (b)  befestigt,  welche  jedoch  durchaus  nicht  steif  erscheint  und  eigentlich  als  Fühlwimper 
zu  bezeichnen  wäre. 

Das  Ectoplasma  (ek)  ist  sehr  dünn  und  anscheinend  homogen.  Das  Entoplasma  fein  gekörnt 
und  von  zahlreichen  Nahrungsvacuolen  (n.  v.)  und  stark  lichtbrechenden  Körpercheii  erfüllt.  Die  letzteren 
sind  meistens  im  hinteren  Körperende  stärker  angehäuft,  so  dass  dasselbe  bei  schwachen  Vergrösserungen 
undurchsichtig  und  fast  schwarz  ist. 


45       

Die  Mundöffnung  (o)  ist  länglich-oval,  aut  der  Ventralfläche  gelegen.  An  ihrem  linken  Rande 
ist  eine  ziemlich  grosse,  klappenartige  undulirende  Membran  (m)  befestigt,  welche  sich  fortwährend  be- 
wegt. Dieselbe  ist  deutlich  quergestreift;  ja  es  scheint  sogar,  als  ob  sie  aus  einzelnen  untereinander  ver- 
klebten Cilien  bestehe.  Am  rechten  Mundrande  (Fig.  71  r.  or.)  stehen  einzelne  Cilien,  welche  die  Körpercilien 
an  Grösse  nicht  übertreffen,  aber  dichter  gestellt  sind.     Ein  besonderer  Schlund  ist  nicht  vorhanden. 

Der  After  (a)  liegt  am  hinteren  Körperende  auf  der  Ventralfläche  unweit  der  Fühlborste.  In  seiner 
unmittelbaren  Nähe  iindet  sich  auch  die  contractile  Vacuole  (c.  v). 

Der  Makronucleus  (N),  begleitet  von  einem  dicht  anliegenden  Mikronucleus  (ncl),  liegt  Inder 
Mitte  des  Körpers.     Er  ist  kugelig  und  besitzt  einen  feinnetzigen  Bau. 

ü.  mar  in  a  gehört  nicht  zu  den  verbreitetsten  Infusorien,  obgleich  es  ziemlich  häufig,  besonders  in 
faulenden  Infusionen  anzutreften  ist.  Es  schwimmt  sehr  rasch  unter  Rotation  umher,  wobei  die  feinen  Cihen 
pendelartig  bewegt  werden  und  das  Vorderende  stets  voran  geht.  Auch  die  Fühlborste  kann  Bewegungen 
ausführen,  namenthch  wenn  das  Thier  eine  andere  Richtung  einschlägt.  Ihr  Hauptzweck  scheint  aber  darin 
zu  bestehen,  die  Thiere  vor  einem  Angriffe  zu  warnen,  denn  sobald  irgend  ein  Infusor  die  Fühlborste  berührt, 
eilt  Uronema  pfeilschnell  davon.     Die  Nahnmg  besteht  aus  Bacterien. 

Der  Körper  ist  farblos  und  elastisch.     Bei  der  gelindesten  Pression  zerfliessen  die  Thiere  sofort. 

Dujardin,  welcher  die  Gattung  Uronema  aufstellte  (24;  Fig.  392)  hielt  die  Form  für  mundlos. 
Cohn  fand  die  Mundöifnung  auf  der  Bauchseite  (20;  pag.  27.5)  und  bestimmte  ihre  Lage  ziemlich  richtig, 
ohne  jedoch  die  undulirende  Membran  zu  erkennen.  Letztere  wurde  von  Kent  irrthümlich  sackartig  abge- 
bildet (38;  Taf.  XXVII,  Fig.  61),  indem  er  wahrscheinhch  die  am  rechten  Mundrande  stehenden  Cihen  für  die 
Fortsetzung  der  Membran  hielt. 

Wie  Bütschli  halte  ich  für  sehr  wahrscheinlich,  dass  die  Gattungen  Cryptochilum  Maupas 
und  Philaster  Fahre  Domergue  mit  Uronema  identisch  sind,  weil  die  in  der  Beschreibung  angeführten 
Merkmale  jenen  der  Uronema  entsprechen. 


17.  Urozona  Bütschlii  nov.  gen.  et  spec. 

Bütschli  10;  pag.  1285,  1347,  1417,  Taf.  LXIV,  Fig.  17. 

Taf  VI.     Fig.  72. 

Sehr  kleine  Form  von  0,03—0,04  mm  Länge  und  0,018—0,022  mm  Breite. 

Körper  nahezu  cylindrisch,  an  beiden  Enden  abgerundet,  nach  vorne  etwas  verschmälert,  nach 
hinten  kugehg  erweitert,  so  dass  die  Gesammtgestalt  an  eine  Eichel  erinnert.  Die  Mnndöflnung  (o)  in 
der  Mitte  des  Körpers  gelegen. 

Die  Bewimperung  ist  auf  die  Mittelregion  des  Körpers  reducirt.  Die  Cilien  sind  sehr  lang  und  fein 
und   stehen   äusserst    dicht  neben   einander.     Sie  sind  in  Längsreihen  angeordnet  und  stehen  auf  besonderen 


46       

Papillen,  was  namentlich  auf  dem  optischen  Längsschnitte  deutlich  zu  sehen  ist.  Die  Cilieupapillen  erheben 
sich  ziemlich  beträchtlich  und  stehen  sehr  dicht  aneinander,  so  dass  sie  schwach  erhobene  Längsrippen 
vortäuschen.  Das  vordere  und  hintere  Körperdrittel  erscheinen  vollkommen  glatt  und  der  Körper  wird  auf 
diese  Weise  von  einem  förmlichen  Wimpergürtel  imigeben. 

Am  hinteren  Körperende  entspringt  eine  lange  und  steife  Fflhlborste  (b).  Dieselbe  steht 
seitlich  auf  der  Ventralfläche  und  winklig  zur  Längsachse  des  Thieres.  Ihrer  Lage  und  Gestalt  nach  erinnert 
sie  an  die  Fühlborste  der  Urotricha  farcta. 

Das  Ectoplasma  (ek)  ist  sehr  dünn  und  anscheinend  homogen,  eine  Pellicula  ist  kaum  wahr- 
nehmbar. Das  Entoplasma  ist  äusserst  feinkörnig  und  enthält  kleine  Nahrungsvacuolen  und  zahlreiche 
stark  lichtbrechende  Körnchen. 

Die  Mundöffnung  (o)  liegt  in  der  Mitte  des  Körpers,  von  vorn  rechts  nach  hinten  links  schief  zur 
Längsachse  des  Thieres.  Sie  ist  länglich  oval:  nach  vorne  etwas  verengt,  nach  hinten  unbedeutend 
erweitert.  Ihr  linker,  vorderer  und  rechter  Rand  wird  von  einer  schmalen,  aber  dicken  undulirenden 
Membran  umzogen,  welche  an  die  Verhältnisse,  die  wir  bei  Colpidium  fanden,  erinnert.  Vom  Munde 
entspringt  ein  kurzer  röhrenförmiger,  gleichfalls  schief  nach  hinten  links  ziehender  Schlund  (oe).  An  seiner 
Dorsalseite  bemerkt  man  eine  furtwährende  Flimmerung;  jedoch  fällt  es  bei  der  ungemeinen  Kleinheit  des 
Thieres  schwer  zu  entscheiden,  ob  diese  Flimmerung  von  einer  feinen  Cilienreihe  oder  einer  undulirenden 
Membran  herrührt. 

Der  After  (a)  hegt  ventral,  am  Hinterende  des  Körpers  unweit  der  Ansatzstelle  der  Fühlborste.  Li 
seiner  unmittelbaren  Nähe  befindet  sich  auch  die  contractu e  Vacuole  (c.  v.). 

Der  Makronucleus  (N)  ist  kugelig  und  liegt  ebenfalls  im  hinteren  Körperdrittel,  aber  auf  der 
entgegengesetzten  Seite  wie  die  Fühlborste  und  der  After  —  also  dorsalwärts.  Er  besitzt  einen  feinnetzigen 
Bau  imd   wird  stets  von  einem  kleinen,   ovalen,  dicht  anliegenden  streifigen  Mikronucleus  (uclj  begleitet. 

Dieses  Thierchen  gehört  nicht  zu  den  verbreitetsten  Lifusorien:  ich  fand  es  zwei  oder  dreimal  in 
Wässern  von  verschiedenen  Fundorten.  Es  war  immer  in  nicht  allzu  grosser  Menge  vorhanden.  Es 
lebt  zwischen  den  Algen  und  hält  sich  gern  da  auf,  wo  viele  Bacterien  vorhanden  sind:  auch  verabscheut 
es  in  Fäulniss  begriffene  Infusionen  nicht. 

Es  schwimmt  sehr  lebhaft  umher  unter  fortwährender  Rotation,  wobei  das  Vorderende  meist  voran- 
geht. Es  kann  sich  rttck-ivärts  bewegen,  jedoch  meist  auf  kurze  Strecken  und  nicht  so  schnell  wie  in  der 
entgegengesetzten  Richtung.  Zuweilen  bleibt  es  einige  Zeit  auf  einem  Platze  liegen  und  wälzt  sich  dann 
langsam  um  die  Längsachse.  Darauf  fährt  es  plötzUch  auf  und  schwimmt  schnell  davon.  Wegen  der  schiefen 
Stellung  der  langen  Fühlborste  wird  dem  Thiere  bei  den  Rotationsbewegungen  die  Möglichkeit  geboten,  sein 
Tastvermögen  selbst  auf  weit  entfernte  Gegenstände  zu  erstrecken.  Man  überzeugt  sich  leicht  von  der 
Function  dieses  Gebildes,  namentlich  wenn  irgend  ein  Infusorium  in  die  Nähe  geräth. 

Die  undulirende  Membran  am  Munde  und  die  Wimperreihe  im  Schlünde  sind  in  fortwährender  Be- 
wegimg begriften  und  ermöglichen  die  Aufnahme  der  Nahrung.  Dieselbe  besteht  aus  Bacterien,  welche 
ebenso  wie  bei  Glaucoma  und  Colpidium  den  Inhalt  der  Nahrungsvacuolen  (n.  v.)  bilden. 


47        

Der  K'irper  ist  elastisch  und  furmbeständig ;  er  erscheint  durchsichtig  und  farblos,  besitzt  aber  zu- 
weilen einen  grauen  Ton. 

Die  beschriebenen  Organisationsverhältnisse,  besonders  die  Reduction  der  Bewimperung  auf  einen  mitt- 
leren Wimpergürtel,  sind  so  eigenartig,  dass  wir  diese  Ciliate  in  keine  der  bekannten  Gattungen  unter- 
bringen können  und  desshalb  eine  neue  errichten.  Infolge  der  characteristischen  mittleren  Wimperzone 
könnte  man  sie  Trichozona  nennen;  da  sie  aber  einerseits  zu  ürocentrum,  welches  ebenfalls  einen  mittleren 
und  ausserdem  noch  einen  hinteren  Wimpergürtel  besitzt,  andrerseits  wegen  des  unbewimperten  Hinterendes 
und  der  schiefgestellten  Fflhlborste  an  Urotricha  farcta  erinnert,  und  jedenfalls  auch  mit  Uronema 
näher  verwandt  ist  so  zog  ich  den  von  Prof.  Bütschli  vorgeschlagenen  Namen  Urozona  vor. 

üb  das  Thier  von  älteren  Forschern  bereits  beobachtet  wurde,  ist  schwer  zu  entscheiden;  die 
Beschreibungen  und  Abbildungen  der  zweifelhaften  Formen  von  Ehrenberg  (27),  Perty  (50)  und  anderen 
sind  zu  mangelhaft,  als  dass  man  an  eine  Identität  mit  Urozona  denken  könnte. 

Was  schliesslich  die  sj'stematische  Stellung  der  Urozona  betrifft,  so  wäre  sie  infolge  der  lippenartigen 
undulirenden  Membran  in  die  nächste  Nähe  von  (!'olpidium  zu  bringen  und  mit  ihm  und  anderen  Formen 
zu  einer  Familie  zu  vereinigen. 


18.  Cinetochilum  margaritaceum.     Ehrbg.  spec. 

Perty  50;  pag.  148,  Taf  V,  Fig.  1-2. 

Diesing  23;  pag.  71  —  72. 

Stein  62;  pag.  109. 

Wrzesniowski  68;  pag.  487. 

Bütschli  10;  pag.  1347,  1376-77,  1459,  Taf.  LXIV,  Fig.  42  a— b 

Synon:  Cyclidium  margaritaceum.    Ehren  berg  27;  pag.  246,  Taf.  XXII,  Fig.  2. 

Glaucoma  ,,  Claparüde  und  Lachmann  13;  pag.  278,  Taf.  XIV,  Fig.  4. 

„  „  Wrzesnioswki  66;   pag.  335,  Taf.  IX,  Fig.  9. 

Ken t  38;  pag.  796,  Taf.  XLV,  Fig,  30. 
?Coccudina  crystallina.    Perty  50;  pag  158,  Taf.  V,  Fig.  1;^. 
Aspidisca  costata  etc.    Kent  38;  pag.  794—795.  Anmerk.,  Taf.  XLV,  Fig  27. 

Taf.  VI.     Fig.  73-75. 

Sehr  kleine  Thiere  von  0,0.3—0,044  mm  Länge,  0,024—03  mm  Breite  und  0,01  —  0,012  mm  Dicke. 

Körper  Scheiben-  oder  linsenförmig,  biconvex  und  dorso-ventral  stark  comprimirt.  Vorne  abge- 
rundet, hinten  quer  nach  links  ausgehöhlt  und  an  den  Ecken  (namentlich  an  der  rechten)  abgerundet ;  die 
rechte  Seite  grösser  und  stärker  gewölbt  als  die  linke.  Der  Rücken  ziemlich  stark  gewölbt,  die  Bauchseite 
dagegen  mehr  oder  weniger  flach  und  am  hinteren  Ende  näher  zur  rechten  Seite  ausgehöhlt.  In  dieser 
peristomartigen  Aushöhlung  liegt  vorne  der  Mund. 

Der  ganze  Körper  wird  von  feinen,  massig  langen  Cilien  bedeckt,  welche  auf  der  Ventralfläche  be- 
deutend dichter  stehen  als  auf  der  Dorsalfläche.  Die  Cilien  sind  auf  kleinen  Papillen  eingepflanzt,  welche 
in  Längsreihen  in  den  Cilienfurchen  stehen.  Letztere  bedingen  die  Körperstreifung  und  sind  auf  der  Dorsal- 
Häche  breiter   als    auf   der  Ventralfläche.      Zwischen    ihnen    liegen    die    gewölbten  Rippenstreifen.     Dieselben 


48       

tragen  auf  der  Dorsal  fläche  ncicli  eine  besondere  Zeichnung,  indem  man  da  Knotenpunkte  bemerken  kann, 
von  welchen  zarte,  sich  verästelnde  Fädchen  zu  den  Cilienfurchen  ausgehen.  Letztere  ziehen  auf  der  rechten 
Seite  der  Ventralfläche  bogenartig  um  die  peristomartige  Aushöhlung  und  begeben  sich  nach  hinten ,  so 
dass  der  Körper  auf  der  rechten  Seite  und  der  Ventralfläche  von  bogenartig  umbiegenden  Längsstreifen  durch- 
zogen wird ,  wogegen  er  auf  der  linken  und  Dorsalseite  einfach  längsgestreift  erscheint.  Am  hinteren  Ende  des 
Körpers  und  zwar  an  der  rechten  Seite  unmittelbar  an  der  Ecke  der  hinteren  Aushöhlung  sind  2 — 3  ver- 
schieden lange  Borsten  (1)  eingepflanzt.  Ebenso  stehen  auch  an  der  anderen  Ecke  der  Aushöhlung,  also 
am  hinteren  Ende  der  linken  Körperseite,  1 — 2  Borsten,  welche  aber  kleiner  als  die  vorhergehenden  sind. 

Das  Ectoplasma  (ek)  ist  sehr  dünn  und  anscheinend  homogen;  das  Entoplasma  sehr  grobkörnig: 
die  eingelagerten  Körnchen  sind  stark  lichtbrechend  und  verleihen  dem  Thiere  ein  glänzendes,  perlmutter- 
ähnliches Aussehen,  welches  auch  den  Speciesnamen  margaritaceum  veranlasst  hat. 

Der  Mund  (o)  liegt  am  vorderen  Ende  der  peristomartigen  Aushöhlung,  welche  frei  von  Cilien  ist. 
Die  Mundöflhung  ist  etwa  birnförmig,  vorne  verengt  und  nach  hinten  erweitert.  Von  ihr  entspringt 
ein  sehr  flacher,  sackartiger  Schlund,  an  dessen  Dorsalwand  zwei  undulirende  Membranen  be- 
festigt sind.  Die  eine  grössere  (m.  r.)  ist  bandförmig  und  näher  am  rechten  Mundrande  befestigt.  Nur 
die  vordere  Hälfte  dieser  Membran  ist  an  die  Schlundwand  festgewachsen,  das  untere  Ende  ist  frei  und 
kann  entweder  aus  der  Mundöfinung  heraushängen  und  lappenartig  bewegt  oder  aber  in  den  Schlund 
zurückgezogen  werden  und  legt  sich  dann  bogenförmig  parallel  dem  unteren  und  linken  Mundrande  um.  Die 
andere  undulirende  Membran  (m.  1.)  ist  bedeutend  länger  und  näher  am  linken  Mundrande  gelegen.  Sie 
scheint  nur  mit  ihrem  vordersten  Ende  an  der  Schlundwandung  befestigt  zu  sein,  ist  deutlich  längsgestreift 
und  am  unteren  Ende  faserartig  zerschlitzt.  Ich  muss  es  überhaupt  dahingestellt  sein  lassen,  ob  dieses 
Gebilde  eine- wirkliche  undulirende  Membran  oder  ein  dichtes  Cilienbüudel  ist,  welches  am  vorderen  Ende  des 
Schlundes  entspringt.  Wegen  der  Kleinheit  der  Thiere  konnte  diese  Frage  nicht  sicher  entschie- 
den werden. 

Der  After  (a)  liegt  ventral  am  hintersten  Ende  des  Peristoms  und  in  uimiittelbarer  Nähe 
der  grossen  Borsten.  Die  contractile  Vacuole  (c.  v.)  liegt  gleichfalls  im  Hintertheil  des  Körpers 
und  zwar  näher  zur  linken  Ecke  der  hinteren  Aushöhlung;  sie  mündet  dorsal wärts  nach  aussen  unweit  der 
linken  Borsten. 

Der  Makronucleus  (X)  liegt  central  oder  etwas  subcentral  in  der  linken  Körperregion  und  ist 
kugelig  oder  etwas  ellipsoidal.  Er  besitzt  einen  deutlich  netzigen  Bau  und  wird  stets  von  einem  kugeligen, 
homogenen  Mikronucleus  (ncl)  begleitet. 

C.  margaritaceum  ist  sehr  verbreitet  und  fast  in  jeder  faulenden  Flüssigkeit  in  ziemlich  grosser 
Menge  anzutreffen.     Es  hält  sich  meist  zwischen  verwesenden  Algen  auf. 

Seine  Bewegungen  sind  sehr  verschieden ;  am  häufigsten  schwimmt  es  lebhaft  umher ,  sich 
fortwährend  um  die  Längsachse  drehend.  Bei  Mangel  an  Raum,  wenn  es  z.  B.  zwischen  Algen  geräth. 
tummelt  es  sich  langsam  herum  und  wälzt  sich  von  der  einen  Seite  auf  die  andere:  auch  kann  es 
an  den  Algen  herumklettern,  wobei  es  sich  stets  auf  der  Bauchseite  bewegt.  An  einem  Platze  bleibt  es 
selten  ruhig  stehen,    kann  sich  aber  kreiselartig  an  einem  Orte  drelien    und    zuweilen    sogar    kleine  Sprünge 


49       

machen.     Ihre  Nahrung  scheint  ausschliesshch  aus  kleinen  einzelligen  Algen  zu  bestehen.     Der  Körper  ist 
formbeständig,  elastisch  und  farblos. 

Cinetochilum  margaritaceum  beschrieb  zuerst  Ehrenberg  unter  dem  Kamen  Cyclidium  mar- 
garitaceum  (27;  pag.  246)  und  erkannte  den  Verlauf  der  Körperstreifen  auf  der  Dorsalfläche  ganz  richtig. 
Perty  (50;  pag.  148)  fand  am  Munde  eine  zitternde  Klappe  (imsere  rechte  undulirende  Membran)  und 
errichtete  aus  diesem  Grunde  die  Gattung  Cinetochilum.  Claparede  und  Lachmann  (13;  pag.  278) 
beobachteten  die  zweite  undulirende  Membran  (imsere  linke),  schilderten  aber  deren  Lage  und  Bau  nicht 
näher.  Ferner  entdeckten  sie  die  peristomartige  Aushöhlung  auf  der  Yentralfläche  und  erkannten  die  Längs- 
streifen vollkommen  richtig  als  Furchen.  Die  Zahl  der  Borsten  wurde  von  den  früheren  Forschern  nicht 
richtig  beobachtet,  indem  Claparede  und  Lachmann  nur  eine  angeben,  Wrzesniowski  (66;  pag.  335) 
dagegen  zwei:  Kent  (38;  pag.  794—795  Anm.)  fand  bei  einigen  Exemplaren  3  Borsten.  Er  hielt  diese 
Art,  ohne  jeden  genügenden  Grund  für  Entwicklungszustände  von  Aspidisca  costata.  Ebenso  ist  es 
unrichtig,  dass  die  Dorsalfläche  unbewimpert  ist,  wie  Wrzesniowski  (68:  pag.  487)  gesehen  zu  haben 
glaubte.    After  und  Kern  wurden  von  den  früheren  Forschern  nicht  beobachtet. 

19.  Urocentrum  turbo.    0.  F.  Müller  spec. 

Nitzsch  49;  pag.  68. 

Ebrenberg  27;  pag.  2(58,  Taf.  XXIV,  Fig.  7. 
Diijardin  24;  pag.  531 — 532. 
Perty  50;  pag.  141. 

Claparfede  und  Lachmann  13;  pag.  134 — 135. 
Stein  60;  pag.  73  auch  62;  pag.  148. 
Carter  11;  pag.  399-402. 
Fromentel  34;  pag.  156,  Taf.  XXIV,  Fig.  5. 
Maggi  43;  pag.  37 — 42. 

Kent  38;  pag.  641—643,  Taf.  XXXIII,  Fig.  7—10. 
Entz  29;  pag.  179—189,  Taf.  VIII,  Fig.  12—14. 

Bütschli   9;  pag.  90  auch  10;  pag.   1264,   1278,  1281    Fig.    11,  pag.   1329,  1417,  1421,  1445,  1447—48,  1459-60, 
Taf.  LXIV,  Fig.  15. 
Synon:  Cercaria  turbo.     O.  F.  Müller  48;  pag.  123—124,  Taf.  XVIII,  Fig.  13—16. 

Peridinium  Cypripedium.    James-Clark  14;  pag.  270—279,  Taf.  XII,  Fig.  1 — 7. 

Peridinopsis  „  ,,  15;  pag.  2 — 6. 

Calceolus  Cypripedium.     Diesiug  22;  pag.  379. 

„  „  Kent  38;  pag.  618-619,  Taf.  XXXII,  Fig.  23— 24. 

Taf.  VI,  Fig.  76—86. 

Mittelgrosse  Thiere  von  0,08-0,11  mm  Länge  und  0.064—0,09  mm  Breite. 

Körper  tonnenförmig  mit  breit  abgerundetem  Vorder-  und  Hinterende;  in  der  Mittelregion  ziemlich 
beträchtlich  eingeschnürt,  so  dass  man  einen  Vorder-  und  Hinterleib  unterscheiden  kann.  Diese  beiden 
Körperregionen  sind  bauchig  aufgetrieben  und  ungleich  gross;  der  Vorderleib  ist  gewöhnlich  stärker  aufgetrieben 
und  wird  vorne  durch  ein  schwach  gewölbtes  Stirnfeld  (vorderes  Polfeld)  abgeschlossen;  das  Hinterende 
ist  gleichmässig  abgerundet  und  etwas  eingebuchtet.  Auf  der  Bauchfläche  des  Hinterleibs  zieht  eine  seichte, 
nicht  besonders  breite  Längsfurche  (Fig.  76  F)  hin,  welche  am  Hinterende  beginnt  und  bis  zur  Mittelregion 
des  Körpers  reicht. 

Bibliotheca  zoologica.     Heft  5.  7 


50       

Die  Körperbewimperung  ist  lieine  allseitige  und  gleichmässige ,  sondern  auf  drei  verschieden  breite 
Wimpergfirtel  reducirt.  Fast  in  der  Mitte  des  Körpers  verläuft  ein  schmaler,  rinnenfürmiger  Gürtel  (m.  W.), 
welcher  mit  kleinen  Cilien  bedeckt  ist.  In  diesem  Gürtel,  genau  da,  wo  er  die  beschriebene  Längsfurehe 
(F.)  kreuzt,  befindet  sich  die  Mundöft'nung  (o.),  welche  somit  in  der  Mitte  der  Ventralfläche  liegt.  Nach 
vorn  von  diesem  mittleren  oder  oralen  Gürtel  erstreckt  sich  der  vordere  und  breitere  Wimper- 
gürtel (V.  W.),  welcher  bis  zur  Grenze  des  vorderen  Polfeldes  reicht.  Der  hintere  und  schmälere 
Wimper gürtel  (H.  W.)  umzieht  den  bauchig  aufgetriebenen  Hinterleib  und  reicht  bis  an  das  Hinterende 
des  Körpers,  wobei  das  hintere  Polfeld  unbewimpert  ist;  dieser  Gürtel  wird  auf  der  Ventralfläche  durch  die 
Längsfurche  (F.)  unterbrochen. 

Die  Cilien  des  vorderen  und  hinteren  Gürtels  sind  ziemlich  lang  (0,015  mm)  und  fein.  Sie  sind 
auf  besonderen  kleinen  Papillen  (Fig.  77  cl.  p.)  eingepflanzt,  welche  gleichzeitig  nach  drei  verschiedenen 
Richtungen  in  Reihen  angeordnet  sind  und  somit  eine  gekreuzte  Streifung  der  Wimpergürtel  bedingen.  Be- 
trachtet man  nämlich  bei  starker  Vergrösserung  die  Körperoberfläche  im  Bereich  eines  der  beiden  Wimper- 
gürtel (Fig.  77),  so  gewahrt  man  zwei  StreifensA'steme,  welche  unter  einem  Winkel  von  60 "  schief  zur  Längs- 
achse des  Thieres,  das  eine  von  vorn  links  nach  hinten  rechts  und  das  andere  von  vorn  rechts  nach 
hinten  links  ziehen;  das  dritte  Streifensystem  (q.  s.)  verläuft  quer  oder  vielmehr  ringförmig  und  verbindet  die 
Kreuzungsstellen  der  Streifen  der  beiden  ersten  Systeme;  es  bildet  also  mit  ihnen  ebenfalls  einen  Winkel 
von  QO'^.  So  entstehen  kleine,  gleichseitige  Dreiecke,  in  deren  Winkeln  die  Cilienpapillen  (cl.  p.)  stehen,  und 
deren  Seiten  schwach  vorspringende  Plasmasäume  sind,  welche  die  stärker  hervorragenden  Cilienpapillen 
unter  einander  verbinden. 

Die  Cilien  des  mittleren  Wimpergürtels  sind  sehr  kurz  und  stehen  dicht  an  einander;  sie  ent- 
springen von  äusserst  kleinen  Papillen  (Fig.  80),  welche  in  der  Richtung  der  Längsachse  des  Thieres  in 
Reihen  augeordnet  sind  und  dem  Gürtel  ein  fein  längsgestreiftes  Aussehen  verleihen  (Fig.  76).  Ausser  diesen 
drei  Wimpergürteln  ist  noch  eine  Cilienreihe  vorhanden,  welche  am  rechten  Rande  der  Längsfurche  (Fig.  76 
und  80  F)  hinzieht.  Sie  besteht  aus  verhältnissmässig  langen  Cilien,  welche  nach  vorne  allmählich  kürzer 
werden.  Sie  beginnen  am  Hinterende  der  Furche  und  reichen  bis  zu  ihrem  vordersten  Ende,  wobei  sie 
den  rechten  und  vorderen  Rand  der  Mundöffnung  umziehen  und  sogar  in  letztere  hereinbiegen.  Diese 
Cihenreihe  würde  demnach  wohl  die  Rolle  einer  adoralen  Wimperzone  (Fig.  76  und  SO  ad  W.)  spielen.  Ihre 
Wimpern  sind  auf  kleinen  Papillen  eingepflanzt,  wesshalb  der  scharf  abgegrenzte  rechte  Furchenrand  gekerbt 
erscheint.  In  der  Bauchfurche,  jedoch  an  ihrem  linken  Rande  und  im  Bereiche  des  hinteren  Wimpergürtels 
ist  ein  langer  und  ziemlich  breiter,  griflelartiger  Schwanzanhang  (er)  befestigt,  der  am  Hinterende  des  Körpers 
frei  nach  aussen  hervorragt.  Dieser  Cirrensch wanz  ist  deutlich  längsgestreift  und  kann  sich  in  einzelne 
lange  Wimpern  zerfasern,  so  dass  er  als  ein  verklebter  Cilienbusch  zu  betrachten  wäre. 

Am  Ectoplasma  unterscheidet  man  eine  dünne  Alveolarschicht  (Fig.  76  und  78  oL),  deren  äusserste 
Grenze  eine  zarte  Pellicula(p)  bildet.  Das  Maschenwerk  der  Alveolarschicht  ist  anscheinend  dermassen  an- 
geordnet, dass  jeder  Cilienpapille  ein  Radiärbalken  entspricht;  wenigstens  überzeugt  man  sich  an  optischen 
Durchschnitten  des  Körperrandes  (Fig.  78)  leicht,  dass  unterhalb  jeder  Cilie  ein  Radiärstreifen  (Balken  des 
W^abenwerks)  der  Alveolarschicht  steht.  Demnach  ist  es  auch  sehr  möglich,  dass  die  Zeichnung,  welche 
man  bei  Oberflächenansicht  der  Wimpergürtel  gewahrt,  nicht  nur  durch  vorspringende  Plasmasäume  bedingt 


I 


51 

wird,  sondern  auch  die  darunter  ziehenden  Plasmamaschen  der  Alveolarschicht  zu  ihrer  Deuthchkeit  Lei- 
tragen. Bütschli  (10;  pag.  1281)  dagegen  möchte  sie  allein  auf  die  Anordnung  der  letzteren  zurückführen. 
Dicht  unterhalb  der  Alveolarschicht  befindet  sich  eine  bedeutend  dickere  Schicht  vom  Corticalplasma 
(Fig.  76  und  78  c.  p.),  welches  gleichfalls  einen  radiär  wabigen  Bau  hat,  nur  sind  die  Waben  (Fig.  79  B.) 
bedeutend  gröber.  In  dieser  Schicht  und  zwar  in  den  radiären  Kanten  des  Wabenwerks  sind  besondere 
trichocj'stenartige  Stäbchen  (t.  s)  eingelagert.  Dieselben  finden  sich  jedoch  keineswegs  bei  allen  In- 
dividuen und  werden  nie  ausgescbuellt.  Sie  sind  länglich,  stäbchenförmig,  in  ihrer  Mittelregion  wenig  ver- 
dickt und  stark  lichtbrechend ;  von  schwachen  Säuren  und  Alkalien  werden  sie  nicht  gelöst,  dagegen  ziemlich 
leicht  von  Pepsinlösungen  (siehe  oben  bei  Nassula),  sogar  bei  gewöhnhcher  Temperatur.  Obgleich  sie  mit 
den  gebräuchlichsten  Mitteln  nicht  zum  Ausschnellen  gebracht  werden  können,  so  kann  doch  ihre  Homologie 
mit  echten  Trichocysten  nicht  bezweifelt  werden.  Ihre  Function  bleibt  somit  unerwiesen,  es  liegt  aber  nahe 
zu  vermuthen,  dass  sie  zur  Stütze  des  Ectoplasmas  dienen  könnten. 

Das  Entoplasma  (en)  ist  ziemlich  grobwabig  und  feingekörnt  und  wird  von  zahlreichen  kleinen, 
rundlichen ,  stark  lichtbrechenden  Körperchen  erfüllt  (Fig.  78). 

Die  Mundöffnung  (Fig.  76  und  80  o.)  ist  ziemlich  gross  und  länglich,  vorn  etwas  erweitert,  nach 
hinten  verschmälert  und  etwas  schief,  von  vorn  rechts  nach  hinten  links  zur  Längsachse  des  Thieres  gerichtet. 
Der  vordere  Muudrand  liegt  auf  der  Grenze  zwischen  dem  vorderen  Wimpergürtel  und  dem  mittleren 
oder  oralen  Gürtel,  so  dass  die  vordere  Hälfte  der  Mundöffnung  in  den  Oralgürtel  fällt.  Die  Cilien  der 
adoralen  Zone  (ad.  W.),  welche  am  rechten  und  vorderen  Bande  der  Furche  stehen  und  in  die  Mundöft'nung 
einbiegen,  gehen  an  der  linken  Ecke  des  vorderen  Mundrandes  in  einen  langen  Wimperbüschel  (Fig.  80  \v.  b.i 
über,  welcher  frei  in  die  Mundöffuung  hineinhängt.  Vom  Munde  entspringt  ein  ziemlich  langer,  nach  hinten 
und  links  ziehender  Schlund  (Fig.  76  imd  80  ve.j,  der  allmählich  enger  wird.  Längs  seiner  dorsalen  Wand 
verläuft  ein  flimmerndes  Gebilde;  es  scheint  aus  einer  dünnen  plasmatischen  Leiste  zu  bestehen,  deren 
freier  Rand  sich  in  einzelne  Cilien  zerfasert.  Die  Vermuthung  liegt  nahe,  dieses  Organ  von  sehr  dicht 
aneinander  stehenden  Cilien  abzuleiten,  welche  an  ihrer  Basis  unter  einander  verschmolzen  und  so  einen 
membranartigen  Saum  zur  Ausbildung  brachten.  Das  Gebilde  erinnert  sehr  au  die  Membran,  welche  im 
Schlünde  von  Paramaecium  verläuft.  Ausserdem  zieht  noch  an  der  ventralen  Schlundwand  eine  Reihe 
sehr  kurzer  und  feiner  Cihen  hin,  welche  gleichfalls  bis  ans  Schlundende  reicht. 

Der  After  (Fig.  76  a.)  liegt  am  hinteren  Körperende  in  der  Ventralfurche  und  zwar  ihrem 
rechten  Rande  genähert;  er  ist  nur  während  der  Defaecation  sichtbar. 

Die  contractile  Vacuole  (Fig.  76  c.  v.  und  Fig.  81)  liegt  hinten  und  mündet  durch  einen  deut- 
lich begrenzten  Porus  (Fig.  76  und  81  p.  c.)  am  Hinterende  des  Körpers  nach  aussen.  Vom  Excretionsporus 
entspringt  ein  schmaler  Kanal,  welcher  durch  die  Alveolarschicht  und  das  Corticalplasma  zu  verfolgen  ist  und 
an  dessen  Ende  (also  auf  der  Grenze  von  Corticalschicht  und  Entoplasma)  die  contractile  Vacuole  stets 
gebildet  wird.  Dieselbe  wird  von  vier,  im  Kreuz  stehenden,  zuführenden  Kanälen  (Fig.  76  c.  cv.  und  Fig.  81 ) 
umgeben,  welche  unmittelbar  unter  dem  Corticali)lasma  nach  vorne  verlaufen  und  bis  zum  vorderen  Wimper- 
gürtel ziehen.  Sie  sind  sehr  dünn  und  schwellen  kurz  vor  der  Systole  an  dem  Vacuolenende  birnförmig  an. 
wobei  ihr  Inhalt  mit  dem  der  contractilen  Vacuole  nicht  communicirt.  Während  der  Systole,  welche  sehr 
rasch  erfolgt,  treten  die  vier  birnförmigen  Kanalenden  an  die  Stelle  der  sich  entleerenden  Vacuole  und  bilden 


4  Bildungsvacuolen,  die  bald  zu  einer  neuen  contractilen  Vacuole  zusammenschmelzen.  Dieselbe  ist  selbst- 
verständlicli  gegen  den  ausführenden  Kanal  durch  eine  dünne  Plasmaschicht  abgeschlossen.  Unterdessen 
werden  4  neue  Kanäle  ausgebildet ,  welche  während  der  Diastole  am  Yacuolenende  wieder  hirnartig 
anschwellen. 

Der  Makronucleus  (Fig.  76  X.  und  Fig.  82)  findet  sich  in  der  Region  des  hinteren  Wimper- 
gflrtels.  Ef  liegt  quer,  ist  in  der  Mitte  dünn  strangförmig  mit  keulenförmig  verdickten  Enden,  die  stets 
ventralwärts  umgebogen  sind,  so  dass  der  Kern  eine  nahezu  huteisenförmige  Gestalt  besitzt.  Sein  Bau 
ist  feinnetzig  und  besonders  deutlich  an  fixirten  und  tingirten  Kernen  sichtbar:  dann  ist  auch  eine  zarte 
Kernmembran  wahrzunehmen.  Ein  kleiner,  kugeliger  Mikronucleus  (ncl.)  liegt  dem  Kern  in  seiner  Mitte 
stets  an.  Ausser  einer  äusserst  dünnen  Kernmembran  lässt  der  Mikronucleus  noch  eine  Sonderung  seiner 
Substanz  in  eiiien  streifig-körnigen  chromatischen  und  einen  homogenen  achromatischen  Abschnitt  erkennen. 
Es  gelang  mehrere  Male  die  Theilung  dieses  Infusors  zu  verfolgen,  welche  nicht  uninteressant  verläuft.  Das 
betreffende  Individuum  streckt  sich  in  die  Länge  und  in  der  Mittellinie  zwischen  dem  vorderen  (Fig.  83 
Y.  W.)  imd  hinteren  (H.  W.)  "Wimpergürtel  entsteht  ein  dritter,  zunächst  sehr  schmaler  (Vi  Wi ) ,  welcher 
zum  vorderen  Wimpergürtel  des  hinteren  Sprösslings  wird.  Dieser  Wimpergürtel  nimmt  an  Breite 
allmählich  zu,  bis  er  dem  vorderen  gleich  wird  (Fig.  84  Vi  Wi).  Zu  dieser  Zeit  macht  sich  an  seinem 
hinteren  Rande  eine  seichte  Einschnürung  (oraler  Wimpergürtel)  bemerkbar,  in  welcher  kurze  Cilien  erscheinen 
und  ein  neuer  Mund  (oi)  angelegt  wird.  Letzterer  entsteht  in  der  verlängerten  Längsfurche  als  eine  kleine 
Oeffnung,  in  deren  Tiefe  eine  schief  gestellte  Cilienreihe  (dorsale  Schlundcilien)  zu  flimmern  beginnt.  Bald 
darauf  entsteht  auch  der  hintere  Wimperkranz  (Fig.  85  Hi  Wi)  für  den  vorderen  Sprössling.  Leider  vermag 
ich  nicht  mit  Gewissheit  zu  sagen,  ob  derselbe  zwischen  den  vorderen  Wimpergürteln  der  beiden  Sprösslinge 
(V.W.  und  Vi  Wi)  neu  angelegt  wird  oder  sich  vom  vorderen  Wimpergürtel  (Vi  Wi)  des  hinteren  Sprösslings 
abgliedert.  Jedoch  spricht  das,  was  ich  beobachtete,  mehr  für  das  erstere.  Sobald  nun  dieser  Wimperkranz 
(Hl  Wi)  angelegt  ist,  entsteht  in  seiner  Region,  am  linken  Rande  der  Furche  die  neue  Schwanz- 
cirre  für  den  vorderen  Sprössling.  Bald  darauf  verschwindet  der  Theil  der  Furche,  welcher  zwischen  dem 
hinteren  Wimpergürtel  (Hi  Wi)  des  vorderen  und  der  Mundöft'nung  (oi)  des  hinteren  Sprösslings  sich  erstreckt. 
Das  Thier  schnürt  sich  unmittelbar  hinter  dem  neu  entstandenen  hinteren  Wimpergürtel  des  vorderen 
Sprösslings  (Hi  Wi)  immer  stärker  ein,  bis  eine  Zweitheilung  an  dieser  Stelle  erfolgt.  Demnach  wurde  bei 
dem  vorderen  Sprössling  der  hintere  Wimperkranz  (Hi  Wi),  bei  dem  hinteren  der  vordere  Wimperkranz 
(Vi  Wi)  neu  gebildet.  Nicht  uninteressant  sind  auch  die  Veränderungen,  welche  während  der  beschriebenen 
Processe  am  Kerne  wahrzunehmen  sind.  Sobald  nämlich  der  neue  vordere  Wimpergürtel  (Fig.  83  Vi  Wi) 
hervortritt,  ballt  sich  der  Makronucleus  (N.)  zu  einem  eylindrischen  Körper  zusammen,  wobei  sich  seine 
feinere  S  tructm'  aus  der  netzigen  zur  fasrigen  umbildet.  Darauf  verändert  er  seine  Lage,  indem  er  aus  dem 
hinteren  Körperende  in  die  Mittelregion  auf  die  hnke  Körperhälfte  verschoben  wird  und  sich  dabei  in  die 
Längsachse  des  Thieres  stellt  (Fig.  84  N.).  Währenddessen  hat  er  einen  längsstreifigen,  feinfaserigen  Bau 
(Knäuelform)  angenommen  und  wird  später  in  der  Mitte  durchschnflrt  (Fig.  85  X.  und  Xi).  Nach  erfolgter 
Zweitheilung  des  Thieres  wandern  die  beiden  Makronuclei  wieder  nach  den  hinteren  Körperenden  zurück  und 
nehmen  daselbst  ihre  gewöhnliche  Lage,  Gestalt  und  Beschaö'enheit  an.  Der  Mikronucleus  folgt  dabei  dem 
Makronucleus  und  theilt  sich  auf  karvokinetische  Weise,  welche  jedoch  nicht  eingehender  studirt  wurde.    Die 


OÖ         

neue  contractile  Vaeuole  des  vorderen  Sprosslings  (Fig.  85  ci  vi )  muss  wahrscheinlich  sehr  spät  angelegt 
werden,  da  ich  sie  erst  zu  der  Zeit  bemerkte,  als  der  hintere  Wimperkranz  (Hi  Wi)  bereits  vorhanden  war. 

Ich  hatte  das  Glück  ein  paar  Mal  Conjugationszustände  anzutreft'en,  kann  aber  über  das  Verhalten 
des  Makro-  und  Mikronucleus  nichts  Specielleres  berichten.  Die  Beobachtungen,  welche  vorliegen,  beziehen 
sich  nur  auf  da.s  allgemeine  Verhalten  der  conjugirten  Thiere.  Dieselben  legen  sich  sehr  nahe  aneinander 
und  vereinigen  sich  mit  ihren  vordersten  Körperenden  (oberhalli  der  vorderen  Wimpergürtel  Fig.  86).  Dabei 
schwindet  das  Ectoplasma  an  der  Stelle,  wo  sie  sich  aneinander  gelegt  haben  (resp.  nimmt  die  Be- 
schaffenheit des  Entoplasmas  an)  und  man  bemerkt  eine  lebhafte  Entoplasraacirculation  zwischen  den  beiden 
Thieren,  wobei  die  Nahrungsvacuolen  aus  dem  einen  in  das  andere  deutlichst  übertreten. 

Urocentrum  turbo  gehört,  wie  behauptet  wird,  zu  den  seltenen  Infusorien,  obgleich  es  in  der 
Umgebung  von  Heidelberg  ziemlich  häufig  vorzukommen  scheint.  Wenigstens  haben  es  Prof.  ßütschli*), 
Schub erg  und  ich  öfters  an  verschiedenen  Fundorten  und  immer  in  grossen  Schaaren  angetroffen.  Es 
scheint  auch  fauHge  Infusionen  ziemlich  zu  ertragen,  in  denen  es  sich  sehr  stark  vermehrt.  Gewöhnlich  hält 
es  sich  an  der  Oberfläche  der  Flüssigkeiten  auf  und  schiesst  pfeilschnell  umher.  In  der  Geschwindigkeit  der 
Bewegungen  kann  es  nur  mit  Halteria  verglichen  werden,  obgleich  dieselben  viel  gleichmässiger  sind  und 
nicht  sprungweise  erfolgeu.  Bei  der  Bewegung  geht  U.  turbo  immer  mit  dem  Vorderende  voran  und  rotirt 
unaufhörlich  und  sehr  schnell  um  die  Längsachse.  Zuweilen  dreht  es  sich  kreiseiförmig  auf  einem  Platze 
herum,  um  darauf  in  irgend  welcher  Richtung  fortzuschwimmen.  Beim  Uniherschwimmen  ändert  es  öfters 
die  Bewegungsrichtung,  wobei  der  Schwanzcirrus  als  Steuerorgan  verwendet  wird.  Dass  der  Schwanzcirrus 
auch  als  Anheftungsorgan  benutzt  wird,  wie  es  Kent  (38;  pag.  619  und  642,  Taf.  XXXIU,  Fig.  8 — 9)  und 
Carter  (11;  pag.  401)  behaupten,  konnte  ich  nie  beobachten.  Der  Körper  ist  elastisch  und  meist  farblos, 
erscheint  jedoch  zuweilen  schwach  gelblich  grau. 

ü.  turbo  ernährt  sich  von  Bacterien,  welche  mit  dem  Wasser  durch  die  Bewegung  der  adoralen 
Wimperzone  und  wahrscheinlich  auch  der  kurzen  Cilien  der  rinnenförmigen  Einschnürung  dem  Munde  zugestrudelt 
werden.  In  die  Mundöflnung  gerathen  sie  durch  die  Bewegung  der  an  seinem  rechten  und  vorderen  Rande 
stehenden  adoralen  Cilien  und  hauptsächlich  des  Wimperbüschels  und  sammeln  sich  am  Schlundende  zu 
Ballen  an.  Bei  diesem  Processe  strömt  auch  Wasser  ein,  welches  sich  mit  dem  Entoplasma  nicht  mischt, 
sondern  am  Sclilundeude  als  ein  Tropfen  anhäuft  und  die  Nahrungskörperchen  umschliesst.  Sobald  eine 
solche  Nahrungsvacuole  (n.  v.)  ein  gewisses  Volum  erreicht  hat,  löst  sie  sich  vom  Schlundende  ab  und  wird 
im  Entoplasma  fortgeführt. 

Ich  möchte  beiläufig  auf  eine  sehr  interessante  Erscheinung  aufmerksam  machen,  welche  vielleicht 
zur  Beurtheilung  der  Kernstructuren  etwas  beitragen  kann.  Betrachtet  man  solche  Nahrungsvacuolen,  so 
zeigen  sie  einen  deutlich  netzig-maschigen  Bau,  als  ob  die  stäbchenartigen  Bacterien  ein  förmliches  Netz- 
oder  Wabenwerk  bildeten,  welche  an  dasjenige  der  Kerne  sehr  erinnert.  Werden  dieselben  aber  per  anum 
ausgestossen  oder  isolirt  man  sie  durch  Zerdrücken  der  Thiere,  so  fällt  es  nicht  schwer  sich  zu  über- 
zeugen ,  dass  die  Bacterien  durchaus  zu  keinem  Netzwerk  verbunden  waren ,  sondern  dass  dieses  Bild  nur 
durch  die  verworrene  Lage  der  stäbchenartigen  Bacterien  vorgetäuscht  wurde. 


*)  Dagegen  habe  ich   es  in  Frankfurt  a..ßl. .  wo  ich  mehrere  .Tahre  nach  Infusorien  suchte,  niemals  aufgefunden. 

ü.  Bütschli. 


54       

Dieses  Thier  wurde  zuerst  von  Ü.  F.  Müller  unter  dem  Namen  Cercaria  turbo  (48:  pag.  123 — 
124)  beschrieben,  und  später  von  NitzscL  (49;  pag.  68)  zu  einer  selbständigen  Gattung  Urocentrum  er- 
hoben. Die  Beschreibimgen,  welche  von  den  älteren  Forschern  wie  Ehreuberg,  Dujardin,  Pert}-,  Cla- 
parede  und  Lachmann  herrühren,  sind  sehr  mangelhaft;  selbst  die  äusseren  allgemeinen  Organisations- 
Verhältnisse,  wie  Bewimperung,  Lage  des  Mundes  etc.  wurden  von  ihnen  nicht  richtig  erkannt.  Zuerst 
fand  Maggi  (4.3)  und  darauf  Kent  (38),  dass  der  Körper  von  zwei  Wimpergürteln  umgeben  wird,  während 
James-Clark  (14)  und  Entz  (29)  denselben,  ausgenommen  das  vorderste  Ende,  für  total  bewimpert  hielten. 
Die  Streifensjsteme  der  Wimpergürtel  wurden  theilweise  schon  von  James-Clark  bemerkt,  jedoch  nicht 
ganz  richtig,  wenigstens  am  vorderen  Wimpergürtel  dargestellt.  Derselbe  erkannte  auch  die  schmale  rinnen- 
formige  Einschnürung  in  der  Mittelregion  des  Körpers,  übersah  aber  dass  sie  von  kürzeren  Cilien  bedeckt 
wird.  Entz  bemerkte  nur  eine  Reihe  kürzerer  Cilien  an  dieser  Stelle  und  deutete  sie  als  einen  adoralen 
Wimperkranz.  Die  Längsfurche  wurde  fast  von  sämmtlichen  neueren  Forschern  bemerkt,  jedoch  übersahen 
sie  alle,  dass  ihr  rechter  Rand  eine  Cilienreihe  (adorale  Wimperzone  nach  mir)  trägt,  welche  bis  zum  vorderen 
Mundrande  zieht  und  in  seiner  hnken  Ecke  einen  Wimperbüschel  bildet.  Die  Lage  der  Mundöffnung,  sowie 
die  Bewimperung  des  Schlundes  sind  gleichfalls  nicht  richtig  erkannt  worden,  obgleich  Stein  in  demselben 
eine  undulirende  Membran  gesehen  zu  haben  glaubte,  während  Entz  nur  von  einer  ,, Quaste,  langer  feiner 
Wimperhaare"  siiricht.  Es  ist  gerade  nicht  unmöglich,  dass  diese  Quaste  unserem  Wimperbüschel  der  adoralen 
Zone  entspricht.  Ueber  den  feineren  Bau  des  Ectoplasmas  finden  wir  bei  keinem  der  oben  citirten  Forscher 
eine  Andeutung.  Erst  Bütschli  (9;  pag.  90 j  fand  gelegentlich,  dass  das  Ectoplasma  (Corticalplasma)  einen 
groben  radiär  wabigen  Bau  besitzt  und  deutete  die  von  Entz  beschriebenen  Trichocysten  als  die  dicken  Stränge 
des  Wabenwerks.  Dieser  Ansicht  schloss  sich  später  auch  Schuberg  (56;  pag.  352)  an.  Jedoch  lehrten 
neuere,  in  Gemeinschaft  mit  Bütschli  angestellten  Beobachtungen,  dass  in  den  radiären  Strängen  des  Cor- 
ticaplasmas  zuweilen  stäbchenförmige,  stark  lichtbrechende  Gebilde  eingelagert  sind,  welche  jedoch  nicht  aus- 
geschnellt werden.  Die  zuführenden  Kanäle  der  contractilen  Vacuole  wurden  auch  bereits  von  früheren 
Forschern  beobachtet.  So  spricht  Maggi  von  zwei  dünnen  Kanälen,  welche  von  der  contractilen  Vacuole 
nach  vorne  ziehen  sollen.  Kent  sah  4  über  Kreuz  gestellte  Nebenvacuolen,  übersah  aber  die  eigentlichen 
Kanäle;  letztere  wurden  jedoch  schon  1855  von  Lieberkflhn  richtig  erkannt  und  auf  seinen  unedirten  Tafeln 
(42;  Taf.  177,  Fig.  1 — 2)  dargestellt.  Theilungszustände  sind  nur  von  Carter  und  Kent  beobachtet  worden ; 
es  ist  aber  falsch,  wenn  Kent  behauptet,  dass  die  aus  der  Theilung  hervorgegangenen  Sprösslinge  nur  einen 
(vorderen  oder  hinteren)  Wimpergürtel  besitzen  und  der  andere  erst  nachträglich  angelegt  werde. 

Es  unterhegt  keinem  Zweifel,  dass  die  von  James-Clark  zuerst  unter  dem  Kamen  Peridinium 
cypripedium  (14)  und  dann  Peridinopsis  cypripedium  (15,i  beschriebene  Form  mit  TJ.  turbo  identisch 
ist  —  ein  Umstand,  auf  den  seinerzeit  schon  Carter  (11)  und  dann  Stein  (62  pag.  148)  hinwiesen.  Das- 
selbe gilt  natürlich  auch  von  der  Gattung  Calceolus,  welche  Diesing  (22;  pag.  379)  für  die  James- 
Clark  "sehe  Form  errichtete  und  Kent  fälschlicherweise  adoptirte. 


00 


20.  Lembadion  bullinum.    O.  F.  Müller  sp. 

Perty  50;  pag    141,  Taf.  V,  Fig.  14. 

Claparfcdc   u.  Lachmann  13;  pag   249-251,  Tai'  XII,  Fig.  5—7. 
Stein  60;  pag.  78,  80  und  S8;   62;  pag.  155. 
Eberhard  26;  pag.  24,  Fig.  26. 
Diesing  23;  pag.  75—76. 
Kent  38;  pag.  537,  Taf.  XXVII,  Fig.  54 

Bütschli  10;  pag.  1279-80  Fig.  10;  pag.  1342,  1347,  1351,  1375,  1377,  1421,  1446,  Taf.  LXIV,  Fig.  5  a-b. 
Sj-non.    Bursaria  bullinum     O.  F.  Müller  48;  pag.  116,  Fig.  XVII,  Fig.  5—8. 

Taf.  VII,  Fig.  87—91. 

Kleine  Formen  von  0.058—0.07  mm  Länoe,  0,0.36—0.046  mm  Breite  und  0,02 — 0,22  mm  Dicke. 

Körper  oval,  dorso-ventral  abgeplattet  und  massig  gewölbt;  das  Vorderende  abgestutzt,  mehr  oder 
weniger  nach  link.s  abfallend  und  ausgebuchtet,  das  Hinterende  verengt  und  schwach  zugespitzt.  Die  Eücken- 
seite  stärker  als  die  Ventralseite  gewölbt;  die  letztere  ist  durch  ein  sehr  ansehnliches  Peristom  stark  ausge- 
höhlt, welches  fast  die  ganze  Bauchseite  einnimmt  und  etwas  asj-metrisch  liegt,  da  es  beinahe  die  ge- 
sammte  rechte  Hälfte  und  nur  einen  Theil  der  linken  Hälfte  der  Bauchseite  einnimmt.  Der  ganze  Peristomrand 
zieht  den  Körperumrissen  der  Ventralfläche  mehr  oder  weniger  parallel;  auf  diese  Weise  erscheint  das 
Peristom  in  der  Mitte  des  Körpers  am  breitesten,  nach  vorne  dagegen  etwas  verengt  und  nach  hinten  zuge- 
spitzt. Das  hintere  Peristomende  erscheint  sackartig,  da  es  von  einer,  dünnen  Lamelle  überdeckt  wird,  welche 
mit  Stein  als  Hypostom  (Fig.  87 — 89  hg)  zu  bezeichnen  wäre. 

Der  ganze  Körper,  mit  Ausnahme  des  Peristoms,  ist  von  feinen,  ziemlich  langen  Cilieu  bedeckt. 
Dieselben  erheben  sich  einzeln  auf  massig  gewölbten  Papillen  (Fig.  91  cl.  p.),  die  reihenweise  angeordnet  sind 
und  gewöhnlich  mit  den  Papillen  der  benachbarten  Reihen  alterniren.  Die  Basen  der  Cilienpapillen  erhalten 
durch  dichtes  Zusammenstossen  mit  den  benachbarten,  polj'gonale  Umrisse,  wobei  sich  die  Linien  des  Zu- 
sammenstossens  als  Furchen  darstellten  (Fig.  91  1.  s.  und  q.  s.)  Da  die  Cilienpapillen  in  parallelen  Längsreihen 
angeordnet  sind,  so  erscheinen  auch  die  dazwischen  liegenden  Furchen  als  Längsfurchen  und  bedingen  die 
Längsstreifung  des  Körpers.  Jedoch  erscheinen  sie  nur  bei  schwachen  Vergrösserungen  als  gerade  Linien 
(Fig.  87 — 89),  bei  stärkeren  Vergrösserungen  fällt  es  nicht  schwer  sich  zu  überzeugen,  dass  sie  zickzack- 
förmig  verlaufen  (Fig.  91  1.  s.),  wobei  ihre  winkligen  Kreuzungsstellen  durch  Querfurchen  (q.  s.)  verbunden 
sind.  Auf  diese  Weise  erhalten  wir  sechs-  oder  viereckige  (an  den  Stellen,  wo  die  Cilien  der  benachbarten 
Reihen  nicht  alterniren)  convex  vorspringende  Kügelchen,  in  deren  Mitte  die  Cilien  stehen.  Aus  der  be- 
schriebenen Oberflächenzeichnung  ergiebt  sich ,  dass  die  Längsstreifung  des  Körpers  nicht  durch  Cilienpapillen 
(wie  wir  es  bei  anderen  Infusorien  gesehen  haben)  hervorgerufen  wird,  sondern  durch  die  dazwischen  liegenden 
Längsfurchen.  Dieser  Umstand  rührt  daher,  dass  bei  Lembadion  die  Cilien  ziemlich  weit  von  einander  ab- 
stehen und  die  Papillen  nicht  knopfartig,  sondern  flach  hügelartig  sind,  wodurch  auch  die  Furchen  deut- 
licher hervortreten. 

Die  Längsstreifen  ziehen  auf  der  Ventralfläche  parallel  dem  Peristomrande  von  oben  nach  unten 
und  stossen  paarweise  winklig  in  einer  Linie  zusammen,  welche  die  hinterste  Spitze  des  Peristoms  mit  dem 
hinteren  Körperende  vereinigt;   auf  der  Dorsalfläche  verlaufen  sie  meridional. 


56 

Das  Ectoplasma  (ek)  ist  sehr  dünn  und  anscheinend  homogen,  das  Entoplasma  fein 
gekörnt. 

Am  hintersten  Körperende  steht  ein  Bündel  von  4  langen  (0,022  mm)  Borsten,  die  jedoch  nicht 
starr,  sondern  biegsam  sind  und  wellenförmig  bewegt  werden  können. 

Der  Mund  (Fig.  87— 89o.)  liegt  in  der  Tiefe  des  Peristoms,  näher  am  linken  Peristomrande  und 
erscheint  als  ein  ziemlich  breiter  Streifen,  dem  das  Ectoplasma  fehlt;  er  erstreckt  sich  vom  vorderen  bis  zum 
hinteren  Peristomende.  Weit  besser  jedoch  lässt  er  sich  an  optischen  Querschnitten  erkennen.  Betrachtet 
man  nämlich  auf  dem  Hinterende  stehende  Exemplare  (Fig.  90),  so  erblickt  man ,  dass  die  scharf  begrenzte, 
homogen  erscheinende  Ectoplasmaschicht  nicht  das  ganze  Peristom  continuirlich  auskleidet.  In  einem 
Bereiche  (näher  am  linken  Peristomrande)  fehlt  sie  vollkommen,  so  dass  das  körnige  Entoplasma  dort  zur  Ober- 
fläche tritt  (Fig.  90 o)  und  somit  die  Stelle  des  Mundspalts   angiebt.   Ein  Schlund  fehlt  vollkommen. 

Der  linke  Peristomrand  (1.  Pr.)  ist  stark  verdickt  und  wulstartig  aufgetrieben  (Fig.  87  u.  89);  diese 
Erhebung  ist  in  der  Mittelregion  des  Körpers  am  breitesten  und  fällt  nach  vorn  und  hinten  allmählich  ab, 
wobei  sie  am  hinteren  Peristomende  oberhalb  der  Lamelle  (Hj-postom)  gelegen  ist.  In  ihrer  ganzen  Aus- 
dehnung ist  eine  grosse  und  starke  undulirende  Membran  (Fig.  87,  88,  90)  befestigt,  die  im  ausgebreiteten 
Zustande  bis  zum  rechten  Peristomrande  (r.  Pr.)  hinüberreicht,  so  dass  sie  den  ventralen  Peristomeingang  ganz 
überdeckt.  Am  vorderen  Körperende  ragt  die  Membran  frei  nach  aussen  hervor  und  kann  öfters  fächerartig 
zusammengelegt  werden.  Sie  ist  deutlich  und  fein  quergestreift.  Im  optischen  Längsschnitte  (Fig.  88 
m.  1.)  erscheint  sie  dagegen  längsgestreift.  Diese  Structur  spricht  sehr  für  die  Annahme,  dass  die  Membran 
wahrscheinlich  durch  Verklebung  oder  Verwachsung  mehrerer  Reihen  sehr  langer  Cilien  entstanden 
ist.  Zuweilen  erscheint  sie  an  mehreren  Stellen  geschlitzt  und  kann  sogar  in  einzelne  Cilien  zerfasert  sein, 
was  besonders  an  ihrem  vorderen  Ende  öfters  zu  bemerken  ist.  Längs  des  ganzen  rechten  Peristomi-andes 
(r.  Pr.)  zieht  ebenfalls  eine  undulirende  Membran  (Fig.  87—90  m.  r.)  hin,  welche  aber  bedeutend  niedriger 
und  dünner  als  die  erste  ist.  Am  vorderen  Körperende  springt  sie  auch  etwas  zipfelartig  hervor  und  zieht 
nicht  bis  zum  hintersten  Peristomende  (Fig.  88  u.  89),  sondern  hört  gleich  unterhalb  des  Hypostoms  auf. 
Diese  Membran  ist  meist  nach  dem  Inneren  des  Peristoms  gekehrt  und  desshalb  von  der  Ventralseite  schwer 
zu  erkennen.     Sie  ist  ebenfalls  deutlich  quergestreift  und  am  vorderen  Ende  öfters  in  einzelne  Cilien  zerfasert. 

Ausser  diesen  beiden  Membranen  erhebt  sich  in  der  Tiefe  der  peristomartigen  Aushöhlung  noch 
eine  dritte  undulirende  Membran  (Fig.  87,89  und90m.  i.),  die  zum  Unterschiede  von  den  beschriebenen  link  en 
imd  rechten  als  die  innere  zu  bezeichnen  wäre.  Sie  entspringt  von  einer  längs  verlaufenden,  leisten- 
artigen Erhebung  (1.),  die  unweit  des  rechten  Peristomrandes  (r.  Pr.)  gelegen  ist  und  erstreckt  sich  durch 
die  ganze  Länge  des  Peristoms.  Es  ist  schwer  zu  entscheiden,  ob  dieses  Gebilde  eine  wirkhche  Membran  ist. 
In  Flächen-  und  Seitenansichten  (Fig.  87  u.  89  m.  i.)  erscheint  sie  wie  eine  dichte  Cilienreihe,  die  von  der 
leistenartigen  Erhöhung  des  Peristoms  entspringt.  Untersucht  man  aber  optische  Querschnitte  (Fig.  90),  wie 
man  sie  an  auf  dem  Hinterende  stehenden  Exemplaren  zu  beobachten  Gelegenheit  hat,  so  glaubt  man  wieder, 
dass  es  eine  Membran  ist.  An  solchen  Frontalansichten  lassen  sich  auch  die  beiden  anderen  Membrane  am 
besten  wahrnehmen. 

Die  Lage  des  Afters  wurde  nicht  mit  Sicherheit  festgestellt.  Jedoch  glaube  ich  einmal  gesehen 
zu  haben,  dass  Xahrungsreste  am  Hinterende  des  Körpers  auf  der  Ventralseite  ausgestossen  wurden. 


57       

Die  contractile  Yacuole  (c.  v.)  liegt  fast  in  der  Mitte  des  Körpers,  etwas  rechts  auf  der  Dorsal- 
fläche; von  ihr  führt  schief  nach  hinten  und  rechts  ein  langer  und  schmaler  ausführender  Kanal,  welcher  durch 
einen  Porus  auf  der  Ventralseite  rechts  vor  dem  hinteren  Peristomwinkel  nach  aussen  mündet.  Dieser  von 
Stein  entdeclite  Kanal  wurde  von  Prof  Bütschli  zuerst  wieder  beobachtet.  Während  der  Diastole  bilden 
sich  im  Umkreise  der  contractilen  Vacuole  mehrere  verschieden  grosse  Bildungsvacuolen,  welche  nach  erfolgter 
S3'stole  zu  einer  neuen  zusammenschmelzen.  Bei  der  Sjstole  wird  die  dünne  Plasmaschicht,  welche  die  con- 
tractile Vacuole  vom  Kanal  abschliesst,  durchbrochen  und  der  Inhalt  der  Vacuole  durch  den  Kanal  und  Porus 
nach  aussen  befördert. 

Der  Makronucleus  (X)  liegt  im  Hinterende  des  Körpers,  näher  zur  linken  Seite;  er  ist  nierenförmig, 
besitzt  einen  körnig-netzigen  Bau  und  wird  stets  von  einem  kugeligen,  homogenen  Mikronucleus  (ncl)  begleitet. 

Lembadion  bullin  um  gehört  zu  den  seltenen  Infusorien  und  tritt  nicht  in  grossen  Schaaren, 
sondern  meist  einzeln  auf  Es  lebt  in  frischen,  klaren  Wässern  und  scheint  faulende  Infu.sionen  nicht  zu  er- 
tragen. Es  bewegt  sich  ziemlich  rasch  und  immer  in  gerader  Eichtung;  dabei  schwimmt  es  ebensogut  mit 
dem  vorderen  wie  mit  dem  hinteren  Ende  voran.  Im  letzteren  Falle  dreht  es  sich  stärker  um  seine  Längs- 
achse und  macht  wackelnde  Bewegungen.  Es  kann  auch  j)lötzlich  die  Richtung  der  Bewegung  verändern, 
wobei  die  langen,  borstenähnlichen  Wimpern  in  Anwendung  gebracht  werden.  An  einem  Platze  bleibt  es 
nie  ruhig  liegen.  Die  undulirenden  Membranen  werden  gleichfalls  fortwährend  bewegt,  und  scheinen  nicht 
nur  zur  Herbeischaffung  der  Nahrung,  sondern  auch  zur  Fortbewegung  zu  dienen.  Die  Nahrung  besteht 
ausschliesslich  aus  pflanzlichen  Stoffen,  wenigstens  habe  ich  nie  gesehen,  dass  Lembadion  andere  Infu- 
sorien angriffe.  Es  scheint  eine  besondere  Vorliebe  für  Diatomeen  zu  haben  und  kann  verhältnissmässig  sehr 
grosse  Exemplare  verschlingen. 

Der  Körper  ist  elastisch  und  formbeständig;  er  ist  farblos,  aber  etwas  ins  grünliche  fallend.  Das 
Thier  erträgt  nicht  die  geringste  Pression  und  geht  unter  dem  Deckglas  sehr  schnell  zu  Grunde,  wobei  es 
öfters  sämmtliche  Cilien  abwirft. 

Es  ist  sehr  möglich  und  sogar  wahrscheinlich,  dass  die  Köi-perorientirung,  die  bis  jetzt  gegeben 
wurde,  nicht  richtig  ist,  worauf  mich  zuerst  Prof.  Bütschli  aufmerksam  machte.  Man  könnte  eher 
daran  denken,  das  hintere  Ende  des  Körpers  als  das  vordere  aufzufassen,  da  die  hinter  dem  Peristomende 
winklig  auf  einander  stossenden  Körperstreifen  dafür  zu  sprechen  scheinen  (wie  es  bei  Glaucoma  eingehender 
gezeigt  wurde,  s.  pag.  .32).  Dies  ist  jedoch  blos  eine  Vermuthung,  welche  von  Bütschli  ausgesprochen  wurde 
und  die  mir  vollkommen  berechtigt  erscheint.  Auch  stehen  die  Eewegungserscheinungen  des  Thieres  mit  dieser 
Orientirung  nicht  im  Widerspruche,  wohl  aber  die  Lage  des  Afters,  wenn  sie  wirklich  eine  solche  ist,  wie  ich 
einmal  gesehen  zu  haben  glaube. 

Lembadion  bullinum  wurde  zuerst  von  (i.  F.  Müller  unter  dem  Namen  Bursaria  bullinuni 
beschrieben  und  später  von  Perty  zu  einer  selbständigen  Gattung  erhoben.  Die  von  ihm  gegebene  Be- 
schreibung und  Abbildung  sind  aber  sehr  mangelhaft.  Viel  eingehender  untersuchten  es  Claparede  und 
Lach  mann  und  erkannten  die  allgemeine  Körpergestalt  und  das  Peristom  ganz  richtig.  Auch  sahen 
sie  am  vorderen  Peristomende  zwei  Cilienbündel,  welche  zweifellos  den  zipfelartig  hervorragenden  Enden 
unserer  linken  und  rechten  undulirenden  Membran  entsprechen.  Sie  verkannten  aber  die  Membranen,  indem 
sie  die  rechte  übersahen  und  die  linke  (welche  wahrscheinlich   zerschlitzt  war)  als   eine  Cirrenreihe   deuteten. 

Bibliotheca  zoologica.    Heft  5.  8 


58       

Auch  wurde  von  ihnen  die  llundött'nung  nicht  richtig  angegeben,  welche  sie  für  oval  hielten  und  in's  hintere 
Peristomende  verlegten.  Die  Mundutfnung  erkannte  erst  Stein  und  beschrieb  sie  als  einen  langen  Spalt, 
welcher  vom  vorderen  bis  zum  hinteren  Ende  des  Peristoms  verläuft;  Stein  deutete  auch  die  linke  unduürende 
Membran  vollkommen  richtig,  übersah  aber  die  beiden  anderen  (rechte  und  innere).  Die  Gestalt  und  Lage 
des  Kernes  und  der  contractilen  Vacuole  wurden  von  Stein  vollkommen  richtig  angegeben.  Er  erkannte 
auch  (02;  pag.  155  Anmerk.  4)  zuerst  den  ausführenden  Kanal  und  den  Excretionsporus.  Die  Kurper- 
streifung  und  Anordnung  der  Cilien  studirten  die  früheren  Forscher  nicht. 

21.   Pleuronema  Chrysalis.    Ehrbg.  si^ec. 

Perty  50;  pag.  146. 

Clapar&de  und  Lachmanu  13;  p.  274-276,  Taf.  XIV,  Fig.  8. 

Stein  60;  pag.  61—62,  73  u.  77;  62;  pag.  159. 

Quenuerstedt  52;  pag.  19-23,  Taf.  I,  Fig.  19-22. 

Diesing  23;  pag.  85. 

Fiomentel  34;  pag.  186—401,  Taf.  XXI,  Fig.  10,  Taf.  XXII,  Fig.  16. 

Kent  38;  pag.  543;  Taf.  XXVII,  Fig.  55. 

Bütschli:  10;  1375-76,    1388,  1441,  1459,  Taf.  LXIV,  Fig   6  a-c. 

Synon.:    Pleuronema  crassa.    Dujardin  24;  pag.  474-475,  Taf.  VI,  Fig.  1;  Taf  XIV,  Fig.  2 
„  marin a.  „  24;  pag   475,  Taf.  XIV,  Fig.  3. 

„  „  Fabre-Domergue  31;  pag.  558-559,  Taf.  XXIV,  Fig.  4—5. 

„  coronata.     Keut  38;  pag.  544,  Taf  XXVII,  Fig.  56. 

Paramaeeium  Chrysalis.     Ehrenberg  27;  pag.  352,  Taf  XXXIX,  Fig-  8. 
Lembadion  ovale,     (iourret  et  Roeser  35;  pag.  474—476,  Taf  XXIX,  Fig.  5—9. 
Histiobalantium  agile,    Stokes  65;  pag.  105—108,  Taf.  I,  Fig.  15—16. 

Taf.  Vn.    Fig.  92—93. 

Kleine  bis  mittelgrosse  Formen  von  0,068 — 0,083  mm  Länge  und  0,037  —  0,042  mm  Breite. 

Körper  eiförmig,  seitlich  etwas  comprimirt,  hinten  abgerundet,  nach  vorne  verengt.  Fast  die  ganze 
Ventralseite  durch  ein  ansehnliches  Peristom  ausgehöhlt.  Dasselbe  beginnt  am  Vorderende  des  Körpers 
und  erweitert  sich  nach  hinten,  wobei  es  beinahe  ^/i  der  Körperlänge  einnimmt.  Der  hintere  Abschnitt  des 
Peristoms  ist  an  der  hnken  Seite  sehr  stark  ausgebuchtet  (Fig.  73  1.  Pr.)  und  bildet  somit  eine  grosse  und 
ziemlich  tiefe  Höhle.  Demnach  erscheint  auch  der  linke  Peristomrand  (1.  Pr.)  hinten  stark  ausgebuchtet, 
wogegen  der  rechte  (r.  Pr.)  vollkommen  gerade  verläuft. 

Der  Körper  ist,  mit  Ausnahme  des  Peristoms,  mit  feinen,  langen,  borstenähnlichen  Cilien  bedeckt. 
Dieselben  sind  in  Längsreihen  angeordnet  und  stehen  auf  kleinen  Papillen,  welche  in  ihrer  Gesammtheit  den 
xVnschein  einer  Längsstreifung  hervorrufen.  Diese  Längsstreifen  verlaufen  meridional  und  stossen  auf  der 
Ventraltiäche  auf  das  hintere  Peristomende  (Fig.  93).     Das  Peristom  selbst  ist  unbewimpert. 

Am  Ectoplasma  unterscheidet  man  eine  massig  dicke  Alveolarschicht  (al),  deren  äusserste 
Grenze  eine  dünne  Pellicula  (p)  bildet. 

Das  Entoplasma  ist  hjalin,  ohne  besondere  Structur  und  enthält  einzelne,  rundhche  Körperchen, 
von  denen  einige  durch  bedeutend  stärkeres  Lichtbrechungsvermögen  sich  auszeichnen. 

Die  Mundöffnung  (Fig.  93 o)  ist  sehr  klein  und  liegt  im  hintersten  Peristomende  etwas  näher  zum 
linken  Peristomrande.     Ein   besonderer   Schlund   scheint    nicht    vorhanden    zu    sein:    wenigstens  werden  die 


59     

Nahrungsvacuolen  stets  dicht  an  der  Muudöffiiung  gebildet.  Am  linken  Peristomrande  ist  eine  lange  und 
hohe  undulirende  Membran  (Fig.  93m)  befestigt.  Sie  beginnt  niedrig  am  Yorderende  des  Körpers,  er- 
höht sich  in  der  Mittelregion,  biegt  um  den  hinteren  Peristomrand  herum  und  .steigt  wieder  am  rechten 
empor  (Fig.  92j.  Jedoch  erstreckt  sie  sich  an  diesem  nicht  weit  nach  vorne  und  hört  gegenüber  der 
Ausbuchtung  des  linken  Peristomrandes  auf.  Auf  diese  Weise  bekommt  der  hintere  Theil  der  Membran  die 
Beschaflenheit  einer  weiten  tiefen  Tasche  oder  eines  Sackes,  welche  die  hintere  Peristomerweiterung  über- 
wölbt. Die  Membran  ist  deutlich  quergestreift  und  zuweilen  in  einzelne  Lappen  zerschlitzt:  ich  habe  sogar 
einmal  ein  Exemplar  beobachtet,  bei  welchem  nur  die  hintere  Tasche  vorhanden,  der  vordere  Theil  der  Mem- 
bran dagegen  in  einzelne  schmale  Streifen  aufgelöst  war.  Im  ausgespannten  Zustande  erscheint  die  Mem- 
bran fast  ebenso  hoch  wie  der  Körper;  sie  kann  aber  in  das  Peristom  vollkommen  eingezogen  werden  imd 
legt  sich  dann  faltig  zusammen.  Am  vorderen  Theile  des  rechten  Peristomrandes,  d.  h.  bis  zu  der  Stelle, 
wo  die  undulirende  Membran  aufhört,  sind  sehr  lange  und  feine  Cilien  befestigt;  dieselben  sind  schief 
nach  hinten  und  nach  dem  Peristom  einwärts  gekehrt.  Die  hintersten  sind  besonders  lang,  wellenartig 
gebogen  und  bilden  ein  förmliches  Büschel .  das  in  der  hinteren  Ausbuchtung  des  Peristoms  gelegen  ist. 

Der  After  (a)  liegt  ventral  am  hinteren  Körperende,  unweit  des  hinteren  Peristomendes. 

Die  contractile  Vacule  (c.  v.)  liegt  dem  After  gegenüber  auf  der  Dorsalseite  und  mündet  auf  der 
Rückeiiseite  nach  aussen. 

Der  Makronucleus  (N)  ist  relativ  sehr  gross  (bis  0,02  mm  im  Durchmesser),  kugelig  imd  wird 
von  einem  ellipsoidalen  Mikronucleus  (ncl)  begleitet,  an  dem  man  einen  streifig-körnigen  chromatischen 
und  einen  homogenen  achromatischen  Abschnitt  unterscheiden  kann.  Der  Makronucleus  liegt  in  der  vorderen 
Körperhälfte,  erscheint  dunkel  und  besitzt  einen  feinnetzigen  Bau.  Letzterer  kommt  bei  fixirten  Kernen 
deutlicher  zum  Vorschein,  bei  welchen  man  ausserdem  noch  eine  dünne  Kernhülle  wahrnehmen  kann:  auch 
dem  Micronucleus  kommt  eine  Membran  zu. 

Pleuronema  Chrj'salis  scheint  nicht  zu  den  ganz  gemeinen  Infusorien  zu  gehören; 
wenigstens  habe  ich  sie  ziemlich  selten  gefunden.  Sie  lebt  an  der  Oberfläche  von  Wässern,  welche  von 
einer  Schimmelschicht  überzogen  sind,  erträgt  aber  Putrescenz  nicht.  Ich  habe  sie  immer  einzeln  oder  in 
kleinen  Mengen  angetroffen,  nie  in  grossen  Schaaren,  wie  die  nächstverwandte  Gattung  Cjclidium. 
Die  Bewegungen  sind  sehr  rasch  und  meist  rotirend;  sie  schwimmt  gewöhnlich  äusserst  schnell  in  Zickzack- 
linien herum  mit  dem  Vorderende  vorangehend,  kann  sich  aber  ebenso  schnell  rückwärts  bewegen.  Zuweilen 
macht  sie  kreiselartige  Bewegungen  oder  wälzt  sich  langsam  an  einem  Platze,  um  ihre  Längsachse  rotirend. 
Oefters  lileilit  sie  vollkommen  ruhig,  wie  todt  liegen  und  streckt  dabei  ihre  Wimpern  und  die  Membran 
bewegungslos  aus.  Nach  einer  solchen  Ruhepause,  welche  verschieden  lang  dauern  kann,  macht  sie  einen 
jilötzlichen  Sprung  und  verschwindet  aus  dem  Gesichtsfelde. 

Die  Nahrung  besteht  aus  Bacterien,  welche  den  Inhalt  der  im  Entoplasma  so  zahlreich  vorhandenen 
Nahrungsvacuolen  (n.  v.)  bilden.  Während  der  Nahrungsaufnahme  wird  die  undulirende  Membran  vollkommen 
ausgespannt  und  die  am  rechten  Peristomrande  befestigten  Cilien  wirbeln  stark,  so  dass  ein  heftiger  Wasser- 
strom zum  Munde  geht. 

Der  Korper  ist  elastisch  und  furmbeständiii',  vollkommen  durchsichtig  und  farblos,  oder  unbedeutend 
bläulich-grün  wie  jedes  Protoplasma. 

8* 


60       

Pleuronema  Clirysalis  wurde  zuerst  von  Ehrenberg  (27;  pag.  352)  unter  dem  Namen 
Paramaecium  Chrysalis  beschrieben  nnd  später  von  Dujardin  (24;  pag.  474)  zu  einer  selbständigen 
Gattung  erhoben.  Die  erste  ziemlich  genaue  Beschreibung  stammt  von  Claparede  und  Lachmann  (13; 
pag.  274 — 276).  Diese  Forscher  erkannten  vollkommen  richtig  die  Bewimperung,  die  Lage  und  Gestalt  des 
Peristoms,  sowie  die  Lage  des  Kerns  und  der  contractilen  Vacuole.  Sie  beobachteten  auch  zum  ersten 
Male  die  langen  fadenförmigen  Cilien,  welche  am  rechten  Peristomrande  stehen  und  in  das  Peristom  ein- 
geschlagen sind;  jedoch  verkaimten  sie  die  undulirende  Membran  und  hielten  den  hinteren  Rand  der  sack- 
förmigen Membran  für  eine  Borste,  welche  bogenförmig  nach  vorn  (nach  hinten  nach  ihrer  Körperorientirung) 
gekrümmt  sein  sollte;  auch  sahen  sie  die  Befestigungsstelle  der  Membran  am  rechten  Peristomrande,  indem 
sie  von  einer  zweiten,  gleichfalls  bogenartig  gekrümmten  Borste  (freier  Membranrand)  sprechen,  die  mit  dem 
Ende  der  ersten  verschmelzen  soll,  erklärten  sie  aber  für  eine  optische  Täuschung.  Erst  Stein  (60;  pag.  73) 
überzeugte  sich  vom  Vorhandensein  einer  Membran  und  beschrieb  sie  als  eine  „weite  sackartige  Tasche," 
welche  an  einem  Peristomrande  verlaufen  sollte  (62;  pag.  159).  Der  wahre  Verlauf  und  die  Gestalt  der  Membran 
wurden  aber  bedeutend  später  von  Fabre-Domergue  (31;  pag.  558)  erkannt,  welcher  sie  jedoch  irrthümlicher 
Weise  am  rechten  Peristomrande  verlaufen  Hess  (31;  Taf.  XXIX,  pag.  4).  Die  von  Stein  (60;  pag.  61 — 
62)  und  Fabre-Domergue  beschriebenen  stäbchenartigen  Körpercheu,  welche  in  der  äussersten  Körperlage 
und  senkrecht  zur  Oberfläche  liegen,  glanbe  ich  auf  eine  Alveolarschicht  beziehen  zu  dürfen,  die  ich  mit 
Deutlichkeit  wahrgenommen  habe.  Auch  Fabre-Domergue  will  sie  nicht  mit  Bestimmtheit  als  Tricho- 
cj'sten  ausgeben,  da  er  ihr  Ausschnellen  nie  gesehen  hat.  Es  scheint  mir  sehr  wahrscheinlich,  dass  die  von 
Gourret  mid  Roeser  als  Lembadion  ovale  (35;  pag.  474 — 476)  und  von  Stokes  als  Hi  stiobalantium 
agile  (65;  pag.  105  — 108)  beschriebenen  Formen  mit  Pleuronema  Chrysalis  identisch  sind.  Histiobalan- 
tium  würde  sich  nur  durch  eine  grössere  Zahl  der  contractilen  Vacuolen  unterscheiden. 

22.  Cyclidium  Glaucoma  O.  F.  Müller. 

Müller  48;  pag.  80,  Taf.  XI,  Fig.  6-8. 

Ehrenberg  27;  pag.  245—2.56,  Taf  XXII,  Fig.  1  p.  p.  (A.  und  ß). 
Perty  50;  pag    149. 

Claparede  et  Lachmann  13;  pag    272 — 273. 
Frey  33;  pag.  61—62,  Fig.  21  und  22. 
Diesing  23;  pag.  71. 
Stein  02;  pag  159. 

Kent  38;  pag.  544,  Taf.  XXVII,  Fig.  57-58. 

Gourret  et  Roeser  35;  pag.  479-480.  Taf.  XXIX,  Fig.  11—12,  Taf  XXX,  Fig.  1 
Bütschli  10;  pag.  1347,  1351,  1375—76,  13S8,  Taf  LXIV,  Fig.  8  a-c. 
Synon :  C.  nigricans,  Fromentel  34;  pag.  307,  Taf  III,  Fig.  10. 

C.  saltans,  Fromentel  34,  pag   308,  Taf  XXI,  Fig.  9  und  14. 

Pleuronema  Cyclidium  Claparede  et  Lachmann  13;  pag.  276,  Taf  XIV,  Fig.  6. 

Pleuronema  sp.  ?  Grimm  36;  pag.  73 

Alyscum  saltans  Dujardin  24;  pag.  391,  Taf  VI,  Fig.  3. 

Enchelys  nodulosa      „        24;  pag.  389,  Taf  VI,  Fig.  2,   Taf  VII,  Fig.  9. 
?     Acomia    cyclidium      „        24;  pag.  382,  Taf  VIT,  Fig.  5. 

Disticha  hirsuta  Fromentel  34;  pag.   188—189,  Taf  XXL  Fig.  18. 
?    Ctedoctema  acanthocrypta  Stokes  63;  pag.  905—907. 

Schwärmsprösslinge  von  Chilodon  Stein  58;    p.ig.  1.34-136,  Taf  III,   Fig.  60-63  und  67—69. 


61       

Taf.  Vn.    Fig.  94-96. 

Sehr  kleine  Formen  von  0,018—0,024  mm  Lauge  und  0,01— 0,01i'  mm  Breite. 

Körper  länglich -oval  und  etwas  eiförmig  (Fig.  96),  an  beiden  Enden  zugespitzt  und  abgerundet. 
Das  Vorderende  bedeutend  schmäler  als  das  hintere  und  kurz  vor  der  Spitze  dorsahvärts  verengt.  Die 
Rückenseite  ziemlich  stark  gewölbt  (Fig.  94 — 95),  die  Ventralseite  beinahe  grade  und  durch  ein  sichelförmiges 
Peristom  iFig.  96.  ausgehöhlt,  welches  etwas  über  7a  der  Totallänge  des  Körpers  einnimmt.  Im  vorderen 
Körperdrittel  ist  das  Peristom  ziemlich  eng  und  erweitert  sich  plötzlich  nach  hinten,  wobei  es  nach 
links  eine  starke  Ausbuchtung  macht.  Demnach  erscheint  sein  linker  Rand  hinten  stark  ausgeschnitten 
(Fig.  95  und  96  1.  Pr.),  wogegen  der  rechte  Peristomrand  nur  schwach  sichelförmig  gekrümmt  ist  (Fig.  96 
r.  Pr.j.  Die  ganze  Peristomhöhle  erinnert  im  allgemeinen  an  jene  der  Pleuronema,  mit  welcher  das  Thier 
überhaupt  eine  grosse  Aehnlichkeit  besitzt. 

Der  Körper  ist  mit  sehr  langen,  dünnen  und  wenn  nicht  bewegt,  starr  und  borstenartig  er- 
scheinenden Cilien  bedeckt.  Sie  stehen  am  \'orderende  des  Körpers  sehr  dicht  beisammen,  nehmen  nach  hinten 
allmählich  an  Dichte  ab  und  sind  am  Hinterende  sehr  spärlich  vorhanden.  Am  hintersten  Körperende  ist 
eine  lange,  sehr  spitz  auslaufende  Fühlborste  (b)  eingepflanzt,  welche  in  der  Läi-gsachse  des  Körpers  steht. 
Die  borstenähnlichen  Cilien  sind  in  Längsreihen  angeordnet  und  sitzen  auf  kleinen  Papillen,  welche  in  ihrer 
Gesammtheit  den  Anschein  der  Längsstreifung  bedingen.  Diese  Längsstreifen  ziehen  meridional  von  hinten 
nach  vorne  und  stossen  auf  der  Ventralseite  auf  den  hinteren  Peristomrand. 

Das  Ectoplasma  (ek)  ist  kaiim  wahrnehmbar,  sehr  dünn  und  anscheinend  homogen.  Das  Ento- 
[ilasma  durchsichtig  und  feingekörnt. 

Die  Mundöffnung  iO)  ist  äusserst  klein  und  liegt  auf  der  Dorsalwand  der  kolbenartig  erweiterten 
Peristomhöhle,  in  ihrem  hintersten  Ende  unweit  des  linken  Peristomrandes.  Von  ihr  führt  dorsalwärts  und 
nach  links  ein  sehr  kurzer  röhrenförmiger  Schlund,  an  dessen  Ende  die  Nahrungsvacuolen  (n.  v.)  gebildet 
werden.  \m  linken  Peristomrande ,  und  zwar  an  seiner  ganzen  Länge,  ist  eine  grosse  undulirende 
Membran  (m)  befestigt,  welche  segelartig  ausgespannt  werden  kann.  Sie  beginnt  am  vordersten  Körperende, 
zieht  nach  hinten  um  den  hinteren  Rand  des  Peristoms  und  greift  auf  den  rechten  Peristomrand  über, 
reicht  jedoch  an  diesem  nicht  so  weit  nach  vorn  wie  bei  Pleuronema.  Demnach  erscheint  die  Membran 
bei  C'jclidium  ebenfalls  sackförmig,  jedoch  bedeutend  weniger  tief  als  bei  der  vorigen  Gattung.  Sie  ist 
quergestreift  und  kann  vollkommen  oder  theilweise  in  das  Peristom  eingezogen  werden;  wenn  sie  nicht  ganz 
ausgespannt  ist,  so  kann  man  an  ihrem  vorderen  Theile  2  —  3  Falten  bemerken,  welche  im  ausgespannten 
Zustande  ausgeglichen  werden.  Am  rechten  Peristomrande  ist  eine  Reihe  von  Cilien  befestigt,  die  an  Grösse 
den  Körpercilien  gleich  kommen,  aber  schief  nach  hinten  gestellt  sind.  Sie  sind  ebenfalls  starr  und  können 
(namentlich  die  untersten)  in  das  Peristom  eingeschlagen  werden,  ohne  jedoch  wellenartig  gebogen  zu  werden. 

Der  After  lai  liegt  am  hintersten  Körperende  unweit  der  .Vnsatzstelle  der  Fühlborste,  aber  nicht 
terminal,  sondern  auf  die  Ventralfläche  verschoben.  Li  seiner  unmittelbaren  Nähe  befindet  sich  die  con- 
tractile  Vacuole  (c.  v.),  welche  terminal  ausmündet  und  in  kurzen  Zeiträumen  entleert  wird. 

Der  Makronucleus  (N)  liegt  in  der  Mittelregion  des  Körpers,  ist  kugelig,  stark  lichtbrechend 
und  besitzt  einen  feinkörnig- netzigen  Bau.  Er  wird  stets  von  einem  äusserst  kleinen,  runden,  homogenen 
Mikronucleus  (ncl)  begleitet. 


C'ycliciium  Glaucoma  gehurt  zu  den  gemeinsten  luid  verbreitetsten  Infusorien;  es  ist  mit  Leichtig- 
keit in  jeder  faulenden  Infusion  anzutreffen  und  kommt  in  sehr  grossen  Schaaren  vor.  Es  lebt  zwischen  ver- 
wesenden Algen  oder  an  den  Häutchen,  welche  von  Zooglea  und  Bacterien  gebildet  werden  und  jede  faulende 
Flüssigkeit  überdecken.  Gewöhnlich  ruhen  die  Cj^clidien;  sie  liegen  mit  ausgestreckten  Cilien  und  Mem- 
branen an  einem  Platze,  ohne  die  geringste  Andeutung  von  Bewegung  zu  zeigen,  so  dass  nur  die  Pul- 
sationen der  contractilen  Vacuole  ihr  Leben  anzeigen.  Wird  in  solchem  Zustande  Nahrung  aufgenommen, 
welche  ausschliesslich  ans  Bacterien  besteht,  so  werden  die  am  rechten  Peristomrande  stehenden  Cilien 
in  kleinen  Intervallen  bewegt  und  Hand  in  Hand  damit  die  undulirende  Membran  bald  ausgespannt,  bald 
eingezogen.  Wird  das  Cyclidium  aus  diesem  Ruhezustande  durch  irgend  welche  Ursache,  sei  es  durch 
einen  herantretenden  Feind  oder  durch  Erschütterung  verscheucht,  so  beginnt  es  nach  allen  Richtungen  des 
Raumes  pfeilschnell  herumzuschwimmen,  bis  es  sich  wieder  an  einem  Orte  beruhigt.  Zuweilen  dreht  es.  sich  kreisel- 
artig an  einem  Platze  oder  aber  um  seine  Längsachse.  Seine  Bewegungen  können  im  strengen  Sinne  des 
Wortes  nicht  als  Schwimmen  bezeichnet  werden,  da  sie  viel  zu  ungleichmässig  sind  und  so  zu  sagen  ruck- 
weise erfolgen.  Bei  solchen  Bewegungen  durchschiesst  das  Cyclidium  bhtzschnell  eine  Strecke,  macht, 
wenn  auch  eine  ganz  minimale  Ruhepause  und  schiesst  dann  weiter,  wobei  mit  jedem  neuen  Rucke  die  Richtung 
fast  immer  verändert  wird.  An  diesen  Thierchen  lässt  sich  die  Bedeutung  und  Function  der  Fühlborste  sehr 
bequem  beobachten,  namentlich  wenn  in  der  Flüssigkeit  noch  andere  Infusorien  vorhanden  sind.  Der  Körper 
ist  elastisch,  formbeständig  und  farblos. 

Cyclidium  Glaucoma  wurde  zuerst  von  0.  F.  Müller  (48;  pag.  sOj  und  später  von  Ehrenberg 
und  Perty  beschrieben.  Duj ardin  verwarf  die  gegebene  Bezeichnung  und  beschrieb  Cyclidien  in  den  beiden 
Gattungen  Alyscum  und  Enchelys,  was  nur  Verwirrung  in  der  Nomenclatur  hervorbrachte.  Alle  diese 
Beschreibungen  waren  sehr  mangelhaft.  Die  erste  eingehende  Schilderung  wurde  wieder  von  Claparede  und 
Lachmanu  (13;  pag.  271 — 273  und  276)  geliefert.  .Jedoch  begingen  sie  denselben  Fehler  wie  bei  Pleu- 
ren ema,  indem  sie  die  undulirende  Membran  verkannten  und  ihren  hinteren  Rand  für  eine  bogenartig  ge- 
krümmte Borste  hielten.  Stein  (62;  pag.  159)  beschrieb  die  Gestalt  des  Peristoms  ganz  richtig  und  erkannte 
die  undulirende  Membran,  welche  er  jedoch  nur  an  einem  Peristomrande  verlaufen  Hess. 

23.  Cyclidium  Glaucoma  variet.  elongatum  milii. 

Taf.  VII.    Fig.  97. 

Dieses  Thierchen  bietet  in  seiner  Organisation  zu  wenig  Eigenthümliches,  als  dass  man  es  für  eine 
besondere  Art  betrachten  könnte.  Es  erinnert  sehr  an  C.  Glaucoma  und  weicht  von  demselben  nur  durch 
unwesentliche  Merkmale  ab .  aus  welchem  Grunde  ich  es  bloss  für  eine  Varietät  erklären  möchte.  Es  ist 
das  kleinste  Infusor,  das  ich  beobachtet  habe  und  hat  eine  Länge  von  0,016 — 0.02  mm  bei  einer  Breite 
von  0,006-0,007  mm. 

Seine  Gestalt  ist  länglich,  fast  ellipsoidal.  am  vorderen  Körjierende  unbedeutend  schmäler  als  am 
hinteren  und  gleichmässig  abgerundet;  die  Rückenseite  ist  schwach  gewölbt,  die  Ventralseite  abgeflacht.  Das 
Peristom  ist  bedeutend  schmäler  als  bei  C.  Glaucoma  und  besitzt  keine  so  starke  Aushöhlung  an  der 
linken  Körperseite.     Die  undulirende  Membran  (m)  ist  breit,  greift  aber  kaum  auf  den  rechten  Peristomrand 


63       

über,  so   dass  die  Membrantasche  sehr  flach  erscheint.     Die  Körperstreifen   stehen  nicht  so  eng  aneinander 
wie  bei  C.  Glaucoma  nnd  verlaufen  etwas  schief  nach  hinten. 

Die  übrigen  Ürganisatiunsverhältnisse,  wie  Bewiinperung,  Ectoplasnxa,  Entoplasma ,  Mundöffnung, 
After,  contractile  Vacuole  und  Kern  entsprechen  vollkommen  denen  der  Stammart,  so  dass  ich  die  Be- 
schreibung unterlassen  kann.  Auch  die  Lebenserscheinungen  sind  genau  dieselben,  welche  ich  bei  C.  Glau- 
coma beschrieben  habe.  Dieses  Thierchen  kommt  ziemlich  häufig  in  faulenden  Infusionen  vor  und  ist 
immer  in  Gemeinschaft  mit  C.  Glaucoma  anzutreffen.     Ich  konnte   es  mehrere  Male  beobachten. 

24.  Cyclidium  citrullus  Cohn  spec. 

Ken t  38;  pag.  545,  Taf.  XXVII,  Fig.  59. 
van  Rees  54;  pag.  1-2—13,  Taf.  XVI,  Fig.  5. 

Synon:  Pleuronem  a  lAiyscuni)  citrullus.     Colin  20;  pag.  27ij— 277,  Taf.  XV,  Fig.  54. 

Taf.  VII.    Fig.  98. 

Sehr  klein,  jedoch  bedeutend  grösser  als  beide  vorhergehenden  Formen,  von  0,028 — 0,042  mm 
Länge  und  0,018 — 0,02  mm  Breite.  Körper  oval,  hinten  abgerundet,  nach  vorne  stark  verengt  und 
gerade  abgestutzt;  das  Vorderende  an  der  Dorsalseite  schwach  ausgebuchtet.  Die  Ventralseite  nicht 
abgeflacht,  sondern  gewölbt,  jedoch  schwächer  als  die  Rückenseite.  Die  allgemeine  Gestalt  etwas  citronen- 
ähnlich,  wie  schon  von  Cohn  hervorgehoben  wurde.  Die  Ventralseite  ist  durch  ein  langes,  etwa  -/a  Körper- 
lange  erreichendes  Peristom  ausgehöhlt;  dasselbe  ist  ziemlich  eng  und  hinten  nach  links  ausgebuchtet,  jedoch 
schwächer  als  bei  C.  Glaucoma  typ.  und  stärker  als  bei  der  Varietät  elongatum.  Der  linke  Peristom- 
rand  ist  noch  ausserdem  in  der  vorderen  Region  schwach  ausgehöhlt,  so  dass  er  einen  welligen  Verlauf 
nimmt;  der  rechte  Peristomrand  erscheint  vollkommen  gerade. 

Der  Körper  ist  mit  sehr  langen ,  dünnen ,  borstenähnlichen  Cilien  bedeckt.  Am  vorderen  Körper- 
ende stehen  sie  sehr  dicht  beisammen  und  werden  nach  hinten  zu  allmählich  spärlicher;  das  äusserste  Hinter- 
ende ist  nackt  und  trägt  eine  lange  Fühlborste  (b).  Die  Cilien  stehen  auf  kleinen  Papillen,  welche  in  Längs- 
reihen angeordnet  sind.  Die  Längsstreifen  verlaufen  wie  bei  C.  Glaucoma,  nur  sind  die  .\bstände  zwischen 
ihnen  verhältnissmässig  viel  grösser,   so  dass  ihre  Zahl  eine  geringere  ist  (circa  14—16). 

Das  Ectoplasma  (ek)  ist  dünn,  anscheinend  homogen.  Das  Entoplasma  ist  feinkörnig-netzig 
nnd  enthält  zahlreiche  stark  lichtbrechende  Körperchen. 

Die  Lage  und  Gestalt  der  Mundöffnung  (o)  und  des  Schlundes  sind  vollkommen  dieselben  wie 
bei  C.  Glaucoma.  Dagegen  erinnert  die  undulirende  Membran  (m)  viel  mehr  an  die  Verhältnisse, 
welche  wir  bei  Pleuronema  fanden;  sie  beginnt  gleichfalls  am  vorderen  Körperende,  zieht  am  linken 
Peristomrande  nach  hinten  und  biegt  auf  den  rechten  Peristomrand  um,  wobei  sie  bedeutend  weiter  nach 
vorn  reicht  als  bei  C.  Glaucoma.  Somit  erscheint  auch  der  meml)ranöse  Sack  viel  tiefer  als  bei  der 
vorigen  Art,  jedoch  unbedeutend  flacher  als  bei  Pleuronema.  Die  ganze  Membran  ist  deutlich  quergestreift. 
Am  rechten  Peristomrande  sind  lange  borstenartige  Cilien  befestigt,  welche  nach  dem  Innenraum  des  Peri- 
stoms  gekehrt  sind. 

Der   After  (a)  liegt    auf  der   Ventralseite    und   ziemlich   weit   von    der  Ansatzstelle   der  Fühlborste 


64    

entfernt.  In  der  Nälie  der  letzteren  findet  sich  die  contractile  Vacuole  (c.  v.).  welche  terminal  nach 
aussen  mündet. 

Der  Makronucleus  ('S),  begleitet  von  einem  uvalen  Mikronucleus  (ncl),  ist  kugelig  und  liegt 
central.  Er  besitzt  einen  feinnetzigen  Bau,  welcher  an  fixirten  Kernen  deutlicher  hervortritt,  an  denen  man 
auch  eine  zarte  Kernhülle  wahrnehmen  kann.  Am  Mikronucleus  lässt  sich  ein  homogener  (achromatischer)  und 
streifiger  (_ chromatischer)  Abschnitt,  sowie  eine  äusserst  dünne  Hülle  unterscheiden. 

Diese  Art  gehört  nicht  zu  den  seltenen  Infusorien:  sie  kommt  in  faulenden  Infusionen  in  reichlicher 
Zahl  vor,  jedoch  bedeutend  seltener  als  C.  Glaucoma.  Ihre  Lebensweise,  Bewegung  und  Nahrungsauf- 
nahme entsprechen  vollkommen  denen,  welche  ich  bei  der  anderen  Art  geschildert  habe.  Die  einzige  Be- 
merkung, die  man  machen  könnte,  wäre,  dass  die  Bewegungen  von  C.  citrullus  im  allgemeinen  viel  gleich- 
massiger  sind  als  die  von  C.  Glaucoma,  doch  ist  diese  sehr  unwichtig. 

Cyclidium  citrullus  wurde  zuerst  von  Cohn  imter  dem  Namen  Pleuronema  (Alj-scum)  ci- 
trullus beschrieben.  Die  undulirende  Membran  hielt  er  gleich  seinen  Vorgängern  für  eine  „steife,  haken- 
förmige, rückwärts  gekrümmte  Borste",  wobei  er  die  Vermuthung  aufstellte,  dass  sie  „einem  aus  Wimpern 
zusammengelegten  Segel"  vielleicht  entsprechen  könnte.     Kern  und  After  wurden   nicht  beobachtet. 

25.  Balantiophorus  minutus  nov.  gen.  et  spec. 

Taf.  VII.     Fig.  99—1(11. 

Sehr  kleine  Formen  von  0,024—0028  mm  Länge  und  0,009—0.12  mm  Breite. 

Körper  länglich  oval,  an  beiden  Enden  etwas  verengt  und  abgerundet:  die  Dorsalseite  stärker 
gewölbt  als  die  Ventralseite  (Fig.  99 — 100;.  Seitlich  ist  der  Körper  nach  vorne  stark  verengt  und  in  der 
hinteren  Bauchregion  bauchig  erweitert,  so  dass  das  Thier  von  der  Bauch-  und  Rückenseite  spitz  eiförmig 
erscheint  (Fig.  101).  Das  vordere  Körperende  ist  auf  die  Ventralseite  herübergebogen  und  überdeckt  kappen- 
artig die  peristomartige  Aushöhlung,  welche  in  der  vordersten  Region  der  Ventralseite  gelegen  ist.  Das 
Peristom  ist  nach  links  tief  eingebuchtet,  sodass  der  linke  Peristomrand  (1.  Pr.)  stark  ausgehöhlt  erscheint, 
wogegen  der  rechte  (r.  Pr.)  fast  gerade  verläuft. 

Der  Körper  ist  mit  feinen,  dicht  stehenden  Cilien  bedeckt,  welche  nach  vorne  au  Grösse  alhnählieh 
zunehmen.  Am  vordersten  Körperende  sind  sie  bedeutend  länger  (mehr  als  doppelt  so  lang)  und  bilden 
einen  förmlichen  Wimperbüschel,  der  ventralwärts  umgebogen  ist.  Die  Cilien  sind  in  Längsreihen  angeordnet 
und  sitzen  auf  kleinen  Papillen,  welche  in  ihrer  Gesammtheit  die  Längsstreifung  des  Körpers  bedingen.  Diese 
Längsstreifen  ziehen  meridional  von  hinten  nach  vorn  und  biegen  am  ventralwärts  umgestülpten  Vorderende 
des  Körpers  bogenartig  um  das  Peristom  (Fig.  101)  herum;  die  in  der  Medianlinie  der  Ventralfläche  ge- 
legenen stossen  wie  gewöhnlich  auf  den  hinteren  Peristomrand. 

Das  Ectoplasma  (ek)  ist  sehr  dünn  und  anscheniend  homogen.  Das  Entoplasma  feingekörnt 
und  enthält  zahlreiche  stark  lichtbrechende  Körperchen  Die  Mund  Öffnung  (o)  liegt  in  der  peristom- 
artigen  Aushöhlung,  jedoch  wurde  ihre  Gestalt  und  Lage  nicht  mit  Sicherheit  festgestellt.  Ein  besonderer 
Schlund  scheint  nicht  vorhanden  zu  sein.  Das  ganze  Peristom  wird  von  einer  sackartigen  undu- 
lirenden  Membran  (m)  überdeckt.     Dieselbe   zieht  continuirlich  am  linken  hinteren  und  rechten  Peristom- 


Ü5       

rande  hin  und  beginnt  sehr  hoch,  so  dass  nur  der  vorderste  Peristomrand  frei  erscheint.  Da  das  Peristom 
stark  nach  links  ausgebuchtet  ist,  bildet  auch  die  Membran  im  ausgespannten  Zustande  einen  asymetrischen 
Sack,  dessen  linke  Seite  bauchig  aufgetrieben  erscheint.  Die  deutlich,  jedoch  fein  quergestreifte  Membran 
kann  in  das  Peristom  eingezogen  werden  und  legt  sich  dann  in  Falten  zusammen. 

Der  After  (a)  liegt  ventral  am  hinteren  Körperende;  etwas  weiter  nach  vorn  liegt  dorsalwärts  die 
coutractile  Vacuole  (c.  v.). 

Der  Makronucleus  (X)  ist  kuglig  und  liegt  central  oder  etwas  mehr  nach  hinten,  er  besitzt 
einen   körnig-feinnetzigen  Bau  und  wird  stets  von  einem  rundlichen  Mikronucleus  (ncl)  begleitet. 

Balantiophorus  ist  sehr  verbreitet  und  fast  in  jeder  faulenden  Infusion  gewöhnlich  in  grossen 
Schaaren  anzutrefl'en.  Es  lebt  zwischen  verwesenden  Algen  und  anderen  organischen  Stoifen,  von  denen  es 
sich  auch  ernährt.  Es  schwimmt  sehr  schnell  umher  und  geht  dabei  immer  mit  dem  Vorderende  voran, 
unter  fortwährender  Rotation  des  Körpers  um  seine  Längsachse.  Meistens  liegt  es  aber  ruhig  zwischen 
faulenden  Substanzen  und  bewegt  nur  die  undulireude  Membran  und  die  vorderen  langen  Cilien,  während 
die  übrigen  Körpercilieu  vollkommen  bewegungslos  bleiben.  Plötzlich  macht  das  Thier  eine  kleine  Rück- 
wärtsbewegung, wobei  die  Membran  in  das  Peristom  eingezogen  und  die  vorderen  Cilien  ventralwärts  stärker 
übergebogen  werden.  Darauf  streckt  es  sie  wieder  vor,  bleibt  ruhig  liegen  und  wiederholt  nach  einiger  Zeit 
dasselbe.  Diese  eigenthümlichen  zuckenden  oder  schnellenden  Bewegungen,  welche  in  kurzen  Zeiträumen  fort- 
während erfolgen,  erinnern  sehr  an  die  Contractionsbewegungen  der  Vorticellen,  nur  dass  kein  contractiler 
Stiel  vorhanden  ist  und  der  elastische  formbeständige  Körper  keinen  Autheil  daran  nimmt.  Es  scheint  jedoch, 
dass  das  vordere  Körperende  sich,  wenn  auch  unbedeutend,  contrahirt. 

Das  Thierchen  ist  farblos  und  durchsichtig,  kann  aber  wegen  der  vielen  aufgenommenen  Nahrung 
ganz  imdurchsichtig  erscheinen  und  dann  einen  gelblichen  oder  grauen  Ton  annehmen. 

Die  geschilderten  Organisationsverhältnisse  sprechen  für  eine  enge  verwandtschaftliche  Beziehung  dieser 
Cihate  zu  Formen  wie  Lembadion,  Pleuronema,  Cjclidium  und  anderen,  welche  sich  durch  eine  am 
Peristom  befestigte  undulireude  Membran  auszeichnen.  Und  zwar  wäre  es  in  die  nächste  Nähe  der  beiden 
von  Cohn  (20)  beschriebenen  und  wahrscheinlich  generisch  identischen  Anophrj^s  sarcophaga  (pag.  273 
—274,  Taf.  XrV^,  Fig.  51)  und  Colpoda  pigerrima  (pag.  274,  Taf.  XIY,  Fig.  52)  zu  stellen.  Jedoch 
weicht  es  von  denselben  nicht  unwesentlich  ab,  so  in  der  allgemeinen  Gestalt  und  geringeren  Grösse,  wie 
auch  in  der  Lage  des  Mundes  und  der  sackartigen  Membran,  wesshalb  es  nicht  in  der  Gattung  Anophrvs 
untergebracht  werden  kann.  Aus  diesem  Grunde  hielt  ich  für  gerathen  eine  neue  Gattung  —  Balantiophorus 
{ßakävTiov  —  kleiner  Sack,  (fOQog  —  tragend)  zu  errichten. 

Ob  das  Thierchen  von  früheren  Forschern  bereits  beobachtet  wurde,  ist  schwer  mit  Sicherheit 
zu  sagen.  Es  ist  möglich,  dass  Ehrenberg  (27)  unter  dem  Namen  Leucophrj's  carnium  (pag.  313, 
Taf.  XXXn,  Fig.  5)  und  Perty  (50)  unter  Ptyxidium  Ovulum  (pag.  148,  Taf.  VI,  Fig.  1)  dasselbe  Thier 
beschrieben  haben,  jedoch  sind  die  Beschreibungen  und  Abbildungen  zu  ungenügend,  um  von  einer  mög- 
lichen Identität  zu  sprechen. 


Bibliotheca  zoologica.    Heft  5. 


Anliana:. 


Bei  der  Bestimmung  der  Zahl  der  Körpercilien  von  Holophrya  discolor  Ehrbg.  verfuhr  ich 
folgendermassen.  Zunächst  bestimmte  ich  die  Zahl  der  Längsreihen  der  Cilien.  Dieselben  lassen  sich  sehr 
bequem  an  senkrecht  gestellten  Exemplaren  (Taf.  I,  Fig.  4)  zählen  und  betragen  gewöhnlich  32.  Darauf 
berechnete  ich  die  Zahl  der  Cilien,  welche  in  einer  Längsreihe,  resp.  Längsfurche  stehen  und  multiplicirte  sie 
mit  der  Zahl  der  Reihen.  Die  Cilienzahl  einer  Wimperreihe  ergiebt  sich  aus  folgender  Formel:  — \-  1, 
wo  1  =  Länge  der  Wimperreihe,  n:=  Abstand  zweier  benachbarten  Cihen;  n  wurde  als  arithmetisches  Mittel 
mehrerer  mit  einem  Ocularmicrometer  gemessenen  Cilienabstände  bestimmt.  Zur  Bestimmung  der  Länge 
der  Wimperreihen  wählte  ich  der  Bequemlichkeit  wegen  solche  Formen,  welche  eine  regelmässig  elHpsoidale 
Gestalt  besassen.  Der  ümriss  wurde  mit  einem  Zeiss"schen  Zeichenapparate  getreu  abgebildet  und  die 
erhaltene  Kurve  einer  Untersuchung  unterworfen,  welche  eine  Ellipse  ergab.  Darauf  genügte  es  nur  die 
beiden  Achsen  der  Ellipse  zu  bestimmen:  die  grosse  Achse  (Hauptacbsej  2  a  =  0,096  mm  und  die  kleine  (Neben- 
achse) 2b  =^  0,062  mm,  um  daraus  den  halben  Umfang,  resp.  die  Länge  der  Wimperreihe  zu  berechnen. 

Die    Länge    des   Bogens,     welcher   zwischen    zwei    zu    den   Abscissen   xi    und    xs    gehörigen    Ordi- 
naten  liegt 


=  J 


2 


a- 
Xi  a-  — 


dx 


aü Iji 

Setzt  man  — 5—  ^^e^    und    x^a  sin  y, 
also  Xi  =  a  sin  cpi     und     X2  —  a  sin  ^3, 

so  wird  der  Bogen  =  a  f     y  1  _  e^  sin  cp^  .  Acp 

Integrirt  man  das  Integral  von  r/i  =  0  bis  q)  =  ~,  so  erhält  man  den  vierten  Theil  des  ganzen  Um- 
fangs  der  Ellipse. 

Die  Länge  des  elliptischen  Quadranten  ist  also 

~  2L  \-2^/  3I2.4      /  512.4.6*^/  2m-ll2.4    ....    2m      *"     / 

Setzt  man  den  Werth  von  e^  ^= ' — ^ —  ein  und   berechnet  die  Länge  zweier  Quadranten,  d.  h.  den 

halben  Umfang  der  Ellipse,  so  ist  er 

/,        1  a- —  ba         3  /a-— b-U'  5    ^a'-— b-^^ 

—  '-'^a  (  i  -  4      a-z       ~  64  l      aW     "  256  l"^^ j    ~ 

Setzt  man  die  numerischen  Werthe  von  a  ^  0,048  mm  und  b  =  0,031  mm  in  die  vier  ersten  Güeder 


I 


67       

der  Reihe  ein  iiiui  lässt  die  folgenden  Glieder,  ihrer  Kleinheit  wegen,  ausser  Betracht,  so  ist  die  Länge 
jeder  Cilienreihe  =  0,1258  mm. 

Der  Abstand  zwischen  zwei  Cilien  beträgt  0.003  mm.  folglich  enthält  jede  Cilienreihe  ~^  -|-  1  =:=  43 
Cilieu;  und  der  ganze  Körper  32X43  =  1376  Cilien.  Selbstredend  muss  diese  Zahl  bloss  als  eine  annähernde 
betrachtet  werden,  da  wir  vor  allen  Dingen  die  am  vorderen  Mundfeldcheu  dichter  stehenden  Cilien  ausser 
Betracht  gelassen  haben. 

Bei  den  beiden  anderen  Formen:  Glaucoma  scintillans  Ehrbg.  und  Colitidium  Colpoda  Ehrbg. 
sp.  fällt  die  Bestimmung  der  gesammten  Körpercilienzahl  schwerer,  ja  ist  sogar  nach  der  eben  beschriebenen 
Methode  unmöglich,  insofern  diese  Formen  eine  unregelmässige  Gestalt  besitzen  und  die  Längsreihen,  in  welchen 
die  Körpercilien  stehen,  nur  auf  der  Dorsalfiäche  meridiunal  verlaufen,  wogegen  sie  auf  der  Ventralfläche  in 
der  Vorderregion  des  Körpers  bogenartig  den  Mund  umziehen.  Aus  diesem  Grunde  nahm  ich  für  diese 
Formen  die  Gestalt  eines  Eotationsellipsoides  an  (da  sie  nahezu  ellipsoidal  sindj,  und  betrachtete  sämmtliche 
Cihenreihen  als  meridional  verlaufend.  Die  Zahl  derselben  ergab  sich  aus  der  Division  der  Peripherie  des 
Aequators  (die  ja  bei  einem  gestreckten  Rotationsellipsoid  ein  Kreis  ist)  durch  den  Abstand  zweier  Streifen. 
Alles  übrige  wurde  auf  dieselbe  Weise ,  wie  bei  der  vorhergehenden  Art,  bestimmt. 

Glaucoma  scintillans  Ehrbg.  Die  Länge  des  untersuchten  Exemplars  beträgt  0,064  mm,  die 
Breite  0,034  mm.  Der  Abstand  zweier  Längsstreifen  beträgt  0,004  mm  und  der  Abstand  zwischen  den  An- 
satzstellen zweier  Cilien  in  den  Läugsstreifen  0.002  mm. 

Demnach  ist  die  Zahl  der  Längsstreifen 

27ir   2. T.  0,017  _  .-,^ 

0,004    ^       0,004  ' 

Die  Länge  jedes  Längsstreifens  nach  der  obigen  Formel 

/,        la-2  — b-         3  /a-^  — b-\2  5    /a-  — b-v3  n  n-a 

^a(l  — j T ..tI       .,     I    —  5F7;( — :^      —...=0.0(9  mm 

\         4      a''  b4  \     a-      '  2o6  \     a-     / 

und  die  Zahl  der  Cilien  auf  einem  Längsstreifen  ^^^r^  -[-  1  =  40.  Dagegen  die  Gesammtzahl  der  Körper- 
cilien 27x40  =  1080. 

Colpidium  Colpoda  Ehrbg.  sp.  Die  Länge  des  untersuchten  Exemplars  beträgt  0,096  mm,  die 
Breite  0,06  mm.  Der  Abstand  zweier  Längsstreifen  0,004  mm  und  der  Abstand  zwischen  den  Ansatzstelleu 
zweier  Cilien  0,0025  mm. 

Demnach  ist  die  Zahl  der  Längsstreifen 

_  2^  _  2  TT .  0,03  _  ,  ^ 
~~  0,004  "     0,004     —  * '  • 

Die  Länge  jedes  Längsstreifens,   d.  h.  der  halbe  Umfang  der  Ellipse  nach   der  obigen  Formel  ist 

0  1244 
=  0,1244  mm:   die  Zahl  der  darauf  stehenden  Cilien  ,=^^7^77^-  +  1  ^  50  ,    die    Gesammtzahl   der  Körpercilien 

0,002o    '  ^ 

4750  =.  2350. 

Heidelberg,  im  Oktober  1888. 
Zoologisches  Instit\it. 


Litteratnrverzeiehniss. 

Bei  der  Beschreibung  der  einzelnen  Arten  wurde  die  Litteratur  von  Elirenberg  ab  berücksiclitigt  und  chronologisch  an- 
geordnet.    Die  Aufzählung  der  älteren  Schriften  habe  ich  unterlassen ,  weil  sie  mir  von  untergeordneter  Bedeutung  erschienen 

und  schon  von  Ehrenberg  ausführlich  angegeben  wurden. 

1.  W.  Alenitzin.  Beschreibimg  neuer  Protozoenformen ,  die  in  den  Seen  des  Troitzkischen  und  Tschel- 
jabinskisclien  Bezirkes  des  Orenburger  Gouvernements  gefunden  wurden.  Arb.  d.  St.  Petersb.  Naturf.- 
Gesellsch.     Bd.  IV.     1873  (russisch). 

2.  G.  Allman.  On  the  occurence  among  the  infusoria  of  peculiar  Organs  resembling  thread-cells.  Quart, 
journ.  of  microsc.  science.     Vol.  III.     1855. 

3.  J.  Andrussowa.  Die  Infusorien  der  Bucht  von  Kertsch.  Arb.  d.  St.  Petersb.  Naturf.-Gesellsch. 
Bd.  XVII.  1.     1886  (russisch). 

4.  G.  Balbiani.     Observations  sur  le  Didinium  nasutum.     Arch.  zool.  experim.     T.  II.     1873. 

5.  K.  Brandt.  Ueber  das  Zusammenleben  von  Thieren  und  Algen.  Verhandl.  d.  physiol.  Gesellsch.  zu 
Berlin.     No.  4  u.  5.     1881. 

6.  K.  Brandt.  Ueber  die  morphologische  und  physiologische  Bedeutung  des  Chlorophylls  bei  Thieren. 
Arch.  f.  Anat.  u.  Physiol.     Phys.  Abtheil.     1882. 

7.  0.  Bütschli.     Einiges  über  Infusorien.     Arch.  f.  mikr.  Anat.     Bd.  IX.     1873. 

8.  0.  Bütschli.  Studien  über  die  ersten  Entwicklungsvorgänge  der  Eizelle,  die  Zelltheilung  und  die 
Conjugation  der  Infusorien.     Abh.  der  Senkenb.  naturf.  Gesellsch.    Bd.  X.     Frankfurt  a.  M.     1876. 

9.  0.  Bütschli.    Kleine  Beiträge  zur  Kenntniss  einiger  mariner  Rhizopoden.    Morph.  Jahrb.    Bd.  XI.    1885. 

10.  0.  Bütschli.     Protozoa.    Bronn's  Klassen  und  Ordnungen  des  Thierreichs.    Lfg.  35—49.    1887 — 1888. 

11.  H.  .1.  Carter.  Remarks  on  Prof.  H.  J.  Clark"s  Peridinium  cypripedium.  The  ann.  and  mag.  of  nat. 
bist.     3  Ser.     Vol.  XVI.     1865. 

12.  L.  Cienkowsky.     Ueber  Cystenbildung  bei  Infusorien.     Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.     Bd.  VI.     1855. 

13.  E.  Claparede  et  J.  Lachmann.  Etudes  sur  les  infusoires  et  les  rhizopodes.  2  vis.  Geneve. 
1858—61. 

14.  H.  .James- Clark.  Proofs  of  the  animal  nature  of  the  cilioflagellate  Infusoria,  based  upon  investi- 
gations  of  the  structure  and  physiology  of  one  of  the  Peridinia  (Peridinium  cypripedium  nov.  sp.)  The 
ann.  and  mag.  of  nat.  bist.     3  Ser.     Vol.  XVI.     1865. 

15.  H.  James-Clark.  On  the  affinities  of  Peridinium  cypripedium  J.  Cl.  and  Urocentrum  turbo  Ehrbg. 
The  ann.  and  mag.  of  nat.  bist.     3  Ser.     Vol.  XVIII.     1866. 


69       

16.  F.  Colin.     Beiträge   zur  Entwicklungsgeschichte  der  Infusorien.     II.  Ueber  den  Encystirungsprocess  der 
Infusorien.     Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.     Bd.  IV.     1853. 

17.  F.   Cohn.     Beitrage  zur  Kenntniss  der  Infusorien.    III.  Ueber  die  Cuticula  der  Infusorien.     Zeitschr.  f. 
wiss.  Zool.     Bd.  V.     1854. 

18.  F.  Cohn.     Ueber  Encystirung  von  Amphileptus  fasciola.     Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.     Bd.  V.     1854. 

19.  F.  Cohn.     Ueber  Fortpflanzung  von  Nassnla  elegans  Ehrbg.     Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.     Bd.  IX.    1858. 

20.  F.  Cohn.     Neue  Infusorien  im  Seeaquarium.     Zeitschr.  f.  wiss.  Zool.     Bd.  XVI.     1866. 

21.  E.  Daday.     Ein   kleiner  Beitrag  zur  Kenntniss   der  Infusorienfauna  des  Golfes  von  Neapel.     Mittheil, 
a.  d.  zool.  Stat.  zu  Neapel.     Bd.  VI.     1886. 

22.  K.  M.  Die  sing.     Revision  der  Prothelminthen.     Amastigen.    I.  Sitzungsb.  d.  K.  Akad.  d.  Wiss.     Wien. 
Math.-Naturw.  Cl.     Bd.  LH.     1865. 

23.  K.  M.  Diesing.     Revision  der  Prothelminthen.     Amastigen.     II.  Sitzungsb.  d.  K.|  Akad.  d.  Wiss.     AVien. 
Math.-Naturw.  Cl.     Bd.  LIII.     1866. 

24.  F.  Duj ardin.     Histoire  naturelle  des  zoophytes.    Infusoires.     Paris.     1841. 

25.  E.  Eberhard.     Infusorienforschungen.     ()sterprogramm  d.  Realschule  zu  Coburg.     1858. 

26.  E.    Eberhard.     Zweite   Abhandlung   über    die   Infusorienwelt.      Programm    d.    Realschule   zu    Coburg. 
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27.  Chr.  G.  Ehrenberg.     Die  Infusionsthierchen  als  vollkommene  Organismen.     Leipzig  1838.     Mit  Atlas. 

28.  Gaza  Entz.     Ueber  die  Natur  der  „Chlorophyllkörperchen"  niederer  Thiere.    Biolog.  Centralbl.    I.  Jahrg. 
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Inst,  zu  Tübingen.     Bd.  II.     1886. 

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des  scienc.  natur.  de  Strasbourg.     T.  VI.     1866. 


70       

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plasmatischen Structuren.     Morphol.  Jahrb.     Bd.  XII.     1886. 

57.  A.  Schuberg.     Die  Protozoen  des  Wiederkäuermagens.     I.     Zool.  Jahrbücher.     Bd.  III.     1888. 

58.  F.  Stein.     Die  Infusionsthiere  auf  ihre  Entwicklungsgeschichte  untersucht.     Leipzig  1854. 

59.  F.    Stein.      Charakteristik    neuer   Infusorien  -  Gattungen.      Lotos.      Zeitschr.    f.    Xaturw.      IX.    Jahrg. 
Prag  1859. 

60.  F.   Stein.     Der  Organismus  der  Infusionsthiere  nach  eignen  Forschungen  in  systematischer  Reihenfolge 
bearbeitet.     I.  Abth.    Die  hypotrichen  Infusionsthiere.     Leipzig  1859. 

61.  F.  Stein.    Ueber  die  Eintheilung  der  holotrichen  Infusionsthiere  und  einige  neue  Gattungen  und  Arten 
dieser  Ordnung.     Sitzungsber.  d.  K.  böhm.  Gesellsch.     1860. 

62.  F.  Stein.     Der  Organismus  der  Infusionsthiere  nach  eigenen  Forschuntjen  in  systematischer  Reihenfolge 
bearbeitet.     II.  Abtheil.     Allgemeines  und  heterotriche  Infusorien.     Leipzig  1867. 

()3.    A.  Stokes.     Notes  on   a  new   infusorian.     Americ.   Naturalist.     Vol.   XVIII.     1884.     Ref.  in  Journ.  of 

roy.  microsc.  soc.     IL  Ser.     Vol.  IV.     18b4. 
64.    A.  Stokes.     Notes  on  some  apparently  undescribed  forms  of  freshwater  infusoria.    The  americ.  journ.  of 

Science.     3  Ser.     Bd.  XXIX.     1885. 


71       

65.  A.    Stokes.      Some    new   infusoria    from   americ.    fresh  waters.     The   ann.  and  magaz.  of  iiatur.   bist. 
Vül.  XVII.     1886. 

66.  A.    Wrzesniowski.     Observations    siir  quelques  infusoires.      Ann.   d.   scienc.   natur.   (4  Ser.)  Zoologie. 
T.  XVI.     1861. 

67.  A.  Wrzesniowski.     Ein  Beitrag  zur  Anatomie  der  Infusorien.     Arch.  f.  mikrosk.  Anat.     Bd.  V.    1869. 

68.  A.    Wrzesniowski.      lieber   Infusorien    aus   der   Umgebung   von    Warschau.     Zeitschr.   f.   wiss.   Zool. 
Bd.  XX.     1870. 

69.  E.  Zacharias.     Ueber  die  Spermatozoiden.     Botan.  Zeit.     No.  50  u.  51.     1881. 


Erklärima-  der  Abbilduiiüen. 


Sämmtliche  Untersuchungen  wurden  mit  einem  Zeiss" scheu  Instrumente  (Stativ  II,  165  mm  Tubus- 
länge), Ocular  2  und  4,  Obj.  D  und  F,  dem  Abbe 'sehen  Beleuchtungsapparat  und  den  homogenen  Immer- 
sionen: Seibert  Vis  und  Hartnack  Vis  ausgeführt.  Mit  diesen  Systemen  sind  auch  die  Abbildungen 
gezeichnet  worden:  die  Vergrösserungen  wurden  bei  jeder  Figur  angegeben. 


I 


Bedeutung 

a.  After. 

al.  Alveolarschicht  des  Ectoplasmas. 
ad.  w.  adurale  Winiperzone. 

b.  Fühlborste. 
cl.  Cihen. 

cf.  Cilienfurche. 
er.  Schwanzcirrus. 

c.  p.  Corticalplasma. 

c.  V.  contractile  Yacuole. 

.ci.  Vi    neu  angelegte  contr.  Vac.  des  Sprösslings. 

c.  c.  V.  Kanal  der  contr.  Vacuole. 
cl.  p.  CiUenpapillen. 

d.  gefressene  Diatomeen, 
ek.  Ectoplasma. 

en.  Entoplasma. 
F.  Fm-che. 

f.  Muskelfibrille  (Myonem). 
ft.  Fetttropfen. 

g.  Gallertschicht. 

h.  homogen  erscheinendes  Ectoplasma. 

hy.  Hypostom. 

H.  W.  hintere  AVimperzone. 

Hl.  Wi.   neu  angelegte  hintere  Wimperzone. 


der  Buchstaben. 

k.  Kanal  der  Muskelfibrille. 

kji.  kappenartige  Hervorstülpung. 

kr.  plasmatischer  Kragen  des  Stäbchenapparates. 

1.  Leiste. 

1.  s.  Längsstreifen. 

1.  mr.  linker  Membranrand. 

1.  or.  linker  Mundrand. 

1.  Pr.  linker  Peristomrand. 

M.   Mähne  (aus  einer  Reihe  stärkerer  Wimpern  be- 
stehend). 

Mf.  Mundfeldchen. 

m.  undulirende  Membran. 

m.  i.  innere  undulirende  Membran. 

m.  1.  linke  unduhrende  Membran. 

m.  r.  rechte  unduhrende  Membran. 

m.  w.  mittlerer  oder  oraler  Wimpergürtel. 

N.  Makronucleus. 

Ni  u.  Nä.  aus  der  Zweitheilung-  hervorgegangene 
Makronuclei. 

ncl.   Mikronucleus. 

ncli   u.  ncl-.   aus   der  Zweitheilimg  hervorgegangene 
Mikronuclei. 

nk.  Nahrungskorper. 


73 


nki  —  uki.  Xahrungskür2)er  in  verschiedenen  Stadien 

der  ^'el•danung. 
n.  V.  Nalirungsvacuole. 

0.  Mund. 

01.  Mund  (neu  angelegter)  des  Sprosslings. 
oe.  Schlund. 

oe.  w.  Schlundwandung. 
P.  Peristom. 
p.  Pellicula. 
pi.  Pigmentfleck. 

p.  e.  Porus  excretorius  der  contractilen  Vacuole. 
q.  s.  Querstreifen. 
R.  Rippenstreifen. 
Rw.  Ringwulst. 

r.  plasniatischer  Ring,  der  den  Stäbchenapparat  um- 
zieht, 
r.  mr.  rechter  Membranraud. 


r.  or.  rechter  Mundrand. 

r.  Pr.  rechter  Peristomrand. 

st.  Stäbchenapparat. 

tr.  Trichucysten. 

t.  s.  trichocystenähnliche  Stäbchen. 

vh.  Vorhöhle  der  Mundöönung. 

V.  W.  vordere  Wimperzone. 

Vi   Wi.  vordere  Wimperzone  (neu  angelegte)  des 

Sprosslings. 
W.  Winiperkranz. 

Wi.   Wimperkranz  (neu  angelegter)  des  Sprosslings. 
wr.  Wimperreihe, 
wri  — wri.  1.— 4.  Wimperreihe, 
w.  b.  Wimperbüschel. 
w.  vh.  Wand  der  Vorhühle. 
z.  Zoochlorelleu. 


Tafel  I. 

Fig.  1.     ürotricha  farcta.     Cl.  &  L.     Seitliche  Ansicht.     Yergr.  1070. 
Fig.  2.     Trotricha  lagenula.     Kent  spec.     Seitliche  Ansicht.     Vergr.  660. 
Fig.  3—8.    Holophrja  discolor.    Ehrbg. 

Fig.  3.     Seitliche  Ansicht  eines  länglichen,  nicht  contrahirten  Individuums.     Vergr.  660. 
Fig.  4.     Orale  Ansicht.     Vergr.  660. 

Fig.  5.     Oraler  Theil  im  optischen  Längsschnitte,  um  die  Verhältnisse  des  Schlimdes   und  der  Stäbchen  zu 
zeigen.     Mund  und  Schlund  geöffnet.     Vergr.  660. 
Optischer    Querschnitt    dreier    Körperstreifen     um    die    Verhältnisse     der    Myomene     zu    zeigen. 

Vergr.  1800. 
Flächenansicht  eines  kleinen  Theils  dreier  Körperstreifen.     Vergr.  1800. 

Ein   isoUrter,    mit   Chromosmiumessigsäure    abgetödteter    und  Älauncarmin    gefärbter  Makronucleus 
mit  anliegendem  Mikronucleus,     Vergr.  660. 
Fig.  9 — 13.     Prorodon  teres.     Ehrbg. 

Fig.  9.     Seitliche  Ansicht  eines  ellipsoidalen,  nicht  contrahirten  Individuums.    Vergr.  660. 
Fig.  10.     Orale  Ansicht.     Vergr.  660. 
Fig.  11.     Vorderer  Körpertheil   im    optischen   Längsschnitte.      Mund    und    Schlund   geöfJhet,    der  Stäbchen- 

(Reusen)apparat  zurückgezogen.     Vergr.  660. 
Fig.  12.     Contractile  Vacuole  mit  4  Reihen    zuführender,    kleinerer  Vacuolen,   vom  aboralen  Pole  betrachtet. 

Vergr.  660. 
Fig.  13.     Ein  isolirter,  fixirter  und  gefärbter  Makronucleus  mit  anliegendem  Mikronucleus. 


Fig.  6. 

Fig.  7. 
Fig.  8. 


Bibliotheca  zoologica.    Heft  5. 


10 


Fig. 

15. 

Fig. 

16. 

Fig. 

17. 

Fig. 

18. 

Fig. 

19. 

Fig. 

20. 

74 


Tafel  II. 

Fig.  14 — 21.     Didinium  Balbianii.     Bütschli. 
Fig.  14.     Seitliche  Ansicht    eines   sich   rückwärts  bewegenden   Individnums   mit   schwach    hervorspringendem 
ilundkegel.     Vergr.  660. 

Seithche  Ansicht    eines    sich    vorwärts    bewegenden    Individuums  mit  vorgestrecktem  Mundkegel. 
Vergr.  660. 
Orale  Ansicht.     Vergr.  370. 

Eine  Cilienreihe  des  Wimperkranzes  in  seitlicher  Ansicht.     Vergr.  1350. 
Ein  isolirter,  fixirter  und  gefärbter  Makronucleus  mit  anliegendem  Mikronucleus.     Vergr.  660. 
Einzelne  Stäbchen  des  Stäbchenapparates  durch  Zerfliessenlassen  des  Thieres  isolirt.     Vergr.  660. 
Ein    in  Theilung  begriffenes  Individuum    mit    einem    hinteren,  neu  angelegten  Wimperkranze  und 
cylindrischem  Kerne.     Vergr.  370. 
Fig.  21.     Ein  aus  der  Theilung  hervorgegangenes  Individuum  (hinterer  Sprössling).     Vergr.  370. 

Fig.  22—26.     Dinophrya  Lieberkühnii.     Bütschli. 
Seitliche  Ansicht.     Vergr.  660. 

Hinteres  Körperende  in  einen  langen  schvvanzartigen  Fortsatz  ausgezogen.    Vergr.  660. 
Orale  Ansicht.    Vergr.  660. 

Eine  Cilienreihe  des  Wimperkranzes  in  seitlicher  Ansicht.     Vergr.  660. 
Ein  isolirter,  fixirter  und  gefärbter  Makronucleus  mit  anliegendem  Mikronucleus. 

Fig.   27 — 30.     Lionotus  fasciola.     Ehrbg.  sp. 
Ansicht  des  Thieres  von  der  linken  Seite.    Vergr.  1070. 
Ansicht  des  Thieres  von  der  rechten  Seite.     Vergr.  1070. 
Vordere  Körperhälfte  von  der  Ventralseite  betrachtet.     Vergr.  1070. 
Ein  isolirter,  fixirter  Kern  mit  anliegendem  Mikronucleus.     Vergr.  1070. 

Tafel  III. 

Fig.  31—33.     Dileptus  Anser.     0.  F.  Müller  sp. 
Fig.  31.     Rechtsseitige  Ansicht.     Vergr.  300. 
Fig.  32.    Ventrale  Ansicht  der  Mundregion,   um  die  Verhältnisse  des  Mundes  und  des  Schlundes,   sowie  die 

Anordnung  der  Trichoejsten  (tr)  und  der  adoralen  Wimperzone  zu  zeigen.     Vergr.  660. 
Fig.  33.     Linksseitige  Ansicht  der  Mundregion.     Die  Trichocysten  (tr)  zum  Theil  ausgeschnellt.     Vergr.  660. 

Fig.  34 — 38.     Nassula  elegans.     Ehrbg. 
Fig.  34.     Ventrale  Ansicht.     Vergr.  660. 
Fig.  35.     Dorsale  Ansicht  des  vorderen  Körperendes ,    um  den  Verlauf  der  adoralen  Wimperzone   (ad  w.)   zu 

zeigen.     Vergr.  660. 
Fig.  36.     Seitliche  Ansicht  eines  isolirten  Stäbchen-(Reusen)apparats.    Mundhöhle  und  -Oeffnung  im  optischen 

Durchschnitte.     Vergr.  1070. 


Fig. 

22. 

Fig. 

23. 

Fig. 

24. 

Fig. 

25. 

Fig. 

26. 

Fig. 

27. 

Fig. 

28. 

Fig. 

29. 

Fig. 

30. 

75       

Fig.  37.  Optischer  Durchschnitt  einer  Körperpartie,  um  den  Bau  des  Ectoplasmas  und  die  Ansatzstellen  der 
Cilien  zu  zeigen.     Vergr.  1070. 

Fig.  38.  Optischer  Durchschnitt  einer  Körperpartie,  um  die  nach  Sodabehandlung  aufgequollene  Gallert- 
schicht zu  zeigen.     Vergr.  660. 

Fig.  39 — 46.     Nassula  aurea.     Ehrbg. 
Fig.  39.     Ventrale  (oder  etwas  linksseitige)  Ansicht.     Vergr.  370. 
Fig.  40.     Seitliche    Ansicht   eines    isolirten    Stäbchenapparates.     Mundöffnung    im    optischen   Durchschnitte. 

Vergr.  660. 
Fig.  41.     Vorderer  Theil   eines    vorgestreckten  Stäbchenapparates.      Plasmatischer  Kragen  (kr)  weit  geöffnet. 

Vergr.  660. 
Fig.  42.     OberÜächenansicht  eines  isolirten  Stäbchenapparates.     Vergr.  660. 
Fig.  43.     Optischer  Durchschnitt  einer  Körperpartie,  um  den  Bau  des  Ectoplasmas  und  der  Cihenpapillen  zu 

zeigen.     Vergr.  1070. 
Fig.  44.     Oberflächenansicht    der   Alveolarschicht   des    Ectoplasmas.      Die    dunkeln    Knotenpunkte    sind    die 

radiären  Balken,  über  welchen  die  Cilien  stehen.     Vergr.  1070. 
Fig.  45.     Ein    Theil    des    Körpers   in    OberÜächenansicht,    um   den    Verlauf   der    Längs-    und    Querstreifen, 

sowie  die  Ansatzstellen  der  Cilien  (Cilienpapillen)  zu  zeigen.     Vergr.  1070. 
Fig.  46.     Contractile  Vacuole  in  der  Seitenansicht,  um  die  Ausmündung  zu  zeigen. 

Tafel  IV. 

Fig.  47 — 53     Glaucoma  scintillans.     Ehrbg. 
Fig.  47.    Ansicht  des  Thieres  von  der  linken  Seite.     Vergr.  660. 
Fig.  48.    Ventral-Ansicht.     Vergr.  660. 

Fig.  49.     Rechtsseitige  Ansicht  des  Mundes  und  Schlundes    Vergr.  660. 
Fig.  50 — 53.    Theilungszustände.     Vergr.  370. 

Fig.  54 — 55.     Glaucoma  pyriformis.     Ehrbg.  sp. 
Fig.  54.     Ansicht  des  Thieres  von  der  linken  Seite.     Vergr.  660. 
Fig.  55.     Ventrale  Ansicht.     Vergr.  660. 

Fig.  56.     Glaucoma  macrostoma.     nov.  sp.     Ventrale  Ansicht,     Vergr.  660. 

Tafel  V. 

Fig.  57 — 64.     Frontonia  leucas.     I]hrbg. 

Fig.  57.     Ventrale  Ansicht.     Vergr.  370. 

Fig.  58.     Rechtsseitige  Ansicht  eines  mit  Zoochlorellen  erfüllten  Individuums.     Vergr.  370. 

Fig.  59.     Ventrale  Ansicht  des  Mundapparats.     Vergr.  1070. 

Fig.  60.     Optischer  Durchschnitt  der  undulirenden  Membran.  A.  bei  hoher,  B.  bei  tiefer  Einstellung.  Vergr.  1070. 

Fig.  61.     Optischer  Durchschnitt  einer  Körperpartie ,    um  den  Bau  des  Ectoplasmas  und  die  Ausmündungs- 

öffnung  (p.  c.)  der  contractilen  Vacuole  zu  zeigen.     Vergr.  660. 

10* 


76        

Fig.  62.     Isolirte  Trichocysten.     A.  im  gewöhnlichen,  B.  im  ausgeschnellten  Zustande.     Vergr.  660, 
Fig.  63.     Ein  isolirter  und  fixirter  Makronucleus  mit  anliegendem  Mikronucleus.     Vergr.  660. 
Fig.  64.     Isolirte  Zoochlorellen  (Zoochlorella  conductrix  Brandt),    A.  von  der  Seite,    B.    von  oben,    C.  ein  in 
Zweitheilung  begriffenes  Exemplar.     Vergr.  1860. 

Fig.  65 — 68.     Colpidium  Colpoda.     Ehrbg.  sp. 

Fig.  65.  Ansicht  des  Thieres  von  der  rechten  Seite.     Vergr.  660. 

Fig.  66.  Ventrale  und  etwas  linksseitige  Ansicht.     Vergr.  660. 

Fig.  67.  Dorsale  Ansicht,   um  den  Verlauf  der  Körperstreifen  auf  die  Dorsalfläche  zu  zeigen.      Vergr.  370. 

Fig.  68.  Ein  isolirter  und  fixirter  Makronucleus  mit  anliegendem  Älikronucleus.     Vergr.  660. 

Fig.  69 — 71.     Uronema  marina.     Duj. 

Fig.  69.     Ansicht  des  Thieres  von  der  rechten  Seite.     Vergr.  660. 
Fig.  70.     Ventrale  Ansicht.     Vergr.  660. 

Fig.  71.     Rechtsseitige  Ansicht  des  Mundes,  um  die  am  rechten  Mundrande  (r.  or.)  befestigten  Cilien  zu  zeigen. 
Vergr.  1070. 

Tafel  VI. 

Fig.  72.  Urozona  Bütschlii  nov.  gen.  et  sp.     Ventrale  Ansicht    Vergr.  1070. 

Fig.  73 — 75.     Cinetochilum  margaritaceum.     Ehrbg.  sp. 
Fig.  73.     Ventrale  Ansicht.    Vergr.  1070. 
Fig.  74.     Dorsale  Ansicht.     Vergr.  1070. 
Fig.  75.     Rechtsseitige  Ansicht.   Vergr.   1070. 

Fig.  76 — 82.     Urocentrum  turbo.     Ehrbg. 
Fig.  76.    Ventrale  Ansicht.    Vergr.  660. 
Fig.  77.     Oberflächenansicht  eines  Theils   des  Wimpergürtels,  um   das  Streifensystem  und  die  Ansatzstellen 

der  Cilien  zu  zeigen.     Vergr.  1860. 
Fig.  78.     Optischer  Durchschnitt  einer  Körperpartie,  um  den  Bau  der  Alveolarschicht  und  des  Corticalplasmas 

zu  zeigen.     Vergr.  1070. 
Fig.  79.     A.     Alveolarschicht  des  Ectoplasmas  in  Oberflächenansicht.      Vergr.    1070.      B.   Corticalplasma   in 

Oberflächenansicht.    Vergr.  1070. 
Fig.  80.     Ventralansicht  der  Mundööhung,   um  die  Anordnung  der  adoralen  Wimperreihe  und  den  Bau  des 

Schlundes  zu  zeigen.     Vergr.  1070. 
Fig.  81.    Contractile  Vacuole  mit  4  birnartig  angeschwollenen  zuführenden  Kanälen,  vom  hinteren  Körperende 

aus  betrachtet.    Vergr.  660. 
Fig.  82.     Ein  isolirter,  fixirter  und  gefärbter  Makronucleus  mit  anliegendem  Mikronucleus.     Vergr.  660. 
Fig.  83—85.     Theilungszustände.     Vergr.    370. 
Fig.  86.     Conjugationszustand.     Vergr.  370. 


Tafel  VII. 

Fig.  87—91.  Lembadion  Im  Hin  um.     O.  F.  Müller  sp. 
Fig.  87.     Ventrale  Ansicht.     Vergr.  1070. 
Fig.  88.     Rechtsseitige  Ansicht.     Vergr.  (iOO. 
Fi".  89.     Linksseitige  Ansicht.     Die  linke   undulirende  Membran   weiigelassen,    um   den  Verlauf  der    icrMen 

(m.  r.)  und  inneren  (m.  i.)  undulirenden  Membranen  besser  zu  zeigen.     Vergr.  660. 
Fig.  90.     Optischer   Querschnitt  des  Körpers,   um   die  Befestigungsstellen   licr  uiidulin'nden  Membranen  und 

die  Lage  des  Mundes  zu  zeigen.     Vergr.  660. 
Fig.  91.     Oberilächenansicht  einer  Köri)erpartie,  um  die  Anordnung  der  Ciiien  und  di'u  Hau  der  Cilienpapillen 

zu  zeigen.    Vergr.  1860. 

Fig.  92  —  9.').     Pleuronema  Chrjsalis.     Ehrbg.  sp. 
Fig.  92.     Rechtsseitige  Ansicht.    Vergr.  660. 
Fig.  9.3.     Linksseitige  Ansicht.     Vergr.  060. 

Fig.  94—96.     Cyclidium  Glaucoma.     0.  F.  Müller  sp. 
Fig.  94.     Rechtsseitige  Ansicht.     Vergr.  1070. 
Fig.  9.5.     Linksseitige  Ansicht.     Vergr.  1070. 
Fig.  96.     Ventrale  Ansicht.     Vergr.  1070. 

Fig.  97.     Cyclidium  Glaucinna  var.  elungatum  miiii.      Rechtsseitige  Ansicht.     Vergr.  1070. 

Fig.  98.     Cyclidium  citrullus.     (JoJm  sp.     Rechtsseitige  Ansicht.     Vergr.  1070. 
Fig.  99—101.     Balantiophorus  minutus  nov.  gen.  et  spec. 
Fig.     99.     Linksseitige  Ansicht.     Vergr.  1070. 
Fig.  100.     Rechtsseitige  Ansicht.     Vergr.  1070. 
Fig.  101.     Ventrale  Ansicht.     Vergr.  1070. 


Inlia^lt. 


Seite 

Vorwort ,    .     .     .• .     .  1 

Urotrirh.a  farcta.     Clap.  und  L.icliiii.           •     ■. 7 

Urotricha  Laireiuila.     Keiit ...              9 

Holophrya  discolor.     Ehrbg 10 

Prorodon  teres.     Ehrbg. 13 

Pidinium  Balbiunii.     Bütschli 15 

Dinophrya  Lieberkühnii.     Bütsrhli 17 

Lionotus  Fasoiola.     Ehrbg .     .  19 

Dileptus  Anser.     O.  F.  Müller  sp 22 

Nassula  elegans.     P^hrbg 25 

Nassula  aurea.    Ehrbg 28 

Glaucoma  scintillaus.    Ehrbg ., 32 

Glauconia  pyriformis.     Ehrbg.  spec .  35 

Glaucoma  macrostoma.  nov.  spec.       .     .                        36 

Froiitonia  leucas.     Ehrbg .          .                                   38 

Colpidium  Colpoda.     Ehrbg.  spec.                          .                                      ...                                               42 

Uronema  marlna. ,  Duj .     .                                                                                                   44 

Urozona  Bütschlii  nov.  gen.  et  spec .          .              ...  45 

Cinetochilum  margaritaceum.     Ehrbg.  spec.    .  ....  47 

Urocentrnm  Turbo.     ().  F.  Müller  spec ....                                     ...  49 

Lenibadion  buUinuiu.     O.  F.  31üller  sp .     .  ....          .55 

rieuronema  Chry.salis.     I<>hrbg.  spec 58 

Cyclidium  Glaucoma.     O.  F.  Müller 60 

Cyclidiuin  Glaucoma  variet.  elongatum  mihi.                       ...  62 

Cyclidium  citrullus  Cohn  spec 63 

Balantiophorus  minutus  nov.  gen.  et  spec 64 

Anhang  (Berechnung  der  Cilienzahl  einiger  Formen) 66 

Litteraturverzeichniss 68 

Erklärung  der  Abbildungen .........          72 


DrU'k   von  Fr.  Aug.  Kup«*!  in  SondL'rshauai>n. 


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